Jacquardgobelin

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Jacquardgobelin
Jacquardgobelin
Wiederbelebung eines Bildtypus
to Steven
Gartenteppich
künstlerisch- praktischer Teil der Diplomarbeit,
Jacquardgobelin
Wiederbelebung eines Bildtypus
schriftlicher Teil der Diplomarbeit im Fachgebiet Kunst,
Studiengang Malerei/ Graphik,
Studienrichtung Textile Künste,
Burg Giebichenstein Hochschule für Kunst, Halle/S.
Impressum
Auflage: zehn Stück, 2012
Herausgeber: Ulrike Crodel
Satz und Layout: Ulrike Crodel
Buchbindung: Friederike von Hellermann
Einband: Ausschnitt aus der Bildpatrone Garten 2
von Ulrike Crodel
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künstlerisch- praktischer und schriftlicher Teil: Herr Prof. Ulrich Reimkasten
künstlerisch- praktischer Teil: Frau Josefine Cyranka
schriftlicher Teil: Frau Katharina Stark
Vorwort
Die vorliegende Arbeit ist eine Arbeitsdokumentation. Sie gibt Einblick in künstlerische Arbeit und zeigt Arbeitsansätze und Arbeitsabläufe.
Sie dokumentiert meine künstlerisch- praktische Diplomarbeit und zeigt die davor geleistete Entwicklungsarbeit auf.
Ich verstehe die schriftliche Arbeit als künstlerische Forschungsarbeit.
Zunächst möchte ich eine kurze Einführung in die Kulturgeschichte von Textilien geben. Die Unterschiede von Gobelin und Jacquardgewebe werden angerissen. Ein technische Analyse von Gewebe, welches im Augenblick als Jacquardgobelin hergestellt und
verkauft wird, leitet über in meine Vorstellungen einer Verbindung der beiden Techniken. Die Arbeit zeigt danach die ersten Versuche am Handwebstuhl und die Proben, welche in der Industrieweberei hergestellt sind und erklärt den Weg dorthin. Sie beschäftigt
sich mit Farbuntersuchungen sowie mit malerischen und zeichnerischen Untersuchungen und zeigt so exemplarisch den Verlauf einer
künstlerischen Vorgehensweise.
Abschließend greift sie den Vergleich zwischen Gobelin und Jacquardgewebe noch einmal auf und fasst meine Erkenntnisse zusammen.
Am Anfang dieser schriftlichen Arbeit finden sich Abbildungen von Zeichnungen. Diese nenne ich im weiteren Text Originalzeichnungen.
Die kleinformatigen Buntstiftzeichnungen sind in einer bestimmtem Reihenfolge zusammengesetzt. Die abgebildeten Orte sind in
einem Hinterhof, in einem Garten und im botanischen Garten entstanden. Alle Orte befinden sich in Halle. Sie stehen stellvertretend für Plätze an anderen Stellen auf der Welt.
Eine Originalzeichnung wird, um das siebenfache vergrößert, als textiles Bild gewebt. Dies ist das Ergebnis meiner künstlerisch-praktischen Diplomarbeit.
Ein Gewebe ist 140 x 200cm groß, zusammen ergeben alle Stücke eine Fläche von 280 x 600cm. Aus zeitlichen Gründen setze ich in
meinem Diplom zwei Gewebe um.
Die Realisierung aller sechs Textilien begleitet mich als Vision die mich in meiner Arbeit leitet.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 04
Originalzeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 06
1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
2. Technische Analyse
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
3. Erste Versuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
4. Versuche mit Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
5. Erste Versuche in der Industrieweberei
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
6. Untersuchung malerischer Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
7. Untersuchung zeichnerischer Art
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
8. Farbuntersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
9. Vorbereitung der Proben aus der Industrieweberei
. . . . . . . . . . . . . . . . 42
10. Auswertung der Proben aus der Industrieweberei . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
11. Weiteres Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
12. Vergleich Gobelin mit Jacquardgobelin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
13. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
Ich danke meinen Mentoren. Herr Prof. Reimkasten für seine beständige Unterstützung während meines Studiums und für seine
ausschlaggebenden Hinweise während des Diplomjahres. Frau Stark für ihre wichtige Unterstützung und Hilfe, besonders bei technischen Entwicklungen. Frau Cyranka für klare Hinweise und großes Interesse an meiner Arbeit.
Ich danke meiner Familie und meinen Freunden für ihre Liebe und Unterstützung.
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Quellen
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Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
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Auf den folgenden Seiten sind die Originalzeichnungen abgebildet, zuerst in der zusammengesetzten Gesamtabbildung, darauf
folgend einzeln.
Die sechs Originalzeichnungen sind kleinformatige Buntstiftzeichnungen, alle im Zeitraum April bis Mai 2009 entstanden. Alle
Zeichnungen haben die Größe 21 x 30cm.
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1. Einleitung
„Textile Arbeiten sind (…) älter als das Steinzeug, vielleicht sogar älter als der Ackerbau und die Viehzucht.“1
Als Textil lässt sich Alles bezeichnen was in einer textilen Technik entstanden ist. Dazu zählt Gewebe, Gewirke, Geknüpftes, Geflochtenes. Gewebe und Teppiche wurden ursprünglich für den Eigenbedarf hergestellt. Die Einbindung in religiöse Kulte und
Vorstellungen schloß den Verkauf der Gewebe aus. Wurde ein Gewebe als Tauschobjekt genutzt ging dieser Tausch weit über eine
rein ökonomische Transaktion hinaus.2
Gewebe dienten als Schutz vor Kälte, Nässe, Wind und weiteren Umwelteinflüssen in Form von Bekleidung, Matten oder Wandbehängen.
Der sakrale Gebrauch findet sich in jeder Kultur. So gibt es Matten in Mikronesien für Menstruierende und Schwangere3 um 1900,
koptische Totentücher aus dem 5./6.Jahrhundert sowie Hochzeitskelims im arabisch- afrikanischen Raum. Liturgische Gewänder,
Paramente und Altardecken sind auch im 21.Jh Bestandteil der christlichen Kirche.
Tapisserien4 in Europa wurden für adelige Auftraggeber oder für den sakralen Gebrauch hergestellt, nachweislich gibt es erste Bildteppiche ab dem 12.Jh.5 Die Herstellung geschah zuerst in Klöstern, später hauptsächlich in Wirkereibetrieben. Die ersten Manufakturen gründeten sich schon im 14.Jh. Besonders bedeutend waren Gobelinmanufakturen in Flandern (Brüssel, Tournai, Aubusson),
Frankreich („Manufacture nationale des Gobelins“, Paris) und Spanien („Real Fabrica de Tapices“, Madrid).
Die Motivik verändert sich im Laufe der Jahrhunderte. Religiöse Themen werden im 17./18. Jh. von weltlichen Themen abgewechselt. Während im 14. Jh. der Entwurf der Kartons in den Klöstern stattfindet, fertigen ab dem 15.Jh.immer mehr Künstler Gobelinentwürfe und Kartone, die Bildvorlage für die Wirker, an. So gibt es Tapisserien nach dem Entwurf von Goya oder Raffael.
Ende des 18. Jh. findet sich über Kissenwirkerei der Eingang in die Volkskunst. Die Wirkerei wird dabei durch die Stickerei abgewechselt. Noch heute wird oft unter einem Gobelin ein in Kreuzstich besticktes Kissen verstanden.
Die Herstellung von Bildteppichen nimmt ab dem 19.Jh. stark ab.
In der klassischen Moderne gibt es in fast allen europäischen Ländern Textil- und Gobelinmanufakturen6. Diese restaurieren, fertigen
nach alten Entwürfen oder in Zusammenarbeit mit Künstlern neu an.
Gobelins faszinieren mich seit Jahren. 2006 sah ich in Brüssel im Musée Royaux Tapisserien aus Flandern. Seit dem Besuch brenne
1 Textile Kunst, S.84, Zeile 36- 37
2 Vergleich: Textile Kunst, S.107
3 Vergleich: Dahlem, Museum für Völkerkunde, Berlin
4 Der Gobelin wird auch genannt die Tapisserie, der Bildteppich, der Wandteppich oder der Wirkteppich.
5 Vergleich: Abrahamsteppich, 1150, Domschatz zu Halberstadt
6 z.B. in: Paris, Madrid, Brüssel, Edinburgh, Stirling, Nürnberg, Halle/S.
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ich. Ich ertappe mich oft dabei, wie ich mir etwas Gemaltes als Textil vorstelle.
Besonders beeindruckt mich die Tapisserieabfolge „Die Dame und das Einhorn“.7 Faszinierend finde ich auch den „Marienteppich“
aus dem Halberstädter Domschatz.
Der erste Gobelin, den ich bewußt als Gobelin wahrnahm, ist ein Bildteppich von Henri Matisse. Nach einem Scherenschnitt umgesetzt, hängt die Tapisserie im Musée Matisse und gehörte zu seinem Privatbesitz.
Eine Zeit lang streifte ich durch Museen und Schlösser, um Gobelins aufzustöbern und die Technik zu studieren.
An Gobelins mag ich die Schärfe der Abbildung, die Farbverbindung bzw. wie Formen aneinander stoßen, die Begrenzung der Neigungswinkel von Formen.
Ein Gobelin wird auf einem Gobelinwebstuhl hergestellt. Das ist ein Flachwebstuhl oder ein Hochwebstuhl, welcher durch Umtreten von zwei Pedalen die aufgespannten Kettfäden regelt.
Die Materialien, mit denen gearbeitet wurde und wird, sind meistens Wolle, Seide und Leinen.
Während meines Studiums erlernte ich eine Tapisserie zu wirken. Ich lernte einen digital gesteuerten Jacquardwebstuhl zu steuern
und zum Teil habe ich auch selbst daran gewebt.
In der textilen Kunst muß vorausschauend geplant werden. Ist ein Teil des Gewebes hergestellt, kann man dieses nicht mehr in seiner
Struktur bearbeiten. Das Umgesetzte ist endgültig und läßt sich nicht mehr verändern.
Ich möchte einen industriell gewebten Gobelin herstellen. Er orientiert sich an der Feinheit der flämischen Tapisserien. Das bedeutet
für die Herstellung wurden auf dem Webstuhl mind. vier Kettfäden auf einen Centimeter gespannt. Die Garnstärke des verwendeten
Schussmaterials bezeichnet man als fein. Die Verbindung der digital gesteuerten Jacquardweberei und der Gobelinwirkerei interessiert mich seit ich beide Techniken kennen lernte.
Weberei und Wirkerei sind in ihrer Art des Entwurfes und Herstellung gegensätzlich.
In der Weberei wird der Faden8 von einer Seite zur anderen Seite und zurück gewebt. Der Faden verläuft gerade über die gesamte
Webbreite. Ist er auf der Vorderseite nicht zu sehen, sieht man ihn auf der Rückseite. Das Schussmaterial ist auf Spulen gewickelt und
wird mit Geschwindigkeit hin- und hergeschossen.
In der Wirkerei wird formenaufbauend gearbeitet, d.h. der Faden wird über einen Teil der Webbreite eingefügt, genau über die Breite
und Höhe der Form. Der Faden kann in runden Linien gelegt werden. Dabei wächst das Gewebe unterschiedlich schnell. Der Faden
ist auf Fadenwickeln gebündelt. Fadenende und Anfang hängen auf der Rückseite des Gewebes herunter oder werden unsichtbar im
Gewebe verstochen. Das Gewebe erhält zusätzlich Stabilität und Festigkeit durch regelmäßiges Zusammenstauchen des gerade zu
bearbeitenden Bereiches mit einem speziellen Kamm. Vorder- und Rückseite sind identisch.
Es reizt mich ungemein beide Techniken zu kombinieren und in einem Arbeitsprozess zu vereinen.
7 Tapisserieabfolge von sechs Stücken, Ende des 15.Jh.
8 Der Faden wird auch genannt: der Schuss, der Schussfaden, das Schussmaterial.
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In der Jacquardweberei gibt es bestimmte Bindungsarten wie den Broschierschuss oder die Ripsbindung, welche der Ästhetik der
Wirkerei ähneln. Der offensichtlichste Unterschied zwischen Jacquardgewebe und Gobelinwirkerei ist, dass beim Gobelin die Kette
vollständig verdeckt ist. Die Farben des Schusses werden nie mit der Kette gemischt. So ist es möglich viele verschiedene unifarbene
Flächen zu erhalten.
In der Weberei mischt sich die Kette mit dem Schuss. Dadurch sind Farbflächen immer gemischte Farben, bis auf ein oder zwei, wenn
Kett- und Schussfarbe übereinstimmen.
Die Vielfalt der Bindungsarten in der Weberei erlaubt verschiedene Strukturen. Dadurch kann das Gewebe plastisch wirken, es gibt
Höhen und Tiefen in der Oberfläche. Es ist möglich über differenzierende Bindungen, z.B.: bei einem Damastgewebe, eine Abbildung darzustellen. Das Bild entsteht durch die Struktur, wobei Schuss und Kette die gleiche Farbe haben.
In der Wirkerei ist die Struktur immer gleich, die Abbildung entsteht durch unterschiedliche Farben des Schussmaterials.
Auf der gegenüberliegenden Seite sind Ausschnitte aus einem Gobelin und einem Jacquardgewebe abgebildet. Die zuvor erläuterten
Unterschiede der beiden Techniken lassen sich gut erkennen. In Abb. 8 ist die Kette durch den Faden vollständig verdeckt, die Oberfläche ist einheitlich und das Motiv wird durch Farben gezeigt. In Abb. 9 ist die Kette zu sehen, die Oberfläche ist plastisch und das
Motiv wird über Farben und die differenzierte Struktur dargestellt.
Der von mir geplante Jacquardgobelin soll ästhetisch und technisch höchsten Ansprüchen gerecht werden. Es gibt viele differenzierte
Formen und verschiedene Farbmischungen. Würde mein Gartenteppich handwerklich gewirkt werden, bräuchte man für 1qm ein
Jahr. Die Umsetzung einer Originalzeichnung würde knapp drei Jahre dauern.
Ich möchte nicht nur handwerkliche Arbeitszeit einsparen. Ich suche nach neuen Lösungen und möchte mir Gebiete künstlerisch
eröffnen und bekannte Gebiete neu besetzen. Durch die enormen Einsparungen bei der Herstellung, ist es möglich, ohne Auftraggeber zu arbeiten. Ist ein Entwurf bearbeitet und die Computerprogrammierung abgeschlossen, kann das Gewebe mehrmals gewebt
werden.
Im Bereich der Restaurierung und Wiederherstellung von Textilien ist denkbar, Teilstücke einer Reihe von Bildteppichen digitalgesteuert anzufertigen. So wäre es möglich, die ursprüngliche Raumatmosphäre nachzuempfinden.
Textile Techniken werden immer wieder mit mythischem Denken und Weltenschöpfung in Verbindung gebracht.9
Das Alter der Wirkerei fasziniert mich. Die Art der Technik bezeichne ich gerne als spirituell. Der Faden wird in der Form der Lemniskate um die Kettfäden gelegt, es scheint mir, dass die Technik und somit ihre Ausführung ein Geheimnisträger ist. Um welches
Geheimnis es sich hierbei handelt, ist nicht Teil dieser Betrachtungen.
Es ist mir ein Bedürfnis, diese Technik zu verfeinern und sie durch neue Techniken wiederzubeleben.
9 Vergleich: Textile Kunst, S. 84/ 85
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2. Technische Analyse
Es gibt in Belgien und Frankreich Firmen, welche die industrielle Herstellung von Bildteppichen anbieten. Die Firmensitze sind bei
Lyon, Nordfrankreich nahe der belgischen Grenze und in Brüssel.
Die Gewebe heißen Jacquardgobelin oder jacquardgewebter Gobelin. Sie werden in ganz Europa und Nordamerika meist über den
Internethandel vertrieben.
Oft finden sich Erläuterungen zur ursprünglichen Wirkerei und die Technik des jacquardgewebten Gobelin wird als Medium verstanden, Tapisserien einem breitem Publikum zugänglich machen zu können.
Bestimmte Firmen spezialisieren sich auf den Vertrieb der Nachbildungen von „Die Dame und das Einhorn“.10 Die meisten Vertreiber bieten alles an. Es wird unterschieden in Rubriken: Mittelalter und Einhorn, Geschichte und Legenden, Künstler und Maler,
Reisen und Exotik, Blumen und Blumensträuße, Schlösser und Landschaften.11 Innerhalb dieser Rubriken finden sich Nachbildungen von originalen Tapisserien oder Nachbildungen von bekannten Gemälden. So ist es möglich „Iris“ von Van Gogh als jacquardgewebten Gobelin zu erhalten und hierbei zwischen zwei Farbstimmungen sowie zwei Größen zu entscheiden.
Die meist mittelalterlichen Tapisserien sind erhältlich in: verblasst, so wie in unserer Zeit das Original aussieht, oder in kräftig, so wie
vermutlich das Original zu Zeiten der Anfertigung aussah.
Die Größe der Gewebe orientiert sich proportional an den Originalen und wird nicht über einer Höhe von 210cm hergestellt. Meist
gibt es ein Motiv in mehreren Größen zur Auswahl.
Wie meist bei einer Wirkerei ist das Gewebe um 90º gedreht gewebt.
Dadurch dass der Schuss horizontal und die Kette vertikal betont wird entsteht der Eindruck die Kette sei ein Schussfaden. Das steigert den Eindruck der Schuss bedecke die Kette.
Es gibt Farbmischungen, gebildet aus ähnlichen Farbtönen. Einige Flächen sind unifarben, dies entsteht dadurch, dass die Schussfarbe gleich der Kettfarbe ist.
Um einen Jacquardgobelin technisch zu analysieren, bestellte ich über einen Internetvertrieb Kissen. Diese sind mit der gleichen
Webtechnik wie die Wandbehänge hergestellt. Ein Ausschnitt eines der Kissen ist in Vergrößerung zu sehen auf der gegenüberliegenden Seite, Abb. 10.
Die Gewebe sind in Baumwolle oder Baumwoll- Wollmischungen gewebt. Der Eindruck ähnelt einem Gobelin, genauer betrachtet
erkennt man, dass die Oberflächenstruktur nicht die Struktur eines gewirkten Gobelins hat.
Sie enthält verschiedene Webstrukturen. Die Kette, welche bei einem Gobelin verdeckt ist, wird hier in die Oberfläche eingebunden
und ist zu sehen.
Das Gewebe ist ein Doppelgewebe, zum Teil sind die beiden Gewebeschichten verbunden. Es wird mit zwei kontrastierenden Kettfarben gearbeitet um die Farbdifferenz zu erhöhen. Das Schusssystem arbeitet mit acht Schussfarben, wobei zwei Schussfäden dünner
sind. Der Rips ist versetzt angeordnet, vergleichbar mit der Struktur eines Mauerwerkes. Es wird mit zwei Größen des Ripses gearbeitet, um Strukturen, in abgebildeten Formen, darzustellen.
Durch die unterschiedlichen Webstrukturen entsteht keine einheitliche Oberfläche.
10 www.ladamealalicorne.com
11 Vergleich: www.tapisseriesdesflandres.com
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3. Erste Versuche
Die Bindungsart, welche ich verwende, heißt Rips.
Als Bindung bezeichnet man die Art und Weise wie Kett- und Schussfäden miteinander verkreuzt sind. Es gibt Unterscheidungen in
kettbetonte Bindungen, d.h. es ist mehr Kette als Schuss zu sehen, und schussbetonte Bindungen, d.h. es ist mehr Schuss als Kette zu
sehen. Diese werden nach bestimmten Kriterien in Gruppen zusammengefasst.12
Bei der Bindungsart Rips wird die Kette vollständig durch den Schuss verdeckt. Ein gleichmäßiger, glatter Eindruck entsteht, weil der
Schuss über mehrere Millimeter, in immer gleichen Einheiten, von der Oberfläche zur Rückseite wechselt.
Die am digital gesteuerten Handwebstuhl entstandenen Proben sind von mir in Eigenleistung gewebt. Dadurch habe ich viel Erfahrung sammeln können und verstehe manches in der Computerprogrammierung für das Webprogramm besser. Beim Weben konnte
ich sofort auf Probleme reagieren und diese oft direkt vor Ort beheben.
Um zu testen, welche Ripsart dem Eindruck eines Gobelins nahe kommt, wurden verschieden große Ripsarten auf zwei Webstühlen
gewebt. Die Webstühle besitzen unterschiedliche Dichten von Kettfäden. Die Webstühle werden mit der gleichen Technik betrieben, sie unterscheiden sich nur in ihrer Webbreite und je nach aufgezogener Kette auch in ihrer Kettdichte.
Ein Webstuhl hat eine Kettdichte von 21 Kettfäden/cm, das Kettmaterial ist farbloser Polyamidfaden. Der andere Webstuhl hat eine
Kettdichte von 42 Kettfäden/cm, welche der Kettdichte in der Industrieweberei entspricht, das Kettmaterial ist dunkler Baumwollfaden.
Hierzu legte ich sieben verschiedene Ripsarten an, der Schussfaden überdeckte in den Ripsen vier bis zehn Kettfäden. Es gibt jeweils
sieben Ripsarten für beide Webstühle. Sie werden immer mit der gleichen Schusshöhe gewebt.
Nach den ersten Proben, welche links abgebildet sind, entschied ich mich für zwei Ripsgrößen, welche den Eindruck eines Gobelin
am nähsten kommen. Vgl. linksseitig, Abb. 11, hohe Kettdichte, und Abb. 12, geringere Kettdichte.
Auf einem Centimeter sind fünf Kettfädengruppen. Der Rips soll fein sein, damit ich kleinste Flächen abbilden kann. Weitere Materialproben entstanden.
Ich webte mit verschiedenen Schussmaterialien Gewebestücke, wobei die Anzahl der Schüsse gleich blieb. Ich webte mit weicher,
dicker Wolle, mit starren Leinen und mercerisierter Baumwolle.
Die verschiedenen Schussmaterialien lassen sich unterschiedlich verarbeiten. Manches lässt sich schwer auf die Spule wickeln, manches ist beim Weben starr oder wirft Laschen.
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12 Vergleich : Donats Bindungslexikon
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4. Versuche mit Formen
Um erste Erkenntnisse zu gewinnen, nutzte ich ein schon bearbeitetes Muster. Die Fragestellung, wie sich die Bindungsart beim
Abbilden von Formen verhält, soll beantwortet werden.
Das Muster enthält unterschiedlich schräge Flächen und stärkere sowie flachere Rundungen. Im Laufe der Proben veränderte ich
dieses Muster immer wieder, um es meinen Fragestellungen anzupassen.
Das Gewebe wird nach dem Weben vorerst nicht um 90º gedreht, d.h. die Proben sind in Webrichtung abgebildet.
Die ersten Formversuche, Abb. 13, machten einen guten Eindruck. Formen sind darstellbar.
Die Anzahl der Schüsse war auf drei begrenzt. Damit eine Farbmischung entsteht, verwendete ich abwechselnd zwei Schussfäden, rot
und lachs, in einem Schusssystem.
Um herauszufinden, wie fein der Schussfaden sein muss, verwendete ich verschieden starke Fäden. Sind diese zu dick, rutscht der
Rips nicht zusammen, die Polyamidkette ist sichtbar und die Form ist in die Höhe gezogen. Hier zu sehen an den unteren zwei Gewebeproben.
In der nächsten Gewebeprobe, Abb. 14, wurde die Schussanzahl auf vier, die Farben auf fünf, erhöht. Dies war möglich durch einen
Fadenwechsel beim Webvorgang. Für eine spätere Umsetzung in einer Industrieweberei soll dieser technische Trick nicht mehr genutzt werden.
Es wurden Flächen eingefügt, welche Hachuren, eine für den Gobelin charakteristische Technik, imitieren. Die Hachuren, fr.: Schraffierung, verbinden zwei Farbflächen, in dem der Faden über die angrenzende Fläche und zurück gelegt wird. Der Faden der zweiten
Fläche wird wiederum über die andere Fläche und zurück gelegt. Es entsteht eine Verzahnung der Flächen. Diese Technik wird
genutzt, um malerisch weiche Übergänge von Farbflächen zu schaffen oder um zwei Farbflächen miteinander zu verbinden.
Die Hachuren sind als gelbe und pinke Verzahnungen zu erkennen.
Ab einer bestimmten Steigung franst die Form aus, zu sehen an den Zacken der blauen länglich Form. Innerhalb der kommenden
Proben werde ich dieses Phänomen technisch untersuchen.
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Beim Weben stellte sich heraus, dass die flottierenden Fäden auf der Rückseite den Webvorgang stören. Ich entwickelte ein System,
welches die rückseitigen Fäden ordnet. Dieses System wird in den nächsten Proben immer wieder weiterentwickelt und verbessert.
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An den folgenden Gewebestücken untersuchte ich Farbverläufe und Farbübergänge. Die Fäden mischen sich nicht, sondern bilden
senkrechte Balken, Abb. 15.
Ich untersuchte über mehrere Proben, Abb. 16, Bindungen, welche Farbverläufe und Farbmischungen optimieren.
Dabei entstanden Gedankenansätze, welche die spätere Entwicklung von Farbmischungen vorantreiben.
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Auf der gegenüberliegenden Seite sind weitere Proben, Abb. 17 und Abb. 18, zu sehen. Die Schussanzahl wurde auf sieben
erhöht, damit sich noch mehr Farben einsetzen lassen.
Um zu verstehen wie der Rips auf verschiedene Formen und Strukturen reagiert, wurden geometrische Muster und freihand
gezeichnete Linien eingefügt. Einige Formen wurden mit einer feinen Linie umrandet. Solche Linien sind typisch für den Gobelin, sie grenzen Formen noch klarer voneinander ab.
Zusätzlich ergänzte ich mit einer anderen Bindungsart. Das diente der Untersuchung, ob Muster, z.B. für Gewänder bei einem
Motiv mit Menschen, in die Ripsstruktur integrierbar sind.
Die neu eingefügte Bindung fügt sich nicht in die Struktur und streckt das Gewebe.
In weiteren Proben wurde an dieser Bindung gearbeitet, bis das Gewebe gleichmäßig wuchs und somit alle Formen und Linien
klar dargestellt werden können, Abb 19.
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In mehreren Proben, Abb. 20, Abb. 21 und Abb.22, tastete ich mich an die Verwendung von neuen Farben. Dazu wurde das selbe
Motiv mehrfach mit unterschiedlichen Schussfarben gewebt. Die Höhe der gewebten Stücke variierte. Die Gewebestücke wirken
durch die verschiedenen Farbatmosphären differenziert. Farbvorstellungen für die geplanten Gewebe entstanden.
Die Qualität des Schussmateriales entspricht der späteren Umsetzung.
Die im folgenden entstandenen Gewebeproben wurden am Webstuhl ohne Polyamidkette, sondern mit einer Baumwollkette in hoher Kettdichte, gewebt. Ein Wechsel war notwendig, da es erheblichen Mehraufwand für die Industrieweberei bedeuten würde, eine
Polyamidkette zu nutzen.
Die verwendete Baumwollkette ist glatt und fein. Das Gewebe rutschte ohne Lücken zusammen und nach Anfangsschwierigkeiten
ließ es sich problemlos weben.
Ein Teil, Abb. 23, der Proben am Handwebstuhl wurde auf einer roten Kette gewebt. Durch den Komplimentärkontrast lässt das Rot
die Schussfarben leuchten. Partien, an denen die Kette durchblitzt, verschwinden optisch. Das verwendete Schussmaterial orientiert
sich an der geplanten Farbigkeit der Gartenteppiche.
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In der Vergrößerung des selben Gewebestückes, Abb. 24, sieht man, dass die Ausfransungen, welche in früheren Proben benannt
wurden, behoben sind. Die Form hat jetzt eine glatte Außenkante, so wie sie durch die formenaufbauende Technik in der Wirkerei
entsteht.
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Im Laufe der künstlerischen und technischen Untersuchungen am Handwebstuhl haben sich viele Fragen klären lassen. Die Anzahl
der Schüsse und somit der Schussfarben wurde langsam erhöht. Die eingesetzten Formen und Linien wurden langsam gesteigert .Die
Komplexität des Gewebes ist gestiegen.
Durch den aktuellen technischen Stand kann das Gewebe in der Industrieweberei getestet werden.
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5. Erster Versuch in der Industrieweberei
Die erste Probe für die Industrieweberei wurde vorbereitet.
Die Weberei hat ihren Standort in Franken und stellt in ihrer alltäglichen Arbeit Textilien für Großkunden her.
Es gibt seit längerem eine Zusammenarbeit zwischen dieser Firma und meiner Fachklasse. Seit einigen Jahren werden dort u.a. Gewebe für Diplome realisiert.
Ich gehe kurz auf die Form der Zusammenarbeit ein. Die Weberei erhält technische Daten zu dem zu webendem Textil. Diese Daten
umfassen Schussdichte, die Kettfarbe, die Webbreite, die Länge eines Stückes und gegebenenfalls die Gesamtgröße mehrerer Stücke.
Das Material stellt man selbst. Die Menge, welche für die Umsetzung benötigt wird, lässt sich genau berechnen.
Die Weberei stellt das Gewebe mit der Information der so genannten Jacquarddatei her. Die Jacquarddatei wird in einem der folgenden Kapitel genauer erklärt.
Das gelieferte Gewebe macht einen gobelinartigen Eindruck, die Umsetzung entspricht im wesentlichen den bisher entstandenen
Proben.
Das verwendete Schussmaterial war feiner als das sonst für Proben am Handwebstuhl genutzte. Aus diesem Grund ist die weiße Kette durchzusehen, wodurch die Farben verwaschen wirken. Um dieses Phänomen zu beheben, müsste die Anzahl der Schüsse erhöht
werden.
Durch technische Schwierigkeiten am Rand des Gewebes ist dies im Augenblick nicht möglich. Anders als beim Handwebstuhl wird
der Faden nach jedem Schuss mit speziellen Messern abgeschnitten. Der Rand hat die Funktion die Schussfäden abzubinden, so dass
das Gewebe nicht ausfranst und zusammen hält.
Die vorbereitete Probe resultierte aus den bisherigen Proben am Handwebstuhl. Damit der Vergleich bestmöglich ist, wurde die bis
jetzt genutzte Bildvorlage nicht verändert.
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In der Abbildung sind Ausschnitte des Gewebes zu sehen. Das Motiv wurde auf zwei verschiedene Arten im Webprogramm bearbeitet. Es wurde streng der Länge der Ripse angepasst, Abb.26, und wurde nicht der Ripsstruktur angepasst, Abb. 27.
Bei Abb. 26 wirkt das Gewebe technoid. Die länglichen Formen sind kantig und wirken dadurch abgeschnitten. Der Eindruck einer
gewachsenen, pflanzlichen Form, wie er in Abb. 27 zu sehen ist, geht verloren.
Durch diese Untersuchung wird mir verständlich, wie weit das Motiv an die Webstruktur angepasst werden kann, ohne die pflanzliche Wirkung zu verlieren.
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Im nächsten Versuch in der Industrieweberei sollen Ausschnitte aus Garten 4 umgesetzt werden. Dabei soll das später genutzte
Schussmaterial getestet werden.
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6. Untersuchung malerischer Art
Um die Anordnung der Formen und Farben besser zu verstehen, fertigte ich eine Reihe von kleinformatigen Malereien an. Als Vorlage nutzte ich Ausschnitte aus den Originalzeichnungen.
Die Malereien verstehe ich als begleitende Arbeiten zu meiner Diplomarbeit. Getrennt von diesem Kontext sehe ich sie als eigenständig.
Im Laufe der nächsten Monate entstanden immer wieder Zeichnungen und Malereien, welche sich mit der Frage beschäftigten, wo
endet und beginnt eine Form, wie deutlich muss ich eine Form begrenzen damit diese als solche erkennbar ist. Ich fertigte eine Reihe
von realistischen Zeichnungen an, immer wieder untersuchte ich damit Pflanzen.
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7. Untersuchung zeichnerischer Art
Eine Reihe von zeichnerischen Untersuchungen entstanden, man kann sie als Kartonstudien bezeichnen. Im ersten Schritt entstanden Zeichnungen, hier Umrissformen genannt. Diese wurden im zweiten Schritt farbig ausgemalt. Auf den Begriff des Karton gehe
ich später ein.
Für die Umrissformen legte ich Transparentpapier über originalgroße Farbkopien, dann zeichnete ich die Umrisse nach. Ich wollte
wissen, aus welchen und wie vielen Formen besteht ein Blatt, eine Blüte, ein Baumstamm. Da im Webprogramm klar Umrisse bestimmt werden müssen, wollte ich verstehen, wie diese Formen im Computer aussehen könnten. Dazu war es wichtig meine Originalzeichnungen genauer zu untersuchen. Das Nachzeichnen ist eine intensive Arbeit, welche viel Zeit in Anspruch nimmt. Bei jeder
Linie werden künstlerische Entscheidungen getroffen.
Die Umrisszeichnungen kopierte ich auf dickeres weißes Papier und malte diese mit lichtechten Filzstiften aus. Die Flächen wurden
gestrichelt ausgemalt, um die Optik des Gewebten zu imitieren. Ich war überrascht, wie intensiv auch diese Arbeit ist und wie vielfältig die Erkenntnisse sind, die man daraus ziehen kann.
Für die Farbmischungen orientierte ich mich an den bisher gewebten Farbbelegen, diese unterstützen die zeichnerischen Untersuchungen optimal.
Welche Farbigkeit hat eine Fläche genau, die mit einem braunen und einem blauen Faden gewebt wurde. Wie wirkt ihre Farbigkeit?
Scheint sie blau oder braun oder entsteht eine neue Farbe?
Anders als beim Mischen von flüßigen Farben, wo es tatsächlich eine neue Farbe gibt, ist das Mischen der Fäden eine optische Täuschung. Das Auge erkennt eine neue Farbe, sieht aber eigentlich unterschiedliche Farben.
Ich gewann viele Ergebnisse für die Farbmischungen. Es fällt mir auf, dass manche Flächen wilder gemischt werden dürfen. Damit
meine ich, dass eine grüne Fläche auch Pink enthalten darf und trotzdem grün wirkt. Ich fange an, die Mischung der Schussfarben
komplexer zu denken.
Durch das Vergrößern entstehen zwischen den Pflanzenformen weiße Flächen. Diese Flächen sind in den Originalzeichnungen als
kleine Punkte zu finden. Sie werden als Glitzern interpretiert.
Die frischgewachsenen Blätter des Frühlingsgarten sind mit einer feinen Wachsschicht überzogen. Diese Schicht reflektiert das Licht
und lässt die Pflanzen glitzern.
Die Vergrößerung erfordert neue Interpretationen. Sind die Flächen zu groß, sehen diese Stellen wie Löcher aus und können vom Betrachter nicht den pflanzlichen Formen zugeordnet werden. Weitere Formen, welcher der Ursprungszeichnung untergeordnet sind,
werden in einem bestimmten Rhythmus angeordnet. Diese Formen nenne ich Nebenformen. Die Nebenformen lassen den Eindruck
entstehen, hinter den Pflanzen ist etwas. Das können sein: weitere Pflanzenformen, Erde, Baumstücke oder nichtpflanzliche Dinge.
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Die Abbildungen zeigen die Umrissformen, 31 und 33, sowie die farbigen Zeichnungen, 32 und 34.
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Die Abbildung zeigt eine Umrissform, ein Ausschnitt aus Garten 4.
Zu sehen ist die farbige Zeichnung zu der linksseitigen Umrissform.
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8. Farbuntersuchung
Für die Farbmischungen entwickelte ich eine spezielle Bindung. Diese Bindung mischt die Farben optimal. Benachbarte Flächen, die
nur aus einer Farbe bestehen, werden durch die Farbmischungen nicht verzerrt.
Im folgenden schreibe ich von reinen Farben, damit meine ich eine Farbe, welche mit einem Schussfaden gebildet wird. Farbmischung meint die Bildung von Farben durch zwei oder drei Schussfäden.
Es gibt 28 Farben, die aus zwei Schussfäden bestehen und 56 Farben, die aus drei Schussfäden bestehen. Zusammen mit den reinen
Farben ergibt dies ein Farbspektrum von 92 Farben.
Aus technischen Gründen ist die Anzahl der Schüsse bei der industriellen Jacquardweberei auf acht begrenzt, d.h. die Gewebe werden mit acht Farben hergestellt. Zuerst erschien mir diese Zahl sehr viel, schnell merkte ich, dass immer wieder eine bestimmte Farbe
fehlte. Ein Ersatz lässt sich zwar mischen, erreicht aber nicht den Eindruck der vorgesehenen Farbe.
Ich begann zu experimentieren. Eine Reihe von Webproben, im folgenden Farbbelege genannt, entstanden. Es wurden immer wieder
die gleichen Schüsse benutzt und nur Einer ausgetauscht, um zu sehen, wie sich dadurch der Gesamteindruck der Farbharmonie
verändert.
Für eine optimale Bestimmung der Schussfarben recherchierte ich mit Farbkarte und Originalzeichnungen an den Orten, an welchen
diese entstanden sind.
Ich muss mich für jedes Gewebe für acht Farben entscheiden. Um diesen Prozess zu vereinfachen, fertigte ich schematische Zeichnungen an. Ich schaute die Zeichnung immer wieder an. Welche Farbe kann ich weglassen. Blau oder Braun, Gelb oder Pink, Pink
oder Grün?
Gleichzeitig entstanden gewebte Farbbelege. Durch die Belege entschied ich mich oft um. Es passierte, dass eine Farbe die ich weglassen wollte, mit einer anderen Farbe eine brillante Mischung ergab. Dann nahm ich diese wieder hinzu und reduzierte von neuem auf
acht Farben.
Die Wahl der Schussfarben ist ein Prozess, welcher langsam mit dem Erhöhen der Schussanzahl begann, durch malerische und zeichnerische Untersuchungen gestützt wurde und durch praktische Anwendungen, dem Weben der Farbbelege, zu einer Entscheidung
fand.
Die Schwierigkeit in den Farbmischungen besteht unter anderem darin, dass die Fäden ihre Farbigkeit nicht real materiell, wie z.B.
bei flüssigen Farben, mischen. Die Farben werden in kleinen Einheiten nebeneinander gesetzt. Der Eindruck der Farbmischung entsteht durch optische Leistung beim Betrachter.
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Die Abbildung zeigt eine schematische Zeichnung zu der Farbuntersuchung.
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Linksseitig sind die gewebten Farbbelege abgebildet. Die Nahaufnahmen auf dieser Seite zeigen Ausschnitte der Farbbelege. Diese
sind in der Abbildung um das Doppelte vergrößert.
Die unterschiedliche Wirkung der Fern- und Nahwirkung ist gut zu erkennen.
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Manche Mischungen erscheinen in der Fernwirkung als eine reine Farbe. Die Kombinationen von Weiß mit Blau und Weiß mit
Braun, Abb. 39, wird in der Ferne als aufgehelltes Blau bzw. Braun wahrgenommen. In der Nahwirkung verliert sich diese Wirkung,
die Zusammensetzung durch zwei bzw. drei Farben ist erkennbar.
Es ist feststellbar, dass manche Mischungen in der Vergrößerung wie eine reine Farbe wirken, Abb. 40. Dies sieht man besonders gut
an der Kombination von Lichtgrün mit Tannengrün. Die Farben fügen sich chamäleonartig zusammen.
Obwohl der Kontrast zwischen Grau und Lichtgrün stärker als bei anderen Kombinationen ist, verschmelzen auch hier die beiden
Fäden zu einer Farbe.
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Die Gewebe dürfen eine unterschiedliche Farbatmosphäre haben, sie sollen sich in ihrer Farbigkeit voneinander abheben und insgesamt einen harmonischen Eindruck machen.
Ich entschied mich für insgesamt 14 verschiedene Schussfarben. Die einzelnen Gewebe haben nie die selben Schüsse, bis auf Garten
2 und Garten 3. Obwohl die beiden Zeichnungen in ihrer Farbigkeit deutlich unterschiedlich wirken, benötigen sie doch die gleichen Schussfarben.
Abbildung 41 zeigt die acht Schussfarben für jedes Gewebe. Die Fäden sind als Fadenwickel in einer bestimmten Reihenfolge angeordnet. Dies dient der Übersicht und hilft bei der Planung des Herstellungsprozesses.
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Auf der gegenüberliegenden Seite sind Ausschnitte von Zeichnungen. Diese unterstützten die Untersuchungen zu den Farbmischungen. In immer wieder neuen Kombinationen mischte ich strichelnd zwei und drei Farben.
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9. Vorbereitung der Proben aus der Industrieweberei
Zu Beginn umreiße ich die allgemeine Vorgehensweise der digital gesteuerten Jacquardweberei.
Es wird eine Bildvorlage erstellt. Diese nennt man Bildpatrone. Die Bildpatrone wird ähnlich wie in einem Zeichenprogramm erstellt. Sie zeigt die Flächen an, welche später durch Bindung oder Farbigkeit Formen darstellen.
Es ist möglich, eine digitale Vorlage in das Programm zu importieren. Diese muss dann bearbeitet werden. Dafür werden die einzelnen Formen mit Farben, welche mit Codes hinterlegt sind, belegt. Die Farbcodes sind unabhängig von den Farben einer späteren
Ausführung, sie dienen nur der Codierung von Flächen.
In einer der letzten Schritte werden den Farbcodes Bindungen und Schussfarben zugewiesen. Die Datei, jetzt genannt Jacquarddatei,
besteht nur noch aus Ketthebungen und Kettsenkungen. Diese Information13 steuert die Kettfäden des Webstuhls.
In weiteren Versuchen entschied ich mich für folgende Bearbeitungsweise:
Die Originalzeichnung wurden auf 163 Farben in ihrem Ursprung gelassen. Die restlichen 92 Farbcodes ließ ich frei für die von mir
definierten Farbcodes.
Ich umfuhr mit dem Cursor Formen und belegte diese mit dem entsprechendem Farbcode. Durch diese Arbeitsweise korrigierte ich
keine Formen mehr, sondern fuhr vorhandene Formen nach. Indem ein technischer Stift über einem Zeichenpad geführt wurde, kam
ich dem tatsächlichen Zeichnen sehr nah. Diese Art der Bearbeitung entsprach meinen bisherigen zeichnerischen und malerischen
Untersuchungen.
Die Bearbeitung der Bildpatrone war intensiv und erforderte Konzentration, vergleichbar mit der Konzentration, welche benötigt
wird, um eine Zeichnung herzustellen. In der Bearbeitung selbst schaute ich mir immer wieder die Originalzeichnung an und verglich
sie mit der jeweilig gerade zu bearbeitenden Stelle.
Für die ersten Proben aus der Industrieweberei wählte ich verschiedene Ausschnitte aus Garten 4. Diese waren die selben, welche in
den zeichnerischen und malerischen Untersuchungen genauer betrachtet wurden.
Die Originalentwürfe wurden eingescannt und ich importierte sie in das Webprogramm. Dort wurden zuerst die Farben umgewandelt, da das Programm die Vorlage sonst nicht erkennen kann.
Im Webprogramm gibt es die Möglichkeit 255 Farbcodes zu nutzen. Meine Zeichnungen belegten alle Codes. Das bedeutet die Formen bestanden aus vielen verschiedenen Farbpixeln. Diese mussten einer Form klar zugeordnet werden.
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Ich versuchte mich in verschiedenen Herangehensweisen.
Meine erste Bearbeitungsweise lässt sich folgendermaßen erklären: Ich reduzierte Farben und probierte verschiedene Werkzeuge,
welche das Bildprogramm anbietet, aus. Dies hatte zur Folge, dass Formen verschwanden, spitze Formen gerundet wurden und Formen zusammengezogen wurden, die nicht zusammengehören. Das Bildprogramm ist technoid, die Entscheidung, welche Farbpixel
zu einzelnen Formen gehören, hat nichts mit künstlerischen Entscheidungen zu tun.
Danach wurden die Formen mit Farbcodes belegt. Aufgepixelte Formen wurden als einheitliche Form gekennzeichnet und verloren
gegangene Formen nachgearbeitet.
Die Art der Bearbeitung war ineffizient. Ich korrigierte und ergänzte Formen, da die eigentliche Formensprache durch die Reduzierung verloren gegangen war.
Die Arbeitsweise war nicht direkt. Es gab viele Zwischenschritte: Zeichnung zu Stan, Stan zu Farbumwandlung, Farbumwandlung zu
Farbreduzierung, Farbreduzierung zu Formenverlust, Formenverlust zu Formfindung.
Um eine direktere Arbeitswiese zu erhalten, welche mehr der Art des Zeichnens entspricht, muss ich Zwischenschritte verlieren.
Die Schwierigkeit bestand darin, die Formsprache der Originalzeichnungen zu erhalten.
Ich nutzte die gewebten Farbbelege, um Farbcodes Farbmischungen zuzuweisen. Dafür brachte ich eine durchnummerierte Papierleiste an das Gewebe, Abb. 44.
Die Bildpatrone ist vergleichbar mit einem Gobelinkarton.
Als Karton bezeichnet man die Vorlage, nach der die Wirker einen Gobelin herstellen. Der Karton wird hinter die Kettfäden geklemmt.
Eine Kartonstudie ist eine genaue zeichnerische oder malerische Untersuchung eines Ausschnittes aus dem Entwurf. Dadurch lassen
sich Entscheidungen zum ganzem Karton treffen.
Es ist möglich, dass der Entwurf und der Karton eines Gobelin unterschiedlich sind. Der Karton dient u.a. der Änderung des Entwurfes zur Anpassung an die Gobelinausführung.
Durch die Begrenzung in der Technik dürfen sich z.B. Flächen oder Linien nur bis zu einem bestimmten Grad neigen. Sind in einem
Entwurf solche Stellen, müssten sie in einem Karton an die tatsächlichen Ausführungsmöglichkeiten angepasst werden.
13 Deswegen heißt diese Technik digital gesteuerte Jacquardwebewerei.
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Die Abbildungen auf Seite 44 und 45 zeigen die Bearbeitung der Bildpatrone im Webprogramm von zwei Ausschnitten aus
Garten 4. Zuerst ist die Originalzeichnung zu sehen. Nach und nach wird diese überlagert von den nachgezeichneten Flächen.
Die Farbigkeit der Flächen ähnelt teilweise der späteren Farbigkeit. Manchmal müssen die Flächen aber kontrastreicher sein, um die
Formen besser von einander unterscheiden zu können, um gleichzeitig Pflanzenteile einer Pflanze besser als zugehörig zu erkennen.
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Auf dieser Seite ist die Jacquarddatei des gleichen Bilpatronenausschnittes abgebildet. Die abstrakte Form der Bearbeitung wird hier
noch einmal deutlich. Auf der Abbildung sind keine Formen erkennbar. Die roten und weißen Linien sind eine Codierung, welche
die Kettfäden des Webstuhls steuern.
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Hier sieht man einen Ausschnitt der fertig gestellten Bildpatrone, Garten 4- Mohn, vergrößert. Das Raster teilt die Fläche in einem
bestimmten Rhythmus, welcher von der später zugeordneten Bindungsart abhängig ist.
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10. Auswertung der Proben aus der Industrieweberei
Im Kontakt mit der Industrieweberei kam es zu vielen Absprachen und Überlegungen, wie mein Projekt realisierbar wird. Die
Proben, welche Ausschnitte aus Garten 4 zeigen, stellen das Motiv sehr gut dar. Man kann sehen, dass die Art der Bearbeitung der
Bildpatrone richtig gewählt ist. Die Formen sind klar erkennbar, die Formsprache entspricht den Originalzeichnungen.
Die Farbwahl der Kette, rotbraun, ist optimal. An Rändern von Formen lässt sich ein Durchblitzen der Kette nicht vermeiden. Der
Zufall des Durchblitzens empfinde ich als positiv. Das Rot verstärkt die Farben, lässt sie leuchten und steigert Form und Farbe. Die
abgebildeten, sowie alle folgenden, Gewebe sind nach dem Weben um 90º gedreht. An den senkrecht verlaufenden Schussfäden ist
dies gut zu erkennen.
In den ersten Proben, Abb. 49, ist das Gewebe noch nicht zu meiner Zufriedenheit umgesetzt. Die Schussfäden sind nicht dicht
genug zusammengeschoben. Dadurch ist die Kette zu sehen, die Farben sind getrübt und das Motiv ist um 1/3 in die Breite verzerrt.
Das Gewebe verliert den Eindruck eines Gobelin.
In einem weiteren Versuch ließ sich diese Schwierigkeit nicht beheben. Nach Rücksprachen stellen sich neue Herausforderungen.
Eine Entwicklung für die Rückseite des Gewebes ist notwendig. Für eine reibungslose Umsetzung braucht das Textil dort eine glatte
Fläche. Am Handwebstuhl ist nach mehreren Versuchen eine Lösung für das technische Problem gefunden.
In der Industrieweberei wird sonst mit geringeren Webdichten gearbeitet. Die Schwierigkeiten in der Umsetzung finden sich u.a. darin, dass eine hohe Anzahl von Schussfäden auf einen Centimeter von einer Gewebeseite zur anderen Seite geschossen werden muss.
In der Weberei wurde der Webstuhl für meine Umsetzung umgebaut, um die hohe Schussdichte umsetzbar zu machen.
In einer weiteren Probe, Abb. 50, ist die Umsetzung optimal. Das Motiv hat die geforderte Breite. Die Kette ist innerhalb der einzelnen Farbflächen nicht mehr zu sehen, die Farben sind klar. Das Gewebe wirkt kompakt und stabil.
Der Eindruck eines Gobelin wird erreicht.
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Durch die Proben aus der Industrieweberei fällt auf, dass die weißen Flächen zwischen den Pflanzenteilen manchmal zerteilend
wirken. Das Motiv soll nicht auf den Grund aufgesetzt wirken, sondern mit diesem verschmelzen. Dieses Phänomen wird als Nebenformen schon in den zeichnerischen Untersuchungen benannt.
Zum Teil wird das Weiß benötigt, um Formen klar und abgegrenzt erscheinen zu lassen. Ein Teil des Weißes braucht man, um das
Glitzern der Frühlingslandschaft darzustellen. An der Frage, wie sich der Grund im Motiv auflöst, werde ich in der weiteren Bearbeitung zu Lösungen finden.
Auf der folgenden Doppelseite sind weitere Ausschnitte aus den Proben zu sehen.
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Zu sehen ist ein Ausschnitt, Abb.54, der Probe in Vergrößerung, sowie die Farbbelege, Abb. 53, welche für die Bearbeitung der Bildpatrone genutzt wurden. Durch die Gegenüberstellung lässt sich die Bearbeitungsweise leichter nachvollziehen. Die Farbmischungen, welche in den Farbbelegungen gewebt sind, finden sich als Farbfläche im Motiv wieder.
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11. Weiteres Vorgehen
Durch die aussagekräftigen, gewebten Probestücke konnte und kann ich die Bearbeitung der Bildpatrone fortsetzen. Am Handwebstuhl entstanden weitere Proben, Ausschnitte aus Garten 2 und 3. Ich erhoffte mir dadurch auch Erkenntnisse für die Bearbeitung
von Garten 4.
In den Originalzeichnungen Garten 2 und Garten 3 sind großflächige Stücken Himmel zu sehen. Das Blau, welches ich für diese
Gewebstücke nutzte, ist zu dunkel, um als reine Farbe für den Himmel eingesetzt zu werden. D.h. das Blau muss gemischt werden. In
einer Farbmischung, Abb. 55, mit Grau und Weiß wirken diese Flächen düster.
In einer weiteren Probe, Abb. 56, setzte ich grüne Flächen ein. Diese nehmen die Farbigkeit der Pflanzen als Spiegelung wieder auf.
Der Himmel wirkt dadurch leicht und freundlich. Der Kontrast zwischen den kleinteiligen Pflanzen und dem großflächigen Himmel
ist geringer. Dadurch ist das Gewebe in der Gesamtwirkung harmonischer.
Mir fällt auf, dass Farbmischungen wenn sie größere Flächen füllen, anders wirken als in den Farbbelegen. Eine bestimmte 3- fach
Farbmischung erscheint wie ein Muster innerhalb der einzelnen Form. Zu sehen bei der gelblichen Mischung in Abb. 57. Zusätzlich
durch die gleichmäßige Struktur des Ripses wirkt diese Fläche nicht pflanzlich, sondern technoid. Ist die eingesetzte Fläche der Farbmischung kleiner, Abb.58, ergibt sich ein ausgewogenes Verhältnis. Die Wirkung im Kontrast zu den gleichmäßig wirkenden Farben
ist spannungsvoll.
Eine Ausnahme bilden die Himmelflächen. Bedingt durch die Größe der Gewebe befinden sich diese Flächen oberhalb der Sichthöhe und sind damit nur in der Fernwirkung zu sehen.
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Die Proben unterstützen die weitere Bearbeitung der Bildpatronen. Die digitale Bearbeitung in einem Computerprogramm wird materiell. Sie verliert an Abstraktion und wird direkter. Erst jetzt kann ich mir das komplette Gewebe umgesetzt vorstellen. Diese Vision
treibt mich in meiner weiteren Arbeit an.
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12. Vergleich Gobelin und Jacquardgobelin
Obwohl beide Techniken unterschiedlich sind, weisen sie doch Ähnlichkeiten auf. Ich möchte noch mal auf den Vergleich zwischen
Gobelin und Jacquardgobelin eingehen. Mit Jacquardgobelin meine ich die von mir entwickelte Technik.
In kurzen Punkten vergleiche ich verschiedene Aspekte, wie Entwurf, technische Begrenzungen, Farbspektrum, Materialverbrauch
und Herstellung.
Das Anfertigen eines Gobelinkarton nimmt nur einen Bruchteil der Arbeitszeit seiner Umsetzung in Anspruch. Speziell ausgebildete
Wirker fertigen über einen langen Zeitraum einen Bildteppich nach Vorlage.
Bei dem Jacquardgobelin ist es umgedreht. Die tatsächliche Herstellung dauert nur einen Bruchteil der Anfertigung des Karton. Die
Bearbeitung einer Bildpatrone für die Umsetzung eines Gewebestückes aus dem Gartenteppich mit der Größe 140 x 200cm dauert
so lange wie die Herstellung eines feinen Gobelin in der Größe 20 x 30cm.
Die formenaufbauende Technik des Gobelin wird per Hand ausgeführt und ist eine zeitintensive Arbeit.
Die tatsächliche Herstellungszeit eines Jacquardgobelin ist kurz. Die intensive Arbeit verlagert sich in den Entwurf, die Bearbeitung
und Planung des Gewebes.
Was die Anpassung eines Gobelinentwurfes an den Gobelinkarton ist, entspricht der Bearbeitung der Originalzeichnung zur Bildpatrone. Diese ersetzt hier den Gobelinkarton.
Die Originalzeichnungen sind bei der Bearbeitung im Webprogramm um 90º gedreht. Dies entspricht der Drehung mit der üblicherweise ein Gobelin hergestellt wird. Dadurch wird klar, wie nah sich beide Techniken in ihrem Wesen sind.
Durch die Drehung der Vorlage wird bei der Bearbeitung der Bildpatrone selbstverständlicher die Formensprache der Wirkerei
genutzt. Das bedeutet Formen dürfen sich nur bis zu einem bestimmten Winkel neigen. Farbflächen greifen verzahnend ineinander.
Die Formsprache ist beim Gobelin sowie beim Jacquardgobelin durch die Technik begrenzt. In der Orientierung der Formsprache
am Gobelin wird der Jacquardgobelin authentischer.
Die Bearbeitung der Bildpatrone ist ähnlich der Anfertigung eines Karton. Durch die Benutzung eines Zeichenpads für den Computer wird tatsächlich gezeichnet. Eine technoide Methode wird durch den technischen Stift greifbar.
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Bei dem Jacquardgobelin sind die Farben auf eine bestimmte Anzahl begrenzt. Durch Farbmischung lässt sich trotzdem eine hohe
Farbdichte erreichen. Die reinen, ungemischten Farbflächen entsprechen dem Gobelin.
In der Wirkerei ist die Farbanzahl unbegrenzt, an jeder Stelle können beliebig viele Farben eingefügt werden.
Die Verwendung der Farben bleibt ein deutlicher Unterschied. Durch die Begrenzung beim Jacquardgobelin und die Notwendigkeit
Farben mit Fäden zu mischen, erscheinen bestimmte Farbmischungen aufgespalten.
Der Effekt der Aufpixelung von Farben ist nicht als Hinderniss zu sehen. Gezielt eingesetzt, steigert er die Spannung im Motiv.
Der Verbrauch von Fadenmaterial ist unterschiedlich. Da beim Jacquardgewebe hinter jedem sichtbaren Schussfaden weitere Schussfäden auf der Rückseite sind, erhöht sich der Materialverbrauch entsprechend. Beim Gobelin werden Formen eingefügt, das Material
welches zu sehen ist, wird verbraucht. Die Verwendung von unterschiedlichen Fadenstärken ist durch die formenaufbauene Technik
unkompliziert. Beim Jacquardgobelin werden dafür technische Lösungen benötigt.
Die Struktur eines gewirkten Gewebes ist sehr gleichmäßig. Durch den Formenaufbau entstehen leichte Bewegungen in dieser
Struktur. Dies ist beim Jacquardgobelin nicht möglich, durch die technische Gegebenheit, dass der Schuss gerade von einer Seite zur
anderen verläuft, kann sich ein einzelner Faden nicht nach oben oder unten neigen.
Beim Gobelin ist die Kette vollständig durch den eingewirkten Faden verdeckt. Beim Jacquardgobelin ist die Kette partiell an den
Rändern von Formen zu sehen. Dies ist gezielt eingesetzt eine Steigerung der Imitation des Gobelin.
Das Durchblitzen der roten Kette entspricht dem Eindruck einer Umrandung von Formen, wie sie in der klassischen Wirkerei zu
finden ist. Diese Umrandung entsteht automatisch durch die formenaufbauende Arbeitsweise.
Der Vergleich zeigt auf, wie nah sich beide Techniken trotz der Unterschiede sind. Indem die technischen Möglichkeiten und Begrenzungen entschieden genutzt werden, lässt sich die Ästhetik des Jacquardgobelin auf einen hohen Anspruch steigern. Durch die
Erarbeitung eines Kartons, die Bildpatrone, in digitaler Form werden aktuelle technische Möglichkeiten genutzt.
Es liegt mir fern den Jacquardgobelin dem Gobelin vorzuziehen. Beide Techniken haben unterschiedliche Vorzüge und sind in ihren
Möglichkeiten vielfältig.
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13. Zusammenfassung
Die ursprüngliche Anregung Gobelin in Jacquardtechnik zu übertragen hat zu völlig neuen Erkenntnissen geführt.
Ich stelle mir alle sechs Gewebe umgesetzt vor. Sie hängen in der am Anfang abgebildeten Reihenfolge an einem Platz, welcher mir
noch unbekannt ist.
Der Gartenteppich zeigt einen gewebten Garten. Die Zusammensetzung aus mehreren Teilen entspricht der entdeckenden Sehweise.
Man schaut herum und sieht eine Pflanze ganz aus der Nähe. Danach schaut man an eine andere Stelle und sieht Bäume und Himmel. Plötzlich schweift der Blick in eine andere Richtung und man entdeckt eine weitere Gruppe von Blumen, die man vorher fast
übersehen hätte. Der Blick bleibt dann an einer Tanne hängen. Die jungen Triebe der Zweige leuchten aus dem Nadelgewächs heraus.
Die Pflanzen, welche man entdeckt, sind nicht immer aus der gleichen Perspektive und Entfernung. Es kommt zu Brüchen. Die Brüche finden sich im Gartenteppich durch das Aneinandersetzen wieder.
Die Struktur des Wachsens der Bäume, Sträucher, Blumen, Gräser lassen eine einzigartig schöne Struktur erkennen.
Diese Struktur möchte ich abbilden. Meine phantastische Entdeckung möchte ich aufzeigen, so dass sie sichtbar wird.
Mit der entwickelten Technik fand ich ein optimales Mittel, um diese Struktur zu zeigen. Der Schussfaden, welcher eine starke Richtung aufweist, unterstützt die Darstellung von Gewachsenem.
Die verwendete Technik führt zu Analogien wie Durchflechten, Wachsen, Symbiose. Mein Garten wächst wie das Gewebe während
seiner Herstellung wächst.
Die Botschaft der Pflanzen ist vielfältig. Ob es die Naturerfahrung oder spirituelle Erkenntnis ist, welche fasziniert, ist jedem selbst
überlassen.
Persönlich fasziniert mich die spirituelle Erkenntnis, welche durch die Struktur des Wachsens formuliert wird. Die Pflanze hat Wurzeln. Diese sind tief in der Erde. Die Pflanze wächst in einem bestimmten Tempo, einem der Jahreszeit unterlegenem Rhythmus, aus
dem Boden. Von dort wächst sie Richtung Himmel.
Die Verbindung von Erde und Himmel durch Wachstum erfasst mich tief. In meiner künstlerischen Arbeit drücke ich das Lobpreisen von Wachstum aus.
Durch die Erweiterung der Jacquardtechnik öffne ich mir ein künstlerisches Gebiet, welches in seinem Vorgehen unserer Zeit
entspricht und moderne und aktuelle Techniken nutzt. Die Jacquardtechnik wird um eine Vorgehensweise erweitert. Es besteht die
Chance, dass der Begriff des Bildteppiches eine Neubesetzung erfährt.
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Die Abbildung zeigt den digital gesteuerten Handwebstuhl bei der Entstehung der Farbbelege.
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Quellen
Internetpräsenz für denVertrieb von jacquardgewebten Gobelins14
www.almerlin.de
Museen
www.belgiantapestries.com
Bayrisches Nationalmuseum, Prinzregentenstraße 3, München, Deutschland
www.dhgate.com/tapestry-wall-hanging
Halberstädter Domschatz, Domplatz 16a, Halberstadt, Deutschland
www.gobelins-art.be
Musée Matisse, 164 Avenue des Arènes de Cimiez, Nice, Frankreich
www.ladamealalicorne.com
Musées Royaux d’Art et d’Historie, Abteilung Tapisserie, Place Royale 3, Brüssel, Belgien
Museen Dahlem, Lansstraße 8, Berlin, Deutschland
www.latapisserie.com/aubusson/home
www.medieval-et-templier.com/chevalier/tapisserie
www.millefleurstapestries.com
www.saveontapestries.com
www.tapestriesdirect.co.uk
Literatur
www.tapestries-inc.com
Bednarz, Findeisen, Janke, Krause, Pregla: Kostbarkeiten aus dem Domschatz zu Halberstadt, Verlag Janos Stekovics, 2001, 2. überarbeitete Auflage 2006
www.tapestries-online.com
Delmarcel, Tapisseries, Guide du Visiteur, Imprimerie EGI, 1990
www.tapisseriesdeflandres.com
Franz Donat, Grosses Bindundungs- Lexikon, 300 Tafeln mit 9015 Bindungen, A. Hartleben`s Verlag, Wien und Leipzig, 1901
www.tapisserie-royale.com
www.tapestry-art.com
Heinz Meyer, Textile Kunst: zur Kultursoziologie und Ästhetik gewebter und geknüpfter Bilder, Lang, 2000
Renate Jaques, Deutsche Textilkunst, Rembrandt- Verlag Berlin, 1942
60
14 Die Beispiele sind zuletzt recherchiert im Juli 2012.
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Bildnachweis
Soweit nicht anders angegeben sind die abgebildeten Gewebe, Zeichnungen und Malereien eigene Anfertigungen.
1/ Der Garten 1- 6, zusammengesetzt
2- 7/ Zeichnung, Buntstift auf Büttenpapier, 20 x 30cm, 2009
3/ Der Garten 2
4/ Der Garten 3
5/ Der Garten 4
6/ Der Garten 5
7/ Der Garten 6
8/ Der Perlenkern, 20 x 30cm, Ausschnitt: 8 x 4,5cm, Gobelin, 2007
9/ Halle/ Carl- Robert- Strasse, 80x 108cm, Ausschnitt: 8 x 4,5cm, Jacquardgewebe, 2009, Künstlerin: Nina Hohberger
10/ Jacquardgewebe, industrielle Herstellung, Ausschnitt: 8,8 x 13,2cm, Bezug über: www.millefleurstapestries.com
11/ Jacquardgewebe, 86cm breit, Ausschnitt: 25 x 14cm
12/ Jacquardgewebe, 86cm breit, Ausschnitt: 22 x 12,5cm
13- 24/ Jacquardgewebe, 86cm breit mit unterschiedlichen Höhen, folgend die Größen der abgebildeten Ausschnitte
13/ 9 x 28,5cm
14/ 4,8 x 20cm
15/ 2,6 x 28,5cm
16/ 5 x 28,5cm
17/ 14 x 28,5cm
18/ 3 x 28,5cm
19/ 3 x 28,5cm
20/ 9 x 28,5cm
21/ 1,3 x 28,5cm
22/ 2,8 x 28,5cm
23/ 1,3 x 28,5cm
24/ 1,3 x 5,5cm
25- 27/ Jacquardgewebe aus der Industrieweberei, folgend die Größen der abgebildeten Ausschnitte
25/ 12 x 28,5cm
26/ 4,5 x 7,5cm
27/ 4,5 x 7,5cm
28/ Mohn, 40 x 50cm, Acryl auf Leinwand, 2011
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29/ Löwenzahn, 40 x 50cm, Acryl auf Leinwand, 2011
30/ Lichtnelken, 40 x 50cm, Acryl auf Leinwand, 2011
31- 36/ Kartonstudie auf Papier, 27,5 x 41cm
31/ Garten 1, Tanne
32/ Garten 1, Tanne, farbig
33/ Garten 4, Busch
34/ Garten 4, Busch, farbig
35/ Garten 4, Mohn
36/ Garten 4, Mohn, farbig
37/ schematische Zeichnung, 20 x 30cm
38- 40/ Jacquardgewebe, Farbbelege, 86cm breit, folgend die Größen der abgebildeten Ausschnitte
38/ 57 x 86cm
39/ 1,8 x 8,8cm
40/ 1,8 x 8,8cm
41/ Fadenwickel auf Papier, 27 x 15cm, 5 Stück
42/ Farbstriche, Zeichnung, 30 x 20cm, Ausschnitt: 23 x 17,5cm
43/ Farbstriche, Zeichnung, 30 x 20cm, Ausschnitt: 23 x 11cm
44/ Jacquardgewebe, mit Papierleiste, 5 x 86cm
45- 47/ Bildpatrone
45/ Garten 4, Mohn
46/ Garten 4, Busch
47/ Garten 4, Mohn, Detail
48/ Jacquarddatei, Garten 4, Mohn
49- 52/ Jacquardgewebe aus der Industrieweberei, folgend die Größen der abgebildeten Ausschnitte
49/ Garten 4, Busch, 7 x 20cm
50/ Garten 4, Busch, 7 x 20cm
51/ Garten 4, Mohn, 25,5 x 19,5cm
52/ Garten 4, Busch, 16 x 19,5cm
53/ Jacquardgewebe, Farbbelege, Ausschnitte gesamt: 1,3 x 86cm
54/ Jacquardgewebe aus der Industrieweberei, Garten 4, Mohn, Ausschnitt: 12,5 x 15,8cm
55/ Jacquardgewebe, Garten 3, Himmel, Ausschnitt: 10 x 10,8 cm
56/ Jacquardgewebe aus der Industrieweberei, Garten 3, Himmel, Ausschnitt: 8,8 x 10,2cm
57/ Jacquardgewebe, Garten 2, Baum, Ausschnitt: 7 x 8,8cm
58/ Jacquardgewebe, Garten 3, Erde, Ausschnitt: 7 x 8,8cm
59/ Photo, digital gest. Handwebstuhl in der Textil-und Gobelinmanufaktur Halle/S., 2011,
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Erklärung an Eides Statt
Hiermit erkläre ich, Ulrike Crodel, an Eides Statt, das die vorgelegte Diplomarbeit von mir Selbst und ohne die unzulässige Hilfe
Dritter verfasst wurde, auch in Teilen keine Kopie anderer Arbeiten darstellt und die benutzten Hilfsmittel sowie die Literatur vollständig angegeben sind.
Halle, im Oktober 2012
www.ulrikecrodel .de