Okuläre Allergien

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Okuläre Allergien
Augenärztliche Fortbildung
Okuläre Allergien
(Ocular allergies)
Dominika Rachwalik, Uwe Pleyer
Berlin
Zusammenfassung: Weltweit steigen die Zahlen der Allergieerkrankungen. Allergien des
Auges sind häufig, jedoch oft unterdiagnostiziert, unterschätzt und untertherapiert. Die Abgrenzung der verschiedenen allergischen Konjunktivitiden ist eine Grundvoraussetzung für
die Einleitung einer optimalen Therapie. Um Langzeitschäden zu vermeiden, wird zudem
eine adäquate interdisziplinäre Betreuung notwendig. Dieser Beitrag gibt einen Überblick
über das Spektrum der klinischen Bilder und das Verständnis ihrer immunologischen Mechanismen. Des Weiteren werden entsprechende Therapien sowie neue immunologische
Behandlungsansätze vermittelt.
Z. prakt. Augenheilkd. 36: 169 –182 (2015)
Schlüsselwörter: allergische
Konjunktivitis, atopische
Kerato­konjunktivitis, giganto­
papilläre Konjunktivitis,
immunmodulierende Therapie,
perenniale Konjunktivitis,
saisonale Konjunktivitis,
vernale Keratokonjunktivitis
Summary: Ocular allergies are common but often underdiagnosed, underestimated and
under­treated. Worldwide the numbers of allergic diseases increase and thus the suffering
of those affected. Therefore, the definition of various allergic conjunctivitis is a prerequisite
for initiation of an optimal therapy. In order to prevent long-term damage is also an adequate
inter­disciplinary care is required. This paper gives an overview of the spectrum of clinical presentations and the understanding of their immunological mechanisms. In addition to appro­
priate therapies, as well as new immunmodulatory therapies are thought.
Z. prakt. Augenheilkd. 36: 169 –182 (2015)
Key words: allergic
conjunctivitis, atopic kerato­
conjunctivitis, gigantopapillary
conjunctivitis, immuno­
modulatory therapy,
perennial conjunctivitis,
seasonal conjunctivitis,
vernal keratoconjunctivitis
Definition und Klassifikation
der allergischen Konjunktivitis
Unter einer allergischen Konjunktivitis
versteht man entzündliche Prozesse der
Binde­haut (Tunica conjunctiva) aufgrund
spezifischer Abwehrreaktionen des Immunsystems. Sie umfasst ein breites Spektrum
an unterschiedlichen Krankheitsbildern. Insgesamt werden fünf klinische Formen der
allergischen Konjunktivitis unterschieden:
n saisonale allergische Konjunktivitis (SAC)
n perenniale allergische Konjunktivitis (PAC)
n vernale Keratokonjunktivitis (VKC)
n atopische Keratokonjunktivitis (AKC)
n gigantopapilläre Konjunktivitis (GPC)
Pathogenese
Die allergische Reaktion am Auge ist oft
sehr stark ausgeprägt. Dies kann durch die
morphologischen Besonderheiten des äußeren Auges erklärt werden. Da sowohl in
der Lid- als auch in der Bindehaut eine hohe
Dichte an Mastzellen vorliegen, herrschen
dort ideale Bedingungen für eine Hyper­
sensibilitätsreaktion [14, 25].
Über organisiertes und diffuses lymphatisches Gewebe können unter anderem Anti­
gene erkannt und Effektorzellen aktiviert
werden. Als CALT (conjunctiva associated
lymphoid tissue) wird das lymphatische
Gewebe des äußeren Auges bezeichnet,
das Tränendrüse, Konjunktiva sowie die ableitenden Tränenwege umfasst. Über spe-
Unabhängigkeitserklärung der
Autoren: Der Autor bestätigt, dass
kein Interessen­konflikt vorliegt.
Sofern in dieser Zeitschrift
eingetragene Warenzeichen,
Handelsnamen und Gebrauchs­
namen verwendet werden, auch
wenn diese nicht als solche
gekennzeichnet sind,
gelten die entsprechenden
Schutz­bestimmungen.
Z. prakt. Augenheilkd. 36: 169 –182 (2015)169
D. Rachwalik, U. Pleyer: Okuläre Allergien
Die saisonale und perenniale
Konjunktivitis sind die
häufigsten Formen der
allergischen Konjunktivitis
mit einer Inzidenz von
insgesamt 15 bis 20 %
in der Bevölkerung.
zialisierte Gefäße ist es den lymphatischen
Zellen möglich, zwischen den verschiedenen
lymphatischen Geweben zu zirkulieren. Mit
Hilfe von antigenpräsentierende Zellen (APC
= antigen-presenting cells) werden Anti­gene
erkannt und Effektorzellen aktiviert, um
schließlich T-Helferzellen vom Typ II (Th2)
auszubilden. Dabei werden Immunmodulatoren wie Zytokine sezerniert, welche an den
Entzündungsreaktionen beteiligt sind.
Eine der häufigsten Ursachen der allergischen Konjunktivitis ist die klassische Immunglobulin(Ig)E-vermittelte Sofortreaktion
oder Typ I-Allergie. Typisch ist eine schnelle,
innerhalb von Sekunden oder Minuten stattfindende Reaktion des Immunsystems auf
das Allergen (Abbildung 1). Kennzeichnend
ist die Degranulation der Mastzellen und die
Freisetzung von Mediatoren wie Histamin
und inflammatorischen Zytokinen.
Die Voraussetzung hierfür ist ein Erst­kontakt
mit dem Allergen, der in der Regel über längere Zeit zuvor klinisch symptomlos verläuft.
Diese Sensibilisierungsphase ist gekennzeichnet durch die Erkennung und Präsentation der Allergenfragmente an MHC-II
Moleküle durch antigenpräsentierende Zellen, wie z. B. dendritische Zellen.
Abbildung 1: Pathogenese der Typ I-Allergie
170
Unter dem Einfluss verschiedener Zytokine
(Interleukin IL-4, IL-9, IL-13) werden T-Helfer­
zellen induziert (Th2-Immunreaktion). Die
Th2-Zellen sezernieren insbesondere IL-4,
welches zusätzlich die Aktivierung der
B-Zellen bewirkt und damit die Bildung von
Plasmazellen und allergenspezifischen IgE
fördert. Das präformierte IgE bindet sich anschließend an Mastzellen und in geringerem
Ausmaß an basophile Granulozyten. Beim
Zweitkontakt bindet sich das Allergen an
das auf den Mastzellen vorhandene IgE, so
dass Histamin ausgeschüttet wird und eine
Früh- oder Sofortphase eintritt. Die massive
Ausschüttung von Histamin, Zytokinen und
weiteren Entzündungsmediatoren führt zu
typischen akuten Beschwerden. In der Spätphase, nach rund 4 – 12 Stunden findet eine
mastzellvermittelte Aktivierung von Eosinophilen und T-Zellen statt.
Saisonale allergische Konjunktivitis
und perenniale allergische
Konjunktivitis
Die saisonale (SAC) und perenniale (ganzjährige, PAC) Konjunktivitis sind die häufigsten
Formen der allergischen Konjunktivitis mit
einer Inzidenz von insgesamt 15 bis 20 %
in der Bevölkerung [38]. Die spezifischen
IgE-Antikörper sind in fast allen Fällen bei
beiden Formen zu finden [7].
Während die SAC und PAC weitgehend
identisch sind, unterscheiden sich sowohl
Zeitpunkt und Dauer der Erkrankung als
auch die auslösenden Allergene. Die SAC
beginnt meist bereits in der frühen Kindheit
und zeigt nicht selten einen zweiten Erkrankungsgipfel zwischen dem 18. und 35.
Lebensjahr. Die häufigsten Allergene sind
Baum- und Gräserpollen sowie Pilzsporen.
Während die SAC vorwiegend im Frühling
und Sommer auftritt, verursacht die PAC das
ganze Jahr über Symptome. Zusätzlich sind
bei der PAC eine Reaktion auf Hausstaub­
milben und Tierhaare nachweisbar.
Z. prakt. Augenheilkd. 36: 169 –182 (2015)
D. Rachwalik, U. Pleyer: Okuläre Allergien
Symptome und Diagnostik
Die Kardinalsymptome der SAC und PAC
sind transiente akute oder subakute Attacken mit Rötung, Tränenfluss, Brennen und
Juckreiz assoziiert mit Niesen und Nasenfluss. Die Sehkraft ist nicht verändert oder
lediglich aufgrund des starken Tränenflusses gering vermindert. An der Spaltlampe
erhobene Befunde können eine gering bis
mäßig konjunktivale Hyperämie und Chemosis aufzeigen (Abbildung 2). Die Augenlider
und Hornhaut sind von dem allergischen Geschehen nicht betroffen [13].
Anhand der Anamnese und der klinischen
Befunde kann die Diagnose gestellt werden.
Ein „Provokationstest“ oder ein Prick-Test
können die Diagnose zusätzlich sichern (Tabelle 1). In Einzelfällen ist die Bestimmung
von Gesamt- und allergenspezifischem IgE
mittels RAST (Radio-Allergo-Sorbent-Test) im
Serum sinnvoll. Die IgE-Analyse der Tränen
kann mit einem neuen Testverfahren (Allerwatch-Test), das auf der Immunochromatographie basiert, leicht und schnell bestimmt
werden. In der Studie von Mimura konnte eine
positive Korrelation des Gesamt-IgE in den
Tränen mit dem gesamten und spezifischen
IgE im Serum gezeigt werden [26].
Differentialdiagnosen der SAC und PAC
Differentialdiagnostisch ist eine infektiöse
Konjunktivitis verursacht durch Bakterien
oder Viren auszuschließen. In der Regel
sind wie bei der allergischen Konjunktivitis
beide Augen betroffen, allerdings erkrankt
bei der infektiösen Konjunktivitis das eine
Auge 1 – 2 Tage vor dem anderen. Meist ist
der Befund frühmorgens ausgeprägter als im
Tagesverlauf und das Leitsymptom Juckreiz
fehlt. Eine weitere Differentialdiagnose ist
Tabelle 1: Diagnostische Abklärung einer allergischen Konjunktivitis
Anamnese
allgemeine Anamnese, Symptome, zeitlicher Zusammenhang
des potentiellen Allergens mit der allergischen Reaktion,
Klassifikation der allergischen Reaktion
Ophthalmologische
Untersuchung
Klinischer Befund!!
Labor
Gesamt-IgE mit Radio-Immun-Sorbens-Test (RIST),
spezifisches IgE mit Radio-Allergo-Sorbens-Test (RAST),
ggf. allergienspezifisches IgG, ggf. zelluläre
Allergenstimulations­tests (Histamin-Freisetzungstest,
Basophilen-Aktivierungstest), ggf. Tränenfilmanalyse
Provokationstest
ggf. Prick-, Intrakutan- oder Scratch-Test
histologische
Untersuchung
ggf. Biopsie
Abbildung 2a: Saisonale allergische Konjunktivitis mit konjunktivaler Hyperämie am oberen Tarsus
Abbildung 2b: Saisonale allergische Konjunktivitis mit Chemosis
der Konjunktiva
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D. Rachwalik, U. Pleyer: Okuläre Allergien
Tabelle 2: Überblick der verschiedenen Formen der allergischen Konjunktivitis
Krankheitsbild
saisonale
Konjunktivitis
(SAC)
und perenniale
Konjunktivitis
(PAC)
Kerato­
conjunctivitis
vernalis (VKC)
atopische
Kerato­
konjunktivitis
(AKC)
gigantopapilläre
Konjunktivitis
(GPC)
172
Ätiologie
oft assoziiert mit
einer Rhinitis
n saisonale
Allergene
n ganzjährige
Allergene
n genetische
Prädisposition
n assoziiert mit
Atopie
n saisonale
Allergene
n genetische
Prädisposition
n Th -Aktivierung
2
n assoziiert
mit atopischer
Dermatitis
n Umwelt­
allergene
n genetische
Prädisposition
n Th -Aktivierung
2
n Kontaktlinsen
Kontaktlinsen­
pflegemittel
n Augen­
prothesen
n Limbus­
dermoide
n Fremdkörper
n n Symptome
Juckreiz
Rötung
n Chemosis
n Sekret
Diagnose
Anamnese
okuläre
Provokation
n Prick-Test
n IgE im Tränen­
film
n Eosionophile im
Ausstrich
n n n n extremer
Juckreiz
n muköses Sekret
n Riesenpapillen
n Trantas dots
n Überwiegend:
3.– 20. Lebens­
jahr (m)
n Lidbeteiligung
Juckreiz
n Brennen
n chronische
Rötung
n Hornhaut­
pannus
n Ulkus
n Katarakt
n Überwiegend
20. – 50.
Lebens­jahr
Klinik
Anamnese
n spezifisches
IgE im Tränen­
film, Serum
Differenzial­
diagnosen
infektiöse
Konjunktivitis
(Chlamydien,
Viren, Bakterien)
n Trockenes Auge
n n n n n Klinik
Anamnese
n Prick-Test
n Eosionphile
in Ausstrich/
Tränen
n spezifisches IgE
im Serum
AKC
Blepharitis
VKC
Blepharitis
n Kontakt­
dermatitis
n Trockenes Auge
n okuläres
Pemphigoid
Begleitende
Maßnahmen
Allergenkarenz
kalte Kom­
pressen
n spezifische
Immuntherapie
n n n Allergenkarenz
kalte Kom­
pressen
n Allergenkarenz
psychosoziale
Betreuung
n n n n n n n n Papillen im
Bereich des
oberen Tarsus
n Fremdkörper­
gefühl
n Chemosis
n Rötung
n Juckreiz
n zähes, muköses
Sekret
n IgE auf
Kontakt­linsen
n Biopsie:
Lymphozyten,
Mastzellen, kei­
ne Eosinophile
n Eotaxin und
LTC4 in Tränen
n VKC
Infektiöse
Konjunktivitis
n Blepharitis
n Trockenes Auge
n n Kontaktlinsen­
karenz
n Wechsel von
Kontaktlinsen­
pflegemittel
n Entfernung
von exponier­
ten Nähten,
Fremdkörpern,
Augenprothesen
n Medikamentöse
Therapie
Lokal:
Antihistaminika,
Mastzell­
stabilisatoren
n Selten:
Kortikoide
n Lokal:
Antihistaminika,
Mastzell­
stabilisatoren,
Kortikoide,
Calcineurin­
inhibitoren
n Systemisch:
Antihistaminika,
(selten)
Kortikoide
n Lokal/
systemisch:
Antihistaminika
n Lokal:
Mastzell­
stabilisatoren,
Kortikoide,
Calcineurin­
inhibitoren
n Lokal:
Antihistaminika,
Mastzell­
stabilisatoren
n Z. prakt. Augenheilkd. 36: 169 –182 (2015)
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das Trockene Auge mit Symptomen eines
Fremdkörpergefühls und Augenbrennen (Tabelle 2).
Vernale Keratokonjunktivitis
Die vernale Keratokonjunktivitis (VKC) ist eine überwiegend beidseitige, rezidivierende
Konjunktivitis. Sie tritt schubweise bevorzugt
im Frühjahr auf, weshalb sie auch als „Frühjahrskatarrh“ bezeichnet wird. Während sie
in warmen, trockenen Klimaregionen eine
häufige Augenerkrankung darstellt [21], tritt
sie in Mitteleuropa mit einer Prävalenz von
1,2 bis 10,6 Fällen auf 10 000 Menschen
seltener auf [10]. Betroffen sind vorwiegend
Jungen (m : w zirka 3 : 1) bis zur Pubertät.
Später gleicht sich die Geschlechtsverteilung
bis zum 20. Lebensjahr wieder an [24].
In vielen Fällen ist die VKC bei Kindern eine
selbstlimitierende Erkrankung und kann nach
der Pubertät zum Abklingen kommen [21].
Allerdings heilen die konjunktivalen Veränderungen teilweise unter Narbenbildung ab. In
einer Studie konnte jedoch gezeigt werden,
dass die beschriebene Visus­minderung bei
27 % von 120 Patienten häufiger im Zusammenhang mit Nebenwirkungen der Therapeutika standen (Kataraktentwicklung bei
langfristiger Steroidapplikation) als direkt
durch den Krankheitsverlauf verursacht
wurden [15].
Hinweise für eine geschlechtsspezifische
Pathogenese werden im Epithel der tarsalen
Bindehaut vermutet. Hier wurden bei VKCPatienten Östrogen- und Progesteronrezeptoren nachgewiesen. Dies kann darauf
hinweisen, dass Sexualhormone möglicherweise die Aktivität der Eosinophilen bei Patienten mit VKC beeinflussen können [8].
Die Ätiologie der VKC ist bisher weiterhin unklar. Häufig zu beobachten ist die genetische
Prädisposition für Atopie (30 – 40 %) mit Asthma bronchiale (27 %), Rhinitis (20 %) und
Hautekzem (10 %) [21, 24, 33]. Gemäß einer
neuen Klassifikation der EAACI (European
Academy of Allergy and Clinical Immuno­
logy) werden Überempfindlichkeitsreaktionen am Auge – insbesondere die VKC und
die AKC – in IgE- sowie in nicht-IgE-vermittelte Immunreaktionen eingeteilt [23]. Nach
der Identifizierung des immunologischen
Mechanismus kann eine mögliche immun­
modulatorische Behandlung in Betracht gezogen werden. Im Gegensatz dazu kann bei
nicht-allergischem Geschehen eine andere
Therapiestrategie berücksichtigt werden.
Symptome und Diagnostik
Leitsymptome der VCK sind persistierender
Juckreiz, ausgeprägte Photophobie bis hin
zum Blepharospasmus, Fremdkörpergefühl
und ein zähes, entzündliches Sekret. Der
Begriff „morgendliches Elend“ beschreibt
sehr treffend die insbesondere morgens
ausgeprägte, auch psychisch belastende
Situation. Nach der Lokalisation unter­
scheidet man eine
n tarsale Form
n limbale Form
n gemischte Form.
Zur weiteren Diagnostik kann neben einer allergologischen Abklärung eine histologische
Untersuchung des Gewebes vorgenommen
werden. Die Einteilung der Schweregrade
der VKC erfolgt insbesondere anhand von
konjunktivalen und tarsalen Veränderungen
nach Bonini et al. (Tabelle 3).
Tarsale Form
Die tarsale Form ist charakterisiert durch die
Ausbildung von zirka 10 – 20 Riesenpapillen
mit einem Durchmesser > 1 mm, überwiegend im oberen tarsalen Bindehautbereich
[4]. Um die „pflastersteinartigen Veränderungen“ zu diagnostizieren, ist es unbedingt
notwendig, doppelt zu ektropionieren. Durch
die pflastersteinartigen Veränderungen kann
es zum Auftreten einer Pseudoptosis kommen. Im akuten Stadium können die Riesenpapillen an Größe zunehmen und von zähem
Mukus bedeckt sein (Abbildung 3).
Die vernale Kerato­
konjunktivitis (VKC) ist eine
überwiegend beidseitige,
rezidivierende Konjunktivitis.
Leitsymptome der VCK sind
persistierender Juckreiz,
ausgeprägte Photophobie
bis hin zum Blepharo­
spasmus, Fremdkörper­
gefühl und ein zähes,
entzündliches Sekret.
Die tarsale Form ist
charakterisiert durch die
Ausbildung von zirka 10 – 20
Riesenpapillen mit einem
Durchmesser > 1 mm,
überwiegend im oberen
tarsalen Bindehautbereich.
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D. Rachwalik, U. Pleyer: Okuläre Allergien
Die limbale Form der VKC ist
seltener und tritt eher in
Asien und Afrika auf. Es
bestehen eine diskrete
Schwellung im Übergangs­
bereich von Binde- und
Hornhaut mit Ödem,
Hyperämie und Trantas­
flecken.
Limbale Form
Die limbale Form ist seltener und tritt eher in
Asien und Afrika auf [24]. Es bestehen eine
diskrete Schwellung im Übergangsbereich
von Binde- und Hornhaut mit Ödem, Hyperämie und Trantasflecken („Trantas dots“) (Abbildung 4). Dies sind kleine gelb-weiße Ablagerungen aus degenerierten eosinophilen
Granulozyten und Epithelablagerungen. Die
Ablagerungen können bei farbigen Patienten pigmentiert erscheinen. Unter adäquater
Therapie können die Läsionen abheilen und
sich vollständig zurück bilden. Gelegentlich
verbleibt ein vernarbter Limbus.
Gemischte Form
Die gemischte Form ist eine Mischung aus
tarsaler und limbaler Form.
Komplikationen
Als Komplikationen werden die Ausbildung
eines Schildulkus („Shield ulcer“) und die
Ablagerung von Mukus und Zelldetritus
(„Vernalis-Plaque“) beschrieben (Abbildung
5). Das Schildulkus ist charakterisiert als
flaches, schmerzloses Hornhautulkus, der
meist im oberen Bereich der Hornhaut auftritt. Die oft sehr langsame Reepithelialisierung ist hervorgerufen durch die im Mukus
enthaltenen Entzündungsmediatoren und
epitheltoxischen Substanzen. Die Abheilung
erfolgt oft mit Narbenbildung der Hornhaut
und damit verbundener Visusminderung.
Daher sollte der Patient angehalten werden,
den Mukus regelmäßig zu beseitigen.
Ein praktischer Tipp: Der Mukus kann
mit Hilfe eines Wattestäbchens oder eines feuchten Wattetupfers entfernt werden. Dabei wischt man vom äußeren zum
inneren Lidwinkel aus.
Atopische Keratokonjunktivitis
Die atopische Keratokonjunktivitis (AKC)
zeigt einen ähnlichen klinischen Verlauf wie
die VKC. Sie tritt unter Beteiligung beider
Tabelle 3: Einteilung der Schweregrade bei VKC nach Bonini et al. [6]
Grad
Symptome
konjunktivale
Hyperämie
konjunktivale
Sekretion
Vorhandensein
von Papillen
Trantasflecken
Hornhaut­
beteiligung
0 ruhig
fehlend
fehlend
fehlend
gering bis mäßig
fehlend
fehlend
1 mild
mild und verein­
zelt
gering
fehlend/gering
gering bis mäßig
fehlend
fehlend
2A moderat
zeitweilig
mild bis zeitweilig gering
mäßig
gering
gering bis schwer fehlend
fehlend
2B moderat
andauernd
gering bis
gering bis mäßig
andauernd mäßig
gering bis mäßig
gering bis schwer fehlend
wenige punktuelle
Hornhauterosionen
3 schwer
mäßig bis andau­ mäßig bis schwer mäßig bis schwer mäßig bis schwer wenige
ernd schwer
punktuelle Horn­
hauterosionen
4 sehr schwer
andauernd
schwer
mäßig bis schwer schwere
mäßig bis schwer viele
korneale Erosio­
nen und Ulzera
5 Narbenstadium
fehlend bis mild
vereinzelt
fehlend/gering
geringe bis
schwere Fibrose
fehlend
174
fehlend
fehlend
Z. prakt. Augenheilkd. 36: 169 –182 (2015)
D. Rachwalik, U. Pleyer: Okuläre Allergien
Abbildung 3a: Vernale Konjunktivitis mit Riesenpapillen und Mukus
Abbildung 3b: Vernale Konjunktivitis mit Verschmelzung der Papillen
Abbildung 4a: Limbale Form der vernalen Konjunktivitis mit „gelatinösen“ Trantasflecken am Limbus
Abbildung 4b: Limbale Form der vernalen Konjunktivitis mit Tantras
dots und Neoangiogenese
Abbildung 5a: Keratopathie bei vernaler Konjunktivitis mit Schild­
ulkus
Abbildung 5b: Keratopathie bei vernaler Konjunktivitis mit Schild­
ulkus
Z. prakt. Augenheilkd. 36: 169 –182 (2015)175
D. Rachwalik, U. Pleyer: Okuläre Allergien
Die Leitsymptome der AKC
sind Hautveränderungen, die
meistens das Gesicht und die
Augenlider betreffen.
Als Komplikationen können
Bakterien- und Pilz­
infektionen sowie aggressive,
oft therapieresistente
Herpes-simplex-Keratitiden
auftreten.
Augen vorwiegend im jungen Erwachsenenalter auf. Ein Leitsymptom ist hierbei die atopische Dermatitis, die häufig als erstes Symptom und teilweise auch ohne okuläre Beteiligung auftritt. Die Entzündung manifestiert
sich bevorzugt an Prädilektionsstellen wie
den Kniekehlen, den Ellenbeugen, Streckseiten der Extremitäten und im Gesicht.
Triggerfaktoren wie Stress, psychologische
Belastungssituationen, Wärme- oder Kälteexposition können zur Verschlimmerung der
Symptome führen.
Symptome und Diagnostik
Die Leitsymptome der AKC sind Hautveränderungen, die meistens das Gesicht und
die Augenlider betreffen. Zusätzlich gibt die
Familien­anamnese wertvolle Hinweise auf
eine mögliche genetische Prädisposition für
allergische Erkrankungen. Die Hautveränderungen sind gerötet, verdickt und gehen
häufig mit begleitenden Staphylokokkeninfektionen (> 60 %) einher. Oft zeigt sich ebenfalls eine begleitende chronische Blepharitis.
Die Bindehaut ist vorwiegend inferior palpebral betroffen. In der akuten Phase kommt
es zu einer Chemosis und konjunktivalen
Hyperämie [2]. Zu Beginn können Papillen
Abbildung 6a: Atopische Keratokonjunktivitis mit Lidbeteiligung
176
auftreten, die sich im Verlauf einer Exazerbation zu Riesenpapillen ähnlich wie bei der
VKC entwickeln können. Ebenso können
Trantasflecken vorkommen.
Im Verlauf der chronischen Entzündung
können diffuse Hornhautinfiltrate und Ver­
narbungen der Bindehaut auftreten, welche zur Symblepharonbildung mit Fornixverkürzung führen können (Abbildung 6).
Punkt­förmige Epithelerosionen vor allem im
unteren Hornhautdrittel und ausgeprägte
Hornhaut­pannusbildung mit Neovaskularisation und ulzerativer Keratitis sind weitere sekundäre Veränderungen. Sie sind die
Hauptursache für einen Visusverlust bei der
AKC. Die Prognose der Heilung der chronisch verlaufenden AKC ist daher problematisch und hängt wesentlich vom Ausmaß der
Hornhaut­beteiligung ab.
Als Komplikationen können Bakterien- und
Pilzinfektionen sowie aggressive, oft therapieresistente Herpes-simplex-Keratitiden
auftreten. Die Pathogenese weiterer Veränderungen wie Keratokonus und posteriore subkapsuläre Katarakt ist bisher unklar.
Anamnese und klinischer Befund gestatten
meist eine rasche Diagnose. Die Immundia­
gnostik umfasst die Bestimmung des Ge-
Abbildung 6b: Schwere Keratopathie mit Epitheldefekten und Vaskularisation im unteren Hornhautdrittel sowie Ausbildung eines
Symblepharons
Z. prakt. Augenheilkd. 36: 169 –182 (2015)
D. Rachwalik, U. Pleyer: Okuläre Allergien
samt-IgE, um alle freien IgE-Antikörper zu erfassen. Zusätzlich können Allergen-spezifische IgE-Antikörper nachgewiesen werden,
um die konkrete Allergenquelle zu ermitteln.
Gigantopapilläre Konjunktivitis
Die gigantopapilläre Konjunktivitis (GPC) ist
eine immunologisch-allergische Reaktion
der Bindehaut mit Ausbildung von Papillen
ähnlich wie bei der VKC ohne Beteiligung
der Hornhaut [11]. Am häufigsten wird sie in
Verbindung mit Kontaktlinsen und Kontaktlinsenpflegemittel beobachtet (Abbildung 7).
Es wird angenommen, dass etwa 1 – 5 % aller Träger von weichen Kontaktlinsen und bis
zu 10 % aller Träger von harten Kontaktlinsen
betroffen sind.
Weitere auslösende Faktoren können aber
auch Augenprothesen, Fremdkörper, Limbusdermoide, Zustand nach filtrierendenden
Glaukomoperationen und anderen Veränderungen am äußeren Auge sein, welche die
Augenoberfläche beeinträchtigen [5].
Symptome und Diagnostik
Das morphologische Bild der GPC ist gekennzeichnet durch Papillenbildung der Bindehaut im Bereich des oberen Tarsus bei
Kontaktlinsenträgern. Die Papillen sind meist
relativ homogen mit einer mittleren Größe von
etwa 0,3 mm. Selten werden Riesenpapillen
mit einem Durchmesser > 1 mm ähnlich der
VKC beobachtet. Begleitende Sym­ptome
und Befunde sind Fremdkörpergefühl, Chemosis, konjunktivale Hyperämie, Juckreiz
und zähes, muköses Sekret vor allem beim
Entfernen der Kontaktlinse. Die Kontaktlinsen werden nur noch kurzfristig oder gar
nicht mehr toleriert. Immunologisch lassen
sich während eines akuten Geschehens
IgE-Erhöhungen auf den Kontaktlinsen beobachten. Zum Nachweis der IgE-Antikörper
wurden Kontaktlinsen in ein Phosphatpuffer
eingelegt und mittels ELISA (Ezyme Linked
Immunosorbent Assay) detektiert [39].
Eine alleinige allergische Erkrankung wird
jedoch in Frage gestellt, da man in den Infiltraten zwar Lymphozyten und Mastzellen,
aber keine Eosinophile fand. Dies wird auch
durch die niedrige Konzentration von Eotaxin
im Tränenfilm chronischer GPC-Patienten
bestätigt: Das spezifische Eiweiß rekrutiert
im Tränenfilm eosinophile Zellen [31]. Weitere immunologische Mediatoren im Tränenfilm wie Leukotriene (z. B. LTC4) erklären die
Symptome der entzündlichen Bindehautveränderungen [18].
Die gigantopapilläre
Konjunktivitis ist eine
immunologisch-allergische
Reaktion der Bindehaut mit
Ausbildung von Papillen
ähnlich wie bei der VKC ohne
Beteiligung der Hornhaut.
Therapieprinzipien
der allergischen Konjunktivitis
Die Behandlung der allergischen Konjunktivitis umfasst drei Säulen (Abbildung 8):
n Allergenkarenz
n Pharmakotherapie und
n Immuntherapie
Allergenkarenz
Das richtige Erkennen und Vermeiden der
auslösenden Allergene ist die Grundlage jeder Prophylaxe und Therapie. Sicherlich ist
eine vollständige Allergenkarenz praktisch
nicht ausführbar, dennoch kann übermäßigen Beschwerden durch gezielte Maßnahmen vorgebeugt bzw. können diese sogar
vermieden werden.
Das morphologishe Bild der
GPC ist gekennzeichnet
durch Papillenbildung der
Bindehaut im Bereich des
oberen Tarsus bei
Kontaktlinsenträgern.
Abbildung 7: Gigantopapilläre Konjunktivitis bei Kontaktlinsenträger
Z. prakt. Augenheilkd. 36: 169 –182 (2015)177
D. Rachwalik, U. Pleyer: Okuläre Allergien
Die Gabe lokaler Anti­
histaminika führt zur
Hemmung von Histamin-(H1)Rezeptoren, die insbesondere
in der Frühphase die
Ausschüttung von Histamin
blockieren und die
Symptomatik insbesondere
den Juckreiz minimieren.
Bei milden Verlaufsformen
wird mit Tränenersatzmitteln
zur Stabilisierung des
Tränenfilms begonnen.
Bei Pollenallergikern z. B. kann zum einen die
Pollenbelastung dadurch niedrig gehalten
werden, dass die Aktivitäten im Freien nach
den Pollenfluginformationen ausgerichtet
werden. Zum anderen ist es hilfreich, Straßenkleidung nicht im Schlafzimmer abzulegen, die Haare vor dem zu Bettgehen zu
waschen und bei geschlossenem Fenster
zu schlafen.
Zur Hausstaubprophylaxe eignen sich
wischbare Böden (keine Teppiche oder Teppichböden), Leder- statt Polstermöbel, Spezialbezüge für die Bettwäsche, Staubsauger
mit Feinstaubfilter und insgesamt weniger
Staubfänger wie Vorhänge und Felle.
Als eine hilfreiche Unterstützung neben verschiedenen Webseiten zum Thema Allergie
(z. B. http://allergie-experten.de) ist ein Ratgeber „Pollen, Milben und Co. – Was tun
bei Allergien?“ (Medpharm-Verlag, 1997) von
Jörg Kleine-Tebbe für Patienten und Betroffene sehr informativ.
Pharmakotherapie
Aufgrund der nur begrenzten Möglichkeiten
auslösende Allergene zu vermeiden, steht
die Pharmakotherapie zur Behandlung von
Allergien im Vordergrund. Die Therapie richtet sich dabei nach Form und Schweregrad
der allergischen Konjunktivitis. Bei milden
Abbildung 8: Übersicht der Therapiemöglichkeiten
178
Verlaufsformen wird mit Tränenersatzmitteln
zur Stabilisierung des Tränenfilms begonnen. Damit können außerdem Entzündungsmediatoren und Allergene verdünnt oder
ausgewaschen werden.
Die First-line-Therapie bei der SAC und PAC
besteht jedoch in der Anwendung von antiallergischen Mitteln (Tabelle 4) wie
n Antihistaminika
n Mastzellstabilisatoren
n K
ombinationspräparaten mit dualem
Wirkprinzip
Antihistaminika
Die Gabe lokaler Antihistaminika führt zur
Hemmung von Histamin-(H1)-Rezeptoren, die
insbesondere in der Frühphase die Ausschüttung von Histamin blockieren und die Symptomatik insbesondere den Juckreiz minimieren.
Topische H1-Antihistaminika wie z. B. Levo­
cabastin können eine Bindehautentzündung
schnell lindern [12, 32]. Allerdings ist die Wirkdauer nur kurzfristig, da die Mittel lediglich den
Histamin-Rezeptor reversibel blockieren und
nicht auf andere Entzündungsmediatoren wie
Prostaglandine und Leukotriene einwirken. Als
Nebenwirkungen können Reizerscheinungen
wie Augenbrennen und -schmerzen hervorgerufen werden. Systemische Antihista­minika
sind für eine okuläre Symptomatik selten notwendig, jedoch bei schweren Erkrankungen
mit anderen Organmanifestationen (z. B. Rhinitis) durchaus angezeigt.
Mastzellstabilisatoren
Als eine weitere Therapiemöglichkeit können topische Mastzellstabilisatoren eingesetzt werden, welche die Degranulation
der Mastzellen verhindern. Grundsätzlich
besteht eine gute Verträglichkeit der Mastzellstabilisatoren, allerdings kommt es zu
einem zeitverzögerten Wirkungseintritt: Der
gewünschte therapeutische Effekt tritt erst
nach Stunden oder Tagen ein, da ihre Wirkung sich nur auf noch nicht degranulierte
Mastzellen und nicht auf bereits freigesetz-
Z. prakt. Augenheilkd. 36: 169 –182 (2015)
D. Rachwalik, U. Pleyer: Okuläre Allergien
te Entzündungsmediatoren beschränkt. In
Einzel­fällen können sie konjunktivale Hyper­
ämien hervorrufen.
Präparate mit dualem Wirkprinzip
Zur längerfristigen Stabilisierung haben sich
klinisch Präparate mit dualem Wirkprinzip
(Antihistaminika mit Mastzellstabilisatoren)
wie Azelastin, Epinastin, Ketotifen bewährt.
Olopatadin und Ketotifen hemmen zusätzlich die Aktivierung der Eosinophilen sowie die Freisetzung von Leukotrienen- und
Zytokinen und beeinflussen dadurch die
Spätphase der allergischen Reaktion [27,
37]. Epinastin wirkt sowohl als H1-, als auch
H2-Rezeptor [2] und erniedrigt die Th2-Zytokin-Produktion [20]. Durch die rasch einsetzende Wirkung der Kombinationspräparate
Zur längerfristigen
Stabilisierung haben sich
klinisch Präparate mit
dualem Wirkprinzip wie
Azelastin, Epinastin,
Ketotifen bewährt.
Tabelle 4: Übersicht der Lokaltherapeutika. Dargestellt sind Anwendungsempfehlungen der verschiedenen Wirkstoffklassen nach Angaben
der aktuellen Roten Liste.
Wirkstoff
Dosis
Wirkeintritt
Konservierungs­
stoffe*
Empfohlene
Anwendungsdauer
Anwendung ab
Emedastin
(Emadine® 0,05 %)
2 x tgl.
< 5 Min
BAC
6 Wochen
3. Lebensjahr
Levocabastin
(Livocab®)
2 – 4 x tgl.
15-30 Min
BAC
keine
Beschränkungen
1. Lebensjahr
Cromoglicinsäure
(Chrom-Ophtal®
+ Sine)
4 – 8 x tgl.
3 – 7 Tage
BAC & Sine
individuell
festgelegt
6. Lebensjahr
Lodoxamid
(Alomide® + SE)
2 – 4 x tgl.
6 – 48 h
BAC & Sine
24 Monate
4. Lebensjahr
Nedocromil (Irtan®)
2 – 4 x tgl.
6 – 48 h
BAC
3 Monate
6. Lebensjahr
Antihistaminika
Mastzellstabilisatoren
Dualer Wirkstoff: Kombination Antihistaminikum + Mastzellstabilisator
Azelastin (Vividrin®)
2 – 4 x tgl.
10 – 20 Min
BAC & Sine
SAC: 6 Wochen
SAC: 4. Lebensjahr+
PAC: 12. Lebensjahr
Epinastin (Relestat®)
2 x tgl.
15 – 30 Min
BAC
8 Wochen
12. Lebensjahr
Ketotifen (Zaditen )
2 x tgl.
< 5 Min
BAC & Sine
Olopatadin
(Opatanol®)
2 x tgl.
< 5 Min
BAC
4 Monate
3. Lebensjahr
®
3. Lebensjahr
Kortikoide
Dexamethason
(DexaEDO®,
Dexa-Sine® + SE)
4 – 6 x tgl.
BAC & Sine
< 2 Wochen
zurückhaltende
Anwendung
Loteprednoletabonat
(Lotemax®)
4 x tgl.
BAC
2 Wochen
18. Lebensjahr
Prednisolon
1 – 4 x tgl.
BAC
< 1 Monat
zurückhaltende
Anwendung
*BAC= Benzalkoniumchlorid, Sine = ohne
Z. prakt. Augenheilkd. 36: 169 –182 (2015)179
D. Rachwalik, U. Pleyer: Okuläre Allergien
und deren generelle Verträglichkeit kann die
Compliance der Patienten gefördert werden.
Die Verwendung vasoaktiver Substanzen
ist eher unvorteilhaft. Sie reduzieren zwar
kurzfristig die Hyperämie, jedoch treten bei
langfristiger Anwendung Rebound-Phänomene, Mydriasis oder eine Conjunctivitis
medicamentosa auf. Die Anwendung von
Kortikoiden bei der SAC und PAC ist meist
nicht angezeigt. Sie können eine intraokulare Druckerhöhung sowie Linsentrübungen
verursachen.
In der Behandlung der VKC,
AKC und GPC hat sich ein
stufenweises Vorgehen
bewährt.
Aktuellen Entwicklungen
zufolge könnte ein selektiver
Glukokortikoid-RezeptorAntagonist (SEGRA) als eine
neue Substanzgruppe
bedeutsam werden.
180
Stufenweises Vorgehen
bei VKC, AKC und GPC
In der Behandlung der VKC, AKC und GPC
hat sich ein stufenweises Vorgehen bewährt:
n b
ei akuter Exazerbation: kurzfristige Applikation von topischen Kortikoiden
n B
asistherapie: Antihistaminika, Mastzellstabilisatoren, Präparate mit dualem Wirkprinzip
n zusätzlich: Calcineurininhibitoren
Insbesondere Ketotifen und Olopatadin sind
bei milden Verläufen der VKC wirksam [1, 16].
Liegt eine Blepharitis vor, sollte neben den
Tränenersatzmitteln eine regelmäßige Lidkantenpflege durchgeführt werden. Bei schweren Exazerbationen ist eine zusätzlich kurze,
aber intensive Kortikosteriodtherapie sinnvoll,
um eine schnelle Linderung der Symptome
in der akuten Phase zu bewirken. Aufgrund
von Neben­wirkungen wie Tensioerhöhung im
Rahmen einer Steroidresponse oder vorzeitiger Kataraktentwicklung sind Kortikosteroide
zurückhaltend und nicht in der Langzeittherapie bei allergischer Konjunktivitis anzuwenden. Aufgrund eines geringeren Nebenwirkungsprofils (geringere Tensioerhöhung) sollte Loteprednoletabonat statt Dexamethason
bevorzugt werden [17, 29].
Aktuellen Entwicklungen zufolge könnte ein
selektiver Glukokortikoid-Rezeptor-Antagonist (SEGRA) als eine neue Substanzgruppe
bedeutsam werden. Er bietet eine potente
antiinflammatorische Wirkung ohne die typischen unerwünschten Nebenwirkungen [11].
Bei der GPC ist darauf zu achten, potentielle Auslöser wie Kontaktlinsen, exponierte
Nähte, Fremdkörper und Augenprothesen
zu entfernen. Nach einer Karenzzeit und
Wechsel des Kontaktlinsenmaterials und
der Pflegemittel kann gegebenenfalls ein
weiteres Tragen von Kontaktlinsen ermöglicht werden. Eine verkürzte Tragezeit der
Kontaktlinsen sowie ein striktes Beachten
der Linsenhaltbarkeit sind weitere Einflussfaktoren. Begleitend kann mit lokalen, konservierungsmittelfreien Antihistaminika und
Mastzellstabilisatoren therapiert werden.
Cave! Es sind – wenn möglich – unkonservierte, lokale Wirkstoffe zu präferieren,
um die Augenoberfläche nicht zusätzlich zu schädigen. Benzalkoniumchlorid
greift das Bindehautepithel an und verursacht bei langfristiger Anwendung ein
trockenes Auge.
Immunmodulatorische Therapien
Als Alternative zu Kortikosteroiden hat sich
in der Basistherapie die immunmodulatorische Therapie mit topisch applizierten Calcineurininhibitoren wie Cyclosporin A und
Tacrolismus in mehreren Studien als effektiv
bewährt [30, 33, 36]. Durch die Hemmung
von Calcineurin wird die T-Zellaktivierung inklusive der Ausschüttung der Zytokine IL-4
und IL-5 blockiert [34]. Insbesondere bei der
Langzeitanwendung bei VKC und AKC hat
sich Cyclosporin A 1 – 2 % als eine steroidsparende Option bewährt [22]. Für Hornhaut­
erosionen, insbesondere beim Schildulkus,
ist statt der Therapie mit Kortikosteroiden
ebenfalls Cyclosporin zu empfehlen. Da
derzeit keine zugelassenen Präparate in
Deutschland verfügbar sind, werden nach
Anfrage ölige bzw. liposomale Cyclosporin
Z. prakt. Augenheilkd. 36: 169 –182 (2015)
D. Rachwalik, U. Pleyer: Okuläre Allergien
Augentropfen 0,5 – 2 % nach spezieller Rezeptur in Apotheken zubereitet.
Die Anwendung von Tacrolimus 0,01 – 0,03 %
wird ebenfalls für VKC, AKC und GPC als
vielversprechend angesehen [28]. Bei der
Anwendung von Tacrolimus wurde nicht
nur die Linderung der Symptome, sondern
auch die Reduktion der Papillenhyperplasie
innerhalb eines Monats beobachtet [35]. Als
unerwünschte Nebenwirkungen können bei
Applikation von Cyclosporin und Tacrolimus
gerötete Augen und Brennen auftreten.
Spezifische Immuntherapie
Als einzige kausale Therapieform kann die
spezifische Immuntherapie (SIT), besser
bekannt als „Hyposensibilisierung“, erwogen werden. Es können zwei verschiedene
Verfahrensweisen, die subkutane (SCIT)
und die sublinguale (SLIT) Immuntherapie
angewendet werden. Durch eine schrittweise Toleranzentwicklung an das auslösende
Allergen soll eine überschießende Reaktion
des Immunsystems auf das Allergen verhindert werden.
Indiziert ist die SIT bei allergischer Rhinokonjunktivitis insbesondere bei Gräserpollenallergie und beim allergischen Asthma.
Empfohlen wird die SIT, wenn Symptome
mehr als zwei Jahre bestehen, eine Allergenkarenz nicht möglich ist und moderate
bis schwere Beschwerden vorliegen [9]. Sie
kann einem möglichen „Etagenwechsel“ offensichtlich vorbeugen. Dies bedeutet, dass
sich allergische Reaktionen aus dem oberen
Bereich wie an Auge und Nase nicht auf die
unteren Atemwege ausweiten.
Voraussetzung für den Erfolg der SIT ist allerdings, dass die Compliance gewährleistet ist, da die Behandlung meist über einen
Zeitraum von 3 Jahren erfolgt. Dies ist vor
allem bei Kindern problematisch. Aktuell gibt
es eine hohe Abbruchquote aufgrund zeitlicher Probleme und mangelnder Compliance.
Dennoch scheint SIT die einzige Behandlungsmöglichkeit zu sein, die die Beschwerden und den Verlauf allergischer Erkrankungen dauerhaft beeinflussen kann [9].
Aus ophthalmologischer Sicht hat die SIT
jedoch einen begrenzten Nutzen für den Verlauf der Allergie am Auge.
Fazit
Als einzige kausale
Therapieform kann die
spezifische Immuntherapie
(SIT), besser bekannt als
„Hyposensibilisierung“,
erwogen werden.
Voraussetzung für den Erfolg
der SIT ist allerdings, dass
die Compliance gewährleistet
ist, da die Behandlung
meist über einen Zeitraum
von 3 Jahren erfolgt.
Zusammenfassend stellen die verschiedenen Formen der allergischen Konjunktivitis
ein häufiges und nach korrekter Diagnosestellung gut therapierbares Krankheitsbild
dar. Um die Lebensqualität der betroffenen
Patienten zu verbessern ist eine gezielte
Therapie und Aufklärung notwendig, um
kurzfristig, wie auch langfristig Linderung zu
schaffen.
➝
Z. prakt. Augenheilkd. 36: 169 –182 (2015)181
D. Rachwalik, U. Pleyer: Okuläre Allergien
Literatur
Korrespondenzadresse:
Dominika Rachwalik
Universitätsaugenklinik
Campus Virchow Klinikum
Augustenburger Platz 1
13353 Berlin
E-Mail: dominika.rachwalik@
charite.de
182
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Z. prakt. Augenheilkd. 36: 169 –182 (2015)
Fragen zur CME-Fortbildung
Fragen zum Artikel „Allergie des Auges“
Pro Frage ist jeweils nur eine Antwort möglich. An der zertifizierten Fortbildung der ZPA können ausschließlich Abonnenten
teilnehmen. Im Zweifelsfall ist dies anhand der Kundennummer auf dem Adressaufkleber zu erkennen, die sich zwischen
zwei * über der Adresse befindet. Die Kennzeichnung für Abonnenten ist ein vorangestelltes A. Weitere Einzelheiten können
auf der Fortbildungsseite im Internet cme.kaden-verlag.de unter der Rubrik „Registrieren“ eingesehen werden.
1
a) I ist falsch
b) II ist falsch
c) III ist falsch
d) IV ist falsch
e) V ist falsch
Welche der Aussagen stimmt nicht? Zu den allergisch
bedingten Ekrankungen am Auge gehört:
I. gigantopapilläre Konjunktivitis
II. atopische Keratokonjunktivitis
III.superiore limbale Keratokonjunktivitis
IV.Keratoconjunctivitis vernalis
V. perenniale Konjunktivitis
4
I.Die Anamnese, Symptome und die klinischen Befunde sind
für die Diagnosestellung meist ausreichend.
II.Betroffen sind meistens Knaben im Alter bis zum 15.
Lebensjahr.
III.Klinisch bestehen ein ausgeprägter Juckreiz, Photophobie
und eine konjunktivale Hyperämie.
IV.Die Familienanamnese ist stets unauffällig.
V.Die Augenbeteiligung kann weiteren allergischen
Erkrankungen (z. B. Asthma) vorangehen.
a) I ist falsch
b) II ist falsch
c) III ist falsch
d) IV ist falsch
e) V ist falsch
2
Welche Aussage zur saisonalen und ganzjährigen
allergischen Konjunktivitis ist richtig?
I.Hornhautkomplikationen sind häufig und führen oft zur
Visusminderung.
II.Die saisonale sowie die ganzjährige Konjunktivitis treten
insgesamt bei etwa 15 – 20 % der Bevölkerung auf.
III.Kortikosteroide sind das therapeutische Mittel der Wahl.
IV.Die saisonale Konjunktivitis ist sehr selten mit einer
Rhinitis assoziiert.
V. Die Symptome treten typischerweise ganzjährig auf.
a) I ist richtig
b) II ist richtig
c) III ist richtig
d) IV ist richtig
e) V ist richtig
3
Welche Aussage zum klinischen Bild der
vernalen Keratokonjunktivitis ist falsch?
I.Es werden 3 klinische Formen unterschieden:
eine tarsale, eine limbale und eine gemischte Form.
II.Typische klinische Befunde sind eine konjunktivale
Hyperämie und zähes, muköses Sekret.
III.Die limbusbetonte Form ist besonders häufig in Mittel­
europa anzutreffen.
IV.Riesenpapillen sind richtungsweisende Befunde für eine
vernale Keratokonjunktivitis.
V.Bei der vernalen Keratokonjunktivitis können Kerato­
pathien auftreten.
Welche Aussage zur Diagnostik der
vernalen Keratokonjunktivitis ist falsch?
a) I ist falsch
b) II ist falsch
c) III ist falsch
d) IV ist falsch
e) V ist falsch
5
Welche Aussage zur atopischen
Keratokonjunktivitis trifft nicht zu?
I.Rezidivierende Herpes-simples-Infektionen können zu
visusmindernden Hornhauttrübungen führen.
II.Durch chronische Entzündungen können Hornhautinfiltrate
und Symblephara entstehen.
III.Staphylokokken führen häufig bei der atopischen
Dermatitis zu begleitenden Sekundärinfektionen.
IV.Im späteren Verlauf sind subepitheliale Hornhautinfiltrate
(Nummuli) typische Komplikationen der atopischen
Keratokonjunktivitis.
V.Komplikationen wie Keratokonus und posteriore sub­
kapsuläre Katarakte können im Krankheitsverlauf
auftreten.
a) I ist falsch
b) II ist falsch
c) III ist falsch
d) IV ist falsch
e) V ist falsch
Z. prakt. Augenheilkd. 36: 183 –184
169 –182 (2015)183
Fragen zur CME-Fortbildung
6
Welche der Aussagen ist falsch?
Die gigantopapilläre Konjunktivitis tritt auf:
9
I. beim Vorliegen von Limbusdermoiden
II. bei Kontaktlinsenträgern
III.bei Trägern von Augenprothesen
IV.beim Vorliegen eines Glaukomfilterkissens
V. nach Kataraktoperation
I.Bevacizumab
II.Trifluridin
III.Tacrolimus
IV.Tetryzolin
V.Timolol
a) I ist falsch
b) II ist falsch
c) III ist falsch
d) IV ist falsch
e) V ist falsch
7
W
elche der Aussagen ist richtig?
Nicht sinnvoll als diagnostische Maßnahme
bei der allergischen Konjunktivitis ist:
I.Skin-Prick-Test
II.Provokationstest
III.Analyse des spezifischen IgE im Serum
IV.Angiographie der Bindehaut
V. Tränenfilmanalyse auf IgE und Histamin
a) I ist richtig
b) II ist richtig
c) III ist richtig
d) IV ist richtig
e) V ist richtig
8
Welche Aussage ist richtig?
Bei der saisonalen und perennialen Konjunktivitis
sind vorrangig nicht indiziert:
I.Antihistaminika
II.Mastzellstabilisatoren
III.Tränenersatzmittel
IV.Präparate mit „dualem Wirkprinzip“
V.Vasokonstriktoren
a) I ist richtig
b) II ist richtig
c) III ist richtig
d) IV ist richtig
e) V ist richtig
184
W
elche der Aussagen ist richtig?
Als zusätzliche Therapie kann bei der vernalen und
atopischen Keratokonjunktivitis verabreicht werden:
a) I ist richtig
b) II ist richtig
c) III ist richtig
d) IV ist richtig
e) V ist richtig
10
Welche der Aussagen ist richtig?
Bei einer akuten vernalen Keratokonjunktivitis
ist als Therapie vorrangig sinnvoll:
I. die Gabe topischer Kortikosteroide
II. ein Tränenwegsverschluss (Punktum plug)
III.eine lokale Radiatio (ß-Strahlen)
IV.die Gabe systemischer Calcineurininhibitoren
V. eine spezifische Immuntherapie
a) I ist richtig
b) II ist richtig
c) III ist richtig
d) IV ist richtig
e) V ist richtig
Die oben aufgeführten Fragen können ausschließlich von
ZPA-Abo­nnenten und nur online über unsere Internet­seite
www.kaden-verlag.de oder http://cme.kaden-verlag.de beantwortet
werden.
Der Teilnahmeschluss ist der 29. Februar 2016.
Beachten Sie bitte, dass per Fax, Brief oder E-Mail ein­gesandte
Antworten nicht berücksichtigt werden können.
Z. prakt. Augenheilkd. 36: 183 –184
169 –182 (2015)