Chemische Verfahrenstechnik - Fachbereich Maschinenbau und

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Chemische Verfahrenstechnik - Fachbereich Maschinenbau und
FH Düsseldorf
Maschinenbau und Verfahrenstechnik
Chemische Verfahrenstechnik
chemische Thermodynamik
Chemische Verfahrenstechnik
Teil 7
Chemische Thermodynamik
Wärmezufuhr
Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke
Kühlung
SS 2015
Chemische Verfahrenstechnik
chemische Thermodynamik
Die Thermodynamik ist die Lehre von den Energieänderungen im Verlaufe von physikalischen und
chemischen Vorgängen. Sie behandelt stets Gleichgewichtszustände von chemischen
Reaktionen und ermöglicht damit die Voraussage, ob eine bestimmte chemische Reaktion unter
gegebenen Bedingungen abläuft oder nicht. So ist beispielsweise das Massenwirkungsgesetz ein
Ergebnis thermodynamischer Betrachtungsweise.
Die chemische Thermodynamik liefert folgende
Informationen:
1.
Berechnung der Reaktionsenthalpien
(Welche Wärmemenge muss zu- oder abgeführt werden?)
- Berechnung aus Bildungsenthalpien auf der Grundlage von
Tabellenwerken
- Berechnung aus bekannten Reaktionen (Hess´scher Satz)
2.
Berechnung chemischer Gleichgewichte
(Betrachtung von reversiblen Reaktionen)
3.
Aussage über die Richtung des Ablaufs chemischer Reaktionen
Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke
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Chemische Verfahrenstechnik
1.
chemische Thermodynamik
Berechnung der molaren Reaktionsenthalpie
- Berechnung aus bekannten Bildungsenthalpien
a.
Berechnung der molaren Reaktionsenthalpie aus den molaren Bildungsenthalpien der
einzelnen Reaktionspartner bei Standardbedingungen (25 °C (298,15 K) und 101,3 kPa
(1,013 bar)):
(7.1)
ÄHRɵ (Tɵ,pɵ) = Ó íi HB,iɵ
Produkte
b.
-
Ó íi HB,iɵ
Edukte
Berechnung der molaren Reaktionsenthalpie bei Reaktionstemperatur:
T
∫
(7.2)
ÄHR (T,p) = ÄHRɵ (Tɵ,pɵ) + ÄCp (T,p) dT
To
c)
Berechnung der molaren Wärmekapazität des Gemisches
(7.3)
ÄCp (T,p) = Ó íi Cp,i
Produkte
Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke
-
Ó íi Cp,i
Edukte
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chemische Thermodynamik
Beispiel: Ammoniak-Verbrennung bei 873 K
1. Berechnung der molaren Reaktionsenthalpie bei Standardbedingungen
4 NH3 + 5 O2
4 NO + 6 H2O
Molare Standardbildungsenthalpien [kJ/mol] bei 298 K
NH3
- 46,2
O2
NO
H2O
0
90,4
-241,6
Die Reaktionsenthalphie errechnet sich bei 298 K (Gleichung 7.1):
ÄHRc (Tɵ, pɵ) = [4(90,4) + 6(-241,6)] – [4(-46,2) + 5(0)]
ÄHRɵ (298 K, pɵ) = - 903,2 kJ/mol
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chemische Thermodynamik
2. Berechnung der Wärmekapazität des Gemisches
spezifische Wärmekapazitäten [J/mol * K] bei Standardbedingungen
NH3
O2
NO
H2O
42
29
29
36
Berechnung der molaren Wärmekapazität nach Gleichung 7.3:
ÄCp = [4(29) + 6(36)] – [4(42) + 5(29)]
ÄCp = 19 J/mol * K = 0,019 kJ/ mol * K
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chemische Thermodynamik
3. Berechnung der Reaktionsenthalpie des Gemisches bei 873 K
Berechnung der molaren Reaktionsenthalpie bei 873 K nach Gleichung 7.2:
ÄHR (873 K) = ÄHRɵ(298 K) + ÄCp x 575 K
ÄHR (873 K) = - 903,2 + 0,019 x 575 = - 892,3 kJ/mol
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- Berechnung der molaren Reaktionsenthalpie aus bekannten Reaktionen (Hess´scher Satz)
Grundsätze nach dem Hess´schen Satz:
•
Die molare Reaktionsenthalpie hängt nur vom Anfangs- und Endzustand des
chemischen Systems ab.
•
Sie ist vom Reaktionsweg unabhängig.
Beispiel:
Graphit kann direkt zu Kohlenstoffdioxid verbrannt werden (1) oder indirekt über die
Zwischenstufe Kohlenstoffmonoxid (2), (3). Die Gesamtreaktionsenthalpie ÄHR ist in
beiden Fällen gleich:
(1)
C (Graphit) + O2
CO2
ÄHR,1 = - 393 kJ/mol
(2)
C (Graphit) + ½ O2
CO2
ÄHR,2 = - 111 kJ/mol
CO2
ÄHR,3 = - 282 kJ/mol
(3)
CO2
+ ½ O2
ÄHR,1 = ÄHR,2 + ÄHR,3 = - 111 kJ/mol + (- 282 kJ/mol) = - 393 kJ/mol
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2. Berechnung des chemischen Gleichgewichtes (kinetische Betrachtung)
Bei reversiblen Reaktionen stellt sich ein Gleichgewicht von Hin- und Rückreaktion ein.
Das Verhältnis von Hin- und Rückreaktion wird allgemein mit der Gleichgewichtskonstanten K
beschrieben (Massenwirkungsgesetz). Je nach Mengenangabe für die Komponenten (A, B, C, D)
werden unterschiedliche Gleichgewichtskonstanten verwendet:
(7.4)
cCIíCI * cDIíDI
Kc =
cAIíAI * cBIíBI
Kp für den Partialdruck pi (bei Gasreaktionen)
(7.5)
Kp =
pCIíCI * pCIíDI
pAIíAI * pBIíBI
Kx für den Stoffmengenanteil xi
(7.6)
Kx =
xCIíCI * xCIíDI
xAIíAI * xBIíBI
Kc für Konzentrationen ci (in Lösung)
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Die verschiedenen Gleichgewichtskonstanten lassen sich durch einfache Beziehungen ineinander
umrechnen.
Allgemein gilt:
Ist K >> 1 , dann läuft die Reaktion nahezu vollständig in Richtung der
Produkte ab. Die Edukte sind im Gleichgewicht nur noch in sehr
geringer Konzentration vorhanden.
Ist K ≈ 1, dann liegen im Gleichgewichtszustand alle
Reaktionsteilnehmer in vergleichbar großen Konzentrationen vor.
Ist K << 1, dann läuft die Reaktion praktisch nicht ab, und im
Gleichgewichtszustand sind ganz überwiegend die Edukte vorhanden.
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A +Gleichgewicht
B
C + D verändert werden, um höhere Umsätze zu erreichen?
Wie kann das chemische
Die Gleichgewichtslage kann durch Änderung folgender Größen beeinflusst werden:
•
Änderung der Konzentrationen der Reaktionsteilnehmer
•
Druckänderung (bei Reaktionen, bei denen sich die Gesamtstoffmenge der
gasförmigen Reaktionspartner ändert.)
•
Temperaturänderung
Prinzip des kleinsten Zwanges (von Le Chatelier)
„Übt man auf ein System, das im Gleichgewicht ist, durch Druckänderung,
Temperaturänderung oder Konzentrationsänderung einen Zwang aus, so verschiebt
sich das Gleichgewicht, und zwar so, dass sich ein neues Gleichgewicht einstellt, bei
dem dieser Zwang vermindert ist.“
Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke
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Beispiel Ammoniaksynthese:
N2 + 3 H2
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2 NH3
ÄHRɵ = - 46 kJ/mol oder 2 * (- 46,2) kJ/FU = - 92,4 kJ/FU
Weil jedoch 2 Mole NH3 gebildet werden, ist:
ÄHRɵ = 2 * (- 46 kJ/mol) = - 92,4 kJ/FU
Hinweis: Formal wird dann ÄHRɵ nicht mehr auf ein Mol bezogen, sondern auf den Formelumsatz FU.
Abhängigkeit von der Konzentration bzw. vom Partialdruck:
Wenn es gelingt, aus einem Reaktionsgemisch während der Reaktion das Produkt zu entfernen,
verschiebt sich das Gleichgewicht zur rechten Seite. Der Partialdruck von NH3 wird vermindert,
womit Kp in Gleichung 15 steigt.
Abhängigkeit vom Gesamtdruck:
Die Druckerhöhung übt einen Zwang auf die gasförmigen Reaktanden aus. Da auf der
Produktseite die Stoffmengenkonzentration der Gase geringer ist (rechte Seite 2 Mole; linke
Seite 4 Mole), wird das Gleichgewicht nach rechts verschoben. Der Umsatz kann somit durch
Druckerhöhung gesteigert werden!
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Abhängigkeit von der Temperatur:
Die Gleichgewichtskonstante K ist von der Temperatur abhängig. Die
Temperaturabhängigkeit wird von der van´t Hoffschen Gleichung beschrieben:
van´t Hoff Gleichung
(7.7)
d lnK
ÄHRɵ
=
dT
R • T2
Die Temperaturabhängigkeit der Konstanten K wird entscheidend vom Vorzeichen
der Reaktionsenthalpie bestimmt!!
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Temperaturabhängigkeit der Gleichgewichtskonstanten
K
1 näherungsweise
irreversible Reaktion
d lnK
dT
Umsatz der Komponente A
1
exotherme
Reaktion
=
ɵ dT
d lnK = ÄHR
T2
R
ln K2 - ln K1 = K2
ln
K1
endotherme
Reaktion
(7.8)
Temperatur T
van´t Hoff Gleichung
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ÄHRɵ
R • T2
K2
=-
ÄHRɵ 1
- 1
T2 T1
R
ÄHRɵ 1
- 1
T2 T1
R
ɵ
- ÄHR 1 - 1
R
T2 T1
= K1 e
K << 1 nur sehr geringe
Umsätze möglich
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chemische Thermodynamik
Schlussfolgerung:
Bei endothermen Reaktionen verschiebt sich das Gleichgewicht mit steigender
Temperatur zur Produktseite. Höhere Ausbeute des Produktes!
Bei exothermen Reaktionen verschiebt sich das Gleichgewicht mit steigender
Temperatur zur Eduktseite. Die Ausbeute des Produktes sinkt!
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chemische Thermodynamik
Wie kann die Gleichgewichtkonstante berechnet werden?
1.
Möglichkeit: Berechnung über die Konzentrationen, Partialdrücke oder
Molanteile (Gleichungen 7.4 – 7.6) aus Messwerten.
2.
Möglichkeit: Berechnung mit Hilfe der freien Enthalphie ÄGR.
ÄGR ist ein Maß für die Fähigkeit eines Systems Arbeit zu verrichten. Je größer der
negative Wert ist, desto mehr Arbeit vermag ein System zu leisten, desto reaktiver ist
es. Wenn ein System im Gleichgewicht ist, hat es keine Fähigkeit mehr Arbeit zu
verrichten, d.h. ÄGR = 0!
Der Standardzustand liegt vor, wenn von allen beteiligten Stoffen in der
Reaktionsmischung jeweils 1 Mol vorliegt. Wir sprechen dann von ÄGRɵ.
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(7.9)
ÄGR =
ÄGRɵ
+ RT *
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aCIíCI * aDIíDI
ln Ií I
aA A * aBIíBI
Die Formulierung mit Hilfe der Aktivitäten a
ist für reale Stoffe notwendig.
Ka
Für das chemische Gleichgewicht gilt:
Für ideale Gase (bei niedrigen Drücken) gilt:
Damit gilt:
ÄGR = 0
ai = xi
Aktivität = Molanteil
Kx ~ Ka
(7.10)
ÄGRɵ = - RT * ln Kx
Die Freie Enthalpie im Standardzustand kann somit aus der Gleichgewichtskonstanten berechnet werden.
Für viele technische Anwendungen besteht umgekehrt das Ziel, mit Hilfe der Gleichgewichtskonstanten
die Zusammensetzung des Reaktionsgemisches im Gleichgewicht zu berechnen.
Industrielle Prozesse müssen fern vom Gleichgewichtszustand arbeiten, denn ÄGR = 0 bedeutet
Reaktionsstillstand. Im Durchflussreaktor wie dem Hochofen läuft keine Reaktion mehr ab, ähnliches
gilt auch für kontinuierlich betriebene Syntheseprozesse.
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3.
Stöchiometrie
Aussage über die Richtung des Ablaufs chemischer Reaktionen
Die molare Gibbs´sche Reaktionsenthalpie entspricht der maximalen Arbeit je Mol Formelumsatz,
die durch die Reaktion im Reaktionsverlauf verrichtet werden kann. Temperatur und Druck sind
konstant.
(7.11)
Energie, die bei der
Reaktion maximal in Arbeit
umgesetzt werden kann.
ÄGR = ÄHRɵ – T * ÄSRɵ
Energie, die die Reaktion
insgesamt liefern kann.
Teil der Energie, die unter
Standardbedingungen bei
der Reaktion nicht in Arbeit
umgesetzt werden kann.
Die molare Standardreaktionsenthalpie ÄSRo einer chemischen Reaktion entspricht der
Differenz aus den Standardentropien der Reaktionsprodukte und der Ausgangsstoffe.
(7.12)
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ÄSRɵ = íP Sɵp - íE SɵE
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Die freie Enthalpie sagt folgendes über Reaktionen aus:
Bei gleichbleibender Temperatur und gleichbleibendem Druck, kann eine Reaktion nur
spontan ablaufen, wenn ÄG kleiner als Null ist:
-
ÄGR < 0 : Die Reaktion läuft spontan ab
-
ÄGR = 0 : Die Reaktion befindet sich im Gleichgewicht (keine Reaktion);
Beschreibung durch Massenwirkungsgesetz
-
ÄGR > 0 : Die Reaktion kann nur erzwungen werden (z.B. durch Zufuhr von Arbeit)
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ÄGR = ÄHRɵ – T * ÄSRɵ
exergonische Reaktion (ÄGR < 0)
Fallunterscheidung
ÄHRo < 0 und ÄSRo > 0
Reaktion verläuft freiwillig.
ÄHRo > 0 und ÄSRo > 0
endotherme Reaktion mit zunehmender Entropie verläuft
nur bei hohen Temperaturen freiwillig ab.
ÄHRɵ < T * ÄSRɵ
ÄHRo < 0 und ÄSRo< 0
CO + H2
exotherme Reaktion mit abnehmender Entropie verläuft nur
unterhalb einer Grenztemperaturen freiwillig ab.
ÄHRɵ > T * ÄSRɵ
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H2O + C
2 H2 + O2
2 H2O
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ÄGR = ÄHRɵ – T * ÄSRɵ
endergonische Reaktion (ÄGR > 0)
Fallunterscheidung
ÄHRɵ > 0 und ÄSRɵ < 0
Reaktion verläuft nie freiwillig.
ÄHRɵ > 0 und ÄSRɵ > 0
endotherme Reaktion mit zunehmender Entropie verläuft
bei geringen Temperaturen nicht freiwillig ab.
H2O + C
CO + H2
ÄHRɵ < T * ÄSRɵ
ÄHRɵ < 0 und ÄSRɵ < 0
exotherme Reaktion mit abnehmender Entropie verläuft bei
hohen Temperaturen nicht freiwillig ab.
ÄHRɵ > T * ÄSRɵ
Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke
2 H2 + O2
2 H2O
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Aufgabe: Ob eine Reaktion freiwillig abläuft, kann mit Hilfe der folgenden Gleichung errechnet werden:
ÄGR = ÄHRɵ – T * ÄSRɵ
Für eine Reaktion ist: ÄHRɵ = 100 kJ/mol
ÄSRɵ = 200 J/mol K
Ab welcher Temperatur läuft die Reaktion freiwillig ab?
Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke
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