Predigt über - Auferstehungskirche Schweinfurt

Transcription

Predigt über - Auferstehungskirche Schweinfurt
Predigt Lk 18, 31 - 43
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater und dem Herrn, Jesus Christus!
Liebe Gemeinde!
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten – Was würden Sie sich wünschen?
Überlegen Sie doch mal kurz einen Moment: Was ist Ihr Herzenswunsch?
Ich finde die Frage gar nicht so einfach: Was würde ich mir wünschen?
Vielleicht materielle Dinge wie Geld, ein großes Haus (das auch abbezahlt ist), ein schickes Auto?
Eine Weltreise?
Oder eher Wünsche im Bereich menschlicher Beziehungen: Gesundheit für meine Lieben und mich,
ein langes gemeinsames Leben voller Freude und schöner Erlebnisse? Einen netten Freundeskreis?
Vielleicht auch einen „frommen“ Wunsch: einen tiefen Glauben, eine lebendige Liebes-Beziehung
zu Jesus Christus? Eine lebendige Gemeinde, die für viele Menschen im Umfeld attraktiv ist?
Was würde ich mir wünschen? Was ist mein Herzenswunsch?
Merken Sie sich Ihre Gedanken, wir kommen später noch darauf zurück.
Zunächst lese ich den Predigttext des heutigen Sonntags vor, der auf den ersten Blick nur wenig mit
unserer Frage zu tun hat. Er steht im Lukas-Evangelium im 18. Kapitel, die Verse 31 bis 43:
Lukas 18, 31–43: (Die dritte Ankündigung von Jesu Leiden und Auferstehung)
31 Er nahm aber zu sich die Zwölf und sprach zu ihnen: Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem,
und es wird alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem
Menschensohn.
32 Denn er wird überantwortet werden den Heiden, und er wird verspottet und misshandelt und
angespien werden,
33 und sie werden ihn geißeln und töten; und am dritten Tage wird er auferstehen.
34 Sie aber begriffen nichts davon, und der Sinn der Rede war ihnen verborgen, und sie verstanden
nicht, was damit gesagt war.
(Die Heilung eines Blinden bei Jericho)
35 Es begab sich aber, als er in die Nähe von Jericho kam, dass ein Blinder am Wege saß und
bettelte.
36 Als er aber die Menge hörte, die vorbeiging, forschte er, was das wäre.
37 Da berichteten sie ihm, Jesus von Nazareth gehe vorbei.
38 Und er rief: Jesus, du Sohn Davids, erbarme dich meiner!
39 Die aber vornean gingen, fuhren ihn an, er solle schweigen. Er aber schrie noch viel mehr: Du
Sohn Davids, erbarme dich meiner!
40 Jesus aber blieb stehen und ließ ihn zu sich führen. Als er aber näher kam, fragte er ihn:
41 Was willst du, dass ich für dich tun soll? Er sprach: Herr, dass ich sehen kann.
42 Und Jesus sprach zu ihm: Sei sehend! Dein Glaube hat dir geholfen.
43 Und sogleich wurde er sehend und folgte ihm nach und pries Gott. Und alles Volk, das es sah,
lobte Gott.
Eigentlich sind das zwei ganz unterschiedliche Bibeltexte und Situationen, die auf den ersten
Blick nicht wirklich zusammenzupassen scheinen:
Zum einen die sogenannte „dritte Ankündigung von Jesu Leiden und Auferstehung“ und dann die
„Heilung eines Blinden bei Jericho“.
Zwei völlig unterschiedliche Situationen mit unterschiedlichen Beteiligten:
Jesus wandert durch Palästina, predigt, heilt Kranke, segnet Kinder, spricht mit den Menschen. Er tut
viel Gutes und verkündigt das Anbrechen des Reiches Gottes.
Er erregt viel öffentliches Aufsehen. Manche sind skeptisch, viele begeistert von diesem Mann, der
sich „Menschensohn“ nennt.
Und plötzlich ruft er seine Jünger zu sich. Die Zwölf, die ihm besonders nahe stehen.
Mitten in all der Begeisterung, dem ganzen Trubel nimmt er sie zur Seite und schneidet ein sehr
unangenehmes Thema an: Seine Leidensgeschichte, seine Passion.
Wir machen uns auf den Weg nach Jerusalem, berichtet er ihnen schon zum wiederholten Male, und
dort werden sich die alten Prophezeiungen erfüllen:
Der Menschensohn wird verraten werden, ausgeliefert an Heiden, gequält, verspottet und schließlich
hingerichtet – am dritten Tag wird er von den Toten auferstehen.
Das Ganze passt irgendwie nicht – weder für uns, noch für die Jünger:
Jesus, was redest du da für Sachen?
Es läuft doch gerade richtig gut! Die Menschen jubeln dir zu! Sie hören auf dich!
Gottes Reich ist angebrochen!! Es geschehen Zeichen und Wunder!
Und jetzt redest du irgendwas von Leiden, von Sterben, von Tod?
Das passt jetzt wirklich nicht hierher!
Das kann doch gar nicht Gottes Wille sein! Gott wird doch gerade so richtig verherrlicht!
Rede doch nicht so ein Zeug!
Jesus auf dem Höhepunkt seiner „Macht“ – und dann so ein Gerede von Dunkelheit und
tiefster Erniedrigung. Das passt nicht.
Und dann reagieren die Jünger so, wie wir es auch oft tun:
Wir wollen es nicht hören. Wir überhören die Worte. Wir verdrängen sie. Wir nehmen sie nicht ernst.
Und dann geht es weiter. Das Gespräch ist zu Ende.
Jesus und die Jünger ziehen weiter und kommen in die Nähe von Jericho.
Jericho ist eine ganz alte Stadt mit „biblischer Vergangenheit“. Sie liegt rund 25 Kilometer von
Jerusalem entfernt und ist mit rund 250 Metern unter dem Meeresspiegel die am tiefsten gelegene
Stadt der Welt. Gespeist von einer großen Quelle ist Jericho eine riesige, fruchtbare Oase mit
zahlreichen Palmen, Bananen, Datteln, Blüten und Gewürzen.
Jerusalem wiederum liegt fast 1000 Meter höher als Jericho!
Die Aussage von Jesus: Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem…bekommt so eine ganz bildhafte
Bedeutung. Es war wirklich ein Aufstieg, ein ganz steiler!
Auf dem Weg zum bevorstehenden Passahfest pilgerten viele Menschen durch Jericho.
Der Weg hinauf nach Jerusalem war steil und gefährlich und sehr unwirtlich. Es gab viele Räuber,
sodass sich die Pilger oft in Gruppen zusammenschlossen.
Die Geschichte vom ‚Barmherzigen Samariter‘ (Lk 10) spielt übrigens auf dem Weg von Jerusalem
nach Jericho.
Für Bettler war das eine recht ‚lukrative‘ Zeit. Viele Menschen waren mildtätig gestimmt und gaben
Almosen.
Jesus kommt also mit seinen Jüngern nach Jericho.
Dort saß ein Blinder am Wegrand und bettelte. Vermutlich saßen dort noch viel mehr Bettler, aber
von einem berichtet uns das Evangelium. Markus nennt uns sogar den Namen des Bettlers: der blinde
Bartimäus (Mk 10, 46).
Betteln war die damals übliche Art, mit der Blinde ihren Lebensunterhalt bestritten und in Jericho,
wie schon gehört, recht ertragreich.
Jesus zieht also mit seinen Jüngern durch die Stadt und der Blinde merkt, dass etwas
Außergewöhnlicheres als der ‚normale‘ Trubel vor sich geht.
Er wird neugierig. Er fragt nach.
Und bekommt die Information, dass Jesus von Nazareth in die Stadt gekommen ist.
Das weckt in ihm etwas: Sehnsucht, Hoffnung, Erinnerungen, an Erzählungen über diesen Jesus,
Glaube.
Und so fängt er an zu rufen: Jesus! Jesus!!
Er ruft immer lauter: Jesus! Jesus von Nazareth! Erbarme dich meiner!!!
Er lässt sich dabei auch nicht von seinen eher unfreundlichen Mitmenschen abhalten, die ihm
deutlich zu verstehen geben: Jetzt mach hier keinen Aufstand! Halt den Mund! Brüll hier nicht rum!!
Doch er schreit weiter, er brüllt sich fast die Seele aus dem Leib:
Jesus! Erbarme dich meiner!!!
Und das Erstaunliche geschieht: Jesus lässt sich von diesem Geschrei stören. Er bleibt stehen. Ruft
ihn zu sich und fragt ihn, was er möchte.
Das war für Bartimäus ganz schnell klar: Ich will sehen können!!
Und das Wunder geschieht: Jesus spricht: Sei sehend! ... Und sogleich wurde er sehend!
Und Bartimäus springt auf, ist völlig außer sich vor Begeisterung, lobt und preist Gott und folgt
sofort Jesus auf seinem Weg nach.
Ein Leben ist völlig verändert, heil. Der Blinde kann sehen!
Zwei recht ungleiche Texte:
Eine Passionsankündigung an die Jünger – und eine Heilung eines Blinden.
Jünger, die Jesu Worte nicht verstehen, blind sind für seine wahren Absichten – und ein Blinder,
dem das Augenlicht geschenkt wird.
Emotionale Kontraste: eine Heilung, ein Wunder – und eine Leidensankündigung.
Wo ist der gemeinsame Punkt? Warum diese beiden Texte zusammen?
Für mich schimmert eines in beiden Texten durch:
Gott nimmt uns Menschen ernst!!
Gott nimmt uns Menschen ernst!!
Jesus nimmt seine Jünger ernst.
Die Menschen, denen er hier am nächsten stand, mit denen er jahrelang eng zusammen war, mit
denen er immer wieder Wichtiges besprach – diesen Jünger vertraute er auch die auf ihn
zukommenden dunklen Stunden an!
Er verschwieg ihnen nicht, was ihn erwartete.
Er bezog sie ein, auch wenn es nichts Angenehmes war, das er zu sagen hatte.
Jesus nimmt seine Jünger ernst.
Jemanden ernst nehmen, der einem nahe steht, heißt auch, ihn einzubeziehen. Auch in Schweres, in
Dunkles, in Ängste.
Er versucht ihnen zu erklären, warum diese Passion sein musste.
Dass Kreuzigung und Tod am Kreuz ein unverzichtbarer Teil des Heilsplanes Gottes waren und sind.
Keine Vergebung ohne Kreuz. Keine Hoffnung über den Tod hinaus ohne das Kreuz. Keine
Auferstehung ohne Kreuz.
Jesus versucht es den Jüngern zu erklären, stellt Bezüge zum Alten Testament her – und wiederholt
seine Leidensankündigungen mehrmals, auch wenn die Jünger es nicht verstanden.
Aber Jesus nimmt seine Jünger ernst. Er bezieht sie mit ein. Er liebt sie so sehr, dass er sie auch
vor Schwerem nicht verschont. Ein Zeichen für Beziehung!
Und Jesus nimmt auch den blinden Bettler ernst.
Obwohl das Volk begeistert war, sein Erscheinen größeres Aufsehen erregte – Jesus lässt sich vom
Rufen eines blinden Bettlers stören. Er überhört ihn nicht. Er läuft nicht weiter. Er ist nicht peinlich
berührt.
Nein. Jesus bleibt stehen. Er ruft ihn zu sich. Er hört ihm zu. Er spricht mit ihm.
Jesus nimmt den blinden Bettler ernst.
Und das für mich Erstaunlichste:
Er fragt ihn ganz konkret: Was willst du? Was wünscht du dir? Was soll ich für dich tun?
Das beeindruckt mich sehr. Eigentlich scheint diese Frage doch Zeitverschwendung zu sein. Da ruft
ein Blinder – Was soll der sich denn schon anderes wünschen als wieder sehen zu können??
Was willst du, das ich für dich tun soll?
Jesus nimmt sich Zeit. Jesus begegnet Bartimäus ganz persönlich. Was willst du…?
Er drückt ihm nicht irgendetwas aufs Auge. Er fragt ihn. Er nimmt ihn ernst.
Und schließlich erfüllt er ihm seinen Herzenswunsch.
Gott nimmt uns Menschen ernst.
Jesus nimmt seine Jünger ernst und bezieht sie auch in Schweres mit ein. Jesus nimmt den
blinden Bettler ernst und lässt ihn seine Bitte ganz explizit formulieren und aussprechen.
Und Gott nimmt uns ernst. Gott nimmt dich und mich ernst! Auch heute hier in Schweinfurt.
Ich habe am Anfang der Predigt gefragt:
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten – Was würden Sie sich wünschen?
Was ist ihr Herzenswunsch?
Wenn Jesus jetzt vor Ihnen stehen würde und Sie fragen würde:
Was willst du, dass ich für dich tun soll? – Hätten Sie eine Antwort darauf?
Ich glaube, dass es vielen von uns nicht so leicht fallen würde, etwas zu formulieren.
Und: Wenn Sie eine Antwort darauf haben, einen Wunsch, eine Bitte wissen – Haben Sie das
eigentlich schon einmal Gott gesagt??
Habe ich meine Herzenswünsche eigentlich schon vor Gott ausgesprochen?
Oder gehe ich stillschweigend davon aus, dass Gott das eh wissen müsste, was mir wichtig ist?
Wir dürfen unsere Bitten, unsere Herzenswünsche, unsere Sehnsüchte vor Gott bringen.
Er nimmt uns ernst. Er hört!
Ich möchte Sie einladen, dass wir uns noch einmal eine kurze Zeit der Stille nehmen und überlegen:
Wenn Jesus jetzt vor mir steht und mich fragt:
Was willst du, dass ich für dich tun soll? – Was würden Sie ihm antworten?
Und dann sagen Sie es ihm einfach in einem stillen Gebet.
Wir nehmen uns kurz Zeit dafür. Ich schließe dann mit einem Gebet.
Herr Jesus Christus. Du nimmst uns Menschen ernst. Wir sind dir wichtig. Du bist für uns sogar den
Weg ans Kreuz gegangen. Du möchtest Beziehung zu uns und wir dürfen dir sagen, was unsere
Wünsche und Sehnsüchte sind.
Dir vertrauen wir jetzt all das an. Danke, dass du gerne gibst. Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in
Christus Jesus. Amen.