Putin fehlt der Wirtschaft - ePaper

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Putin fehlt der Wirtschaft - ePaper
Aufstand in Lübeck
Das verhinderte
Flüchtlingsheim
Titelthema
5. Juli 2015
Nr. 27
B
NEIN
Gefühl für Karriere
Warum nur empathische
Kinder erfolgreich sind
Diätlüge – das Märchen von
der Steinzeitmethode S. 58/59
Terminator – vom banalen
Comeback einer Legende S. 43
NEIN
S. 27
Deutschlands große Sonntagszeitung | Gegründet 1948
*
Preis
D
€ 3,90
FIFA-SKANDAL
Blatter spricht
Sepp Blatter, Präsident des FußballWeltverbandes Fifa, geht nach den Ermittlungen gegen kriminelle FußballFunktionäre in die Offensive. „Ich habe
Angst, dass man die Fifa kaputt machen
will“, so der 79-Jährige im Interview.
Was seine Person angeht, gibt sich der
Schweizer dagegen betont entspannt:
„Ich habe nichts zu befürchten.“ Im
Blick auf seine Arbeit bei der Fifa, so
Blatter, „habe ich keine Angst“. Die
Vergabe der WM 2022 an Katar sei nach
politischen Interventionen passiert. „Die
Herren Sarkozy und Wulff haben versucht, ihre Wahlmänner zu beeinflussen.
Deswegen haben wir jetzt eine Weltmeisterschaft in Katar“, sagte Blatter.
Seiten 21 und 23
Und welche Zukunft hat Europa?
Das Abstimmungsergebnis in Griechenland entscheidet mit darüber, ob die Union langfristig stabil bleibt
ie Griechen entscheiden heute darüber, wie es weitergeht mit ihrem
Land. Ein Nein zu den von den Euro-Partnern verlangten Spar- und
Reformmaßnahmen könnte die Krise in dem Land weiter verschärfen, den Ausstieg
des Landes aus dem Euro-Raum besiegeln – aber
auch dramatische Folgen für die Zukunft ganz Eu-
D
VON JAN DAMS, OLAF GERSEMANN, CHRISTOPH B.
SCHILTZ, DANIEL F. STURM UND ANDRE TAUBER
ropas haben. Ein Grexit könnte die Währungsunion zu einem losen Wechselkursverbund degradieren, andererseits aber auch die Bemühungen um
eine unverrückbare politische Union verstärken.
Die letzten fünf Umfragen vor dem Referendum deuten auf ein knappes Ergebnis hin. Eine
sah das Nein-Lager leicht vorn, die anderen vier
machten einen leichten Vorsprung für die Jasager
aus. Unabhängig von dem Ergebnis werden nach
dem Urnengang die unterbrochenen Verhandlungen der Gläubiger-Troika aus EU-Kommission,
EZB und IWF mit der griechischen Regierung
wieder aufgenommen werden. Ebenfalls unabhängig von dem Ergebnis dürfte sich die Erkenntnis verbreiten, dass Athen schnell und unbürokratisch finanzielle Hilfe benötigt. „Die brauchen
jetzt ganz schnell Bares“, sagte ein ranghoher
Troika-Unterhändler der „Welt am Sonntag“. Wie
aus EU-Kreisen zu erfahren ist, erwägt die Europäische Union bereits Milliardentransfers, um eine soziale Notlage abzuwenden.
Martin Schulz, der Präsident des Europäischen
Parlaments, betonte in diesem Zusammenhang, es
sei die Regierung des linkspopulistischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras gewesen, die das
Land in eine Sackgasse manövriert habe. „Doch
FORMEL-1-SKANDAL
dafür“, sagte der Sozialdemokrat dieser Zeitung,
„können die Menschen ja nichts. Denen werden
wir helfen.“ Schulz hat auch schon konkrete Vorschläge: „Vielleicht werden wir Notstandskredite
zur Überbrückung an Griechenland geben müssen, damit die öffentliche Versorgung aufrechterhalten werden kann und bedürftige Menschen
das Geld bekommen. Dafür wären kurzfristig Gelder in Brüssel abrufbar.“ Dies gelte auch für den
Fall, dass bei dem Referendum die Neinstimmen
in der Mehrheit sind, deutete Schulz an.
Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen
Amt, rief die Griechen gestern indirekt auf, mit Ja
zu votieren. „Griechenland kommt nur mit Europa, aber definitiv nicht gegen Europa aus der Krise“, sagte er und versprach: „Wir bleiben Partner.“
Der griechische Staat hatte nach IWF-Angaben
vom Donnerstag schon Ende Mai nicht mal mehr
eine Milliarde Euro auf Konten von Zentralbank
und privaten Kreditinstituten liegen – das sind weniger als 100 Euro je Bürger. Dieser Betrag dürfte
inzwischen noch viel niedriger sein, weil dem Fiskus die Einnahmen wegbrechen. „Die Regierung
hat vielleicht noch Geld für eine Woche, aber bestimmt nicht für länger“, sagte ein Troika-Experte.
Den privaten Banken dürfte, so die verbreitete
Einschätzung in Gläubigerkreisen, sogar schon am
Montag oder Dienstag das Geld ausgehen.
Die Notenbanken haben im Zuge des Anleihenkaufprogramms SMP mit griechischen Staatsanleihen Gewinne gemacht. Diese sollen möglicherweise
zum Stopfen der Finanzlöcher eingesetzt werden.
Die Rede ist von 1,9 Milliarden Euro. Reichen würde
das allerdings längst nicht. Allein für die unvermeidliche „Rekapitalisierung“ der Geldhäuser wird
von einem Troika-Fachmann ein Finanzbedarf von
„mindestens zehn Milliarden Euro“ veranschlagt.
Seiten 2 bis 5, 11 und 38
INVESTITIONEN
26
Banker bleibt in Haft
Rechnungshof fordert mehr Geld für Straßen
Gerhard Gribkowsky, Ex-Vorstand der BayernLB,
muss seine Hoffnung aufgeben, schon bald ganz
freizukommen. „Die Strafvollstreckungskammer
des Landgerichts München I hat den Antrag auf
vorzeitige Haftentlassung abgelehnt“, teilte die
Münchner Staatsanwaltschaft der „Welt am Sonntag“ mit. Gribkowsky hatte gegen Formel-1-Chef
Bernie Ecclestone ausgesagt, nachdem er selbst
wegen Bestechlichkeit, Untreue und Steuerhinterziehung zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt
worden war. Dem Vernehmen nach ist der Manager davon ausgegangen, im Gegenzug schon nach
etwa vier Jahren entlassen zu werden.
Prozent der Deutschen wollen sich mit dem Kauf
von Konsumprodukten vor allem „etwas Gutes
tun“. Der Preis ist dagegen nur für 20 Prozent vorrangig. Dies geht aus einer noch unveröffentlichten Umfrage der Nielsen-Marktforschung hervor.
Die Deutschen sind demnach kein Volk von
Schnäppchenjägern mehr – das bestätigt auch der
internationale Vergleich. Überall sonst in Europa
ist der Preis laut Nielsen-Umfrage das Kaufkriterium Nummer eins. Der Befund passt zu Analysen
des Statistischen Bundesamts, wonach hohe Tarifabschlüsse bei stabilen Preisen die reale Kaufkraft
beflügeln wie seit dem Jahr 2008 nicht mehr.
Seite 32
Seite 28
Der Präsident des Bundesrechnungshofs, Kay
Scheller, fordert die Regierung auf, mehr Geld in
den Erhalt der Straßen zu investieren. „Der Zustand der Straßen ist besorgniserregend. Insbesondere etliche Brücken weisen Mängel auf“, sagte Scheller dieser Zeitung. „Für die kommenden
Jahre sollte der Bund deutlich mehr Mittel in den
Erhalt der Straßen investieren als bislang vorgesehen.“ Instandhaltung sei nicht nur eine staatliche
Pflichterfüllung, sie gehöre zu den Zukunftsaufgaben des Landes. Scheller verwies auf den Befund
des Rechnungshofs, „dass die Erhaltung der Bundesfernstraßen in den vergangenen Jahren unterfinanziert war“.
Schellers Warnung bezieht sich auf einen aktuellen Prüfbericht seiner Behörde zum Bundesfernstraßenbau. Konkret wird darin kritisiert, dass die
Finanzierungspläne des Bundesverkehrsministeriums für den Erhalt von Autobahnen und Bundesstraßen in den Jahren 2016 bis 2030 viel zu niedrig
angesetzt sind. Aus dem Berichtsteil zur „Erhaltungsbedarfsprognose“ von 2011 bis 2025 geht hervor, dass das Verkehrsressort das Zustandsniveau
von 2010 erhalten will und dafür Investitionen
von bis zu 3,8 Milliarden Euro pro Jahr für nötig
hält. Dem Rechnungshof zufolge ist jedoch zu erwarten, „dass die künftigen Erhaltungskosten
deutlich über dieser Prognose liegen werden“.
ZIPPERTS WORT ZUM SONNTAG
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Armes Schwein
anze 84 Prozent der Deutschen
sind der Meinung, dass man Mücken ohne zu zögern töten darf,
und beim Schweinemord sind immerhin
72 Prozent dabei. Das hat eine Umfrage
der evangelischen Werbebeilage „Chrismon“ ergeben, eine Art christliche „Apotheken Umschau“. Das erklärt, warum Mücken so
aggressiv sind. Sie fühlen sich verfolgt und versuchen, uns das Blut auszusaugen, um uns auszuschalten. Schweine machen dagegen einen eher
friedlichen Eindruck, man hat noch nie davon gehört, dass sie einen Menschen ausgesaugt hätten.
Sie kommen auch nur sehr selten nachts ins Schlafzimmer geflogen, rauben einem nie mit Hochfrequenz-Geräuschen die Nachtruhe und hinterlassen
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hinterher keinen unschönen roten Fleck
auf der Tapete. Woher rührt dann der
mörderische Hass der Deutschen auf das
Schwein – egal, ob es katholisch oder
evangelisch ist? Warum geben wir millionenfachen Schweinemord in Auftrag und
lassen zu, dass dieses friedliche Tier portioniert in Fleischtheken zur Schau gestellt wird?
Es schmeckt einfach zu gut. Frauen sind übrigens
laut Umfrage weniger tötungsbereit. Ostdeutsche
neigen eher zum Tiermord als Westdeutsche.
Schweine sollten ostdeutschen Männern also weiträumig aus dem Weg gehen. Und jetzt wissen wir
auch, warum weite Gebiete Thüringens oder Mecklenburg-Vorpommerns so entvölkert wirken – ostdeutsche Männer haben sie leer gegessen.
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PL 20 PLN • S 50 SEK • TN 6,50 TD • ZA 70,00 ZAR
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ISSN 0949 – 7188
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GETTY IMAGES; MONTAGE WELT AM SONNTAG
AFD-PARTEITAG
Petry neue Chefin
Frauke Petry ist die neue erste Vorsitzende der Alternative für Deutschland. Sie setzte sich gegen Mitbegründer
Bernd Lucke mit 60 Prozent der Stimmen durch. Petry steht für den rechten
Flügel der Partei. In der Rede Luckes
kam es zu Tumulten unter den 3500
Mitgliedern des Parteitags. Als sich
Lucke gegen eine pauschale Verurteilung
des Islams wandte, wurde er ausgebuht.
Er wirft Petry vor, die AfD nicht gegen
das rechte Spektrum abzugrenzen.
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Welt der Wunder
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Jetzt auch am Wochenende!
Mo-So um 19.10 Uhr
PASTA-RESTAURANTS
Kritik an Vapiano
Ex-Mitarbeiter der bundesweit tätigen
Pizza- und Pastakette Vapiano erheben
schwere Vorwürfe gegen ihren früheren
Arbeitgeber: In einigen selbst betriebenen Filialen des Unternehmens – darunter in Süddeutschland, Hessen und Berlin – sollen regelmäßig Restaurant- oder
Schichtleiter Stempelzeiten zulasten der
auf Stundenlohnbasis angestellten Mitarbeiter manipuliert haben. Der „Welt
am Sonntag“ liegen sechs eidesstattliche
Versicherungen dazu vor. Bei Vapiano
heißt es zu den Vorwürfen, es gebe klare
Dienstanweisungen, die genau solche
Manipulationen verhindern sollten.
Doch haben die Recherchen dieser Zeitung dazu geführt, dass das Bonner
Unternehmen nun einen sechsstelligen
Betrag in ein neues Zeiterfassungssystem investieren will.
Seite 34
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