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Überraschen mit
Gefühl
KUNDENSERVICE
managerSeminare | Heft 199 | Oktober 2014
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Beraten, Kugelschreiber verschenken, Kaffee anbieten – das
gilt vielerorts als Kundenservice. Doch kein Kunde lässt sich
heute noch auf diese Weise beeindrucken. Wer seine Kunden
wirklich erreichen möchte, muss sie überraschen: mit Herz,
Verstand und Leidenschaft. Sabine Hübner und Carsten K. Rath
mit einem Einblick in die Kunst der Service Excellence.
Preview: $I„Hatten Sie eine angenehme Reise?“:
Warum Small-Talk-Floskeln nichts mit Kundenfreundlichkeit zu tun haben $IVon der Basisqualität zur
Service Excellence: Wo endet die Servicewüste?
$IVom Recruiting bis zur Firmenphilosophie: Auf welchen Feldern der Service-Gedanke zu verweben ist
$IStiefkind Stammkunde: Warum treue Kunden vernachlässigt werden – und sich mehr Service für sie
besonders lohnt $IMit Herz und Verstand auf den
Punkt: Beispiele für gelungenen Service $IGekonnt
schenken: Brainstorming für Service-Ideen $IDifferenzierung des Selbst: Der Schlüssel für authentischen
Service
& Stellen Sie sich einen Pianisten vor: Er
trägt saubere Kleidung und geputzte
Schuhe. In ordentlicher Haltung sitzt er auf
dem Klavierhocker. Er beherrscht die Technik des Tastenspiels. Beeindruckt Sie das?
Natürlich nicht. Denn die formale, technische, rationale Seite muss beim Konzert-
auftritt natürlich perfekt sein.
Das ist die Basis. Doch überzeugt diese Basis nur, wenn sich
durch sie hindurch noch etwas
anderes ausdrückt: Hingabe,
Leidenschaft, Gefühl und tiefe
Humanität. Sonst ist die Performance nichts weiter als kalte
Perfektion. Oder zugespitzt ausgedrückt: Professionalität ohne
Herzlichkeit ist Arroganz.
Genauso verhält es sich mit
einer Kunst, die Unternehmen
nicht hoch genug einschätzen
können: dem Kundenservice.
Auch hier gilt: Professionalität
allein ist zu wenig. Mit einstudierter Höflichkeit und vorab
definierten Prozessen der Kundenfreundlichkeit erreicht ein
Unternehmen seine Kunden
nicht. Das ist zu wenig. Denn:
Service-Kultur ist kein Projekt, ServiceKultur ist eine Haltung. Neben der rationalen Seite gilt es, die emotionale, empathische Seite zum Einsatz zu bringen und
sich im Umgang mit dem Kunden auf alte
Tugenden zu besinnen: Herzlichkeit, Demut,
Loyalität.
Höfliche Floskeln haben nichts mit
Kundenservice zu tun
Versetzen Sie sich in die Rolle des Gastes an
einer Hotelrezeption: Über die Standardfrage „Hatten Sie eine angenehme Anreise?“
werden Sie sich nicht von Herzen freuen.
Heutzutage will der Gast nicht mehr verreisen, sondern ankommen. Und niemals hat
jemand eine angenehme Anreise, irgendeinen Stressfaktor gibt es immer: Das Taxi war
dreckig, das Flugzeug verspätet, die Bahn
voll. Auch wenn in den Verhaltensrichtlinien
eines Unternehmens steht, der Gast sei
Den Beitrag gibt es auch zum Hören. Er kann unter www.managerSeminare.de/podcast als Audiodatei heruntergeladen werden.
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jederzeit mit Small Talk zu
erheitern, ist das Herunterleiern
abgegriffener Formeln nicht
überzeugend. Es fehlt die echte
Anteilnahme, der authentische,
leidenschaftliche Zugang zum
Kunden.
Nur wenn Sie echte Leidenschaft für den Kunden entwickeln, wenn Sie und die Mitarbeiter Ihres Unternehmens
ehrlich am Kunden und dessen
Wohl interessiert sind, kann Ihr
Unternehmen denjenigen Service-Level erreichen, den wir mit
„Service Excellence“ bezeichnen.
Service Excellence führt Sie in
die Champions League der leistungsfähigsten Unternehmen.
Sie ist der Faktor, der Ihrem
Unternehmen den entscheidenden Wettbewerbsvorteil bringt. Eine Studie, die das
Beratungsunternehmen RichtigRichtig.com
in Kooperation mit der Unternehmensberatung Kienbaum durchgeführt hat, brachte zutage: Fast 90 Prozent der Unternehmen
messen dem Thema Service eine große
Bedeutung für ihren geschäftlichen Erfolg
bei. Gleichzeitig aber sagen fast 60 Prozent
der Befragten: Die viel beklagte ServiceWüste lebt in Deutschland immer noch.
Erst der überraschende Service führt raus
aus der Wüste
Wie kommt es zu diesem Auseinanderklaffen von dem Anspruch, selber einen guten
Service zu liefern, und der erlebten Wirklichkeit der Servicewüste? Das wird klar,
wenn man sich die verschiedenen Service-
Qualitäten vor Augen führt, die in der
Geschäftswelt existieren:
1. Basisqualität: Weniger geht nicht. Beraten,
informieren, Beschwerden bearbeiten – das
ist das Angebot eines jeden Unternehmens.
Und nicht mehr als eine dünne Basis. Das
ist Wüste.
2. Normalqualität: Beraten, informieren,
Beschwerden bearbeiten plus einen Kaffee
anbieten, zum Geburtstag gratulieren, kleine Geschenke überreichen – auch das ist
nichts Besonderes, sondern etwas, das der
Kunde inzwischen erwartet. Einfach, weil er
es seit vielen Jahren gewöhnt ist, mit einem
Getränk über Wartezeiten hinweggetröstet
zu werden und sich an der Rezeption ein
Gummibärchen nehmen zu dürfen.
3. Überraschungsqualität: Erst mit dem dritten Service-Level verlassen Sie die ServiceWüste und kommen in den Bereich des
Zehn Stellschrauben für exzellenten Service
Wer seine Kunden durch und durch überzeugend ansprechen will, muss die Gedanken von Kundenfreundlichkeit und Kundenservice auf zehn
verschiedenen Feldern des Unternehmens verankern:
1. Philosophie: Die überzeugendste Service-Haltung ist bei Unternehmen zu finden, die von einer
bestimmten Ambition angetrieben werden: dem
Wunsch, die Welt besser zu machen, das Leben der
Menschen glücklicher zu gestalten und ihre Kunden zu begeistern. Hinter dieser Ambition steht oft
eine persönliche Geschichte des Unternehmensgründers.
2. Leadership: Exzellenter Service wird nicht
erzielt, indem Prozesse gnadenlos optimiert werden
und die Mitarbeiter hierzu an der kurzen Leine
geführt werden. Im Gegenteil: Wer seinen Mitarbeitern Freiheit gibt und ihnen als Förderer und Berater
zur Seite steht, lässt ihre Service-Haltung aufblühen.
3. Talentauswahl: Anders als es in der Bildungsdiskussion kolportiert wird, unterscheiden sich die
besten von den mittelmäßigen Mitarbeitern nicht
durch ihre Kompetenzen. Sondern durch ihre Haltung und ihre Empathiefähigkeit. Das Tellertragen
lässt sich trainieren, Sympathie nicht. Die besten
Unternehmen haben das erkannt und ihr Recruiting
hierauf abgestellt.
4. Bildung: Erfolgreiche Leistungssportler wissen
es: An der Spitze bleibt nur, wer täglich trainiert. Das
gilt für die Mitarbeiter eines Unternehmens genau-
so. Service Excellence lässt sich nur
durch kontinuierliche gemeinsame
Übung und Reflexion erreichen und
aufrechterhalten.
5. Interaktion: Führungskräfte und
Mitarbeiter schreiben meist lieber
Kurznachrichten, statt miteinander zu
sprechen. Das beschleunigt zwar viele
Prozesse, doch entstehen so auch
Missverständnisse. Manche Themen
kommen gar nicht zur Sprache, und
eine wichtige Quelle der Kreativität versiegt. Wichtig ist es, die persönliche
Interaktion wieder mehr in den Vordergrund zu stellen – denn Service Excellence bedeutet einen exzellenten Umgang miteinander.
6. Wertschätzung: Jeder Mensch
sehnt sich nach Wertschätzung und
Zugehörigkeit. Exzellente Unternehmen
feiern die Gemeinsamkeit und stärken
so das Selbstbewusstsein jedes Einzelnen genau wie das des Teams. So entsteht eine große Loyalität, die sich
positiv auf die Kommunikation auswirkt
– nach innen wie nach außen.
Quelle: Sabine Hübner, Carsten K. Rath: Das beste Anderssein ist Bessersein, Redline, München 2014.
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7. Entscheidungsfreiheit: Service braucht
Spontaneität. Spontan können Mitarbeiter nur
dann handeln, wenn sie die Freiheit haben, ihr
Handeln selbst zu steuern. Dazu brauchen sie Entscheidungskompetenz und ein eigenes Budget.
Der positive Effekt auf die Kunden ist so groß, dass
sich derartige Investitionen lohnen.
8. Wachstum: Die besten Service-Unternehmen
wissen, dass sie gut sind. Aber sie ruhen sich niemals auf ihren Lorbeeren aus. Stattdessen messen
sie ihren Level an Exzellenz und steigern ihn nach
Möglichkeit auch dann noch, wenn sie an der Spitze stehen.
9. Partizipation: Führungskräfte wissen nicht
immer alles und sind keine Überväter. Im Gegenteil: Die besten Ergebnisse entstehen, wenn möglichst viele Meinungen gehört werden. Die besten
Unternehmen haben Systeme eingerichtet, mit
denen sie die Stimmen der Mitarbeiter und Kunden
wirksam werden lassen.
10. Kundenloyalität: Die besten Unternehmen
haben deshalb loyale Kunden, weil sie einerseits
zwar wirtschaftlich denken und handeln, andererseits aber ungewöhnlich großzügig agieren, wenn
es um Aufmerksamkeiten und Geschenke geht.
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Besonderen und auf ein Feld, auf dem sich
die meisten Unternehmen nicht mehr bewegen. Hier pflanzt der Baufinanzberater persönlich einen Apfelbaum vor dem Neubau
des Kunden. Oder: Der Friseur schickt einen
Mitarbeiter für den Kunden zur Post, während dieser unter der Trockenhaube sitzt.
Hier wird der Kunde überrascht!
4. Service Excellence: Auf dem höchsten
Service-Level ist der Kunde überwältigt von
Ihrer Herzlichkeit. Hier überraschen Ihre
Mitarbeiter aus eigenem Antrieb und von
Herzen gerne Ihre Kunden mit sehr persönlichen Aktionen – und diese Aktionen haben
gleichzeitig eine große, persönliche Bedeutung für den Kunden, das heißt: Sie sind
nicht nur nice, sondern für den Kunden in
diesem Augenblick tatsächlich relevant.
Den Service-Gedanken im ganzen
Unternehmen verweben
Diese überragende Service-Qualität, die den
Unterschied ausmacht, können Sie Ihren
Mitarbeitern natürlich nicht von außen verordnen. Sie entsteht nicht auf Knopfdruck.
Sie kann nur dann aufblühen, wenn der
Service-Gedanke Ihr ganzes Unternehmen
durchzieht. Im Einzelnen sind es zehn
Bereiche und Felder, auf denen der Service
mitgedacht werden muss (vgl. Kasten,
links): So brauchen Sie eine auf den Kunden
ausgerichtete Unternehmensphilosophie.
Darüber hinaus sollten Ihre Führungskräfte und Mitarbeiter Ihr Unternehmen und
seine Produkte so attraktiv finden, dass sie
alles geben, nur um bei Ihnen und der
gemeinsamen Sache dabei zu sein. Sie müssen also die richtigen Talente rekrutieren.
Und Sie brauchen eine kommunikative und
wertschätzende Kultur im Unternehmen –
eine Kultur, die Entscheidungsfreiheit und
Partizipation großschreibt. So können Sie
wachsen, Sie werden immer besser – und das
zieht Kunden an. Vor allem aber: Es lässt
bestehende Kunden bei Ihnen bleiben.
Die bestehenden Kunden, Kundenloyalität und Kundenbindung sind der Drehund Angelpunkt. Gleichzeitig sind die bestehenden Kunden einer der Aspekte, die am
häufigsten vernachlässigt werden. Und das
zieht sich durch alle zehn Felder, deren feines
Zusammenspiel am Ende Service Excellence
ergibt. Führungskräfte und Mitarbeiter reißen sich zwei Beine aus, um neue Kunden
zu gewinnen. Aber sie tun wenig dafür,
bereits gewonnene Kunden zu halten.
Dem Beratungsunternehmen McKinsey
zufolge gehen nur magere 12 Prozent der
Vertriebskosten in die Stammkundenpflege,
33 Prozent werden in Werbung investiert
und der größte Teil, nämlich 55 Prozent (!)
fließt in die Neukundenakquise. Konkret für
Energieversorger hat das Beratungsunternehmen Simon-Kucher herausgefunden:
78 Euro pro Kunde werden jährlich für die
Neukundengewinnung ausgegeben, aber
nur 35 Euro für Kundenbindungsmaßnahmen.
Studien zeigen: Stammkunden sind
Stiefkinder – zu Unrecht!
Dabei ist es – auch das haben Studien ergeben – dreimal wahrscheinlicher, etwas an
einen Stammkunden zu verkaufen als an
einen Neukunden. Die Kosten für die
Anwerbung eines neuen Kunden liegen etwa
sechsmal höher als die Pflege von Stammkunden. Und wenn ein Stammkunde einem
Unternehmen einmal den Rücken gekehrt
hat, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß,
dass er nicht mehr wiederkommt. Natürlich:
Befeuert durch die große Transparenz, die
durch das Internet entstanden ist, sind Kunden heute viel wechselbereiter als noch vor
zehn Jahren. Jeder Besitzer eines gewöhnlichen Smartphones kann inzwischen innerhalb von Sekunden herausfinden, ob es das
ersehnte Sofa oder die Reise nach Mallorca
woanders günstiger gibt. Doch umso mehr
gilt: Kümmern Sie sich um Ihre Kunden,
damit sie trotz anderer Verlockungen loyal
bleiben, statt zur Konkurrenz abzuziehen.
Der Balanceakt besteht darin, den Kunden Wärme – ja: Liebe! – zu zeigen, ohne
ihnen dabei auf die Nerven zu gehen. Am
besten gelingt Ihnen das mit kleinen respektvollen Gesten, zum Beispiel:
$ Seien Sie großzügig in Kleinigkeiten.
Stellen Sie sich vor, Ihr Kunde hat eine Designerlampe für weit mehr als 1.000 Euro
gekauft. Nach der Lieferung schenkt ihm Ihr
Monteur die richtige Glühbirne dazu. Das
passt! Würden Sie für diesen Service zusätzlich etwas berechnen, würde Ihr Kunde das
kleinlich finden und vermutlich nicht noch
einmal bei Ihnen bestellen. Das Gleiche gilt
bei alltäglichen Einkäufen. Jeder Kunde hat
wohl schon einmal sein Portemonnaie zu
Hause liegen lassen – und das erst an der
Kasse gemerkt. Exzellente Unternehmen
erlauben es selbstverständlich, den Betrag
später vorbeizubringen, und die Erfahrung
zeigt, dass die allermeisten Kunden das auch
ganz schnell tun.
$ Drängeln Sie nicht. „Ich möchte Sie jetzt
nicht beim Essen stören und komme gerne
später noch einmal, um Ihr Ticket anzuschauen.“ Wer so einen serviceorientierten
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Schaffner erwischt, fährt gerne wieder mit
der Bahn.
$ Machen Sie den Kunden nicht zur Nummer. Viele Hotels organisieren den Frühstücksservice so, dass ihre Gäste beim Eintritt in den Restaurantbereich weder „Guten
Morgen“ hören noch „Willkommen“, sondern lediglich ein gschnarrtes „Zimmernummer!?“. Wer so begrüßt wird, fühlt sich
wie ein buchhalterischer Vorgang und zur
Nummer degradiert.
$ Verleihen Sie dem Kunden VIP-Status.
In den USA stellen bereits einige Restaurants
Schilder auf die Tische mit dem Hinweis
„Schicken Sie dem Manager direkt eine
SMS“, samt Telefonnummer. Dieser direkte
Draht in die Chefetage gibt Gästen das
Gefühl, „very important“ zu sein. Anbieter
des Dienstes ist das Unternehmen „TalktotheManager“.
Exzellenter Service kommt von Herzen
– und trifft den Punkt
$ Teilen Sie Freude. Für den Hörakustikermeister Lukas Schinko ist die Lebensqualität
seiner Kunden eine Herzensangelegenheit.
Der CEO von Neuroth sagt: „Mir wird
immer in Erinnerung bleiben, wie ein
Kunde mir begeistert berichtete, dass er jetzt
wieder Vogelzwitschern hören kann. Er
freute sich sehr. Und ich mich mit ihm!“
Genau das ist ein Moment of Truth für beide
Seiten. Genau das ist unbezahlbare Service Excellence. Natürlich ist es der normale Job eines
Hörakustikers, den Leuten besseres Hören zu ermöglichen. Zu
etwas Besonderem aber wird das
Ganze, wenn er sich darüber
aufrichtig freut – und die Freude
des Kunden zur eigenen Freude
wird.
$ Sehen Sie Kundenwünsche
vorher. Es geht hier gar nicht
immer um große Würfe, sondern vor allem um ganz kleine
Gesten. Wir waren zum Beispiel
sehr gerührt, als der Mitarbeiter
eines schwedischen Möbelhauses uns spontan seine eigenen Süßigkeiten schenkte, als
wir nach stundenlanger Optimierung unserer Büroeinrichtung kräftemäßig in die Knie
gingen …
Gerade das Schenken aber ist
so eine Sache. Gute Geschenke
kommen an. Aber was ist heute
ein gutes Geschenk? Dankesbriefe
und unpersönliche Kuschelcalls
sind es jedenfalls nicht mehr – sie
sind mittlerweile Standard und
haben schon Nervensägenpotenzial entwickelt. Auch Werbegeschenke locken niemanden mehr
Service
Literaturtipps
$Sabine Hübner, Carsten K. Rath: Das beste Anderssein ist Bessersein. Die
Geheimnisse echter Service-Excellence. Redline, München 2014, 24,99 Euro.
Neben vielen anschaulichen, oft selbst erlebten Beispielen für Service-Kultur zeichnet sich
das Buch dadurch aus, dass es die komplexen Zusammenhänge vor Augen führt, mit denen
Service entsteht. Von der Unternehmens- und Führungskultur über die Talentauswahl bis zur
Idee der Partizipation schildert es, wo und wie der Service-Gedanke im Unternehmen Platz
findet.
$Anne M. Schüller: Customer Touchpoint Management – Den Kunden berühren.
www.managerSeminare.de/MS175AR02
Ob Anzeige, Schaufenster, Blog oder Tweet: All das sind Berührungspunkte potenzieller Kunden mit einem Unternehmen – sogenannte Customer Touchpoints. Nur wer Menschen an
den Touchpoints positiv zu berühren weiß, findet Käufer und Fans. Der Artikel schildert die
zugehörige Strategie.
$Andreas Buhr: Social Economy – So erreichen Sie den Kunden 3.0. www.managerSeminare.de/MS165AR02
Der heutige Kunde nutzt Social Media, Smartphone und Tablet PC und will da angesprochen
werden, wo er sich aufhält – und das nicht nur räumlich, sondern auch in puncto Werte. Der
Artikel benennt Wege, wie heutige Kunden zu gewinnen und zu begeistern sind.
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hinter dem Ofen hervor. Billige Streuartikel
wie Plastikkugelschreiber, Schlüsselanhänger, Luftballons oder Bonbons landen sofort
in der Mülltonne. Schade um den Aufwand!
Gute Geschenke brauchen gute VorabFragen
Bei Geschenken für die eigenen Kunden gilt
es, sich ein bisschen mehr Gedanken zu
machen und beim Brainstorming Überlegungen einzubeziehen wie: Gibt es einen
Bezug zu unserem Unternehmen? Oder zum
Markenimage? Ein billiger Kugelschreiber
zum Beispiel ist austauschbar. Ein hochwertiges Lederetui als Verpackung für einen
Kostenvoranschlag bleibt in Erinnerung.
Bringt das Geschenk einen emotionalen
Wow-Effekt? Ein lila Luftballon bringt ihn
tendenziell nicht. Wenn im reparierten Auto
des Kunden eine Praline wartet mit der Aufschrift „Wo warst du? Ich habe dich vermisst!“, könnte das ein Lächeln auf das
Gesicht des Kunden zaubern angesichts seines sprechenden Autos. Ist das Geschenk für
den Beschenkten relevant? Einen Wendegürtel für Herren braucht man als Dame
nicht. Aber für das Smartphone ein mobiles
Ladegerät, das ohne Steckdose auskommt,
ist für Kunden, die viel unterwegs sind,
durchaus eine schöne Idee.
Zudem ist das richtige Timing für das
ausgedachte Geschenk von Bedeutung. Ein
Gutschein für eine Wellness-Massage passt,
wenn der Hotelgast gestresst anreist und am
Abend keine Termine mehr hat. Ein üppiger
Blumenstrauß passt nicht, wenn der Gast
am nächsten Tag mit dem Flugzeug weiterreisen muss. Neben dem Timing muss natürlich die rechtliche Seite stimmen. Für Ihr
Unternehmen ist es durchaus relevant, ob
Sie Geschenke als Betriebsausgabe absetzen
können. Und für den Beschenkten spielt es
eine erhebliche Rolle, ob sein Geschenk
unter die Rubrik „Bestechungsversuch“ fallen könnte oder nicht. Also ersparen Sie sich
die Erfahrung, die einer von uns schon
machen musste: Laden Sie Ihren Kunden
nicht in ein hochwertiges Restaurant ein
– um dann erschrocken zuzusehen, wie dieser selber zahlt, damit er sich rechtlich nichts
zuschulden kommen lässt.
All das zeigt: Service Excellence heißt
nicht immer mehr und auch nicht unbedingt
teuer, sondern: ein Service, der liebevoll ist
– und der genau auf den Punkt zielt. Und
der zudem authentisch ist. Liebe zum Kunden bedeutet Offenheit, Zuneigung, Empathie. Sie bedeutet aber nicht, dass Sie nur „so
tun als ob“, dass Sie gezwungen lächeln und
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Die Autoren sind Gründer
der Management- und
Unternehmensberatung
RichtigRichtig.com.
Die Autoren: Sabine Hübner steht als vielfach ausgezeichneter Keynote-Speaker – z.B. „Speaker of the
Year 2012“ – vor allem für das Thema Service, zudem für Leadership-Kultur und Change. Sie ist mehrfache
Buchautorin und Managementberaterin. Zu ihren Kunden zählen nationale und internationale Unternehmen.
Kontakt: [email protected]
Carsten K. Rath ist Gründer und CEO der Kameha Hotels & Resorts – sowie Berater, Vortragsredner und
Hochschuldozent mit den Schwerpunkten Service Excellence und Leadership. Er erhielt etliche Auszeichnungen, darunter die Ehrung als „Arbeitgeber des Jahres 2012“ und den Innovationspreis der deutschen
Tourismuswirtschaft. Kontakt: [email protected]
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Der Key zur Authentizität heißt:
Differenzierung des Selbst
Konkret heißt das: Sie sind zwar Ihrem Kunden gegenüber empathisch, zerfließen aber
nicht vor Mitgefühl. Sie handeln professionell, aber nicht perfektionistisch-automatenhaft. Sie lassen Nähe zu, lassen sich
von Ihrem Kunden aber nicht komplett vereinnahmen. Sie wahren Autonomie, ohne
aber Ihren Kunden vor den Kopf zu stoßen.
Die Hintergründe dieses ausbalancierten
Verhaltens hat der US-amerikanische Psychotherapeut Murray Bowen untersucht
und dafür den Begriff der „Differenzierung
des Selbst“ geprägt. Bowen zufolge hängen
Menschen mit niedrigem Differenzierungsgrad sehr stark von der Akzeptanz anderer
Menschen ab. So stark, dass sie im Konfliktfall ihre eigene Position nicht halten können
und nachgeben. Nach dem Motto: Der
Kunde hat immer recht. Oder, und das ist
auch nicht besser: Sie versuchen, andere
Menschen zu zwingen, so zu denken und
zu handeln wie sie selbst. Im Kundenge-
spräch ist auch diese Haltung keine gute
Idee …
Je niedriger der Differenzierungsgrad,
umso schwerer fällt es einem Menschen, sein
„Selbst“ zu zeigen und dazu zu stehen. Je
höher aber die Fähigkeit zur Differenzierung
ausgeprägt ist, desto leichter gelingt es, im
Kontakt mit dem Kunden authentisch zu
bleiben. Die eigenen Ecken und Kanten zu
zeigen. Und seien sie noch so schrullig. Zugegeben: Das klingt erst einmal unprofessionell. Ist es aber nicht. Der Online-Händler
Zappos macht genau das vor, wenn er von
seinen Mitarbeitern fordert: Be weird! Übersetzt heißt das: Sei schräg!
Die Schräglage verschafft Ihnen eine neue
Perspektive auf Ihre Kunden. Also: Verlassen
Sie im Geschäftsalltag immer mal Ihre gerade, korrekte Haltung. Binden Sie die Krawatte los, machen Sie sich locker. Nehmen
Sie die Hände von der Tastatur, die Stöpsel
aus dem Ohr und lassen Sie alle großen und
kleinen Monitore, die Ihren Blick so gerne
magnetisieren, außer Acht. Dann gelingt
Ihnen etwas Wunderbares: Sie entdecken Ihr
Gegenüber. Sie entdecken Ihren Kunden neu
– und können sehen, was für ihn im Augenblick wirklich relevant ist. Aus einer authentischen Service-Haltung heraus machen Sie
ihm eine echte Freude. Und Sie werden nie
wieder fragen: „Hatten Sie eine angenehme
Anreise?“
Sabine Hübner, Carsten K. Rath &
Seminar gesucht?
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Ihre wahren Gefühle verleugnen. Genauso
wenig bedeutet Liebe zum Kunden, dass Sie
alle Distanz fallen lassen. Die Kunst besteht
darin, Emotion und Rationalität auszubalancieren – und außerdem auch, Intimität
und Autonomie in Beziehung zu anderen in
ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen.
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