Retrospektive Pier Paolo Pasolini Februar/März 2011

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Retrospektive Pier Paolo Pasolini Februar/März 2011
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Retrospektive
Pier Paolo Pasolini
Februar/März 2011
Filmclub 813 Köln
Filmmuseum Düsseldorf
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Dreharbeiten
zu MEDEA
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Prossimo nostro
Olaf Möller
ier Paolo Pasolini trägt einen schneeweißen Anzug
– Leinen sicherlich –, während er sich seinen Weg
bahnt durch die Massen bräunungslustiger Landsleute
mitten im Ferragosto: Boom-Strandidyll mit volksnah’
gesonnenen Intellektuellen, möcht‘ man das Bild
nennen. Auf seiner Handfläche vor sich her trägt er
ein Mikrophon, groß wie ein Straußenei, geformt wie
ein Riesenkiesel, den die Elemente über Jahrtausende
bearbeitet haben – und dann kam wer und hackte ein
paar schlichte Symmetrien rein; ein merkwürdiger
Gegenstand, der an Pasolini bizarr archaisch wirkt, ein
Instrument der Wahrheitssuche, dem er nicht so recht
trauen will, wie er Alberto Moravia gegenüber ‘mal
durchblicken läßt – vielleicht, setzt er nach, sind es aber
auch die Fragen, die man anders stellen muß… Wie
auch immer: Der Anblick an sich ist schon großartig;
Pasolini hat ein bißchen ‘was von einer Erscheinung,
einem Außerirdischen, wie er da herumstakst und die
Halbnackten nach ihrem Liebesleben befragt, und tatsächlich Antworten
bekommt. Zu sehen in COMIZI D’AMORE (1964), einer inquiesta über
die Liebe und den Eros in den Zeiten des neuen Wohlstands.
So wie dieses Mikrophon, scheint’s, hielt Pasolini Italien in seiner
Hand. Niemand anderes hätte COMIZI D’AMORE machen können:
niemand anderes verkörperte so klar und offenbar, für alle verständlich,
die Widersprüche dieses Landes in jenen Jahre – Pasolini war Italien, da
konnten sich alle Montanellis des Stiefels geballt auf den Kopf stellen,
gegen seine Strahlkraft kamen sie nie an, nie. Denn: Ikone wie Schlüssel
dieser Ära konnte nur ein Meister beständig produktiv miteinander im
Streit liegender – in einer plötzlich frappierend realisierbar erscheinenden
Utopie eines Tages wirklich versöhnbarer – Widersprüche sein, eben einer
wie Pasolini, der Kommunist war und Katholik und Homosexueller,
Autor und Filmemacher und Persönlichkeit des öffentlichen
Lebens, Kommentator seiner Tage und ihrer mores, Skeptiker des
Wirtschaftswunders, Fußballfan, Sehnender. Jeder kannte PPP und hatte
eine Meinung zu seinen Ideen, jeder verhielt sich irgendwie, und sei’s
unbewußt, zu ihnen – jeder fühlte sich angesprochen, verstand, daß es
auch um ihn ging, ob ihm das nun paßte oder nicht.
So war‘s nicht weiter verwunderlich, daß der so findige wie
windige Produzent Gastone Ferrante Pier Paolo Pasolini einlud, einen
Film zu machen aus Materialien jener Wochenschauen, mit denen er sein
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Geld verdiente. LA RABBIA heißt das Werk, ein Essay über den Stand
der modernen Welt – der Ferrante politisch zu prägnant war, weshalb
er Giovanni Guareschi mit einem rechten Gegenstück beauftragte. PPP
realisierte ein wundersattes, zu Zeiten auch etwas wunderliches, auf
lieb linkische Weise bezwingendes AV-Poem für Johannes XXIII., Jurij
Gagarin und Marylin Monroe, damit wider jene Verirrung, als die er
die Gesellschaft seiner Tage empfand – während sich GG einfach mal
so richtig auskotzte über das ganze Gesindel und Sieg Familie Heil
Kultureuropa… Diesen Film in zwei Hälften verlieh Ferrante dann als
Experiment in angewandter Populärpolitik: eine Fragestellung, zwei
Antworten, Perspektiven; sehen wollte das damals kaum wer. Der Film
verschwand lange Zeit, bis vor kurzem wurde, wenn überhaupt, nur
die Pasolini-Hälfte gezeigt, das Guareschi-Stück wurde handgreiflich
fort ignoriert. Was zwar nett gemeint war von der liberaler gesonnenen
Filmgeschichtsschreibung, das Werk aber um ein Gutteil seiner Wirkung
brachte: Pasolinis rabbia versteht man erst so richtig im direkten
Kontakt mit Guareschis wohlgedrechselten Unflätigkeiten; was für sich
genommen ein wenig abgehoben, fast verträumt, ätherisch wirkt, wird
brutal geerdet von dem xeno- wie homophoben Krumengegrummel des
Don Camillo-Schöpfers.
Vielleicht konnte man das damals nicht sehen, vielleicht wollt
man‘s auch einfach nicht. Ordnend blicken zu können ist das Vorrecht
der Nachgeborenen: die Gerechtigkeit ihres Blicks ist eine andere als
die derjenigen, die sich im Augenblick des Werdens eines Werkes damit
beschäftigen müssen und dürfen – deren Vorrecht wiederum ist das des
ersten Gedankens, jener Positionsbestimmung, zu der sich alle folgenden
verhalten werden müssen. Will sagen: Wenn einer der brillantesten
Köpfe der einstigen WDR-Filmredaktion pointiert aperçut, daß unter
allen Meistern des modernen Kinos Pasolini derjenige ist, dessen
Hauptwerke am ursächlichsten gealtert sind, während die Nebenwerke
beständig besser werden, dann ist das innerhalb eines gewissen Rahmens
nicht falsch und eigentlich sogar völlig richtig, letzten Endes dann aber
doch gar nicht der Punkt, um den es geht. MAMMA ROMA (1962) war
ob all der in ihn gelegten Hoffnungen schon vor seiner Uraufführung
überschätzt, während weder EDIPO RE (1967) noch MEDEA (1970)
eigentlich je so gut hätten werden können wie das, was man sich von
ihnen – allein schon der Besetzungen wegen – erwarten durfte oder wollte
(und wenn MAMMA ROMA dieser Tage fast schon wieder ein wenig
minderbeachtet wirkt?: ein Nebenwiderspruch, vielleicht). PORCILE
(1969) und die Trilogie des Lebens – IL DECAMERON (1971) &
I RACCONTI DI CANTERBURY (1972) & IL FIORE DELLE MILLE E
UNA NOTTE (1974) –, hingegen, hatten ihrerzeit nie die Chance, ihrer
spezifischen Art gemäß gelesen zu werden – ersterer als ruhelos-rasender
Brandbrief, dafür war man noch zu nah dran an den Dingen, letztere
als verführerisch strahlendes Tryptichon über das verlorene Paradies
und dessen Fauna, dafür war man noch zu befangen und utopien(sehn)
süchtig (man konnte einfach nicht sehen – Das. Ging. Nicht. –, daß
die ganzen Makel der Filme wesenhafte Teile ihrer Ästhetik waren; die
brachial gezirkelten Zooms und des öfteren doch wenig appetitlichen
Körper gehören hierher wie die Fliegen auf die Äpfel in Stillleben...; das
konnte man so erst [be]greifen, als es zu spät war). Allein IL VANGELO
SECONDO MATTEO (1964), TEOREMA (1968) und SALÒ – IL 120
GIORNATE DI SODOMA (1975) scheinen für die Ewigkeit geschaffen
– jetzt gerade um 16:33 h am 3.1.2011.
Das mag alles stimmen, geht aber, wie gesagt, an dem eigentlich
Entscheidenden des Schaffens vorbei.
Und das ist: Der Gesamtwerksstrom, also jene Bewegung innerhalb
des Schaffens, deren Kraft man nur spürt, wenn einem die Filme alle gleich
wichtig wie lieb wie teuer sind als Produkte eines Lebens, eines Geistes,
eines Menschen, der sich bei allem, was er getan hat, etwas dachte, der
die Projekte und Zufälle zu nehmen wußte, wie sie kamen, der Umstände
in seinem Sinne zu biegen vermochte. Und natürlich nicht nur die Filme!:
auch die Romane und Essays und Gedichte und (Co-)Drehbücher für
Dritte; auch seine wenigen Auftritte als Darsteller in Filmen meist von
Freunden, wie etwa als Partisanenführer in Carlo Lizzanis bestem, IL
GOBBO (1960); auch seine überwältigende Menge an Auftritten im
Fernsehen als Diskussionsteilnehmer, Moderator, Meinungsmacher;
auch… Aber bleiben wir bei den Filmen. Was einen heute an TEOREMA
umhaut, ist dieses Gefühl von Flüchtigkeit: das ist kein Meisterwerk, das
einer hochmütig bis präpotent in die Landschaft gestellt hat, sondern
das Ergebnis eines Experiments, das man machen konnte, weil an dem
Film als solches wenig hing und er dank seiner famosen Besetzung
irgendwie schon sein Budget ‘reinholen würde, wenn nicht dieses Jahr,
dann über die kommenden – ein Terence Stamp, bei dem man weiß,
warum Satan auch Lucifer genannt wird, und eine Silvana Mangano,
der auch das schauderhafteste Make-Up du jour nichts anhaben
kann, werden sich immer rechnen. Und das kann man sehen, diese
Risikobereitschaft, die eigentlich schiere Entdeckungslust ist, getragen
vom Wissen darum, daß man Teil einer Volkskunst ist, die viele Seiten
und Spielarten kennt: Wie die Bilder da stehen, exakt-klar gesehen, ohne
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je unbotmäßig hart erarbeitet daherzukommen; wie die Schauspieler
sich bewegen; wie Tabus gebrochen werden und Wunder geschehen,
ganz unaufgeregt; wie der Film sich Brüche im Rhythmus leistet, bei
denen es selbst härtesten Free Jazz-Apologeten schwumm‘rig werden
könnt‘. Pasolini hat den Film mit derselben leichten Linkshändigkeit
geschaffen wie etwa CHE COSA SONO LE NUVOLE? (1968), seine
Episode für CAPRICCIO ALL’ ITALIANA, eine œuvre-Miszelle, die in
jeden anständigen Pantheon gehört, weil nämlich hier und nur hier Totò
auf Franco & Ciccio trifft, und Domenico Modugno ist auch dabei –
ein Film also quasi mit allem, was das Herz erfreut (obwohl, wenn da
noch Vittorio De Sica bei gewesen wäre… ein anderes mal, in einem
anderen Leben). Man mag das für fast frivol halten, so intellektuell, daß
man dieses Ensemble für eine der größten gesamtkulturellen Leistungen
Pasolinis hält, aber: niemand sonst hat diese Ikonen italienischen
Humors zusammengebracht, nur er – vielleicht, weil niemand anderes
das konnte, weder die Meister der Commedia all‘Italiana: Dino Risi,
Mario Monicelli, Luciano Salce, Pasquale Festa Campanile und Nanni
Loy, noch die Axiome des Unterhaltungshandwerks, denen das Lustspiel
so nah war wie jede andere Genreform, allen voran Giorgio Bianchi,
Camillo Mastrocinque und Domenico Paolella. Pasolini konnte Grenzen
überschreiten – denn darum geht es hier, beim Besetzen von Totò oder
Stamp: um die Überwindung von Grenzen, in denen sich alle anderen
bewegten, weil zu bewegen hatten. Pasolini, hingegen, hatte sich über sie
hinwegzusetzen.
Tabubrüche, die Überwindung kultureller (Selbst)Verpferchungen:
das war die Aufgabe der Figur Pier Paolo Pasolini, die genauso authentisch
war wie eine Kunstfigur, darin Mishima Yukio bestechend ähnlich –
man bedenke z.B., daß er seine ersten Gedichte in der Sprache seiner
Mutter schrieb, die allerdings nicht seine Muttersprache war: Friulan
– das brachte er sich extra bei, auch um sich eine Nähe zu schaffen zu
einer Welt, zu der er nie gehören würde. So pervers es klingt: Pasolini
liebte man, akzeptierte ihn deswegen aber nicht unbedingt, und er
wußte darum, wie seine Werke wieder und wieder zeigten. Wenige Tage
nur nach Pasolinis Ermordung, aus einem Impuls heraus, drehte der
junge Paolo Benvenuti eine kurze Dokumentation namens PASOLINI,
MORTE DI UN POETA (1975), für die er Leute aus seiner Umgebung
über ihre Meinung zu diesem damals wohl weltweit bekanntesten
italienischen Künstler befragte; die Antworten, die er bekam, waren
erschreckend: die rote Schwuchtel hat doch bloß das gekriegt, was sie
verdiente, sagen so oder so ähnlich bedrückend viele… Pasolini war
das Risiko, das zum Boom, zum Wohlstand, zum Anschluß an die Konsumentenmoderne gehörte; Risiko in dem Sinne, daß stets klar war, daß
ein sich allen Funktionalisierungsversuchen widersetzender Rest bleiben,
– kapitalistisch gesehen: natürlich – so etwas wie ein Mehrwert geschöpft
werden würde – die widerständischen Energien seines Werk(en)s,
also all das, was man nicht verschubladen und wegdiskurseln konnte,
kann: der Wille zur Freiheit eines Einzelnen. Daß er mit seiner Analyse
Italiens, überhaupt der westlichen Industriewelt, Recht behalten sollte
– wieder und wieder warnte er vor dem Fortschritt ohne Entwicklung,
den wir dieser Tage nicht bekämpfen –, läßt einen, denkt man über ihn
nach, zurück mit einem Mund voll Asche, bildlich gesprochen, konkret
tief empfunden.
Ein letztes Bild, aus Vanni Ronsisvalles Fernsehfeature UN’ORA
CON EZRA POUND (1967/68). Pasolini sitzt da mit Pound in dessen
Wohnung, der alte Gott der modernen Lyrik knarzt kurze Sentenzen zu
Den Dingen zwischen seinen Zähnen hervor, manchmal, so wie einer,
der sich schon im Jenseits wähnt und wundert, warum‘s denn jetzt
nicht endlich weiter geht, während Pasolini aus dessen Werken vorliest,
lebhaft, beseelt, neugierig, ein Buch auf den Knien, ihn dann dazu befragt
oder das Vorgetragene kommentiert. Pounds steife Starre beherrscht den
Augenblick, Pasolini versucht emsig, klug, gewandt, darin schön wie es
allein Menschen von Geist sein können, die Seele des alten Herren noch
einmal zu erwecken.
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Die Filme
Dreharbeiten
zu EDIPO RE
ACCATTONE
ACCATTONE – WER NIE
SEIN BROT MIT TRÄNEN ASS
◆
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I 1961, s/w, dF, 115 Min.
Buch & Regie Pier Paolo Pasolini
Kamera Tonino Delli Colli
Musik Johann Sebastian Bach
Regie-Assistenz Bernardo Bertolucci, Leopoldo Savona
Darsteller Franco Citti, Franca Pasut, Silvana Corsini,
Paola Guidi, Adriana Asti, Romulo Orazi,
Silvio Citti, Sergio Citti, Elsa Durante
◆
»Ich wollte Ausschau halten nach dem, was in der Seele eines
Subproletariers der römischen Peripherie vor sich geht (ich betone, daß
dieser Fall keine Ausnahme ist, sondern vielmehr die Regel, zumindest
in einem Großteil Italiens): und ich habe darin alle alten Krankheiten
wiedergesehen (aber auch alles Schöne des Lebens). Was ich fand, war
dies: sein materielles und moralisches Elend, seine bissige und unnütze
Ironie, seine ihn treibende, an ihm nagende Furcht, seine offen zur Schau
getragene Faulheit, seine Sinnlichkeit ohne Ideale; und zu all dem kommt
der atavistische, abergläubische Katholizismus eines Heiden. Deshalb
träumt er von seinem Tod und davon, ins Paradies zu kommen. Deshalb
kann auch nur der Tod als Akt der Erlösung fungieren. Es gibt keine
andere Lösung für den Subproletarier, wie es auch für viele andere in
einer entsprechenden Situation keine gibt.«
Pasolini
»Mit ACCATTONE beschreibt der 39-jährige Dichter Pasolini die Welt,
die bislang seine Romane und Gedichte beschworen, erstmals mit und in
der Sprache des Films: die Randzonen der Stadt, wo Landschaft, Baracken
und urbaner Auswurf sich zur tristen Wüste vermengen, ›den Mut, den
Schmerz und die Unschuld der Armen‹, denen Pasolinis leidenschaftliche
Liebe, sein Mitgefühl und seine nachgerade mythische Kommunion
zeitlebens galt. ACCATTONE, gefilmt in kargem, brutalem Verismus,
scheint äußerlich der Tradition des halbdokumentarischen italienischen
Nachkriegsfilms verpflichtet. Die Episodenstruktur des Neorealismus
aber verwandelt Pasolini in die hermetische Geschlossenheit der
Tragödie. Die an Masaccios Schlichtheit orientierte Monumentalität
der Bilder, die Traumsequenz und die Verwendung von Bachs Musik
unterstreichen Pasolinis Intentionen, die Fabel des kleinen römischen
Zuhälters Accattone als Passionsgeschichte mit den Mitteln des Kinos
der Poesie zu erzählen.«
Harry Tomicek / Österreichisches Filmmuseum (2009)
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»In MAMMA ROMA entwickelt sich langsam, stufenweise eine
moralische Problematik auf genau die primitive und direkte Art, die
Mamma Roma selbst zu eigen ist. Am Anfang steht sozusagen ihre
›Todesangst‹, ihre Fröhlichkeit, ihr sorglos In-den-Tag-hinein-Leben
(Züge, die sie mit Accattone gemein hat)…gleichzeitig ist jedoch schon
ein Element von unserer bürgerlichen Welt in ihr, ein kleinbürgerliches
Ideal. Daß sie dem Sohn von der neuen Wohnung erzählt, daß sie ihm
vorzuschreiben versucht, mit welchen Freunden er sich in Zukunft zu
treffen, wie er sich zu verhalten hat und dergleichen, ist der – wenn auch
sehr primitive und chaotische – Versuch, sich dem Leben anzupassen,
das für sie das wahre ist: eine heile Welt, eine kleinbürgerliche Moral,
die Idee des kleinbürgerlichen Wohlstandes. Mit dieser Ideologie
ausgerüstet, stürzt sie sich mit ihrem Sohn in ein neues Leben und endet
im Chaos, denn die Konfrontation der kleinbürgerlichen Ideologie mit
ihren Lebenserfahrungen als Nutte kann nur im Chaos enden. Damit
beginnt die Verwirrung, beginnen die Hoffnungen zu bröckeln, beginnt
das Scheitern ihres neuen Lebens mit ihrem Sohn.«
Pasolini
MAMMA
ROMA
◆
I 1962, s/w, dF, 106 Min.
Buch & Regie Pier Paolo Pasolini
Kamera Tonino Delli Colli
Musik Antonio Vivaldi
Darsteller Anna Magnani, Ettore Garofolo, Franco Citti,
Silvana Corsini, Luisa Orioli, Paolo Valponi, Luciano Gonini,
Vittorio La Paglia
◆
»Pasolinis Anteilnahme für das andere Italien, die Ausgebeuteten und das
geschichtslose römische Vorstadt-Proletariat, entfaltet sich am reinsten
im Realismus seiner ersten beiden Filme. Mit der Geschichte vom Versuch
einer Prostituierten, ihrem Sohn ein Leben auf dem nächst höheren
sozialen Milieu zu ebnen, zeigt der Marxist Pasolini skeptisch-liebevoll
die ›Zweideutigkeit subproletarischen Lebens mit kleinbürgerlichem
Überbau‹: das verschwimmende Selbstbewußtsein einer Klasse, auf
deren vorgeblichen Elan die Ideologie der Revolution noch stur ihre
Karte setzt. Die Kamera bleibt frontal auf die Akteure gerichtet oder
vollführt suggestiv gleitende Fahrten durch die römische Nacht. Wie in
ACCATTONE ist Pasolinis Realismus durchsetzt mit Zitaten historischer
Ikonografie wie etwa Mantegnas Tafelbild Christo morto, dessen kühne
Körperverkürzung in der Gefängnissequenz provozierend auf den
festgeschnallten jugendlichen Helden übertragen wird.«
Harry Tomicek / Österreichisches Filmmuseum (2009)
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LA RICOTTA
DER WEICHKÄSE
◆
I 1962, Farbe und s/w, OmU, 35 Min.
Buch & Regie Pier Paolo Pasolini
Kamera Tonino Delli Colli
Musik Carlo Rustichelli
Darsteller Orson Welles, Mario Cipriani, Laura Betti,
Edmonda Aldini, Vittorio La Paglia, Ettore Garofolo,
Maria Bernardini, Tomas Milian, Franca Pasut,
Rossana Di Rocco
◆
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»Man kann LA RICOTTA auch als Collage betrachten. Die
malerischen Passagen des Films sind Zitate, die eine ganz
präzise Funktion haben: Zitate der beiden manieristischen
Maler Rosso Fiorentino und Pontormo. Ich habe ihre
Bilder bis ins Detail nachgestellt. Nicht weil sie meiner Sicht
entsprechen oder weil ich sie liebe – um meine Darstellung
in der Ich-Form geht es nicht –, sondern einfach, um den
inneren Zustand des Protagonisten, eines Regisseurs, der
einen Film über die Passion konzipiert, zu veranschaulichen.
Diese Konzeption ist das genaue Gegenteil von der, mit der
ich damals IL VANGELO gemacht habe. Die Zitate haben
außerdem etwas Exorzistisches: es sind Rekonstruktionen
von äußerster Genauigkeit, Raffinesse und Formalität:
gerade das, was ich in IL VANGELO nicht machen wollte,
und was ich daher auf polemische Art der Figur des
Regisseurs unterschoben habe. Nicht, daß ich was gegen
Regisseure von Bibel-Verfilmungen hätte, es handelt sich
nicht um eine Polemik gegen den schlechten Geschmack,
sondern um eine gegen ein Übermaß an gutem.«
Pasolini
»Ich bin
eine Kraft
der Vergangenheit,
nur in der Tradition
liegt meine Liebe.
Ich komme von den Ruinen,
von den Flügelaltären der Kirche,
von den verlassenen Dörfern des
Appenin,von den Vorgebirgen der Alpen,
wo die Brüder einst lebten.
Wie ein Narr irre ich über die Tuscolana,
die Via Appia, wie ein Hund ohne Herr –
über die schaurige Dämmerung
im Morgen über Rom, über der Toccerinia,
über der Welt, durch die ersten Szenen der
Nachgeschichte,deren Zeuge ich bin,
dank dem Datum meiner Geburt,
am äußeren Rand einer Zeit,
die begraben ist.«
Pier Paolo Pasolini /
LA RICOTTA
»In einem versteppten, hügeligen Landstrich zwischen der alten
und neuen Via Appia in der Romagna, unweit der Katakomben der
Urchristen, hat Pasolini ein Ensemble von Figuren versammelt, die es
ihm erlauben, in einer komplexen Form vielfältigster Kontraste und
Beziehungen, auf engstem Raum und in kurzer Zeit, ein Universum
satirischer Kritik, sarkastischen Humors und ästhetisch-politischer
Reflexion zu entwickeln, dessen Dichte einmalig blieb in seinem gesamten
Werk. Ohne einen großen technischen Sprung nach vorn, ohne die
Erweiterung seiner filmästhetischen Mittel – deren synthetische Montage
LA RICOTTA in die Nähe der experimentellen Filme Jean-Luc Godards
bringt – wäre das unmöglich gewesen. LA RICOTTA ist eine Reflexion
cinematografischer Mittel, der Ästhetik(en) des Films, eingeschrieben
in und entfaltet an einer radikalen Kritik seiner Ideologie und seiner
ökonomischen Abhängigkeiten. – LA RICOTTA ist eine Episode des
Films ›RoGoPag‹, dessen andere Episoden von Roberto Rossellini, JeanLuc Godard und Ugo Gregoretti gedreht wurden.«
Wolfram Schütte (1983)
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LA RABBIA
COMIZI
D‘AMORE
DER ZORN
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DAS GASTMAHL DER LIEBE
I 1963, s/w, OmU, 53 Min.
Buch & Regie Pier Paolo Pasolini
Regie-Assistenz Carlo Di Carlo
Kamera anonym
(es wurde ausschließlich Archivmaterial verwendet)
Kommentar gesprochen von
Giorgio Bassani (Lyrik) und Renato Guttuso (Prosa)
Musikzusammenstellung
Pier Paolo Pasolini
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◆
◆
»LA RABBIA ist ein seltsamer Film, weil er vollständig aus Dokumentarmaterial besteht […]. Hauptsächlich sind es Stücke aus Wochenschauen,
deshalb ist das Material fürchterlich banal und völlig reaktionär. Ich
habe ein paar Sequenzen aus Wochenschauen der späten fünfziger Jahre
ausgewählt und habe sie auf meine Art zusammengefügt – sie haben
hauptsächlich mit dem Algerienkrieg, dem Papst Johannes XXIII. zu
tun; und es gibt ein paar kleine Episoden, wie die Rückkehr italienischer
Kriegsgefangener aus Rußland. Mein Kriterium war sozusagen, die
Gesellschaft meiner Zeit und was in ihr passierte von einem marxistischen
Standpunkt aus anzuklagen. Eine Sonderbarkeit des Films war sein
Kommentar in Versen. Ich habe ein bißchen Poesie nur dafür geschrieben.«
Pasolini
»LA RABBIA: ein Montage-Film, ein politischer Film-Essay, ein poetischer Film. Besser gesagt, ein poetischer Text, ausgedrückt durch Bilder,
mit der ›Wut im Bauch‹. Der Wut oder dem Zorn Pasolinis. Seinem
Zorn. Gegen die bürgerliche Welt, gegen Barbarei, gegen Intoleranz,
gegen Vorurteile, die Banalität. Gegen die Macht, die ihn damals (er war
noch nicht der Pasolini von später) besonders verfolgte. Gegen. Gegen.
Gegen. Denn LA RABBIA war wirklich ein Gegen-Film, er nahm in
vieler Hinsicht spätere Entwicklungen vorweg. […]
Ein außerordentliches Dokument […], das implizit ein weiteres Mal die
Autonomie der Schöpfung, der Poesie, der Kultur bewies.«
Carlo Di Carlo (1979)
I 1963, s/w, OmU, 90 Min.
Buch & Regie Pier Paolo Pasolini
Kamera Mario Bernardo, Tonino Delli Colli
Kommentar gesprochen von Lello Bersani und
Pier Paolo Pasolini
Teilnehmer Pier Paolo Pasolini, Alberto Moravia,
Cesare Musatti, Giuseppe Ungaretti, Susanna Pasolini,
Camilla Cederna, Adele Cambria, Oriana Fallaci,
Antonella Lualdi, Graziella Granata
◆
»COMIZI D’AMORE ist ein Interview-Film, der sich mit dem Verhältnis
der Italiener zur Sexualität beschäftigt. Pasolini ist kein steriler
Meinungssammler, seine Gegenwart schenkt dem Film Forscherlust und
abenteuerliches Sich-Einlassen auf die Realität. Die Gespräche kreisen
um Sexualität als Ehre, Ware, Pflicht, Perversion, Tabu, Passion und
Nationalsport der Männer. Zu Wort in diesem Dossier der Sprache
und des Sprechens (das allen Regionen, Milieus und Klassen Italiens
gilt) kommen vitelloni, Intellektuelle, Bäuerinnen und Prostituierte,
prominente Autoren und namenlose Arbeiter, Pasolini deckt Vorurteile
und Gemeinplätze auf, gibt sich als spontaner Dokumentarist dem
Augenblick hin und gewährt Einblick in das Zustandekommen des
Films. Trotz Beharrlichkeit und provozierender Fragen ist COMIZI
D’AMORE das vielleicht schönste Beispiel für Sympathie, mit der er
Menschen begegnete.«
Harry Tomicek / Österreichisches Filmmuseum (2009)
19
SOPRALUOGHI IN PALESTINA
(PER »IL VANGELO
SECONDO MATTEO«)
MOTIVSUCHE IN PALÄSTINA
(FÜR »DAS ERSTE EVANGELIUM
– MATTHÄUS«)
◆
20
I/F 1964, s/w, OmU, 52 Min.
Buch & Regie Pier Paolo Pasolini
Kamera Aldo Pennelli
Musik Johann Sebastian Bach
Sprecher Pier Paolo Pasolini, Don Andrea Carraro
◆
»Bevor Pasolini sich dazu entschloß, eine ideale Geographie der
historischen Orte zu rekonstruieren, um die Wirklichkeit und die
menschliche Dimension Christi wieder aufzuspüren, begab er sich nach
Israel, um die notwendigen historischen Untersuchungen anzustellen.
Dies ist ein Rechenschaftsbericht, geschrieben mit der Kamera, Tag für
Tag, nach einem festgelegten Reiseablauf, der an die Orte des Evangeliums
führte: an den See Genezareth, den Jordan, nach Damaskus, Bethlehem
und Jerusalem.«
Robert Schär (1976)
»Als Erbe laß
ich mein Bild
Auf dem Gewissen
der Reichen.
Leer der Blick, das Gewand,
das noch riecht nach meinem
gewöhnlichen Schweiß.
Keine Angst hatte ich,
bei den Deutschen
meine Jugend zu lassen.
Es lebe der Mut, der Schmerz,
es lebe die Unschuld der Armen!
Lassi in reditàt la me imàdin
ta la cosientha dai siòrs.
I vuòiti, I àbith ch’a nasin
dei me tamari sudòurs.
Coi todescs no ài vut timòur
de lassà la me dovenetha.
Viva el coragiu, el dolòur
e la nothentha dei puarèth!«
Letzte Strophe aus Corans Testament,
verfaßt in friulischer Sprache, hier als
Ausnahme nicht im Dialekt Casarsas,
sondern in dem von Bannia,
aus dem Gedichtband
La meglio gioventù
(Die bessere Jugend),
1954.
22
IL VANGELO
SECONDO
MATTEO
DAS ERSTE EVANGELIUM –
MATTHÄUS
◆
I/F 1964, s/w, dF, 136 Min.
Buch & Regie Pier Paolo Pasolini
Kamera Tonino Delli Colli
Musik Johann Sebastian Bach, Wolfgang Amadeus Mozart,
Sergej Prokofjev, Anton Webern, Luis Bacalov
Darsteller Enrique Irazoqui, Margherita Caruso,
Susanna Pasolini, Marcello Morante, Mario Socrate, Settimo
Di Porto, Giorgio Agamben, Natalia Ginzburg, Ninetto Davoli,
Rodolfo Wilcock, Alessandro Clerici, Enzo Siciliano
◆
»Zum großen Erstaunen derer, die mich wegen Diffamierung der
Religion verurteilt hatten, drehte ich IL VANGELO. Der Film war ein
realer Dialog, eine Beziehung zwischen einem Kommunisten (wenn
auch ohne Parteibuch) und den progressivsten Teilen des italienischen
Katholizismus. Vom religiösen Standpunkt aus möchte ich, der ich
immer versucht habe, die Eigenschaften der Religiosität mit meinem
Laizismus zu verbinden, zwei ganz naiv ontologische Tatsachen
festhalten: die Menschlichkeit Christi entspringt einer dermaßen starken
inneren Kraft, einem dermaßen unstillbaren Hunger nach Wissen und
Verifizierung des Wissens – und zwar ohne jegliche Angst vor Skandalen
oder Widersprüchen –, daß für diese Menschlichkeit die Metapher
›göttlich‹ schon an die Grenze der Metaphorik stößt, sie selbst wird
ideell zur Wirklichkeit. Mehr noch: für mich ist die Schönheit immer
eine ›moralische‹. Sie erreicht uns jedoch immer nur mittelbar: über die
Poesie oder die Philosophie oder die Praxis: das einzige Beispiel einer
nicht vermittelten ›moralischen Schönheit‹, einer Schönheit im Zustand
der Reinheit, habe ich in IL VANGELO gefunden.«
Pasolini
»Der Marxist Pasolini filmt das Matthäus-Evangelium als gälte es,
einen neorealistischen Film über den Mezzogiorno mit den Taglöhnern
Kalabriens und Lukaniens zu drehen. Die Passion erscheint präsent wie
eine vom Cinéma vérité belauschte Situation, die Wunder werden mit
der Alltagsnüchternheit Rossellinis gezeigt, und den Predigten eignet die
intellektuelle Kühle, mit der Sprache in Bressons Filmen behandelt wird.
Pasolini unterschlägt weder den sozial-revolutionären noch den religiösen
Gehalt des Evangeliums, in den kühnen Fluß der Montage ordnen sich
Verweise auf Duccio und Piero della Francesca mühelos ein.«
Harry Tomicek / Österreichisches Filmmuseum (2009)
»Es ist der Film eines Besessenen – nicht eines Gläubigen –, eines von
seiner ästhetischen Vision Beherrschten. Pasolinis Passion ist nicht der
Glaube, sondern der Mythos – die Sehnsucht der großen Romanciers
–, die Einheit von Ich und Welt, die sich ihm in der Gestalt Jesu im
Matthäus-Evangelium erschließt. Sein Jesus ist der Landstörzer, der
Wanderprediger, der heimliche Propagandist, der Erwecker und
Aufwiegler, der das Schwert bringt – sei es nun eine Aufwiegelung zum
ewigen Leben oder zu dem auf dieser wüsten Erde.«
Peter W. Jansen (1965)
23
UCCELACCI E
UCCELLINI
GROSSE VÖGEL –
KLEINE VÖGEL
◆
24
I 1966, s/w, dF, 86 Min.
Buch & Regie Pier Paolo Pasolini
Kamera Tonino Delli Colli, Mario Bernardo
Musik Ennio Morricone
Darsteller Totò, Ninetto Davoli, Femi Benussi,
Rossana Di Rocco, Lena Lin Solaro, Rosina Morini,
Renato Capogna, Pietro Davoli, Gabriele Baldini, Riccardo Redi
◆
»Ich habe nie einen entwaffnenderen, fragileren und delikateren Film
›zur Welt gebracht‹ als UCCELLACCI E UCCELLINI (GROSSE VÖGEL
– KLEINE VÖGEL). Er gleicht weder einem meiner vorangegangenen
Filme noch sonst irgendeinem Film. Ich meine das nicht in Bezug auf
die Originalität – das wäre dumm und arrogant –, sondern bezüglich
seiner Formel, der Fabel mit verstecktem Sinn. Es ist eine Erzählung, in
der – wie in allen Erzählungen – die Helden eine Reihe von Prüfungen
zu bestehen haben. Nur werden sie im Unterschied zu den üblichen
Fabeln nicht belohnt: sie bekommen weder ein Königreich noch eine
Prinzessin. Es gibt für sie nur immer weitere Prüfungen, die zu bestehen
sind. Keine Fabel endet so. Von der Umgebung und den Figuren her ist
es eine pikareske Erzählung: die Erfahrung zweier armer Gestalten auf
der Straße. […]
Totò und Ninetto stehen stellvertretend für die unschuldigen Italiener,
die uns umgeben, die an der Entwicklung der Geschichte nicht beteiligt
sind, die langsam beginnen, ihr Bewußtsein zu entwickeln: das geschieht,
als sie dem Marxismus in Gestalt des Raben begegnen. Togliattis Tod
symbolisiert diese Veränderung. Eine historische Epoche, die der
Resistenza, die der großen Hoffnungen auf den Kommunismus, die des
Klassenkampfes, ist zu Ende. Die beiden Protagonisten inszenieren einen
Akt des Kannibalismus, etwas, das von den Katholiken Kommunion
genannt wird: sie essen den Körper Togliattis (oder der Marxisten) und
assimilieren ihn: nachdem sie das getan haben, ziehen sie ihres Weges,
man weiß zwar nicht, wohin dieser Weg führt, aber klar ist, daß sie den
Marxismus assimiliert haben.«
Pasolini
»Zwei Männer, Vater und Sohn, sind unterwegs. Wohin, bleibt unklar.
Sie werden begleitet von einem sprechenden Raben, der ihnen die
Welt erklärt, der doziert, bis sie ihn kurzerhand verspeisen und alleine
weiterziehen. Der Stil der Inszenierung und Montage ist ein Kompendium
filmsprachlicher Möglichkeiten von Eisenstein über den Neorealismus
bis zur Nouvelle Vague, denn die ästhetischen Revolutionen sind die
einzigen, die wirklich stattfanden.«
Bernd Kiefer (2002)
25
»EDIPO RE ist nur zum Teil ein Film der Antike. Sowohl Prolog als auch
Epilog sind modern. Der Prolog stellt die Kindheit eines Jungen dar –
und jeder von uns könnte das sein –, der den gesamten Ödipus-Mythos
träumt, wie ihn Sophokles erzählt hat, durchsetzt, wohlgemerkt, mit
freudianischen Elementen. Am Ende ist der Junge alt und blind und ein
bißchen das, was Teresias zu seiner Zeit war, d.h. eine Art Prophet. […]
In seinem zweiten Teil präsentiert sich EDIPO RE als großer Traum
vom Mythos, der mit dem Aufwachen endet, mit der Rückkehr zur
Realität. Der dritte Teil handelt von der Sublimierung, wie Freud sie
verstanden hat. Die Variante des Mythos besteht darin, daß Ödipus sich
in Teresias wiederfindet: er hat sich sublimiert, wie ein Dichter das tut,
ein Prophet, ein außergewöhnlicher Mensch. Indem er sich als ein Akt
der Selbstbestrafung, blendet, also eine Form der Reinigung durchläuft,
wird er ins Reich der Helden oder der Poesie aufgenommen.«
Pasolini
26
EDIPO RE
EDIPO RE – BETT DER GEWALT
◆
I/Marokko 1967, Farbe, dF, 104 Min.
Regie Pier Paolo Pasolini
Buch Pier Paolo Pasolini, nach Oedipus Rex und
Oedipus auf Kolonos von Sophokles
Kamera Giuseppe Ruzzolini
Musik Wolfgang Amadeus Mozart, rumänische,
russische und japanische Volksmusik
Darsteller Silvana Mangano, Franco Citti, Alida Valli,
Carmelo Bene, Julian Beck, Pier Paolo Pasolini, Ninetto Davoli,
Jean-Claude Biette, Luciano Bartoli
◆
»Wenn dieser dreigeteilte Film (zugleich Pasolinis erster Farbfilm), dessen
mittlerer mythologischer Teil der gewaltigste und schönste ist, wie ein
Stück Autobiographie im Italien der zwanziger Jahre beginnt und in dem
der sechziger endet, dann wird in der Verknüpfung von Urgeschichte und
Neuzeit die noch andauernde blinde Verfallenheit an die Irrationalität,
an die Gewalt und Kraft überlieferter Mythen angesprochen. […]
EDIPO RE – entstanden 1967 zwischen GROSSE VÖGEL – KLEINE
VÖGEL und TEOREMA, aber eher anknüpfend an DAS ERSTE
EVANGELIUM – MATTHÄUS – ist Pasolinis poetische Auseinandersetzung mit dem Mythos, mit Jung, Freud und dem kollektiven
Unbewußten, ein Film darüber, was das Kollektivwesen Mensch in
selbstverschuldeter Unmündigkeit gefangenhält. Er fordert auf zur
Erkenntnis seiner selbst und der Wirklichkeit, wie es der blinde, greise
›Seher‹ Teiresias (Julian Beck) verkündet, der die Dinge und Verhältnisse
durchschaut, nicht mehr geblendet durch irgendeine äußere Realität:
›Lerne zu sehen und zu hören, dann wirst du erkennen.‹ […]
Ein aufklärerischer und zugleich komplizierter, ein dialektischer und
metaphorischer Film.«
Rudolf Steinbeck (1969)
27
TEOREMA
TEOREMA – GEOMETRIE
DER LIEBE
◆
I 1968, s/w und Farbe, dF, 98 Min.
Buch & Regie Pier Paolo Pasolini
Kamera Giuseppe Ruzzolini
Musik Wolfgang Amadeus Mozart, Ted Cursen,
Ennio Morricone
Darsteller Terence Stamp, Silvana Mangano, Massimo Girotti,
Anne Wiazemsky, Laura Betty, Andrès José Soublette Cruz,
Ninetto Davoli, Alfonso Gatto, Susanna Pasolini, Luigi Berbini
28
Werkes von konzentrierter Formstrenge. TEOREMA ist ein narrativer
Essay über den Verfall des Bürgertums, über sein Ende, ohne daß es von
der Revolution hinweggefegt wird. Ein Gast, ein schöner junger Mann,
kommt in eine Industriellenfamilie, vielleicht als Gott, als Engel oder nur
als sexuelle Versuchung. Alle verfallen ihm, doch nur die Hausangestellte
wird durch den Kontakt mit ihm wirklich transformiert und zur Heiligen.
Die Bourgeoisie regrediert. Will sie sich verändern, so führt ihr Weg –
symbolisch – durch die Wüste der Läuterung. TEOREMA wurde von
den Linken und den Rechten heftig kritisiert, von der katholischen Kirche
ausgezeichnet und vom Staat wegen Blasphemie verboten. Pasolini selbst
befand sich im Zwiespalt. Die Achtundsechziger-Bewegung lehnte er
ab, weil er in ihr den Machtanspruch eines jungen und hedonistischen
Bürgertums artikuliert sah; den Staat, den die Jugend angriff, lehnte er
ab, weil er – wie er es sah – den Hedonismus und Konsumismus zu einer
neuen Form des Faschismus formte.«
Bernd Kiefer (2002)
◆
»Wie der Name schon sagt, fußt TEOREMA auf einer Hypothese, deren
Beweis mathematisch ad absurdum geführt wird. Ich gehe von folgendem
aus: wenn ein junger Gott, Dionysos oder Jehovah, eine bürgerliche
Familie besuchen würde, was würde dann passieren? Ich beginne also mit
einer einfachen Hypothese. Dieser Besuch sprengt alles, was die Bürger
über sich selbst wissen, in die Luft, dieser Gast ist gekommen, um zu
zerstören. Die Authentizität, um einen alten Ausdruck zu gebrauchen,
zerstört die Inauthentizität. Nachdem der Gast aber gegangen ist, findet
sich jeder mit dem Bewußtsein seiner Inauthentizität wieder, ja, mehr
noch: mit der Unfähigkeit, authentisch zu sein, oder es je, wegen seiner
historischen und klassenspezifischen Unmöglichkeit, werden zu können.
Für die Empörung und den Zorn gegen die klassische Bourgeoisie, so
wie man sie bisher verstanden hat, gibt es ab dem Moment, in dem die
Bourgeoisie sich selbst zu revolutionieren beginnt, keinen Grund mehr,
d.h., ab dem Moment, in dem sie Mensch und Kleinbürger gleichsetzt.
Inzwischen ist die gesamte Menschheit dabei, kleinbürgerlich zu werden.«
Pasolini
»Daß die Geschichte im Endspiel der Bourgeoisie zur Farce wird, daß
nur noch Charaktermasken agieren, nicht mehr Menschen, das ist der
Tenor des Films TEOREMA – GEOMETRIE DER LIEBE (1968), eines
APPUNTI di viaggio
PER UN FILM SULL’ INDIA
NOTIZEN FÜR EINEN FILM
ÜBER INDIEN
◆
I 1968, s/w, OmU, 25 Min.
Buch & Regie Pier Paolo Pasolini
Kamera Federico Zanni, Roberto Nappa, Pier Paolo Pasolini
◆
Ein Reisetagebuch, die Schilderung des Versuchs, einen Film nach
einer Legende aus der indischen Mythenwelt zu drehen: die Geschichte
eines Maharadschas, der seinen Körper den vom Hungertod bedrohten
Tigerjungen hingibt. Pasolini interviewt repräsentative Personen aus den
verschiedenen gesellschaftlichen Gruppierungen.
29
PORCILE
Giftigkeit einem das Lachen vergeht. Pasolini, so könnte man vermuten,
hat erkannt, daß in unserer schön ›aufgeklärten‹ Welt, wo selbst der
Inzest die Glorie der Verruchtheit ziemlich eingebüßt hat, nur noch zwei
Akte wahrhaft skandalös, heilig-verflucht und also mythenträchtig sind:
Sodomie, so sie mit einem gewissen feierlichen Ernst vollzogen wird, und
Kannibalismus. Davon handelt PORCILE und wohl auch die kommende
MEDEA. […] Pasolini hat in den letzten Jahren eine sehr komplexe, sich
nun schon in ihrer Systematik abkapselnde Filmtheorie entworfen, eine
Semantik der ›Kamerasprache‹, die sich zugleich auf Strukturalismus,
Informationstheorie und die Darstellungsmuster von Giotto, Bellini,
Mantegna beruft. PORCILE – im Stil noch kühler, artifizieller als
TEOREMA – ist ein neuer Versuch, diese Theorie konsequent zu
realisieren und dabei simultan zwei Geschichten zu erzählen, die sich erst
im Bewußtsein des Zuschauers entschlüsseln und zusammenschließen.«
DER SCHWEINESTALL
◆
I/F 1969, Farbe, OmU, 98 Min.
Buch & Regie Pier Paolo Pasolini
Kamera Armando Nannuzi, Tonino Delli Colli,
Giuseppe Ruzzolini
Musik Benedetto Ghiglia
Darsteller Pierre Clémenti, Jean-Pierre Léaud, Alberto Lionello,
Franco Citti, Anne Wiazemsky, Ugo Tognazzi, Marco Ferreri,
Ninetto Davoli, Margherita Lozano
Urs Jenny (1969)
◆
30
»Das Grauen durchleuchten. Ein Petrarca-Sonett über ein Thema von
Lautréamont. Ein grausamer und sanfter Film. Der explizite politische
Inhalt des Films hat, als historische Situation, Deutschland zum
Gegenstand. Aber PORCILE handelt nicht von Deutschland, sondern
vom zweideutigen Verhältnis zwischen altem und neuem Kapitalismus.
Deutschland wurde in seiner Eigenschaft als Extremfall gewählt. Der
implizite politische Inhalt des Films ist dagegen der verzweifelte Verlust des
Vertrauens in jede Gesellschaft, in die Geschichte: also ein anarchistischapokalyptischer. Da der Sinn des Films so grausam und schrecklich ist,
konnte ich ihn nur a) mit fast kontemplativem Abstand, b) mit Humor
abhandeln. […] Die vereinfachte Botschaft des Films ist folgende: die
Gesellschaft, jede Gesellschaft, frißt sowohl ihre ungehorsamen Kinder,
als auch die Kinder, die weder gehorchen noch nicht gehorchen. Die
Kinder haben zu folgen und damit basta. Es sind zwei Geschichten,
die sich abwechseln, verschiedene, sehr weit voneinander entfernte
Geschichten, die nur einen gemeinsamen Berührungspunkt haben, in
dem sie sich überlagern und vereinen.«
Pasolini
»Eine Attacke auf unsere Konsumgesellschaft in abgründigen
Gleichnissen: Wieder einmal ist sein neuester Film sein irritierendster,
grimmigster, bösester, auch verzweiflungsvollster. In PORCILE entwickelt sich eine für Pasolini neue, fratzenhafte Komik, über deren
APPUNTI PER UN’ ORESTIADE
AFRICANA
NOTIZEN FÜR EINE
AFRIKANISCHE ORESTIE
◆
I 1969, s/w, OmU, 63 Min.
Buch & Regie Pier Paolo Pasolini
Kamera Giorgio Pelloni, Mario Bagnato, Emore Galeassi,
Pier Paolo Pasolini
Musik Gato Barbieri
◆
»Der Versuch einer Transposition der Orestie des Aischylos in das
moderne Afrika. Auf der Suche nach möglichen Drehorten und Figuren
führte Pasolini ein filmisches Notizbuch. Was ihn bewegt, die Orestie ins
moderne Afrika zu verlegen, sind Parallelen zwischen der antiken Sage
und dem Schicksal Afrikas.«
Robert Schär (1976)
31
MEDEA
◆
I/F/BRD 1969, Farbe, dF, 111 Min.
Regie Pier Paolo Pasolini
Buch Pier Paolo Pasolini, nach der Tragödie Medea
von Euripides
Kamera Ennio Guarnieri
Musik zusammengestellt von Pier Paolo Pasolini,
Che Ringrazia, Elsa Morante
Darsteller Maria Callas, Laurent Terzieff, Giuseppe Gentile,
Massimo Girotti, Margareth Clémenti, Anna Maria Chio,
Ninetto Davoli, Sergio Tramonti
◆
32
»MEDEA ist die etwas monströse Mischung einer philosophischen
Erzählung mit einer Liebesintrige, und aus diesem Ganzen, aus diesen
zwei verschiedenen Filmen, kann man, vereinfachend, eine abstrakte
Grundstruktur herauslesen: zwischen einer alten, religiösen und
einer neuen laizistischen Welt kommt es notwendigerweise zu einem
dramatischen Zusammenprall. Und wer der alten Welt angehört, wird
durch diesen Konflikt in eine spirituelle Katastrophe gestürzt, die sich
jedoch der neuen Welt widersetzt. Medea kommt von einer religiösen
Welt in eine reiche Welt wie Korinth, wo alles profan, modern, raffiniert
und gebildet ist. Wenn sie dann das Gefühl eines großen Schmerzes oder
einer Angst empfindet, erlebt sie eine Regression. In MEDEA hab’ ich
alle Themen meiner vorhergehenden Filme aufgegriffen. MEDEA ist die
Konfrontation der archaischen, hieratischen, klerikalen Welt mit der Welt
von Jason, einer im Gegensatz dazu rationalen und pragmatischen Welt.«
Pasolini
»… Der Erzählduktus, die synkretistischen Kostüme, die Wahl der
Drehorte (Pisa und die gelben Steinwüsten der Osttürkei und Syriens)
machen Pasolinis Absicht klar: keinen weiteren ›Klassiker‹ aus dem Geist
humanistischer Verlogenheit zu inszenieren, sondern ein ethnologisches
Drama der Kulturkonfrontation, in dem sich auch die Destruktion
des sakralen Bereichs der Dritten Welt durch die ›zivilisierten‹ Länder
ausspricht.«
Harry Tomicek / Österreichisches Filmmuseum (2009)
»Das sind Bilder von archaischer Wucht, von beeindruckender Schönheit,
von umwerfender Fremdheit… MEDEA ist der überzeugendste der postneorealistischen Filme Pasolinis.«
Peter Buchka (1979)
33
IL
DECAMERON
DECAMERON
»In der ersten Phase der kulturellen und anthropologischen Krise,
die etwa 1960 begann – als die Irrealität der Massenmedien über die
Kommunikation der Massen zu triumphieren begann – erschienen als
das letzte Bollwerk gegen die verschwindende Realität die ›unschuldigen‹
Körper, mit der archaischen, düsteren, vitalen Gewalt ihrer sexuellen
Organe. Mich faszinierte die Abbildung des Eros, in einem menschlichen
Klima, das kaum je von der Geschichte übertroffen wurde und immer
noch (in Neapel, im Vorderen Orient) physisch gegenwärtig ist. IL
DECAMERON drückt meine Sehnsucht nach dem idealen Volk aus.«
Pasolini
◆
34
I/F/BRD 1970, Farbe, dF, 111 Min.
Regie Pier Paolo Pasolini
Buch Pier Paolo Pasolini, nach acht Novellen von
Giovanni Boccaccio
Kamera Tonino Delli Colli
Musik zusammengestellt von Pier Paolo Pasolini
und Ennio Morricone
Darsteller Franco Citti, Ninetto Davoli, Jovan Jovanovic,
Angela Luce, Pier Paolo Pasolini, Giuseppe Zigaina,
Silvana Mangano, Guido Alberti, Patrizia Capparelli,
Gianni Rizzo, Elisabetta Genovese, Giovanni Esposito
◆
»Mitten hinein ins pralle, volle Leben griff diesmal – wie früher schon
bei MAMMA ROMA etwa – Pier Paolo Pasolini; Leute, die der Allegorie
fern stehen, so heißt es, haben diesmal sein Interesse gefesselt, haben
seine Aufmerksamkeit auf die temperamentgeladene süditalienische
Urtümlichkeit gelenkt, die er in furioser Komödiantik sich austoben
läßt. Da ist noch in der kleinsten Szene Witz und Wirklichkeit, da
steht üppige Sinnlichkeit (die sich so wohltuend vom unsinnlichen SexGeschäft unserer Tage unterscheidet) unmittelbar neben zarter Liebe, da
bestimmen Gaunerei und Durchtriebenheit das Feld, da darf der Mensch
noch unverkrampft und natürlich sein.«
Volker Baer (1971)
»Allerdings: Warum sich Pasolini nach den radikalen Bosheiten des
SCHWEINESTALLS (PORCILE) nun ausgerechnet das Decameron
ausgesucht hat, das wird auch aus seinem Film nicht klar. Das bedeutet
vorläufig nur: Wer da auf einen Pasolini-Film hofft, wird einigermaßen
enttäuscht, wer auf einen Decameron-Film hofft, wird einigermaßen
zufriedengestellt: Pralle Sinnlichkeit nennt man’s gewöhnlich, was da
hergestellt ist – erotisch Lebensvolles, Antiklerikales, Aufmüpfiges,
Zauberei und folkloristischer Singsang. Sex und Gaunerei und blauer
mittelmeerischer Himmel, Geruch von Derbheit und permanenter
Lüsternheit. Kurz: was leicht in den Köpfen spukt, wenn von Renaissance
die Rede ist, das ist in Pasolinis DECAMERON malerisch vorhanden
und zusätzlich seltsamerweise nichts. Eigentlich nur ein Sekundärfilm,
der sich ansehnlich hinter der Malerei versteckt – so deutlich, daß auch
dies Prinzip ein Thema, eine verbindende Episode des Films wurde:
Pasolini selbst spielt Giotto, voll fabelhafter Selbstironie, die sich nur am
Ende pathetisch versteigt (›Warum eine Kunst herstellen, warum nicht
nur davon träumen‹).«
Alf Brustellin (1971)
35
I RACCONTI DI
CANTERBURY
PASOLINIS TOLLDREISTE
GESCHICHTEN
◆
36
I/F 1971 Farbe dF 111 Min.
Regie Pier Paolo Pasolini
Buch Pier Paolo Pasolini, nach The Canterbury Tales
von Geoffrey Chaucer
Kamera Tonino Delli Colli
Musik zusammengestellt von Pier Paolo Pasolini
und Ennio Morricone
Darsteller Pier Paolo Pasolini, Laura Betti, Hugh Griffith,
Josephine Chaplin, Franco Citti, Ninetto Davoli, Alan Webb,
John Francis Lane, Elisabetta Genovese, Giuseppe Arrigo,
Oscar Fochetti
◆
»Als ich CANTERBURY drehte, steckte ich in einer besonderen Phase,
ich war sehr, sehr, sehr unglücklich, ich war kaum geeignet für eine
Trilogie, die unter dem Zeichen der Heiterkeit, des ›mittleren Stils‹, des
Traumes und der Komik, wie abstrakt auch immer, stand. […] Ich habe
die Geschichten ausgesucht, die eher in einem poetischen als in einem
fantastischen oder mythologischen Sinn realistisch waren. Chaucer
lebte zwischen zwei Epochen. Es steckt etwas vom Mittelalter in ihm
und etwas Gotisches, die Metaphysik des Todes. Der Tod, das Jenseits
sind dauernd präsent; ein Tod aber, mittelalterlich und daher zutiefst
allegorisch und gleichzeitig vulgär bis zur Gemeinheit.«
Pasolini
»Das ist sozusagen der zweite Teil von Pier Paolo Pasolinis Verfilmung
der deftigsten Geschichten mittelalterlicher Weltliteratur. Im vorigen
Jahr war das Decameron dran. Diesmal sind es Geoffrey Chaucers
saftige Canterbury Tales; schließlich will Pasolini diese Reihe mit den
Geschichten aus 1001 Nacht abrunden.
Wieder die gleiche Saftigkeit wie in seinem Film-Decameron. Hier
erzählt er, diesmal als Chaucer verkleidet, die Geschichten, die die
mittelalterlichen Pilger sich zuraunen: Kurznovellen von drastischem
Ehebruch, verbotener Männerliebe, von mannigfach fröhlicher
Sündigkeit, von der Übertölpelung heikler Jungfrauen, Bettgeschichten in
vielerlei Abwandlung des ständig ergiebigen gleichen Grundthemas. […]
Pasolini malt das mit viel Geschmack am derben Ungeschmack aus.
Es gibt Bilder zu sehen, die wie den altem italienischen Meistern
nachempfunden sind, andere wirken ganz modern.«
Friedrich Luft (1972)
»Stilistisch noch uneinheitlicher, noch konfuser erzählt und primitiver
montiert als IL DECAMERON, zeigt I RACCONTI DI CANTERBURY
Pasolini auf einem künstlerischen Tiefpunkt. Nur drei Episoden dieses
verunglückten Torsos, der unverständlicherweise den Hauptpreis der
Berlinale 1972 bekam, sind bemerkenswert: Ninettos befremdlich
ahistorische Hommage an den frühen Chaplin; die öffentliche
Verbrennung eines armen Schwulen, von der Kamera beobachtet aus
der Perspektive unter den Zuschauern (wie die Verhandlung vor Pontius
Pilatus in IL VANGELO SECONDO MATTEO); und schließlich die
drastisch und furios ausgespielte Höllensequenz, die sich deutlich an den
visionären Bildern Hieronymus Boschs orientiert, wohingegen der Film
sonst eher breughelsche Vorlagen für das Landleben verwendet.«
Wolfram Schütte (1983)
37
IL FIORE DELLE MILLE E
UNA NOTTE
EROTISCHE GESCHICHTEN
AUS 1001 NACHT
◆
38
I/F 1973, Farbe, dF, 130 Min.
Regie Pier Paolo Pasolini
Buch Pier Paolo Pasolini, Dacia Maraini, nach der
orientalischen Novellensammlung Alf Layla wa-Layla /
Geschichten aus 1001 Nacht
Kamera Giuseppe Ruzzolini
Musik Ennio Morricone
Darsteller Franco Merli, Ines Pellegrini, Ninetto Davoli,
Franco Citti, Tessa Bouché, Margareth Clémenti, Giana Idris,
Fessazion Gherentiel, Alberto Argentino
◆
»Die ideologischsten Filme meines Lebens sind die der Trilogie. Alles, was
ich bin, alles, was ich liebe und nicht liebe, was zu sein hat und nicht zu
sein hat, ist darin enthalten. Selbst die fortschrittlichsten Kritiker lassen
sich immer von der sexuellen Inhibition an die Kette legen. Alle schätzen
sie die Sexualität wesentlich geringer ein als die anderen menschlichen
Tätigkeiten. Das politische Interesse sei weitaus edler und bedeutender
als das sexuelle. Mit der Sexualität haben die Kritiker auch den Inhalt
meiner Filme beseitigt, sie fanden sie leer und verstanden die Ideologie
nicht – die sehr wohl da war, in dem riesigen Schwanz auf der Leinwand,
über die Köpfe erhoben, die nicht kapieren wollten. 1001 NACHT sollte
keinen Skandal auslösen.«
Pasolini
»Von den drei Filmen der ›Trilogie des Lebens‹ ist IL FIORE DELLE
MILLE E UNA NOTTE der gelungenste. Das verdankt er nicht nur dem
fabulierenden Erzählrhythmus, dessen konstruktive Dramaturgie, eines
aus dem anderen zu entwickeln, die thematisch verwandten Episoden
ineinander verwebt, sondern auch der Kongruenz von Landschaft und
Personen. An die pittoresken Landschaftsformationen von EDIPO RE
und MEDEA anknüpfend, auf der Suche nach klaren, zarten Farben und
ungetrübtem Licht nach dem Jemen, Persien und Nepal ausschwärmend,
hat Pasolini seine exotischen ›Fundstücke‹ (Städte, Paläste, Landschaften,
Oasen) in erstaunlicher Ruhe vor dem Betrachter ausgebreitet. […]
Dieser Reigen erotischer Abenteuer, die ebenso die Liebeslehren des
indischen Kamasutra umfassen wie alle Formen heterosexueller und
homosexueller Verbindungen, gipfeln immer wieder in Nacktheiten und
Geschlechtlichkeiten, die im Vergleich zu den voraufgegangenen beiden
Filmen der Trilogie erstmals wirklich ahnen lassen, was Pasolini als
Ausdruck einer ›Freude des Lebens‹ (und des Leibes und Geschlechtes)
vorgeschwebt haben mag. Die Liebe zu den Menschen und ihren
Körpern, zu Stadt-Landschaften und einer archaischen Natur prägt
IL FIORE DELLE MILLE E UNA NOTTE mehr, eindringlicher und
spürbarer als der eher forciert starre und demonstrative Blick, der in
IL DECAMERON und I RACCONTI DI CANTERBURY vorherrschte.
Dieser dem orientalischen Fabulieren in glühendsten Farben so verwandte
Film, mit dem Pasolini wie in der Kolchis-Sequenz der MEDEA seiner
träumerischen Liebe zum Exotischen, Mythischen huldigen konnte,
erscheint derart als ein vom christlichen Martyrium, von der quälenden
Metaphysik Europas freies Pendant zu IL VANGELO SECONDO
MATTEO und EDIPO RE. Damit war aber auch der zuerst schrille,
zuletzt harmonische Hymnus der ›Trilogie des Lebens‹ ausgeschritten.«
Wolfram Schütte (1983)
LE MURA DI SANA’A
DIE MAUERN VON SANA’A
◆
I 1973, Farbe, OF, 13 Min.
Buch & Regie Pier Paolo Pasolini
Kamera Tonino Delli Colli
◆
Dokumentation »in Form eines Appells an die UNESCO« über
die bedrohten historischen Bauten in der jemenitischen Hauptstadt
Sana’a, die der Drehort für eine aus der endgültigen Fassung von IL
DECAMERON herausgeschnittenen Sequenz war.
39
SALÒ O LE 120
GIORNATE DI
SODOMA
DIE 120 TAGE VON SODOM
◆
40
I/F 1975, Farbe, OmU, 117 Min.
Regie Pier Paolo Pasolini
Buch Pier Paolo Pasolini, Sergio Citti, Pupi Avati, nach
dem Roman Les cent-vingt journées de Sodome ou l’École du
libertinage von Donatien Alphonse François Marquis de Sade
Kamera Tonino Delli Colli
Musik Frédéric Chopin, Carl Orff
Musikalische Beratung Ennio Morricone
Darsteller Paolo Bonacelli, Aldo Valletti, Giorgio Cataldi,
Umberto Paolo Quintavalle, Sonia Savange, Caterina Boratto,
Elsa Di Giorgi, Hélène Surgère, Antonio Orlando, Franco Merli,
Giuliana Melis, Graziella Aniceto, Giuliana Orlandi
◆
»Erster Bezugspunkt: die Erfahrung hat gezeigt, daß es während
der Republik von Salò besonders einfach und ›en vogue‹ war, das zu
organisieren, was de Sades Helden organisiert haben: eine große Orgie
in einer von der SS besetzten Villa. Zweiter Bezugspunkt: in einem
seiner weniger bekannten Sätze sagt de Sade ausdrücklich, daß nichts
anarchischer ist als die Macht. Soviel ich aber weiß, hat es in Europa
keine auch nur annähernd so anarchische Macht gegeben wie zur Zeit
der Republik von Salò: hier regierte kläglichste Maßlosigkeit. Was mit
jeder Macht einhergeht, trat bei dieser besonders deutlich zutage. Dritter
Bezugspunkt: was neben der Tatsache, anarchisch zu sein, die Macht –
jede Macht – noch besser beschreibt, ist ihre natürliche Begabung, den
Körper in ein Ding zu verwandeln. Auch hierin ist die nazi-faschistische
Unterdrückung Meister geblieben. Vierter Bezugspunkt: AkzeptierenAblehnen von Philosophie und Kultur der Epoche. So, wie die Helden de
Sades die Methoden der Aufklärung – wenigstens geistig und sprachlich
– akzeptierten und gleichzeitig die Realität, deren Produkt sie waren,
ablehnten, so akzeptieren die Helden von Salò die faschistische Ideologie
als eine von jeder Realität getrennte. Ihre wahre, ihre tatsächliche
Sprache war ihr Verhalten (wie bei de Sades Helden): und die Sprache des
Verhaltens gehorchte Regeln, die weitaus komplexer und tiefgreifender
sind als die einer Ideologie.«
Pasolini
»Ein Werk von unerbittlicher Schönheit und grausamer Genauigkeit,
in seiner Beschreibung der Mechanismen und Verhaltensweisen der
modernen bürgerlichen Gesellschaft scheint es Entwicklungen sogar nach
der Jahrtausendwende vorwegzunehmen. Pasolini hat die Rituale des
Sadismus in ein kaltes Licht getaucht, in die letzten Tage des italienischen
Faschismus verlegt – als ein paar Vertreter der Bourgeoisie den eigenen
Untergang zelebrierten und sich in ihre Villa zurückzogen, mit genug
Menschenmaterial – Jungen und Mädchen, die sie in einer Orgie von
Erniedrigungen und Folterungen ›verbrauchten‹. Auch Pasolini wollte
vom Kapitalismus nicht sprechen, ohne vom Faschismus zu sprechen – es
ist seine letzte filmische Äußerung überhaupt geworden, und man spürt
die Qualen des Intellektuellen, der merkt, daß man beim verzweifelten
Versuch, irgendwie die verhaßte Chimäre des bürgerlichen Individuums
loszuwerden, beinahe unausweichlich im Faschismus endet.«
Fritz Göttler (2005)
41
Filmografie
Als Regisseur
Pier
Paolo
Pasolin i
Geboren am 5. März 1922 in Bologna,
ermordet in der Nacht vom
1. zum 2. November 1975
im römischen Vorort Ostia.
Romancier, Lyriker, Essayist,
Drehbuchautor und
Filmregisseur.
1961 ACCATTONE / Accattone – Wer nie sein Brot mit Tränen aß
1962 MAMMA ROMA
LA RICOTTA / Der Weichkäse
1963 LA RABBIA / Der Zorn
COMIZI D’AMORE / Das Gastmahl der Liebe
1964 SOPRALUOGHI IN PALESTINA (PER »IL VANGELO SECONDO MATTEO«) / Motivsuche in Palästina (für » Das Erste Evangelium – Matthäus«)
IL VANGELO SECONDO MATTEO / Das Erste Evangelium – Matthäus
1965 UCCELACCI E UCCELINI / Große Vögel – Kleine Vögel
1966 LA TERRA VISTA DALLA LUNA / Die Erde vom Mond aus gesehen
Eine Episode des Films LE STREGHE / Hexen von heute
Länge der Pasolini-Episode 30 Min.
1967CHE COSA SONO LE NUVOLE? / Was sind die Wolken?
Eine Episode des Films CAPRICCIO ALL’ ITALIANA
Länge der Pasolini-Episode 22 Min.
EDIPO RE / Edipo Re – Bett der Gewalt
1968 TEOREMA / Teorema – Geometrie der Liebe
LA SEQUENZA DEL FIORE DI CARTA / Die Geschichte einer Papierblume
Eine Episode des Films AMORE E RABBIA / Liebe und Zorn
Länge der Pasolini-Episode 12 Min.
APPUNTI DI VIAGGIO PER UN FILM SULL’ INDIA / Notizen für einen Film über Indien
1969PORCILE / Der Schweinestall
APPUNTI PER UN’ORESTIADE AFRICANA / Notizen für eine afrikanische Orestie
MEDEA
1970 IL DECAMERON / Decameron
APPUNTI PER UN ROMANZO NELL’IMONDISNI
(Kurzer Dokumentarfilm über einen Straßenarbeiterstreik)
1971 I RACCONTI DI CANTERBURY / Pasolinis tolldreiste Geschichten
1973 IL FIORE DELLE MILLE E UNA NOTTE / Erotische Geschichten aus 1001 Nacht
LE MURA DI SANA‘A / Die Mauern von Sana‘a
1975 SALÒ O LE 120 GIORNATE DI SODOMA /
Die 120 Tage von Sodom
43
Als Drehbuchautor oder -mitarbeiter
44
1954
1955
1956
1957
1958
1959
1960
1961
1962
LA DONNA DEL FIUME / Die Frau vom Fluß
Regie Mario Soldati Buch Basilio Franchina, Giorgio Bassani, Pasolini, Florestano Vancini, Antonio Altovitti, Soldati
IL PRIGIONIERO DELLA MONTAGNA / Flucht in die Dolomiten
Regie Luis Trenker Buch Pasolini, Giorgio Bassani, Trenker
LE NOTTI DI CABIRIA / Die Nächte der Cabiria
Regie Federico Fellini Buch Fellini, Ennio Flaiano, Tullio Pinelli,
Mitarbeit (im Vorspann nicht aufgeführt): Pasolini
MARISA LA CIVETTA
Regie Mauro Bolognini, Buch Bolognini, Pasolini, Titina Demby
GIOVANI MARITI
Regie Mauro Bolognini Buch Enzo Curreli, Luciano Martini, Bolognini, Pasolini
LA NOTTE BRAVA / Wir von der Straße
Regie Mauro Bolognini Buch Pasolini, Laurence Bost, nach dem Roman Ragazzi di vita von Pasolini
MORTE DI UN AMICO / Und zu leicht befunden
Regie Franco Rossi Buch Franco Riganti, Ugo Guerra, Rossi,
nach einer Idee von Pasolini
IL BELL’ANTONIO / Bel Antonio
Regie Mauro Bolognini Buch Pasolini, Gino Visentini, Bolognini
LA CANTA DELLE MARANE
Regie Cecilia Mangini Buch nach einem Kapitel aus Pasolinis
Roman Ragazzi di vita; Kommentar Pasolini
LA GIORNATA BALORDA / Wenn Leben lockt
Regie Mauro Bolognini Buch Pasolini, Alberta Moravia,
Mario Visconti
LA LUNGA NOTTE DEL ’43 / Die lange Nacht von 43
Regie Florestano Vancini Buch Ennio De Concini, Pasolini, Vancini
IL CARRO ARMATO DELL’ ACHT SETTEMBRE
Regie Gianni Pucchini Buch Puccini, Baratti, Pasolini,
Elio Bartolini, Giulio Questi
STENDALI
Regie Cecilia Mangini Mitarbeit Pasolini
LA RAGAZZA IN VETRINA / Mädchen im Schaufenster
Regie Luciano Emmer Buch Emmer, Pasolini, Luciano Martino, Vincio Marinucci, Rodolfo Sonego
UNA VITA VIOLENTA
Regie Paolo Heusch, Brunello Rondi Buch Franco Solinas,
Heusch, Rondi, nach dem Roman von Pasolini
1969
1972
LA COMMARE SECCA
Regie Bernardo Bertolucci Buch Bertolucci, Sergio Citti, nach einem Treatment von Pasolini
OSTIA
Regie Sergio Citti Buch Pasolini, Citti
DODICI DICEMBRE
Regie Giovanni Bonfanti Idee Pasolini
1973STORIE SCELLERATE
Regie Sergio Citti Buch Citti, Pasolini
Als Darsteller
1960
1963
1966
1967
1970
1971
IL GOBBO / Der Bucklige von Rom
Regie Carlo Lizzani Rolle Er Monco
COMIZI D’ AMORE / Das Gastmahl der Liebe
Regie Pasolini Rolle Gesprächsteilnehmer
REQUIESCANT / Mögen sie in Frieden ruh‘n
Regie Carlo Lizzani Rolle mexikanischer Priester
EDIPO RE / Edipo Re – Bett der Gewalt
Regie Pasolini Rolle alter Priester
IL DECAMERON / Decameron
Regie Pasolini Rolle Giotto, Maler
S.P.Q.R.
BRD, Regie Volker Koch Rolle er selbst
I RACCONTI DI CANTERBURY / Pasolinis tolldreiste Geschichten
Regie Pasolini Rolle Geoffrey Chaucer
Filmprojekte vor seinem Tod
BESTEMMIA / Fluch
Thema Der heilige Paulus in der modernen Welt.
PORNOTEOKOLOSSAL oder TA KAI TA
Thema Eduardo De Filippo und Ninetto Davoli, die einem Kometen nach
Sodom und Gomorrha folgen und feststellen, daß das Ereignis, auf das sie
warten, schon vor 2000 Jahren stattgefunden hat.
45
Filme über Pasolini (Auswahl)
46
1965 PIER PAOLO E TOTÒ / Pier Paolo und Totò
Regie Pietro Pintus, 6 Min. – Zwei Interviews
1966 FILM IN ROM
BRD, Regie Alois Kolb, 11 Min – Bericht von den Dreharbeiten zu
LA TERRA VISTA DALLA LUNA
PASOLINI L’ENRAGÉ / Pasolini, der Zornige
F 1966/91 Regie Jean-André Fieschi, 65 Min. – Interview mit Pasolini in seiner Wohnung und an den Schauplätzen seiner Filme
1967PASOLINI – CULTURA E SOCIETÀ /
Pasolini – Kultur und Gesellschaft
Regie Carlo Di Carlo, 17 Min.
CONFESSIONI DI UN POETA / Bekenntnisse eines Dichters
Regie Fernaldo Di Giammatteo, 45 Min.
1968 UN’ORA CON EZRA POUND / Eine Stunde mit Ezra Pound
Regie Vanni Ronsisvalle, 23 Min. – Eine Hommage an Ezra Pound
1969 LAVORI IN CORSA / Baustelle
CH, Regie Marco Blaser, 7 Min.
1971 TERZA B – FACCIAMO L’APPELLO / Oberprima B wird aufgerufen
Regie Pier Paolo Ruggerini, 61 Min. – Interviews mit Pasolini und einigen seiner ehemaligen Klassenkameraden
1974 PASOLINI E IL CINEMA – AL CUORE DELLA REALTÀ /
Pasolini und das Kino – Am Herz der Wirklichkeit
Regie Mario Novi, 55 Min. – Ein Rückblick auf sein filmisches Werk
PASOLINI E… LA FORMA DELLA CITTÀ / Pasolini und… die Form der Stadt
Regie Paolo Brunatto, 16 Min. – Ein kinematographisches Pamphlet über die italienische Stadt Orte
1975 PASOLINI, MORTE DI UN POETA / Pasolini, Tod eines Dichters
Regie Paolo Benvenuti, 15 Min. – Dokumentation, in der der Regisseur Leute aus seiner Gegend über Pasolini befragt
31.10.75 – LE DERNIER ENTRETIEN / 31.10.75 – Das letzte Interview
F, Regie Philippe Bouvard, 6 Min. – Pasolini spricht über SALÒ
THE LAST INTERVIEW WITH P. PASSOLINI – Das letzte Interview mit P. Passolini
USA, Regie Chris Langdon, 6 Min. – Sardonisch-satirische Hommage
1981 WIE DE WAARHEID ZEGT MOET DOOD / Wer die Wahrheit sagt, muß sterben
NL, Regie Philo Bregstein, 60 Min. – Ein biographisches Porträt
1985 PIER PAOLO PASOLINI – Annäherung an
einen Freibeuter
BRD/I, Regie Ivo Barnabò Micheli, 116 Min. – Interviews mit Menschen, die Pasolini kannten: Jugendfreunde, Schriftsteller, Schauspieler, Politiker, Staatsanwälte, und mit dem Mörder Pasolinis
1987 OSTIA
GB, Regie Julian Cole, 26 Min. – Rekonstruktion der Ereignisse,
die zum Mord an Pasolini führten, mit Derek Jarman als Pasolini
PASOLINI – UN DELITTO ITALIANA / Pasolini – Ein italienisches Verbrechen
Regie Marco Tullio Giordana, 101 Min. – Spielfilm nach der Biographie Pasolini von Enzo Siciliano
1994 CENERI DI PASOLINI / Pasolinis Asche
Regie Pasquale Misuraca, 87 Min. – Dokumentation über Pasolini
1996 NEROLIO
Regie Aurelio Grimaldi, 82 Min. – Drei Episoden um Pasolini,
die erste inspiriert von Auszügen aus seinem posthum veröffentlichten
Roman Petrolio
1999 UNA DISPERATA VITALITÀ / Eine verzweifelte Vitalität
Regie Mauro Martone, 62 Min. – Dokumentation über Pasolini
2001 PIER PAOLO PASOLINI E LA RAGIONE DI UN SOGNO /
Pier Paolo Pasolini und die Begründung eines Traums
Regie Laura Betti, 93 Min.
2002 UN MONDO D’AMORE / Eine Welt der Liebe
Regie Aurelio Grimaldi, 86 Min. – Spielfilm über Pasolinis Jahre als junger Lehrer
2006 PASOLINI PROSSIMO NOSTRO / Pasolini in unserer Nähe
Regie Giuseppe Bertolucci, 62 Min. – Pasolini während der Dreharbeiten zu SALÒ
2008 LA RABBIA DI PASOLINI – HIPOTESI DI COSTRUZIONE / Pasolinis Zorn – Hypothese einer Rekonstruktion
Regie Giuseppe Bertolucci, 85 Min. – Der Versuch einer Rekonstruktion der Urfassung von Pasolinis RABBIA-Segment,
der sich zu einem Essay über Pasolinis 60er Jahre weitet
2009 LA NOTTE QUANDO È MORTO PASOLINI /
Die Nacht, als Pasolini starb
Regie Roberta Torre, 25 Min.
2010 QUI FINISCE L’ITALIA / Hier endet Italien
B, Regie Gilles Coton, 80 Min. – Essayfilm einer Reise von Ventimiglia nach Triest, die sich orientiert an Pasolinis vor 50 Jahren erschienenem Bericht »La lunga strada di sabbia«
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TERMINE
Filmmuseum Düsseldorf
Filmclub 813 Köln
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DI DO MI
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1.2.2011
3.2.2011
9.2.2011
10.2.2011
20.2.2011
20.00
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23.2.2011
27.2.2011
2.3.2011
5.3.2011
10.3.2011
13.3.2011
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DO
17.3.2011
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ACCATTONE
MAMMA ROMA
DAS GASTMAHL DER LIEBE
GROSSE VÖGEL – KLEINE VÖGEL
DAS ERSTE EVANGELIUM –
MATTHÄUS
EDIPO RE
TEOREMA
DER SCHWEINESTALL
MEDEA
DECAMERON
PASOLINIS TOLLDREISTE
GESCHICHTEN
EROTISCHE GESCHICHTEN AUS
1001 NACHT
DIE 120 TAGE VON SODOM
DER WEICHKÄSE
DER ZORN
NOTIZEN FÜR EINE
AFRIKANISCHE ORESTIE
DIE MAUERN VON SANA’A
MOTIVSUCHE IN PALÄSTINA
NOTIZEN FÜR EINEN FILM
ÜBER INDIEN
SO
20.3.2011
20.00
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23.3.2011
20.00
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20.00
FR
25.3.2011
20.00
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Vom 18.2. bis zum Ende der Retrospektive Pier Paolo Pasolini
ist im Studio des Filmmuseums Düsseldorf eine Ausstellung mit
50 bisher unveröffentlichten Fotos zu den Dreharbeiten von
Das erste Evangelium – Matthäus zu sehen.
◆
FR
4.2.2011
DI
15.2.2011
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16.2.2011
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27.2.2011
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17.30
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20.00
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20.00
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ACCATTONE
ACCATTONE
MAMMA ROMA
MAMMA ROMA
DAS GASTMAHL DER LIEBE
DAS GASTMAHL DER LIEBE
DAS ERSTE EVANGELIUM – MATTHÄUS
DAS ERSTE EVANGELIUM – MATTHÄUS
EDIPO RE
GROSSE VÖGEL – KLEINE VÖGEL
GROSSE VÖGEL – KLEINE VÖGEL
EDIPO RE
TEOREMA
TEOREMA
DER SCHWEINESTALL
DER SCHWEINESTALL
NOTIZEN FÜR EINE
AFRIKANISCHE ORESTIE
DIE MAUERN VON SANA’A
20.00
MEDEA
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DECAMERON
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2.3.2011
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DECAMERON
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4.3.2011
20.00 PASOLINIS TOLLDREISTE GESCHICHTEN
SA
5.3.2011
17.30 PASOLINIS TOLLDREISTE GESCHICHTEN
20.00
EROTISCHE GESCHICHTEN AUS
1001 NACHT
DI
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EROTISCHE GESCHICHTEN
AUS 1001 NACHT
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DER WEICHKÄSE
DER ZORN
SA
12.3.2011
20.00
DIE 120 TAGE VON SODOM
MO
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20.00
MOTIVSUCHE IN PALÄSTINA
NOTIZEN FÜR EINEN FILM
ÜBER INDIEN
DI
15.3.2011
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DIE 120 TAGE VON SODOM
DO
17.3.2011
20.00
DER WEICHKÄSE
DER ZORN
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IMPRESSUM
Veranstalter & Herausgeber
Filmclub 813 e.V.
Hahnenstr. 6, 50667 Köln
Telefon/Fax: 0221-31 06 813
www.filmclub813.de
Manzin
Filmmuseum der Landeshauptstadt Düsseldorf
Schulstr. 4, 40213 Düsseldorf
Telefon: 0211-89 922 32
Fax: 0211-89 937 68
www.duesseldorf.de/filmmuseum
Grafische Gestaltung
Carmen Strzelecki, Köln
Konzeption & Organisation
Helmut W. Banz, Christos Dassios
Redaktion
Helmut W. Banz, Hans-Dieter Delkus
Mitarbeit
Senta Koske, Ines Szczerbinski, Florian Deterding und Matthias Knop /
Filmmuseum Düsseldorf, Olaf Möller
Foto-Nachweis
Cinemathek Köln Archiv, Helmut W. Banz, Filmmuseum Düsseldorf, Neue Visionen
Filmverleih Berlin, Ines Szczerbinski
Druck
Druckerei Zimmermann, Köln
Mit freundlicher Unterstützung von
SK Stiftung Kultur – Förderprogramm
Stadt Köln Kulturamt
Dank an
Arsenal Institut für Film und Videokunst e.V. Berlin
Deutsches Filmmuseum Frankfurt
Filmforum – Freundeskreis des Filmmuseums Düsseldorf
Filmgalerie 451 / Frieder Schlaich Berlin
Kinemathek Le Bon Film Basel
Kinemathek Hamburg e.V. / Metropolis Archiv
Manzin – Italienische Übersetzungen
Neue Visionen Filmverleih Berlin
Aurora Rodonò
Kulturamt
Italienische Übersetzungen
Marisa und Joachim Manzin
sind Experten für Sprachmittlung zwischen der italienischen und
deutschen Kultur in den Fachbereichen




Recht (Straf-, Privat- und Zivilrechtrecht)
Betriebswirtschaft (u.a. Rechnungslegung und
Unternehmensbewertung)
Werbeadaptionen
Politik
und unterstützen die lokale Kultur durch Mitgliedschaft in
zahlreichen Freundes- und Förderkreisen.
Aktiv organisieren und fördern sie den Italienischen Filmclub in der
Black Box – Kino im Filmmuseum, den sie vor sieben Jahren ins
Leben riefen.
Weitergehende Informationen:
www.manzin.de ([email protected])
www.italienischer-filmclub.de ([email protected])
Inh.: Marisa Manzin - Dellestraße 33 - 40627 Düsseldorf
Tel. 0211 202018 – Fax 0211 252176
»Wenn wir vorwärts gehen wollen, müssen wir die Zeit, die nicht
mehr wiederkommen kann, beweinen und nein sagen dieser Realität,
die uns in ihrem Gefängnis einschließt …«
pier paolo pasolini
pier paolo pasolini
Rom, andere Stadt
pier paolo pasolini
Reisen in 1001 Nacht
pier paolo pasolini
Afrika, meine Hoffnung
Geschichten und Gedichte ausgewählt von
Annette Kopetzki und Theresia Prammer.
Mit Fotografien von Herbert List und einem
Nachwort von Dorothea Dieckmann.
Vorgestellt von Peter Kammerer,
mit Fotografien von Roberto Villa
und einem Nachwort von Dacia Maraini.
Aus dem Italienischen von
Annette Kopetzki und Dorothea
Dieckmann.
Vorgestellt von Peter Kammerer.
Hardcover mit Schutzumschlag,
112 Seiten mit vielen Fotografien,
Format 17 ∞ 24 cm, Druck in Duotone.
M 24,90
Hardcover mit Schutzumschlag,
ca. 128 Seiten mit vielen Fotografien.
Format 17 ∞ 24 cm, Druck in Duotone.
M 24,90
Hardcover mit Schutzumschlag,
ca. 128 Seiten mit vielen Fotografien.
Format 17 ∞ 24 cm, Druck in Duotone.
ca. M 24,90
Erscheint September 2011
Erscheint am 30. April 2011
»… Gedichte, Geschichten,
Interviews und Auszüge aus
Tagebüchern sind in dem
Buch zu finden. Zusammen
mit den Schwarz-WeißFotografien von Herbert
List fügen sie sich zu einem
großartigen Rom-Porträt
der Fünfzigerjahre.«
Pasolinis faszinierter Blick
auf die Menschen, Landschaften und Kulturen
des Vorderen Orients. Mit
einem Nachwort von Dacia
Maraini, das von seiner
Arbeit und seinen Träumen
erzählt.
cornelia wolter,
Frankfurter Rundschau
www.corso-willkommen.de
Für Pasolini wurde Afrika
zu einer seiner letzten
Hoffnungen auf der Suche
nach Authentischem und
Wahrhaftigem gegen das,
was wir heute »Globalisierung« nennen.