Technische Schriftenreihe Ausgabe 7

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Technische Schriftenreihe Ausgabe 7
Totally Integrated Power
Technische Schriftenreihe
Ausgabe 7
Der Störlichtbogen in Mittelspannungsund Niederspannungs-Schaltanlagen
Answers for infrastructure and cities.
Der Störlichtbogen in Mittelspannungsund Niederspannungs-Schaltanlagen
Ein Lichtbogen entsteht durch die Ionisierung eines Gases
(in der Regel Luft) mittels einer elektrischen Entladung
zwischen Elektroden unterschiedlichen Potenzials oder
Phasenlage, bzw. zwischen einer Elektrode und Erde.
Gebräuchlich ist auch der Begriff Bogenentladung. Wird
diese durch eine Störung, wie z. B. einen Kurzschluss in
einer Schaltanlage, erzeugt, wird von einem Störlichtbogen gesprochen. Während für die Auslösung eines Störlichtbogens im Niederspannungsbereich meist ein galvanischer Kurzschluss nötig ist, genügt im Mittelspannungsbereich das Unterschreiten eines minimalen Luftabstands
zwischen den unter Spannung befindlichen Teilen einer
Schaltanlage.
• Überbeanspruchung, Verschmutzung, Feuchtigkeit
• Handhabungsfehler und Unachtsamkeiten beim
Bedienen und Arbeiten (z. B. unzulässiges Arbeiten
unter Spannung)
• Kleintiere und andere Fremdkörper (z. B. vergessenes
Werkzeug), die ins Innere der Schaltanlage gelangen
• Fehlerhaft ausgeführte Kabelanschlüsse
Bei der Erzeugung eines Gasplasmas können Temperaturen von ca. 10.000 °C entstehen (sogar bis 20.000 °C am
Austrittspunkt) und damit das Material am Austrittspunkt
verdampfen. Dadurch verbessert sich die Leitfähigkeit und
der Stromfluss erhöht sich, was nun wieder zu einem weiteren Temperaturanstieg führen kann. Der Ablauf wird,
wie in Abb.1 schematisch gezeigt, durch vier Phasen
beschrieben:
Die Wahrscheinlichkeit, dass in einer Schaltanlage ein
Störlichtbogen vorkommt, ist sehr gering, aber nicht zu
vernachlässigen. Für luftisolierte Schaltanlagen wird von
einem Erwartungswert von 10-5 p. a. (per annum; Ereignisse pro Jahr) und bei gasisolierten Schaltanlagen von
10-6 p. a. ausgegangen. Das heißt, dass statistisch in einem
Jahr in einem von 10.000 Schaltfeldern (luftisoliert), bzw.
in einem von 100.000 Schaltfeldern (gasisoliert), ein Störlichtbogen entsteht.
1. Kompressionsphase (mit maximalem Überdruck)
2. Expansionsphase (abklingender Druck)
3. Emissionsphase (Ausstoß der Gase)
4. Thermophase (Ausstoß der schwereren Metall- und
Isolierstoffdämpfe)
Ursachen für die Entstehung eines Störlichtbogens in
Schaltanlagen, auch innerer Fehler genannt, können sein:
Störlichtbogenprüfungen bei einem Schaltfeld haben für
die Flächenbelastung einen Druck von etwa 10 t/m2
ergeben.
• Material- oder Funktionsfehler von Geräten
(z. B. Isolationsfehler, schadhafte Kontaktstellen,
Montagefehler)
• Falsche Bemessung und Dimensionierung
(z. B. abblasende Sicherungen)
Abb. 1: Zeitlicher Ablauf der Druckentwicklung bei einem Störlichtbogen
Druck p
pmax
10
1
20
2
30
Zeit t in ms
1.000
100
3
4
2
Normen
Der Industriestandard für Schaltanlagen wird durch internationale und nationale Normen beschrieben. Dabei wird
auch bei der Betrachtung der Störungen, wie dem Störlichtbogen, eine Unterscheidung zwischen Nieder- (bis
1 kV) und Mittel-/Hochspannung (über 1 kV) gemacht:
• Mittel- und Hochspannung:
IEC 61936-1 (VDE 0101-1):
Starkstromanlagen mit Nennwechselspannungen
über 1 kV – Teil 1: Allgemeine Bestimmungen (Anmerkung: Diese Norm gilt nicht für fabrikgefertigte, typgeprüfte Schaltanlagen und nicht für die Anforderungen zur Durchführung von Arbeiten unter Spannung)
IEC 62271-200 (VDE 0671-200): HochspannungsSchaltgeräte und Schaltanlagen – Teil 200: Metallgekapselte Wechselstrom-Schaltanlagen für Bemessungsspannungen über 1 kV bis einschließlich 52 kV
• Niederspannung:
IEC/TR 61641 (VDE 0100-500 Beiblatt 2):
Niederspannungs-Schaltgerätekombinationen Teil 1:
Typgeprüfte und partiell typgeprüfte Kombinationen Technischer Bericht: Verfahren für die Prüfung unter
Störlichtbogenbedingungen
Prüfung von Mittelspannungs-Schaltanlagen unter
Störlichtbogenbedingungen
Für eine erfolgreiche Typprüfung von MittelspannungsSchaltanlagen ist auch eine Störlichtbogenqualifizierung
IAC (internal arc classified) nach IEC 62271-200
(VDE 0671-200) erforderlich. Unterschieden wird bei der
Qualifizierung nach
• Begehbarkeit:
A Zugang nur für Fachpersonal
B Öffentlicher Zugang
(bedeutet erhöhte Prüfschärfe)
• Qualifizierte, zugängliche Seiten der Schaltanlage:
F Front (Frontseite)
L Lateral (Seitenwand)
R Rear (Rückwand)
• Prüfstrom und Dauer
Beispiel: Störlichtbogenqualifizierung IAC AR BFL 25 kA 1s
Die Angaben besagen, dass auf der Rückseite nur Fachpersonal Zugang haben darf, während Front und Seitenteile
frei zugängig sind. Die Störlichtbogenprüfung erfolgte mit
einem Prüfstrom von 25 kA für die Dauer von einer
Sekunde.
Anmerkung:
Mittelspannungs-Schaltanlagen werden generell nach
Zugänglichkeit Typ A geprüft. Nur komplette, fabrikfertige
Stationen (Transformator- / Schwerpunktstationen) werden für Typ B geprüft. Die Prüfung normaler Schaltanlagen nach Typ B ist nicht sinnvoll, denn an öffentlich
zugänglichen Orten sind sie immer in ein zusätzliches Stationsgehäuse eingebaut.
Projektierung einer Mittelspannungs-Schaltanlage unter dem Aspekt der Gefährdung durch einen Störlichtbogen
Gemäß der Norm IEC 61936-1 (VDE 0101-1) sollen folgende Punkte bei der Projektierung beachtet werden:
a) Schutz gegen Bedienungsfehler, z. B. sichergestellt
durch folgende Maßnahmen:
• Lasttrennschalter anstelle von Trennschaltern
• Einschaltfeste Schalter
• Verriegelungseinrichtungen
• unverwechselbare Schlüsselsperren
b) Bedienungsgänge so kurz, hoch und breit wie
möglich
c) Geschlossene Kapselungen oder Abdeckungen
anstelle von Kapselungen mit Öffnungen oder
Maschendraht
d) Anlagen, die gegen innere Lichtbogenfehler geprüft
sind, anstelle von Anlagen in offener Bauweise (z. B.
Anlagen entsprechend IEC 62271-200; VDE 0671-200)
e) Ablenkung der Lichtbogengase in eine vom Bedienungspersonal abgewandte Richtung und, falls erforderlich, Ausleitung aus dem Gebäude
f) Einsatz von Strombegrenzungseinrichtungen
g) Sehr kurze Auslösezeit durch schnell wirkende Relais
oder auf Druck, Licht oder Wärme ansprechende
Einrichtungen
h) Bedienung der Anlage aus sicherer Entfernung
i) Verhinderung der Wiedereinschaltung durch nichtrückstellbare Einrichtungen, die innere Fehler der
Betriebsmittel feststellen, Druckentlastung einschließen und externe Meldungen bereitstellen
Demgemäß ist der Betriebsraum immer in die Schutzmaßnahmen gegen die Auswirkungen eines Störlichtbogens
einzubeziehen:
• Eine Berechnung der dynamischen Druckbelastung
des Betriebsraumes, aus der ein Architekt oder Statiker die Beanspruchung der Bausubstanz erkennen
kann, ist zu empfehlen
• Der Betriebsraum ist mit Druckentlastungsöffnungen
ausreichenden Querschnitts oder mit einem Druckentlastungskanal auszustatten
3
Um in der Planungsphase grobe Richtwerte für die Raumgröße und/oder Druckentlastungsöffnungen zu bekommen, bietet Siemens zwei Berechnungsmethoden an.
Abschätzung der Druckauswirkungen nach Pigler
Eine einfache Methode bietet die Abschätzung nach F. Pigler [1] für Räume bis 50 m³ (Berechnung kann durch den
Siemens TIP-Ansprechpartner beim Einsatz von Siemens
Mittelspannungs-Schaltanlagen 8DJH erfolgen). Dabei
werden Angaben für das Raumvolumen, die Fläche für
den freien Entlastungsquerschnitt und den zu prüfenden
Kurzschlussstrom in eine Rechenmaske eingegeben, so
dass sich ein einfacher Kurvenverlauf (siehe Abb. 2) für
den Überlastdruck ergibt.
Finite-Elemente-Simulation von Druckbelastungen im
Störlichtbogenfall
In typgeprüften luft- oder gasisolierten Schaltanlagen ist
zwar das Auftreten eines inneren Fehlers (Störlichtbogens) höchst unwahrscheinlich, allerdings können die Folgen eines solchen Fehlers für das Bedienungspersonal und
auch für den Raum selbst gravierend sein. Deshalb müssen möglicherweise bereits bei der Anlagen- und Raumplanung entsprechende Druckentlastungsmaßnahmen
vorgesehen werden. Hierzu gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie z. B. Druckentlastungsöffnungen, -kanäle oder
Absorber.
Mit Hilfe modernster FE-Methoden (Finite Elemente) können Druckberechnungen in dem gesamten ortsaufgelösten Raum über die Brenndauer des Störlichtbogens durchgeführt werden. Siemens bietet als Service eine
numerische Berechnung auf Basis eines 3D-Volumenmodells, bei dem die reale Aufstellung der Anlage, Druckentwicklung, Reflexion und Anordnung der Druckentlastungsöffnungen berücksichtigt werden, an (die Kosten betragen
je nach Aufwand 3.000 € und mehr; diesbezügliche Anfragen können Sie an Ihren TIP-Ansprechpartner richten).
Für konkrete Anlagentypen, Kurzschlussströme und Aufstellungsorte der Schaltanlagen können verschiedene Szenarien der Druckbelastung durchgerechnet werden.
Erhöhte Planungssicherheit und kostenoptimierte Lösungen sind somit für den Kunden gewährleistet.
Abb. 2: Ergebnis einer Druckabschätzung nach Pigler [1]
Druckberechnung nach Pigler
für die Anlagentypen 8DJ, 8DH, 8DJH mit Absorber
Raumvolumen [Vr] in m³:
50
freier Entlastungsquerschnitt [Aent] in m²:
0,5
Kurzschlussstrom [Ik''] in kA:
20
Maximaldruck [pmax]:
12 hPa
10 hPa nach 146 ms
Das Ergebnis dieser Druckberechnungen enthält keine
Aussagen über die Druckbelastbarkeit des Bauwerkes und
seiner Konstruktionsbauteile (z. B. Türen, Fenster). Deren
Auslegung für den errechneten Druckverlauf muss durch
den Baustatiker erfolgen. Eine Verantwortung für
Folgeschäden aufgrund eines Störlichtbogen-Ereignisses
kann nicht übernommen werden.
10 hPa
Überdruck [p]
8 hPa
6 hPa
4 hPa
2 hPa
0 hPa
0 ms
100 ms
200 ms
300 ms
400 ms
500 ms
600 ms
700 ms
800 ms
900 ms
1.000 ms
Zeit [t]
4
Abb. 3: Beispiel für die Ansicht eines Schaltanlagenraums mit frei gewählten Messpunkten
Abb. 4: Konturplot einer Simulationsrechnung zum Zeitpunkt 0,1 s
5
Die Strömungsbedingungen werden als Randbedingungen
definiert. Zum Einen sind dies Bleche der Schaltanlagen
und zum Anderen die zu durchströmenden Absorberbleche. Schließlich legt man die Druckentlastungsöffnungen
im Schaltanlagenraum fest (siehe Abb. 3). Das System ist
aber auch in der Lage, einen vollkommen geschlossenen
Raum zu berechnen oder Druckentlastungsöffnungen mit
vorbestimmtem Ansprechdruck zu berücksichtigen. Das
System liefert als Ergebnis den Druckanstieg und die Strömungsverhältnisse in jedem Raumpunkt des Finite-Elemente-Netzes über die Zeit.
Zusätzlich lässt sich die Druckverteilung auf den Schaltanlagenraumwänden zu einem Zeitpunkt als Konturplot
(siehe Abb. 4) darstellen.
Bei konventioneller Lufttechnik in der Schaltanlagentechnik ist gegenüber gasisolierte Technik mit Absorber mit
einem um den Faktor Fünf höheren Druck und mehr zu
rechnen.
Projektierung einer Niederspannungs-Schaltanlage
Der Technische Bericht IEC/TR 61641 (VDE 0660-500 Beiblatt 2) beschreibt eine Sonderprüfung für Niederspannungs-Schaltanlagen, die keine bindende Vorschrift im
Sinne einer Bauart- oder Typprüfung ist. Siemens empfiehlt aber diese Prüfung, da die Personensicherheit
dadurch wesentlich betroffen sein kann. Die bauartgeprüften Siemens-Schaltanlagen SIVACON entsprechen den
Anforderungen.
Die Kriterien zur Beurteilung der Prüfung unter Störlichtbogenbedingungen hinsichtlich Personensicherheit sind:
• Ordnungsgemäß gesicherte Türen, Abdeckungen
usw. öffnen sich nicht
• Gefährliche Teile (z. B. große oder schwere Teile, Teile
mit scharfen Kanten) der Schaltanlage können nicht
wegfliegen
• Es entstehen keine Löcher in frei zugängigen äußeren
Teilen der Umhüllung
• Vertikal angebrachte Indikatoren (Ausnahme: Indikatoren zur Erfassung der Wärmewirkung von Gasen,
die durch brennende Farbanstriche oder Aufkleber
entzündet werden, sind bei der Beurteilung auszuschließen), die speziell angebracht wurden, entzünden sich nicht
Für die Anlagensicherheit ist zusätzlich einzuhalten:
• Der Störlichtbogen bleibt auf den definierten Bereich
begrenzt, und es erfolgt keine Neuzündung in den
angrenzenden Bereichen
• Nach Störungsbeseitigung, bzw. nach Abtrennen oder
Ausbau der betroffenen Funktionseinheiten, ist ein
Notbetrieb der Schaltanlage möglich. Dies ist durch
eine Isolationsprüfung mit dem 1,5-fachen Wert der
Bemessungsbetriebsspannung für die Dauer von einer
Minute nachzuweisen
Je nach Netzaufbau kann der durch einen Störlichtbogen
verursachte Schadensumfang vergleichbar mit dem bei
einer Mittelspannungs-Schaltanlage sein. Trotzdem ist das
Thema Druckberechnung im Niederspannungsbereich
sowie auch für einen Traforaum noch nicht gängig. Man
sollte sich jedoch über die Gefahren, die hier ebenso auftreten können, im Klaren sein. Deshalb kann die Beachtung der Montagehinweise des jeweiligen Schaltanlagentyps nur dringend empfohlen werden. Für den Traforaum
gibt es von Siemens ein Tool, das nachfolgend kurz
beschrieben wird.
Projektierung einer Trafobox
Wie in Mittelspannungs- und in Niederspannungs-Schaltanlagen besteht die Gefahr eines Störlichtbogens auch im
Transformatorraum. Im Vergleich zu den Schaltanlagenräumen ist der Druckanstieg weitaus höher, da die Räumlichkeiten für den Transformator oftmals beengter sind.
Die Forderung einen entsprechenden Nachweis des Druckanstiegs im Störlichtbogenfall zu führen, wird durch Gutachter forciert.
Siemens hat auf Basis der Abschätzungen nach F. Pigler
[1] und eigenen Erfahrungswerten ein Tool (Abb. 5) zur
Berechnung des Druckanstiegs im Störlichtbogenfall entwickelt. Beim Einsatz von Siemens GEAFOL-Transformatoren
kann diese Berechnung als Dienstleistung von einem Siemens
TIP-Ansprechpartner (www.siemens.de/tip/kontakt) durchgeführt werden. Neben einer grafischen Auswertung für den
Druckverlauf (Abb. 6) werden die Daten zur Belüftung und
zum Druckanstieg in der Dokumentation ausgegeben.
• Der Schutzleiterstromkreis für berührbare Teile der
Umhüllung ist weiterhin funktionsfähig
6
Abb. 5: Bildschirmansicht für das Siemens Berechnungstool für einen Transformatorraum
7
Abb. 6: Druckverlauf für die Beispielrechnung eines Transformatorraums
Einflussfaktoren auf den Überdruck
und Druckauswirkungen
Die Ergebnisse einer Reihe von Druckberechnungen geben
unter Berücksichtigung veränderbarer Randbedingungen
(im betrachteten Beispiel: Raumabmessungen, Größe der
Druckentlastungsöffnung, Einsatz von druckmindernden
Absorbern an der Schaltanlage) einen Überblick über das
Druckverhalten hinsichtlich der Variation dieser Randbedingungen. Abb. 7 zeigt, dass Druckabsorber bei kleinen
Räumen eine sehr gute Wirkung zeigen. Wohingegen eine
übermäßig große Öffnung nur noch zu einer geringen
Druckreduzierung führt.
Überdruck in hPa
Abb. 7: Überdruckverhalten einer Schaltanlage Siemens 8DJH
(berechnet nach einer Sekunde Störlichtbogendauer und mit 16 kA Kurzschlussstrom)
60
2 2
0,1mm
AA
= =0,1
2 2
0,2mm
AA
= =0,2
ohne
2 2
0,4mm
AA
= =0,4
Druckabsorber
2 2
0,5mm
AA
= =0,5
2 2
0,6mm
AA
= =0,6
50
2 2
AA
= =0,1
0,1
mm
2 2
AA
= =0,2
0,2
mm
mit
mit
2 2
0,4
AA
= =0,4
mm
Druckabsorber
Druckabsorber
2 2
0,5
AA
= =0,5
mm
2 2
0,6
AA
= =0,6
mm
40
30
20
10
0
10
15
20
25
30
35
Netto-Gebäudevolumen in m³
8
Ein Druckanstieg im Störlichtbogenfall muss bei der Planung des Gebäudes berücksichtigt werden, da ansonsten
eine Beschädigung oder gar Zerstörung des Baukörpers
möglich ist. Tabelle 1 enthält Richtwerte für den zulässigen statischen Druck in Gebäuden in Abhängigkeit vom
Material der Wände im Neuzustand.
Tab. 2: Auswirkungen in Abhängigkeit
von der Größe des Überdrucks [2]
Konsequenz
Direkte Personenschäden
Unangenehme Knallwirkung
tiefer Frequenz
Tab. 1: Belastbarkeit verschiedener
Wandmaterialien bei Überdruck [1]
Art der Wand
zulässiger Überdruck
im Raum in hPa
Gipskarton
< 10
Ziegelwand ohne seitlichen Anschluss
(z. B. zwischen Betonpfeilern)
10
Ziegelwand mit Bewehrungseisen,
Wandstärke ≥ 24 cm
(z. B. zwischen Betonpfeilern)
25
Spitzenüberdruck
[hPa] = [mbar]
1,5
Sehr lauter Knall
3
Personen werden umgeworfen
10
Druckbezogener Grenzwert für Schäden durch Spreng- und Wurfstücke
15
Untere Grenze Trommelfellriss
175
Beschädigung des Trommelfells
300
Untere Grenze für Lungenschäden
850
Untere Grenze für schwere
Lungenschäden
1.850
Untere Letalitätsgrenze
2.050
Glasscheiben
Fertigbetonteile
50
Ortbeton
> 70
Gelegentlicher Bruch großer unter
Spannung stehender Scheiben
2
Betonraumzelle
130
Glasbruch durch Schallwellen
3
Bruch kleiner unter Spannung
stehender Scheiben
5
Zerstörung 10 % Fensterscheiben
10
Zerstörung 50 % Fensterscheiben
30
Zerstörung 75 % Fensterscheiben
50
Neben dem Baumaterial spielen Abmessungen, Dicke und
Einspanndruck der Wand im Baukörper eine wichtige Rolle
bei der Druckbelastung. Die Auslegung des Bauwerks für
den errechneten Druck muss durch den Baustatiker erfolgen, da es keine verbindlichen oder allgemeingültigen
Werte gibt. Als Anhaltspunkt werden hier exemplarisch
einige Werte aus dem Bericht [2] aufgeführt.
Gebäudeschäden
Schäden an Fensterrahmen,
Türen und Dächern
5
Geringe Schäden an Dächern
20
Zerstörung der Dächer und Wände
von Holzhäusern
60
Leichte bis mittlere Schäden
an Wohngebäuden
120
Zerstörung gemauerter Wände
200
Mittlere bis schwere Schäden
an Wohngebäuden
350
Nahezu vollständige Zerstörung
üblicher Gebäude
400
Zerstörung mehrgeschossiger
Gebäude, Zerstörung 50er Mauerwerk
500
Schäden der Infrastruktur
Stahlblechplatten verbeult
75
Stahlrahmen von Skelettgebäuden
leicht verformt
95
Öltanks aufgerissen
215
Zerstörung von Stahlbetonwänden
350
Leere Eisenbahnwagen umgeworfen
460
Beladene Güterwagen umgeworfen
600
Beladene Güterwagen zerstört,
99 % Schäden an horizontal gelagerten
Druckbehältern, chemischen Reaktoren und Wärmetauschern
750
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Reduktion der Eintrittswahrscheinlichkeit
eines Störlichtbogens
In der intensiven Diskussion um die Störlichtbogenerkennung bzw. –abschaltung werden gern technisch aufwändige und teuere Lösungen propagiert. Siemens präferiert
dagegen bereits seit langem die Verhinderung eines Lichtbogens durch die vollständige Isolation (siehe Abb. 8)
aller stromführenden Teile innerhalb der Anlage (Sammelschienen, Anschlüsse, Übergänge, usw.). Durch solche
passiven Vorkehrungen wird ein Lichtbogen ausgeschlossen und braucht somit weder detektiert, geschweige denn
gelöscht werden.
Aktive Systeme zur Detektion und Abschaltung eines Störlichtbogens als Folge eines Fehlers müssen gewartet werden und schaffen hinsichtlich Verfügbarkeit der Anlage
keine Vorteile. Die Auswirkungen des aufgetretenen Störlichtbogens (Verunreinigungen, Metallspritzer, usw.)
mögen zwar gering sein, müssen aber in der Regel doch
beseitigt werden. Zudem muss die Abschalteinrichtung
des aktiven Systems getauscht werden. Dies kann eine
aufwändige, zeitraubende Arbeit sein. Schaltanlagen sind
zu 80 % an der Wand aufgestellt. Bei einer entsprechenden Form der inneren Unterteilung sind die Sammelschienen separat geschottet, was Arbeitsaufwand und Ausfallzeit für eine einfache Reinigung oder für den Austausch
(Demontage des betroffenen Felds, ggf. Demontage der
Anlage, um an die Hauptsammelschienen zu kommen) in
die Höhe treibt.
Eine Überwachung der Abgangsbereiche in der Schaltanlage wird bei dem aktiven System aus Gründen der Versorgungssicherheit nicht empfohlen, da Störlichtbögen in
diesem Bereich durch das vorgeordnete Schutzgerät abgeschaltet werden sollten. Andernfalls würde ein solcher
Fehler zur kompletten Abschaltung der Anlage führen.
Für die Überwachung der Einspeisung (Anschlussraum),
muss das System auf das vorgeordnete Schutzgerät einwirken. Damit geht der Vorteil einer schnellen Abschaltung durch das aktive System bei diesem Fehler verloren.
Siemens bietet auch ein aktives System zur Störlichtbogendetektion und –abschaltung an, favorisiert aber das
für den Kunden vorteilhaftere passive System (vollständige Isolierung der Sammelschienen und Anschlüsse), da
hier
• die wirtschaftlichen Aspekte, wie Investitions- und
Servicekosten, sehr viel günstiger sind
• die Verfügbarkeit der Anlage, verbunden mit Ausfallzeiten nahe Null, erhöht wird
• die Personensicherheit verbessert wird
• die betriebliche Zuverlässigkeit höher ist als die eines
funktionsgesteuerten, aktiven Systems
• Einspeise-, Abgangsbereiche (inklusive der Fächer bei
Einschubtechnik) und Sammelschienenräume isoliert
ausgeführt werden können
• langjährige, nur positive Erfahrungen mit dem passiven Schutzsystem existieren
Abb. 8: Passives System zur Verhinderung eines Störlichtbogens mit isolierter Sammelschiene, Feldverbinder, Einspeisung und Abgang
10
Grundvoraussetzung für die Sicherheit und die Qualität
des passiven Systems ist die fachgerechte Montage der
Isolation. Für die Siemens Schaltanlagen gibt es eine spezielle Montageanweisung, in der auch die Beschaffenheit
und Anordnung der Materialien spezifiziert sind (siehe
Abb. 9).
Abb. 9: Arbeitsanweisung für die Montage eines passiven Systems für Siemens Schaltanlagen
Fußnote
[1] Druckbeanspruchung der Schaltanlagenräume
durch Störlichtbögen; 1976 - F. Pigler in Energiewirtschaftliche Tagesfragen 26. Jg. Heft 3
[2] Die Risikoanalyse mittels Konsequenz und Eintrittswahrscheinlichkeit – Methodik am Beispiel des
Druckbehälterversagens im Erdgasfahrzeug; 2012 C. Glanz, Bergische Universität Wuppertal, Fachbereich Maschinenbau/Werkstofftechnik
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Siemens AG
Infrastructure & Cities Sector
Low and Medium Voltage Division
Postfach 32 20
91050 Erlangen
Deutschland
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