Skript Besonderes Versicherungsvertragsrecht Recht der

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Skript Besonderes Versicherungsvertragsrecht Recht der
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Schwerpunktbereich Deutsches und Europäisches
Privatversicherungsrecht
Besonderes Versicherungsvertragsrecht I/1
Grundzüge des Rechts der Personenversicherung
Skript
Von Prof. Dr. Roland Rixecker
[Das Skript ist kein Mitschnitt der Vorlesung. Es gibt die Struktur der Vorlesung wieder,
schildert die besprochenen Fälle – Leitentscheidungen des Bundesgerichtshofs oder der
Oberlandesgerichte – unter Angabe der (zum Nachlesen gedachten) Fundstelle – ohne
Wiedergabe einer ausführlichen Lösung, enthält Klausurbeispiele (Aufgabe und Gliederung
der Lösung) und weiter führende Hinweise. Auf diese Weise soll das Skript sowohl
informieren als auch zu der eigenständigen Erarbeitung rechtlicher Probleme anregen.
Insoweit enthält es keine vollständige Darstellung eines Rechtsgebiets sondern eine
kasuistische Annäherung an im Alltag des Versicherungsvertragsrechts relevante Probleme,
deren mosaikhafte Zusammenstellung dazu dienen soll, ein Gesamtbild anzudeuten und in
einzelnen Teilen zu veranschaulichen].
Die Vorlesung stellt verschiedene Fälle dar, um die rechtspraktischen Probleme des
Schwerpunktbereichs insoweit zu veranschaulichen. Es wird erwartet, dass die
Studierenden die zitierten und besprochenen Entscheidungen nachlesen.
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Abschnitt 1
Grundzüge des Rechts der Unfallversicherung
§§ 178 – 191 VVG
(AVB: AUB 2014)
(Fundstelle: www.gdv.de)
1. Grundlagen und Abgrenzung
Zweck:
Private Absicherung vor den finanziellen Folgen (Personenschäden) eines Unfalls.
Abgrenzung zur gesetzlichen Unfallversicherung, die in SGB VII geregelt ist, und die
(nur) Schäden infolge von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten
gesundheitlichen Gefahren deckt, dafür aber über die private Unfallversicherung
hinaus die Funktionen „Prävention, Rehabilitation und Entschädigung“ (§ 1 SGB VII)
deckt. Neuere Bedingungswerke sehen über die Entschädigung hinaus weitere
Leistungen („managed care“) vor (Hilfen im alltäglichen Leben).
Art:
Personenversicherung: Schutz des VN oder der VP gewissen, durch einen Unfall
eingetretenen wirtschaftlichen Nachteilen
Summenversicherung: Versprechen von Leistungen ohne Nachweis eines konkret
eingetretenen Schadens.
Teilweise Schadensversicherung: Zahlung von Tagegeld oder von Heilungskosten.
2. Versicherungsfall: Unfall
a. Regelfall
Die versicherte Person erleidet durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper
einwirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung.
„Tödliche Schokolade“
BGH 23.10.2013 - IV ZR 98/12 – VersR 2013, 1570
Die mitversicherte K litt an einer angeborenen schweren Entwicklungsstörung
(Trisomie 18) sowie an Asthma und an einer schweren Allergie gegen Nüsse. Am
Heiligabend 2009 nahm K aus der Weihnachtsdekoration nusshaltige Schokolade
und verzehrte sie. Sofort schwollen die Atemwege zu und K erlitt einen tödlichen
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Kreislaufzusammenbruch. VN verlangt die Todesfallleistung, VR beruft sich darauf,
der Tod sei allein durch Vorgänge im Körperinnern ausgelöst worden.
1.Versicherungsfall eingetreten? (Beweislast: VN. Maßstab: § 286 ZPO)
Versicherungsfall ist nach § 178 das Unfallereignis (von außen plötzlich auf den
Körper wirkendes Ereignis). VVG kennt kein „Unmittelbarkeitserfordernis“.
(a) „Einwirkung von außen auf den Körper“?
Der Verzehr der Schokolade hat auf die Mundschleimhaut eingewirkt. Dass daraufhin
„im Körper“ allergische Reaktionen ausgelöst wurden ist unerheblich. Folglich liegt
ein „Kontakt des Körpers mit der Außenwelt“ vor.
[Vergleichbar: Sturz auf Skipiste, Ertrinken / Anders: Ersticken an erbrochener
Nahrung nach Einführung einer Magensonde]
(b) Plötzlich
Entweder in zeitlicher Hinsicht objektiv kurzfristige (und nicht allmählich) oder in
subjektiver Hinsicht unerwartete und unentrinnbare Geschehnisse.
2.Unfreiwilligkeit? (§ 178 Abs. 2 Satz 2 VVG) (Beweislast: VR. Maßstab: § 286 ZPO))
Freiwilligkeitserfordernis bezieht sich nicht auf das Unfallereignis (vP hat die
Schokoladenplätzen freiwillig gegessen), sondern auf die Unfallfolge.
3.Ereignisfolge (Invalidität oder Tod)? (Beweislast: VN, Maßstab: § 287 ZPO)
VP ist verstorben.
„Die liebe böse Sonne“
OLG Saarbrücken 13.03.2013 – 5 U 343/12 – NJW-RR 2014, 101
VN befährt eine bewaldete Landstraße. Nach einer Kurve auf einer Lichtung blendet
ihn plötzlich das Sonnenlicht; er wendet den Kopf ab, ein Lichtblitz zuckt vor seinen
Augen, Kopfschmerzen treten auf. VN hat eine Dissektion der aorta carotis interna
erlitten und ist invalide.
Entscheidende Frage ist, ob eine Einwirkung von außen vorliegt oder ob es sich um
eine nicht gedeckte Eigenbewegung handelt. Das am Beginn der Kausalkette
stehende äußere Ereignis muss den VN nicht physisch getroffen haben, es kann
über einen Sinneseindruck vermittelt worden sein. Dann muss ein irgendwie
gearteter physischer Wirkungszusammenhang bestehen (z.B. auch bei
unwillkürlichen physiologischen Reaktionen). Hier ist das Sehen der Sonne als
solches jedoch ohne jede körperliche Folge geblieben sondern hat nur eine
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Eigenbewegung ausgelöst und erst diese Eigenbewegung hat die gesundheitliche
Schädigung herbeigeführt.
[Kann ein VN ( in anderen Fällen ) geltend machen, er habe mit seiner
Eigenbewegung nur einen Unfall vermeiden wollen, steht ihm also ein Anspruch auf
„Rettungskostenersatz“ zu? § 184 VVG erklärt aber die Vorschriften über die
Schadenabwendungsobliegenheit gerade für die AUB-V nicht für anwendbar!]
b. Deckungserweiterungen (Unfallfiktion)
„Ein unsportlicher Sportlehrer“
OLG Saarbrücken 28.12.2001 – 5 U 842/00 – VersR 2002, 1096
VN ist von Beruf Lehrer an einem Gymnasium und unterrichtet die Fächer Biologie
und Sport. Am 26.03.1998 führte er während des Sportunterrichts
Muskelanspannungs- und Kräftigungsübungen vor. Er wollte aus der Bauchlage –
die Beine leicht gegrätscht und gestreckt gehalten, die Arme über Schulterbreite
geöffnet und ebenfalls gestreckt – unter allgemeiner Muskelanspannung des
Rumpfes und der Extremitäten den Körper vom Boden abheben und nur noch auf
Händen und Füßen ruhen, ohne sich auf die Ellenbogen- und Kniegelenke zu
stützen. Dabei kam es zu einem Muskelfaserriss bzw. partiellen Sehnenriss des
Musculus rectus femoris, eines der Oberschenkelmuskeln, rechts.
VVG § 178 Abs. 1
„bei einem Unfall oder einem vertraglich dem Unfall gleichgestellten Ereignis“
AUB 2008 1.4.
Als Unfall gilt auch, wenn durch eine erhöhte Kraftanstrengung an Gliedmaßen oder Wirbelsäule
ein Gelenk verrenkt wird oder
Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln gezerrt oder zerrissen werden.
Vergleichsmaßstab für die Feststellung einer erhöhten Kraftanstrengung ist der
Kraftaufwand, mit der die normale körperliche Bewegung – im Allgemeinen –
naturgemäß verbunden ist. Erforderlich ist ein gegenüber diesem Kraftaufwand
erhöhter Einsatz von Muskelkraft. Das gilt auch dann, wenn nur der eigene Körper in
Bewegung gesetzt wird. Das gilt auch dann, wenn die Tätigkeit der vP immer wieder
besondere körperliche Kraftanstrengungen erfordert.
3. Besondere Anspruchsvoraussetzung: Ärztliche Feststellung der Invalidität
„Schlimme Folgen einer Quadfahrt“
OLG Naumburg 19.07.2013 – 4 W 6/13 – NJW-RR 2014, 104
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Der versicherte Sohn des VN erlitt am 17.07.2009 einen Unfall mit einem Quad, der
zu einer spastischen Querschnittslähmung führte. VN wie VN am 03.03.2010 darauf
hin, dass eine Invalidität innerhalb von 15 Monaten ärztlich festgestellt werden
müsse, berief sich auf den Ausschluss des Fahrens ohne Fahrerlaubnis und
erwähnte, sie werde ihre Leistungspflicht erneut prüfen, wenn sich herausstellte,
dass dieser Einwand nicht greife. Im Rechtsstreit (dort hat sich ergeben, dass eine
Straftat nicht vorlag) beruft sie sich auf das Fristversäumnis.
AUB 2008 2.1.1.1. Voraussetzung für die Leistung:
„Die Invalidität ist innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten, innerhalb von
15 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und von Ihnen bei
uns geltend gemacht worden.
VVG § 186:
VR hat den VN auf Anzeige eines VersFalls hin auf vertragliche Anspruchs- und
Fälligkeitsvoraussetzungen in Textform hinzuweisen.
Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen „Unfallereignis (plötzlich von außen auf
den Körper einwirkendes Ereignis – Gesundheitsschädigung - Unfallereignis) liegen
vor. Nach den AVB ist aber die (rechtzeitige) ärztliche Feststellung der Invalidität eine
weitere Anspruchsvoraussetzung! Fehlt sie, wie hier, ist ein Anspruch grundsätzlich
nicht gegeben.
Versagung der Berufung auf Fehlen nach § 186 VVG?
Hinweis nach § 186 VVG muss nicht besonders hervorgehoben sein, muss jedoch
den Endzeitpunkt erkennen lassen!
Ist Belehrung erfolgt, kann die Berufung auf Fehlen des Hinweises dennoch
treuwidrig sein (§ 242 BGB), wenn


Invalidität von Anfang an feststeht, oder
VR VN in dem Glauben wiegt, er, VR, werde sich um Beschaffung von
Unterlagen selbst kümmern oder Regulierung letztlich nicht davon abhängig
machen.
4. Wesentliche Deckungsausschlüsse
„Das traurige Ende eines sadomasochistischen Nachmittags“
OLG Saarbrücken 18.12.1996 5 U 421/94 VersR 1997, 949
K klagt als Bezugsberechtigte eines von ihrem homosexuell veranlagten Ehemann
(VN), einem Arzt, bei B abgeschlossenen Unfallzusatzversicherungsvertrag, auf
Zahlung der Todesfallleistung. VN hatte während eines Urlaubs den ebenfalls
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homosexuell veranlagten X kennengelernt, der später ein von VN gemietetes
Appartement in S bezog. Dort trafen sich VN und X, um unter dem Einfluss
empfindungssteigernder Drogen sadomasochistische Praktiken auszuüben. VN
(Masochist) forderte dabei X regelmäßig mit den Worten „kill me“ auf, ihn zu töten
oder jedenfalls mit einem mitgeführten Messer zu schneiden. Am 01.12.1991 fanden
sich VN und X in der angemieteten Wohnung (alkoholisch beeinflusst {0,54 o/oo} und
drogenberauscht durch Ecstasy und LSD) ein und begannen sich nach Fesselung
des VN sexuell zu betätigen. Im Verlauf des Geschehens – „kill me“ – stieß X das
mitgeführte Messer mit äußerster Kraft in den Rücken des VN, dem es gelang, das
Appartement und alsdann sein Leben zu verlassen. K hält einen Unfall für gegeben
und Ausschlussgründe nicht für gegeben.
1. Vorliegen eines Unfallereignisses (Stich mit dem Messer in den Körper) Vorhersehbarkeit unerheblich („plötzlich“)
[Definition des Tatbestandsmerkmals „plötzlich“ als entweder objektiv (kurzer
Zeitraum) oder subjektiv („unerwartet und unentrinnbar“]
2. Beweis der Freiwilligkeit durch VR?
[Bezugspunkt: Folgen des Unfallereignisses: VN wollte in Wirklichkeit nicht getötet
werden]
3. AUB-Ausschluss für „Eingriffe am Körper“?
[Medizinische oder kosmetische Behandlungen im weiteren Sinn; VN muss den
konkreten, den VersFall auslösenden Eingriff selbst vorgenommen haben oder mit
seiner Vornahme im Bewusstsein der Risiken und möglich Folgen einverstanden
gewesen sein]
4. Ausschluss von Geistes- oder Bewusstseinsstörungen?
[SV: Kein Alkoholrausch, keine Feststellbarkeit der Wirkung der Drogen]
(Ist eine präorgiastische Erregung eine Geistes- oder Bewusstseinsstörung?SV: Nein)
5. Ausschluss infolge der Vollendung oder des Versuchs einer vorsätzlichen Straftat?
(VN hat Täter Rauschmittel verabreicht, also eine vorsätzliche BTM-Straftat
begangen; aber: nur solche Straftaten, die zu Unfallereignissen führen, die typische
Risiken der begangenen Straftat sind, führen zum Ausschluss).
[!!: Sinn des Ausschlusses (wie i.d.R. aller Ausschlüsse) ist es, das erhöhte
Unfallrisiko aufgrund besonders gefährlicher Verhaltensweisen von der Deckung
auszunehmen, um das Gleichgewicht von Prämie und Absicherung nicht zu stören.
Das bedeutet aber, dass es einer teleologischen Interpretation des Ausschlusses
bedarf: Hat sich das erhöhte Risiko tatsächlich in dem Versicherungsfall
niedergeschlagen?!!]
a.
Kein Versicherungsschutz besteht für Unfälle durch Geistes- oder
Bewusstseinsstörungen
„Straßenspaziergang eines Betrunkenen“
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OLG Saarbrücken 05.04.2006 5 U 633/05 zfs 2006, 338
VN besuchte in der Nacht vom 27.02.2003 auf den 28.02.2003 eine
Faschingsveranstaltung in S. Gegen 05.50 Uhr wurde er mitten auf einer Landstraße
zwischen Sch-H und S als Fußgänger von dem Kfz des X erfasst und erlag noch an
der Unfallstelle seinen Verletzungen. Eine entnommene Blutprobe ergab eine BAK
von 2,15 o/oo.
Bewusstseinsstörung: Beeinträchtigung der vP in seiner Aufnahme- und
Reaktionsfähigkeit in einem Maße, dass sie die Gefahrenlage nicht mehr beherrscht
(Erhöhung des Unfallrisikos über das vom VR kalkulierbare Maße hinaus).
Kraftfahrer: in aller Regel 1,1 o/oo: Keine Übertragbarkeit auf Fußgänger! Dort gilt ein
sich aus den verschiedenen Indizien ergebender Maßstab!
b.
Kein Versicherungsschutz besteht für Unfälle durch vorsätzliche Ausführung einer
Straftat
„Ein „bombiges“ Eishockeyspiel“
OLG Saarbrücken 25.06.2014 – 5 U 83/13 – juris
VN erwarb von einem Arbeitskollegen zwei Kugelbomben, nämlich nicht
zugelassene pyrotechnische Gegenstände. Im August 2008 reiste er zu einem BLEishockeyspiel nach Garmisch-Partenkirchen. Vor dem Stadion zündete er eine
Kugelbombe an und warf sie von sich. Sie explodierte nicht. Daraufhin holte er sie
zurück, zündete sie erneut an und beobachtete die Flamme bis zur Explosion.
Dadurch wurden ihm beide Hände abgerissen. Er trägt vor: Des Verbotenseins der
Verwendung der Kugelbomben sei er sich nicht bewusst gewesen.
Prüfungsschritte:
1. Versicherungsfall: Kugelbomben reißen VN die Hände ab.
2. Freiwilligkeit: VN hat die Gesundheitsschädigung gerade nicht freiwillig in Kauf
genommen.
2. Ausschluss: Vorsätzliche Ausführung einer Straftat:
a. Ermittlung des Straftatbestandes (§ 308 StGB)
b. Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen (abstrakte oder konkrete
Gefährdung müssen nicht in den Vorsatz aufgenommen werden, müssen aber
vorliegen – Selbstgefährdung genügt nicht).
c. Wirkung des Verbotsirrtums? – Maßgeblich sind strafrechtliche Grundsätze!
c.
Ausgeschlossen sind folgende Beeinträchtigungen:
Krankhafte Störungen infolge psychischer Reaktionen auch wenn diese durch einen
Unfall verursacht wurden (AUB 2008 5.2.6.)
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„Ein Polizist, ein Hund und ein Hörschaden“
BGH 29.09.2004 – IV ZR 233/03 – VersR 2004, 1449
VN verlangt eine Invaliditätsentschädigung. Am 09.04.1998 wollte er einem
Polizisten zu Hilfe kommen, den ein Hund angefallen und gebissen hatte. Als er sich
bückte, um den Hund wegzuziehen, erschoss der Polizist den Hund mit seiner
Dienstwaffe. Durch den in seiner Nähe abgegebenen Schuss erlitt VN ein
Knalltrauma, das nicht nur zu einer (vom VR entschädigten) Schwerhörigkeit führte,
sondern auch durch fortdauernde Ohrgeräusche zu schweren Schlafstörungen und
Depressionen.
Auslegung der Klausel: Gesundheitsschädigungen, die auf Einwirkungen von außen
über Schock, Schreck, Angst erfolgen oder auf psychischer Fehlverarbeitung
beruhen. Seelische Beschwerden, die Folge einer organischen Schädigung oder
Reaktion sind, lösen den Ausschlusstatbestand nicht aus (Hier:
Sinnzellenschädigung im Innenohr führen zu Tinnitus, psychische Folgen sind also
nicht allein durch ihre psychogene Natur zu erklären)..
5. Voraussetzung einer Invaliditätsentschädigung
a.Bestehen eines Anspruchs dem Grunde nach
§ 180 VVG: Dauerhafte Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit.
Dauerhaftigkeit: Voraussichtlich länger als drei Jahre und keine Änderungserwartung.
Unterscheide: Erstbemessung und Neubemessung!
Streit um den Zeitpunkt der Prognose: OLG Saarbrücken 05.07.2013 – 5 U 25/13 –
juris einerseits und OLG Düsseldorf 06.08.2013 – 4 U 221/11 – VersR 2013, 1571.
b.Bestehen eines Anspruchs der Höhe nach
Für bestimmte Gesundheitsschäden sehen die AVB pauschalierte Sätze vor:
▼
Die sogenannte Gliedertaxe!
Sie regelt für ihren Bereich abschließend und einer individuellen Korrektur nicht
zugänglich abstrakt und generell feste Invaliditätsgrade bei dem vollständigen oder
dem teilweisen Verlust oder der Funktionsunfähigkeit bestimmter Organe und
Glieder.
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Veranschaulichung:
2.1.2.2.1 Bei Verlust oder völliger Funktionsunfähigkeit der nachstehend genannten Körperteile und Sinnesorgane
gelten ausschließlich, die folgenden Invaliditätsgrade:
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
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
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Arm 70 %
Arm bis oberhalb des Ellenbogengelenks 65 %
Arm unterhalb des Ellenbogengelenks 60 %
Hand 55 %
Daumen 20 %
Zeigefinger 10 %
anderer Finger 5 %
Bein über der Mitte des Oberschenkels 70 %
Bein bis zur Mitte des Oberschenkels 60 %
Bein bis unterhalb des Knies 50 %
Bein bis zur Mitte des Unterschenkels 45 %
Fuß 40 %
große Zehe 5 %
andere Zehe 2 %
Auge 50 %
Gehör auf einem Ohr 30 %
Geruchssinn 10 %
Geschmackssinn 5 %
Bei Teilverlust oder teilweiser Funktionsbeeinträchtigung gilt der entsprechende Teil des jeweiligen
Prozentsatzes.
2.1.2.2.2 Für andere Körperteile und Sinnesorgane bemisst sich der Invaliditätsgrad danach, inwieweit die normale körperliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist.
6. Vorinvalidität und mitwirkende Vorerkrankungen
Der Vertrag über eine private Unfallversicherung bietet Schutz vor während seiner
Laufzeit eingetretenen unfallbedingten gesundheitlichen Schäden und ihren Folgen.
War der VN schon vor dem Unfallereignis invalide, so bezieht sich das
Leistungsversprechen des VR verständlicherweise nicht auf die Absicherung der
nach dem Unfallereignis bestehenden Invalidität. Eine Versicherungsleistung will der
VR nur für die unfallbedingte Invalidität erbringen. Daher ist nach dem Unfallereignis
festzustellen, in welchem Maß die körperliche Leistungsfähigkeit nunmehr
beschränkt ist und welcher Anteil davon auf eine bereits vor dem Unfallereignis
bestehende Vorinvalidität entfällt.
Grad der Invalidität nach dem Unfallereignis – Grad der vor dem Unfallereignis
bestehenden Invalidität = Grad der zu entschädigenden Invalidität!
Haben an der durch das Unfallereignis verursachten Gesundheitsschädigung oder
deren Folgen Vorerkrankungen mitgewirkt, so bestimmt der VV regelmäßig, dass die
Versicherungsleistung sich nach dem Maß ihrer Beteiligung mindert oder gar ganz
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entfällt. Viele VV bestimmen, dass das erst ab einem bestimmten Grad der
Mitwirkung der Fall ist. Das Gesetz regelt insoweit nur die Beweislast (§ 182 VVG):
Sie trägt – zwingend – der VR. Allerdings muss es sich um eine vor dem
Unfallereignis bestehende Vorerkrankung oder ein Gebrechen handeln.
Alterstypische (degenerative) Veränderungen fallen darunter nicht.
„Tod eines herzkranken Elektrikers“
BGH 23.11.2011 IV ZR 70/11 zfs 2012, 278
Der verstorbene VN, eine Elektromeister, unterhielt einen AUB-V. Danach galt: Wenn
an dem Unfalltod Vorerkrankungen zu mindestens 25% mitgewirkt haben, vermindert
sich die Todesfallleistung entsprechend dem Anteil der Mitwirkung. Am 26.1.2004
erlitt der VN bei Elektroarbeiten einen Stromschlag. 11 Tage später verstarb er nach
Myocardinfarkten an Herz-Kreislaufversagen bei Koronarinsuffizienz. Eine Obduktion
ergab eine hochgradig stenosierende Koronararteriosklerose.
SV A: Mitwirkung ist offen. SV B: Teilursache, Anteile können nicht angegeben
werden. SV C: Ein Gesunder wäre entweder sofort nach dem Stromschlag gestorben
oder hätte ihn unbegrenzt überlebt. Medizinstatistische Wahrscheinlichkeit allein
aufgrund des Stromschlags nach 11 Tagen zu versterben 0,5 %. Medizinstatistische
Wahrscheinlich bei der konkreten Koronarkrankheit innerhalb von 11 Tagen zu
versterben: 1 %.
Die entscheidende Frage ist, ob – zur vollen Überzeugung des Gerichts - bewiesen
ist, dass die Vorerkrankung zu mindestens 25 % mitgewirkt hat; wenn das bewiesen
ist, kann der Anteil der Mitwirkung nach § 287 ZPO auf der Grundlage überwiegender
Wahrscheinlichkeiten geschätzt werden.
Ein besonderes und sehr umstrittenes Problem ist, ob, wenn bei der Bemessung des
Grades der Invalidität eine bestehende Vorinvalidität zu berücksichtigen ist, die diese
Vorinvalidität begründenden funktionellen Einbußen zugleich als mitwirkende
Vorerkrankungen zu berücksichtigen sind und so die Versicherungsleistung gewissermaßen ein zweites Mal – mindern (bejahend: OLG Frankfurt 14.06.2013 7 U
98/12 juris)
Prüfungsgesichtspunkte:
1.Vorinvalidität und Vorerkrankungen betreffen unterschiedliche funktionelle Bereiche
des Körpers: Kumulative Berücksichtigung
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2.Vorinvalidität und Vorerkrankungen betreffen identische funktionelle Bereiche des
Körpers: Keine Kumulation der Berücksichtigung
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Abschnitt 2
Grundzüge des Rechts der Berufsunfähigkeitsversicherung
§§ 172-177 VVG
(AVB: BU 2014/ BUZ 2014)
(Fundstelle: www.gdv.de)
1. Grundlagen
a. Allgemeines
Der Vertrag über eine Berufsunfähigkeitsversicherung krankheitsbedingten Ausfall
des aus dem bisherigen Beruf erworbenen Verdienstes ab. Er schützt die versicherte
Person vor dem krankheitsbedingten Verlust des bisherigen beruflich-wirtschaftlichen
Status. Grundlage ist das in § 172 Abs. 1, 2 VVG als nicht zum Nachteil des VN
abdingbares Leistungsversprechen. Die versicherte Person wird vor
Berufsunfähigkeit geschützt. Sie ist berufsunfähig, wenn sie den von ihr zuletzt
ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war,
aus gesundheitlichen Gründen ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht
mehr ausüben kann. Die vertraglichen Modelle knüpfen in aller Regel daran an, dass
die Fortführung des Berufs zu mehr als 50 % gesundheitlich nicht mehr möglich ist.
Allerdings gibt es auf dem Markt eine gewisse Zahl anderer vertraglicher Modelle, die
Leistungen in unterschiedlicher Höhe bei anderen prozentualen Einschränkungen
der beruflichen Fähigkeiten versprechen.
Die Statusbezogenheit des Versicherungsfalls setzt voraus, dass die versicherte
Person eine konkrete berufliche Tätigkeit zuletzt ausgeübt hat, die sie nunmehr nicht
fortführen kann. Das macht es – verfahrensrechtlich – erforderlich, dass die vP im
Einzelnen darlegt, was ihr Beruf war: Arbeitszeiten, Arbeitsinhalte (physische und
psychische Belastungen), Arbeitsabläufe. Das muss sie zugleich unter Beweis
stellen. Erst wenn die letzte konkrete berufliche Tätigkeit bewiesen ist, kann geklärt
werden, ob die vP in dem besingungsgemäßen Maße (25%, 50%, 75%) außerstande
ist, sie fortzuführen. Maßgeblich ist – in keiner Weise – welchen Beruf die vP bei
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Abschluss des VV ausgeübt hat (weil der jeweilige berufliche Status versichert sein
soll); maßgeblich ist auch nicht, ob ihre Tätigkeit einem bestimmten „Berufsbild“
entsprochen hat.
b. Veranschaulichung: Berufe
„Beruf“ ist jede auf Erwerb ausgerichtete Tätigkeit, die sich nicht in einem einmaligen
Erwerbsakt erschöpft. Der Eintritt des VersFalls hängt von der Art und dem Maß der
gesundheitlichen Einschränkungen der letzten konkreten beruflichen Tätigkeit ab.
Daher können Meinungsverschiedenheiten darüber bestehen, ob die vP einen
bestimmten versicherten „Beruf“ und wenn ja, welchen er ausgeübt hat.
„Traditionelle chinesische Medizin“
OLG Saarbrücken 14.01.2004 5 U 137/03 OLGR 2004,263
VN macht nach einem Verkehrsunfall, bei dem Sie ein HWS- Schleudertrauma
erlitten hat, Ansprüche auf eine Berufsunfähigkeitsrente geltend. Vor dem
Verkehrsunfall leitete sie ein „Institut für traditionelle chinesische Medizin“. Dabei war
sie allerdings nur von Zeit zu Zeit an Wochenenden für einige Stunden gegen Entgelt
tätig. Weitere Einnahmen erzielte sie nicht.
Fragen:
Ist auch eine lediglich gelegentliche berufliche Tätigkeit mit geringem Einkommen ein
Beruf?
Antwort:
(Ja, soweit sie zum Lebensunterhalt beitragen soll! Maßstab ist dann aber auch nur
diese (geringfügige) Tätigkeit.
„Eine Hausfrau und Fingernagelstylistin“
OLG Saarbrücken 26.02.2014 – 5 U 248/12 – juris
VN war von 1973 bis 2001 bei verschiedenen Arbeitgebern als kaufmännische
Angestellte und Sekretärin, zuletzt im Unternehmen ihres Ehemanns, tätig. Nach
zwei Bandscheibenvorfällen orientierte sie sich aus gesundheitlichen Gründen um,
arbeitete seither rund drei Stunden wöchentlich als Fingernagelstylistin und führte im
Übrigen alle anfallenden Arbeiten im ehelichen Haushalt, Staub saugen, Wäsche
waschen, Geschirr spülen etc. (wöchentlich 24 ½ Stunden) aus. Dann
verschlechterte sich ihre gesundheitliche Lage ab 2011.
Fragen:
Auf welchen Zeitpunkt kommt es an? (Geltendmachung des VersFalls +
Nichtberücksichtigung „leidensbedingter Berufswechsel“)
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Welchen Beruf hat die vP ausgeübt? (Fingernagelstylistin + Hausfrau?)
Antwort:
Leidensbedingte Berufswechsel (oder Arbeitszeitreduzierungen) gehen nicht zu
Lasten des VN! Es ist an den Umfang und ist an die Anforderungen des letzten
Berufs in gesunden Tagen anzuknüpfen. Und natürlich gibt es mherere Berufe, die
„den“ beruf ausmachen.
„Eine auszubildende Kreissekretärin“
BGH 24.02.2010 – IV ZR 119/09 - VersR 2010, 619
VN, in Ausbildung zur Kreissekretärin, ist seit 1.9.2000 BU-versichert. 2001 erlitt sie
Gehirnblutungen. Am 18.7.2002 erkannte VR BU ab 1.11.2001 an. VN setzte die
Ausbildung mit Unterbrechungen fort und schloss sie 9/04 ab. Als Auszubildende war
sie 6 Stunden täglich tätig, Seit 1.10.2004 arbeitet sie als Sachbearbeiterin 19,25
Std. (reguläre Arbeitszeit 41 Std.). VR stellt Leistungen ein: VN könnte als
Auszubildende 6 Stunden täglich arbeiten. VN: Sie könne jedenfalls nicht mehr als
teilschichtig als Kreissekretärin arbeiten.
Frage:
Was ist der Beruf eines Auszubildenden/Studenten? Die Ausbildung oder das
Studium oder der spätere Ausbildungsberuf?
Antwort:
Der spätere Ausbildungsberuf, wie sich aus der teleologischen Interpretation des
Vertrages ergibt!
b. Sonderproblem: Selbständige/Mitarbeitende Betriebsinhaber
„Rettungssanitäter als Telefonisten“
BGH 12.06.1996 – IV ZR 117/95 – r+s 1997, 35
VN war ausgebildeter Krankenpfleger und Alleingesellschafter und mitarbeitender
eines Unternehmens, das Rettungsfahrten, Kranken- und Behindertentransporte
sowie Taxidienste ausführte. VN beschäftigte mehrere Arbeitskräfte im
Transportdienst und mehrere Arbeitskräfte im Rettungs- und Taxidienst. Aufgrund von
Erkrankungen der Wirbelsäule ist es ihm weit überwiegend nicht mehr möglich, die
von ihm bislang ausgeführten Rettungstransporte zu übernehmen. Er beschränkt
sich auf verwaltende Tätigkeit, vor allem als Telefonist.
Ist Voraussetzung des Versicherungsfalls die gesundheitliche Hinderung, die
bisherige berufliche Tätigkeit auszuüben, kommt es entscheidend auf die bisherige
berufliche Tätigkeit an. Insoweit gelten für Selbstständige oder jedenfalls über die
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Befugnis zur Organisation ihrer beruflichen Tätigkeit verfügende Berufsträger
Besonderheiten. Erste Voraussetzung des Versicherungsfalls ist es, dass der VN
seine bisherige konkrete Tätigkeit im Unternehmen nicht mehr fortführen kann aus
gesundheitlichen Gründen. Weil er aber über die Befugnis verfügt, seine bisherige
konkrete Tätigkeit im Unternehmen notfalls umzugestalten, kommt es weiterhin
darauf an, dass er auch über keine Möglichkeit einer zumutbaren Umorganisation
verfügt.
Prozessuale Schritte (Darlegungs- und Beweislast):

Ist die vP nicht in der Lage, ihre bisherige Tätigkeit in bedingungsgemäßem

Maße (>50%) fortzuführen?
Ist die vP nicht in der Lage, sich durch Umorganisation ein neues

Betätigungsfeld zu erschließen?
Ist die vP nicht in der Lage, sich dadurch eine „zumutbare“ (werthaltige)
Beschäftigung zu verschaffen oder kann sie nur eine

Verlegenheitsbeschäftigung wählen?
Muss die vP zur Umorganisation wirtschaftliche ins Gewicht fallende
Aufwendungen unternehmen?
2. Gesundheitliche Unfähigkeit zur Ausübung desletzten Berufs
„Ein Studienrat mit halbseitigem Gesichtsfeldausfall“
BGH 11.2010 – IV ZR 208/99 – VersR 2001, 89
Der VN, ein Studienrat für Mathematik und Informatik, litt nach einem Verkehrsunfall
an einem halbseitigen Gesichtsfeldausfall auf beiden Augen. Sein Unterrichtspensum
wurde nach Anerkennung eines Grades der Schwerbehinderung von 70 % von 24
auf 19 Stunden. Er fürchtet, dass seine weitere Tätigkeit zu einer Verschlechterung
seiner Sehfähigkeit führen, benötigt zur Fortführung einen Bild Monitor, kann die
Aufsicht bei Klassenarbeiten und in Pausen nicht mehr führen und bedarf zur
Besorgung von Unterrichtsmaterialien und den Arbeitsweg der Hilfe von Kollegen
und seiner Ehefrau.
Ein VN, der seine bisherige berufliche Tätigkeit fortsetzt, kann berufsunfähig sein,
auch wenn er keine erheblichen finanziellen Einbußen erleidet und keinen
erheblichen zeitlichen Mehraufwand hat. Entscheidend ist lediglich, ob er alle seinen
bisherigen konkreten Beruf prägenden Verrichtungen weiter ausüben kann oder ob
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er in zeitlicher Hinsicht nicht mehr als die Hälfte seiner bisherigen beruflichen
Tätigkeit fortführen kann.
Das ist anders, wenn der VN

zur Fortführung seiner beruflichen Tätigkeit nicht unerhebliche finanzielle


Mittel zur Anschaffung technischer Hilfen einsetzen muss, oder
nur mit der Hilfe und dem Wohlwollen Dritter weiter tätig sein kann, oder
seine weitere berufliche Tätigkeit einen Raubbau an der Gesundheit darstellt.
In einem solchen Fall spricht man von einem „überobligationsmäßigen“ Einsatz.
3. Verweisung
Nach § 172 Abs. 3 VVG kann als weitere Voraussetzung der Leistungspflicht eines
BU-VR vereinbart werden, dass der VersFall nur dann eintritt, wenn der VN nicht nur
seinen letzten konkreten Beruf nicht mehr fortführen kann sondern auch keine
andere nach bestimmten Kriterien zu beurteilende andere Tätigkeit – den
sogenannten Verweisungs- oder Vergleichsberuf – ausüben kann.
Die AVB enthalten insoweit ganz unterschiedliche Vertragsmodelle, die sich vor
allem auch durch die Prämienhöhe unterscheiden. Ganz allgemein gesagt gibt es


Modelle mit einer abstrakten Verweisung (preiswert),
Modelle mit der Befugnis zur abstrakten Verweisung bis zu einem


bestimmten Lebensalter (nicht ganz so preiswert),
Modelle mit einer konkreten Verweisung (teurer)
Modelle ohne Verweisung (sehr teuer).
„Der Frauenarzt, der einen Frauenarzt nicht für einen Frauenarzt hielt“
OLG Saarbrücken 31.01.1996 – 5 U 374/95 – NJW-RR 1997, 791
Der VN beanspruchte Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Er ist
von Beruf Facharzt für Frauenheilkunde. Seit Februar 1985 war er ständiger Vertreter
des Chefarztes einer bedeutenden Frauenklinik. Wegen einer Latexallergie, einer
Allergie gegen aggressive Desinfektionsmittel und eines Wirbelsäulenleidens
musste er diese Tätigkeit aufgeben und ist seither als niedergelassener Gynäkologe
in einer Praxis tätig. Seine Einkünfte sind höher als bisher. Er hält sich für
berufsunfähig.
a.Konkrete Verweisung
17
Enthält der VV die Befugnis des VR zur konkreten Verweisung, so ist der VersFall
nicht eingetreten, wenn der VN eine bei wertender Betrachtung vergleichbare andere
Tätigkeit tatsächlich ausübt.
b.Abstrakte Verweisung
aa.Grundsatz
Enthält der VV die Befugnis des VR zur (ggf. zeitlich begrenzten) abstrakten
Verweisung, so kommt es allein darauf an, ob der VN eine bei wertender Betrachtung
vergleichbare andere Tätigkeit ausüben könnte (auch wenn er sie noch nicht
gefunden hat), soweit es sich nicht um lediglich ganz vereinzelt auf dem Arbeitsmarkt
angebotene Arbeitsstellen handelt (Nischenarbeitsplätze) oder um Arbeitsstellen, die
nur intern vergeben werden (Schonarbeitsplätze).
bb.Ausnahme:Verweisbarkeit wegen neu erworbener Kenntnisse und
Fähigkeiten
Einen Sonderfall stellt es dar, wenn der VN einen anderen Beruf deshalb ausüben
könnte, weil er (ohne dass ihm dies oblegen hätte) neue Kenntnisse und Fertigkeiten
erworben hat. In einem solchen Fall wird die Verweisung nur zugelassen, wenn der
VN einen neuen Arbeitsplatz auch tatsächlich gefunden hat (oder es treuwidrig
unterlassen hat, danach zu suchen).
cc.Voraussetzungen der Verweisbarkeit
Nach § 172 Abs. 3 VVG darf der Versicherer seine Leistungspflicht davon abhängig
machen, dass die versicherte Person nicht nur ihren bisherigen konkreten Beruf nicht
mehr in bedingungsgemäßem Maße sondern auch keine andere Tätigkeit ausübt
oder ausüben kann, die zu übernehmen sie aufgrund ihrer Ausbildung und
Fähigkeiten in der Lage ist und die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht.
Das zeigt sowohl für die konkrete als auch für die abstrakte Verweisung die
maßgeblichen Kriterien:
18


die Notwendigkeit eines primären Qualifikationsvergleichs
die Notwendigkeit eines sekundären Statusvergleichs.
In erster Linie ist folglich darauf abzustellen, ob die versicherte Person die
„Verweisungstätigkeit“ nach Ausbildung und Fähigkeiten, also nach ihrer beruflichen
Qualifikation, auszuüben in der Lage ist. Naturgemäß kommt hinzu, dass sie auch
gesundheitlich dazu im Stande sein muss.
Im Streitfall kommt es jedoch im Wesentlichen auf den „sekundären Statusvergleich“
an. Insoweit sind verschiedene wertende Kriterien maßgeblich:

Der Verweisung Beruf muss in wirtschaftlicher Hinsicht der bisherigen
Lebensstellung entsprechen, das von der versicherten Person in einem
Verweisungsberuf erzielte oder erzielbare Einkommen darf also nicht

signifikant unter dem früheren Einkommen liegen.
Der Verweisungsberuf muss darüber hinaus, weil das Gesetz und weil die
AVG auf die Lebensstellung abstellen, bei wertender Betrachtung weitere
Anforderungen erfüllen. Dabei kann es auf Aufstiegschancen, Ansehen,
Mobilität ankommen.
4. Anerkenntnis
a. Grundlagen
Das Recht der BU-V sieht in § 173 VVG (und den dem entsprechenden AVB) vor,
dass der VR sich nach Prüfung der vom VN mit der Geltendmachung eines
Anspruchs auf die Versicherungsleistung dazu erklären muss, ob er seine
Verpflichtung anerkennt oder nicht. Bei diesem „Anerkenntnis“ handelt es sich weder
um ein dem allgemeinen Zivilrecht bekanntes konstitutives Anerkenntnis noch um ein
ihm gleichfalls bekanntes deklaratorisches Anerkenntnis, sondern um eine
Regulierungserklärung eigener Art, die sich auch von der wortlautgleich
vorgesehenen Anerkenntniserklärung des Unfallversicherungsvertragsrechts
unterscheidet. Das folgt aus der normativen Konzeption (und ihrer vertraglichen
Untermauerung) dieses Anerkenntnisses: Der Vertrag VN/VR sieht auf der
19
Grundlage des Gesetzes vor, dass ein VR sich nach einem Anerkenntnis nur unter
spezifischen Voraussetzungen – jenen der Nachprüfung – von seiner Leistungspflicht
lösen kann. Die von § 173 VVG vorgesehen Erklärung über die Leistungspflicht ist
folglich

eine „gesetzlich Pflicht“ (mit der Folge von Schadensersatzansprüchen nach §

280 Abs. 1 BGB bei ihrer schuldhaften Verletzung)
eine rechtliche bindende Festlegung (mit der Folge einer Lösbarkeit von der
Leistungspflicht nur unter den Bedingungen eines Nachprüfungsverfahrens
nach § 174 VVG.
Daraus folgt: Wird ein „an sich“ gebotenes Anerkenntnis nicht abgegeben –
beispielsweise: der VN ist zum Zeitpunkt der Regulierungsentscheidung des VR
berufsunfähig, der VR hält eine künftige Heilung für möglich – so schuldet der VR
Schadensersatz: Der VN ist so zu stellen, als ob der VR anerkannt hätte und damit
künftig auf die Regeln des Nachprüfungsverfahrens verwiesen wäre.
Darstellung der Befugnis des VR zur Abgabe eines zeitlich befristeten
Anerkenntnisses (Befugnis; Voraussetzungen; rechtliche Grenzen; Folgen für das
Nachprüfungsverfahren; Sonderproblematik der „vermuteten Berufsunfähigkeit“)
b. Veranschaulichung
„Krabbenfischer, Traumprinzen von Versicherungssachbearbeiterinnen und
das Problem, nicht in die Zukunft sehen zu können“
BGH 07.02.2007 IV ZR 244/03 VersR 2007,633 (Krabbenfischer)
VN, ein Krabbenfischer mit Kapitänspatent, ist – unstreitig – seit 1995 in seinem
alten Beruf berufsunfähig und arbeitet jetzt (1999, nach einer Umschulung zum
Einzelhandelskaufmann) im elterlichen Fischhandel. Die meisten seiner BU-Verträge
enthalten keine Befristungserlaubnis und keine Befugnis zur Nachprüfung unter
Berücksichtigung neuer Kenntnisse und Fähigkeiten.
BGH 28.2.2007 IV ZR 46/06 VersR 2007, 777 (Versicherungssachbearbeiterin)
VN ist Versicherungssachbearbeiterin. 09/99 zeigt sie wegen depressiver
Entwicklungen eine BU an. Hintergrund ist, dass sie einen „Traumprinzen“ als
Gefährten suchte, meinte ihn gefunden zu haben und sodann erkennt, dass dessen
Mutter (wie auch er) alkoholkrank ist. 05/00 kehrt sie halbtags auf ihren Arbeitsplatz
20
zurück. Daraufhin schließt VR eine 1. Vereinbarung über die Gewährung von
Leistungen bis 07/00. In der folgenden Zeit arbeitet VN halbtags, dann vollschichtig,
dann scheidet sie 09/01 aus dem Arbeitsverhältnis aus. Es kommt zwischen 08/00
und 08/02 zu 4 weiteren aufeinander folgenden befristeten Leistungsvereinbarungen.
Später stellte ein SV fest, dass VN phasenweise berufsunfähig war. Es ergeben sich
Beweisschwierigkeiten.
In diesen und vielen vergleichbaren Fällen beanspruchen VN Fortzahlung einer
Rente (über den „außervertraglich vereinbarten“ Zeitraum hinaus wegen
Berufsunfähigkeit. Sie stützen sich darauf, dass – zu einem in der Vergangenheit
liegenden Zeitpunkt – Berufsunfähigkeit vorgelegen haben soll, und dass der VR sich
von der einmal bestehenden Leistungspflicht ohnehin nicht wirksam lösen könne.
Der VR hingegen beruft sich darauf, dass er durch „außervertragliche
Vereinbarungen“ befristet Leistungen erbracht hat und – nunmehr – prüfen darf, ob
jetzt (!) Berufsunfähigkeit vorliegt.
Dieses „Streitprogramm“ führt (jedenfalls nach dem gegenwärtigen Recht) zu
folgenden Prüfungsschritten:
VN beansprucht auf der Grundlage seines VV eine monatliche BU-Rente.
Anspruchsgrundlage kann (nur) der VV sein. Er verspricht für den Fall des Eintritts
einer wenigstens 50%igen BU Rentenleistungen.
1.
Wirksames Zustandekommen des BU-VV? (Klausurfälle und praktische Fälle
sind häufig mit der Vorfrage „Anfechtung oder Rücktritt?“ befasst).
2.
Eintritt des Versicherungsfalls (zum Zeitpunkt des verlangten Beginns der
Zahlungen oder zu einem späteren Zeitpunkt? (Beweislast: VN)
a.
Prognose auf Dauer bestehender wenigstens 50%iger Einschränkung der
Fähigkeit, den letzten konkreten Beruf fortzuführen
und
Prognose auf Dauer bestehender wenigstens 50%iger Einschränkung der
Fähigkeit, einen zumutbaren Vergleichsberuf auszuüben?
b.
21
Vermutete Berufsunfähigkeit: Bestand irgendwann ab oder nach dem geltend
gemachten Beginn der Leistungen wenigstens 6 Monate und 1 Tag
(Voraussetzung: AVB enthalten eine Fiktion der BU, VVG sieht sie nicht vor,
erlaubt sie aber) BU?
c.
Führt der Abschluss außervertraglicher Vereinbarungen zur zeitlichen
Verlagerung des Beginns des Prognosezeitraums oder führt er sogar zur
Annahme des Anerkenntnisses einer BU mit der Folge der Verweisung des VR
auf das Nachprüfungsverfahren?
aa.
Ob der VR auf das Nachprüfungsverfahren mit seinen formalen und
materiellen Anforderungen verwiesen ist, richtet sich danach, ob er
„anerkannt“ hat oder ob er erkennbar „kulant“ war und kulant sein durfte!
bb.
Hat der VR aufgrund außervertraglicher Vereinbarungen vorübergehend
Leistungen erbracht, folgt daraus ein Anspruch auf weitere fortlaufende
Leistungen nur dann, wenn
- entweder der VR die außervertragliche Vereinbarung nicht hätte abschließen
dürfen, weil der Versicherungsfall eingetreten war und daher ein
vorbehaltloses AE geboten gewesen wäre, (dann ist der VN gemäß § 280 Abs.
1 BGB so zu stellen, als habe er anerkannt (und als dürfe er sich damit nur im
Wege der Nachprüfung von seiner Leistungspflicht lösen)
- oder sich aufgrund der (treuwidrigen) „außervertraglichen Vereinbarungen“
die Beweislage des VN verschlechtert hat, sodass er BU nicht beweisen kann,
VR aber BU auch nicht widerlegen kann.
{Lösung der BGH-Entscheidungen „Krabbenfischer“ und
„Versicherungssachbearbeiterin“}
22
5. Nachprüfung
„Das Lazarus-Syndrom der Berufsunfähigkeitsversicherung - ein
Profihandballspieler wird Wirtschaftsingenieur“
OLG Köln 22.7.2011 20 U 127/10 r+s 2012, 452
VN hat mit Beginn seiner Tätigkeit als Profihandballspieler eine BU-Versicherung
(Laufzeit bis zum 35.Lebensjahr) abgeschlossen. Aufgrund einer Sportverletzung ist
er berufsunfähig, was VR 2002 anerkennt. 2008 führt VR die Nachprüfung durch,
stellt fest, dass VN nach Abschluss seines neben der Sportausübung begonnenen
Studiums Projektleiter als Wirtschaftsingenieur ist. Daraufhin stellt sie die Leistungen
ein mit der Begründung, VN sei schon als Profihandballer zugleich Student gewesen
und in dieser Tätigkeit nicht berufsunfähig geworden, VN habe nunmehr einen Beruf
aufgenommen, der eine vergleichbare Lebensstellung gewährleiste.
Der VersFall Berufsunfähigkeitsversicherung ist – anders als Versicherungsfälle in
der Sachversicherung – ein sich im Verlauf der Zeit ereignender VersFall:
Gesundheitliche Zustände verändern sich, Fähigkeiten zur beruflichen Tätigkeit
entwickeln sich. Daher kann ein VN für eine gewisse Zeit Anspruch auf
Versicherungsleistungen haben, und für eine gewisse Zeit danach nicht mehr.
Ungeachtet dessen verlässt er sich auf den Leistungsbezug. Das verlangt eine
Abwägung: Die Interessen des VN verlangen den Schutz des Vertrauens auf die
einer einmal zugesagten Versicherungsleistung, die Interessen des VR (und der
Gemeinschaft der Versicherten) verlangen die Möglichkeit der Revision.
Das Gesetz gestattet daher dem VR, seine Leistungen einzustellen (§ 174 VVG),
wenn


die Voraussetzungen der Leistungspflicht entfallen sind, und
der VR dies dem VN in Textform darlegt.
Darstellung der formalen Voraussetzungen des Wegfalls der Leistungspflicht
(„Obliegenheitsausgleich“)
Darstellung der materiellen Voraussetzungen des Wegfalls der Leistungspflicht
(Bindung des VR an seine einmal erklärte Regulierungsbereitschaft)
23
Lösungshinweise zum Streitfall
1.Begründungsansatz:
Anerkenntnis beruht auf der Annahme von BU im Beruf Profihandballer; VR darf sich
nicht nachträglich auf das von VN betriebene Studium berufen.
2.Begründungsansatz:
Vergleichbarkeit der Lebensstellung
a.Prominenz als Profisportler?
b.Verdienst
2300 € (als Profisportler) gegenüber 2043 € (als Wirtschaftsingenieur?
Aber: 44 Arbeitsstunden als Profisportler ./. 150 Arbeitsstunden als
Wirtschaftsingenieur
Keine Relevanz der zeitlichen Begrenzung des Profisportlereinkommens (Auslegung
des Vertrages!)
24
Abschnitt 3
Grundzüge des Rechts der Lebensversicherung
§§ 150-171 VVG
(AVB: ALB 2014 / ARVB 204)
(Fundstelle: www.gdv.de)
A.
Formen der Lebensversicherung. Wirtschaftliche Bedeutung.
Regelungsgrundlagen
1.Formen
Zu unterscheiden: Risikolebensversicherung (Versicherungsfall: Tod), kapitalbildende
Lebensversicherung (Versicherungsfall: Tod oder Erleben eines bestimmten Alters)
(Leistungen je nach Art: Kapitallebensversicherung, Rentenversicherung,
fondsgebundene Kapitallebensversicherung)
Gewichtige Bedeutung im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung als
„Direktversicherung“ des ArbG als VN zugunsten seiner AN (als VT).
2.Bedeutung
Private Altersversorgung (Spezifische Formen: Riester-Rente, Rürup-Rente) und
betriebliche Altersversorgung); hoher Bestand an Versicherungsverträgen (ca. 94
Mio.), Erwirtschaftung eines besonders hohen Anteils der Prämieneinnahmen,
Kapitalsammelbecken (Anlagevermögen ca. 700 Mrd.€).
3.Regelungsgrundlagen
a.
Vertrag über eine LV als privatrechtlicher, durch §§ 150-177 VVG geregelter
Versicherungsvertrag, begleitet von umfangreichen aufsichtsrechtlichen Regelungen
des VAG zur Spartentrennung (§ 8 Abs. Ia Satz 1 VAG), zur Prämienkalkulation (§ 11
VAG), zur Deckungsrückstellung (§§ 11, 65 VAG), zur Kapitalausstattung (§ 53c
VAG) und zum Sicherungsfonds (§ 124, § 127 VAG).
25
Hintergrund der aufsichtsrechtlichen Kontrolle: Langfristigkeit der Verträge,
Insolvenzsicherung, faire (verfassungsrechtlich gebotene Gewinnbeteiligung und
Gewinnverteilung.
[BVerGE 114,1- Bestandsübertragung; BVerfGE 114, 73 - Überschussbeteiligung]
b.
Zu beachten: Richtlinie 2002/83/EG des EP und des Rates vom 05.11.2002 über
Lebensversicherungen (Abl. EG Nr. L 345 S. 1)
c.
ALB 2008 (und versichererspezifische andere AVB).
B.
Wichtige Grundbegriffe
Rechnungszinssatz/Garantiezins: VR nimmt bei der Kalkulation der Prämie einen
bestimmten langfristig anzunehmenden Zinssatz für die Anlage der Kapitalanteile der
Prämie am Markt an; um diesen Zinssatz wird die Prämie (weil die Auszahlung einer
bestimmten Versicherungsleistung versprochen wird) vornherein
reduziert(diskontiert). Dieser Rechnungsbestandteil wird für den jeweiligen
Versicherungsvertrag auf die Dauer seines Bestehens garantiert.
Deckungskapital: Summe der verzinslich angelegten Sparanteile eines bestimmten
Vertrages.
Sicherungsvermögen (Deckungsstock): Vollstreckungsrechtlich gesichertes
Sondervermögen aus Deckungsrückstellung und weiteren Vermögensbeständen.
Sicherungsfonds: Sondervermögen bei der Protektor-Lebensversicherungs AG als
beliehenem Unternehmer des Bundes zum Schutz der Ansprüche der VN bei
Insolvenz des VR.
Überschussbeteiligung (§ 153 VVG): Überschüsse aus günstigem
Kapitalanlageverlauf und nicht benötigten, in die Prämienkalkulation einfließenden
Sicherheitsmargen
26
Zillmerung: Rechenverfahren, nach dem die Prämien werden, soweit sie nicht für
Leistungen im Versicherungsfall (Risikoanteil), Kosten für den Versicherungsbetrieb
in der jeweiligen Versicherungsperiode und die Bildung der Deckungsrückstellung
verwendet werden zunächst zur Tilgung der Abschlusskosten verwendet.
C.
Vertragsrechtliche Besonderheiten kraft Gesetzes
1.
Rechtsstellung des Versicherers
(a) Besondere Informationspflichten nach § 7 Abs. 2 VVG i.V.m. § 2 VVG-Info-VO,
§ 154 VVG
(b) Anpassung der Versicherungsleistung bei unrichtiger Altersangabe in
Abweichung von § 19 VVG nach § 157 VVG
(c) Geltung der Regelungen über die Gefahrerhöhung nur bei ausdrücklicher und
in Textform erfolgender Vereinbarung von Gefahrerhöhungen
(d) Kein ordentliches Kündigungsrecht des VR (keine gesetzliche Regelung aber
Folge des Vertragszwecks)
(e) Recht zur Prämien- und Bedingungsanpassung in einem besonderen
Verfahren (§ 163 VVG)
(f) Recht zur Ersetzung unwirksamer AVB (§ 164 VVG)
2.
Rechtsstellung des Versicherungsnehmers
(a) Widerrufsrecht innerhalb von 30 Tagen (§ 152 Abs. 1 VVG)
(b) Kündigungsrechts des VN (§ 168 Abs. 1 VVG) bei Vereinbarung laufender
Zahlungen oder bei Gewissheit des Eintritts der Verpflichtung des VR (Ausn.:
Reine RisikolebensV gegen Einmalzahlung) mit Ausnahme von
Altersvorsorgeverträgen
(c) Anspruch auf Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung (§ 165 VVG)
(d) Anspruch auf Zahlung des (nach den anerkannten Regeln der
Versicherungsmathematik … berechneten) Rückkaufswerts bei Auflösung des
Vertrages (§ 169 VVG); Sicherung eines Mindestbetrages bei früher
Stornierung (§ § 169 Abs. 3 Satz 1 2.Halbs.VVG)
(e) Anspruch auf Zahlung einer Überschussbeteiligung einschließlich der
Bewertungsreserven (§ 153 VVG, § 169 Abs. 7 VVG)
27
3.Besonderheiten bei Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages als
Anlagegeschäft berichtet am Beispiel „Clerical Medical“
Komplexe Versicherungsprodukte, die im Wesentlichen der Anlage von Kapital und
der Gewinnerzielung dienen sollen, unterliegen der Verpflichtung zur
anlegergerechten Beratung (vgl. bspw. BGH 11.07.2012 IV ZR 271/10 WM 2012,
1577) .
D.
Die Bezugsberechtigung
VN sind – zumindest in der Risikolebensversicherung – bedauerlicherweise
regelmäßig tot, wenn der Versicherungsfall eintritt. Den Anspruch auf die
Versicherungsleistung erwerben dann an sich die Gesamtrechtsnachfolger (§ 1922
BGB). Das liegt häufig nicht im Interesse der VN, die bei Abschluss des VV auch
meist nicht zugleich eine letztwillige Verfügung zur „Vererbung“ des Anspruchs auf
die Versicherungsleistung treffen. Zur Bewältigung dieser und weiterer (vor allem den
Zugriff von Gläubigern) regeln die AVB die „Bezugsberechtigung“.in den §§ 159 –
160 VVG.
Die Regelung einer „Bezugsberechtigung“ macht einen VV zu einem „Vertrag
zugunsten Dritter“ im Sinne der §§ 328 ff. BGB. Ihre Anordnung wendet das Recht
auf die Versicherungsleistung einer begünstigten Person, dem Bezugsberechtigten,
zu. Dabei handelt es sich um ein (im Falle der Widerruflichkeit bedingtes)
Verfügungsgeschäft, das, fehlt eine causa, kondizierbar ist.
Zu unterscheiden:
Widerrufliche Bezugsberechtigung: § 159 Abs. 2 VVG (Erwerb des Rechts auf die
Versicherungsleistung erst mit Eintritt des Versicherungsfalls)
BB hat im VersFall ein eigenes Forderungsrecht gegen den VR; das Recht fällt nicht in den
Nachlass; Gläubiger des VN haben weiterhin – bis zum VersFakk - ein Zugriffsrecht. Von
dem Deckungsverhältnis (VN/VR) ist das Valutaverhältnis (VN/BB)zu unterscheiden. Es
kann Mängel aufweisen, die den Erben des VN einen Bereicherungsanspruch gegen den BB
gewähren können.
Unwiderrufliche Bezugsberechtigung: § 159 Abs. 3 VVG (Erwerb des Rechts mit der
Einräumung der Bezugsberechtigung)
28
BB erwirbt den Anspruch gegen den VR sofort, tritt allerdings nicht in die Rechtsstellung des
VN aus dem VV ein.
ALB 2008 § 13:
(1) Die Leistung aus dem VV erbringen wir an Sie als unseren VN oder an Ihre
Erben, falls Sie uns keine andere Person benannt haben, die bei Eintritt des
Versicherungsfalls die Ansprüche aus dem VV erwerben soll
(Bezugsberechtigter). Bis zum Eintritt des Versicherungsfalls können Sie das
Bezugsrecht widerrufen.
(2) Sie können ausdrücklich bestimmen, dass der Bezugsberechtigte sofort
und unwiderruflich die Ansprüche aus dem Versicherungsfall erwerben soll.
Sobald wir ihre Erklärung erhalten haben, kann dieses Bezugsrecht nur noch
mit Zustimmung des von Ihnen Benannten aufgehoben werden.
…
(4) Die Einräumung und der Widerruf eines Bezugsrechts … sind uns
gegenüber nur und erst dann wirksam, wenn sie uns vom bisherigen
Berechtigten angezeigt worden sind.
„Die widerrufene Botschaft der Witwe an die Geliebte“
BGH 21.05.2008 – IV ZR 238/06 – NJW 2008, 2702
VN war mit B verheiratet. Er unterhielt bei VR eine kapitalbildende LV, für die B
widerruflich bezugsberechtigt war. Ab 02/2004 lebte VN mit K nichtehelich
zusammen. Er widerrief mit einem Schreiben an VR am 02.03.2004 die
ursprüngliche Bezugsberechtigung und setzte K als Bezugsberechtigte ein; er wollte
sich von B scheiden lassen. Am Abend des 16.05.2004 stürzte sich VN nach einer
Aussprache mit K, die sich von ihm trennen wollte, von einer Autobahnbrücke zu
Tode. Der Vater des VN unterrichtete K am 17.05.2004 über ihre
Bezugsberechtigung und machte die Versicherungsleistung im Auftrag von K für
diese bei VR geltend. VR verlangte von K zunächst weitere Unterlagen an. B und S
fochten am 25.05.2014 die Einsetzung von K als Bezugsberechtigte an. VR teilte K
am 09.06.2004 die Einräumung der Bezugsberechtigung erstmals mit. Als sowohl K
als auch B Anspruch auf die Versicherungsleistung erhoben, hinterlegte VR sie
zugunsten von K und von B und S.
Anspruch der K gegen B aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Einwilligung in die
Herausgabe des hinterlegten Betrages (erlangtes Etwas:
Hinterlegungsberechtigung)!
Rechtsgrundlosigkeit?
VN hat K ein Bezugsrecht i.S.d. §§ 328, 331 BGB eingeräumt (Deckungsverhältnis):
Mit dem VersFall hat K eine unentziehbare Rechtsposition erworben, Erben können
sie nicht mehr ändern oder widerrufen!
Ob BB die Versicherungsleistung im Verhältnis zum Erben behalten darf, ist eine
Frage des Valutaverhältnisses (VN/BB). In Betracht kommt insoweit eine Schenkung.
29
Schenkungsvertrag ist als solcher zwischen VN/BB vor dem Tod des VN nicht
abgeschlossen worden.
Das Schenkungsangebot ist nicht durch den Vater der K an K übermittelt worden,
sondern erst nach dem in der Anfechtung liegenden Widerruf durch VR.
Die Übermittlung eines Schenkungsangebots des VN durch den VR als Boten ist
nicht erfolgt. Sie erfolgt zwar regelmäßig durch Auszahlung der
Versicherungsleistung oder Benachrichtigung des BB durch den VR. Hier ist jedoch
der Übermittlungsauftrag durch die (in das Auftragsverhältnis einrückende Erbin B)
widerrufen worden, bevor das Schenkungsangebot der K übermittelt worden ist. Ein
Schenkungsvertrag ist folglich nicht zustande gekommen. Dem Erwerb der
Forderung liegt folglich keine causa zugrunde.
E.
Forensisch bedeutsame Fallbeispiele
1.Versicherung fremden Lebens
Versicherte Person kann der VN und ein Dritter sein. Im zweiten Fall bedarf es bei ins
Gewicht fallenden Versicherungsleistungen (mit Ausnahme der Fälle der
betrieblichen Altersversorgung) zur Wirksamkeit des Vertrages der schriftlichen
Einwilligung des VN (§ 150 Abs. 2 VVG). Grund: Schutz vor dem Spiel mit dem
Leben anderer.
„Ein rätselhafter Fachmann für Judaica“
BGH 09.12.1998 – IV ZR 306/97 – BGHZ 140, 167
K verlangt als Bezugsberechtigte 6 Millionen USD aus einer Lebensversicherung, als
deren VN und VP der jüdische Rabbiner S, ein Fachmann für Judaica, genannt sind.
S war dem VR nie persönlich gegenüber in Erscheinung getreten. Das
Antragsformular wurde nach den Angaben des K bei einem Versicherungsvertreter
ausgefüllt. Es wies nur in der Rubrik für die zu versichernde Person als Unterschrift S
auf. K behauptet, die Unterschrift habe sich schon bei der Aufnahme des Antrages
auf dem Formular befunden. S habe das Formular zuvor blanko unterschrieben und
K zur weiteren Ausfüllung bei dem Versicherungsvertreter übergeben. K will den
Versicherungsschein S übergeben und ihn von ihm zurückerhalten haben und hat
die Prämien, die ihm von S zur Verfügung gestellt worden sein sollen, bezahlt. Wenig
später wurde in einem Hotel eine Person aufgefunden, bei der es sich um S
gehandelt haben soll. Sie war getötet worden.
1. (Anspruchsgrundlage, Anspruchsvoraussetzungen)
Anspruch auf die Versicherungsleistung setzt wirksamen Abschluss des VV voraus.
Schriftliche Einwilligung des S nach § 150 Abs. 2 VVG als VP erforderlich (obwohl S
auch VN sein sollte? Entsprechende Anwendung, wenn VN am Vertragsschluss (wie
30
auch bei Blankounterschrift, weil VN keinen Einfluss auf den Vertragsschluss mehr
nehmen kann) nicht unmittelbar beteiligt war.
2. (Einwilligung der VP?)
Einwilligung als VP? § 126 Abs. 1 BGB ist an sich gewahrt; jedoch ergibt sich aus
Sinn und Zweck des Schriftformerfordernisses des § 150 Abs. 2 VVG Anderes:
Schriftliche Einwilligung muss Umstände erfassen, von denen das Risiko der VP
abhängt (Höhe der Versicherungssumme, Person des VN und des
Bezugsberechtigten, Dauer der Versicherung).
Nachträgliche Genehmigung? (Einwilligung ist die vorherige Zustimmung: § 183
BGB).
2. Leistungsausschluss Suizid
Keine Deckung besteht bei vorsätzlicher Selbsttötung innerhalb von 3 Jahren nach
Abschluss des VV (§ 163 Abs. 1 Satz 1 VVG); Ausschluss des Wegfalls der Deckung
bei Tatbegehung in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand
krankhafter Störung der Geistestätigkeit (§ 163 Abs. 1 Satz 2 VVG)
„Der Selbstmörder, der offenbar nicht rechnen konnte“
OLG Saarbrücken 18.04.2012 – 5 U 293/11 – zfs 2013, 100
VN beantragte am 26.06.2006 eine RLV mit einer Versicherungssumme von 575.000
€. Mit Schreiben vom 28.06.2006 erklärte VR, VN genieße vorläufigen
Versicherungsschutz. Der Versicherungsschein datiert vom 14.08.2006 und nennt
als Versicherungsbeginn des 01.08.2006. Am 10.08.2009 beging der an Krebs
leidende VN Selbstmord. Erbe des VN meint, hätte VR den Antrag zügiger
bearbeitet, wäre die Police früher ausgestellt worden; dann wäre die Karenzfrist
abgelaufen gewesen [Zusatzprobleme im Entscheidungsabdruck: Anfechtung wegen
Verschweigens von Vorerkrankungen, Wiederaufleben der vorläufigen Deckung bei
Arglistanfechtung].
(1)
Anspruch des Erben des VN ./. VR aus dem VV (Versicherungsfall Tod ist
eingetreten) (Beweis: Erbe des VN)
(2)
Ausschluss des Anspruchs nach § 161 Abs. 1 Satz 1 VVG:
(a) Vorsätzliche Selbsttötung (Indizienbeweisproblem)
(b) Beginn der Karenzfrist: Abschluss des Vertrages (Ausstellung der Police) [und
nicht Beginn des materiellen Versicherungsschutzes]
(3)
Tatbegehung in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand
krankhafter Störung der Geistestätigkeit (§ 163 Abs. 1 Satz 2 VVG)?
31
„Ein Ausschuss der freien Willensbestimmung liegt vor, wenn jemand nicht im
Stande ist, seinen Willen unbeeinflusst von einer vorliegenden Geistesstörung
zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln.
Abzustellen ist darauf, ob eine freie Entscheidung nach Abwägung des Für
und Wider noch möglich war oder ob umgekehrt infolge der Geistesstörung
äußere Einflüsse den Willen übermäßig beherrschten… Eine allgemeine
emotionale Psychose ist für eine Selbsttötung charakteristisch und noch keine
krankhafte Störung… ebenso wenig eine bloße Willensschwäche,
Erschöpfungszustände oder depressive Verstimmungen, solange der
steuerbare Wille noch Einfluss auf die Entscheidung des Versicherten hat.
Wichtiges Kriterium bei der Beurteilung der Frage ob unkontrollierbar Triebe
und Vorstellungen in den Tod getrieben haben, ist in aller Regel des Fehlen
nachfühlbarer Motive… Denjenigen, der sich auf den fehlenden freien Willen
des Versicherungsnehmers beruft und die Einholung eines psychiatrischen
Gutachtens beantragt, treffen spezifische Anforderungen an die
Substantiierung des Sachvortrags“
(4)
Schadensersatz wegen verzögerter Bearbeitung (§§ 280 Abs. 1 BGB, § 241 Abs.2
BGB)? (Ggf. wegen Verletzung von Beratungspflichten bei Anschlussverträgen?)
3.Auskunftsanspruch des VN zur Berechnung des Rückkaufswertes
BGH Beschl.v. 07-01.2014 – IV ZR 216/13 – VersR 2014, 822
BGH Urt.v. 11.09.2013 – IV ZR 319/ - VersR 2013,1429
VN verlangt von VR Rückzahlung geleisteter Beiträge zu einer mehrfach beitragsfrei
gestellten und zwischenzeitlich gekündigten fondsgebundenen Lebensversicherung,
die eine Zillmerung der Abschlusskosten vorsah. VN hat 3.457,20 € an Prämien
gezahlt. VR hat einen Rückkaufswert von 36,97 € ermittelt. VN verlangt Auskunft
über die Berechnung der Höhe des Mindestrückkaufswerts.
„Besteht ein Anspruch auf den Rückkaufswert nach § 169 VVG, so kann ein
Auskunftsanspruch nach Treu und Glauben in Betracht kommen, wenn der
Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines
Rechts im ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der
Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann. Umfang und Inhalt
der zu erteilenden Auskunft richten sich danach, welche Informationen der
Berechtigte benötigt, um seinen Anspruch geltend machen zu können, soweit
dem nicht Zumutbarkeitsgesichtspunkte oder andere Grenzen
entgegenstehen. Der Auskunftsanspruch umfasst grundsätzlich nicht die
Verpflichtung zur Vorlage der fiktiven versicherungstechnischen Bilanzen oder
anderer Geschäftsunterlagen und auch kein Einsichtsrecht.“
Der BGH hat Ansprüche auf Auskunft, mit denen ein VN eine Begründung dafür
verlangt hat, wie und auf welche Weise der VR die mit der Auskunft zur Verfügung zu
stellenden Informationen ermittelt hat, verneint und der VN, der einen höheren
Rückkaufswert als den gezahlten verlangt, die Umstände darzulegen und
gegebenenfalls zu beweisen hat, die den weitergehenden Anspruch stützen sollen.
32
Der BGH hat von dem VR verlangt, in geordneter Form Auskunft zu erteilen
durch die Benennung folgender Beträge:




der Hälfte des mit den Berechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation
berechneten und gezimmerten Deckungskapitals bzw. des ungezielten
Fondsguthabens,
des Rückkaufswerts, der sich für den Zeitpunkt der Beendigung des
Versicherungsvertrages bei Zugrundelegung der Bestimmungen des
jeweiligen Versicherungsvertrages ergibt
der während der Vertragslaufzeit zugewiesenen laufenden
Überschussbeteiligung und des anlässlich der Vertragsbeendigung
zugewiesenen Schlussüberschussanteils, soweit etwaige Überschüsse
Bestandteil der Berechnung des ungezillmerten Deckungskapitals und/oder
der Berechnung des Rückkaufswerts sind,
sowie der an die Finanzverwaltung abgeführten Kapitalertragssteuern und
Solidaritätszuschläge auf die vorerwähnte Überschussbeteiligung.
33
Abschnitt 4
Grundzüge des Rechts der privaten Krankversicherung
§§ 192- 208 VVG
(AVB: MB/KK 2009; MB/KT 2009)
(Fundstelle: www.pkv.de)
A.
Gesetzliche Krankenversicherung und private Krankenversicherung
1.
Rechtstatsächliche Bedeutung:
9 Mio. Krankheitskostenvollversicherungsverträge, 23 Mio.
Krankheitskostenzusatzversicherungsverträge, 24 Mrd. € Versicherungsleistungen
jährlich, 192 Mrd. € Rücklagen.
2.Strukturprinzipien

Erstattung der tatsächlichen Aufwendungen des VN gegenüber Ärzten und
anderen Leistungserbringern (KKV: § 192 Abs. 1 VVG i.V.m. MB/KK) + ggf.
zusätzliche Dienstleistungen (§ 192 Abs. 3 VVG)

Zahlung zeitabhängiger vereinbarter Beträge als Krankentagegeld und
Krankenhaustagegeld (MB/KK, MB/KT)

Prämienkalkulation nach dem Äquivalenzprinzip (statt Solidarprinzip)

Vertraglicher Interessenausgleich von Privaten

Versicherungspflicht? (§ 5, § 6 SGB V; § 193 VVG)
SGB V
§ 5 Versicherungspflicht (Auszüge)
(1) Versicherungspflichtig sind
34
1.Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt
beschäftigt sind,...
9.Studenten, die an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen eingeschrieben sind,
unabhängig davon, ob sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, wenn für
sie auf Grund über- oder zwischenstaatlichen Rechts kein Anspruch auf Sachleistungen besteht, bis
zum Abschluß des vierzehnten Fachsemesters, längstens bis zur Vollendung des dreißigsten
Lebensjahres; Studenten nach Abschluß des vierzehnten Fachsemesters oder nach Vollendung des
dreißigsten Lebensjahres sind nur versicherungspflichtig, wenn die Art der Ausbildung oder
familiäre sowie persönliche Gründe, insbesondere der Erwerb der Zugangsvoraussetzungen in einer
Ausbildungsstätte des Zweiten Bildungswegs, die Überschreitung der Altersgrenze oder eine
längere Fachstudienzeit rechtfertigen,...
(5) Nach Absatz 1 Nr. 1 oder 5 bis 12 ist nicht versicherungspflichtig, wer hauptberuflich
selbständig erwerbstätig ist....
§ 6 Versicherungsfreiheit
(1) Versicherungsfrei sind
1.Arbeiter und Angestellte, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze
nach den Absätzen 6 oder 7 übersteigt; Zuschläge, die mit Rücksicht auf den Familienstand gezahlt
werden, bleiben unberücksichtigt,...
2.Beamte, Richter, Soldaten auf Zeit sowie Berufssoldaten der Bundeswehr und sonstige
Beschäftigte des Bundes, eines Landes, eines Gemeindeverbandes, einer Gemeinde, von öffentlichrechtlichen Körperschaften, Anstalten, Stiftungen oder Verbänden öffentlich-rechtlicher
Körperschaften oder deren Spitzenverbänden, wenn sie nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder
Grundsätzen bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf Beihilfe oder Heilfürsorge
haben,...
35
„Informationsblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gemäß
§ 10a Abs. 3 VAG
In der Presse und in der Öffentlichkeit werden im Zusammenhang mit der privaten und
gesetzlichen Krankenversicherung Begriffe gebraucht, die erklärungsbedürftig sind.
Dieses Informationsblatt will Ihnen die Prinzipien der gesetzlichen und privaten
Krankenversicherung kurz erläutern.
Prinzipien der gesetzlichen Krankenversicherung
In der gesetzlichen Krankenversicherung besteht das Solidaritätsprinzip. Dies bedeutet,
dass die Höhe des Beitrages nicht in erster Linie vom im Wesentlichen gesetzlich
festgelegten Leistungsumfang, sondern von der nach bestimmten Pauschalregeln
ermittelten individuellen Leistungsfähigkeit des versicherten Mitglieds abhängt. Die
Beiträge werden regelmäßig als Prozentsatz des Einkommens bemessen. Weiterhin wird
das Versicherungsentgelt im Umlageverfahren erhoben. Dies bedeutet, dass alle
Aufwendungen im Kalenderjahr durch die in diesem Jahr eingehenden Beiträge gedeckt
werden. Außer einer gesetzlichen Rücklage werden keine weiteren Rückstellungen
gebildet. Unter bestimmten Voraussetzungen sind Ehegatten und Kinder beitragsfrei
mitversichert.
Prinzipien der privaten Krankenversicherung
In der privaten Krankenversicherung ist für jede versicherte Person ein eigener Beitrag
zu zahlen. Die Höhe des Beitrages richtet sich nach dem Alter und nach dem
Gesundheitszustand der versicherten Person bei Vertragsabschluss sowie nach dem
abgeschlossenen Tarif. Es werden nach versicherungsmathematischen Grundsätzen
berechnete risikogerechte Beiträge erhoben.
Die altersbedingte höhere Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen wird durch eine
Alterungsrückstellung berücksichtigt. Bei der Kalkulation wird unterstellt, dass sich die
Kosten im Gesundheitswesen nicht erhöhen und die Beiträge nicht allein wegen des
Älterwerdens des Versicherten steigen. Dieses Kalkulationsverfahren bezeichnet man als
Anwartschaftsdeckungsverfahren oder Kapitaldeckungsverfahren. Ein Wechsel des
privaten Krankenversicherungsunternehmens ist in der Regel zum Ablauf des
Versicherungsjahres möglich. Dabei ist zu beachten, dass für die Krankenversicherer –
mit Ausnahme der Versicherung im Basistarif - keine Annahmeverpflichtung besteht, der
neue Versicherer wiederum eine Gesundheitsprüfung durchführt und die Beiträge zum
dann erreichten Alter erhoben werden. Ein Teil der kalkulierten Alterungsrückstellung
kann an den neuen Versicherer übertragen werden1. Der übrige Teil kann bei Abschluss
eines Zusatztarifes auf dessen Prämie angerechnet werden; andernfalls verbleibt er bei
dem bisherigen Versichertenkollektiv. Eine Rückkehr in die gesetzliche
Krankenversicherung ist in der Regel, insbesondere im Alter, ausgeschlossen.
Waren Sie bereits vor dem 01.01.2009 privat krankenversichert, gelten für Sie
Sonderregelungen. Bitte informieren Sie sich ggf. gesondert über diese Regelungen.“
1
In dieser neuen Textfassung ist das Informationsblatt zukünftig als Teil der
Verbraucherinformationen auszuhändigen.
36
B.
Rechtsnatur und Formender privaten Krankheitskostenversicherung
1.
Schadens- oder SummenV? (§ 194 Abs. 1 VVG)
KKV ist einerseits PersonenV, andererseits grundsätzlich SchadensV (konkreter
Bedarf), KTGV ist SummenV (Leistung eines fest vereinbarten Betrages zum Ersatz
des Verdienstausfalls), KHTGV ist SummenV (Leistung einer fest vereinbarten
Summe je Kliniktag zum Ausgleich von Mehraufwendungen). Vorrangige Bedeutung
der Unterscheidung: § 86 VVG ist insoweit nicht anwendbar.
2.
Substitutive und nicht substitutive KrankenV
Substitutive KV: Verträge, die die im gesetzlichen Sozialversicherungssystem
vorgesehene Krankenversicherung ganz oder teilweise ersetzen können“ (§ 12 Abs.
1 VAG, § 195 Abs. 1 VVG). Alle übrigen KV-V (Wahlleistungsabsicherung, KHTG-V,
AuslandsreiseKV) sind nicht substitutive KrankenV-V.
3.
Wichtige Sonderregelungen

Abschluss eines KV-V: Besondere Informationspflichten nach § 3 VVG-InfoV,




§ 10a Abs. 3 VAG.
Grundsätzlicher Befristungsausschluss: § 195 Abs. 1 VVG
Vorvertragliche Anzeigeobliegenheit: § 194 Abs. 1 Satz 3,4
Versicherungspflicht: § 193 Abs. 3 VVG
Kontrahierungszwang: § 193 Abs. 5 VVG und Direktanspruch: § 195 Abs. 7

im Basistarif
Besonderheiten bei der Prämienberechnung nach § 12 VAG

(Altersrückstellungen, Gleichbehandlungsgebot)
Recht des VR auf (kontrollierte) Prämien- und Bedingungsanpassung nach §

203 VVG
Sonderregelung zum Prämienverzug in der PflichtV nach § 193 Abs. 6 VVG
4.
Private KV als Pflichtversicherung mit Kontrahierungszwang: §§ 12 Abs. aa Satz 1
VAG, § 193 Abs. 5 VVG
Angebot flächendeckenden Krankheitskostenversicherungsschutzes zu bezahlbaren
(nicht risikogerechten, keine Leistungsausschlüsse enthaltenden) Konditionen aus
37
sozialstaatlichen Gründen; keine unverhältnismäßige Einschränkung der VRBeraufsausübungsfreiheit, solange der Basistarif keine bdeutsamen Auswirkungen
auf das normale Krankenversicherungsverhältnis hat (Hier:überschaubarer
Personenkreis,bei allerdings relativ hohem Anteil von Nichtzahlern).
C. Der Versicherungsfall
Versicherungsfall in der PKV ist „die medizinisch notwendige Heilbehandlung
wegen Krankheit oder Unfallfolgen“ (§ 192 Abs. 1, 5 VVG). Im Streitfall ist es
daher erforderlich festzustellen, ob eine Krankheit vorliegt (oder ob Unfallfolgen
bestehen), und ob verlangt wird, Kosten zu erstatten, die auf einer medizinisch
notwendigen Heilbehandlung beruhen.
1. Krankheit
BGH 15.09.2010 – IV ZR 187/07 – VersR 2010, 1485 (Spermien-Injektion)
VN ist verheiratet und wünscht sich ein Kind, seine Ehefrau hat bislang Fehlgeburten
erlitten. Über zwei Jahre hinweg schlugen Inseminationsbehandlungen und in-vitroFertilisationen fehl. Für sie verlangt VN Kostenerstattung.
Hat VN das Vorliegen einer Krankheit bewiesen?
Krankheit = Objektiv, nach ärztlichem Urteil bestehender anormaler,
regelwidriger Körper- oder Geisteszustand. Dazu zählt auch die auf
körperlichen Ursachen beruhende Unfähigkeit, auf natürlichem Wege Kinder
zu zeugen.
IvF ist eine Maßnahme, die darauf gerichtet ist, die Unfruchtbarkeit des
Mannes zu lindern!
„Von Viagra, Lasik, Schönheitschirurgen und Wunderheilern“
OLG Karlsruhe 17.01.1991 – 12 U 70/90 – VersR 991, 912
VN, eine Bodybuilderin, litt unter einer Unterentwicklung (Hypoplasie) ihre Brüste und
unterzog sich einer Brustoperation mit „Augmentationsplastik“, die allerdings
erfolglos blieb. Sie verlangt Ersatz der Operationskosten.
Ob eine Krankheit vorliegt, entscheidet sich nach dem Sprachgebrauch auf der
Grundlage der medizinischen Erkenntnisse. Nicht jede Abweichung der körperlichen
38
Beschaffenheit von der Normalität, die subjektiv als „Mangel“ empfunden wird, ist
eine Krankheit. Sie setzt vielmehr Beschwerden oder Funktionsstörungen voraus.
2. Medizinisch notwendige Heilbehandlung
a. Veranschaulichung
OLG Karlsruhe 03.07.2003 – 12 U 32/03 – VersR 2003, 1432
VN verlangt wegen einer durch eine arterielle Hypertonie bedingten erektilen
Dysfunktion die Erstattung der Kosten für die Verordnung von Viagra.
Medizinisch notwendige Heilbehandlung ► Objektiver, vom Vertrag VN/Arzt
unabhängiger Maßstab: Notwendig ist die Behandlung, wenn aufgrund der
medizinischen Befunde vertretbar war, die Vornahme der ärztlichen Behandlung als
notwendig anzusehen, wenn also die Behandlung geeignet war, die Krankheit zu
heilen, zu lindern oder ihrer Verschlimmerung entgegenzuwirken.
b. Alternative und experimentelle Medizin
BGH 30.10.2013 – IV ZR 307/12 – VersR 2013, 1558 (Dendritische Zellen)
VN leidet an einem metastasierenden Prostatakarzinom, das schulmedizinisch als
unheilbar gilt. Versuche einer Universitätsklinik befassen sich mit der Frage, ob die
„Injektion“ dendritischer Zellen eine Heilungsmöglichkeit ergeben. VN verlangt den
Ersatz der dafür erforderlichen Aufwendungen.
Heutige Klausel:
VR leistet …für Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die von der
Schulmedizin überwiegend anerkannt sind… (und) für Methoden und
Arzneimittel, die sich in der Praxis als ebenso erfolgversprechend
bewährt haben oder die angewandt werden, weil keine
schulmedizinischen Methoden oder Arzneimittel zur Verfügung stehen…
Medizinisch notwendige Heilbehandlung : Objektiver Maßstab (keine Anknüpfung an
den Behandlungsvertrag).
Maßgebend: Medizinische Befunde und Erkenntnisse im Zeitpunkt der Behandlung!
►
39
Medizinische Vertretbarkeit (Eignung, eine Krankheit zu heilen, zu lindern oder ihrer
Verschlimmerung entgegen zu wirken) .
In Fällen der Unheilbarkeit: Zuweilen kommt jeder Behandlung Versuchscharakter
zu! Ist eine unheilbare, lebenszerstörende Krankheit gegeben, sind auch die Kosten
einer Heilbehandlung erstattungsfähig, der Versuchscharakter zukommt, die jedoch
medizinisch begründbar Aussicht auf Heilung oder Linderung verspricht
(nachvollziehbarer Ansatz, der die prognostizierte Wirkungsweise zu erklären
vermag).
c. Betragsmäßige Begrenzung der Aufwendungen
Gesetzliche Regelung: § 192 Abs. 2 VVG (Keine Leistungspflicht, wenn die
Aufwendungen für die Heilbehandlung oder sonstigen Leistungen in einem
auffälligem Missverhältnis zu den erbrachten Leistungen stehen)  Übermaßverbot!
Hintergrund:
BGH 12.03.2003 – IV ZR 278/01 – BGHZ 154, 154 („Alphaklinik“)
VN unterzog sich drei minimal-invasiven Bandscheibenoperationen in der Privatklinik
P, die ihm dafür (auf der Grundlage der geschlossenen Krankenhausverträge)
selbstdefinierte Fallpauschalen (ca. 45.000 DM) in Rechnung stellte, deren
Erstattung er von seinem PKV-V verlangte. Sein PKV-V verweigerte weitgehend die
Bezahlung der von sonstigen Kliniken für vergleichbare Behandlungen um 900%
überhöhten Vergütungen.
[Hinweise zur Lösung: Anspruchsgrundlage ist der VV (Erstattung der Aufwendungen
des VN aus berechtigten Ansprüchen Dritter + Ansprüche des Klinikträgers gegen VN
auf der Grundlage des Krankenhausaufnahmevertrages oder Sittenwidrigkeit der
Preisklausel (§ 138 Abs. 1 BGB: kein Vergleich mit Kosten herkömmlicher
Operationen in Kliniken der öffentlichen Krankenversorgung; zum damaligen AVBRecht: „medizinisch notwendige Heilbehandlung“ ist nicht als „preiswerteste“
Heilbehandlung zu verstehen)].

Heute: § 192 Abs 2 VVG begrenzt die Kostenerstattung.
40
Übermaßbehandlungen und Übermaßvergütungen werden nicht erstattet.
Voraussetzung ist die (vom VR nachzuweisendes „auffälliges“ Missverhältnis
zwischen den geltend gemachten Aufwendungen und den erbrachten Leistungen.
c. Zeitpunkt des „Versicherungsfalls“
„Zahnschmerzen, die keinen Anfang und kein Ende haben wollen“
OLG Köln 18.10.2013 – 20 U 125/13 – VersR 2014, 1200
VN, der seit dem 01.10.2006 bei VR einen MBKK-V unterhält, verlangt die Erstattung
der Kosten für die Überkronung und Brückenversorgung seiner Zähne. Schon am
31.10.2005 stellte der Zahnarzt Z das Fehlen von Zähnen fest und riet zu einer –
nicht notwendigerweise sofortigen – Extraktion verbliebener Zähne und dem
prothetischen Ersatz fehlender anderer.
Versicherungsfall in der PKV ist nicht die Krankheit sondern die medizinisch
notwendige Heilbehandlung (Fehlen von Zähnen führt zur Funktionsbeeinträchtigung
des Kausystems, fehlender zahnmedizinischer Ausgleich birgt die Gefahr von
Folgeschäden). Beschwerdefreiheit ist unerheblich. Versicherungsfall ist allerdings
nicht die Behandlungsbedürftigkeit sondern der Beginn der Heilbehandlung. Also:
Haben vor dem 01.10.2006 Maßnahmen der Zahnversorgung stattgefunden
(Untersuchungen zur Erkennung des Leidens genügen)?
Problematik des „gedehnten Versicherungsfalls“
Von einem gedehnten VF spricht man, wenn sich das versicherte Ereignis
(Heilbehandlung) über längere Zeiträume erstreckt. In der PKV ist beginnt das
versicherte Ereignis mit der Heilbehandlung und endet, wenn nach medizinischem
Befund keine Behandlungsbedürftigkeit mehr besteht (§ 1 (2) Satz 2 MB/KK 2009).
Von Bedeutung ist das für den Zeitraum der Deckung: Hat eine Heilbehandlung vor
dem materiellen Versicherungsbeginn eingesetzt, besteht keine Absicherung!
D. Inhaber des Anspruchs
Unterscheidung Versicherungsnehmer, versicherte Personen, Gefahrpersonen
E. Kündigung des Krankheitskostenversicherungsvertrages
41
Kündigung der substitutiven KKV durch den VR ist nach § 206 Abs. 1 VVG
grundsätzlich ausgeschlossen. Gilt das auch für die außerordentliche Kündigung
nach § 314 BGB?
Kündigung der substitutiven KKV durch den VN richtet sich nach § 205 Abs. 1 VVG
(Kündigungsfrist 3 Monate zum Jahresende); in Fällen des Eintritts der gesetzlichen
Krankenversicherung binnen 3 Monaten zum Eintritt der Versicherungspflicht
rückwirkend zu dessen Zeitpunkt.
„Ein klitzekleiner Krankheitsprofit“
BGH 07.12.2011 - IV ZR 50/11 - VersR 2012, 219 „Abrechnungsbetrug“]
VN unterhielt seit 01.08.2008 bei VR eine KKV zur Ergänzung seines Beihilfeanspruchs. VR
kündigte den Vertrag am 01.07.2010 fristgemäß und fristlos, weil VN von 2008 bis 2010 eine
Vielzahl angeblicher Medikamentenbezüge abgerechnet hatte, die er in Wirklichkeit gar nicht
bezogen hatte. VN beantragte die Feststellung des Fortbestehens seines VV mit der
Begründung, seine Ehefrau habe die Abrechnungen vorgenommen, weil er
krankheitsbedingt dazu nicht in der Lage gewesen sei, ihm seien Manipulationen nicht
bekannt gewesen.
Lösungsskizze:
VN kann gegenüber VR Feststellung des Fortbestehens des VV verlangen, wenn die
Kündigung vom 01.07.2010 unwirksam war.
1.Auflösung des VV gemäß § 11 Abs. 2 VVG i.V.m. § 206 Abs. 1 VVG?
Grundsätzliches Bestehen eines KündigungsR? (§ 193 Abs. 1 VVG begründet
Versicherungspflicht für Beihilfeberechtigte)
(Ggf. beachten: Befristung des Kündigungsrechts nach § 206 Abs. 2 VVG)
2.Auflösung des VV gemäß § 314 BGB?
a.Ausschluss des Rechts nach § 206 Abs. 1 Satz 1 VVG?
[BGH: Kein Ausschluss des Rechts zur außerordentlichen Kündigung; für einen
Ausschluss spricht zwar Wortlaut und systematischer Zusammenhang zu § 206 Abs.
1 Satz 2 VVG, gegen ihn spricht außerhalb der Sonderregelung zum Prämienverzug
(§ 193 Abs. 6 VVG)die Notwendigkeit einer teleologischen Reduktion (Schutz des VN
nur vor einem Verlust des Versicherungsschutzes bei Prämienrückständen, nicht
aber bei anderen schweren Vertragsverletzungen, auch § 193 Abs. 6 VVG enthält
Ansätze eines Schutzes des VR, VR kann sich grundsätzlich auch nach den §§ 19 ff.
VVG lösen, VN kann eine KKV zum Basistarif weiterhin abschließen)
b.Voraussetzungen des § 314 BGB: Vorliegen besonders schwer wiegender Gründe;
Zurechnung des Verhaltens der Ehefrau (Repräsentation)
Rechtsfolgen der Kündigung durch den VN: Bei Neuabschluss eines PKV (§ 204
Abs. 1 Nr. 2 VVG: Teilübertragung (Übertragungswert) der Alterungsrückstellung.
Was ist die Alterungsrückstellung?
42
Weil mit dem Alter eines Menschen die Inanspruchnahme von
Gesundheitsleistungen steigt, werden von der PKV in jüngeren Jahren Prämien
erhoben, die höher sind als es das abgesicherte Risiko an sich erfordern würde. Die
„überschießenden“ Prämienanteile werden „zurückgestellt“, um im Alter Mehrkosten
decken zu können, die von der Prämienkalkulation nicht gedeckt werden. Rechtliche
Grundlage ist § 12 VAG i.V.m. der KalV. Die Höhe ist versicherungsmathematisch
(aktuarisch) zu ermitteln und wird in einem Treuhänderverfahren geprüft.
Rechtspraktischer Hinweis:
Findet ein Wechsel von der PKV in die GKV statt, empfiehlt es sich zu erwägen, die
PKV in eine AnwartschaftsV umzuwandeln. Dann erwirbt der (frühere) VN einen
Anspruch auf „Revitalisierung“ seiner PKV, wenn er später aus der GKV wieder
ausscheiden darf oder kann. Die AnwartschaftsV begründet keine
Leistungsansprüche sondern eine Art Option, die, je nach Ausgestaltung, weitere
Alterungsrückstellungen aufbaut (§ 204 Abs. 4 VVG).
F.
Rechtsprobleme der Krankentagegeldversicherung
„Ein Rechtsanwalt, der nicht mehr lesen konnte“
BGH 03.04.2013 – IV ZR 239/11 – VersR 2013, 615
VN ist Rechtsanwalt und unterhält bei VR eine MB/KT-V. Nach einem leichten
Schlaganfall mit der Folge einer Dyslexie (Leseschwäche) ist VN arbeitsunfähig
geschrieben ab 23.08.2006; er kann allerdings in geringem Umfang seiner Arbeit als
Rechtsanwalt nachgehen. VR stellte nach einiger Zeit die
Krankentagegeldzahlungen ein mit der Begründung, es liege Berufsunfähigkeit vor.
AVBMB/KT (Zusammenfassung):
1.
VR bietet Versicherungsschutz gegen Verdienstausfall als Folge von Krankheiten
oder Unfällen, sofern dadurch Arbeitsunfähigkeit verursacht wird.
2.
Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit
nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch
nicht ausübt und keiner anderen Erwerbstätigkeit nachgeht.
3.
Das Versicherungsverhältnis endet mit dem Eintritt der Berufsunfähigkeit der
versicherten Person.
Lösungsskizze
43
Anspruch auf Zahlung von Krankentagegeld? Anspruchsvoraussetzung: AU:
1.
Scheitert die Annahme von AU daran, dass in geringem Umfang Arbeit geleistet
werden kann?
Rechtsprechung: Eine nur zu Teil gegebene Arbeitsfähigkeit schließt den Anspruch
auf KTG aus! Kann VN seinem bislang ausgeübten Beruf in seiner konkreten
Ausgestaltung mindestens teilweise nachgehen?
Fähigkeit zur Ausübung einzelner isoliert keinen Sinn ergebender Tätigkeiten schließt
AU nicht aus:
„Vielmehr stellt die Fähigkeit zum flüssigen Lesen und Durcharbeiten
von Texten regelmäßig eine Grundvoraussetzung für das Ausüben eines
juristischen Berufs dar; für den Beruf eine Rechtsanwalts ist eine
weitgehend erhaltene Lesefähigkeit unabdingbar“
Die Prüfung eines Anspruchs auf Krankentagegeld darf sich nicht darauf
beschränken, ob die VP in zeitlicher Hinsicht noch in gewissem Umfang in der
Lage ist, ihre berufliche Tätigkeit fortzusetzen, sondern muss klären, ob sie
die prägenden Anforderungen ihres bisherigen Berufs wenigstens noch
teilweise erfüllen kann.
2.
Scheitert ein Anspruch an dem Bestehen von Berufsunfähigkeit?
MB/KT § 15 (1) b):
Das Versicherungsverhältnis endet mit dem Eintritt von Berufsunfähigkeit;
Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person nach medizinischem Befund
im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit zu mehr als 50%
erwerbsunfähig ist.
Darstellung des Sinns und der Problematik der Klausel
Fehlen einer Übereinstimmung mit den AVB der
Berufsunfähigkeitsversicherung
Zeitpunkt des Leistungsendes (Rückwirkung?).