3. Diagnostik des Locked-in-Syndroms

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3. Diagnostik des Locked-in-Syndroms
Boris Kotchoubey & Martin Lotze
3. Diagnostik des Locked-in-Syndroms
Inhalt
Seite
3.1 Warum instrumentalle Methoden
– eine Einführung
3
3.2 Was haben uns instrumentelle Methoden bei LiS bereits gezeigt
– ein Überblick
4
3.1.1 Rhythmische elektrische Aktivität der Hirnrinde (EEG)
4
3.1.2 Evozierte und ereigniskorrelierte Potentiale
8
3.1.3 Myographie und motorische evozierte Potenziale
16
3.1.4 Angiographie
17
3.1.5 Computertomographie
18
3.1.6 Magnetresonanztomographie
20
3.2 Was erwarten wir von den instrumentellen Methoden
– ein Ausblick
8.3 Literatur
22
27
1
Boris Kotchoubey & Martin Lotze
Zusammenfassung
Charakteristisch für ein Locked-in-Syndrom ist der weitgehende Ausfall
motorischer Fähigkeiten bei gleichzeitigen Erhalt der kognitiven Eigenschaften. Durch bloßes In-Augenschein-nehmen ist die Krankheit nur
schwer vom sog. vegetativen Zustand oder vom akinetischen Mutismus zu
unterscheiden. Dieses Kapitel behandelt instrumentelle Methoden zur
Diagnose eines LIS. Geeignet hierzu sind elektrische oder magnetische
Felder des Gehirns, elektrische Potenziale der Muskeln, die Durchblutung
und der Verbrauch von Sauerstoff im Gehirn. Hieraus kann indirekt auf
Aktivität im Gehirn geschlossen werden. Oft liegt in der Praxis neben den
Locked-in-Syndrom noch eine weitere Schädigung des Gehirns vor, die
auch kognitive Fähigkeiten beeinträchtigt. Dadurch wird die Diagnose eines
Locked-in Syndroms ganz erheblich erschwert.
Warum instrumentelle Methoden – eine Einführung
Als „locked-in“ („in-sich-eingeschlossen“) bezeichnet man den pathologischen Zustand, in dem alle oder fast alle Bewegungsfunktionen des Körpers ausgefallen sind, während Wahrnehmungs- und Erkenntnisfähigkeiten
erhalten bleiben. Dieser schreckliche Zustand kann unterschiedliche Ursachen haben, z.B. eine akute Entzündung motorischer Fasern in sämtlichen
peripheren Nerven beim Guillain-Barré-Syndrom1 oder degenerative Veränderungen motorischer Neuronen im Kortex und Rückenmark bei der amyotrophen Lateralsklerose2. Aber die wichtigste und am meisten untersuchte
Ursache ist eine Verletzung im vorderen Teil der Brücke (Pons varolii) – im
Bereich, in dem nahezu alle motorischen Bahnen von der Hirnrinde zum
Hirnstamm und Rückenmark verlaufen. Dieses pontine Syndrom ist als
1
Guillain-Barré-Syndrom – Entzündliche Erkrankung der aus dem Rückenmark
hervorgehenden Nervenwurzeln. Das Ausmaß der Lähmungserscheinungen ist sehr
variabel und kann zu schweren Lähmungen großer Teile des Körpers führen.
2
Amyotrophe Lateralsklerose – Erkrankung der Nervenbahnen, die stetig fortschreitet
und in der Endphase in einem Locked-in-Syndrom ähnlichen Zustand mündet.
Diagnostik des Locked-in-Syndroms
Locked-in-Syndrom (LiS) im eigentlichen Sinne bekannt. Eine solche akute
Hirnschädigung entsteht am häufigsten als Folge einer Thrombose in der
basilaren Arteria, seltener kommen auch andere Ursachen vor (lokale Hirnblutung, Enzephalitis, Trauma) (Patterson & Grabois, 1986).
Obwohl diese Definitionen klar sind, kann die Diagnostik in der Realität
sehr schwierig sein. Die erhaltenen kognitiven Fähigkeiten sind, wie bereits
gesagt, eines der wichtigsten Kriterien eines LiS. Tatsächlich gibt es aber
kaum einen LiS-Patienten, der keine Beschwerden über Empfindungs- oder,
Wahrnehmungsstörungen- oder Denkstörungen vorzuweisen hätte, zumindest im akuten Stadium seiner Erkrankung. Als Sekundärerscheinung führt
dies zu einer Beeinträchtigung der kognitiven Eigenschaften. Es handelt sich
deshalb bei der Diagnostik eines LiS nicht um den Ausschluss jeglicher
kognitiver Störungen, sondern um ihre analytische Erfassung als sekundärer
und teilweise auch vorübergehender Erscheinungen im Gegensatz zu jenen
völlig anderen Syndromen, wie z.B. der „vegetative Zustand“ (Jennett,
2002) oder der akinetische Mutismus (Ackermann & Ziegler, 1995), die mit
LIS leicht verwechselt werden können (Andrews et al, 1996), bei denen aber
die kognitive Symptomatik den Kern des pathologischen Status bildet.
Warum entstehen kognitive Störungen beim LiS? Die Läsion lässt sich
nicht immer „sauber“, wie in Lehrbüchern, auf den vorderen Teil der Brücke
beschränken, sondern auch nach hinten oder nach oben erweitern kann,
womit z.B. die sensorischen Bahnen oder die für die Wachsamkeit und
Aufmerksamkeit verantwortliche formatio reticularis betroffen werden.
Außerdem kann ein LiS, wenn auch sehr selten, bei extrapontinen
Hirnverletzungen entstehen, z.B. bei beidseitigen Läsionen in der weißen
Substanz der Großhemisphären (Chia, 1984) oder in den pedunculi cerebri
(Chia, 1991; Park et al, 1997).
In der akuten Phase eines Schlaganfalls tritt oft eine zusätzliche
Schwellung des umgebenden Hirngewebes auf, die zur Funktionsstörung
seitens mehrerer, unmittelbar vom Infarkt nicht betroffener, Areale führt.
Diese sekundäre Schädigung kann durchaus gefährlicher sein als der primäre vom akuten lokalen Sauerstoffmangel verursachte Zellentod.
Es bleibt nach wie vor unklar, inwieweit Empfindungs-, Wahrnehmungsund Gedankensstörungen als Folgen der raschen und vollständigen
Lähmung entstehen können. Hierbei kommt es zu einem kompletten Verlust
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sonst ständig präsenter Information über die Position und Kräfte in Muskeln,
Gelenken und Sehnen.
Es können parallel zu der dem LIS zugrunde liegenden Brückenläsion
auch weitere Infarkte in anderen Hirnarealen entstehen, die zu Störungen
anderer Funktionen führen, aber die klinische Diagnostik dieser Störungen
wird durch die massive Beeinträchtigungen wegen des LIS erheblich verhindert oder gar unmöglich gemacht.
Eine informative, funktionelle Diagnose soll nicht nur bloße Feststellung
eines LiS beinhalten, sondern auch – zumindest im idealen Fall – eine
Erfassung der Prognose eines Patienten mit einschließen. Dies ist besonders
wichtig beim partiellen LiS, bei dem mehrere, wenn auch klinisch minimal
ausgeprägte, Bewegungs- und damit auch Kommunikationsmöglichkeiten
vorliegen. Die Erfassung kognitiver Störungen beim LiS ist deshalb von
Wichtigkeit, weil diese Störungen, die sich „am Rande“ der vorwiegend
motorischen Erkrankung entwickeln, im Laufe der Rehabilitation als erste
korrigiert werden können, was auch eine gute Grundlage für die motorische
Rehabilitation bilden sollte. Beim totalen LiS stellt sich dagegen besonders
das Problem des Differenzierens von schwersten Bewusstseinsstörungen bis
zum Koma und dem vegetativen Zustand.
Die oben aufgelisteten Faktoren – atypische Lokalisationen der Läsion
oder sekundäre Läsionen im akuten Stadium; zusätzliche Schädigungen in
entfernten Hirnarealen, durch LiS „maskiert“; funktionelle Störungen der
Erkenntnisfunktionen als Folge des motorischen Ausfalles (ohne einen morphologischen Grund); enorme differenziell-diagnostische Schwierigkeiten
beim totalen LiS mit seiner vollständigen Blockade aller Kontakte mit dem
Patienten; schließlich die Notwendigkeit einer funktionell-dynamischen, und
nicht bloß einer statischen Diagnose – all das erklärt, warum die klinischen
Methoden allein der Aufgabe einer vollständigen Beschreibung eines am
LiS leidenden Patienten oft nicht gerecht werden.
In diesem Kapitel betrachten wir einige wichtige apparative Methoden,
die beim LiS angewendet wurden, und die bereits vorliegenden Ergebnisse
ihrer Anwendung. Außerdem fassen wir nach diesem Überblick zusammen,
inwieweit diese Methoden die prinzipiellen Fragen der Diagnostik des LiS
zu beantworten oder die Grundschwierigkeiten dieser Diagnostik zu beheben helfen. Drittens versuchen wir uns in einem Ausblick vorzustellen,
Diagnostik des Locked-in-Syndroms
wie eine optimale funktionale Diagnose des LIS aussehen würde, welche
Methoden dafür entwickelt werden sollten und welche Schwierigkeiten
dieser Entwicklung im Wege stehen.
Wir konzentrieren uns auf die Methoden, deren Ergebnisse einen spezifischen Bezug auf das LIS haben. Einige Methoden messen unmittelbar die
funktionelle Aktivität des Nervengewebes. Dazu zählen zum Beispiel die
Elektroenzephalographie 3 , die Elektromyographie 4 und die Magnetoenzephalographie 5 . Andere Methoden erfassen Veränderungen in der Hirnstruktur des Gehirns, in der Durchblutung des Gehirns oder dessen Stoffwechsel. Zu diesen Methoden gehören z.B. die Computertomographie 6 die
strukturelle Magnetresonanztomographie 7 ; die Positronenemissiontomographie 8 ; und die Angiographie 9 .
Natürlich können auch viele andere Methoden bei der Diagnostik eventuell behilflich sein; Laboruntersuchungen können z.B. Informationen über
einen Entzündungsprozess liefern, der einer Brückenläsion zugrunde liegt.
Doch diese Methoden und diese Informationen sind unspezifisch, sie enthalten nichts, was das Wesen des Syndroms erfasst. Aus diesem Grund werden diese unspezifischen Verfahren in diesem Kapitel nicht mit erwähnt.
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P
P
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3
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P
P
P
PT Elektroenzephalographie (EEG) – Registrierung elektrischer Potentiale des Gehirns
TP4PT Elektromyographie (EMG) – Registrierung elektrischer Potentiale der Muskeln
TP5PT Magnetoenzephalographie (MEG) – Registrierung magnetischer Felder des
Gehirns
TP6PT Computertomographie – bildgebendes Röntgenverfahren (CT) mit hoher örtlicher
Auflösung
P7P Magnetresonanztomographie – bildgebendes Verfahren (MRT) mit hoher örtlicher
Auflösung, das mit hohen magnetischen Feldern arbeitet
8
P P Positronenemissiontomographie – bildgebendes Verfahren (PET), das die Verteilung
einer schwach radioaktiv markierten Substanz im Organismus sichtbar macht
9
P P Angiographie – bildgebendes Verfahren, bei dem mit einem Kontrastmitteln die
Strömung in den Adern dargestellt wird
TP
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1. Was haben uns instrumentelle Methoden bei LiS
bereits gezeigt – ein Überblick
1.1 Rhythmische elektrische Aktivität der Hirnrinde (EEG)
Das EEG im engeren Sinne bezieht sich auf die rhythmischen Veränderungen der Hirnpotentiale (EEG-Oszillationen). Zu den Vorteilen des EEG
und der evozierten Potentiale (s. unten), die auch eine Variante des EEGVerfahrens sind, gehören die direkte Messung der funktionalen Aktivität
kortikaler neuronaler Netzwerke, eine hohe Zeitauflösung (die Prozesse
werden on-line aufgezeichnet), die relative Einfachheit des Messens sowie
der Auswertung und die universelle Anwendbarkeit bei allen Patienten.
Demgegenüber stehen schlechte räumliche Auflösung als wichtigster
Nachteil, sowie die „Oberflächlichkeit“, d.h. es wird fast ausschließlich die
kortikale Tätigkeit an der Hirnoberfläche registriert, während die Aktivierungen in tieferen Sulci sowie in subkortikalen Strukturen mit wenigen
Ausnahmen im EEG keinen Ausdruck finden.
Beim LiS und ähnlichen Zuständen ist das EEG seit den 50-er Jahren
systematisch untersucht, also noch bevor das LiS als nosologische Entität
beschrieben wurde (Watson & Adams, 1951; Hawkes & Bryan-Smith, 1974;
Markand, 1976; Baidy-Moulinier et al, 1977). Als typischer Befund zeichnete sich in diesen und darauffolgenden Studien das normale EEG-Muster
mit gut ausgeprägtem α-Rhythmus und deutlichen Reaktionen (meistens in
Form einer α-Blockade mit Anstieg des β-Rhythmus) sowohl bei
sensorischer Stimulation als auch bei geistiger Aktivität ab (Bauer et al,
1982; Towle et al, 1989; Rusinov et al, 1990; Chia, 1991; Kamondi &
Szirmai, 1993). Seltene und meistens schwach ausgeprägte pathologische
Veränderungen im EEG beim LiS, wie z.B. die moderate Verlangsamung
des Grundrhythmus (Towle et al, 1989) oder abgeschwächte Kohärenzen
zwischen den einzelnen EEG-Ableitungen (Rusinov et al, 1990) sind eher
Folgen des wegen der Immobilität veränderten allgemeinen Zustandes eines
Patienten als Korrelate der zugrunde liegenden pathologischen Prozesse im
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Hirnstamm. Auch das EEG-Muster im Schlaf scheint beim LiS unverändert
zu sein (Rotenberg & Kobrin, 1985; Oksenberg et al, 1991).
Die erhaltene Reaktivität der EEG-Rhythmen bei Stimulation wird als
Indikator des intakten Bewusstseins angesehen. Streng genommen ist dieses
Argument nicht ausreichend (s. Brenner, 2005). Das reaktive EEG beweist
nur das Funktionieren der wichtigsten Schleifen zwischen Hirnrinde und
Thalamus10, die dem Wachzustand, den Orientierungsreaktionen und der
Habituation zugrunde liegen. In einer interessanten aber wenig bekannten
Arbeit berichteten Jacome & Morilla-Pastor (Jacome & Morilla-Pastor,
1990) über drei Locked-in Patienten, die trotz der erhaltenen Fähigkeit, mit
Augenzwinkern deutliche Ja-Nein Antworten zu geben, keinerlei Reaktivität
des EEG aufwiesen. Ihr α-Rhythmus änderte sich nicht mit Außenreizen.
Auch Gütling (Gütling et al, 1996) fanden das areaktive EEG in drei von 5
Patienten mit LiS. Somit kann man sagen, dass wenngleich die reaktiven
Veränderungen der EEG-Rhythmik mit einfachen Reizen noch kein ausreichender Beweis für die bewusste Wahrnehmung ist, das Fehlen solcher
Reaktionen noch weniger als Beweis für eine Wahrnehmungs- bzw. Bewusstseinsstörung gelten kann.
1.2 Evozierte und ereigniskorrelierte Potentiale
Evozierte Potentiale (EP) sind EEG-Schwankungen, die mit einem Reiz
zeitlich verbunden sind und vermutlich die Auswertung dieses Reizes im
Gehirn widerspiegeln. Dabei sind frühere (bis etwa 20-50 ms nach der Reizdarbietung) und spätere (bis etwa 500-800 ms) Komponenten der EP zu
unterscheiden. Die früheren zeigen die Aktivität der sensorischen Pfade, die
die Sinnesorgane mit der Hirnrinde verbinden, und ihre Parameter (Amplitude, Latenz) liefern uns die Auskunft darüber, ob und wie schnell die
Reizinformation im Kortex ankommt. Die späteren dagegen beziehen sich
auf die weitere Informationsverarbeitung im Kortex selbst und können daher
für die Erfassung höherer Erkenntnisfunktionen (Kotchoubey et. al, 2002)
und des Bewusstseins (Kotchoubey, 2005) verwendet werden. Die ersten
10
TP
PT Thalamus – eine im Mittelhirn liegende Struktur, die einerseits die Leitung aller
sensorischen Reize in die Hirnrinde umschaltet und dadurch kontrolliert, andererseits
sich selbst unter der Kontrolle von Frontallappen befindet.
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werden oft „exogene Komponenten“, die letzteren „endogene Komponenten“ genannt (Picton & Hillyard, 1988). Diese Begriffe können aber irreführen, weil es einerseits auch endogene Einflüsse auf frühe Komponenten
gibt (z.B. nimmt ihre Amplitude bei gerichteter Aufmerksamkeit zu den Reizen zu, bei Aufmerksamkeitsablenkung ab), andererseits hängen späte Komponenten auch von exogenen Faktoren (z.B. Reizintensität) ab. Eine andere
häufige Begriffsunterscheidung ist, dass der Name „EP“ nur für die früheren
Komponenten beibehalten bleibt, während die späteren als „ereignis-korrelierte Potentiale“ (EKP) bezeichnet werden.
Frühe EP werden in der klinischen Neurologie immer öfter verwendet,
und auch beim LiS wurden bereits einige Erfahrungen gesammelt. Zu erwarten wäre, dass diese Komponenten eigentlich normal sind, da typische
Läsionen der vorderen Brücke nur die absteigenden motorischen Bahnen
betreffen, während die aufsteigenden sensorischen weiter hinten verlaufen.
In der Tat aber sind Anomalien der akustischen und somatosensorischen EP
beim LIS ein häufiger, wenn auch sehr instabiler Befund. Bei einem Patienten werden z.B. normale akustische aber verzögerte somatosensorische
Potentiale berichtet (Landi et al, 1994), bei einem anderen normale somatosensorische und verzögerte akustische Potentiale (Chia, 1991). Towlet et
al (1989), die eine relativ homogene Gruppe von 9 Patienten untersuchten,
gaben ihrem Artikel den charakteristischen Untertitel: „Heterogeneity of
findings“, was auch die Befunde von Gütling (Gütling et al, 1996)
charakterisieren würde. Größere Patientenstichproben mit einer akuten
Basilaristhrombose wurden von zwei deutschen Gruppen (Krieger et al,
1993; Ferbert et al, 1988) untersucht, allerdings bleibt unklar, wie viele von
ihren Patienten locked-in waren. In diesen Studien wurden alle möglichen
Varianten beschrieben: Patienten mit vollkommen normalen Potentialen auf
beiden Seiten; Patienten mit normalen akustischen aber einseitig verzögerten
somatosensorischen EP; Patienten mit normalen akustischen und beidseitig
verzögerten somatosensorischen EP; Patienten mit einseitig verzögerten
oder fehlenden EP auf beiden Modalitäten; Patienten mit normalen somatosensorischen aber einseitig oder beidseitig verzögerten akustischen EP;
schließlich Patienten, bei denen so gut wie keine EP hervorgerufen werden
konnten. Die Häufigkeit der anomalen akustischen EP stimmt mit der Tat
Diagnostik des Locked-in-Syndroms
Abb. 1:
Auditorische Hirnstammpotentiale (BAEP, linke Spalte) und sensomotorische
EPs auf die Stimulation des N. medianus
(SEP, rechte Spalte) von 8 LIS Patienten
(aus Towle et al., 1989, mit freundlicher
Zustimmung von Elsevier Verlag). Das
Vorhandensein wichtigster Komponenten
(Wellen I und V in BAEO, N20 in SEP)
ist von Punkten markiert. Man sieht
krasse Unterschiede sowohl unter den
Patienten als auch zwischen den Modalitäten. Beim Patienten 2 ist z.B. das
BAEP relativ gut erhalten, und zwar
besser rechts als links, das SEP ist
dagegen präsent auf der linken Seite,
fehlt aber vollständig auf der rechten.
Insgesamt können die EP nur beim
Patienten 7 als normale eingeschätzt
werden, doch es gibt kein für das LIS „typisches“ pathologisches Muster.
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sache überein, dass die vertebrobasilare Okklusion 11 , die tendenziell zum
LiS führt, sich manchmal durch eine plötzliche Hörstörung manifestiert:
Huang (Huang et al, 1993) beobachteten diesen Krankheitsanlauf bei sieben
aus 503 Patienten mit vertebrobasilarer Insuffizienz, wobei sechs von diesen
7 auch schwer gestörte oder fehlende akustische EP hatten, und bei vier von
diesen 6 Patienten entwickelte sich später das LiS. Was ist die Ursache der
verzögerten und verschwundenen EP-Komponenten bei LiS? Dabei sind
zwei verschiedene Fälle zu unterscheiden. Die meisten Patienten, die von
den Gruppen von Krieger (Krieger et al, 1993) (s. o.) beschrieben werden,
waren im akuten Zustand. Man kann daher vermuten, dass es sich um eine
sekundäre Hirnstammschädigung (Schwellung) in der Umgebung von der
primären pontinen Läsion handelt. Krieger et al. (1993) fanden völlig
normale EP bei drei von ihren 23 Patienten, und alle drei haben sich später
sehr gut erholt. Im Gegensatz dazu hatten 14 Patienten beidseitig
pathologische EPs in den beiden Modalitäten, und alle diese Patienten
starben oder blieben locked-in. Dieser Zusammenhang zwischen der
Intaktheit der sensorischen Leitung und der besseren Wiederherstellung der
motorischen Funktionen wäre vollkommen unklar. Die Vermutung liegt
deshalb nahe, daß die prognostische Bedeutung der frühen EP mit dem
Ausmaß des sekundären Ödems zusammenhängt und somit nicht sehr
spezifisch für die das LIS verursachte Läsion ist. Diese Erklärung passt aber
nicht für Patienten im chronischen Zustand, aber auch diese weisen unterschiedliche Anomalien der EP auf (Abb. 1) (Towle et al, 1989; Gütling et al,
1996). Offensichtlich beschränken sich die Läsionen infolge eines BasilarisInfarktes nicht immer auf den vorderen Teil der Brücke, sondern können
sich nach hinten ausbreiten. Die Abb. 2 zeigt den Zusammenhang zwischen
der Morphologie der Brückenschädigung und dem EP-Muster bei einem LiS
Patienten. In diesem Fall schloss die Läsion außer dem vorderen Brückenteil
auch eine Portion vom trapezoiden Körper und den lateralen Lemniscus auf
der rechten Seite ein. Das gestörte Bild der EP ist ein zuverlässiges Zeichen,
dass die Areale, die dorsal von der Basis der Brücke liegen, auch betroffen
sind, selbst wenn keine klinischen Symptomen dieser Betroffenheit
vorliegen (Seales et al, 1981; Stern et al, 1982; Towle et al, 1989).
P
11
TP
P
PT vertebrobasilare Okklusion – Verschluss der Arteria basilaris
Diagnostik des Locked-in-Syndroms
[In diesem Absatz wurden zum einen mehrere Sätze umgestellt, wodurch
der Zusammenhang verloren geht. Zum anderen bestand er im Original aus
drei Absätzen, die jetzt miteinander geschmolzen sind. Der resultierende
Riesenabsatz finde ich sehr schwer visuell wahrzunehmen – BK]
Viel seltener als frühe akustische und somatosensorische EP wurden spätere (kortikale) Komponenten (ereigniskorrelierte Potentiale, EKP) bei LiS
Patienten untersucht. Die späte positive Welle P3 (am besten über dem parietalen Kortex ausgeprägt, mit einer Latenz von ca. 300-400 ms) erscheint
bei Gesunden typischerweise in einem Experiment, in dem z.B. zwei
Abb. 2:
Die Daten des Patienten 9 aus der Abb. 1 zeigen den Zusammenhang zwischen der Morphologie der Läsion und den EPs (aus Towle et al., 1989, mit freundlicher Zustimmung
von Elsevier Verlag). Sowohl die elektrophysiologischen als auch die computer-tomographischen (über die Computertomographie beim LIS s. unten) Befunde weisen auf die
Betroffenheit des rechten medialen Lemniscus und der oberen Olive hin.
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Töne mit unterschiedlicher Häufigkeit (20% und 80%) dargeboten werden
(Donchin, 1981; Abb. 3). Diese charakteristische Positivierung tritt auch in
anderen Situationen als Antwort auf bedeutsame Reize auf, z.B. in
Gedächtnisaufgaben bei der richtigen Wiedererkennung bekannter Objekte
(aber nicht bei der richtigen Zurückweisung unbekannter Objekte). Nach
gegenwärtigen Vorstellungen zeigt die P3 die Fähigkeit des Gehirns, Reize
differenziert wahrzunehmen und selektiv auf bedeutsame Ereignisse im
Umfeld zu reagieren. Onofrj (Onofrj et al, 1997) führten die beiden oben
Abb. 3:
Das Experiment mit zwei akustischen Reizen, präsentiert mit den Häufigkeiten von 20
und 80%. A, B: Zwei LIS Patienten. A: Ein nahezu normaler Befund bei einem Patienten
mit einer typischen Brückenläsion. Seltene Reize lösen eine große (ca. 12 µV)
elektropositive Welle P3 mit einer Gipfellatenz von 390 ms aus. Der einzige Unterschied
zur typischen Reaktion der Gesunden besteht in einer leicht verzögerten Gipfellatenz (in
der Regel 300-350 ms). Diese Latenzverzögerung trifft allerdings selbst bei minimalen
Hirnverletzungen auf und ist nicht charakteristisch für das LIS. B: Ein LIS Patient mit
zusätzlichen bilateralen Läsionen in den Thalami. Statt der P3 rufen die seltenen Reize
eine langsame Negativierung hervor, die bei Gesunden niemals auftritt. C, D: Patienten
im sog. "vegetativen Zustand". C: Keinerlei kortikale Reaktionen auf die Reize. D: Ein
deutliches kortikales EKP In Form von P1, N1 und P2-Komponenten, aber im Gegenteil
zu den LIS Patienten keine Differenzierung zwischen häufigen und seltenen Tönen.
Diagnostik des Locked-in-Syndroms
genannten Experimente bei vier LiS Patienten durch und zeigten, dass sie
alle bereits eine Woche nach dem Läsionsereignis sowohl im Experiment
mit 2 Tönen als auch bei der Wiedererkennung eine deutliche P3 aufwiesen.
Allerdings hatte einer von diesen Patienten keine erkennbare P3 in den ersten Tagen der Erkrankung, und ein weiterer Patient (Onofrj et al, 1996)
wies auch mehrere Wochen nach einem pontinen Infarkt trotz erhaltener
früher EP keine späteren EKP-Komponenten im auf. Diese Komponenten
erschienen jedoch nach ca. 2 Monaten wieder, was die Autoren als Hinweis
auf die Verlegung der kortikalen Funktion in die benachbarten Regionen
interpretieren (Abb. 4).
Abb. 4:
Langsame Erholung der P3
bei einem LIS Patienten (aus
Onofrj et al., 1996, mit
freundlicher
Zustimmung
von Elsevier Verlag). Die
primäre kortikale Antwort
(wie beim Patienten D auf
der Abb. 3) ist hier präsent
vom Anfang an auf die
beiden Reize (Target =
seltener Reiz). Eine P3 auf
den seltenen Reiz erscheint
aber erst am 55.Tag und
bleibt weiter stabil.
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Wir haben vier Patienten mit LiS untersucht, deren zwei im Experiment
mit 2 ungleichwahrscheinlichen Tönen einen deutlichen Komplex der späten
EP-Komponenten, bestehend aus einer P3 und einer vorangehenden negativen Auslenkung, demonstrierten. Ein weiterer Patient reagierte nur mit
einer schwach ausgeprägten P3, und der vierte mit einer langsamen negativen Welle (Abb. 3B), die in dieser Situation niemals bei wachen Gesunden
auftritt, aber häufig bei Patienten mit schweren Hirnverletzungen und im
Schlaf. Die beiden ersteren Patienten (mit normalen Reaktionen) hatten eine
typische Läsion in der vorderen Brücke. Die beiden anderen (mit pathologischen Reaktionen) hatten auch zusätzliche Hirnschädigungen im Tegmentum pontis und in den Pedunculi cerebelli (der dritte Patient) oder im
Thalamus (der vierte).
Den zwei Patienten mit erhaltener P3 wurden weiterhin in einer Wortfür-Wort Weise 100 Sätze präsentiert, wovon 50 am Ende ein sinnloses,
zum Satzkontext nicht passendes Wort hatten (Kutas & Hillyard, 1980).
Abb. 5:
EKPs (ober Reihe – über
dem frontalen Lappen,
Fz; untere Reihe – über
dem parietalen Lappen,
Pz) zeigen die Fähigkeit
zum semantischen Diskriminieren. Zwei LIS
Patienten wurden Wortfür-Wort kurze Sätze dargeboten, wo bei die Hälfte der Sätze mit einem normalen erwarteten Wort endete, in der 2. Hälfte war das Endwort unerwartet und im Zusammenhang
des Satzes völlig sinnlos. Der Balken bei 0 ms zeigt die Darbietung des letzten Wortes.
Sinnlose Satzendungen lösen eine typische späte negative EKP-Komponente aus (Pfeile).
Die Wörter wurden dem Patienten A visuell, dem Patienten B akustisch präsentiert, was
möglicherweise die unterschiedlichen Wellenformen verursacht.
Diagnostik des Locked-in-Syndroms
Auch in dieser Situation wiesen diese Patienten einen deutlichen Unterschied zwischen den kortikalen Reaktionen auf semantisch zusammenhängende und nicht-zusammenhängende Reize auf (Abb. 5). Somit kann die
Methode der EKP auch zur Überprüfung der höheren kortikalen Funktionen,
wie das semantische Sprachverstehen, bei LiS Patienten angewendet
werden.
1.3 Myographie und motorische evozierte Potentiale
Elektromyographie ist die Registrierung elektrischer Potentiale von Muskeln
in Ruhe und als Reaktion auf Reize. Am häufigsten wird beim LiS die Variante der EMG-Technik verwendet, die als motorische evozierte Potentiale
(MP) bezeichnet wird. Während die sensorischen EP von der Schädeloberfläche als Hirnantworten auf periphere Reize abgeleitet werden, werden
MP im Gegenteil von peripheren Muskeln als Antworten auf kortikale elektrische oder magnetische Reize registriert. Von den EP haben wir erwartet,
dass sie beim typischen LiS intakt bleiben sollten, doch war dies im allgemeinen nicht der Fall. Von den MP erwarten wir im Gegensatz, dass sie
komplett ausfallen, da das Syndrom als Resultat der Unterbrechung (fast)
aller herabsteigenden motorischen Bahnen entsteht. Auch dies stimmt zwar
oft, aber nicht immer (Facco et al, 1989; Landi et al, 1994). Zwar werden
beim LiS niemals normale MP registriert, aber schwache Antworten mit
verzögerter Latenz sind trotzdem bei vielen Patienten erkennbar, was auf die
Erhaltung eines Anteiles von kortikospinalen Verbindungen hinweist, obschon dieser Anteil nicht für die Ausführung willkürlicher Bewegungen
ausreicht (Facco et al, 1989; Cincotta et al, 1999). Bassetti (Bassetti et al,
1994) fanden vorhandene MP in zwei von 6 LIS Patienten, und bei diesen
zwei Patienten wurden die Bewegungsfunktionen weiterhin fast vollständig
wiederhergestellt. Die Reste der Willkürkontrolle können dann nachgewiesen werden, wenn die aktiven motorischen Vorstellungen des Patienten zur
Normalisierung der MP (d.h. zur Amplitudenzunahme und Latenzabnahme)
führen (Cincotta et al, 1999). Diese Beobachtung zeigt, dass die routinemäßig durchgeführten Testverfahren die Möglichkeiten der LiS Patienten
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unterschätzen können, und weist damit in eine mögliche Richtung rehabilitativer Interventionen.
1.4 Angiographie
Da die häufigste Ursache des LiS eine Thrombose der Arteria basilaris ist,
liefert die angiographische Untersuchung wichtige Informationen über (1)
das Vorhandensein einer Okklusion, (2) ihre Lokalisation, (3) die Pathomorphologie der Gefäße, die möglicherweise die Thrombose verursacht hat, sowie (4) eine vorliegende Gefäßpathologie. In den meisten Fällen zeigt die
angiographische Aufnahme eine typische Unterbrechung des Blutflusses in
der basilaren Arterie (Ferbert et al, 1988; Malm et al, 1999). Ein seltenerer
Befund ist eine beidseitige Thrombose der vertebralen Arterien unterhalb
Abb. 6:
Angiographie (oben links) und Kernspintomographie unterschiedlicher Gewichtung eines
Patienten 4 Wochen nach einem Infarktereignis. In der Angiographie mit einem Pfeil
gekennzeichneter abrupter Stopp im Versorgungsbereich der Arteria cerebri posterior. Im
sagittalen T1-gewichteten MR großes hypointenses Areal im Bereich der anterioren bis
medialen Pons. In den T2-gewichteten axialen MR-Bildern ist eine links betonte
Hyperintensität in der Pons zu erkennen.
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ihres Zusammenflusses (Cabezudo et al, 1986). Eine inkomplette Okklusion
kann auch zu einem transienten LiS führen, dessen Ursache sich auch am
besten angiographisch klären lässt (Krieger et al, 1990). Die Abb. 6 zeigt
angiographische sowie kernspintomographische Daten (zur Kernspintomographie, MRT, s. weiter unten) eines LiS-Patienten.
Die Angiographie wirft weiterhin Licht auf morphologische Besonderheiten der Gefäße, die für eine Thrombose prädisponieren12, wie z.B. die
pathologisch breite basilare Arterie (Al Sardar & Grabau, 2002) oder der
hohe Eingang einer vertebralen Arterie in den Rückenmarkkanal. Normalerweise treten diese Arterien das foramen transversum des 6.zervikalen
Wirbels (C6), seltener C5 oder sogar C4 ein. Je höher die Eingangsstelle
liegt, umso größer die Gefahr einer vertebralen Durchblutungsstörung, sei es
durch den erschwerten Blutfluß oder durch einen an dieser schwierigen
Stelle entstehenden Embolus. In zwei in der Literatur beschriebenen Fällen,
in denen die rechte A. vertebralis auf dem Niveau C3 in das Rückenmarkkanal eintritt, entwickelte sich ein LIS (Fujiyama et al, 1994; Jackson
et al, 2000).
Nach einer schweren Schädel-Hirn-Verletzung kann aufgrund der angiographischen Daten zwischen einem Koma und einem LIS infolge einer
traumatischen Verletzung der basilaren Arterie differenziert werden (Fox &
Lavin, 1991; Odabasi et al, 1998). Eine solche Verletzung ist zwar selten, da
diese Arterie in der Regel vor mechanischen Einwirkungen gut geschützt
wird. Andererseits aber, wenn die Wirbelsäule im Nackenbereich pathologisch verändert wird, kann der Knochenschutz zum schädigenden Faktor
werden, so dass sogar Mikrotraumata, z.B. bei aggressiven chiropraktischen
Manipulationen, zur Unterbrechung des Blutflusses bis auf LIS führen
können (Krieger et al, 1990).
1.5 Computertomographie (CT)
Computertomographische Untersuchungen erweisen bereits seit 20 Jahren
ihre Nützlichkeit bei der topographischen Diagnostik von Hirnstammläsionen (Liu et al., 1983). In der Regel zeigt die CT ein Gebiet geringer
12
TP
PT prädisponieren – aufgrund der Vorgeschichte begünstigen
Boris Kotchoubey & Martin Lotze
Gewebedichte in der vorderen Brücke, mit oder ohne Ausweitungen auf das
Tegmentum, das Mittelhirn oder die cerebellaren Pedunculi (Abb. 7). Die
Tomographie ist auch wichtig für die Feststellung zusätzlicher Hirnschädigungen, die durch die schwere Locked-in Symptomatik klinisch maskiert sein können (Facco et al, 1989; Onofrj et al, 1997). Thajeb (Thajeb et
al, 1993) untersuchten 22 Patienten mit schweren okklusiven Störungen im
Bereich der basilaren Arteria mit Hilfe von CT und Angiographie und
zeigten, dass der CT-Befund in der akuten Phase oft negativ ist; die
Hypodensität13 PP entwickelt sich langsam im Laufe der ersten oder zweiten
Woche. Zwei von diesen 22 Patienten wiesen keine sichtbare Läsion
(negativer CT-Befund) bis zum 21. Tag nach dem Infarkt auf trotz
eindeutigen klinischen und angiologischen Hinweisen auf die akute
Abb. 7:
Craniale Computertomogramme (CCT)
von zwei Patienten mit Locked-inSyndrom. A: CCT eines 39-jährigen
Mannes einige Wochen nach einem
Infarktereignis. In den unteren Schichten
sind hypodense Bereiche in der unteren
Pons und der linken Kleinhirnhemisphäre
abgrenzbar. In der unteren Schädelgrube
(obere Reihe) sind starke Artefakten
auffällig, die eine Beurteilung erschweren.
B: CCT einer 31 jährigen Frau, nach
Komplikation
bei
einer
Schwangerschaftsgestose. Die mehrere
Tage nach dem Ereignis durchgeführte
Bildgebung zeigt eine Hypointensität in der
kaudalen
Pons,
linksseitige
Hypointensitäten im Bereich der rostralen
Pons und bilaterale Hypointensitäten der
cerebralen Pedunkel. Wache aber tetraplegische Patientin mit erhaltenen vertikalen
Augenbewegungen und intaktem Augenschluss.
13
Hypodensität – optische Dichte (Graustufen) bei einem bildgebenden Verfahren
Diagnostik des Locked-in-Syndroms
Durchblutungsstörung im Hirnstamm. Diese zwei Patienten zeigten in ihrer
Katamnese eine gute Wiederherstellung motorischer Funktionen. Von den
20 Patienten mit positiven CT-Befunden zeigten sechs Patienten keine
Brücken- oder Mittelhirnschädigung, sondern vereinzelte hypodense
Regionen in subkortikalen Strukturen; der Weiterverlauf bei diesen
Patienten war auch relativ gutartig. Dagegen war bei 4 Patienten das
gesamte von der arteria basilaris versorgte Gebiet einschließlich des
Hirnstamms, des Kleinhirns, des Okzipital- und Temporallappens betroffen,
und alle diese Patienten starben trotz intensiver Antikoagulationstherapie.
LIS entwickelte sich bei Patienten mit den durch die CT bestätigten
umschriebenen Läsionen im oberen Hirnstamm, obwohl auch andere
Strukturen wie das Kleinhirn oder der Thalamus betroffen werden können
(Thajeb et al, 1993).
1.6 Magnetresonanztomographie (MRT, Kernspintomographie)
Das ist die sensitivste Methode zur Diagnostik struktureller Pathologie beim
LIS. Sie lässt zu, die dem Syndrom zugrunde liegende pontine Läsion sowie
all begleitenden Läsionen räumlich genau zu beschreiben (Dollfus et al,
1990; Benitez et al, 1994; Onofrj et al, 1997). Die MRT ist besonders
wichtig bei atypischen Formen, z.B. beim nicht-vaskulären LIS infolge mechanischer Verletzungen oder toxischer Prozesse (Patterson & Grabois,
1986). So berichteten Blumenbergs (Blumbergs et al, 1991) über die auf der
MRT basierte Diagnose bei einem Patienten mit einem traumatischen Abriß
der Brücke von der Medulla oblongata. Bei einer Enzephalomyelitis14
erlaubte die MRT nicht nur eine Ursachendiagnose sondern auch die
Prognose der Weiterentwicklung des LIS (Axer et al., 2005). In zwei
weiteren Fällen half die Methode bei der Feststellung einer akuten
Demyelinisierung15 im Bereich der oberen vorderen Brücke und des unteren
Mittelhirns infolge der Leberinsuffizienz (Morlan et al, 1990; Martin &
Young, 1995). Noch wichtiger als bei atypischer Ätiologie sind MR-Unter14
PT Enzephalomyelitis – entzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems
TP15PT Demyelinisierung – Verlust an Myelin, einer Schicht, die Nervenfasern
voneinander isoliert und somit die Nervenleitung ermöglicht.
TP
Boris Kotchoubey & Martin Lotze
Young, 1995). Noch wichtiger als bei atypischer Ätiologie sind MR-Untersuchungen beim atypischen klinischen Verlauf (Wali, 1993) und einer atypischen Lokalisation der Hirnschädigung, z.B. unterhalb der Brücke
Diagnostik des Locked-in-Syndroms
Abb. 8:
Drei Beispiele für Kernspintomographische Befunde bei Locked-in
Patienten. A: 32-jähriger Patient
mit spontan aufgetretenem Kopfschmerz und Visusbeeinträchtigung. Innerhalb von 12 Stunden
entwickelte er eine Tetraparese
und einen Stupor. Erst nach 3
Tagen war im CCT eine caudal
pontine ischämische Läsion sichtbar. Er war zu diesem Zeitpunkt
wach und konnte die Augen in
alle Richtungen bewegen. Das
MR nach 14 Tagen zeigt in der
sagittalen T1-Gewichtung (links,
hypointens) und in den axialen T1
und T2 (hyperintens) gewichteten
Bildern (rechts) eine deutlich
rechts betonte große Ponsläsion,
die wohl von einem Infarkt im Versorgungsgebiet der Arteria basilaris verursacht wurde.
B: 39-jähriger Patient mit vorbekannten Symptomen einer Basilaris-Migräne mit initial
heftigen Kopfschmerzen und rechtsbetonter Armparese. Nach 6 Stunden Dysarthrie
entwickelte sich linksbetonte Fazialisparese und rückläufige Armparese rechts. Im
Verlauf Tetraparese und Stupor. Nach 5 Tagen wach, Blinkreflex erhalten aber spontane
Dezerebrationsstellung. Die vertikale und linksseitige Augenbewegung war erhalten. Im
MR sowohl in der T1- als auch in der T2-Bildgebung hyperintense, frische Infarktzone
im Übergang von der unteren Pons zur Medulla oblongata. C: 40-jährige Patientin mit
heftigen abrupt auftretenden Bauchschmerzen bei Verdacht auf einen Mesenterialinfarkt.
Im Verlauf stuporöses Bild mit Tetraparese. Im initialen CCT bereits pontine
Hypointensität sichtbar bei bestehender Blutgerinnungsstörung. Nach 3 Tagen wacher
Zustand und spontane Hebung des linken Augenlides und des linken Auges möglich. In
der T1 und T2-gewichteten MR-Bildgebung mehrere Tage nach dem Infarktereignis ist
die große, fast seitengleiche pontine Läsion deutlich abzugrenzen.
(Latronico et al, 1993) oder bei bilateralen Läsionen des Mittelhirns (Chia,
1991). Die MRT zeigt oft eindeutige Hirnschädigungen auch bei LiS Patienten mit normalem CT-Befund (Martin & Young, 1995; Durkin, 2003).
Die schnellere (im Vergleich mit CT) Entwicklung eines charakteristischen
Boris Kotchoubey & Martin Lotze
Bildes kann dem Arzt eine Intervention innerhalb der kritischen Zeit ermöglichen, wie es z. B. Zaidat (Zaidat et al, 2005) im Falle eines akuten LiS bei
einem Jugendlichen demonstrierten. Dennoch können auch MRT-Befunde
in den ersten Tagen der Erkrankung manchmal unauffällig sein, so dass
wiederholte Untersuchungen notwendig sind. In einzelnen Fällen wurden
bei Hirnstamminfarkten selbst im Verlauf negative MRT-Befunde berichtet
(zwei aus insgesamt 105 untersuchten Patienten mit Hirnstamm- oder Kleinhirninfarkten: Malm et al, 1999). Beispiele magnetresonanztomographischer
Ergebnisse beim LIS sind in der Abb. 8 dargestellt.
2. Was erwarten wir von den instrumentellen Methoden – ein Ausblick
Die Anwendung instrumenteller Methoden hat zweierlei Sinn. Zum einen
zeigen sie uns, warum bei der Diagnostik des LiS Schwierigkeiten auftreten
können, zum anderen helfen sie uns, diese zu beseitigen. Sie demonstrieren
z.B., dass die Läsion bei LiS nicht unbedingt klar auf die vordere Brücke
begrenzt wird, und dass die betroffenen benachbarten Regionen zum einen
oder anderen atypischen klinischen Bild von LiS führen. Vor allem warnt
uns die instrumentelle Untersuchung davor, das LiS vereinfachend als reine
motorische Erkrankung zu behandeln, bei welcher alles außer dem motorischen Ausdruck normal sei. Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsstörungen sind dagegen bei LiS keine Ausnahmeerscheinungen, was eventuell zu
diagnostischen Fehlern führen kann (Andrews et al, 1996).
Doch bleiben bei LiS trotz massiver motorischen und möglicherweise
auch begleitender sensorischer Störungen die höheren kortikalen Funktionen
– also die Gnosis und die abstrakte Praxis (abgesehen von deren konkretem
motorischem Ausdruck) – intakt. Diese höheren, letztendlich mit Bewusstsein zusammenhängenden Funktionen werden in der Regel mit Hilfe von gut
bewährten neuropsychologischen Tests erfasst, die aber auf der Messung
motorischer und sprachmotorischer Reaktionen beruhen und deshalb beim
LiS unanwendbar sind. Zwar werden in der letzten Zeit diese neuropsychologischen Tests intensiv an die Bedürfnisse und Möglichkeiten von
schwerstgelähmten Patienten angepasst (Kübler et al, 2005; Neumann &
Kotchoubey, 2004), aber bei extremen Formen wie in einem klassischen und
besonders in einem totalen Locked-in Zustand können auch die modifizier-
Diagnostik des Locked-in-Syndroms
ten Tests nicht angewendet werden. Die im zweiten Teil dieses Kapitels
dargestellten Resultate unterschiedlicher Messverfahren zeigen, dass der
Platz, den die neuropsychologische Analyse mentaler Funktionen besetzen
sollte, nach all diesen Verfahren immer noch unbesetzt bleibt.
In der Praxis ist man immer wieder mit den Situationen konfrontiert, in
denen es klar wird, wie wenig sich das Verhältnis zwischen cerebraler
Struktur und Funktion bei LiS als Eins-zu-Eins-Verhältnis begreifen lässt.
Wir haben z.B. zwei Patienten beobachtet, bei denen wiederholte CT- und
MRT-Untersuchungen eindeutig die für das LiS typische Pathologie aufwiesen, doch konnten in diesen traurigen Fällen wiederholte sorgfältige
neuropsychologische und neurophysiologische Untersuchungen keinen erwarteten Hinweis auf erhaltene kognitive Funktionen erbringen. Diese immer wieder auftretende Divergenz demonstriert den Bedarf an funktionellen
Tests, die nicht nur die strukturelle Pathologie beschreiben, sondern zeigen,
wie die Hirnrinde bei neuropsychologischen Aufgaben funktioniert – oder,
besser gesagt, – dass sie trotz der Lähmung weitgehend normal funktioniert.
Eine dieser funktionellen Methoden ist die oben bereits erwähnte Registrierung von EKP bei kognitiven Aufgaben. Diese Aufgaben können hierarchisch aufgebaut werden, so dass immer komplexere kognitive Fähigkeiten angesprochen werden (Kotchoubey et al, 2002). In der Arbeit von
Onofrj (Onofrj et al, 1997) wurde z.B. die P3 sowohl in einem OddballExperiment registriert, was eine relativ einfache Reizdifferenzierung und
Reizbewertung voraussetzt, als auch in einem Wiedererkennungsexperiment, welches viel komplexere Gedächtnisfunktionen prüft. In unseren
Untersuchungen wurden mit Hilfe der EKP noch höhere semantische Fähigkeiten bei LiS Patienten geprüft.
Bei aller Flexibilität und Anwendbarkeit unter unterschiedlichsten Bedingungen (auch direkt am Patientenbett) leidet aber diese Methode an dem
Mangel, dass die Aktivität tieferer Strukturen nicht erfasst werden kann.
Außerdem erfahren wir zwar, dass bestimmte kortikale Mechanismen zur
Verarbeitung gewisser Reizeigenschaften erhalten sind, aber nicht, was für
Mechanismen es sind und wo diese lokalisiert sind.
Diese Unsicherheiten würden bei der Registrierung von anderen funktionellen bildgebenden Methoden behoben. Die Magnetoenzephalographie
(MEG) besitzt neben derselben hohen Zeitauflösung wie beim EEG auch
Boris Kotchoubey & Martin Lotze
eine viel höhere räumliche Auflösung, allerdings nur innerhalb der Hirnrinde; die Aktivität tiefer Hirnstrukturen bleibt genauso verborgen wie für
das EEG. Wegen der extremen Schwäche der magnetischen Felder des Gehirns bedarf aber die MEG-Registrierung einer hochkomplizierten Apparatur, was die klinische Anwendung dieses Verfahrens wesentlich erschwert.
Vor einiger Zeit erschien der erste Bericht über eine MEG-Untersuchung bei
einem Patienten mit LiS, wobei diese Methode keinen besonderen Nutzen
zeigte (Silver et al, 2006); dieses erste Ergebnis kann natürlich nicht allzu
schwerwiegend interpretiert werden. Die PET kann dagegen alle Regionen
im Gehirn erreichen; die Aktivität von z.B. Basalganglien oder dem
Hirnstamm ist genauso gut sichtbar wie des Kortex. Diese Prozedur ist nicht
völlig nicht-invasiv, weil eine radioaktive Substanz injiziert werden muss,
deren Stoffwechsel im Gehirn dann beobachtet wird. Die radioaktive
Belastung eines Patienten ist aber in der Tat minimal, so dass ihre
schädliche Wirkung so gut wie ausgeschlossen ist. Ein weiterer Vorteil der
PET besteht in der Größe und Deutlichkeit der beobachteten Effekte, das
macht diese Methode für die individuelle Diagnostik besonders geeignet.
Damit kann die PET erfolgreich zur Abgrenzung zwischen LiS und einem
anscheinend ähnlichen Zustand, dem akinetischen Mutismus, verwendet
werden (Tengvar et al, 2004). Leider liegt die Zeitauflösung der PET in
Minuten im Gegensatz zu Millisekunden beim EEG und MEG. Deshalb
müssen die funktionellen Testverfahren für die PET mit Rücksicht auf ihre
Langsamkeit aufgebaut werden. Hirnreaktionen auf einzelne Reize, wie
beim EEG oder MEG, können mit Hilfe der PET gar nicht gemessen
werden, sondern man muss gleichartige Aufgaben in Blöcken darbieten.
Wenn auch die EKP nur in einzelnen LiS-Studien verwendet wurden,
konnten wir über die Verwendung von PET noch keinen einzigen Bericht
finden. Dasselbe gilt auch für die Methode der funktionellen MRT (fMRT).
Im Gegensatz zu der oben beschriebenen strukturellen MRT wird bei der
fMRT das sogenannte „blood oxygenation level-dependent“ (BOLD) Signal,
d.h. im Grunde die Beweglichkeit der Protonen in der Abhängigkeit von der
Oxygenierung des Hämoglobins gemessen. Dies gibt Auskunft über die
Stoffwechselintensität in den unterschiedlichen Hirnregionen und damit,
indirekt, über die funktionelle Aktivität dieser Regionen. Trotz einer
gewissen Ähnlichkeit mit den von der PET erfassten Vorgängen besitzt die
Diagnostik des Locked-in-Syndroms
fMRT sowohl eine bessere räumliche Auflösung (weil die Zerlegung
radioaktiver Stoffe – das Signal für die PET – nicht immer genau am Ort des
intensivsten Hirnmetabolismus stattfindet), als auch eine wesentlich höhere
Zeitauflösung (Sekunden statt Minuten wie bei der PET). Doch gibt es
nichts Vollkommenes auf der Erde, und auch die fMRT ist von Nachteilen
nicht ganz frei, vor allem ist es eine enorme Lärmbelastung in der
Messanlage. Hinzu kommt, dass sich die Effekte bestimmter kognitiven
Aufgaben (also der Zuwachs der Aktivierung in einer Hirnregion, wenn
diese Region mit einer adäquaten Aufgabe beschäftigt wird) in den fMRTDaten schwächer niederschlagen als in den entsprechenden PET-Daten.
Untersucht man eine Patientengruppe, so macht diese relative
Effektsschwäche nichts aus, bei der Diagnostik eines individuellen Patienten
kann sie aber kritisch sein.
Der weitere technische Fortschritt wird hoffentlich zur Stärkung der bereits starken Seiten und zur Minderung der Nachteile dieser Methoden führen. Zur Zeit ist wahrscheinlich die Kombination verschiedener Verfahren
die beste Lösung. Doch wäre es ein Irrtum, zu denken, dass die Messung der
elektrischen bzw. kernspintomographischen Indikatoren der Hirnaktivität als
solche einen hohen diagnostischen Wert hat. Vielmehr sind die zielgerichteten neuropsychologischen Testparadigmen von besonderer Wichtigkeit,
welche für die Erfassung einzelner Erkenntnisfunktionen aufgebaut werden
sollen und unter welchen jene hirnphysiologischen Maße (EKP, PET,
fMRT) abgeleitet werden. Ein Beispiel dafür ist die hierarchische Beurteilung von Erkenntnisfunktionen mithilfe evozierter Potentiale (Neumann &
Kotchoubey, 2004). Das andere Beispiel ist die erfolgreiche Anwendung der
Vorstellungsinstruktionen bei fMRT-Messung (Owen et al, 2006), womit
bei einer irrtümlich als „vegetativ“ diagnostizierten Patientin das Locked-inSyndrom festgestellt werden konnte. Erst im Kontext der adäquaten Stimulationen und Instruktionen erhalten die physiologischen Maße ihre funktionelle Bedeutung, ohne diesen Kontext ist ihre Aussagekraft eher begrenzt.
Diese funktionelle Zielrichtung der notwendigen instrumentellen Methoden, deren zwei Standbeine einerseits das durchdachte System neuropsychologischer Aufgaben, andererseits die Registrierung der Hirnaktivität unter
Boris Kotchoubey & Martin Lotze
Abb. 9:
Ein ALS-Patient im totalen
Locked-in-Zustand
wurde
gebeten, bei jedem hohen Ton
sich eine rasche Bewegung
der rechten Hand vorzustellen, bei jedem tiefen Ton
eine ebensolche Bewegung
der linken Hand. Die Kurven
im oberen Teil des Diagramms zeigen die EEGDifferenz zwischen dem
linken minus rechten handmotorischen Areal. Eine Abweichung nach oben entspricht also einer höheren
Aktivierung des linken motorischen Kortex, eine Abweichung nach unten - des
rechten motorischen Kortex.
Offensichtlich folgte der
Patient erfolgreich seiner Anweisung, d.h. er aktivierte
dasjenige kortikale Areal, das die entsprechende Handbewegung vorbereitet: das linke,
wenn er sich eine Bewegung der rechten Hand vorstellte, und umgekehrt. Im unteren Teil
werden zum Vergleich die Daten vom parietalen Kortex dargestellt, und es ist ersichtlich,
daß sich der Effekt der Bewegungsintention nur auf die spezifischen motorischen
Regionen beschränkt.
diesen Aufgaben sind, würde auch zur rehabilitativen Behandlung von LiS
Patienten einen besseren Beitrag leisten. Wie bereits erwähnt, kann die
Restitution der (in der Regel sekundären) kognitiven Störungen beim LiS
Grundlage für die motorische Rehabilitation werden. Diese Rehabilitation
entwickelt sich so zu sagen „top-down“. Deshalb beschränkt sich eine gute
Diagnostik nicht auf den aktuellen Zustand, sondern schließt auch die Aussichten ein. Ein Beispiel dafür ist die oben erwähnte Studie von Cincotta
(Cincotta et al, 1999), in dem die Wiederherstellung der MP eines Patienten
bei seiner funktionellen Aktivierung durch aktive Bewegungsvorstellungen
gezeigt wurde. Auch wir fanden bei einem Patienten im totalen Locked-in
Diagnostik des Locked-in-Syndroms
Zustand (infolge der amyotrophen Lateralsklerose) elektrophysiologische
Hinweise auf innere (mentale) Bewegungsausführung bei Bewegungsvorstellungen (Kotchoubey et al, 2003; Abb. 9).
Schließlich stellt die moderne Technologie eine Gelegenheit dar, die
räumliche Leistung der fMRT mit der zeitlichen Auflösung der ereigniskorrelierten Potentiale direkt zu verbinden, indem sie simultan registriert
werden können. Es gibt bereits MR-fähige EEG-Verstärker, die auch unter
den starken Magnetfeldern einer MR-Kabine ungestört funktionieren. Die
Kombinierte EEG- und fMRT-Aufnahme vervollständigt das funktionelle
Bild eines Patienten und öffnet das Fenster in sein „verschlossenes“ (lockedin) geistiges Leben.
Danksagung
Die Patienten auf der Abb. 8 sowie die Patientin B auf der Abb. 7 sind von
Dr. M. Onofrij (Chieti, Italien). Der Patient auf Abb. 6 ist von Prof. N.
Latronico (Brescia, Italien). Wir bedanken uns herzlich bei diesen Kollegen,
die uns gerne und kostenlos die Daten ihrer Patienten zu Verfügung gestellt
haben. Wir danken auch Herrn Dr. K.-H. Pantke, dessen CT in der Abb. 7
dargestellt ist.
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Kontakt
Prof. Boris Kotchoubey
Institute of Medical Psychology and Behavioral Neurobiology
University of Tübingen, Gartenstr. 29, 72074 Tübingen GERMANY