Ein Auto unter dem Sternenhimmel mit der Milchstraße

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Ein Auto unter dem Sternenhimmel mit der Milchstraße
Ein Auto unter dem Sternenhimmel mit der Milchstraße
Tutorial für fortgeschrittene Hobbyfotografen - v0.1
Autor: Evgeni Tcherkasski © 2015
Kapitel
1. Vorwort
2. Benötigte Ausrüstung
1. Kamera
2. Objekrive
3. Stativ und Sonstiges
3. Passende Zeit und Location
4. Shooting
5. Bearbeitung
1. Benötigte Software
2. RAW-Entwicklung
3. Erstellung von Pseudo-HDR
4. Zusammensetzung
6. Endergebnis und Fazit
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1. Vorwort
Dieser Tutorial richtet sich an Hobbyfotografen, die bereits mit den Grundprinzipien der digitalen
Fotografie vertraut sind. Begriffe wie Kamera-Modi (A, M, S), Blende, Belichtungszeit, ISO-Wert
usw. sollten Ihnen geläufig sein und die Zusammenhänge dieser Einstellungen ebenso.
Fühlen Sie sich mit diesen Begriffen noch nicht vertraut genug, finden Sie dazu unzählige
Einstiegstutorials im Internet.
Bei diesem Tutorial möchte ich anhand eines von mir erstellten Fotos demonstrieren wie man
Objekte, in diesem Fall ein Auto, richtig in Szene setzt indem man das Objekt Nachts unter dem
Sternenhimmel und der sichtbaren Milchstraße fotografiert. Ebenso lernen Sie in diesem Tutorial
das Fotografieren der Milchstraße selbst und die Tipps und Tricks, die dazu benötigt werden.
Die hier zusammengetragenen Abläufe und Hinweise entsprechen meiner persönlichen
Vorgehensweise und sollen nicht als die Regel verstanden werden. Sicherlich wird der Eine oder
Andere bessere Lösungsansätze kennen. Über konstruktive Kritik und Vorschläge zur Optimierung
freue ich mich deshalb.
2. Benötigte Ausrüstung
2.1 Kamera
Das wichtigste Werkzeug für jeden Fotografen ist die Kamera. Und für diese Aufgabe kann die
Kamera nicht gut genug sein, weil wir sie für Langzeitbelichtung bei hohen ISO-Werten einsetzen
werden. Ich empfehle Ihnen deshalb eine möglichst aktuelle DSLR oder Systemkamera,
idealerweise mit einem Sensor in Kleinbildgröße oder DX/APS-C Format. Die Verwendung von
Kompakt- oder Bridgekameras für diesen Tutorial sind leider ungeeignet, da diese Kameras auf
Grund der geringen Sensorgrößen zum starken Rauschen neigen und das Ergebnis damit
zwangsweise unzufriedenstellend sein wird.
2.2 Objektive
Für diese Aufgabestellung wird ein starkes Weitwinkel-Objektiv benötigt. 12-18mm Brennweite auf
KB (Kleinbild) umgerechnet. D.h. die günstigen Kameras mit APS-C/DX sollten mit UltraWeitwinkel Objektiven 8-12mm Brennweite ausgestattet sein. Zusätzlich ist die hohe Lichtstärke
des Objektives vom großen Vorteil. Ich empfehle eine minimale Blendenzahl von f/2.8 – f/3.5.
Lichtschwächere Objektive werden das schwache Licht der Milchstraße nicht optimal einfangen
können. Auch die lichtstarken Fischaugen-Objektive sind für unsere Aufgabe geeignet, allerdings
mit Einschränkungen wegen der starken Verzerrung, die sich evtl. negativ auf das fotografierte
Objekt im Vordergrund auswirken.
Tut mir leid für alle Kit-Zoom Inhaber (18-55mm). Für diesen Tutorial müssen Sie leider tiefer in
die Tasche greifen und Euch ein Objektiv mit den o.g. Parametern zulegen.
2.3 Stativ und Sonstiges
Nicht zuletzt benötigen wir für die Langzeitbelichtung ein stabiles Stativ, eine Taschenlampe und
einen Autofunkschlüssel.
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Für das in diesem Tutorial gezeigte Foto verwendete ich folgende Ausrüstung:
Kamera Nikon D600 (KB-Sensor)
Objektiv Samyang/Walimex pro 14mm/f2.8
Stativ Vanguard Karbon
Taschenlampe (handelsüblich)
3. Passende Zeit und Location
Um die Milchstraße sehen und fotografieren zu können, müssen wir erst mal die „natürlichen“
Rahmenbedingungen kennen.
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Die Milchstraße über Deutschland ist am besten in der Zeit zwischen Mai und September
sichtbar.
Deutlich besser ist die Milchstraße in den südlicheren Gegenden der Erdhalbkugel zu sehen,
da man dort den Galaxiemittelpunkt weiter oben am Himmel sehen kann.
Im Mondlicht wird die Sicht und das Fotografieren der Milchstraße aufgrund der
zusätzlichen Lichtquelle stark erschwert. Deshalb sollte man vor dem Fotoshooting den
Mondkalender checken und nur die mondlosen Nächte aussuchen.
Der am besten sichtbare Mittelpunkt der Milchstraße befindet sich in südlicher Richtung.
Hierzu empfehle ich die freie Software Stellarium (http://www.stellarium.org/). Dort wird alles
schnell und bequem veranschaulicht: in welcher Richtung die Milchstraße steht, wann der Mond
auf- und abgeht und vieles mehr.
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Ebenso spielt in der modernen Welt die „künstliche“ Lichtverschmutzung eine wichtige Rolle bei
der Sichtbarkeit des nächtlichen Himmels.
• In allen europäischen Großstädten und dicht bevölkerten Gegenden erreicht die
Lichtverschmutzung extrem hohe Werte, was zur Folge hat, dass man kaum einzelne helle
Sterne am nächtlichen Himmel sehen kann, geschweige denn die komplette Milchstraße.
• Unser Ziel ist es also für unser Fotoshooting eine Gegend zu finden, wo die
Lichtverschmutzung am geringsten ist. Dafür gibt es im Internet die sog.
Lichtverschmutzungskarten, z.B. http://www.lightpollutionmap.info oder
http://www.lichtverschmutzung.de/seiten/karten.php
Anhand dieser Karten suchen wir uns ein Gebiet aus, der am wenigsten Belastet ist.
Selbstverständlich müssen einige von uns gewisse Anfahrtsstrecken in Kauf nehmen. Ich selbst
wohne in Dortmund und fahre deshalb Richtung Möhnesee, da dort die Lichtbelastung deutlich
geringer ist. Meine Fotoaufnahme ist ebenso ganz in der Nähe von Möhnesee entstanden. Also ca.
50km von meinem Wohnort entfernt.
Noch einige Tipps:
• Die Sternensichtbarkeit verbessert sich mit der steigenden Höhenmeterzahl. Wenn Sie also
in der Alpinen-Region leben, dann empfehle ich für das Shooting möglichst auf einen Berg
zu fahren, da dort die Atmosphäre dünner ist, die Luft klarer.
• Erkunden sie die Gegend für das künftige Shooting immer vorher bei Tageslicht, denn in
einer mondlosen Nacht, in einer Gegend abseits der Wohngebiete, kann man sich schnell
verfahren oder gar im Graben landen.
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4. Shooting
Es ist 14.06.2015. Der Himmel ist klar und Mondlos. Das Stellarium zeigt mir, dass der Mittelpunkt
der Milchstraße ab ca. 1 Uhr in südlicher Richtung heute zu sehen sein wird.
Ich fahre in Richtung Möhnesee auf eine vorher ausgekundschaftete Position und stelle mein Auto
so ab, dass es vom Stativ mit dem Fotoapparat etwas südöstlicher steht.
Im Bild meines 14mm Weitwinkelobjektivs habe ich die Milchstraße mit ihrem Mittelpunkt am
Horizont und das Auto seitlich daneben platziert.
Als nächstes wird der Fokus am Objektiv eingestellt. In meinem Fall ist es ein MF-Objektiv und ich
stelle ihn auf die Einstellung Unendlich. Genau so verhält es sich auch mit den AF-Objektiven. Da
sollten sie den Autofokus abschalten und das Objektiv manuell auf die Unendlichkeit stellen. Dabei
ist aber Vorsicht angesagt. Nicht alle Objektive stellen sich beim Anschlag des Fokussierungsrings
auf die Unendlichkeit. Deshalb empfehle ich Ihnen vorher bei Tageslicht zu ermitteln wo genau bei
Ihrem Objektiv die Einstellung Unendlich erreicht wird und diese dann in der Nacht ebenfalls so
einzustellen.
Jetzt stelle ich die Kamera auf das M-Modus, Iso-Wert auf 3200, Belichtungszeit auf 30
Sekunden, Blende auf f/2.8 und aktiviere die Spiegelvorauslösung. Als Speicherformat verwende
ich RAW+JPEG.
Wenn Ihr Objektiv weniger lichtstark ist, stellen Sie einfach die kleinste Blendenzahl ein, die Ihr
Objektiv unterstützt, also f/3,5 oder f/4. Und sollte Ihre Kamera keine DSLR sein oder die
Spiegelvorauslösung nicht unterstützen, so verzichten Sie einfach auf diese Einstellung.
Beachten Sie bitte, dass die o.g. Einstellungswerte keine festen Vorgaben sind und von Fall zu Fall
variieren sollten. Wenn Ihr Objektiv weniger lichtstark ist, dann können Sie versuchen den ISOWert noch etwas anzuheben. Von der Verlängerung der Belichtungszeit möchte ich jedoch abraten.
Die Gründe dafür sind ziemlich einfach. Die Erde rotiert und die Sterne am Himmel bewegen sich
relativ zum Standpunkt der Kamera. D.h. je länger die Belichtungszeit, desto linienartiger die
Abbildung der Sterne .
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Belichtungszeit: 360 Sekunden
Belichtungszeit: 30 Sekunden
30 Sekunden ist daher lediglich ein Richtwert bei dem die Sterne noch einigermaßen punktförmig
abgebildet werden, wenn man einen Ultra-Weitwinkel von 14mm auf KB benutzt. Verwendet man
aber einen Objektiv mit einer größeren Brennweite (z.B. 18mm), ist es empfehlenswert die
Belichtungszeit noch etwas zu verkürzen.
Die Kamera ist nun eingestellt. Jetzt versuche ich das Bildmotiv im
Sucherbild zu positionieren. Allerdings sieht man sogar im hellen
Sucher einer KB-DSLR kaum etwas. Deshalb verwende ich gerne die
Taschenlampe und strahle das Auto etwas an, damit ich es
vollständig im Sucher sehe. Nun mache ich die erste Aufnahme.
Rechts sehen Sie das Resultat als JPEG-Out-Of-Cam (OOC), also so
wie die Kamera das Motiv aufgenommen hat.
Man sieht, dass die Milchstraße gut sichtbar ist, aber das Auto ist zu
dunkel und absolut unbeleuchtet. Deshalb mache ich ein zweites Foto
und dabei öffne ich mit dem Funkschlüssel das Auto während des
Aufnahmevorgangs.
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Leider ist das Ergebnis dabei nicht zufriedenstellend, da die sehr hellen Blinklichter am Fahrzeug
das ganze Foto stark überstrahlen und auch noch zu starken Lens Flares führen. Deshalb senke ich
die ISO-Zahl auf ISO 500 und wiederhole die Aufnahme.
ISO 3200, 30Sek, f/2.8
ISO 500, 30Sek, f/2.8
Das zweite Resultat ist besser ausgeleuchtet und nun habe ich zwei fertige Fotos, die ich
miteinander kombinieren werde.
Foto 1 – JPEG OOC
ISO 3200, 30Sek, f/2.8
Foto 2 – JPEG OOC
ISO 500, 30Sek, f/2.8
Damit ist das Shooting selbst abgeschlossen und es geht zur Nachbearbeitung der Resultate.
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5. Bearbeitung
5.1 Benötigte Software
Wie bereits im Vorwort erwähnt, benutze ich für diesen Tutorial und auch sonst nur freie
Fotobearbeitungssoftware. Das hat sehr pragmatische Gründe, denn die freie Software kostet nichts
und leistet eine ganze Menge.
• Für die RAW-Entwicklung kommt RawTherapee (http://rawtherapee.com) zum Einsatz. In
diesem Tutorial ist es die Version 4.2.44
• Für die Generierung des Pseudo-HDR's verwende ich Luminance HDR v2.2.1
(http://qtpfsgui.sourceforge.net)
• Für die anschließende Fotoverschneidung wird GIMP 2.8 (http://www.gimp.org) verwendet.
• Und zu guter Letzt verwende ich NeatImage (http://www.neatimage.com) in der freien
Version, um das Endergebnis noch etwas zu entrauschen.
5.2 RAW-Entwicklung
Um das Maximum aus den Bildern herauszuholen, sollte man immer die RAW-Dateien mit einem
RAW-Konverter zu JPEG oder TIFF umwandeln und dabei die Entwicklungsparameter manuell
einstellen. Dies gilt um so mehr für Fotos, die unter schwierigen Lichtbedingungen entstanden sind.
Ich öffne die RAW-Datei mit dem Foto 1 im RawTherapee und bearbeite einzelne Parameter:
• erhöhe die Belichtung,
• erhöhe den Kontrast und die Farbsättigung,
• verändere die Tonwertkurve, Farbtemperatur und Lab-Helligkeit,
• und mache noch diverse andere kleinere Anpassungen an den zahlreichen Reglern der
RawTherapee.
Es hat jedoch keinen Sinn Ihnen jede Einstellung einzeln anzugeben oder den fertigen
Bearbeitungsprofil zur Verfügung zu stellen, denn das muss immer je nach Umgebungsbedingungen
und verwendeter Kamera einzeln und fallbezogen eingestellt werden.
• Zum Schluss wird das Foto als JPEG abgespeichert.
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Jetzt wird Foto 2 dem gleichen Prozess unterzogen, wobei nicht alle Entwicklungsparameter im
Vergleich zu Foto 1 identisch einzustellen sind.
Bevor ich das entwickelte Foto 1 mit Foto 2 im GIMP verschneide, gibt es noch einen Trick wie
die Milchstraße aus Foto 1 noch etwas kräftiger und kontrastreicher dargestellt werden kann.
Dazu greife ich auf die Technik von Pseudo-HDR.
5.2 Erstellung von Pseudo-HDR
Eine RAW-Datei speichert jeden Farbkanal, je nach Kameramodel mit 12 oder 14bit ab. Das ist
deutlich mehr als ein JPEG mit seinen 8bit = 256 Helligkeitsabstufungen pro Farbkanal. Deshalb ist
es gut möglich die feinen Farbnuancen von einer einzelnen RAW-Datei mit Hilfe des HDRVerfahrens herauszuarbeiten.
• Dafür erstelle ich drei JPEG-Dateien von Foto 1 mit jeweils einer 1 EV Differenz bei der
Belichtung.
- 1 EV
Normal Foto 1
+ 1 EV
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•
Jetzt lade ich diese drei Bilder in die Luminance HDR v2.2.1 und vergebe dort jedem Foto
folgende Belichtungswerte:
•
Nun erzeuge ich mit dem Operator „Mantiuk '06“ eine HDR-Datei
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Diese generierte HDR-Datei hat eine sehr kraftvoll dargestellte Milchstraße. Sie ist jedoch stark
verrauscht und wirkt unnatürlich.
• Ich nutze diese Datei anschließend im GIMP indem ich nur die Milchstraße aus diesem
Bild durch das Verwenden eines Radierwerkzeugs leicht (geringe Deckkraft des Werkzeugs
5-15 %) zum durchschimmern bringe.
1) Original Milchstraße aus Foto 1
2) Mit dem Radierer im GIMP wird die Milchstraße
teilweise durchsichtig gemacht.
3) Das HDR-Foto wird als eine Ebene unter Foto 1
eingefügt.
4) Resultat: Die Milchstraße aus dem HDR-Foto
schimmert in Foto 1 durch und die Sterne wirken
dadurch eindrucksvoller.
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5.4 Zusammensetzung
Was jetzt folgt, ist ziemlich einfach.
• Von Foto 1 mit der HDR-Milchstraße behalte ich den oberen Teil und vom Foto 2 mit dem
gut belichteten Auto das untere Teil.
• Das erreiche ich mit dem GIMP in dem ich Foto1 und Foto 2 als übereinander liegende
Ebenen einstelle (Foto 1 über Foto 2) und mit dem Radierwerkzeug den unteren Teil
komplett weg radiere.
6. Endergebnis und Fazit
Das Foto ist jetzt fertig. Sollte es jedoch noch zu stark verrauscht sein, könnte man es mit
NeatImage versuchen etwas zu entrauschen, das geht aber immer zulasten der Schärfe.
Die Autokennzeichen kann man mit Hilfe von GIMP auch leicht entfernen oder ersetzen. Dazu
finden Sie viele Tutorials im Netz.
Ich hoffe Sie konnten die Vorgehensweise gut nachvollziehen und freue mich, wenn ich Ihnen etwas
helfen konnte.
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