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H
elmut Barz wuchs in St. Peter-Ording an der Nordseeküste auf. Dort machte er 1988 sein Abitur. Nach zwei Jahren Arbeit an verschiedenen Berliner
Theatern begann er 1990 das Studium der Theaterwissenschaften in Gießen.
Aufbauend darauf studierte er von 1995 bis 1998 Theaterregie in Frankfurt am
Main. Seit 1998 ist er freier Regisseur und Autor. Er inszenierte unter anderem in
Kapstadt, Stuttgart, Frankfurt und Celle. Nebenher begann er für die Werbung
zu arbeiten. Zurzeit ist er freiberuflicher Kreativdirektor, Texter und Consultant.
Er wohnt in Offenbach am Main und verbringt sehr viel Zeit auf Reisen.
Impressum
edition coeurart
Helmut Barz
Blumenstraße 52
63069 Offenbach am Main
www.coeurart.de
Copyright © Helmut Barz 2006, 2015
Lektorat, Korrektorat:
Christiane Barz, Vanessa Heinisch, Raquel Erdtmann
Satz, Gestaltung, Cover:
Helmut Barz
Illustrationen:
Raquel Erdtmann
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, Veröffentlichung (auch auszugsweise), öffentlicher Vortrag, Übertragung in andere Medien nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Autors.
Dieses Buch wurde nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Für etwaige Fehler oder gesundheitliche Folgen (etwa durch geraubten Nachtschlaf ) übernimmt der Autor keine Haftung.
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zu diesem eBook
Liebe Leserin, lieber Leser, Sie halten ein Kapitel des Buches »Die
Herrin« in den Händen. Sie müssen nichts dafür bezahlen, weder in
Geld noch in Information.
Warum? Nun, ich möchte Leserinnen und Leser gewinnen. Und
kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. Zudem ist dieses Buch
zwar umsonst, aber nicht rechtfrei. Daher hier ein paar Hinweise.
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• Lesen. Vorlesen. Wiederlesen.
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Leser zu warnen. In jedem Fall wäre ich für einen Hinweis auf Ihre
Kritik dankbar.
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Bei Fragen oder Anfragen wenden Sie sich bitte direkt an mich.
Entweder über die Kontaktmöglichkeiten auf der Website www.
die-herrin.info oder per E-Mail unter [email protected].
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Und nun wünsche
ich Ihnen gute Unterhaltung mit einem Auszug aus »Die Herrin«.
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Morgenstund'
K
altes Wasser! Starken Kaffee! Schnell! Und saubere Handtücher!« – »Was ist mit ihm?« Laute Stimmen weckten Jonathan. Er wollte die Augen öffnen, doch seine Lider waren
schwer und verklebt. Außerdem schien sich die Erdrotation noch immer nicht beruhigt zu haben. Er hörte sich rasch entfernende Schritte, das Klappen einer Tür.
»Ist es ernst?«, fragte eine Frauenstimme. Eine männliche Stimme,
die Jonathan gleichfalls sehr vertraut vorkam, antwortete: »Ziemlich.
Ein wirklich schwerer Fall von Morbus Spirituosis.«
»Kannst du ihm helfen?«
»Vielleicht.«
Jonathan öffnete behutsam die Augen, doch nur, um sie gleich
wieder zu schließen. Die Erde drehte sich. Sein Magen rumorte. Wo
war er? Schemenhafte Gestalten hatte er gesehen. Lange Locken.
Dunkel. Katharina? Und dunkelblonde, eitel frisierte Haare, ein
Stutzerbärtchen, tiefblaue Augen …
»Der Kaffee und das Wasser!« Das war der Alt von Sonja, der
Haushälterin, wenn Jonathan sich nicht sehr täuschte.
»Danke! Das wird ihm helfen. Und wenn nicht …«
»Ja?« Katharinas Stimme klang ängstlich.
»Heiratest du dann mich?«, fragte die männliche Stimme fröhlich.
Und damit prasselte eine eisige Flut über Jonathans Gesicht. Er verschluckte sich, hustete. Eine Hand schlug ihm kräftig auf den Rücken.
»Willkommen zurück in der Welt der Lebenden, Jonathan!«
Der Angesprochene richtete sich auf. Auf jeden Fall war er jetzt
wach. Er blickte um sich – und sah in das lächelnde Gesicht seines
besten Freundes.
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»Mies!«
»Spar dir die Willkommenszeremonie für später auf! Trink das!«
Mies van Helsing drückte Jonathan einen Becher heißen, dampfenden Kaffees in die Hand.
»Wo warst du? Was ist passiert? Ich habe mir solche Sorgen gemacht!« Katharina umarmte ihren Mann, doch ließ ihn gleich wieder
los, ihre Nase gerümpft. »Du hast getrunken.«
»Liebste Katharina, das ist ein wahrer Euphemismus«, sagte Mies
van Helsing amüsiert. »Dein Mann hat gesoffen letzte Nacht. Puntendreher, nehme ich an?«
Als Jonathan das Wort hörte, rebellierte sein Magen. Nur mühsam konnte er verhindern, sich zu übergeben. Behutsam flüsterte er:
»Da war der Prozess. Und dann wurde darauf angestoßen. Mehr weiß
ich nicht. – Doch, ich habe getanzt.«
»Getanzt? Du?« Mies und Katharina hatten es im selben Moment
gefragt.
»Fünfschrittler. – Und es gab … – Wie bin ich hierhergekommen?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Katharina. »Du warst die ganze
Nacht fort. Ich habe mir solche Sorgen gemacht. Peter Krog murmelte etwas von ›wichtigen Ermittlungen‹. Ich wollte dich suchen, doch
Sonja hat mich nicht gehen lassen. Wegen der ›schwarzen Kutsche‹.
– Und du Nichtsnutz hast gefeiert!«
»Das ist hier so üblich –«, verteidigte sich Jonathan kleinlaut.
»Es gibt Sitten, die du nicht annehmen musst!«, schnitt ihm Katharina brüsk das Wort ab. Jonathan ließ den Kopf in die Hände
sinken.
»Lass gut sein, Katharina«, verteidigte ihn sein Freund Mies. »Ich
möchte sagen, er hat seine Strafe bereits. Einen richtig soliden Kater.
Aber das hier sollte dich gleich wieder auf die Beine bringen. Roll mal
deinen Ärmel hoch.« Mies hatte seine schwarze Tasche geöffnet und
eine Spritze aufgezogen.
»Was ist das?« Jonathan beäugte das Tun seines Freundes misstrauisch.
»Ein neues Präparat. Harmlos, aber wirkungsvoll. Ich hab es auch
schon an mir selbst ausführlich erprobt.«
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Trotz der Kopfschmerzen musste Jonathan lachen, und auch Katharina lachte wider Willen mit. Mies war, wie er es selbst sagen würde, den schönen Dingen des Lebens durchaus zugeneigt. Jonathan
und Katharina würden es anders ausdrücken. Auf jeden Fall trank ihr
Freund hin und wieder gerne und dann meist zu viel.
Mies setzte die Spritze behutsam in Jonathans Vene. Wenn er
auch sonst ein großes, wildes Kind war – einen besseren Arzt als Mies
van Helsing musste man lange suchen. Während Jonathan mit einem
Tupfer auf den Arm drückte, um die Blutung zu stillen, sah Mies sich
um: »Dort liegt ein Zettel.«
Er deutete auf das Beistelltischchen am Kopf des Sofas, auf dem
Jonathan gelegen hatte. Jonathan kannte das Papier. Es war aus Reis
hergestellt und aus dem fernen China importiert. Die Herrin schrieb
darauf ihre Billetts. Auch diesmal erkannten sie beide die altmodische, geschwungene Handschrift:
Liebe Katharina,
ängstigen Sie sich nicht. Ich habe Ihren Mann in der kleinen Kapelle am Friedhof gefunden, in die ich mich manchmal nächtens zu einem Gebet zurückziehe. Er schien mir
unverletzt, wenn er auch dem Puntendreher zu stark zugesprochen haben mag. Also habe ich meine Diener angewiesen, ihn in sein Heim zu bringen. Schimpfen Sie nicht zu
sehr mit ihm. Die Sitten hier sind ein wenig rau, wie Sie
sicher schon bemerkt haben.
Der Brief trug die Signatur der Herrin, drei fremdländische
Schriftzeichen, die Jonathan und Katharina bereits kannten.
Katharina hatte das Billett vorgelesen. »So, so«, sagte sie streng.
»Du treibst dich also nächtens in Kirchen herum.«
»Ehrlich, Katharina! Ich habe keine Ahnung, wie ich dort hingekommen bin.« Jonathan berichtete von seinem seltsamen Traum, ließ
dabei jedoch die pikanten Stellen aus.
Mies musterte ihn mit hochgezogener Augenbraue. Er war diskret
genug, seinen Freund nicht weiter auszufragen. »Das ist ein seltsamer
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Traum. Dieser Wiener hätte seine Freude daran. Wie war doch gleich
sein Name?«
»Freud.« Katharina, die alles las, was man nicht rechtzeitig vor
ihr in Sicherheit brachte, hatte einen Sommer der Lektüre der inzwischen berühmten »Traumdeutung« gewidmet – und Mies wie
Jonathan ein übers andere Mal mit sehr scharfsinnigen Analysen in
Verlegenheit gebracht.
»Von wem ist der Brief?«, fragte Mies neugierig. Katharina erklärte es ihm.
»Eine interessante Dame. Werde ich sie kennenlernen?«
Das wäre ein Spaß, dachte Jonathan bei sich. »Man wird sehen.
Sie lebt sehr zurückgezogen.«
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ies’ Spritze hatte ein wahres Wunder bewirkt. Jonathans Kopf
war wieder völlig klar und auch sein Magen hatte sich beruhigt. Er hatte heiß gebadet und sich umgezogen. Sonja Resoluta, die
sich, zu Jonathans und Katharinas großer Erheiterung, vom Charme
ihres Freundes Mies so gar nicht beeindrucken ließ, hatte Jonathans
alte Kleider mit spitzen Fingern genommen. Am liebsten hätte sie sie
wohl im Kamin verbrannt.
Jetzt saßen die Drei vor einer großen und reich beladenen Tafel.
Jonathan, der sonst Fisch zum Frühstück verabscheute, verzehrte bereits den dritten Rollmops.
Mies erzählte. Schon lange habe er vorgehabt, sie zu besuchen.
Jetzt habe eine glückliche Fügung ergeben, dass seine Praxis völlig
renoviert werden könne: die Spende eines dankbaren Patienten. Da
er dabei nur störe, habe er sich entschlossen, ein paar Tage Urlaub zu
machen. Außerdem sei er nicht gänzlich privat hier: Sein wohlhabender Patient sei Rechtsanwalt und auf der Suche nach einem Sozius.
Und da er Jonathans Talente kenne – in der Tat hatte Jonathan seinen
Freund in ein paar heiklen Angelegenheiten vertreten, über die beide
gegenüber Katharina tiefstes Schweigen bewahrten, – habe er seinem
Patienten vorgeschlagen, seinen Freund einmal kennenzulernen.
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Als Mies den Namen der Kanzlei nannte, verschluckte sich Jonathan beinahe. Es war eine der angesehensten Kanzleien von Hamburg, mit Dependancen in ganz Deutschland. Als Staatsanwalt hatte
er ein ums andere Mal die Klingen mit ihnen gekreuzt. Und dort
sollte er Sozius werden?
»Aber …« Jonathan wusste nicht recht, was er sagen sollte.
»Überleg es dir. Und dann kommt Ihr beide bei der nächsten
Gelegenheit einfach ein paar Tage nach Hamburg, und ich stelle dich
vor.«
Jonathan schwieg, während sein Freund munter weiterredete: Der
Advokat sei schwer an der Wirbelsäule erkrankt gewesen. Kein Arzt
habe ihm helfen können. Doch Mies erinnerte sich, dass ihn einmal
ein fremdländischer Matrose in Amsterdam von einem Hexenschuss
kuriert hatte – mit Nadeln, die er ihm in den ganzen Körper gestochen hatte. Also hatte Mies nachgeforscht. Schließlich sei er fündig geworden: Es handelte sich um eine alte chinesische Heilkunst.
Ausgerechnet ein Assistenzarzt am Altonaer Krankenhaus hatte sie
ihm zeigen und erklären können; der zierliche Chinese war für sein
Studium Gast in der Hansestadt. Binnen weniger Tage konnte Mies’
Patient wieder laufen und arbeiten. Dabei hatten ihn alle anderen
Ärzte bereits aufgegeben. Mies überlegte jetzt, ob er nicht einmal in
das ferne Land fahren und die Kunst dort lernen sollte, hatte er doch
zudem gehört, Chinesinnen seien die schönsten Frauen der Welt.
Während Mies vergnügt weiterplauderte, überlegte Jonathan.
Das Angebot, nach Hamburg zu gehen, war verlockend. Aber wollte
er nicht immer Richter werden? Als Anwalt müsste er sich permanent
streiten; er glaubte nicht, dass ihm das entsprach. Mies sah die Zweifel in den Augen seines Freundes.
»Ich bin einsam, Jonathan. Ich wünschte, ihr wäret ebenfalls in
Hamburg.«
»Keine Frau, keine Familie in Sicht?« Das war eine kleine Spitze
von Katharina, die Mies den Betrug immer noch nicht ganz verziehen hatte.
»Ja, ich werde wohl darauf warten müssen, dass du Witwe wirst.«
»Da kannst du lange warten.«
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Jonathan dankte allen Göttern, dass in diesem Moment die Schläge des Türklopfers durch das Haus hallten. Er fühlte sich zwar besser,
aber ein handfester Streit zwischen seinem besten Freund und seiner
geliebten Frau wäre doch zu viel zu dieser frühen Stunde.
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onja geleitete Pastor Weinmann in den Raum. Er war in einen
dicken Wintermantel gehüllt und umklammerte wieder einmal
seine alte, braunlederne Mappe. Jonathan ahnte Böses, doch er wies
Sonja an, dem Geistlichen den Mantel abzunehmen und ein weiteres
Gedeck zu bringen.
Dankbar trank der Pastor seinen Kaffee in kleinen Schlucken; ein
wenig Farbe kam in sein Gesicht zurück. Er sah müde und abgespannt aus, wie schon vor ein paar Wochen, am Tag nach Jonathans
Ankunft.
»Was führt Sie zu uns?«, fragte Jonathan schließlich.
»Ach, es ist furchtbar«, antwortete der Pastor traurig. »Wieder ein
totes Mädchen.«
Das hatte Jonathan befürchtet. »Ertrunken und an Land getrieben?«
Der Pastor nickte. Dann öffnete er seine Mappe und entnahm ihr
den Totenschein. Jonathan überflog ihn. »Gestern Nacht also? Wir
müssen wirklich bald etwas unternehmen.«
Noch bevor Mies fragen konnte, umriss ihm Jonathan den »Fluch
von Broiversum«. Sein Freund nickte verständig. Er kannte solche
Fälle zu Genüge. Seine Assistenzzeit hatte er in einem Armenkrankenhaus verbracht.
»Also dann wollen wir mal, damit die arme Seele ihre Ruhe findet.« Jonathan las das Dokument noch einmal und wollte es gerade
unterschreiben, als ihm etwas auffiel: »Die Unterschrift von Doktor
Stiebensdorn fehlt.«
»Er ist gestern zu seiner Schwägerin nach Husum gefahren«, erklärte der Pastor.
»Es muss aber ein Arzt den Totenschein unterschreiben.«
»Geht das nicht auch so?«, fragte der Geistliche drängend.
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Jonathan schüttelte den Kopf, doch in diesem Augenblick mischte sich Mies in die Unterhaltung ein: »Ich bin doch Arzt. Und außerdem der Leichenbeschauer meines Bezirks. Täte es auch meine
Unterschrift?«
Für diesen Vorschlag war Jonathan sehr dankbar: »Aber natürlich!«
»Gut, dann hole ich meinen Mantel und meine Tasche.«
Der Pastor und Jonathan blickten den jungen Arzt erstaunt an.
»Wozu das denn?«, fragte der Geistliche.
»Na, ich muss mir die Leiche doch wenigstens ansehen.«
»Muss das wirklich sein?«, fragte der Pastor unsicher. »Ich versichere Ihnen, dass sie wirklich tot ist.«
»Da wäre ich nicht so sicher. Mir ist mal einer direkt vor meiner
Nase wieder aufgestanden. Als ich gerade mit der Autopsie anfangen
wollte.«
»Und Sie meinen …?« Die Stimme des Pastors klang ängstlich.
»Nein, aber ich mache mich strafbar, wenn ich den Schein blind
unterschreibe. – Begleitest du mich, Jonathan?«
Jonathan war sich nicht sicher, ob er wirklich den Anblick einer
Leiche ertragen konnte, angeschlagen, wie er war. Doch er nickte
und schickte Sonja, die Mäntel zu holen.
S
o waren sie also zu dritt zu der kleinen Leichenhalle auf dem
Friedhof gegangen. Es war ein frostig-klammer Tag, und sie hatten ihre Mäntel fest um sich geschlungen.
Auch in der Leichenhalle war es bitterkalt, aber wenigstens spendete ein kleiner Ofen in einer Ecke des Raumes den Händen etwas
Wärme.
Der Tischler und Totengräber hatte die Leiche bereits in einen
Sarg gelegt und den Deckel mit Nägeln verschlossen. Schon wieder
ein kleiner Sarg, dachte Jonathan. Wir sollten sie in Frieden ruhen
lassen. Doch Mies hatte recht. Man konnte eine Tote nicht ohne
Leichenschau beerdigen.
»Aber der Sarg ist doch bereits verschlossen«, maulte der Tischler,
als Mies ihn darum bat, die Leiche sehen zu können.
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»Dann werden Sie ihn wieder öffnen.« Mies sprach freundlich,
aber mit Nachdruck.
»Wozu? Tot ist tot.«
»Da wäre ich mir an Ihrer Stelle nicht ganz so sicher.«
Mit einem dumpfen Schlag fiel der schwere Hammer, den der
Tischler die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte, auf den Boden.
»Wie meinen Sie das?«
»Nun, sie könnte heute Nacht wieder erwachen. Vielleicht ist sie
nur scheintot. Das kommt häufiger vor, als man denkt.«
Der Tischler sah ihn einen Moment nachdenklich an, dann sagte
er schroff: »Das glaube ich nicht. Die war wirklich tot. Mit der Zeit
entwickelt man einen Blick für so etwas.«
»Dennoch muss ich Sie bitten, den Sarg zu öffnen.« Mies sah
dem Tischler direkt in die Augen. Jonathan kannte diesen Blick. Sein
Freund wurde zornig. Dann tat man besser, was er verlangte, oder
ging ihm aus dem Weg.
Der Tischler tat keins von beidem. »Nein. Der Sarg bleibt zu.«
»Dann öffne ich ihn eben selbst.«
Mies hob den Hammer auf, den der Tischler hatte fallen lassen,
und wollte sich zum Sarg umdrehen, als ihn der Tischler kräftig am
Arm packte. Das hätte er nicht tun sollen.
Wenige Sekunden später lag er auf dem Boden und krümmte er
sich vor Schmerzen. Mies hatte ihm mit einer schnellen Bewegung
den Arm umgedreht und mit einem kurzen Haken in die Leber jede
Gegenwehr im Keim erstickt. Er war auf der Universität nicht nur ein
geübter Fechter, sondern auch ein siegreicher Faustkämpfer gewesen.
»Sie haben mir den Arm gebrochen«, jammerte der Tischler.
»Aber nicht doch. Keine Sorge. Nur eine leichte Stauchung. Gut
kühlen. Bis morgen geht es wieder.«
Mies nahm sich ein Brecheisen von der Werkzeugbank und wandte sich wieder dem Sarg zu. Geschickt hebelte er ihn auf und hob den
Deckel an. Der Anblick der Leiche ließ ihn erstarren.
»Ich würde sagen, sie ist wirklich tot«, sagte er trocken.
Jonathan trat zu ihm und blickte gleichfalls in den Sarg. Die Leiche war übel zugerichtet: Ihr Kopf war abgetrennt und lag zwischen
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den Knien, aus der linken Brust ragte ein Stück Holz, am oberen
Ende gesplittert.
Plötzlich klatschte Mies in die Hände: »Na, dann wollen wir mal.
Legen wir sie auf den Tisch.«
Behutsam hob er den Kopf heraus. Dann winkte er Jonathan,
ihm zu assistieren, denn weder der Tischler, der sich noch immer seinen schmerzenden Arm rieb, noch der Pastor, der mit geschlossenen
Augen ein Gebet murmelte, würden eine große Hilfe sein.
Der kleine Körper war nicht besonders schwer, und so legten
sie ihn behutsam auf den Tisch, der wohl sonst dazu diente, die
Toten anzukleiden und zurechtzumachen, bevor sie im Sarg ihre
letzte Reise antraten. Mies betrachtete die Leiche von allen Seiten.
Sie musste recht jung gewesen sein. Keine sechzehn. Ihre Haut war
dunkel getönt, ihr Haar tiefschwarz. Vor ein paar Tagen, so erinnerte sich Jonathan, war ein Wanderzirkus durch Broiversum gezogen,
aber er hatte keinen Halt gemacht. Vielleicht hat das junge Mädchen zu ihnen gehört? Es würde schwer werden, das herauszufinden.
»War der Kopf schon abgetrennt, als die Leiche gefunden wurde?«, wandte sich Mies an den Tischler. Er erhielt keine Antwort auf
seine Frage, also fuhr er fort: »Die Abtrennung des Kopfes erfolgte
post mortem. Mit einem recht groben Instrument, vermutlich einer
Säge.« Er sah sich um, sein Blick blieb am Tischler hängen: »Besitzen
Sie eine Säge?«
Der Tischler nickte verächtlich: »Natürlich.«
»Und wo ist sie?«
»Ich … ich weiß nicht.«
»Ein Tischler, der nicht weiß, wo sein Werkzeug ist? Erzählen Sie
mir nicht so etwas!« Mies ging drohend auf ihn zu, der Tischler wich
ängstlich zurück. »Haben Sie den Kopf abgetrennt?«
»Auf meine Anweisung hin.« Der Pastor trat zwischen die beiden
Streithähne.
»Auf Ihre Anweisung hin?«, wiederholte Mies erstaunt.
Der Pastor senkte den Blick: »Ich weiß, es war nicht recht, aber …«
Er zögerte. Jonathan fragte streng: »Aber?«
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»Wir hatten nur noch diesen einen Sarg. Und der war zu kurz. Ich
muss doch auch sparen –«
»Und da haben Sie dem Mädchen den Kopf abgesägt?«, höhnte
Mies.
»Sie hat es ja nicht gespürt. Und Ihrer Seele kann es wohl kaum
noch schaden«, mischte sich der Tischler ein. »Das arme Ding soll
doch so rasch wie möglich ein anständiges Begräbnis kriegen.«
Wenn Mies diese Erklärung nicht befriedigte, ließ er es sich zumindest nicht anmerken. Er wandte sich wieder dem toten Mädchen
zu und untersuchte vorsichtig den Kopf. Er öffnete den Mund, aus
dem ihm ein weißes Pulver entgegenrieselte. Behutsam kostete er ein
Körnchen. »Salz.«
»Vielleicht eine Ablagerung aus dem Meerwasser?«, schlug der
Pastor hastig vor.
Mies musterte ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen: »Ein
ganzer Mund voll? Wohl kaum.«
»Das ist bei uns so Brauch«, ließ sich der Tischler vernehmen.
»Als Salz noch so kostbar war wie Gold, gab man es den Toten mit
auf die Reise. Statt einer Münze.«
Mies nickte. Auch Jonathan hatte schon von dem Brauch mit der
Münze gehört. Sie sollte dem Fährmann als Wegegeld dienen, wenn
er die Seele ins Jenseits ruderte. Der Tischler deutete mit dem Kinn
zu Pastor Weinmann: »Unser Prediger hier hört das nicht so gern. Ist
eben nicht christlich.«
»Wie ich schon sagte, ist hier –«, begann der Pastor leise.
»Die alten Sitten respektiert man!«, fuhr ihm der Tischler grob
über den Mund. Der Pastor verstummte.
Mies war inzwischen schon wieder mit der Toten beschäftigt. Mit
einem Ruck zog er das Stück Holz aus der Wunde. »Ist das hier auch
so eine Sitte? Ein scharf zugespitztes Stück Holz in der Brust?«
»Das war schon drin, als sie die Leiche gebracht haben.« Der
Tischler besah sich das Stück Holz. »So was benutzen wir hier im
Vorland, um die Dünen zu befestigen. Soll sich der angeschwemmte
Sand dran ablagern. Vielleicht hat eine starke Welle sie dagegen gedrückt. War hoher Seegang gestern Nacht.«
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Mies betrachtete noch immer das Holzstück und biss sich dabei
auf die Unterlippe. Endlich legte er es beiseite und besah die Wunde,
die es hinterlassen hatte. »Daran ist sie zumindest nicht gestorben.
Sie war schon tot, als das Holz in sie eingedrungen ist. Sieh dir die
Wundränder an, Jonathan. Die haben nicht mehr geblutet.«
Jonathan konnte sich gut zurückhalten. Die ganze Angelegenheit
war eklig und peinlich. Dennoch fragte er: »Und woran ist sie gestorben?«
»Das untersuche ich jetzt.« Mies öffnete seine Tasche und nahm
ein paar Instrumente heraus, die er sich sorgfältig zurechtlegte. Dann
schnitt er vorsichtig die Kleider vom Leib der Toten, bis sie nackt vor
ihnen lag. Sie musste ein wirklich schönes Mädchen gewesen sein.
Jung. Begehrenswert. Was, so vermutete Jonathan, der Grund dafür
war, dass sie jetzt tot auf diesem Tisch lag. Mies untersuchte den
Körper mit Delikatesse, aber gründlich. Mit einem Schnitt öffnete
er den Brustkorb und zog die Rippen auseinander. Dann betastete er
Herz und Lungen.
»Ertrunken ist sie nicht. Kein Wasser in der Lunge.«
»Es könnte abgelaufen sein«, widersprach Jonathan.
»Meerwasser nicht. Es schäumt in der Lunge auf.«
»Aber woran ist sie dann gestorben?«
»Möchtest du eine ehrliche Antwort?« Mies blickte kurz von seiner Untersuchung auf. »Ich weiß es nicht. Noch nicht.«
Mit diesen Worten griff er zum Skalpell und öffnete den Bauch
der Toten. Jonathan musste sich übergeben und eilte deswegen rasch
nach draußen. Als er zurückkehrte, hatte sein Freund die Untersuchung bereits beendet und die Bauchdecke wieder zugeklappt.
»Was war es? Gift?«, fragte Jonathan.
»Die Organe sind alle intakt. Keine Spuren irgendeines Giftes.
Und auch der Mageninhalt zeigt keine Anzeichen dafür. Und ohne
richtiges Labor …«
Jonathan wollte seinen Freund nicht drängen, aber er musste es
wissen: »Hast du denn irgendeine Theorie?«
»Ich bin mir nicht sicher. Irgendetwas fehlt, aber ich weiß nicht,
was.«
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Mies durchsuchte die Kleider der Toten, ohne Erfolg. Schließlich
befühlte er den schweren Schal, der noch immer feucht war. »Möglich
wäre, dass sie sich diesen hier ums Gesicht gebunden hat. Dann ist sie
einfach erstickt, ohne Wasser einzuatmen.« Er kratzte sich ratlos am
Kinn: »Irgendetwas übersehe ich, da bin ich mir ganz sicher. Nur was?«
Äußerst vorsichtig setzte er seine Untersuchung fort. Beschämt
blickten die übrigen Männer zu Boden, als er den Unterleib der
jungen Frau studierte. »Warum auch immer sie diesen Weg gewählt
haben mag: An einer ungewollten Schwangerschaft lag es jedenfalls
nicht. Sie war noch Jungfrau.«
Damit packte er seine Sachen zusammen. Sein Blick war in die
Ferne gerichtet, er schien zu grübeln. Endlich ließ er laut das Schloss
seiner Tasche einschnappen: »Ich unterzeichne den Totenschein, Jonathan. Damit die Seele ihre Ruhe findet. Ich denke, ich kann ein
Verbrechen ausschließen und eine ansteckende Krankheit. Das sollte
genügen.«
Erleichtert atmeten der Tischler und der Pastor auf. Sie legten die
Leiche in den Sarg zurück und verschlossen den Deckel erneut.
D
er Pastor beeilte sich mit der Beerdigung. Jonathan und Mies
waren die einzigen Gäste, selbst der alte Hein befand wohl diesen Morgen für zu kalt, um Angst und Schrecken zu verbreiten. Am
Grab sprachen sie gemeinsam ein Gebet. Mies schien sich geändert
zu haben, hatte er doch früher Gebete und Kirchen verabscheut.
Vielleicht war es aber auch sein Gefühl für Respekt, das ihn jetzt
dazu zwang, der Toten die letzte Ehre zu erweisen.
Ungefähr fünfzehn Jahre alt, hatte Mies auf dem Totenschein
eingetragen. Vielleicht jünger. Es war eine Schande, fand Jonathan
– und erneut flammte sein Wunsch auf, etwas für diese armen Mädchen zu tun, bevor sie verzweifelt ins Wasser gingen.
Eben hatten die Totengräber den Sarg in das kleine Grab herabgelassen, als Jonathan hinter seinem Rücken eine vertraute Stimme
hörte: »Die schwarze Kutsche ist wieder gefahren letzte Nacht. Und
das wird sie immer wieder tun, wenn ihr niemand Einhalt gebietet.«
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Der alte Hein stand plötzlich hinter ihnen, die Hände in den Taschen seiner Jacke vergraben. Aber sonst schien ihm die Kälte nichts
auszumachen. »Lernen Sie zu sehen, Herr Richter. Sonst geht es ihrer
Frau bald genauso.«
Und damit drehte er sich, wieder einmal, um und stapfte davon.
Mies wollte ihm nachsetzen, doch Jonathan hielt ihn zurück: »Ein
abergläubischer alter Mann … Erzählen Sie es ihm unterwegs, Pastor
Weinmann. Sie begleiten uns doch ins Dorf?«
Der Pastor nickte. Er war offensichtlich froh, über etwas anderes
sprechen zu können. Er erzählte Mies von der Legende des »Fluchs von
Broiversum« und ergänzte sie um eine Nuance, die Jonathan bisher
nur geahnt hatte: Seit dem Bau der großen Kirche in der Stadt, so sagte
man, würde eine schwarze Kutsche kommen und die Opfer holen.
Mies lauschte gebannt. Er liebte Gruselgeschichten. Erfreut, einen
Zuhörer gefunden zu haben, führte ihn der Pastor auch an Bulemans
Haus vorbei. Mies nickte wissend: »Der gute, alte Storm.« – »Wer?«
Dann waren sie weitergewandert. Plötzlich durchzuckte es Mies,
und er rief laut: »Blut!«
»Was?«, fragte Jonathan.
Mies dämpfte seine Stimme wieder: »Jetzt weiß ich, was gefehlt
hat. Blut. Das Herz war nur ein schlaffer Beutel. Und hast du die
Haut gesehen? Unter den Pigmenten ganz blass!«
Der Pastor war ängstlich zusammengezuckt: »Sie meinen doch
nicht …?«
»Ich wette, sie hatte keinen Milliliter Blut mehr im Körper. Vielleicht ist sie daran gestorben.«
»Anämie?«, fragte Jonathan.
»Das wäre dann schon ein ziemlich übler Fall. Nein, jemand hat …«
Jonathan legte beruhigend die Hand auf den Arm seines Freundes. »Du hast zu viele Schauergeschichten gelesen. Es wird eine ganz
natürliche Erklärung dafür geben.«
Endlich beruhigte sich Mies wieder und sagte leise: »Vielleicht.
Aber vielleicht auch nicht.« Nach kurzem Schweigen setzte er lauter
hinzu: »Auf jeden Fall …«
Er machte eine Pioletti-würdige Kunstpause.
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»Ja?«, fragte Jonathan unsicher.
»Auf jeden Fall brauche ich jetzt was zu trinken.«
D
er Pastor hatte es vorgezogen, sie nicht weiter zu begleiten, und
so steuerten Jonathan und Mies jetzt alleine den »Eisernen Anker« an. Der alte Hein war der einzige andere Gast. Er saß in einer
Ecke über einem Glas, dessen Inhalt Jonathan leicht erraten konnte.
Frauke Stein, die Wirtin, stand hinter ihrem Tresen und polierte Gläser, als sie eintraten. »Der Herr Amtsrichter! Sind Sie gut nach Hause
gekommen?«
Jonathan bejahte und winkte ab.
»Erstaunlich«, fuhr die Wirtin fort. »Meistens werden Neuankömmlinge nach reichlichem Puntendrehergenuss in der alten Kapelle auf dem Friedhof abgelegt. Immer ein Riesenspaß, habe ich mir
sagen lassen.«
Mies warf einen amüsierten Seitenblick auf Jonathan, dessen
Wangen rot glühten. Dann wandte sich der junge Arzt der Wirtin
zu: »Zwei Puntendreher.«
»Für mich nur einen Tee«, sagte Jonathan kleinlaut. Sein Magen
geriet allein schon durch das Wort »Puntendreher« in Aufruhr.
»Die waren auch beide für mich. Also, zwei Puntendreher und
einen Tee. – Und wir würden gerne den Untoten des Hauses sprechen.«
Jonathan erschrak: Was sagte sein Freund da? War er gänzlich
übergeschnappt? Doch die Wirtin lachte nur: »Den treffen Sie hier
erst nach Einbruch der Dunkelheit.«
S
ie hatten sich an einen kleinen Tisch am Fenster gesetzt. Mies
rauchte eine schlanke Zigarette aus einer kurzen Spitze. Genüsslich blies er den Rauch aus und hielt eines seiner beiden Gläser gegen das trübe Licht. »Es ist schon ein erstaunliches Getränk, dieser
Puntendreher. So, wie er gebrannt ist, mit seinen geheimen Zutaten,
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schenkt er in kleinen Mengen Entspannung und in größeren Mengen
die erstaunlichsten Fantasien. Aber das hast du ja letzte Nacht selbst
herausgefunden.« Und damit trank er. Es schien ihm zu schmecken.
Jonathan wunderte sich nicht.
Sein Freund setzte das Glas ab und nahm still ein paar Züge von
seiner Zigarette.
»Worüber grübelst du?«, fragte Jonathan nach einer Weile.
»Über vergangene Zeiten. Und über Broiversum. Eigentlich ein
schönes, kleines Städtchen.«
Jonathan nickte. »Aber?«
»Bis auf die Tatsache, dass es hier einen Vampyr gibt.«
Sein Ton war todernst, doch als Jonathan ansetzte, ihm zu widersprechen, fing er laut an zu lachen: »Habe ich dir eigentlich schon
erzählt, warum ich Schauergeschichten so mag?«
»Oft, mein Freund, oft.« Jonathan konnte die Geschichte inzwischen wirklich mitsprechen, und daher war er froh, dass sein Freund
sich entschloss, sie zu einem anderen Zeitpunkt zum Besten zu geben. Mies wechselte das Thema: »Hast du über mein Angebot nachgedacht, nach Hamburg zu kommen?«
Jonathan zögerte. Mies fuhr fort: »Bitte, Jonathan. Du und Katharina, ihr seid nicht gemacht für diese kleine Stadt. Und ich brauche
euch. Euch beide.«
Jonathan musterte Mies. Einen kurzen Augenblick hatte er seine
Maske fallen lassen. Ein großer Junge, dachte Jonathan, und sehr einsam. »Ich werde es mir genau überlegen«, antwortete er nachdrücklich.
»Zum Wohl, die Herren!«, unterbrach sie eine raue, kräftige Stimme. Der alte Hein grüßte mit seinem Glas in ihre Richtung: »Ich
sehe, Sie machen Fortschritte. Sie beginnen, zu verstehen.«
Mies, wieder der Alte, prostete freundlich zurück.
18
I
ch war nicht überrascht, den jungen Amtsrichter in der kleinen Kapelle vorzufinden.
Oft schon wurden dort Trunkene abgelegt, den
seltsamen Träumen ausgesetzt, die dieser Ort
beschert.
Einst war die Kapelle ein Ort der Wünsche,
der Bitten, die mit Blut bezahlt und erhört worden. Das verleiht der Kapelle eine eigene Aura.
Ich kann sie deutlich spüren. Die Vergangenheit spricht zu mir.
Die Sterblichen haben verlernt, diese Aura
wahrzunehmen. Einzig in ihren Träumen spüren
sie etwas davon, doch der süße Trank des Schlafes ist vergiftet – denn der Traum, der Wünsche
erfüllt, ist immer nahe am Albtraum.
Da lag er also. Auf den Altar hatten sie ihn
gelegt; er schlief tief, alle seine Glieder regten sich
im Traum. Ich roch den scharfen Geruch des
Alkohols: Puntendreher nennen sie das Teufelsgebräu. Ich würde Möbelpolitur dazu sagen. Er war in Hemdsärmeln, seine Jacke lag
neben ihm. Sein Kragen hatte sich gelöst und
offenbarte seine reine weiße Haut. Zu anderer
Stunde mochte dieser Anblick wohl in mir den
Hunger wecken; doch ich war gestärkt, gesättigt
vom Blut des jungen Mädchens. Und so war
mein einziges Bedürfnis, mit meinen Fingern
19
über die weiße Haut zu streicheln. Er schlief tief
genug.
Um seinen Hals hing ein zierliches Medaillon; meine Neugier ließ es mich öffnen. Im
Schein meiner Kerze sah ich ihr Porträt – Katharina. Und ich wünschte mir, sie läge statt seiner
hier. Sofort hätte ich das Experiment gewagt, sie
in eine meiner Art zu verwandeln.
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Helmut Barz
Die KatharinaKlein-krimis
K
atharina Klein, Tochter eines deutschen Vaters und einer koreanischen Mutter, Kriminalpolizistin mit Leib
und Seele, liebt Zeichentrickfilme, Oldtimer und Schusswaffen. Und sie hasst Morde. Um die Schuldigen zu überführen,
riskiert sie, wenn nötig, Kopf und Kragen.
Mehr Informationen, Leseproben und Bestellmöglichkeiten
unter: http://www.sonderermittlungseinheit.de
22
WestEnd Blues
Ein Katharina-Klein-Krimi
aus Frankfurt am Main
E
igentlich hat Katharina Klein, Hauptkommissarin bei der Frankfurter Kriminalpolizei, genug eigene Probleme: In einer eskalierten Polizeiaktion wurde ihr Partner getötet; und sie selbst hat zwei
Menschen erschossen. Doch als ihre Nachbarin ermordet wird, muss
Katharina deren Tochter, die vierjährige, altkluge Laura, bei sich aufnehmen; und bald schon setzt die Kommissarin alles daran, das Versprechen, das sie dem kleinen Mädchen gibt, einzulösen und den
Mörder von Lauras Mutter zu finden. Unerwartete Hilfe erhält Katharina durch den arroganten, undurchsichtigen und leider viel zu
attraktiven Gerichtsmediziner Andreas Amendt – mit dem sie mehr
verbindet, als gut für sie ist. Aber alles zu seiner Zeit: Erst muss sie
Laura noch in den Kindergarten bringen …
Erschienen im Sutton-Verlag
ISBN-13: 978-3866804845
Broschiert
23
African Boogie
Ein Katharina-Klein-Krimi
fort von Frankfurt am Main
K
riminaldirektorin Katharina Klein muss weg. Weit weg. Untertauchen, weil ein Killer auf sie angesetzt ist. Einen klaren
Kopf bekommen, weil sie sich in den völlig falschen Mann verliebt
hat. Allein sein, weil ihre persönlichen Dämonen sie verfolgen. Das
Fünf-Sterne-Resort Golden Rock vor der afrikanischen Küste ist genau das Richtige. Palmen, Pool, sogar ein toller Kraftraum, wie gemacht für die halbkoreanische Kampfsportlerin. Aber so leicht entkommt Katharina nicht, schon nach zwei Tagen ist das Hotel voll.
Voller Hessen. Als der erste Gast auf unschöne Weise ertrinkt, denkt
sie sich noch nichts Böses. Doch dabei bleibt es nicht, und spätestens, als die einzige Verbindung zur Außenwelt in die Luft fliegt,
verwandelt sich das Urlaubsparadies in eine Hölle, in der jeder jeden
verdächtigt. Mafia Island! Das mag ja wirklich aus dem Arabischen
stammen und nichts mit der Cosa Nostra zu tun haben. Aber beim
nächsten Mal wird Katharina sehr viel genauer aufpassen, wo sie hinfliegt – wenn es ein nächstes Mal gibt.
Erschienen im Sutton-Verlag
ISBN-13: 978-3866807495
Broschiert
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Dolphin Dance
Katharina Klein zurück in Frankfurt am Main
I
ch hatte eine Spur. Und am Ende waren eine Menge Leute tot.«
Gerade zurück aus dem unfreiwilligen Abenteuerurlaub auf Mafia
Island und noch vor Antritt des neuen Jobs als Leiterin einer Spezialeinheit für unaufgeklärte Verbrechen stürzt sich Katharina Klein,
Frankfurts explosivste Kriminalpolizistin, in den drängendsten unerledigten Fall, den es für sie gibt: den Mord an ihrer eigenen Familie
vor 16 Jahren. Die Vergangenheit wirft unangenehme Fragen auf:
nach der Rolle des Gerichtsmediziners Andreas Amendt, in den sich
Katharina so gerne verlieben würde, und ihres Mentors Polanski, der
den Fall damals untersucht hat. Und nach dem eigenen Vater, denn
warum sollte jemand die Familie eines harmlosen Kunsthändlers so
professionell auslöschen? Doch vor allem scheint die Vergangenheit
höchst lebendig: Irgendjemand will Katharinas Ermittlungen mit allen Mitteln stoppen und geht dabei wortwörtlich über Leichen.
Erschienen im Sutton-Verlag
ISBN-13: 978-3954000388
Broschiert
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Damenopfer
Katharina Klein in den Schlagzeilen
I
ch bin wirklich stolz darauf, die Sonderermittlungseinheit
sowie das Institut für okkulte Pathologie und kryptoforensische Medizin offiziell eröffnen zu dürfen. Aus diesem Anlass möchte ich ihnen gleich den ersten Fall übergeben.«
M
it diesen Worten zieht Jan-Ole Vogel, Justizminister des Landes Hessen und Hoffnungsträger seiner Partei, eine Pistole
hervor und schießt sich eine Kugel in den Kopf. Ausgerechnet auf
der feierlichen Eröffnung der neuen Sonderermittlungseinheit, die
Katharina Klein und Andreas Amendt in Zukunft leiten sollen. Vor
aller Augen. Und vor den Kameras der versammelten Medien.
Innenminister Hanfried de la Buquet wittert einen möglichen
weiterreichenden Skandal und beauftragt Katharina und Amendt,
Vogels Selbstmord näher zu untersuchen. Und die Zeit drängt, denn
jemand spielt Informationen an die Medien: über den Justizminister, aber auch über Katharina und Andreas Amendt. Will jemand
die Aufklärung des Suizids um jeden Preis verhindern? Oder spielt
dieser jemand eine geschickte Partie Polit-Schach mit ihnen? Und
vor allem: Was weiß dieser Jemand über Katharinas und Amendts
Vergangenheit?
Erschienen im Sutton-Verlag
ISBN-13: 978-3954004515
Broschiert
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