Magazin 1/11 - Bundesamt für Bevölkerungsschutz und
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Magazin 1/11 - Bundesamt für Bevölkerungsschutz und
00 u1 Jan 2011_dlr:Layout 1 31.01.2011 15:27 Seite 1 Bevölkerungsschutz 1 2011 Geoinformationen Daten für einen modernen Bevölkerungsschutz www.bbk.bund.de 01 u2 2011-1:Layout 1 03.02.2011 11:14 Seite 2 Liebe Leserinnen und Leser, Daten für einen modernen Bevölkerungsschutz – so lautet der Untertitel zu unserem Themenschwerpunkt Geoinformationen. Eine notwendige Einschränkung. Nicht erst die Aktivitäten des Datensammlers Google mit der umstrittenen Aktion Street View haben die Menschen aufgeschreckt und sensibilisiert. Wer sammelt welche Daten, wie und wozu? Berechtigte Fragen. Geoinformationen, gemäß der Internet-Enzyklopädie Wikipedia „digitale Informationen, denen auf der Erdoberfläche eine bestimmte räumliche Lage zugewiesen werden kann“, können durchaus personenbezogen sein oder berechtigte Interessen an der Geheimhaltung berühren. Es ist also zu entscheiden, welche Daten ein moderner Bevölkerungsschutz überhaupt benötigt und abzuwägen, ob und inwieweit dieses öffentliche Interesse mit Persönlichkeitsrechten kollidiert. Das führt schnell zu der Feststellung, dass nur in den seltensten Fällen die für den Bevölkerungsschutz erheblichen Geoinformationen einen Personenbezug haben. Vielmehr eignen sich die erhobenen Daten, mehr noch die Ergebnisse ihrer Auswertung, hervorragend zur Information der Bevölkerung und der Kommunikation mit ihr. Unwetterwarnungen, Verkehrslagen, Pegelstände usw. sind selbstverständliche Bestandteile von Nachrichtensendungen und Zeitungsmeldungen, Karten und Schaubilder zu speziellen Themen wie Gewässerverschmutzung, Erdbebenwahrscheinlichkeit, Blitzhäufigkeit, Durchschnittstemperaturen o.ä. hat jeder schon BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 1 2011 gesehen und kann sie auch deuten. Im Gegenzug nutzen immer mehr Menschen technische Möglichkeiten wie Mobiltelefone oder Ortungsgeräte, besonders aber das Internet, um selbst Informationen zu ermitteln und zu verbreiten; hier liegen große Potenziale für eine aktive Rolle der Bevölkerung im Bevölkerungsschutz. Die Bedeutung von Geoinformationen liegt auf der Hand und die Möglichkeiten, sie zu erlangen, sind in unserer hochtechnisierten und immer enger vernetzten Welt beträchtlich. Die daraus resultierende Datenflut wirft allerdings organisatorische und strukturelle Probleme auf. Die EU hat darauf mit der INSPIRE-Richtlinie (Infrastructure for Spatial Information in Europe) reagiert, die zu einer einheitlichen Geodateninfrastruktur innerhalb der Gemeinschaft führen soll; Deutschland hat diese Richtlinie 2009 mit dem Geodatenzugangsgesetz (GeoZG) umgesetzt. Mit dieser Ausgabe von Bevölkerungsschutz wollen wir Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, einen Überblick darüber geben, welche Geoinformationen für einen modernen Bevölkerungsschutz wichtig sind und welche Erkenntnisse daraus gewonnen werden, wie diese Daten erhoben werden, wer sie sammelt, wer darauf zugreifen kann und wohin die Entwicklung – möglicherweise – geht. Ich wünsche Ihnen eine interessante und spannende Lektüre! Ihr Nikolaus Stein 02 s01 Inh 1-11:Layout 1 01.02.2011 16:57 Seite 1 INHALT GRUßWORT Grußwort des Präsidenten des BBK 2 GEOINFORMATIONEN Geoinformationen im Bevölkerungsschutz 3 Geodaten für die Risikoanalyse 9 Eine Erdbebenrisikokarte für die Schweiz 14 OpenStreetMap 18 Web 2.0: Neue Perspektiven für den Bevölkerungsschutz? 24 Weltraumtechnik für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe 28 Unbemannte Flugsysteme im zivilen Krisenmanagement 32 EHRENAMT Die Helfende Hand 2010 geht an ... „Geoinformationen (raum- und zeitbezogene Informationen über Objekte und Sachverhalte) beeinflussen immer stärker politische und wirtschaftliche Entscheidungen.“ (Erster Geo-Fortschrittsbericht der Bundesregierung). Möglichkeiten, solche Informationen zu beschaffen und zu verwerten, gibt es viele – Probleme, Ergebnisse und Perspektiven S. 3 bis 34. (Die Satellitenaufnahme oben zeigt die Trennung verschiedener Wasserinhaltsstoffe anhand ihrer Streu- und Absorptionseigenschaften; unten ist die Aschewolke des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull als orangefarbene Struktur zwischen Schottland und Süd-Norwegen zu sehen. © 2011 Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)) 35 FORUM Arbeiter-Samariter-Bund Bundesanstalt Technisches Hilfswerk Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft Deutscher Feuerwehrverband Deutsches Rotes Kreuz Johanniter-Unfall-Hilfe Malteser Hilfsdienst Verband der Arbeitsgemeinschaften der Helfer in den Regieeinheiten/-einrichtungen des Katastrophenschutzes in der Bundesrepublik Deutschland e.V. 38 40 43 44 45 46 49 51 RUBRIKEN Nachrichten Impressum 53 54 REGISTER 2010 Register 2010 55 SERIE Kulturgutschutz in Deutschland 57 Am 5. Dezember, dem internationalen Tag des Ehrenamtes, hat der Bundesminister des Innern, Thomas de Maizière, zum zweiten Mal den Förderpreis „Helfende Hand“ verliehen. Preis und Preisträger S. 35. (Foto: BMI/Rickl) 1 2011 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 1 03 s02 Gruß 2011_:Layout 1 31.01.2011 14:29 Seite 2 GRUßWORT Sehr geehrte Leserinnen und Leser, unsere Welt wird immer komplexer und mit ihr die globalen sozialen, kulturellen und technischen Entwicklungen. Doch je komplexer unsere Welt wird, umso größer ist ihre Verletzlichkeit und umso weiter reichen mögliche Schadensfolgen für Mensch und Umwelt. Der Klimawandel kann zu Extremwettern führen, in deren Folge Überschwemmungen, Starkregen, Stürme oder auch Dürren vorkommen. Die zunehmende Abhängigkeit von Energie, hier sei insbesondere der Strom genannt, führt zu weit reichenden Folgen bei Engpässen und Ausfällen. Auch die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus hält unvermindert an; gegen Ende des vergangenen Jahres musste der Bundesinnenminister eine Terrorwarnung für Deutschland aussprechen. Ebenso müssen wir unser Augenmerk auf die deutliche Zunahme so genannter Cyber-Attacken, elektronischer Angriffe auf deutsche Regierungs- und Behördennetze, richten. Der Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor solchen Gefahren und die Sorge um die Sicherheit sind Kernaufgaben unseres Staates. Es gilt, sich stets erneut zu wappnen, den Eintritt von Schadensereignissen durch vorbeugende Maßnahmen zu verhindern, ihre 2 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 1 2011 Häufigkeit abzubauen und ihre Auswirkungen zu mindern. Dabei können wir auf gesunde und erfolgreiche Strukturen in unserem Hilfeleistungssystem zurückgreifen. Die bereits vorhandenen Fähigkeiten unseres Bevölkerungsschutzes gilt es weiterzuentwickeln. „Wir gestalten unsere Zukunft nach den Erkenntnissen aus der Vergangenheit.“ Dieser Satz des englischen Philosophen Thomas Hobbes kann gleichwohl unsere Strategie für das Jahr 2011 sein: Wir werden das gemeinsam beschlossenen Ausstattungskonzept des Bundes fortführen. Mit der Methode Risikoanalyse, die das BBK entwickelt hat, können wir in Zukunft bundesweit die Risiken aus Naturgefahren vergleichbar analysieren. Die Nationale Strategie zum Schutz Kritischer Infrastrukturen ist beschlossen und gibt uns die Möglichkeit, das Schutzniveau für Kritische Infrastrukturen in Deutschland durch geeignete Maßnahmen im Hinblick auf vorhandene und zu erwartende Gefahren anzupassen. Das Internet ist eine moderne Infrastruktur, und Störungen müssen hier vermieden werden. Die Bundesregierung will in 2011 ein Nationales Cyber-Abwehrzentrum einrichten, das die Sicherheit und Integrität des Internet beobachtet und versucht sicherzustellen. Das BBK soll daran zu einem entscheidenden Teil mitwirken. 2011 ist Deutschland Gastgeber der Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen. Den Herausforderungen dieser Großveranstaltung können wir mit den Erfahrungen und Erkenntnissen aus der Männer-WM 2006 entgegensehen und uns auf internationalen Spitzensport freuen. Meine Damen und Herren, ich könnte diese Liste noch fortsetzen. Doch mir geht es darum, Ihnen zu versichern, dass wir die Herausforderungen im Blick haben und engagiert und zielgerichtet an den Lösungen arbeiten. Das Jahr 2011 wird uns erneut vor eine Fülle von Aufgaben stellen, die wir mit der gewohnten Sorgfalt wahrnehmen werden. In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein gutes und erfolgreiches Jahr! Christoph Unger, Präsident des BBK 04 s03 Einf_GeoInfo:Layout 1 01.02.2011 15:28 Seite 3 GEOINFORMATIONEN Geoinformationen im Bevölkerungsschutz Stagnation, Evolution, Revolution MinDirig Norbert Seitz, BMI „Geoinformationen (raum- und zeitbezogene Informationen über Objekte und Sachverhalte) beeinflussen immer stärker politische und wirtschaftliche Entscheidungen. Sie ermöglichen bei einheitlichem Raumbezug und mit Hilfe der modernen Datenverarbeitungstechnik, Informationen aus unterschiedlichen Themen gemeinsam zu verarbeiten und zu integrieren. Für Standortentscheidungen in Wirtschaft und Gewerbe, für die Verkehrssteuerung und Logistik, für Wetter- und Klima (…), Katastrophen- und Umweltschutz sowie für weitere Raumbezug – eine Erfindung des Bevölkerungsschutzes? „Berlin. Die Bundesregierung hat heute …“ – der klassische Beginn einer Nachricht. Wie selbstverständlich beginnt die Informationsübermittlung mit der Angabe des Ortes, an dem etwas geschehen ist. Die räumliche Verortung der inhaltlichen Aussagen ist Auftakt und wesentlicher Bestandteil der Informationsverarbeitung beim Empfänger. Auch die berühmten „Fünf W’s“ des Notrufes starten mit der Frage „wo ist etwas geschehen?“. Die entsprechenden Aussagen haben eine erhebliche Bedeutung für die Erfassung und vor allem Bewertung der Situation. Die Verkehrsteilnehmer auf der Autobahn, die Anwohner einer Fabrik, die Studierenden einer Universität – sie alle sortieren solche Nachrichten aus, die aufgrund fehlenden räumlichen Bezuges zu ihrer Situation keine unmittelbare Relevanz besitzen. Es lebt sich entspannter, liegt der Stau nicht auf dem eigenen Weg, brennt nicht die Fabrik um die Ecke, fallen nicht die Vorlesungen der eigenen Hochschule aus. Ähnliches passiert in der Leitstelle einer Feuerwehr genauso wie in der Einsatzleitung der Polizei, im Verwaltungsstab eines Krei- vielfältige behördliche Anwendungen in der Raum-, Landes- und Regionalplanung sind Geoinformationen eine immer wichtiger werdende Entscheidungsgrundlage. Der schnellen Verfügbarkeit von aktuellen und zweckbezogenen Geoinformationen kommt vor diesem Hintergrund eine hohe Bedeutung zu. Dies gilt insbesondere für die Zusammenarbeit der Sicherheitsbereiche.“ (Erster Geo-Fortschrittsbericht der Bundesregierung, 26.05.2005, Bundestagsdrucksache 15/5834, S. 1) ses ebenso wie im Gemeinsamen Melde- und Lagezentrum von Bund und Ländern oder dem Krisenstab des Bundesministeriums des Innern. Informationen werden bereits beim Eingang auf Relevanz für die jeweilige Tätig- und Zuständigkeit geprüft und bewertet. Um den Überblick zu gewinnen und zu behalten führen alle diese Stellen in irgendeiner Form Lagekarten. Dabei ist der Inhalt, abstrahiert man alle Detailinformationen, nahezu identisch: Es gibt Aussagen zur Bedrohung oder Gefahr, zu bereits eingetretenen Ereignissen und Schäden, zu Schutzgütern – beispielsweise Menschen und Tiere – und zu den eigenen Kräften. Diese Informationen basieren auf Meldungen unterschiedlicher „Sensoren“. Das sind beispielsweise die Berichte der Einsatzkräfte vor Ort, aber auch von Satelliten oder Messstellen am Boden, wie Flusspegel oder das Ortsdosismessnetz des Bundesamtes für Strahlenschutz. Diese Fachdaten werden in einer Karte abgebildet, die Geobasisdaten enthält: Gebäude, Verwaltungsgrenzen, Straßen usw. werden auf einem Koordinatengitter eindeutig verortet. Durch die Kombination der Information und die räumliche Relation von Gefahren, Schutzgütern, Hilfeleistungspotenzialen usw. wird es möglich, die aktuelle Lage einzuschät- 1 2011 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 3 04 s03 Einf_GeoInfo:Layout 1 01.02.2011 15:28 Seite 4 GEOINFORMATIONEN zen. Daraus kann dann abgeleitet werden, was getan werden muss und wie sich die Situation – im günstigsten und ungünstigsten Fall – weiterentwickeln könnte. stattfindet, bedeutet einen großen Schritt nach vorne. Bürger melden und verbreiten heute wie selbstverständlich Informationen zum Vorkommen von Tier- und Pflanzenarten, zu Staus, Schlaglöchern, Geschwindigkeitsmessungen, die Dimension von Ölverschmutzungen, Wetterbeobachtungen, AusdehEvolution nung von Bränden und so weiter. Durch die Verbreitung mobiler Endgeräte und der Mobilfunktechnik Dieses Vorgehen, die kartografische Darstel- erfolgt die Übermittlung sogar in Echtzeit. Inwielung, hat sich über Jahrhunderte bewährt. Informa- weit die Informationen korrekt sind, ist dabei nicht tionen, die in einer Karte visualisiert werden (und auf den ersten Blick festzustellen. Bei Meldungen und Berichten, die über Nachrichtenagenturen und renommierte Redaktionen verbreitet werden, gilt im Prinzip das Gleiche. Dennoch kann hier eine Validierung und Gegenprüfung vor Verbreitung der Nachricht unterstellt werden. Schließlich würden sowohl die öffentlich-rechtlichen als auch die gewerblichen Nachrichtenmacher ihre Reputation und Glaubwürdigkeit und damit mittelfristig ihre Existenzgrundlage gefährden, verbreiteten sie ungeprüfte Informationen. Es gibt bereits Verknüpfung von Geodaten durch Raumbezug. Anwendungen, die au(© Bundesamt für Kartographie und Geodäsie 2011) tomatisch bestimmte damit zu Geoinformationen werden), transportieren Nachrichtenquellen nach festgelegten Schlagworihre Inhalte leichter als reine Tabellen und Texte. ten durchsuchen und die Ergebnisse in einer Karte Die technische Evolution hat dazu geführt, dass die und damit räumlich darstellen. Inwieweit es hier vormals aufwändige (Kunst der) Lagekartenführung mittelfristig eine für den Bevölkerungsschutz nutzheute in vielen Bereichen durch den Einsatz von bare (belastbare) Sensorik für bestimmte Ereignisse Informationstechnik vereinfacht wurde. Sowohl die geben wird, ist derzeit noch nicht absehbar. automatisierte Aktualisierung verschiedener Informationen als auch die nahezu intuitive Bedienbarkeit von Systemen oder die Verbreitung von aufbeFührungsinformationen reiteten Daten werden dabei vereinzelt als Revolution empfunden. Auch die Übermittlung von InforDie Vielfalt der unterschiedlichen Bedürfnisse mationen mit Standortangaben durch Laien, die verschiedener Nutzer von Geoinformationen im Bedurch die Verbreitung von Navigationsgeräten und reich der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben hat zu einer breiten Palette von -techniken heute in nahezu allen Lebensbereichen 4 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 1 2011 04 s03 Einf_GeoInfo:Layout 1 01.02.2011 15:28 Seite 5 Führungsunterstützungsprogrammen geführt. Der Wettbewerb der Ideen brachte sehr unterschiedliche Lösungen, die jede für sich immer die geeignete für den Anwender ist. Der Kern ist in der Regel ein geografisches Informationssystem (GIS), in dem die jeweiligen Fachinformationen dargestellt werden. In einer zunehmend vernetzten und interdependenten Welt kommt es nun darauf an, dass die unterschiedlichen Informationen auf Grundlage gemeinsamer Standards ausgetauscht werden können. Auf diese Art wird Doppelarbeit vermieden und ressourcenschonend sichergestellt, dass Daten aktuell gehalten werden können. Es ist nicht mehr zeitgemäß, wenn unterschiedliche Behörden die gleiche Information auf unterschiedlichen Wegen erheben müssten. Das gilt sowohl in der Vertikalen (bspw. Bund-Länder-Kommunen) als auch in der Horizontalen (bspw. unterschiedliche Fachbehörden auf einer Verwaltungsebene). Bereits im 1. Geofortschrittsbericht findet sich der Hinweis auf das Projekt „Schutzgebietsinformationen nach Umwelt- und Wasserrecht“. Die entsprechenden Informationen zu Naturschutz- und Wasserschutzgebieten etc. wurden von mehreren Datennutzern an verschiedenen Stellen selbst erhoben und dann in jeweils eigenen Datenmodellen verwaltet. Demgegenüber standen allein auf Bundesebene mehr als zwanzig Einrichtungen, die für die Erledigung ihrer Fachaufgaben diese raumbezogenen Daten benötigten. Durch die Sammlung, Harmonisierung und Bereitstellung der auf vorwiegend kommunaler Ebene erhobenen Daten in einem von Ländern und Bund gemeinsam etablierten Kompetenzzentrum entstanden deutliche Kostenvorteile für die Verwaltung. Auch im Bevölkerungsschutz arbeiten daher Bund und Länder eng zusammen, wenn es um den Austausch von Geoinformationen geht. Konkret wird an einer XÖV-Schnittstelle namens XKatastrophenhilfe gearbeitet. Damit soll die Grundlage für ein umfassendes elektronisches Informations- und Kommunikations-Netzwerk zwischen Bund, Ländern und Kommunen für den Bevölkerungsschutz geschaffen werden. Mithilfe des Standards sollen Informationen zwischen den unterschiedlichen Krisenmanagementsystemen ebenenübergreifend ausgetauscht werden können und damit die Bewältigung von Großschadenslagen effizienter gestaltet werden. Trotz aller Evolution im Bereich der Lagekartenführung: Die physische Lagekarte, auf der mit- tels Folienstift die Informationen eingetragen werden, wird auf absehbare Zeit auf der operativ-taktischen Ebene weiter Bestand haben. Sie wird zudem in den meisten Stäben als Redundanz beim Ausfall der Informationstechnik oder Stromversorgung vorgehalten. Geodaten im Web 2.0 Bei nahezu allen Überlegungen des Menschen findet sich ein Raumbezug – eine Georeferenz. Neben den realen, physischen Orten hat sich zwischenzeitlich auch die virtuelle Welt etabliert. „Ich bin im Netz“ ist eine gängige Redewendung geworden. Soziale Kontakte werden in digitalen Räumen aufge- Der Datenaustausch in einer immer enger vernetzten Welt bietet Chancen, beinhaltet aber auch Risiken. (Grafik: Gerd Altmann/pixelio) baut, gepflegt und auch beendet. Eine neue Dimension, die auch Akteure des Bevölkerungsschutzes fasziniert. Das WorldWideWeb bietet eine Menge Chancen, birgt aber auch Risiken. In einer Zeit, in der es immer mehr Menschen schwer fällt, sich dauerhaft ehrenamtlich zu engagieren, bieten ad-hoc Hilfemöglichkeiten neue Wege des humanitären Engagements. Ein Beispiel im Kontext von Geodaten ist die so genannte „volunteered geographic information (VGI)“. Dabei reicht die Spanne des freiwilligen Engagements vom Erfassen von Daten über die Auswertung von Luft-/Satellitenbildern bis zur Programmierung von Anwendungen für die (humanitäre) Katastrophenhilfe. Genau wie im klassischen Ehrenamt gibt es auch hier Menschen, die ihre Kraft 1 2011 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 5 04 s03 Einf_GeoInfo:Layout 1 01.02.2011 15:28 Seite 6 GEOINFORMATIONEN und Zeit kostenlos für einen guten Zweck einsetzen. Neben regelmäßig und kontinuierlich arbeitenden Ehrenamtlern gibt es solche, die sich (nur) anlassbezogen einbringen. Beide leisten gleichermaßen einen Beitrag für die Allgemeinheit, für eine bessere Gesellschaft. Die Verantwortlichen im Bevölkerungsschutz sollten diese neuen Formen des Engagements mit dem gleichen Wohlwollen unterstützen wie die bereits lange bestehenden. Interessant ist, dass nicht nur bei der Reaktion auf Ereignisse – in der „Blaulichtphase“ – sondern auch im Bereich der Vorbereitung auf sowie der Vermeidung und Nachbereitung von Schadensereignissen durch das www kreative Ideen sich rasch weltweit verbreiten. Risikoprävention und -information Die Bedeutung von geografischen Informationen für den Bevölkerungsschutz ist unbestritten. Fasst man den Begriff eng, beschränkt ihn auf die Behörden der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr oder gar ausschließlich auf die Hilfsorganisationen, die Feuerwehren und das Technische Hilfswerk, würde man der heutigen komplexen und interdependenten Realität nicht gerecht. Informationen zur räumlichen Verteilung von Gefahren, die zu Schäden führen können, finden sich in vielen Bereichen. Insbesondere Bauvorschriften sind sie seit langem integraler Bestandteil der Konzepte zur Vermeidung von Gebäudeschäden. Die Deutsche Industrie Norm DIN 4149:2005-04 „Bauten in deutschen Erdbebengebieten – Lastannahmen, Bemessung und Ausführung üblicher Hochbauten“ ist hier nur ein Beispiel. Die komplexen Berechnungen der Wissenschaftler zur Erdbebengefährdung in Deutschland werden in einer Karte aufbereitet. Sie ermöglicht es auch dem Laien, mit einem einzigen Blick zu erfassen, in wieweit Aussagen der Norm für seinen Standort relevant sind. Die Karte findet sich im Internet auf der Seite des Geoforschungszentrums Potsdam (www.gfzpotsdam.de). Um die räumliche Verteilung potenzieller Schäden durch Erdbeben zu berechnen, sind weit mehr Geoinformationen notwendig als die des Erdbebenrisikos, wie der Beitrag aus der Schweiz in diesem Heft (S. 14) zeigt. Auch für Schnee- und Windlasten und andere relevante Größen finden sich bereits zahlreiche Beispiele1. Der Hochwasserschutz in Europa hat im 6 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 1 2011 Oktober 2007 einen Schub bekommen, als die EU die Directive 2007/60/EC of the European Parliament and of the Council of 23 October 2007 on the assessment and management of flood risks verabschiedete. Die Richtlinie sieht sowohl Hochwassergefahrenkarten als auch Hochwasserrisikokarten vor. Die Gefahrenkarten müssen Aussagen zu Ausdehnung, Wassertiefe und Fließgeschwindigkeit enthalten. Die Risikokarten müssen für die potenziell durch Hochwasser betroffenen Gebiete Angaben zur a) Anzahl möglicherweise betroffener Bewohner, b) zur Art der gewerblichen Aktivitäten und c) zu Anlagen und Einrichtungen, von denen eine besondere Gefahr für die Umwelt ausgeht (bspw. so genannte SEVESO-IIAnlagen), machen. Sofern die Mitgliedsstaaten weitere Informationen für wichtig erachten, können diese ebenfalls aufgenommen werden. Die Hochwasseraktionspläne, die für viele Gewässer in Deutschland bereits erstellt wurden, enthalten die vereinbarte kartografische Aufbereitung mit Aussagen zu den bedrohten Flächen und damit auch Menschen und Sachwerten bei Hochwassern unterschiedlicher Jährlichkeit. Die Informationen werden veröffentlicht2 und dienen gleichermaßen der Information der Bevölkerung eines Gebietes über die dort zu erwartenden Risiken als auch der Maßnahmenplanungen durch die Verwaltung. Insofern sind hier bereits erste gute Umsetzungen der auf Ebene der Vereinten Nationen im Hyogo Framework for Action im Jahr 2005 verabredeten Maßnahmen für die Reduzierung von Katastrophen erfolgt. Damals wurde bereits konstatiert, dass Risikoinformationen zweckmäßigerweise über entsprechende Karten der Bevölkerung zugänglich gemacht werden sollten. Erst kürzlich hat die EU festgestellt, dass der von Großbritannien, Schweden, Norwegen, Finnland, Dänemark, den Niederlanden und Deutschland verfolgte Weg der Risikoanalyse mit Hilfe von GIS die Messlatte für die europäischen Staaten darstellt. Dabei gilt zurzeit für alle EU-Mitgliedsstaaten, dass umfassend all-Gefahren-Analysen bisher noch in der Erprobungs-/Aufbauphase sind. 1 Die einschlägigen Bauvorschriften und Informationen der Länder finden sich unter www.bauministerkonferenz.de 2 siehe für die Gefahrenkarten beispielsweise den Informationsdienst Überschwemmungsgefährdete Gebiete des Bayerischen Landesamt für Umwelt unter www.geodaten.bayern.de/ bayernviewer-flood/flood/ 04 s03 Einf_GeoInfo:Layout 1 01.02.2011 15:28 Seite 7 Fernerkundung als Datenquelle Die Erfassung von Geodaten (und deren Harmonisierung) verursacht im Vergleich zu anderen Bereichen der Geodatenverarbeitung die höchsten Kosten. Daher besteht immer ein großes Interesse, Geodaten möglichst effizient bereitzustellen. Als für den Ersten Geofortschrittsbericht im Jahre 2004 alle Ressorts bezüglich der Nutzung von Geodaten befragt wurden, zeigte sich „eine starke Nachfrage nach Fernerkundungsdaten“. Darunter sind solche Informationen zu verstehen, die ohne unmittelbaren Kontakt zum Objekt erhoben werden. In den meisten Fällen handelt es sich um Luft- oder Satellitenbilder der Erdoberfläche, die mit unterschiedlichen Plattformen aufgezeichnet wurden (u.a. bemannte oder unbemannte Luftfahrzeuge, Satelliten im Weltraum mit unterschiedlicher Flughöhe und Umlaufbahn). Größter Vorteil solcher Fernerkundungsdaten ist die Erfassung großer Flächen in kurzer Zeit und das Bereitstellen von homogenen Konstellation des europäischen Satelliten-Navigationssystems Galileo. (Bild:ESA; © 2011 Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)) Daten. Satelliten unterstützen seit langem die Erfassung von Zuständen und Veränderungen auf der Erde. Im besagten Bericht findet sich als bedeutendes Beispiel für die Informationserfassung aus Satelliten- und Luftbildern – hier in Form von Orthophotos – die Luftbildbefliegung der Elbe im Auftrag der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes im Sommer 2002. Das EU-Projekt SAFER dient der Fortentwicklung der bestehenden Möglichkeiten in der Satellitentechnik, unter anderem durch die Verbesserung der automatisierten Bildanalyse (s. Beitrag S. 28 in diesem Heft) Deutschland beteiligt sich mit dem BBK sowohl auf Seiten der Nutzer, als auch mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) auf Seiten der Forschung und Dienstentwickler. Neben der Bedeutung für die Fernerkundung haben Satelliten auch für den Bereich der Navigation eine große Bedeutung. Konsequenterweise ist daher ein Ziel der Raumfahrtstrategie vom November 2010 die Stärkung der deutschen Position bei den beiden EU-Vorhaben GMES (Erdbeobachtung) und GALILEO (Navigation). Neue Wege Ein Vulkan in Island hat 2010 der ganzen Welt gezeigt, welche drastischen Auswirkungen auf die (Luft-)Verkehrsinfrastruktur bestehen und die wechselseitigen Abhängigkeiten deutlich gemacht. Humanitäre Organisationen haben in Haiti schnell erkannt, dass sie ihre Hilfe im Zusammenwirken mit Streitkräften schneller und effizienter einbringen können. Auch hier spielten Geoinformationen eine wichtige Rolle. Luft- und Satellitenbilder aus zivilen und militärischen Quellen kombiniert ermöglichten eine erste Einschätzung des Schadensausmaßes. Nicht nur das. Sie wurden zu einer Grundlage für die weltweit durch Freiwillige arbeitsteilig erstellten vielfältigen Geoinformationsprodukte, wie Schadenskarten, Routenplaner, Befahrbarkeitskarten und so weiter. Für den behördlichen Gebrauch ist allerdings neben der Geschwindigkeit auch die Belastbarkeit von Informationen zu berücksichtigen. Reicht für die Planung eines Familienausfluges ein zehn Jahre altes Satellitenbild aus, so gelten für die Unterlagen zur Vorbereitung und Durchführung einer Großveranstaltung mit mehreren zehntausend Teilnehmern andere Qualitätsansprüche. Amtliche Karten, wie sie beispielsweise das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie herausgibt, sind hier die erste Wahl. Für Deutschland steht eine Vielzahl hochwertiger behördlicher Geoinformationen zur Verfügung, die jedoch nicht alle technischen Möglichkeiten unterstützen (bspw. routing). Es gilt, den eingeschlagenen Weg zu einer gemeinsamen Geodateninfrastruktur von Bund, Ländern und Kommunen konsequent weiterzuverfolgen und die Zugänglichkeit der behördlichen Geoinformationen mit größtmöglicher Benutzerfreundlichkeit zu gewährleisten. 1 2011 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 7 04 s03 Einf_GeoInfo:Layout 1 01.02.2011 15:28 Seite 8 GEOINFORMATIONEN Fazit Geoinformationen im Bevölkerungsschutz sind keine revolutionäre Neuerung. Vielmehr gibt es evolutionäre Prozesse zu beobachten. So eignen sich die vormals (behördenintern genutzten) reinen Fachinformationen zunehmend auch für die Information der Öffentlichkeit. Die Unwetterwarnung, die früher exklusiv an öffentliche Stellen ging, um etwa Kräfte in Bereitschaft zu nehmen, wird heute selbstverständlich über die Medien allen Bürgern zugänglich gemacht. Mitursächlich ist die technische Entwicklung, die in Schlagworten lauten könnte: Vom Papier auf die Medienwand und ins Internet. Insbesondere die Möglichkeit zur Darstellung dynamischer Prozesse hat hier zur weiten Verbreitung beigetragen. Gab es noch vor wenigen Jahren nur ein statisches Bild des aktuellen Zustands, die Momentaufnahme, so lassen sich dank Informationstechnik und intelligenter Algorithmen heute auch mögliche zukünftige Entwicklungen gut und verständlich darstellen. Dabei fließen immer mehr Informationen automatisch in die Modelle und Systeme ein. Wo früher Funksprüche „von Hand“ ausgewertet werden mussten, melden heute Sensoren verzugslos Zustandsveränderungen. Gleichsam revolutionär muten andere Veränderungen an. Behörden tauschen ebenen- und bereichsübergreifend ihre Informationen aus. Ein gemeinsames Lagebild, mindestens jedoch ein rollenbasiertes Lagebild auf einheitlicher Datengrundlage, ist vielerorts schon Realität. Die Einbindung von Satellitentechnik ist im Bereich Navigation etabliert, bei der Erdbeobachtung absehbar. Die größte Umwälzung ist jedoch im Verhältnis von Bürgern und Behörden zu beobachten. Einerseits stellen Behörden immer mehr Erkenntnisse in einer verständlichen und ansprechenden Form – beispielsweise in Web Mapping Services – zur Verfügung. Andererseits liefern Bürger georeferenzierte Informationen an die Behörden. Der Bürger fungiert als Sensor und verbessert damit die Datengrundlage der öffentlichen Verwaltung, die bei Entscheidungen herangezogen werden kann. Ausblick Geodaten, als die Gesamtheit von raum- und zeitbezogenen Informationen (in digitaler Form), 8 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 1 2011 sind integraler Bestandteil des täglichen Lebens. Oder mit den Worten von Innenminister de Maizière am 20.9.10: „Wir benötigen Geodaten für die Lenkung von Verkehrsströmen und das umweltschonende Beackern von Feldern, bei der Klimaauswertung, im Katastrophenschutz, aber auch bei ganz alltäglichen Dingen wie der Urlaubsplanung und Wohnungssuche“. Die behördliche Nutzung von Geoinformationen wird weiter zunehmen. Das bietet Chancen für eine effizientere Verwaltung. Dabei gilt es durch die intelligente Verknüpfung vorhandener Daten die Neuerhebung auf das unerlässliche Maß zu reduzieren. Die EU-Richtlinie zur Schaffung einer Geodateninfrastruktur in der Europäischen Gemeinschaft (INSPIRE – Infrastructure for Spatial Information in Europe) ist hier die geeignete Grundlage. Sie wurde in Deutschland 2009 mit dem Geodatenzugangsgesetz umgesetzt. Intelligente Verfahren für den Austausch von Daten unterschiedlicher Verwaltungsebenen und Geschäftsbereiche sind konsequent fortzuentwickeln. Es sind jedoch nicht nur technische und inhaltliche Standards abzustimmen, sondern im vertrauensvollen Zusammenwirken auch die Möglichkeiten tatsächlich zu erproben und Neues zu entwickeln. Die Belange des Datenschutzes sind dabei genauso zu beachten wie die des Geheimschutzes. Auch wenn bei den für den Bevölkerungsschutz in Frage kommenden Informationen in der Regel kein unmittelbarer Personenbezug erforderlich sein wird, so ist die Abwägung des öffentlichen Interesses gegenüber den Persönlichkeitsrechten bei jedem Datensatz durchzuführen. Was die Datensicherheit angeht, so gilt es sicherzustellen, dass die Daten dauerhaft verfügbar sind, nicht unautorisiert verändert (kompromittiert) werden können und insgesamt nicht für unbefugte Dritte zugänglich sind. Geodaten können helfen die Effizienz der Verwaltung zu steigern. Sie bieten zusammen mit den verfügbaren technischen Möglichkeiten eine gute Grundlage zum Austausch mit dem Bürger. MinDirig Norbert Seitz ist seit dem 11. Januar 2011 im Bundesministerium des Innern Leiter der Abteilung KM (Krisenmanagement und Bevölkerungsschutz) 05 s00 kartierung:Layout 1 01.02.2011 15:21 Seite 9 Geodaten für die Risikoanalyse Susanne Lenz, BBK Die Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz dient dazu, vorausschauend und strukturiert zu ermitteln, mit welchem Schadensausmaß bei Eintritt unterschiedlicher Gefahren für unterschiedliche Schutzgüter (Menschen, Umwelt, lebenswichtige Infrastrukturen u.a.) zu rechnen ist. Auf dieser Grundlage können zielgerichtet wirksame Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung und ihrer Lebensgrundlagen ergriffen werden. Hierzu Karten zur Entscheidungsunterstützung Ein Bild sagt mehr als tausend Worte... Ähnlich verhält es sich mit einer Karte, in der wichtige Informationen und komplexe Sachverhalte übersichtlich und intuitiv verständlich dargestellt sind. Auch das Risikomanagement kann durch Geodaten und damit erzeugte Karten und Informationen wirkungsvoll unterstützt werden, indem beispielsweise dargestellt wird, wo mit welchen Gefahren zu rechnen ist, wo Bereiche mit besonderer Schadensanfälligkeit liegen und wo bei Eintritt unterschiedlicher Gefahren welches Schadensausmaß zu erwarten ist. Mit diesen Informationen kann den Verantwortlichen im Bevölkerungsschutz eine wichtige Grundlage zur Entscheidungsunterstützung sowohl im Risikomanagement als auch in der Notfallplanung und im Krisenmanagement bereitgestellt werden. Der Mehrwert solcher Karten wurde auch auf europäischer Ebene erkannt (1) und in den Leitlinien zur Risikoanalyse und -kartierung für das Katastrophenamangemet niedergelegt, welche die Europäische Kommission unlängst im Zusammenwirken mit den Mitgliedsstaaten erarbeitet hat. Auch die Bundesregierung betont in ihrem Bericht an den Deutschen Bundestag zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz, dass Geodaten in Kombination mit der entsprechenden Analysekompetenz eine unverzichtbare Planungshilfe für einen modernen Bevölkerungsschutz sind (2). Entsprechende Analysen – so der Bericht – machen es möglich, außergewöhnliche Gefahrenlagen und Schadenspotenziale frühzeitig zu identifizieren, Prognosen über das zu erwartende Schadensausmaß bei zählen Schritte zur Gefahrenabwehr und zur Anpassung an sich verändernde Gefahren, zur Reduzierung der Gefährdung und Verwundbarkeit unterschiedlicher Schutzgüter sowie zur Vorbereitung auf die schnelle und nachhaltige Bewältigung möglicher Schadensereignisse durch den flexiblen und effizienten Einsatz vorhandener Ressourcen und Fähigkeiten. Geodaten haben hier eine Schlüsselfunktion. Eintritt unterschiedlicher Gefahren zu erstellen, Handlungserfordernisse zu identifizieren und Handlungsempfehlungen abzuleiten und somit alle Phasen des Risiko- und Krisenmanagementzyklus zu unterstützen. Im BBK wird zu diesem Zweck ein Geografisches Informationssystem (GIS) eingesetzt – das deNIS IIplus Risikotool. Mit ihm sollen bedarfsge- Abb. 1: Einwohner pro Quadratkilometer auf Ebene der Gemeinden. 1 2011 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 9 05 s00 kartierung:Layout 1 01.02.2011 15:21 Seite 10 GEOINFORMATIONEN rechte Informationen und Karten für die gezielte Unterstützung der Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz erzeugt werden. Grundvoraussetzung hierfür ist allerdings die Verfügbarkeit entsprechend aktueller und belastbarer Geodaten zu Gefahren, Schutzgütern, Hilfeleistungspotenzialen und anderen relevanten Informationen. Es ist davon auszugehen, dass ein Großteil der benötigten Geodaten bereits bei unterschiedlichen amtlichen Stellen vorliegt. Die intelligente Verknüpfung der vorhandener Daten soll die Risikoanalyse unterstützen. Hierfür hat das BBK das Abb. 2: Erreichbarkeit von Krankenhäusern. Netzwerk „Risikoanalyse in Bundesbehörden“ initiiert. Es dient der gezielten Einbindung von Expertenwissen und Daten aus unterschiedlichen Disziplinen in den Prozess der Risikoanalyse, um gemeinsam valide und abgestimmte Aussagen zu Risiken in Deutschland zu treffen. In diesem Zusammenhang ist auch das Gesetz über den Zugang zu digitalen Geodaten (Geodatenzugangsgesetz – GeoZG) von besonderer Bedeutung. Dieses Gesetz zur Umsetzung der europäischen INSPIRE-Richtlinie* ist eng 10 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 1 2011 mit den seit 2004 gemeinsam von Bund, Ländern und Kommunen unternommenen Aktivitäten zum Aufbau der Geodateninfrastruktur Deutschland (GDI-DE) verbunden. Geodaten zu Schutzgütern, Gefahren und Hilfeleistungspotenzialen Nachfolgend werden einige Beispiele für unterschiedliche amtliche Geodaten vorgestellt, die durch bedarfsgerechte Kombination wertvolle Informationen zur Unterstützung der Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz liefern können. Eine wesentliche Grundlage sind Informationen zur räumlichen Verteilung von Schutzgütern und deren Schadensanfälligkeit. Das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) bietet hierzu vielfältige Basisdaten (3). Ein Beispiel sind die Verwaltungsgrenzen mit Einwohnerzahlen, aus denen Karten der Einwohnerdichte auf Ebene der Landkreise und Gemeinden abgeleitet werden können (Abb. 1). Ein weiteres Beispiel aus dem umfangreichen Datenangebot des BKG ist das Digitale Landschaftsmodell, das Geodaten aus den Bereichen Siedlung, Verkehr, Vegetation, Gewässer, Relief und Gebiete enthält. Hiermit können beispielsweise Karten von Hauptverkehrswegen, Industrie- und Wohnbauflächen oder Schutzgebieten erstellt werden, die als Hintergrundinformation in die Risikoanalyse einfließen. Im Bereich der Landnutzung können diese Informationen z.B. durch Geodaten aus dem Datensatz „CORINE Land Cover 2000“ des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) ergänzt werden. Ebenfalls von Bedeutung sind Geodaten des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Hierzu zählen beispielsweise die jährlich erscheinenden „Indikatoren und Karten zur Raum- und Stadtentwicklung“ (INKAR) mit vielfältigen soziodemografischen und arbeitsmarktrelevan- * INSPIRE (Infrastructure for Spatial Information in Europe) ist eine Richtlinie der europäischen Kommission zur Schaffung einer Geodateninfrastruktur in der Europäischen Gemeinschaft. Ziel der Richtlinie ist es, qualitativ hochwertige Geodaten aus den Behörden der Mitgliedstaaten unter einheitlichen Bedingungen zur Unterstützung der Formulierung, Umsetzung und Bewertung europäischer und nationaler Politikfelder zugänglich zu machen. 05 s00 kartierung:Layout 1 01.02.2011 15:21 Seite 11 ten Daten auf Ebene der Landkreise und Gemeinden. Für den Bevölkerungsschutz sind hier u.a. Indikatoren zur Altersstruktur (z.B. Anteil der hochbetagten Einwohner und medizinische Versorgung wie Krankenhausbetten je 10.000 Einwohner) von Interesse. Darüber hinaus hat das BBSR ein Erreichbarkeitsmodell entwickelt. Mit diesem Modell kann z.B. die Erreichbarkeit von Krankenhäusern räumlich dargestellt werden (Abb. 2). Hieraus kann auf den medizinischen Versorgungsgrad der Bevölkerung geschlossen werden. In Kombinationen mit ebenfalls vom BBSR erstellten Informationen zu künftigen Entwicklungstrends lassen sich bereits heute Herausforderungen für die Sicherstellung der flächendeckenden Daseinsvorsorge und damit auch für den Bevölkerungsschutz von morgen ableiten. Abb. 3 zeigt eine Karte des BBSR zum Trend der Bevölkerungsentwicklung in Deutschland bis 2020. Hier lässt sich auf einen Blick erkennen, dass für die neuen Bundesländer eine überwiegend rückläufige Bevölkerungsentwicklung, für die alten dagegen eine überwiegend zunehmende bis ausgeglichene Entwicklung zu erwarten ist (4). Die in vielen Regionen erwartete Bevölkerungsabnahme und Alterung in dünn besiedelten ländlichen Räumen wird wahrscheinlich zu Problemen und Herausforderungen bei der Gewährleistung einer angemessenen Versorgung mit und für die Erreichbarkeit von Einrichtungen der sozialen Infrastruktur wie Krankenhäusern oder Bildungsstätten führen. Auch die von den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder herausgegebene Onlinedatenbank „Regionaldatenbank Deutschland“ beinhaltet vielfältige statistische und sozio-demografische Geodaten. Hierzu zählen Ergebnisse der amtlichen Statistik, die teilweise bis auf die räumliche Ebene der Kreise und kreisfreien Städte aufgeschlüsselt sind. Von Interesse für die Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz sind z.B. Daten zum Bevölkerungsstand, zu ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen, zur öffentlichen Wasserversorgung und zum Wohngebäudebestand (5). Eine weitere wichtige Grundlage für die Risikoanalyse ist die Erfassung, Analyse und Darstellung von verschiedenen Gefahrenarten und ihrer räumlichen Verteilung. Hier gilt es, möglichst belastbare Informationen und Karten darüber bereitzustellen, wo und mit welcher Wahrscheinlichkeit mit dem Auftreten welcher gefährlicher Ereignisse in welcher Intensität zu rechnen ist. Hieraus können dann in Kombination mit Informationen zu Schutzgütern Gefährdungskarten abgeleitet werden. Mit Blick auf meteorologische Gefahren sind insbesondere Geodaten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) von Interesse (6). Hierzu zählen Mess- und Projektionsdaten zu unterschiedlichen klimatischen Phänomenen wie Abb. 3: Trend der Bevölkerungsentwicklung bis 2020. Eistage, heiße Tage, Niederschlagsverteilungen usw. Aus den statistisch gemittelten Werten der Vergangenheit lassen sich zwar keine unmittelbaren Schlüsse auf künftig zu erwartende klimatische Entwicklungen ziehen, aber eine Übersicht, welche Ereignisse bereits wo eingetreten sind, kann einen ersten Anhalt für die Planungen im Bevölkerungsschutz geben. In einem gemeinsamen Forschungsvorhaben von DWD und BBK wurden auf Anregung des Netzwerks „Risikoanalyse in Bundesbehörden“ Geodaten zur flächendeckenden Sturmgefährdung in Deutschland eigens für den Zweck der Risikoanalyse erstellt. Da die Windspitzen für extrem lange Wiederkehrzeiten nicht direkt aus den Messdaten entnommen werden können, wurden diese unter 1 2011 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 11 05 s00 kartierung:Layout 1 01.02.2011 15:21 Seite 12 GEOINFORMATIONEN Verwendung wissenschaftlicher Verfahren aus der Extremwertanalyse ermittelt. Grundlage zur Berechnung der Wiederkehrwerte bildeten dabei die gemessenen Tageswindspitzen von 130 Stationen des DWD aus dem Zeitraum 1971 bis 2008. damit auch auf die Versorgung der Bevölkerung. Ob in den als besonders gefährdet identifizierten Gebieten auch das Risiko großer Schäden besonders hoch ist, hängt allerdings von zahlreichen weiteren Faktoren ab, z.B. der Widerstandsfähigkeit und der Schadensanfälligkeit der gefährdeten Schutzgüter. Erst die Kombination der Gefährdung mit den entsprechenden Informationen gibt ein Bild der räumlichen Verteilung des Risikos – d.h. des Schadensausmaßes, mit dem bei Eintritt eines entsprechenden Sturmereignisses zu rechnen ist. Schließlich ist im Rahmen einer ganzheitlichen Analyse auch ein Überblick notwendig, welche Fähigkeiten und Ressourcen zur Bewältigung von Schadenslagen wo zur Verfügung stehen. Geodaten zu Hilfeleistungspotenzialen des Bundes können der Risikoanalyse aus dem Deutschen Notfallvorsorge-Informationssytem (deNIS IIplus) bereitgestellt werden. Hierzu zählen beispielsweise Informationen über spezielle Einsatzkräfte und Gerätschaften. Ausblick Abb. 4: Sturmgefährdung. In Kombination mit weiteren Geodaten können hieraus Sturmgefährdungskarten erstellt und Gebiete identifiziert werden, in denen mit besonders starken Windspitzen zu rechnen ist (Abb. 4). Von Interesse für den Bevölkerungsschutz sind hier z.B. Gefährdungskarten für Hochspannungsleitungen und Bahnstrecken, da Sturmereignisse gravierende direkte Folgen (Schäden) und indirekte Auswirkungen (Stromausfall, Streckensperrungen) auf die Bahninfrastruktur und das Stromnetz haben können und 12 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 1 2011 Die Idee der Darstellung von Schutzgütern, Gefahren und Hilfeleistungspotenzialen in Karten ist nicht neu. Bereits 1975 wurde in der Richtlinie für die Bestandsaufnahme der so genannten Kreisbeschreibung für Zwecke des Zivil- und Katastrophenschutzes mit Blick auf die Planungen von Maßnahmen für den Zivil- und Katastrophenschutz, aber auch des Rettungswesens und Umweltschutzes, festgestellt: „Das wichtigste Informationsmittel ist die Karte.“ (7) Mit der Kreisbeschreibung sollte bereits damals von der geografischen Lage und Struktur des Kreises, über die Zusammensetzung und Verteilung der Bevölkerung bis hin zu Versorgungseinrichtungen und Kulturgütern alles, was mit der Versorgung und dem Schutz der Bevölkerung unmittelbar und mittelbar zusammenhängt, erfasst und möglichst auch in Karten dargestellt werden. Die so gewonnenen Daten dienten zum einen der Bedrohungsbewertung, zum anderen der Abschätzung möglicher Schäden unter Berücksichtigung von Anfälligkeiten, Bewältigungskapazitäten und Schutzmaßnahmen und natürlich insgesamt als Grundlage für die Notfallplanung. Der Einsatz von GIS und Geodaten zur Erfassung und Analyse von Schutzgütern, Gefahren und Risiken ist die zeitge- 05 s00 kartierung:Layout 1 01.02.2011 15:21 Seite 13 mäße Fortführung der damals begonnenen Arbeiten zur Entscheidungsunterstützung für Risikomanagement, Notfallplanung und Krisenmanagement im Bevölkerungsschutz. Ein besonderer Mehrwert besteht darin, dass ein GIS über die reine räumliche Darstellung von Objekten und Sachverhalten auch komplexe Analysen ermöglicht, durch die gänzlich neue Informationen erzeugt werden können. Es gilt nun, die benötigten Geodaten zu Schutzgütern, Gefahren, Hilfeleistungspotenzialen und anderen relevanten Informationen zusammenzuführen, um damit Erkenntnisse zur Unterstützung der Risikoanalyse zu erzeugen. Die Erstellung von belastbaren Risikokarten ist allerdings nicht trivial. Dies hat auch die Europäische Kommission erkannt und empfiehlt daher in Ihren Leitlinien, im ersten Schritt, gesonderte Karten zur räumlichen Verteilung von Gefahren, Schutzgütern und deren Schadensanfälligkeit zu erstellen. Auf dieser Grundlage können dann in einem zweiten Schritt Risikokarten erarbeitet werden, auf denen die räumliche Verteilung des Risikos als Kombination aus Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß für ein bestimmtes Ereignis dargestellt ist. (1) Eine zentrale Herausforderung besteht in diesem Zusammenhang darin, das richtige Maß zwischen pragmatischem Vorgehen auf Grundlage der Erkenntnisse und wissenschaftlichem Anspruch mit Blick auf die Belastbarkeit der Erkenntnisse zu finden. Vielfach wird es notwendig sein, mit Indikatoren zu arbeiten, um bestimmte Sachverhalte im GIS erfassen und darstellen zu können. Grundsätzlich können alle Geodaten, die für die Risikoanalyse im präventiven Bevölkerungsschutz verwendet werden, auch für das Krisenmanagement von Nutzen sein. Denn im Ereignisfall werden im Wesentlichen dieselben Informationen beLiteratur (1) European Commission (2010): Risk Assessment and Mapping Guidelines for Disaster Management. Commission Staff Working Paper. In: SEC(2010) 1626 final of 21.12.2010 (2) Bericht über die Methode zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz: Unterrichtung durch die Bundesregierung. In: Verhandlungen des Deutschen Bundestages: Drucksachen. - (2010), 17/4178 vom 9.12.2010 (3) www.geodatenzentrum.de (4) Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg., 2006): Perspektiven der Raumentwicklung in Deutschland (5) www.regionalstatistik.de (6) Klimaatlas des DWD: www.dwd.de/klimaatlas [Abruf: 12.01.2011]. (7) Bundesamt für Zivilschutz (Hrsg.): Kreisbeschreibung für Zwecke des Zivil- und Katastrophenschutzes, Richtlinie für die Bestandsaufnahme, Bonn 1975 (8) Report of the World Conference on Disaster Reduction Kobe, Hyogo, Japan, 18-22 January 2005. nötigt wie für die Risikoanalyse. Auch die verwendeten Analyseverfahren im GIS sind die Gleichen, nur dass die Annahmen der Risikoanalyse im Ereignisfall durch konkrete Messwerte ersetzt werden. In diesem Beitrag konnten nur einige Beispiele für Geodaten aufgezeigt werden, die für die Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz von Interesse sind. Es sollte jedoch deutlich geworden sein, dass Geodaten eine Schlüsselfunktion für alle Phasen des Risikound Krisenmanagements im Bevölkerungsschutz haben. In diesem Zusammenhang sind nicht nur amtliche Geodaten von Interesse. Für gewerbliche Daten ist allerdings eine sorgfältige Kosten-NutzenAnalyse erforderlich, um den strengen Auflagen des Haushaltsrechtes Rechnung zu tragen. Wichtig ist in jedem Fall, dass die verwendeten Geodaten belastbar und ihre Herkunft nachvollziehbar sind. Es sollte auch selbstverständlich sein, dass alle Karten, die zur Information und Entscheidungsunterstützung erstellt werden, entsprechende Informationen über Herkunft und Aktualität der verwendeten Daten enthalten, ebenso über zugrunde liegende Annahmen und damit verbundene mögliche Unsicherheiten – nach der Devise: „Keine Karte ohne Beipackzettel“. Zu guter Letzt sei noch darauf hingewiesen, dass Karten zu Gefahren und Risiken auch als Grundlage für eine angemessen Risikokommunikation mit der Bevölkerung dienen können, um auch hier ein Risikobewusstsein zu schaffen. Dass Karten wie kein anderes Medium hierfür geeignet sind, haben auch die Vereinten Nationen erkannt. Folgerichtig wurde 2005 im Rahmenaktionsplan der Konferenz der Vereinten Nationen zur Reduzierung von Katastrophen (8) gefordert, die Bevölkerung grundsätzlich durch Risikokarten zu unterrichten. Auch die aktuelle „Strategie für einen modernen Bevölkerungsschutz“ des Bundesministeriums des Innern fordert die Vorbereitung der Bevölkerung auf die neuen Herausforderungen durch eine offensive Risiko- und Krisenkommunikation. Zur Umsetzung dieser Forderungen leistet das BBK mit den Partnern aus dem Netzwerk „Risikoanalyse in Bundesbehörden“ seinen Beitrag. Susanne Lenz ist Mitarbeiterin des Referates „Grundsatzangelegenheiten des Bevölkerungsschutzes, Risikomanagement, Notfallvorsorge“ im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. 1 2011 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 13 06 s14 schweiz:Layout 1 31.01.2011 10:42 Seite 14 GEOINFORMATIONEN Eine Erdbebenrisikokarte für die Schweiz Florian Haslinger, Stefan Wiemer, Schweizerischer Erdbebendienst, ETH Zürich; Dörte Aller, Francesca Bay, Gebäudeversicherung Kanton Zürich; Erik Rüttener, Michael Ewald, PartnerRe, Zürich Erdbeben sind, trotz ihrer relativen Seltenheit, die Naturkatastrophen mit dem größten Schadenspotenzial in der Schweiz. Die seismische Gefährdung, die rein aus seismologischen und geologischen Daten bestimmt wird und beschreibt, mit welcher Wahrscheinlichkeit wo wie starke Erschütterungen auftreten können, genügt allerdings nicht, um die zu erwartenden finanziellen und wirtschaftlichen Verluste aufgrund von Erdbeben beurteilen zu können. Dieses Erdbebenrisiko setzt sich zusammen aus der seismischen Gefährdung, der Beschaffenheit des Untergrunds und der Anzahl und Von der Gefährdung zum Risiko Beschaffenheit der betroffenen Gebäude. Aus diesen Daten kann eine Karte des finanziellen Erdbebenrisikos erstellt werden die zeigt, wo in der Schweiz mit den größten finanziellen Schäden durch Erdbeben gerechnet werden muss. Dieser Beitrag basiert auf der Broschüre „Das Risiko von Erdbebenschäden in der Schweiz“, herausgegeben vom Schweizerischen Erdbebendienst SED und erstellt in Zusammenarbeit mit PartnerRe und der Gebäudeversicherung Kanton Zürich (GVZ). Technische Hochschule) Zürich ca. 800 Beben registriert, von denen etwa zehn stark genug sind, um Die Schweiz ist ein Land mit moderater Erdvon der Bevölkerung verspürt zu werden. Allerdings bebenaktivität. Pro Jahr werden vom Schweizeriist in der Schweiz alle 60-100 Jahre mit stärkeren Beschen Erdbebendienst an der ETH (Eidgenössische ben zu rechnen, die potenziell größere Schäden verursachen können. Eine Wiederholung des Baseler Erdbebens von 1356 mit einer Magnitude Mw 6.6 bzw. einer maximalen Intensität von IXX auf der EMS-98 Skala würde volkswirtschaftliche Schäden in Höhe einiger zig Milliarden Euro nach sich ziehen. Die Erarbeitung von so genannten Erdbeben-Gefährdungskarten (seismic hazard maps), auf denen die Wahrscheinlichkeit abgebildet wird, mit der innerhalb eines gewisAbb. 1: Erdbeben in der Schweiz. Instrumentell aufgezeichnete Beben 1975-2002 und historisch belegte Schadensbeben seit dem 13. Jahrhundert. sen Zeitraums mit Er- 14 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 1 2011 06 s14 schweiz:Layout 1 31.01.2011 10:42 Seite 15 grund der dichten Besiedelung und der hohen Wertekonzentration bei gleichzeitig relativ großer Verletzbarkeit trotz der moderaten Erdbebengefährdung ein vergleichsweise hohes Erdbebenrisiko. Seismische Gefährdung Die seismische Gefährdung beschreibt, wo in der Schweiz wie oft mit wie starken ErdAbb. 2: Erdbebengefährdung der Schweiz. Rot – hohe Gefährdung, Blau/Grün – moderate Gefährdung. beben zu rechnen ist. schütterungen einer bestimmten Stärke zu rechnen Grundlage für die Berechnung der Gefährdung ist ist, ist mittlerweile wissenschaftlich gut abgesider Katalog seismischer Ereignisse der Vergangenchert und weit verbreitet. Die darauf aufbauende Ab- heit, aus dem statistische Parameter bestimmt werschätzung des mit diesen Erschütterungen verbunden, welche die Erwartung zukünftiger Erschüttedenen Risikos ist in der Regel nicht so leicht zugäng- rung beschreiben (probabilistic seismic hazard analich. In den letzten Jahren wurde von dem Rückver- lysis PSHA). In der gezeigten Karte (Abb. 2) ist die ersicherungs-Konzern PartnerRe in Zusammenarbeit wartete horizontale Bodenbeschleunigung bei eimit der Gebäudeversicherung Kanton Zürich und ner Schwingfrequenz von 5Hz für eine Wiederkehrdem SED eine Karte erarbeitet, die das finanzielle periode von 475 Jahren dargestellt. Erdbebenrisiko für die Schweiz darstellt. Um das Risiko durch Erdbeben (in diesem Fall die möglichen finanziellen Schäden) abschätzen zu können werden neben den Daten zur seismischen Gefährdung noch Daten zu lokalen Verstärkungsfaktoren der Erschütterung, Siedlungsdichte (Werteverteilung), und Verletzbarkeit der betrachteten Werte benötigt, die von unterschiedlichen Quellen stammen können. Abb.3: Karte der Verstärkungswirkung des lokalen Untergrundes. Besonders gefährdete Gebiete sind Für die Schweiz rot gekennzeichnet. Für grau markierte Gebiete (i.d.R. Felsboden in Bergregionen) ist die Datenbasis ungenügend, dort wird keine Verstärkung angenommen. resultiert daraus auf- 1 2011 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 15 06 s14 schweiz:Layout 1 31.01.2011 10:42 Seite 16 GEOINFORMATIONEN Die Schweiz weist im europäischen Vergleich eine mittlere Erdbebengefährdung auf. Das heißt, auch in der Schweiz können starke Erdbeben auftreten, sie sind jedoch selten. Allerdings ist die Erdbebengefährdung nicht überall gleich groß. Am stärksten gefährdet ist das Wallis, gefolgt von Basel, Graubünden und dem Alpennordrand. Regionen ganz ohne Erdbebengefährdung gibt es in der Schweiz nicht. Beschaffenheit des Untergrundes In der Gefährdungskarte werden Erschütterungswerte für einen harten felsigen Untergrund betrachtet, wie man ihn z.B. direkt auf anstehendem ist daher eine genaue Kenntnis des lokalen Untergrunds von großer Bedeutung. In diesem Projekt wurde direkt die Verstärkungswirkung des Untergrundes kartiert, abgeleitet aus Intensitäts-Datenpunkten und verallgemeinert mit Hilfe der geologischen Karte der Schweiz. Betroffene Werte Um das finanzielle Erdbebenrisiko einer Region zu berechnen muss die Verteilung der gefährdeten Werte berücksichtigt werden. Der hier gewählte Ansatz stützt sich dafür auf die Besiedlungsdichte. Je mehr Menschen in einem Gebiet leben, desto mehr Sachwerte und Gebäude sind vorhanden, und mit dieser Wertkonzentration steigt auch das Schadensrisiko. GISbasierte Informationen zur Siedlungsdichte und Bevölkerungsverteilung lassen sich relativ einfach weiterverarbeiten und können dem gewählten Rechenmodell entsprechend parametrisiert werden. Verletzbarkeit der Gebäude Nicht jedes Gebäude wird von ErschütAbb. 4: Verteilung der Siedlungen in der Schweiz. (Karten: SED) terungen gleichermaßen geschädigt, entscheiGestein im Bergland findet. Die Wirkung von Erddend wird das Schadensrisiko auch durch die Baubebenwellen ist jedoch auf weichem Untergrund, weise mitbestimmt. Ein nicht erdbebensicher gewie man ihn in sedimentgefüllten Tälern oder Ebe- bautes Haus kann bereits bei einem mittelstarken Beben einstürzen, während ein besser konstruiernen findet, weitaus gefährlicher für Gebäude und Infrastrukturen, da dort die Schwingungen extrem tes Gebäude einem viel stärkeren Erdbeben standhält. Stahlbetonbauten halten einem stärkeren Beverstärkt werden können. Insbesondere Flusstäler und Seeufer werden wegen ihres weichen Untergrun- ben stand und haben deshalb eine niedrige Verletzdes bis zu 10-mal stärker erschüttert als ein felsiger barkeit. Gebäude aus Mauerwerk, wie sie in der Standort. Vergleichen lässt sich weicher Untergrund Schweiz weit verbreitet sind, sind jedoch anfälliger. mit einem Pudding: Ein leichter Stoß genügt, und Konkrete Daten zur Verletzbarkeit einzelner schon wackelt er für ein paar Sekunden. Für eine Ab- Gebäude sind in der Regel nicht vorhanden und könschätzung der Schadenswirkung eines Erdbebens nen meist auch nicht mit vernünftigem Aufwand 16 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 1 2011 06 s14 schweiz:Layout 1 31.01.2011 10:42 Seite 17 für ein ganzes Land erhoben werden. Üblicherweise werden daher standardisierte Werte für die Verletzbarkeit von Gebäudeklassen, zusammen mit einer Verteilung der Gebäudeklassen in den besiedelten Gebieten, angenommen. Erdbeben und Schadensrisiko mehreren möglichen Resultaten, und sollte nur qualitativ interpretiert werden. Speziell Daten zur Verteilung betroffener Werte und deren Verletzbarkeit können sich mit der Zeit stark ändern und die Annahmen zur Verteilung von Gebäudeklassen in den Siedlungsräumen sind mit großen Unsicherheiten behaftet. Hier ist es wichtig, dass die verschiedenen Datengrundlagen, die in derartige Karten einfließen, gut dokumentiert sind und zusammen mit den Karten veröffentlicht werden. Bei allen Vorbehalten sind Risikokarten dennoch ein wertvolles Planungsinstrument, zum einen für politische Entscheidungsträger (z.B. Kosten/ Nutzen von Investitionen in der Verstärkung der Das gesamte Schadensrisiko aufgrund von Erdbeben berechnet sich aus der Verknüpfung der Gefährdung, des lokalen Untergrundes, der betroffenen Werte und deren Verletzbarkeit. Zuletzt entsteht so eine Karte der Verteilung des finanziellen Erdbebenrisikos. In der hier gezeigten Karte (Abb. 5) wird die innerhalb von 500 Jahren einmal zu erwartende Schadenshöhe dargestellt. In den rot gekennzeichneten Gebieten muss am meisten Geld für die Bewältigung von Erdbebenschäden ausgegeben werden, in den grünen Gebieten sind die finanziellen Schäden am kleinsten. Ein interessantes, aber kaum überraschendes Resultat dieser Kartierung ist, dass RegioAbb. 5: Die Verteilung des finanziellen Erdbebenrisikos in der Schweiz. nen, deren seismische Gefährdung nicht besonders hoch ist, durch die Erdbebensicherheit oder Prävention), zum anderen auch für Versicherungen bei der Beurteilung jeKonzentration von Werten doch ein hohes Erdbebenrisiko aufweisen können. weiliger Portfolios. In Zukunft wird speziell die verbesserte DaDie in diesem Projekt entwickelte Karte ist als „proof of concept“ für die Schweiz zu verstehen. In tenerhebung zur Werteverteilung und Verletzbareinem nächsten Schritt müssten die verwendeten keit eine große Rolle spielen und gerade dabei Eingangsdaten verfeinert werden sowie die verschie- können neue Wege der geografischen Datenverardenen Quellen von Unsicherheiten in die Modellie- beitung (interaktive Eingabe, crowd-sourcing, Darung einfließen. tenvalidierung, Bildverarbeitung) einen entscheidenden Beitrag leisten. Ausblick Die hier vorgestellte Bewertung bzw. Kartierung des Erdbebenrisikos ist sicher nur eines von 1 2011 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 17 07 s18 osm:Layout 1 31.01.2011 10:50 Seite 18 GEOINFORMATIONEN O penS treetM ap Nutzung des freien OSM-Projektes – nicht nur im Katastrophenfall Robert Soden (Humanitarian OpenStreetMap Team), Nick Doiron und Matthias Meißer (beide OpenStreetMap) Die Erhebung von Geodaten ist ein sehr aufwendiges Unterfangen. Was liegt also näher, als diejenigen mit dieser Aufgabe zu betrauen, die vor Ort sind und ihre Nachbarschaft somit am besten kennen? Diesen Ansatz verfolgen Projekte der „Volunteered Geographic Information“ (VGI), wie etwa OpenStreetMap, das 2004 von Steve Coast in Großbritannien gegründet wurde. Er benötigte damals Geodaten, deren Nutzung Wikipedia der Geo-Branche Dass ein so komplexer Vorgang wie das Vermessen einer Straße von Laien durchgeführt werden kann, mag zunächst verwundern. Dank moderner Technik, wie GPS und Internetverbindungen, ist das jedoch durchaus möglich, wenn auch in einer Qualität, die sicherlich nicht jeder professionellen Anforderung genügt. Denn moderne GPS Empfänger haben immer noch eine Ungenauigkeit von 5-10 Metern und es wird auch niemand daran gehindert, Objekte lediglich nach bestem Wissen zu platzieren. Für Karten etwa ist durch die hohen Maßstäbe eine derartige Ungenauigkeit durchaus tolerierbar. Navigationsgeräte sind außerdem in der Lage, die Ungenauigkeiten zu berücksichtigen und somit die richtige Straße zu erkennen. Das Projekt selbst begegnet diesem Problem, indem es alle bestehenden GPS-Aufzeichnungen zum Download freigibt. Durch Mittelwertbildung einer geografischen Position, z.B. einer Straße, kann dann eine höhere Genauigkeiten erzielt werden. Wie bei den meisten Web 2.0 Projekten erfolgt eine permanente Kontrolle der Inhalte durch die Gemeinschaft (Schwarm-Intelligenz), sodass das beliebige Einbringen von (Falsch-) Informationen zuverlässig unterbunden wird. 18 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 1 2011 er nicht finanzieren konnte. Er begann alleine in einer Stadt in England und seither ist das Projekt stetig gewachsen, so dass heute über 100.000 so genannte Mapper rund um den Globus aktiv sind. Die Ergebnisse ihrer Arbeit stehen unter einer freien Lizenz, die als Voraussetzung zur freien Datennutzung lediglich die Namensnennung und die freie Weitergabe der Daten erfordert. Denn abgelegt werden sollen eigentlich nur relevante Informationen, die in der Realität auch existieren. Während der Aufzeichnung der aktuellen Position als GPS-Spur (engl. Track) werden natürlich auch zusätzliche Objekte und Einrichtungen, wie Briefkästen oder Feuerwehren, als separate Punkte erfasst. Dabei können die Mitglieder auf Zettel und Stift oder auch auf Digitalkamera oder Diktiergerät zurückgreifen, um weitere Informationen zu sammeln. Später können diese Spuren am PC „abgepaust“ werden. Mehr als nur Geometrien Neben der geografischen Lage sind auch die Eigenschaften der erfassten Objekte von Interesse, da sie wesentlich für die weitere Auswertung der Daten sind. Dem Detaillierungsgrad sind dabei keine Grenzen gesetzt, denn das Datenschema des Projektes ist offen gestaltet. Es basiert auf den drei Objekt-Typen node, way und relation, denen beliebige Attribute zugeordnet werden können. Einzelne Geoobjekte (points of interest), z.B. Restaurants und Denkmäler, können dabei als einfache Punkte mo- 07 s18 osm:Layout 1 31.01.2011 10:50 Seite 19 delliert werden. Straßen, Wege und Hausumrisse che Spezialkarten herausgebildet, etwa die Reitsind hingegen dem Objekttyp ways zugeordnet, der und Wanderkarte, die Radkarte oder eine Karte, die seinerseits aus einer Abdas deutsche Stromnetz abbildet. Eine eigene Karte folge von einzelnen noist zwar immer noch nicht mit einem einzigen Klick des besteht. Wenn der zu erstellen, aber mit Hilfe der Community und den Benutzer nun darüber um das Projekt herum gewachsenen freien Softhinaus ausdrücken ware-Tools ist es mit geringem Zeitaufwand und möchte, dass es sich um kostenlosen Werkzeugen machbar. den Hausumriss eines Restaurants handelt, ergänzt er die Attribute Mehr als nur Karten OSM-Logo. building mit yes und amenity mit restaurant. Diese SchlüsWährend klassische Karten-Portale im Intersel/Wert-Paare (key, value → tag) ergeben sich aus net lediglich die grafische Repräsentation der Daeinem Konsens mit anderen Teilnehmern und wer- ten liefern, ermöglicht OpenStreetMap eine weitden beispielsweise auf der Map-Features Liste geaus universellere Nutzung. So haben verschiedene sammelt. Dass dabei kein Wildwuchs entsteht, ist Gruppen damit begonnen, die Kartendaten zur der Tatsache geschuldet, dass nicht jeder Vorschlag Wegplanung (routing) für bestehende Navigationsauch auf breite Unterstützung trifft und dann weder Einzug in die Objekt-Vorlagen der Editoren findet, noch von den Karten-Erstellern (renderer) berücksichtigt wird. Denn Ziel und indirekte Belohnung eines jeden Mappers ist, dass seine Arbeit auf den Karten der freien Weltkarte erscheint. Daher kommt es zu einer Art Kreislauf der Selbst-Regulierung, wobei nur verbreitete Objekt-Typen auch visualisiert werden und Objekte, die auch auf Karten zu finden sind, von den Aktivisten bevorzugt erfasst werden. Der JOSM Editor stellt ein einfaches GIS Tool da, mit dem auch Luftbilder abdigitalisiert werden können, hier Luftbilder der Stadt Radolfzell. Mittlerweile hat ((c) Matthias Meißer, CC-BY-SA Lizenz) sich ein beachtlicher Objekt-Katalog herausgebildet, der permanent erweitert und konsolidiert geräte nutzbar zu machen oder eigene Navigations-Software zu erstellen. Hier erschließt der hohe wird. Das beginnt bei der Europastraße und endet Detaillierungsgrad neue Möglichkeiten, wie etwa beim Streugut-Container oder der Parkbank. Da Fahrrad-Routing, was bei kommerziellen Alternatidie verschiedenen Typen unmöglich auf einer einven bisher häufig vernachlässigt wurde. Aber auch zigen Karte unterzubringen sind, haben sich etli- 1 2011 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 19 07 s18 osm:Layout 1 31.01.2011 10:50 Seite 20 GEOINFORMATIONEN 12.01.2010 13.01.2010 In Haiti ist seit dem Erdbeben Erstaunliches geleistet worden. Möglich machten das vor allem sehr gute Satellitenbilder von Digital Globe und Goeye. ((c) OpenStreetMap, CC-BY-SA Lizenz, Animation durch Geofabrik GmbH) völlig neue Profile, wie etwa Wegfindung für Rollstuhl-Fahrer, sind nun möglich. Ein solch flexibler Router wurde an der Universität Heidelberg entwickelt und steht der Allgemeinheit seit etwa zwei Jahren zu Verfügung. Die modulare Lösung wurde extra für die Unterstützung der Rettungsmaßnahmen nach dem Erdbeben 2010 auf Haiti erweitert, gerade auch die Erreichbarkeits-Analyse ist ein weiteres interessantes Feature des Portals. Das Team rund um Prof. Zipf entwickelte zuvor einen Dienst, der OSM-Daten zusammen mit freien Höhendaten darstellt und auch dort natürlich Wege berechnen kann. Die Erfahrungen seit 2008 belegen, dass OSM trotz des offenen Konzeptes sehr wohl in der Lage ist, professionelle Anwendungen zu bedienen; niedrige Fehlerraten im einstelligen Prozentbereich belegen dies. Die Daten können natürlich auch so aufbereitet werden, dass sie offline auf mobilen Endgeräten nutzbar sind. Beispielhaft sei hier die Software NAVIT genannt, die für eine Vielzahl von Plattformen verfügbar ist. Ihre Erweiterbarkeit und der offene Code haben unter anderem dazu beigetragen, dass die Software auch bei der Brandenburger Polizei eingesetzt wird, hier allerdings mit amtlichen Daten. Auch kommerzielle Angebote nutzen mittlerweile den Datenbestand, wie etwa die Firma Skobbler, die eine Navigationslösung für PKWs anbietet und dabei auf Spezialfälle wie Abbiege-Beschränkungen reagiert und das Feedback der Nutzer direkt an OSM zurückliefert. So profitiert auch das 20 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 1 2011 Projekt und der Datenbestand kann um bis dahin nicht erkannte Fehler bereinigt werden. Die größte Verbreitung haben OSM-Karten in Verbindung mit Outdoor-Navigationsgeräten gefunden. Da viele Geräte OSM-Daten passgerecht umwandeln können, kommen auch deren Endanwender in den Genuss des hohen Detaillierungsgrades des alternativen Kartenmaterials. So lässt sich problemlos das nächste Restaurant finden und der Weg dorthin berechnen. Auch andere Dienste wie Kataloge à la „Gelbe Seiten“ oder ähnliche Führer lassen sich realisieren, was etwa www.openstreetbrowser.org sehr eindrucksvoll demonstriert. Hier werden die Informationen für Suchvorgänge und die Sortierung in Kategorien aufgearbeitet und Details zu den Objekten, wie Öffnungszeiten oder Adressen, interaktiv präsentiert. Dass dies auch für Nischenthemen sehr nützlich ist, zeigt die Karte www.wheelmap.org, die die Zugänglichkeit für Rollstuhl-Fahrer anzeigt und sogar einstellen lässt. Natürlich sind gerade im akademischen Umfeld noch wesentlich mehr Nutzungsmöglichkeiten vorstellbar. Die Szenerien des MS Flugsimulators werden durch OSM-Daten ebenso erweitert wie autonome Roboter der „Robocup Rescue Simulation League“, die an den Daten die Bergung von Verschütteten trainieren. Mittels der Anwendung eWorld können außerdem Verkehrsanalysen bereits jetzt auf Grundlage von OSM-Daten durchgeführt werden. 07 s18 osm:Layout 1 31.01.2011 10:50 Seite 21 15.01.2010 Mehr als nur GPS-Tracks Schon länger nutzt das Projekt nicht nur erfasste GPS-Spuren, sondern auch Luftbilder, um größere Bereiche abzudecken. Da das Deuten von Luftbildern gerade bei geringer Auflösung (z.B. frei verfügbare Landsat-Bilder) sehr anspruchsvoll ist, nutzt OSM für gewöhnlich höher auflösendes Material, das bis zu 5 cm je Pixel abdeckt. Die Luftbilder können in die Editoren des Projektes per Web Map Service (WMS) als Hintergrund eingeblendet werden. Wegweisend war hier der Vorstoß der Firmen Yahoo und zuletzt Microsoft, die die Luftbilder des Portals Bing Maps für OpenStreetMap zu Verfügung stellen. Hier muss jedoch die geringere Auflösung und das Alter der Aufnahmen berücksichtigt werden. Wesentlich mehr Details können aus dem gespendeten Material der Ämter Lauf, Witten oder Radolfzell durch das Projekt entnommen werden. Allerdings haben externe Personen einfachere Möglichkeiten, Informationen in OSM einzupflegen: die Portale OpenStreetBugs und WalkingPapers. Hier kann der ambitionierte Neuling Fehler und Ergänzungen entweder per Marker auf der Karte eintragen oder den Kartenausschnitt ausdrucken, manuell ergänzen und dann wieder hochladen. Humanitarian OpenStreetMap Team Die Nutzung von Luftbildern zeigt sehr deutlich, dass die Bearbeitung nicht zwingend vor Ort 20.01.2010 erfolgen muss. So dauerte es nicht lange, bis erste Mapper die Möglichkeit erkannten, aktiv die humanitäre Hilfe in Krisengebieten zu unterstützen, woraus Ende des Jahres 2009 das Humanitarian OpenStreetMap Team (H.O.T.) entstand. Dessen Aufgaben liegen in der Koordinierung der interessierten CrisisMapper untereinander und der Kommunikation mit den zuständigen Behörden und Daten-Lieferanten. Einen ersten Versuch unternahm das H.O.T. beim Mappen des Gaza Streifens, wobei sich bereits etliche Hürden bei der humanitären Arbeit herauskristallisierten. 2010 zeigte sich die bemerkenswerte Leistungsfähigkeit der Community nach dem Erdbeben in Haiti. Binnen kürzester Zeit wurden die Areale um Port-Au Prince erfasst, eingestürzte Gebäude und beschädigte Straßen markiert und damit explizit beim Routing berücksichtigt. Genauso dynamisch konnte die Gründung von Flüchtlingscamps dank der hochauflösenden Bild-Spenden registriert werden. Die Vorteile des offenen Datenschemas waren hier offensichtlich, es konnte sowohl das bestehende Schema aufgegriffen werden, als auch eigene Objekte und Eigenschaften für die humanitären Aspekte neu aufgenommen werden. Durch die bisherigen Erfahrungen sind auch die Probleme bei der internationalen Zusammenarbeit mit verschiedenen humanitären Institutionen, aber auch mit der eigenen Community, zutage getreten. Das Team konzentriert sich dabei nach wie vor auf die Vernetzung von Mitarbeitern, Datenlieferanten und Helfern vor Ort sowie die Bündelung 1 2011 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 21 07 s18 osm:Layout 1 31.01.2011 10:50 Seite 22 GEOINFORMATIONEN aller notwendigen Informationen bezüglich eines Einsatzgebietes. Dieses Vorgehen bewährte sich bei Katastrophen wie der Flut in Pakistan oder dem Erdbeben in Chile, wo bereits ein wesentlich strukturierteres Vorgehen möglich war. Auch konnten erste Teammitglieder z.B. nach Haiti reisen, um die dortigen Kräfte zu schulen. Den humanitären Helfern vor Ort können die Daten teilweise stündlich aktualisiert für verschiedene Plattformen angeboten werden, von der einfachen Wandkarte über Daten für Navigationsgeräte bis hin zum Datensatz für die eigenen GIS-Tools. Ein Service, der der schieren Manpower des freien Projektes zu verdanken daten vor. Hier kann OpenStreetMap aufgrund der geringen technischen Anforderungen und des einfachen Konzeptes Abhilfe schaffen; Beispiel hierfür ist das Projekt www.mapkiberia.org, das einen der größten afrikanischen Slums nahe Nairobi erfasst. Es gibt natürlich auch außerhalb des OSMProjektes Aktivitäten, um mit Hilfe des „GraswurzelAnsatzes“ (grassroot effort) Geoinformationen in Krisengebieten zu sammeln oder Organisationen mit Open-Source-Tools zu unterstützen. Am ähnlichsten ist sicherlich das Team um CrisisCommons. Hier werden dank Spenden Techniken erarbeitet und Daten zusammengetragen, die die Arbeit vor Ort organisatorisch unterstützen sollen. Einen etwas anderen Ansatz nutzt das Projekt Ushahidi, das Werkzeuge anbietet, um Meldungen über Unglücke durch Mitarbeiter zu sammeln und zu verorten. Dabei werden auch Dienste wie SMS oder E-Mail unterstützt. Aber auch die etablierteren Organisationen haben die Zeichen der Zeit erkannt; so versuchen die UN mit Global Pulse und die Weltbank mit Random Hacks of Kindness, die humanitäre Arbeit mittels neuer Medien und verbesserter Werkzeuge zu unterstützen. Nutzung durch Behörden Schulung der Helfer vor Ort ist ein wichtiger Auftrag des H.O.T. ((c) Todd Huffman, Creative Commons Lizenz) ist. Um dieses Potenzial besser zusammen mit den Organisationen zu nutzen, ist geplant, das Team noch weiter zu professionalisieren und eine eigene Non-Profit-Organisation aufzustellen. So ist es vielleicht auch möglich, mit Hilfe von Spenden einige der bisherigen Freiwilligen des H.O.T. als VollzeitKräfte anzustellen und besseres Bildmaterial zu akquirieren. Das Team kümmert sich natürlich nicht nur um Krisengebiete. Da sich kommerzielle Anbieter von Geodaten bei der Datenerhebung auf Areale beschränken, deren Vermarktung wirtschaftlich erscheint, liegen für viele Gegenden bisher kaum Geo- 22 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 1 2011 OpenStreetMap wird bereits von einer Vielzahl von Behörden in Deutschland genutzt. Ein wesentlicher Durchbruch war dabei sicherlich die Einbindung der Karte im Schadstofffreisetzungs- und -verbringungsregister des Umwelt-Bundesamtes (PRTR – Pollutant Release and Transfer Register). Um die hohe Last der Anfragen zu bewältigen, wurde dafür ein eigener Kartenserver aufgesetzt, der mit mehreren Rechnern im Verbund (Cluster) arbeitet. Dank der freien Lizenz gelang dies ohne rechtliche Probleme. Auch die Deutsche Flugsicherheit nutzt mittlerweile OSM-Karten als Hintergrundkarte für den hauseigenen Webclient und die Wasserwacht georeferenziert die Artikel des eigenen Webauftrittes auf der Karte. Genauso nutzt das Landkreisportal Mittelsachsen-Atlas.de sowie das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie im Breitbandatlas das Projekt als Hintergrundkarte. Ein Beispiel über die gelungene Zusammenarbeit von OSM mit Behörden ist das LVG (Landesamt für Vermessung und Geoinformation) Bayern, 07 s18 osm:Layout 1 31.01.2011 10:50 Seite 23 das im Dezember 2008 zahlreiche Luftbilder zur Verfügung gestellt hat. Innerhalb von 3 Monaten konnten 600 Freiwillige in ganz Bayern insbesondere Straßen und Gewässer-Verläufe sowie Gebäudeumrisse aus dem Material extrahieren. Neben etlichen Kommunen, die das Projekt mit Daten und Luftbildern unterstützen, hat auch die Bundesanstalt für Straßenwesen Daten für den Traffic Message Channel (TMC) freigegeben. Nun können den Objekten in der OSM-Datenbank die TMC-Identifikationsnummern hinzugefügt werden, damit zukünftig Warnmeldungen den jeweiligen Straßensegmenten zugeordnet werden können. Wer sich für das Thema freie Geodaten interessiert und noch weitere Fragen dazu hat, dem seien die lokalen Gruppen und Stammtische des Projektes empfohlen. In ungezwungener Atmosphäre werden gemeinsame Aktionen geplant und Aufgaben verteilt. Denn die lokale Aktivität ist es ja gerade, die das Projekte vorantreibt. Wer dagegen noch mehr Fakten wünscht und sich nicht in den Webseiten des Projektes zurecht findet, dem sei das Buch „OpenStreetMap – Die freie Weltkarte nutzen und gestalten“ von Frederik Ramm und Jochen Topf empfohlen, das auch in englischer Sprache verfügbar ist. OSM im Netz • Übersicht von Anwendungsbeispielen: http://wiki.openstreetmap.org/wiki/DE:OSM-Anwendungen • Übersicht Qualitätssicherung: http://wiki.openstreetmap.org/wiki/QA • Übersicht über Export Formate: http://wiki.openstreetmap.org/wiki/Export • Seite für Einsteiger: http://wiki.openstreetmap.org/wiki/DE:Beginners_Guide • Humanitarian OSM Team: http://wiki.openstreetmap.org/wiki/HOT OSM vor Ort Die Verfügbarkeit von Informationen in OSM schwankt je nach Ort. Ein Vergleich mit anderen Datenquellen gestaltet sich teilweise schwierig, schon weil die Definition einer Vollständigkeit der Daten immer ein konkretes Szenario voraussetzt. So ist die Datenlage z.B. bei Straßen oder Hausnummern stark unterschiedlich. Die Abdeckung des Projektes ist erfahrungsgemäß im ländlichen Raum geringer, da sich hier weniger Leute für OSM begeistern lassen. Eine Auswertung des Fraunhofer-IAIS (Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme) ergab, dass die Abdeckung des Straßennetzes in Städten, verglichen mit kommerziellen Alternativen, etwa 80-90% beträgt. Im ländlichen Raum liegt sie allerdings nur bei 50-60%. Neben dem unterschiedlichen Umfang der reinen geografischen Daten gibt es auch Differenzen im Umfang der vergebenen Attribute. Im ländlichen Raum kann OSM hier jedoch mit hoch aufgelösten Fahrrad- und Wanderwegen punkten. Diese Ergebnisse werden ebenfalls durch die Untersuchungen der Universität Osnabrück unterstrichen, die die Daten mit den amtlichen Katastern verglich. Ausblick Anhand dieses Artikels wurde deutlich, dass das Projekt in den vergangenen Jahren bereits enorme Arbeit geleistet hat, aber auch, dass noch viel zu tun ist. Eine Karte muss immer an die Realität angepasst werden, ein Unterfangen, das OSM vielleicht mit einer noch breiter werdenden Benutzerbasis einfacher fallen könnte als anderen DatenAnbietern. Das Projekt rückt immer weiter ins Blickfeld des professionellen GIS-Bereiches, was der kommende Lizenzwechsel zur ODbL (Open Database License) sicherlich noch verstärken wird. CrisisMapping im Bereich humanitärer Einsätze macht deutlich, dass das Projekt hervorragende personelle und technische Ressourcen bereitstellt, welche die Arbeitsabläufe zukünftig bereichern könnten. Das umfasst nicht nur den Katastrophenfall im Ausland, sondern gerne auch den Alltag der Helfer daheim, denn schließlich gibt es auch dort Fremde, die sich orientieren müssen. Robert Soden ist langjähriger GIS Entwickler und Mitglied des Humanitarian OpenStreetMap Teams. Aufgrund seiner intensiven Arbeit für das Projekt war er bereits mehrmals auf Haiti, um die Arbeiten der Regierung zu unterstützen. Nick Doiron studiert an der Carnegie Mellon Universität in Pittsburgh. Er beteiligt sich freiwillig bei OSM sowie auf einigen CrisisCamps. Außerdem entwickelt er Anwendungen für Ushahidi und One Laptop Per Child. Matthias Meißer studiert Informatik an der Universität Rostock und ist seit 3 Jahren im OpenStreetMap-Projekt aktiv, für das er sich im Raum Mecklenburg-Vorpommern insbesondere um die Öffentlichkeitsarbeit kümmert. 1 2011 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 23 08 s24 web2:Layout 1 31.01.2011 11:05 Seite 24 GEOINFORMATIONEN Web 2.0: Neue Perspektiven für den Bevölkerungsschutz? Verena Blank-Gorki, BBK und Prof. Dr. Harald Karutz, Steinbeis-Hochschule, Berlin Die Bedeutung des Internets hat in den vergangenen zwanzig Jahren nicht nur im alltäglichen Leben, sondern auch im Bevölkerungsschutz erheblich zugenommen. „Klassische“ Funktionen des World Wide Web (WWW), wie das Einrichten und Pflegen von Homepages, die Nutzung von Suchmaschinen sowie das Versenden von Emails, sind längst zum Standard geworden. Aktuell wird diskutiert, inwiefern auch das so genannte „Web Allgemeine Informationen zum „Web 2.0“ Der Begriff „Web 2.0“ wurde erstmals im Jahre 2003 verwendet. In Anlehnung an Versionsnummern von Softwareprodukten soll mit ihm verdeutlicht werden, dass es sich um eine erhebliche Weiterentwicklung der ersten Internetgeneration handelt. Im Vordergrund steht nunmehr die Verbreitung „sozialer“ Medien. Dadurch ist das WWW zu einer hoch dynamischen, interaktiven Plattform geworden, an deren Weiterentwicklung sich jedermann zu jeder Zeit selbst beteiligen kann. Statistische Angaben zur Nutzung des „Mitmachinternet“ (Pannen 2010) sind beeindruckend. Von den 49 Millionen Menschen in Deutschland, die überhaupt „online“ sind, greift beispielsweise mehr als die Hälfte auch auf soziale Medien zurück. 60 % der User besuchen regelmäßig Videoportale, etwa 40 % sind in sozialen Netzwerken aktiv (ARD/ZDFOnlinestudie 2010). Allein das soziale Netzwerk „Facebook“ hat in Deutschland derzeit fast 14 Millionen Mitglieder (www.facebookmarketing.de). Aktuell sind die meisten „User“ des Web 2.0 unter 40 Jahre alt (ARD/ZDF-Onlinestudie 2010). Bedingt durch die demografische Entwicklung wird sich dies in den kommenden Jahren sicherlich noch ändern. Gleichwohl scheint zumindest die Intensität des Engagements im Web 2.0 eng mit dem Freizeit- bzw. Zeitbudget verbunden zu sein. Heranwachsende im Alter zwischen 14 und 19 Jahren sind 24 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 1 2011 2.0“ für die Bewältigung von Katastrophen und Krisensituationen relevant sein kann. Sowohl nach dem Erdbeben in Haiti als auch nach dem Loveparade-Unglück im vergangenen Jahr wurden beispielsweise Blogs, soziale Netzwerke und Videoplattformen bereits intensiv genutzt. Die einzelnen Chancen und Risiken, die mit diesen Medien im Bevölkerungsschutz verbunden sind, werden im folgenden Beitrag dargestellt. in sozialen Medien jedenfalls besonders aktiv (Schrape 2010). Warum sich das Web 2.0 bei Teilen der Bevölkerung einer derart großen Beliebtheit erfreut, lässt sich nicht pauschal feststellen. Soziale Medien befriedigen offenbar nicht nur das Bedürfnis nach Kontakt und Zugehörigkeit, sondern auch eine regelrechte Kommunikationslust. Als weitere Motive Soziale Netzwerke erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. (Grafiken: Gerd Altmann/pixelio) kommen die Gewinnung bzw. der Austausch von Informationen, Unterhaltungsinteressen sowie die Gelegenheit zur Selbstdarstellung und -inszenierung hinzu (Kaplan/Haenlein 2010). Darüber hinaus sind viele junge Menschen – die so genannten „digital natives“ – schlichtweg mit dem Web 2.0 aufgewachsen. Für sie ist der Besuch einer „Community“ nicht nur eine bloße Gewohnheit, sondern auch 08 s24 web2:Layout 1 31.01.2011 11:05 Seite 25 ein Halt gebendes, alltägliches oder zumindest regelmäßiges Ritual. Web 2.0 im Bevölkerungsschutz Wird nun über die Relevanz sozialer Medien im Bevölkerungsschutz diskutiert, ist zunächst eine Differenzierung angebracht: So muss zwischen Inhalten, die Einzel- bzw. Privatpersonen verbreiten (user-generated content), und redaktionell aufbereiteten Informationen (redactional content) unterschieden werden. Darüber hinaus können die diversen Funktionen des Web 2.0 sowohl bei der Begrenzung bzw. Bewältigung von Katastrophen und Krisensituationen als auch bei deren Vermeidung sowie im Hinblick auf Vorsorgemaßnahmen genutzt werden. Der folgende, nur sehr kurze Überblick geht ausschließlich auf die Bedeutung von benutzergenerierten Inhalten für die Bewältigung von Katastrophen und Krisensituationen ein. kussiert, bietet das Web 2.0 eben auch Informationen aus Orten, die nicht unbedingt im Mittelpunkt des Medieninteresses stehen (Palmer 2008). Diesen dezentralen Ansatz nutzt beispielsweise die Internet-Plattform „Ushahidi“, die Informationen von Menschen aus unmittelbarer Nähe eines Geschehens via SMS oder Email erhält, auf Landkarten zusammenfasst und daraufhin veröffentlicht. Bei diesen Nachrichten aus Katastrophengebieten handelt es sich stets um ungefilterte Informationen aus „erster Hand“, d. h. sie stammen von Menschen, die unmittelbar betroffen sind. Häufig erscheinen solche Meldungen sogar vertrauenswürdiger und „ehrlicher“ als Lagemeldungen von Be- Funktionen im Web 2.0 Webseite mit tagebuchähnlichen Einträgen; Weblog/ chronologisch abwärts sortierte Liste von BeiBlog trägen; mindestens eine Person (sog. WebLogger/Blogger) stellt Aspekte des eigenen Lebens, Meinungen und Gedanken dar Mikroblog Chancen des Web 2.0 Eine enorme Chance des Web 2.0 besteht zweifellos in der Geschwindigkeit, mit der Informationen verbreitet werden können. Insbesondere in Katastrophen bzw. großflächigen Schadenslagen, von denen mehrere Staaten betroffen sind, wird dieser Vorteil deutlich. Lange bevor „offizielle“ Lagemeldungen den Weg durch sämtliche beteiligten Instanzen durchlaufen haben und schließlich veröffentlicht werden, sind Angaben zu Zerstörungen, Opferzahlen, bestehenden Gefährdungen usw. in sozialen Netzwerken und Blogs bereits verfügbar. Zudem kann über die verschiedenen sozialen Medien nicht nur ein rascher verfügbares, sondern auch ein wesentlich umfassenderes Lagebild erstellt werden als dies Einsatzkräften oder auch einzelnen Journalisten möglich ist. Bevor Erkundungsteams beispielsweise in abgelegene, unter Umständen kaum noch erreichbare Ortschaften vorgedrungen sind, können dort (über)lebende User schon selbst Fotos, Videos und Angaben zu ihrem individuellen Hilfebedarf verbreiten. Und während die Berichterstattung in den klassischen Medien häufig auf einzelne Zentren eines Katastrophengebietes fo- Soziale Netzwerke Form des Weblog/Blog, bei der die Benutzer kurze, SMS-ähnliche Textnachrichten veröffentlichen; eine Person verfasst subjektive Inhalte, die in Echtzeit durch die Leser aufgenommen und anschließend weiterverbreitet werden können; prominentestes Beispiel: Twitter Online-Netzwerke oder Netzgemeinschaften, in denen Benutzer ein eigenes Profil erstellen und darüber Kontakte mit anderen Benutzern pflegen; typische Funktionen: Empfang und Versand von Nachrichten und Benachrichtigungen über diverse Ereignisse, Blogfunktion, Einstellen von eigenen Inhalten (Bilder, Videos, usw.); prominenteste Beispiele: Face-book, studiVZ/meinVZ, Wer-kennt-wen Podcasts Audiobeiträge beispielsweise aus Radiosendungen, die unabhängig von Sendezeiten abrufbar sind; teilweise auch Fernsehbeiträge (sog. video podcasts) Videoportale Webseiten, die Videos zur sofortigen Ansicht im Internet (sog. Streaming) und/oder zum Herunterladen bereitstellen; prominentestes Beispiel: You-Tube Webseiten zum Austausch von digitalen Bil- Fotodern; Benutzer können ihre Bilder zur (komplattfor- merziellen) Weiternutzung sowie zur öffentlichen Kommentierung einstellen; promimen nenteste Beispiele: Picasa, flickr computerbasierte Umgebungen mit dreidi- Virtuelle mensionalen Avataren; prominentestes BeiWelten spiel: Second Life 1 2011 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 25 08 s24 web2:Layout 1 31.01.2011 11:06 Seite 26 GEOINFORMATIONEN hörden und Hilfsorganisationen bzw. Nachrichten aus Redaktionen, denen womöglich eigene Interessen unterstellt werden: So könnten offizielle Stellen etwa darauf bedacht sein, bestimmte Zerstörungen nicht zu zeigen und stattdessen in den Vordergrund zu rücken, dass das eigene Krisenmanagement besonders gut funktioniert. Journalisten sind womöglich nur an den Informationen interessiert, die traditionell „medienwirksam“ sind usw. Aus diesem Grund verlassen sich Menschen eventuell eher auf die Meinung von „Freunden“ aus ihrer Community als auf die Aussagen von Behörden- oder Medienvertretern (Pannen 2010). Auch bei der Suche nach Vermissten sind soziale Netzwerke hilfreich. Einerseits können Überlebende so genannte „Ok-Meldungen“ posten, andererseits können Vermissende Suchanfragen stellen und um Mithilfe bei ihrer Suche bitten. Betroffene im Katastrophengebiet können sich ihrerseits mit Hilfsanfragen bzw. der Bitte um Unterstützung an andere User wenden. Aufrufe zu Spenden stoßen in sozialen Netzwerken beispielsweise auf eine stets enorme Resonanz. Nicht zuletzt sind aber auch Anteil nehmende, tröstende und ermutigende Postings für die unmittelbar von einer Katastrophe betroffenen Menschen bereits eine Form der Unterstützung. Mit dem Web 2.0 verbundene Risiken Auf der anderen Seite sind mit dem Web 2.0 im Hinblick auf die Bewältigung von Katastrophen und Krisensituationen einige problematische Aspekte und konkrete Risiken verbunden. So schürt die enorme Geschwindigkeit dieses Mediums eine Erwartungshaltung und kann zuständige Behörden und Hilfsorganisationen unter erheblichen Zeitdruck setzen: Wenn Informationen besonders rasch verbreitet werden, entsteht natürlich auch der Wunsch, dass ebenso schnell auf die jeweiligen Meldungen reagiert wird (Dennenmoser 2010). Geschieht dies dann nicht, sind Enttäuschung, Frustration und Vertrauensverlust für die zuständigen Instanzen vorprogrammiert. Dass Informationen unkontrollierbar und von jedermann weitergegeben werden können, beinhaltet ebenfalls einen unter Umständen kritischen Punkt. Ob die Meldung, die jemand aus einem Ka- 26 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 1 2011 tastrophengebiet abgibt, tatsächlich zutrifft oder nicht, ist zunächst nicht ohne Weiteres verifizierbar. Sicher ist nicht einmal, ob die Nachricht überhaupt von dem Ort aus abgegeben worden ist, der vorgegeben wird. Theoretisch denkbar ist, dass von Einzelpersonen – aus welchen Motiven auch immer – bewusst falsche Informationen lanciert werden. Unter Umständen hat dies zur Folge, dass Einsatzkräfte beispielsweise fehlgeleitet werden, eigentlich unnötige Aufträge erhalten oder bei der Bewältigung des Ereignisses insgesamt falsche Prioritäten gesetzt werden. Haben sich Falschmeldungen im Web 2.0 erst einmal verbreitet, sind sie zudem kaum oder nur noch mit erheblichem Aufwand zu korrigieren. Wer eine Nachricht zuerst veröffentlicht hat, gewinnt, unabhängig vom Wahrheitsgehalt und der Vollständigkeit seiner Meldung, in der Regel die Informations- und Deutungshoheit. Daraus resultiert zwangsläufig aber auch, dass Behörden und Nachrichtenredaktionen zumindest Teile ihrer gewohnten institutionalisierten Autorität verlieren (Pannen 2010). Hinzu kommt, dass die Auswertung der im Web 2.0 veröffentlichten Informationen massiv personelle Ressourcen bindet. Die unzähligen „Postings“ zu lesen und zu priorisieren kostet Arbeitskraft und -zeit, die bei den Behörden und Hilfsorganisationen, die in die Bewältigung von Katastrophen und Krisensituationen eingebunden sind, häufig nicht vorhanden ist. Ein Risiko und eine Chance zugleich bestehen in der starken Personalisierung von Informationen. Eine Nachricht kommt eben nicht aus einer anonymen Behörde oder Redaktion, sondern von einer bestimmten Person. Eine Katastrophe bekommt auf diese Weise ein eigenes „Gesicht“, ein ansonsten Literatur ARD/ZDF-Onlinestudie (2010): Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie 2010. http://www.ard-zdf-onlinestudie.de (Stand: 29.12.2010). Dennenmoser C. (2010): Der Wert sozialer Netzwerke in Katastrophen. In: Im Einsatz 17, 216-219. Facebookmarketing (2010): Userzahlen Facebook, www.facebookmarketing.de (Stand: 29.12.2010). Kaplan, A. M./Haenlein, M. (2010): Users of the world unite! The challenges and opportunities of Social Media. In: Business Horizons, 53, 59-68. Palmer J. (2008): Emergency 2.0 is coming to a website near you. In: New Scientist, Jg. 198, Heft 2654, 24-25. Pannen, U. (2010): Social Media: Eine Architektur politischer Kommunikation. In: Forschungsjournal NSB, Jg. 23, 3/2010, 56-63. Schrape, J. (2010): Web 2.0 und Massenmedien: Visionen versus Empirie. In: Forschungsjournal NSB, Jg. 23, 3/2010, 72-83. Wikipedia (2010): Stichworte „Blog“, „Mikroblog“, „soziale Netzwerke“, „Web 2.0“. www.wikipedia.de (Stand: 29.12.2010) 08 s24 web2:Layout 1 31.01.2011 11:06 Seite 27 eher abstrakt erscheinendes Ereignis wird mit Einzelschicksalen verknüpft. Ein herausragendes Beispiel dafür ist der Blog einer jungen Frau, die nach der Loveparade sehr persönlich über ihre Erfahrungen berichtet hat (http://juliasloveparade.blog.de/). Einerseits kann eine solche Personalisierung bzw. auch die damit verbundene Emotionalisierung zweifellos hilfreich sein, um beispielsweise zur Hilfeleistung zu motivieren. Auch auf die Bereitschaft, für betroffene Menschen zu spenden oder Hilfsgüter zu sammeln usw., dürfte sich dies positiv auswirken. Andererseits könnte die Betroffenheit eigentlich unbeteiligter Menschen deutlich verstärkt werden, weil die Filterung und Aufbereitung von Informationen durch Behörden und Redaktionen, die in gewisser Weise natürlich auch schützen, im Web 2.0 eben nicht vorhanden sind. Vor diesem Hintergrund ist zumindest nicht auszuschließen, dass bestimmte emotionale Reaktionen beispielsweise in sozialen Netzwerken übertragbar sind und eine noch stärkere „kollektive Betroffenheit“ verursacht wird, als dies in Folge der üblichen Medienberichterstattung nach Katastrophen ohnehin schon beobachtet werden kann. Dadurch, dass eine solche Betroffenheit im sozialen Netzwerk kommuniziert wird, ist sie dann allerdings auch umso rascher erkennbar. Einträge und Kommentare im Web 2.0 wären demnach als eine Art Befindlichkeits- bzw. Stimmungsbarometer zu betrachten, aus dem sich wiederum Rückschlüsse für notwendige Steuerungsprozesse, insbesondere für die Art und den Inhalt der weiteren Krisenkommunikation ableiten lassen könnten. Zusammenfassung und Ausblick Die verschiedenen Funktionen im Web 2.0 werden inzwischen von vielen, vor allem jungen Menschen in ihrem Alltag intensiv genutzt. Insofern liegt es nahe, auch bei der Bewältigung von Katastrophen und Krisensituationen – insbesondere zur Gewinnung und Vermittlung von Informationen – auf Blogs, soziale Netzwerke usw. zurückzugreifen. Zu beachten ist, dass über das Web 2.0 derzeit bei Weitem nicht die Gesamtbevölkerung erreicht wird. Deshalb sind Blogs und soziale Netzwerke heute zweifellos eine wertvolle Ergänzung, keinesfalls jedoch ein Ersatz für bisher genutzte Kommunikationswege und -verfahren. Allerdings ist anzunehmen, dass die Bedeutung des Web 2.0 zukünftig weiter wachsen wird. Behörden und Organisationen sollten sich schon heute darauf einstellen. Mindestens zwei Aspekte sind dabei von besonderer Bedeutung: Um bei der Bewältigung von Katastrophen und Krisensituationen auf soziale Medien zurückgreifen zu können, muss bereits im Vorfeld ausreichend Personal geschult und trainiert werden. Sich erst in einer bereits eingetretenen Katastrophen- bzw. Krisensituation, d.h. unter großem Zeit- und Handlungsdruck mit den Regeln, Gepflogenheiten und Umgangsformen des Web 2.0 vertraut zu machen, kann schlichtweg nicht funktionieren. Außerdem sind geeignete Strategien zu entwickeln, um Informationen aus dem Web 2.0 möglichst rasch und zuverlässig verifizieren zu können. An technischen (d.h. Software-)Lösungen wird derzeit bereits gearbeitet: So können inhaltlich ähnliche oder sogar identische „Postings“ schon heute automatisch identifiziert und in Clustern zusammengefasst werden. Stammen beispielsweise mehrere gleichlautende Nachrichten aus unterschiedlichen, voneinander unabhängigen Quellen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um eine verlässliche und zutreffende Meldung handelt. Die Entwicklung solcher Analysesysteme ist derzeit zwar längst noch nicht abgeschlossen; auch gibt es zum heutigen Zeitpunkt keinen Anlass, in den Möglichkeiten des Web 2.0 quasi eine Revolutionierung oder gar eine vollkommene Neuausrichtung der Katastropenbewältigung zu sehen. Dennoch bleibt selbst bei einer sehr nüchternen Betrachtungsweise festzuhalten, dass mit dem Web 2.0 wertvolle Chancen verbunden sind, die durchaus genutzt werden sollten. Verena Blank-Gorki ist Mitarbeiterin des Referates „Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV)“ im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Dr. Harald Karutz ist Professor an der Steinbeis-Hochschule Berlin. Am Transferinstitut „Public Health and Healthcare“ in Essen leitet er den Bachelorstudiengang „Interdisziplinäres Notfallund Krisenmanagement“. 1 2011 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 27 09 s28 sat:Layout 1 31.01.2011 11:26 Seite 28 GEOINFORMATIONEN Weltraumtechnik für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe Michael Judex, BBK; Marzia Santini, DPC; Giorgio Sartori, WFP; Olivier Senegas, UNOSAT Satelliten umkreisen die Erde in vielen Hundert Kilometern Entfernung und liefern jeden Tag unzählige scharfe und detailreiche Abbildungen aller Regionen der Erde. Wo liegen hier die Potenziale für den Bevölkerungsschutz und die Katastrophenhilfe? Welche Mög- Einführung Großflächige und lang anhaltende Katastrophen zeichnen sich durch eine unübersichtliche Lage und eine Vielzahl an (häufig widersprüchlichen) Informationen aus. Dies war z.B. der Fall beim Erdbeben in Haiti, der Flutkatastrophe in Polen, der Ölverschmutzung im Golf von Mexiko und der Flut in Pakistan. Eine schnelle und korrekte Lageeinschätzung ist jedoch von essentieller Bedeutung: Wie groß ist das Schadensgebiet? Wo befindet sich potenziell betroffene Bevölkerung? Welche Infrastrukturen sind betroffen? Wie ist die Zugänglichkeit in das Schadensgebiet? Solche Fragen können durch Hilfskräfte vor Ort beantwortet werden – sofern der Zugang zum Schadensgebiet unmittelbar möglich ist. Um jedoch aus den (vielen) punktuellen Lageinformationen eine konsistente Lagekarte zu erstellen, bedarf es vieler Meldungen. Diese werden meist über die verschiedenen Meldewege der einzelnen Organisationen/Einsatzkräfte gesammelt, geprüft und zusammengefasst. Besonders schwierig wird eine solche Informationsbeschaffung, wenn sich das Schadensgebiet in entlegenen Regionen oder in wenig entwickelten Ländern befindet. Erdbeobachtungs-Satelliten können hier wertvolle Dienste leisten. Mittlerweile existieren über 100 verschiede Satellitensysteme, die permanent, Tag und Nacht, die Erdoberfläche mit unterschied- 28 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 1 2011 lichkeiten bestehen schon heute, diese Technik gewinnbringend einzusetzen? Der folgende Beitrag gibt hierzu eine kurze Übersicht mit praktischen Anwendungsbeispielen. lichen Sensoren abbilden. Neben Satelliten, die quasi digitale Fotos der Erde in höchster Auflösung liefern, gibt es auch solche, die die Temperatur oder den Wasserdampfgehalt der Atmosphäre aufzeichnen. Radarsatelliten tasten die Erdoberfläche mit einem aktiven Signal ab und können sogar (fast) ungehindert durch die Wolkendecke oder Vulkanrauch schauen. Großflächige Katastrophen haben meist auch großflächige Veränderungen der Erdoberfläche zur Folge, die durch sog. Veränderungsdetektionsverfahren mit Hilfe von Satellitenbildern erkannt werden können. Dafür wird ein Bild vor dem Ereignis mit einem Bild nach dem Ereignis verglichen und die Veränderungen berechnet. Somit können z.B. Überflutungsflächen oder Waldbrandflächen erkannt und die Ausdehnung berechnet werden. Ebenso können Schäden der Bebauung oder der Infrastruktur erkannt werden. Neben der Satellitenbildanalyse, die ein erhebliches Know-how erfordert, ist die schnelle Datenbeschaffung ein herausragendes Problem. Zum einen müssen Satelliten „umprogrammiert“ werden, um ein Bild der Schadensstelle aufzunehmen, zum anderen muss die Entscheidung getroffen werden, welcher Satellit die nächsten Aufnahmen liefern kann und für die geforderten Analysen geeignet ist. Dies erfordert ein hohes Maß an Koordination mit vielen beteiligten Partnern. Um die notwendigen Abstimmungen zu vereinfachen und die Liefer- 09 s28 sat:Layout 1 31.01.2011 11:26 Seite 29 Abb. 1: Satellitenbildkarte mit Auswertungen zu Evakuierungsrouten, Sammelplätzen und möglichen Hubschrauberlandeplätzen um das Moses-Mabhida-Stadion in Durban, Südafrika. zeit der Satellitenbilddaten zu verkürzen, wurde im Jahr 2000 die International Charter ‚Space and Major Disasters‘ von der europäischen, der französischen und der kanadischen Raumfahrtagentur (ESA, CNES, bzw. CSA) ins Leben gerufen. Bis heute haben elf Institutionen weltweit die Charter unterzeichnet und stellen ihre Satellitenressourcen zur Verfügung. Die Charter kann von autorisierten Nutzern bei großen bestehenden Schadenslagen aktiviert werden. Diese erhalten dann in kurzer Zeit aktuelle Satellitendaten der betroffenen Region. Die Auswertung der Daten ist nicht Bestandteil der Charter und muss von einem externen Dienstleister übernommen werden. Der Mechanismus der Charter stellt damit ein einheitliches System zur Datenaquise mit einem rund um die Uhr besetzten Kontaktpunkt (point of contact) zur Verfügung. EU Initiative: Emergency Response Service Fast parallel zur Initiative der Raumfahrtagenturen wurde auf europäischer Ebene der Bedarf formuliert, Fernerkundungstechnik noch umfassender nutzbar zu machen. Durch eine gemeinsame Initiative der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA) und der Europäischen Kommission (EK) wurde 1998 die Initiative Global Monitoring for Environment and Security – GMES ins Leben gerufen. Ziel Ausschnittsvergrößerung der Initiative ist der Aufbau eines Netzwerkes, mit dem sowohl weltraumbasierte Satellitendaten als auch luft- und bodengestützte Messungen im Umwelt- und Sicherheitsbereich erhoben und den Nutzern zur Verfügung gestellt werden sollen. Die Ergebnisse dienen der Entscheidungsunterstützung europäischer Institutionen und der Mitgliedsstaaten, indem Informationen genauer und schneller den Bedarfsträgern zur Verfügung gestellt werden. Mittlerweile wurden fünf Kernbereiche identifiziert, für die so genannte „Dienste“ entwickelt werden: Landoberfläche, Ozeane, Atmosphäre, Katastrophenhilfe und (polizeiliche) Sicherheit. Für den Kernbereich Katastrophenhilfe wird derzeit durch das EU-Projekt Services and Applications for Emergency Response (SAFER) eine prä-operationelle Version eines solchen Dienstes entwickelt. Ab dem Jahr 2012 wird dieser GMES Emergency Response Service durch die europäische Kommission den Mitgliedsstaaten zur Verfügung gestellt. Das Projekt ist durch Mittel des 7. Forschungsrahmenprogramms gefördert und besteht aus einem Konsortium von 56 Partnern. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe beteiligt sich aktiv an diesem Vorhaben. Zusammen mit dem französischen und italienischen Zivilschutz, dem UN World Food Program und UNOSAT bildet es die Nutzergruppe, die, stellvertretend für die vielen potenziellen Nutzer aus dem Bereich Bevölkerungsschutz 1 2011 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 29 09 s28 sat:Layout 1 31.01.2011 11:27 Seite 30 GEOINFORMATIONEN Abb. 2: Vom Hochwasser betroffene Flächen entlang der Schwarzen Elster, Sachsen-Anhalt, abgeleitet aus Satellitendaten. und humanitäre Hilfe, Anforderungen und Bedarfe formuliert und die Nutzbarkeit der Ergebnisse überprüft. Im Unterschied zur Charter ,Space and Major Disasters‘ stellt der Emergency Response Service (ERS) keine Rohdaten zur Verfügung, sondern ausgewertete Produkte, die von den Nutzern direkt eingesetzt werden können. Das sind in den meisten Fällen Karten (siehe Abb. 1 und 2). Es können aber auch einzelne Analyselayer sein, die direkt in ein geografisches Informationssystem (GIS) eingelesen werden können. Innerhalb des SAFER-Projektes wurde ein Produkt-Portfolio entwickelt, das alle Leistungen beschreibt, die der Service momentan anbietet. Es umfasst verschiedene Produktkategorien wie z.B. Referenzkarten oder Schadensanalysen. Für alle Phasen des Krisenmanagement-Zyklus werden Produkte angeboten, wobei hier eine kontinuierliche Produkt Lieferzeit Geographische Referenzkarte Notfall: 24 Stunden*, sonst: 45 Tage Spezialkarte Vorbereitung 45 Tage Notfallkarte: Betroffene Fläche 8 Stunden* Notfallkarte: Schadensanalyse 8 Stunden* Spezialkarte Nachbereitung 45 Tage Flüchtlingscamp-Kartierung 45 Tage Tab. 1: Übersicht der Produkte des GMES Emergency Response Service. (* Zeitangabe bezieht sich auf die Zeit nachdem die Satellitendaten empfangen wurden. Dies kann bis zu 3 Tagen dauern) 30 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 1 2011 Ausschnittsvergrößerung Weiterentwicklung stattfindet (Tab. 1). Die Produkte stehen in unterschiedlichen Detaillierungsgraden zwischen Maßstab 1:5.000 und 1:500.000 zur Verfügung. Eine englischsprachige, bebilderte Übersicht der verfügbaren Produkte findet sich auf der Website des Projektes unter www.emergencyresponse.eu/ gmes/docs_wsw/RUB_119/ssp_ers_products_portfolio _vi_bd.pdf. Der Service kann nur von autorisierten Organisationen genutzt werden. Um die Nutzung möglichst übersichtlich zu gestalten, wurde für jeden Mitgliedsstaat in Europa ein Kontaktpunkt definiert, der alle nationalen Anfragen bündelt und an den Service steuert. In Deutschland ist das Gemeinsame Melde- und Lagezentrum von Bund und Ländern (GMLZ) im BBK dieser Kontaktpunkt. Anfragen bezüglich Produktanforderungen oder Produktcharakteristika können an das GMLZ gerichtet werden. Weitere Informationen finden sich online unter http://www.emergencyresponse.eu/gmes/en/ref/How -to-activate-the-Service_119.html. Beispiel: Spezialkarte Vorbereitung Im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft im Juni 2010 in Südafrika nutzte das BBK die Möglichkeit des Emergency Response Service und ließ Karten der Stadien erstellen, in denen die deutsche Natio- 09 s28 sat:Layout 1 31.01.2011 11:27 Seite 31 nalmannschaft in den Vorrunden spielte. Die detaillierten Karten sollten die aktuelle Situation im nächsten Umfeld der Stadien darstellen, sowie mögliche Zu- und Abfahrtswege, Evakuierungsrouten und Hubschrauberlandeplätze für den Fall eines schädigenden Ereignisses (Abb. 1). Die Karten wurden in der deutschen Botschaft genutzt und auch an die internationale Koordinierungsstelle der Polizei weitergeleitet. Die Karten erwiesen sich als sehr nützlich, da keine vergleichbaren Informationen verfügbar waren. Dem Wunsch nach ähnlichen Karten für die anderen Stadien konnte nicht mit Produkten des ERS entsprochen werden, da dafür die Vorbereitungszeit zu knapp war. Über das EU Satellite Centre konnten jedoch ähnliche Informationen beschafft werden. zur Verfügung gestellt werden können und für alle Mitgliedsstaaten erreichbar und nutzbar sind. Zusätzlich zu den beispielhaft vorgestellten Produkten werden so genannte „Thematische Dienste“ entwickelt, die spezielle Informationen wie z.B. Erdrutschanalysen, Vermögenswertkartierungen oder Flüchtlingskamp-Kartierungen für Krisen außer- Beispiel: Notfallkarte betroffene Fläche Ende September 2010 verursachten lang anhaltende Niederschläge im Osten Deutschlands großflächige Überschwemmungen. Am 5. Oktober wurde auf Anfrage des Landesbetriebs für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt der ERS aktiviert. Angefordert war eine Notfallkarte der überfluteten Flächen entlang der Schwarzen Elster. Nach knapp 30 Stunden wurden die ersten Karten nach Sachsen-Anhalt geliefert (Abb. 2). Die Karten wurden dort zur Lageübersicht und zur Information der Krisenstäbe verwendet. Die als überflutet gekennzeichneten Flächen wurden zudem als digitale Datensätze in den eigenen geografischen Informationssystemen weiter verarbeitet. Durch die aktuelle und genaue Informationsbereitstellung unterstützten solche Geoinformationen sowohl die Krisenstäbe als auch die Einsatzkräfte vor Ort bei der Entscheidungsfindung. Alle verfügbaren Dienste und Produkte sind in einer Reihe von Broschüren beschrieben; diese können unter http://www.emergencyresponse.eu/gmes/en/ref/ How-to-activate-the-Service_119.html abgerufen werden. halb Europas zur Verfügung stellen. Obwohl es sich bei den beschriebenen Möglichkeiten noch um Ergebnisse eines Forschungsprojekts handelt, stehen die Dienstleistungen zum großen Teil schon quasioperationell zur Verfügung. Welche von diesen vielen Produkten schließlich von der Europäischen Kommission in den Regelbetrieb des GMES Emergency Response Service aufgenommen und dann dauerhaft zur Verfügung stehen werden, wird sich dieses Jahr entscheiden. Ausblick Die weltraumbasierte Fernerkundung stellt mittlerweile erprobte und verlässliche Methoden bereit, die für den Bevölkerungs- und Katastrophenschutz hilfreich sind. Durch das EU-Projekt SAFER werden Verfahren entwickelt, wie solche Informationsprodukte auf europäischer Ebene verlässlich Michael Judex, Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Bonn Marzia Santini, Dipartimento della Protezione Civile, Rom, Italien Giorgio Sartori, United Nations World Food Program, Rom, Italien Olivier Senegas, UNITAR Operational Satellite Applications Programme (UNOSAT), Genf, Schweiz 1 2011 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 31 10 s32 drohnen:Layout 1 31.01.2011 11:31 Seite 32 GEOINFORMATIONEN Unbemannte Flugsysteme im zivilen Krisenmanagement Echte Perspektive oder technische Spielerei ? Yara Sattler und Tatjana Regh Kleine Flugroboter überwachen die Menschenströme auf dem Oktoberfest und liefern Daten für ein Frühwarnsystem zur Vermeidung von Massenpaniken. Ein großflächiger Waldbrand – ein unbemanntes Luftschiff sucht autonom nach Zufahrtswegen und neuen Brandherden. Ein Chemieunfall – ein Schwarm von Drohnen misst die Schadstoffe in der Luft und berechnet die Ausbreitungsrichtung und –geschwindigkeit. Im Kontext von Geoinformationen sind die durch Fernerkundung erhobenen Daten von großer Bedeutung. Satellitenbilder liefern aktuelle Informationen über die Erdoberfläche und dienen als Entscheidungsunterstützung im Katastrophenfall oder dessen Prävention. Doch liegen zwischen Anforderung und Bereitstellung des Satellitenbildes und somit auch der verfügbaren und wichtigen Geoinformationen derzeit mindestens 24 Stunden, teilweise sogar bis zu 72 Stunden. Unbemannte Luftfahrzeuge sind möglicherweise in der Lage, diese Fähigkeitslücke in der Fernerkundung zu schließen und gelten daher vielen Praktikern und Forschern als zukunftsträchtige Technologie für das Krisenmanagement. Erste Systeme wurden bereits vor Jahrzehnten zu militärischen Zwecken eingesetzt. Die verdeckte Informationsgewinnung über feindlichem Gebiet galt als oberstes Ziel. Auch heute noch, wahrscheinlich sogar mehr als je zuvor, werden Drohnen vielfältig im Kampf eingesetzt. So liest man fast täglich über den Einsatz von unbemannten Luftfahrzeugen im Kampf gegen den Terror, in dem es weit über die reine Informationsgewinnung hinausgeht. Doch die rasanten Entwicklungen in den letzten Jahren erlauben heute ein weitaus vielfältigeres Einsatzspektrum. 32 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 1 2011 Glaubt man den Angaben vieler Hersteller, könnten diese Situationen, die ein wenig nach Science Fiction klingen, in naher Zukunft Realität werden und zu einer erheblichen Verbesserung im Krisenmanagement und zum Bevölkerungsschutz beitragen. Aber ist dies wirklich der Fall? Welche Möglichkeiten, Grenzen und Perspektiven bieten unbemannte Flugsysteme wirklich? Das UA–System — mehr als ein Flugmodell Das System setzt sich aus einer Bodenkontrollstation, der Kommunikationsinfrastruktur und den mehrfach verwendbaren Trägerplattformen, das heißt den eigentlichen Fluggeräten, zusammen. Da das Fluggerät selbst nur eine einzelne Komponente eines komplexen Systems ist, wurde im Jahre 2007 der bisher offiziell für Drohnen benutzte Begriff UAV (Unmanned Aerial Vehicle – unbemanntes Luftfahrzeug) durch die Bezeichnung UAS (Unmanned Aircraft System – unbemanntes Flugsystem) ersetzt und von der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation festgelegt. Das Angebot an Systemen ist vielfältig. In der Größenordnung reichen die Fluggeräte von wenigen Zentimetern, so genannten Nano-Systemen, über Mikrodrohnen bis hin zu Geräten mit einer Spannweite von 35 m. Weiter wird zwischen Starrflüglern, Drehflüglern und Luftschiffen unterschieden. Mindestens ebenso reich ist das Angebot an Sensoren, den so genannten „Augen“ der Systeme, mit denen die Fluggeräte für unterschiedliche Einsatzbereiche ausgestattet werden. Für die zivile Nutzung ist der Einsatz von qualitativ hochwertigen Video- oder Digitalkameras, aber auch Restlicht- 10 s32 drohnen:Layout 1 31.01.2011 11:31 Seite 33 und Infrarotkameras sinnvoll. Ihre Auflösungen erlauben bereits eine höchstgenaue Aufklärung am Boden. Größere UAS lassen sich ferner mit einem Radar ausstatten. Interessant für den Bevölkerungsschutz sind zudem auch Messsysteme, die bei CBRNLagen Verwendung finden. Sensoren einschließlich ihrer Energieversorgung oder sonstige Lasten, die das Fluggerät geladen hat, werden als Nutzlast bezeichnet und lassen sich i.d.R. austauschen. Obwohl die Nutzlasten nur einen geringen Anteil am Gesamtgewicht ausmachen dürfen, sind sie der wichtigste Bestandteil am UAS. Sie liefern die für das Krisenmanagement relevanten Geoinformationen, die bspw. einen schnellen und effizienten Einsatz der Kräfte am Boden ermöglichen. Teilweise ist es bereits möglich, die gerade erfassten Daten direkt über das System georeferenzieren zu lassen und ihnen somit eine raumbezogene Referenzinformation zuzuordnen. Die Daten können Grundlagen für die Erstellung neuer Karten liefern und mit anderen Karten und Informationen verglichen und entsprechend ausgewertet werden. zentration von Schadstoffen in der Luft zu messen und die Ergebnisse direkt an die Einsatzkräfte weiterzuleiten, die daraus Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung ableiten können. Durch das Fliegen im Schwarm, bei dem die Systeme untereinander kooperieren, sollen Gebiete ganzheitlich erfasst werden. Entsprechende Forschung läuft in verschiedenen, zum Teil durch den Bund geförderten, Projekten. Durch die zwar geringe, aber dennoch bestehende Absturzgefahr der UAV wird ein Einsatz über großen Menschenansammlungen z.B. bei Demonstrationen oder Großveranstaltungen, aber auch über dicht besiedeltem Gebiet, derzeit als kritisch be- Lageerfassung, Brandherderkennung, Vermisstensuche, Aufklärung – Einsatzoptionen von UA-Systemen Die Vielzahl unterschiedlicher Systeme und ihrer Nutzlasten führt zu einer Vielzahl (potenzieller) Einsatzgebiete. Abhängig von Größe, Einsatzradius, Flughöhe, Ausdauer sowie Sensorik erfolgen ihre Einsätze lokal, regional oder auch global. Die Optionen für das Krisenmanagement liegen vorrangig in der schnellen Beschaffung von Überblicksinformationen, die Auskunft über die jeweilige Lage geben. So schützt das Auffinden von geeigneten Flucht- und Rettungswegen nicht nur die Einsatzkräfte am Boden vor möglichen Gefahren, sondern sorgt auch für einen Zeitgewinn bis zum Eintreffen der Hilfeleistung. Die Suche nach Vermissten oder Verschütteten bei Hauseinstürzen, aber auch nach großflächigen Zertrümmerungen, z.B. nach Erdbeben, kann ebenfalls durch den Einsatz von vor allem Mikround Minidrohnen und ihren entsprechenden Video-, Infrarot- oder Akustiksensoren unterstützt werden. In Fällen von Schadstoffkontaminationen sind entsprechende Messsysteme in der Lage, die Kon- Drehflügler im Einsatz. (Foto: BBK) urteilt. Gerade hier besteht aber großer Bedarf für den Bevölkerungsschutz. Für einen effizienten Einsatz der Systeme werden entsprechende Lösungen vor allem von den Endnutzern, vorwiegend taktisch-operativen Einsatzgruppen, gefordert. Bei der Überwachung von Infrastrukturen oder großer Industrieanlagen steht der Einsatz von UAS geringeren Einschränkungen gegenüber. Bei der Facheinheit für Ortungstechnik und Rettungshunde der Feuerwehr Marlishausen in Thüringen wird seit 2009 eine Mikrodrohne operativ eingesetzt. Sie unterstützt bisherige Ortungstechnik bei der Vermissten- oder Verschüttetensuche. Aktuell werden dort ungefähr einmal im Monat Einsätze geflogen. Abgesehen von der erwähn- 1 2011 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 33 10 s32 drohnen:Layout 1 31.01.2011 11:31 Seite 34 GEOINFORMATIONEN ten Verschüttetensuche kann die Drohne zum einen zur Schadensbegutachtung aus der Luft und zum anderen zur Unterstützung des Landeskriminalamtes Thüringen bei der Tatortaufnahme eingesetzt werden. Ausgestattet mit einer Digitalkamera und optional mit einer Wärmebildkamera ist es möglich, per Fernsteuerung Bilder eines Ereignisortes und der Umgebung aus der Vogelperspektive zu erhalten. Bisherige Erfahrungen werden als positiv bewertet. Seit 2008 erproben einige Landespolizeien und die Bundespolizei kleine Fluggeräte. Die Aufklärung von Gebieten, die Beweissicherung, aber auch die Verkehrsüberwachung gehören zu den Einsatzbereichen. Gegenüber bemannten Luftfahrzeugen eröffnen UAS dem Polizeidienst neue Möglichkeiten und ergänzen die bestehenden Fähigkeiten. Gefahren können aus der Vogelperspektive schnell erkannt und Lagebilder erstellt werden. Bei der Hochwasserbekämpfung konnte der Freistaat Sachsen im Rahmen der zivil-militärischen Zusammenarbeit ebenfalls auf die luftgestützte unbemannte Aufklärung zurückgreifen. Der Einsatz der taktischen luftgestützten unbemannten Nahaufklärungsausstattung, LUNA, unterstützte eine schnelle und effiziente Lageerfassung. Auch international werden Drohnen verstärkt zivil genutzt. Das weltweit größten UAS, der Global Hawk der US Air Force, kam im Januar 2010 im Rahmen der Katastrophenhilfe für Haiti zum Einsatz und lieferte aus einer Höhe von 19 km Luftbilder der zum großen Teil zerstörten Hauptstadt Port-auPrince. Durch die gute Auflösung der aufgenommenen Foto- und Videobilder war es möglich, freie Start- und Landeflächen für Helikopter zu finden. Auch außerhalb des „klassischen“ Bevölkerungsschutzes finden UAS bereits vielfältig Anwendung. In Afrika werden israelische Drohnen zur Inspektion von Pipelines und in Holland Drehflüglermodelle zum Aufspüren illegaler Cannabispflanzungen eingesetzt. Weitere Einsatzoptionen liegen in der Landvermessung, der Landwirtschaft („precision farming“) oder dem Umweltmonitoring. Diese Liste ließe sich über mehrere Seiten erweitern. Deutlich wird: Das Einsatzspektrum unbemannter Flugsysteme ist enorm. Derzeit wird der Einsatz von UAS im zivilen Krisenmanagement und im Bevölkerungsschutz jedoch noch stark durch rechtliche Einschränkungen 34 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 1 2011 begrenzt. So dürfen gemäß Luftverkehrsgesetz nur Systeme unter 25 kg und mit Erlaubnis des deutschen Luftfahrtbundesamtes eingesetzt werden. Der Einsatz größerer Systeme ist derzeit nur durch die Bundeswehr möglich. Eine Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen in Anpassung an technische Entwicklungen und Fortschritte müsste hier vollzogen werden. Katastrophen werden nicht an Häufigkeit verlieren – die Möglichkeiten zur Prävention und Bewältigung fordern daher ständig neue Entwicklungen Es ist nicht die Frage, ob es ausreichend Einsatzoptionen für unbemannte Flugssysteme im Bevölkerungsschutz gibt. Denn es ist nicht davon auszugehen, dass Katastrophen und Gefahrenlagen in den nächsten Jahren seltener werden. Vielmehr lassen Entwicklungen des Klimas, Urbanisierungsprozesse oder Terrorgefahren darauf schließen, dass die Zahl der von diesen Ereignissen betroffenen Menschen in Zukunft noch weiter ansteigen wird. Die Anforderungen an die Einsatzkräfte wachsen stetig und erfordern eine permanente Auseinandersetzung mit neuen technischen Entwicklungen. Um den Einsatz von UA–Systemen langfristig in den Bevölkerungsschutz zu integrieren, ist eine Abstimmung zwischen polizeilichem und nichtpolizeilichem Vorgehen sinnvoll. Klare Formulierungen der Nutzerforderungen helfen einer zielgerichteten technischen Entwicklung. Schon gegenwärtig lässt sich festhalten, dass unbemannte Flugsysteme das Potenzial haben, Fähigkeitslücken in der schnellen, luftgestützten Aufklärung zu schließen. Ungeklärt ist derzeit, wann und in welchem Umfang die Systeme fester Bestandteil des Bevölkerungsschutzes werden. Yara Sattler (Geographisches Institut der Universität Freiburg) und Tatjana Regh (Geographisches Institut der Universität Bonn) haben 2010 für das BBK, Referat Grundlagen Krisenmanagement, die Studie „Unbemannte Flugsysteme im Bevölkerungsschutz – Möglichkeiten, Grenzen, Perspektiven“ gefertigt. 11 s00 Hand:Layout 1 31.01.2011 11:37 Seite 35 EHRENAMT Die Helfende Hand 2010 geht an… Bundesinnenminister verleiht Förderpreis Julia Wiechers, BBK „Man kann in der Zeitung oft von Ihren Taten lesen, aber man sieht Ihre Gesichter nicht. Schön, Sie heute hier einmal kennenzulernen!“. Mit diesen Worten begrüßt Moderatorin Anne Gesthuysen die Nominierten für die Helfende Hand 2010. Im Paul-LöbeHaus in Berlin wird der Preis des Bundesministeri- gentlich für das Ehrenamt?“ fragt Bundesinnenminister de Maizière während der Preisverleihung ins Publikum. Denn was man nicht bekommt, scheint auf der Hand zu liegen: Man bekommt kein Geld. Man hat weniger Freizeit und man setzt sich manchmal auch Gefahren aus. Etwas zum „Anfassen“ bekommen die „Helfenden Hände“ nicht. Den ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern einmal zu danken, sie kennenzulernen und ihr Engagement öffentlich besser sichtbar zu machen, ist das Ziel der Verleihung der Helfenden Hand. Das Bundesministerium des Innern (BMI) und das BBK haben den Preis ins Leben gerufen, um das Ehrenamt im Bevölkerungsschutz zu fördern und zukunftsfest zu machen. Der Preis zeichnet in drei Kategorien herVerdienter Beifall und Anerkennung für ehrenamtliche Leistungen; Bundesinnenminister ausragende Ideen und Thomas de Maizière (3. v. li.) verlieh in Berlin den Förderpreis Helfende Hand 2010. Konzepte aus, die das (Foto: BMI/Rickl) Interesse der Menschen für ein ehrenamtliches Engagement im Bevölkeums des Innern zur Förderung des Ehrenamtes im rungsschutz wecken. Es werden auch Arbeitgeber Bevölkerungsschutz verliehen. Der Tag der Preisverleihung ist der 5. Dezem- ausgezeichnet, die die freiwillige Tätigkeit ihrer ber, der internationale Tag des Ehrenamtes. Stolze Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tatkräftig unter1,8 Millionen Menschen engagieren sich in Deutsch- stützen. 181 Bewerbungen um die Helfende Hand 2010 land freiwillig für den Bevölkerungsschutz. Was treibt diese Menschen an? „Was bekommt man ei- sind eingegangen. Eine Jury aus Fachleuten der 1 2011 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 35 11 s00 Hand:Layout 1 31.01.2011 11:37 Seite 36 EHRENAMT Hilfsorganisationen, des Technischen Hilfswerkes (THW), des Deutschen Feuerwehrverbandes und aus Behörden hatte die Qual der Wahl. Unter den vielen engagierten Bewerbern musste sie jeweils fünf Projekte pro Kategorie auswählen und nominieren. Bevor Minister de Maizière die Preisträger bekannt gibt und auf die Bühne bittet, werden die nominierten Projekte in künstlerischen Kurzfilmen vorgestellt. Handschattenspiele zeigen, was die einzelnen Projekte ausmacht. Es herrscht fast ein bisschen Oscar Atmosphäre, wäre da nicht der Blick auf die Spree. Beinahe ebenso gespannt wie die Hollywoodstars warten die Nominierten auf den Moment, in dem der Minister die Gewinner verliest. Aufregende Situationen erleben sie in ihren Einsätzen oft, doch einen Preis bekommt man schließlich selten dafür. Dann ist es soweit. Die Erstplatzierten der Helfenden Hand 2010 In der Kategorie „Innovative Konzepte“ gewinnt das Projekt „Feuerwehrradio 112“ den ersten Preis. Ein sichtlich überraschter Projektvertreter nimmt stolz die Helfende Hand 2010 entgegen und erzählt von dem erfolgreichen Konzept. Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer aus Rendsburg informieren und unterhalten mit ihrem Internetradio täglich über 20.000 Hörerinnen und Hörer und berichten über die Themen Feuerwehr und Bevölkerungsschutz. Den ersten Preis in der Kategorie „Jugendund Nachwuchsarbeit“ gewinnt das Projekt „Hilfe zur Selbsthilfe“ der Claus-Stauffenberg-Schule in Rodgau. In einer einjährigen Zusatzausbildung werden Schülerinnen und Schüler an ein ehrenamtliches Engagement herangeführt. Dafür opfern Lehrer und Schüler viele Stunden Freizeit, aber sie bekommen auch etwas zurück. Sie erwerben wichtige Kenntnisse im Rahmen des Ausbildungslehrgangs „Sanitätshelfer“ und eines Grundlehrgangs der Freiwilligen Feuerwehr. In der Kategorie „Vorbildliches Arbeitgeberverhalten“ geht die goldene Trophäe der Helfenden Hand an die WICOM Germany GmbH. Mit der Initiative „Wirtschaft und Ehrenamt“ zeigt WICOM auf, dass ehrenamtlich Tätige Schlüsselqualifikationen besitzen, von denen auch ihre Arbeitgeber profitieren. Denn wer sich ehrenamtlich im Bevölkerungsschutz engagiert, der verfügt auch über technisches Wissen und soziale Kompetenz. Zum Schluss gibt es dann noch etwas, das eine Oscar Verleihung nicht bieten kann: Ein ge- Der Förderpreis Helfende Hand Jährlich verleiht der Bundesinnenminister den Förderpreis Helfende Hand und zeichnet damit herausragende Ideen und Konzepte aus, die das Interesse der Menschen für ein ehrenamtliches Engagement im Bevölkerungsschutz wecken. Der Preis wird an Mitglieder von Organisationen verliehen, die sich ehrenamtlich im Bevölkerungsschutz engagieren. Zu den Organisationen gehören der Arbeiter-Samariter-Bund, die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft, das Deutsche Rote Kreuz, die Johanniter-Unfall-Hilfe, der Malteser Hilfsdienst sowie das Technische Hilfswerk und die Freiwilligen Feuerwehren. Zudem kürt der Preis einen Arbeitgeber, der den ehrenamtlichen Einsatz seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorbildlich unterstützt. Gesucht werden jedes Jahr besondere Ideen und Konzepte, die den Nachwuchs im Ehrenamt fördern. Der Preis ist mit insgesamt 15.000 Euro dotiert und zeichnet Projekte in drei Kategorien aus: 36 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 1 2011 1. Nachwuchs- und Jugendarbeit zur Förderung und zum Erhalt des Ehrenamtes im Bevölkerungsschutz 2. Neue, innovative Konzepte zur Steigerung der Attraktivität des Ehrenamtes im Bevölkerungsschutz 3. Vorbildliches Arbeitgeberverhalten zur Unterstützung der Ausübung des Ehrenamtes im Bevölkerungsschutz Eine Jury aus Fachleuten nominiert fünf Projekte in jeder Kategorie und entscheidet über die Preisträger der Helfenden Hand. Alle Nominierten werden zu der Preisverleihung eingeladen. Die eingereichten Projekte werden nach dem gezeigten Engagement, ihrem Vorbildcharakter und ihrer Bedeutung für die Zukunft bewertet. Die Bewerbung ist möglich unter www.helfende-handfoerderpreis.de. 11 s00 Hand:Layout 1 31.01.2011 11:37 Seite 37 meinsames Foto mit allen Preisträgern und dem Bundesinnenminister. Die Preisträger 2010 Nachwuchs- und Jugendarbeit zur Förderung und zum Erhalt des Ehrenamtes im Bevölkerungsschutz Bevölkerungsschutz zum Anfassen Rund um die Preisverleihung können Gäste und Preisträger Bevölkerungsschutz zum Anfassen erleben. Im Foyer des Paul-Löbe-Hauses zeigen das BBK und die einzelnen Hilfsorganisationen aus dem Bevölkerungsschutz in einer Ausstellung, wie sich die Arbeit der Ehrenamtlichen in der Praxis gestaltet. Das BBK präsentiert sich als Motor der Innovation und stellt die Bereiche Simulation und Virtuelle Akademie vor. Letztere kommt den ehrenamtlich Tätigen entgegen, die durch diese Art des Lernens Fortbildungen zu jeder Zeit auch von zu Hause absolvieren können. Die Deutsche LebensRettungs-Gesellschaft (DLRG) ist mit einem Raftingboot vor Ort und zeigt die Technik der Strömungsrettung. An einem selbst gebauten Deichmodell demonstriert das THW Sandsackverbaumethoden. Die Johanniter Unfallhilfe (JUH) stellt die Höhenrettung vor. Anhand einer Fahrradtrage zeigt der Arbeiter-Samariter Bund (ASB) einen mittlerweile historischen Rettungsweg. Nicht weit davon ist der Malteser Hilfsdienst (MHD) mit einem Motorrad vor Ort. Auch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) und der Deutsche Feuerwehrverband (DFV) sind mit von der Partie. Beim Feuerwehrverband packt de Maizière selbst mit an und setzt gemeinsam mit Kindern die Bauteile der „Brücke der Integration“ zusammen. Der Minister verrät, dass er als kleiner Junge selbst Feuerwehrmann werden wollte – um bei Rot mit Blaulicht über die Ampel fahren zu dürfen. Das dürfte er als Bundesminister heute auch, doch die Faszination für die Hilfsorganisationen ist geblieben. 1. „Hilfe zur Selbsthilfe – Brandschutz und Erste Hilfe“ der Clausvon-Stauffenberg-Schule Rodgau 2. „Retten kann jeder ... bei uns lernen!“ der Kreisjugendfeuerwehr Aichach-Friedberg 3. Die Einführung der Bambinifeuerwehr in der Gemeinde Fürth 4. „Menschen helfen Menschen“ des Kreisfeuerwehrverbandes Fritzlar-Homberg im Schwalm-Eder-Kreis 5. Der „LiveSavingCup“ und der „YoungStarCup“ der DLRG-Jugend Schleswig-Holstein Neue, innovative Konzepte zur Steigerung der Attraktivität des Ehrenamtes im Bevölkerungsschutz 1. Das Feuerwehrradio 112 2. Der Jugend-ABC-Zug der Feuerwehr Karlsruhe 3. Die Motorradstaffel Dortmund 4. „Soziale Netze – Facebook für Hilfsorganisationen“ des Malteser Hilfsdienstes Krefeld 5. Die Feuersanis der Realschule plus in Queidersbach Vorbildliches Arbeitgeberverhalten zur Unterstützung der Ausübung des Ehrenamtes im Bevölkerungsschutz 1. „Wirtschaft und Ehrenamt“ der WICOM Germany GmbH 2. Die Werkfeuerwehr von Boehringer Ingelheim 3. Der Aufbau eines Ausbildungsgeländes für Rettungshunde durch die Total Deutschland GmbH 4. Die Mobile Logistiklösung der Schlosserei Seubert GmbH 5. „Köpfe gesucht“ des Dietrich-Bonhoeffer-Klinikums Neubrandenburg vom Ehrenamt hat: Das gemeinsame Engagement schweißt zusammen. Man gewinnt nicht nur einen Preis, sondern knüpft auch Freundschaften und erlebt zusammen schöne Momente. Minister de Maizière bringt es auf den Punkt: „Das Ehrenamt ist ein Amt, das man für die Ehre macht. Es ist nichts, das man zählen kann, aber es ist alles, was zählt. Man bekommt Freude. Man bekommt Freunde. Man bekommt Zuwendung.“ Ja, und manchmal, da bekommt man für seinen freiwilligen Einsatz eben auch etwas „zum Anfassen“: die Trophäe Helfende Hand – vom Bundesinnenminister persönlich. Das Ehrenamt: Alles was zählt Nach der offiziellen Preisverleihung beginnt der Austausch über die verschiedenen Projekte und über neue Ideen und Konzepte. Als die meisten Gäste schon gegangen sind, die Stühle schon weggeräumt und die Ausstellung abgebaut, feiern einige der Preisträger noch immer gemeinsam ihre Auszeichnung. Auch da ist zu erkennen, was man Julia Wiechers ist Volontärin im Referat „Information der Bevölkerung, Presse und Öffentlichkeitsarbeit“ im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. 1 2011 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 37 12 s00 Forum 2011-1:Layout 1 31.01.2011 11:49 Seite 38 FORUM Die Katastrophe als Chance wahrnehmen Florian Meyer (42) ist ASB-Länderdirektor in Haiti. Er leitet dort die Wiederaufbaumaßnahmen nach dem schweren Erdbeben vom 12. Januar 2010. Weite Teile des Landes liegen seitdem in Trümmern. Über die Fortschritte beim Wiederaufbau und wie wichtig die Zusammenarbeit mit den Haitianern dabei ist, berichtet er hier. Mit Florian Meyer sprach Marion Michels Rückkehr und Wiederaufbau Nach dem schweren Erdbeben vom 12. Januar 2010 leistete der ASB Nothilfe. Seit Juni 2010 engagiert er sich für den Wiederaufbau von Übergangshäusern und Waisenheimen. Das Hauptquartier des ASB befindet sich in der Küstenstadt Petit Goâve, etwa 60 km westlich der Hauptstadt Port-au-Prince. Weite Teile der Stadt sind zerstört, Strom- und Trinkwasserversorgung funktionieren nur eingeschränkt. Die ASB-Hilfe Der ASB errichtet in Petit Goâve 300 Übergangshäuser für knapp 1.500 Menschen. Sie sind erdbeben- und sturmsicher konstruiert und können von den Bewohnern mit geringem Aufwand zu permanenten Häusern ausgebaut werden. Außerdem unterstützt der ASB zwei Waisenheime, die durch das Erdbeben stark zerstört wurden. Die Waisenheime erhalten Betten und Matratzen für die Kinder und werden mit Lebensmitteln versorgt. Damit der Schulunterricht auch im Freien abgehalten werden kann, hat der ASB einen offenen, überdachten Schulraum errichtet. Dort werden knapp 200 Kinder, darunter auch Schüler aus der Nachbarschaft, unterrichtet und erhalten eine warme Mahlzeit. Das Bündnis „Aktion Deutschland Hilft“ (ADH) Gemeinsam mit sechs Partnerorganisationen von ADH bündelt der ASB in Petit Goâve seine Kräfte, um einen nachhaltigen und effizienten Wiederaufbau zu gewährleisten. Die Hilfsorganisationen engagieren sich verschiedenen Sektoren, z. B. Unterkünfte, Trinkwasserversorgung, medizinisch-therapeutische Betreuung. Der ASB plant, seine Präsenz in Haiti auszubauen und sich langfristig am Wiederaufbau zu beteiligen. 38 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 1 2011 Wie beurteilen Sie die Lage des Landes knapp ein Jahr nach dem Beben? Als ich im Mai 2010 in Haiti ankam, war der erste Eindruck erschütternd. Wenn ich heute durch Petit-Goâve gehe, fällt mir auf, dass viele Florian Meyer bei der Schlüsselübergabe für ein neues Übergangshaus. (Foto: ASB Haiti) Zelte von den Straßen verschwunden sind. Aber das Aufräumen ist natürlich noch nicht abgeschlossen. Zahlreiche Menschen leben noch in Zeltlagern und sind auf Trinkwasser-Lieferungen angewiesen. Wie sieht die ASB-Hilfe dort aus? Der ASB baut in Petit-Goâve Übergangshäuser. Wir haben gerade die ersten acht an die künftigen Bewohner übergeben. Angesichts der grassierenden Cholera-Epidemie ist der ASB zusätzlich in 12 s00 Forum 2011-1:Layout 1 31.01.2011 11:49 Seite 39 der besonders stark betroffenen Region Central aktiv geworden. Gemeinsam mit der ADH-Partnerorganisation Arche nova wird in Mirebalais und Umgebung sauberes Trinkwasser für rund 4.000 Menschen bereitgestellt. Außerdem finden Hygieneschulungen für 12.000 Frauen, Kinder und ältere Menschen statt. Denn die Aufklärung über die Krankheit ist besonders wichtig: Nur mit sauberem Wasser und einer großflächigen Hygieneaufklärung lässt sich die Seuche stoppen. Wie sieht derzeit die Sicherheitslage für die Helfer aus? Fühlen Sie sich sicher im Land? Grundsätzlich fühlen wir uns sicher. Insbesondere hier in Petit-Goâve kommt es nur gelegentlich zu Diebstählen oder Einbrüchen. In anderen Städten gab es aber aggressive Demonstrationen gegen Nichtregierungsorganisationen (NGO). Der ASB versucht dem vorzubeugen, indem wir intensiv den Kontakt zur Bevölkerung suchen und über unsere Arbeit aufklären. Dadurch haben wir in Petit-Goâve eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung erreichen können. Die internationale Hilfe für den Wiederaufbau lief nur schleppend an. Womit hing dies Ihrer Ansicht nach zusammen? Ich denke, dass in Anbetracht des Ausmaßes der Katastrophe viel geleistet worden ist. In den Monaten nach dem Beben wurden fast 100.000 Zelte und rund 700.000 Plastikplanen verteilt, um den Betroffenen zumindest ein provisorisches Dach über dem Kopf zu geben. Es wurden Haushaltssets, Hygieneartikel, Lebensmittel und Trinkwasser verteilt. Niemand verhungert, und es ist gelungen, das Überleben der Haitianer zu sichern. In den betroffenen Regionen hier in Haiti hat das Erdbeben nicht nur Häuser zerstört, sondern auch die Infrastruktur nachhaltig geschädigt. Strassen, Brücken, Strom, Wasser. Port-au-Prince, die Hauptstadt des Landes wurde schwer beschädigt. Nicht nur grosse Teile der Infrastruktur sind zerstört, sondern auch der öffentlichen Verwaltung. Ministerien und Behörden sind eingestürzt und haben Unterlagen, Computer usw. begraben. Etwa 16.000 Mitarbeiter der Verwaltung sind ums Leben gekommen. Und das alles in einem Land, das schon vor der Katastrophe zu den ärmsten der Welt gehörte und in dem Korruption und Misswirtschaft keine Fremdwörter sind. Warum ist es wichtig, die Haitianer in die Hilfsmaßnahmen einzubeziehen? Die internationalen Helfer sind in Haiti nur Besucher für eine begrenzte Zeit. Wir möchten den Menschen bei der Bewältigung ihrer Probleme helfen. Diese Hilfe kann nur sinnvoll gelingen, wenn sie aktiv beim Wiederaufbau mitwirken. Und er wird nur dann nachhaltig sein, wenn die lokalen Strukturen einbezogen werden, so dass die Bewohner gefestigt und gestärkt daraus hervorgehen und auch in Zukunft eine aktive Rolle bei der Gestaltung ihres Landes spielen können. Wie lange wird der ASB im Land bleiben? Der ASB wird sich längerfristig in Haiti engagieren. Uns ist es wichtig, neben der akuten Katastrophenhilfe und dem Wiederaufbau auch einen Beitrag zur weiteren Entwicklung des Landes zu leisten. Dies gilt insbesondere in Hinblick auf den Schutz vor Naturkatastrophen. Denn Haiti ist nicht nur durch Erdbeben bedroht, sondern liegt auch in einer Zone, die regelmäßig von tropischen Stürmen heimgesucht wird. Wie beurteilen Sie die Zukunft von Haiti? Ich denke für Haiti ist es wichtig, die Katastrophe vom 12. Januar auch als Chance wahrzunehmen. Durch die hohe Spendenbereitschaft in aller Welt sind nicht nur finanzielle Mittel für einen Wiederaufbau verfügbar, sondern auch Experten im Land, deren Know-how in vielen Bereichen genutzt werden kann. Wenn dies der haitianischen Regierung und Bevölkerung gelingt, kann es eigentlich nur besser werden. Dafür muss der Rest der Welt die Entwicklung Haitis weiterhin begleiten, denn Haiti ist ein Land mit vielen Problemen, aber auch eines mit stolzen und aktiven Menschen und einer atemberaubend schönen Natur. 1 2011 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 39 12 s00 Forum 2011-1:Layout 1 31.01.2011 11:49 Seite 40 FORUM Schnee, Wasser, Schnee und wieder Wasser ganze Landstriche unter Wasser gesetzt. Im Rahmen des EU-Gemeinschaftsverfahrens wurden die High Capacity Pumping Modules (HCP) des THW gleich zweimal angefordert, um die polnische Feuerwehr mit Hochleistungspumpen im Kampf gegen die Fluten zu unterstützen. Mehr als 1,6 Milliarden Liter Wasser pumpten die THW-Kräfte allein im Juni ab. Über den gesamten Zeitraum leisteten rund 300 THW-Kräfte im Nachbarstaat technische Hilfe. Hochwasseralarm im Osten der Republik Nur wenige Celsius-Grade liegen zwischen Tonnen von Schnee und tausenden Litern Wasser. Das Ergebnis sind: Überlastete Dächer, vereiste und überschwemmte Straßen, gestrandete Reisende, vollgelaufene Keller und aufgeweichte Deiche. In den vergangenen zwölf Monaten waren THW-Kräfte unermüdlich im Einsatz, um die Folgen von Schneechaos und Hochwasser zu beseitigen. Schweres Gerät kann auf Dächern nicht eingesetzt werden. Hier sind Schaufel, Schubkarre und Körpereinsatz gefragt. Rund 3.000 THW-Kräfte beseitigten zu Beginn des Jahres 2010 die Folgen von „Daisy“, „Jennifer“, „Keziban“ und „Miriam“. Sie räumten überlastete Dächer frei, schleppten liegengebliebene Fahrzeuge an und überprüften die Stabilität von Gebäuden. Als der Schnee schließlich ging, kam das Wasser – im Sommer beinahe monatlich. Den Anfang machte Polen: Dort hatten heftige Regenfälle im Mai die Weichsel über die Ufer treten lassen und 40 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 1 2011 Im August traf es den Osten Deutschlands: Regenfälle von bis zu 160 Litern pro Quadratmeter führten im Dreiländereck Polen/Tschechien/Deutschland zu massiven Überflutungen. „Sofort sind die Erinnerungen an den August 2002 bei mir hochgekommen, bis hin zum Geruch in der Nase, den ich jetzt hier wieder spüre“, erklärte Bundesinnenminister Thomas de Maizière während seines Besuches vor Ort. Die THWlerinnen und THWler schützten Chemie- und Klärwerke vor den Wassermassen, verbauten Sandsäcke und Hochwasserschutzwände, sicherten die Elektroversorgung und richteten Bereitstellungsräume ein. Außerdem leuchtete das THW im gesamten betroffenen Gebiet die Einsatzstellen aus. Nach Oder, Elbe und Neiße hielt im Oktober die Schwarze Elster das THW fest im Griff. Überschwemmte Straßen, vollgelaufene Keller, aufgeweichte Deiche – der Osten Deutschlands versank innerhalb weniger Wochen zum zweiten Mal in den Fluten. Besonders betroffen waren Südbrandenburg und Sachsen-Anhalt. Rund 40 Ortsverbände aus sieben Landesverbänden waren wochenlang im Einsatz, unterstützt wurden sie dabei von zwei Hochleistungspumpen und Einsatzkräften der Polnischen Staatlichen Feuerwehr (PSP). Ende und Anfang – Eiszeit in Deutschland Das Jahr 2010 endete wie es begann: mit viel Schnee, eisigen Temperaturen und spiegelglatten Straßen. Väterchen Frost forderte seit Ende November tausende THW-Kräfte heraus. Sie räumten Schneebruch von Bahngleisen, versorgten gestrandete Autofahrer mit Decken und heißen Getränken, sicherten die Stromversorgung oder schleppten liegengebliebene Fahrzeuge frei. Außerdem 12 s00 Forum 2011-1:Layout 1 31.01.2011 11:49 Seite 41 1 2011 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 41 12 s00 Forum 2011-1:Layout 1 31.01.2011 11:49 Seite 42 FORUM leisteten sie Hilfe für die Helfer – durch vorausfahrende Einsatzfahrzeuge sicherten sie das Durchkommen der Streudienste. Mehr als 1.200 THW-Kräfte waren ununterbrochen im Einsatz, um die Feuerwehr im Kampf gegen die Wassermassen zu unterstützen. Die Einsatzkräfte befüllten, transportierten und verbauten unermüdlich Sandsäcke, errichteten Hochwasserschutzwände, übernahmen Evakuierungen aus Überflutungsgebieten, leuchteten Einsatzstellen aus und sicherten Deiche. Außerdem verhinderten sie in Niedersachsen, dass ein Hang auf ein Haus rutschte; der gefrorene Acker konnte keinen Regen mehr aufnehmen. THW-Kräfte sammelten das Wasser und pumpten es anschließend ab. Nachbarschaftshilfe der etwas anderen Art leistete das THW an der niederländischen Grenze, denn dort hatte das Winterhochwasser auch die Niederlande erreicht. In der Region Limburg-Noord stand der Ort Roermond unter Wasser. Mit Booten transportierte und versorgte das THW die vom Hochwasser betroffene Bevölkerung. Zuverlässig und kompetent Hilfe leisten – in Deutschland und über seine Grenzen hinaus. Das Jahr 2010 endete wie es begann: mit viel Schnee, eisigen Temperaturen und spiegelglatten Straßen. Aus Schneemassen werden Wassermassen Hintergrundinformationen HCP-Module Plusgrade und Regen ließen am Dreikönigstag des neuen Jahres Tonnen von Schnee und zentimeterdicke Eisdecken schmelzen. Bäche, Flüsse und Seen in ganz Deutschland traten über die Ufer. Bei den „High Capacity Pumping Modules“ (HCP) handelt es sich um Einheiten, welche jeweils über eine Havariepumpe mit einer Leistung von 15.000 Litern pro Minute und zwei weitere Großpumpen mit einer Kapazität von 5.000 Litern pro Minute verfügen. Die Geräte können in unzugänglichen Gebieten eingesetzt werden und sind dafür ausgelegt, Wasser über eine Entfernung von bis zu einem Kilometer zu pumpen. Erstmals wurden die vom THW für den EU-Mechanismus aufgestellten High Capacity Pumping Modules (HCP) zur Bekämpfung von Hochwasser während der EU-Übung FloodEX im September 2009 in den Niederlanden eingesetzt. Die Schwarze Elster hält das THW im Oktober fest im Griff: Rund 40 Ortsverbände aus dem gesamten Bundesgebeit waren wochenlang im Einsatz. (Fotos: THW) 42 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 1 2011 12 s00 Forum 2011-1:Layout 1 31.01.2011 11:49 Seite 43 DLRG-Rettungsboote bis zu 30 PS starken Außenbordmotoren, sind sie bequem durch die zweiköpfige Besatzung direkt vom Strand aus in den Einsatz zu bringen. Trailer oder gar ein Zugfahrzeug sind hierzu nicht erforderlich. Die Ausstattung umfasst lediglich zwei Paddel, um das Boot notfalls per Muskelkraft zurück ans Ufer bringen zu können, sowie einen Gurtretter – ein Hilfsmittel für den schwimmerischen Rettungseinsatz. Der Umgang mit IRB erfordert einige Übung, da es neben den Fertigkeiten des Bootsführers insbesondere auf das Zusammenwirken der Besatzung ankommt, um das Boot stets sicher an sein Ziel IRB: Kompakte Talente für die Brandungsrettung Das Thermometer zeigt 11° Celsius. Der Nordwind wühlt die See immer weiter auf. In direkter Strandnähe brechen sich zwei Meter hohe Wellen. Ein Surfer droht von den Wassermassen auf eine Steinbuhne gedrückt zu werden, sein Brett hat er längst aufgegeben. Für den Wassersportler besteht akute Lebensgefahr – Einsatz für die Lebensretter der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG)! Mit einem Inflatable Rescue Boat (IRB) durchquert die zweiköpfige Besatzung die Brandungszone, nimmt den kraftlos gegen Wind und Wellen ankämpfenden Mann an Bord und bringt ihn auf direktem Weg an den Strand zurück – der gesamte Einsatz dauert nicht länger als 90 Sekunden. Inflatable Rescue Boats sind kleine, wendige Schlauchboote mit Feststoffrumpf aus GFK oder Aluminium, die insbesondere im strandnahen Bereich und in der Brandungszone zum Einsatz kommen. In den Küstengewässern vor Australien und Südafrika schon seit vielen Jahren im Einsatz findet dieser Bootstyp nun auch immer häufiger Verwendung an den norddeutschen Küsten, um auch bei höherem Seegang Personenrettungen erfolgreich durchführen zu können. Geringes Gewicht, günstiger Preis Das Zusammenwirken der Besatzung ist von entscheidender Bedeutung. (Foto: DLRG) und den Patienten nach dem Prinzip „Load & Go“ schnellstmöglich ans Ufer zu bringen, wo dann alle weiteren Rettungsmaßnahmen getroffen werden können. Hierzu bietet die DLRG spezielle Lehrgänge an, in denen in den vergangenen Jahren bereits über 200 Bootsführer geschult wurden. Aufgrund ihrer kompakten Abmessungen, des geringen Gewichts und nicht zuletzt wegen der günstigen Preise werden IRB mittlerweile auch im Binnenland als SEG-Boote eingesetzt. Alexander Paffrath, DLRG Präsidialbeauftragter Boot Mit ihren Abmessungen von 3,50 m Länge, 1,70 m Breite und nur 150 kg Gewicht, inklusive der 1 2011 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 43 12 s00 Forum 2011-1:Layout 1 31.01.2011 11:49 Seite 44 FORUM DFV-Erfolg greifbar: Neue KatSFahrzeuge übergeben zeitgemäßer Technik auf Unwetterkatastrophen und Terrorgefahren vorbereitet sein. Das ist auch eine Frage der Motivation. Noch sind gerade im Katastrophenschutz die meisten Fahrzeuge älter als viele Feuerwehrmänner und -frauen!“ Insgesamt sieht das Konzept des Bundes in den kommenden Jahren 1.400 neue Löschfahrzeuge „LF KatS“ und Gerätewagen für die Wasserversorgung vor. Die Fahrzeuge werden nach Überzeugung des DFV dringend benötigt, um veraltete Löschfahrzeuge und Schlauchwagen zu ersetzen. „Der Bund hat die ersten 25 Löschfahrzeuge einer neuen Generation an die Freie und Hansestadt Hamburg übergeben. Damit wird endlich die notwendige Modernisierung der Fahrzeuge in Angriff genommen, die das Bundesministerium des Innern den Ländern für den Katastrophenschutz ergänzend zur Verfügung stellt“, betonte der Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV), Hans-Peter Kröger. Schlüsselübergabe der 25 LF KatS des Katastrophenschutzes in Hamburg mit (v. li.) DFV-Präsident Hans-Peter Kröger, dem neu gewählten Landesbereichsführer André Wronski, Hamburgs Innensenator Heino Vahldieck, dem Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Ole Schröder, Feuerwehrangehörigen, BBK-Präsident Christoph Unger, Hamburgs Feuerwehrchef Klaus Maurer und dem ehemaligen Landesbereichsführer Hermann Jonas. (Fotos: DFV/S. Jacobs) Aufgereihte Fahrzeuge vor dem Hamburger Traditionsrestaurant „Old Commercial Room“ am Fuße des Michel. „Vier Jahre lang hat der Deutsche Feuerwehrverband mit seinen Mitgliedsorganisationen durch Überzeugungsarbeit bei Bund und Ländern beharrlich auf diesen Augenblick hingearbeitet“, erläuterte Kröger. „Wir müssen mehr denn je mit 44 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 1 2011 „Bund und Länder haben noch unter Minister Dr. Schäuble vereinbart, im Verhältnis zwei zu eins gemeinsam in den Katastrophenschutz zu investieren. Grundlage für die Modernisierung ist das im vergangenen Jahr novellierte Zivil- und Katastrophenschutzgesetz. Wir danken dafür, dass der Bund bis jetzt Wort gehalten hat. Diese Absprachen müssen aber auch in den kommenden Jahren Bestand haben. Wir fordern deshalb dringend Verlässlichkeit bei der Umsetzung des Beschaffungsprogramms.“ sagte Feuerwehr-Präsident Kröger. sö 12 s00 Forum 2011-1:Layout 1 31.01.2011 11:49 Seite 45 Aufklärung per SMS Das Rote Kreuz bereitet Haitianer auf Katastrophen besser vor „Kontinye bay tibebe yo tete kòmsadwa, menmsi yo gen dyare.“Das ist Kreolisch und heißt: „Geben Sie Ihrem Baby die Brust, auch wenn es Durchfall hat.“ Das war Nachricht Nummer Zwei. Wenige Stunden bevor Zehntausende Haitianer im Oktober diese Zeilen auf ihrem Handy fanden, war dort bereits zu lesen gewesen: „Bringen Sie jeden, der sich übergibt, Magenschmerzen oder Durchfall hat, in ein Gesundheitszentrum. Verlieren Sie keine Zeit.“ Beides sind Nachrichten, in denen das Rote Kreuz Menschen informiert, wie sie sich angesichts der Cholera richtig verhalten. Mobiltelefone sind in Haiti weit verbreitet – wo Festnetzleitungen Mangelware sind, geht es ohne Handys kaum. Dies ermöglicht einen bisher einzigartigen Weg für das Rote Kreuz: Katastrophen-Vorsorge per SMS. In einer anderen Aktion warnten die Kurznachrichten vor den nahenden Wirbelstürmen: „Schließen Sie Fenster und Türen, wenn Sie in einem Haus leben. Zurren Sie Seile fest, wenn Sie in einem Zelt leben. Die Wirbelstürme nahen.“ Das Prinzip ist immer das gleiche: Vorsorge bedeutet, Menschen vor Katastrophen zu warnen und sie vorzubereiten. Als die Cholera ausbrach, half das DRK dem Haitianischen Roten Kreuz außerdem, binnen weniger Tage ein Behandlungszentrum für Cholerapatienten in der kleinen Küstenstadt Arcahaie einzurichten. Wöchentlich werden hier Hunderte Patienten behandelt. Begonnen hat das Engagement des DRK lange vor dem Beben: Seit Jahren unterstützt es das Haitianische Rote Kreuz bei der Ausbildung von Freiwilligen, zum Beispiel in Erster Hilfe, Rettungsmaßnahmen und Gesundheitsvorsorge. Nach dem Katastrophenvorsorge per SMS. (Foto: DRK) Beben leisteten sie, ebenso wie bei dem Ausbruch der Cholera, unschätzbare Hilfe. „Eine Schule in den Bergen“ Es kommt nicht allzu häufig vor, dass eine Schule den Namen eines – lebenden – 37-Jährigen trägt. In einem kleinen Bergdorf in der Nähe der Stadt Leogane ist es so. So beliebt ist der junge Abt dort, dass kein Mensch die Dorfschule bei ihrem richtigen Namen „St. Charles Bourroumé“ nennt. Für die Obstbauern und ihre Kinder heißt sie einfach „Frère Olizard“. Und wie ließe sich schöner würdigen, dass einer mit gerade 29 Jahren beschloss, einen Ort der Bildung und damit der Zukunft für die Drei- bis 17Jährigen zu schaffen? Bruder Olizard – Gründer der Dorfschule in der Nähe der Stadt Leogane. Das Erdbeben machte aus dem Hauptgebäude der Schule ein Trümmerfeld. Notdürftig unterrichteten die Lehrer unter Mangobäumen. Wenn dort gerade kein Unterricht stattfand, trommelte Bruder Olizard Kinder wie Eltern zusammen, das eingestürzte Gebäude wieder aufzubauen. Tapfer packten alle an – obwohl sie eigentlich alle Hände voll damit zu tun hatten, in den Plantagen das Nötigste für ihr Leben zu erwirtschaften. Immer wieder geriet der Wiederaufbau ins Stocken. 1 2011 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 45 12 s00 Forum 2011-1:Layout 1 31.01.2011 11:49 Seite 46 FORUM Bis das Deutsche Rote Kreuz kam. Zusammen mit den Helfern konnten die zerstörten Klassenräume wieder aufgebaut werden. Heute besteht die Schule aus zwei Gebäuden mit je sechs Unterrichtsräumen. Außerdem wurde verputzt und ge- Fortschritte und Rückschläge in Haiti Johanniter ziehen gemischte Bilanz nach einem Jahr Hilfseinsatz Bruder Olizard vor der Schule, die alle nach ihm benennen. (Foto: DRK) strichen; Tische und Bänke wurden gebaut. Seit Oktober lernen 400 Schülerinnen und Schüler stolz und glücklich in ihren neuen Räumen. 46 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 1 2011 Am 12. Januar 2010 bebte in Haiti die Erde. Mehr als 250.000 Menschen starben, Hunderttausende wurden verletzt, rund 1,3 Millionen Menschen wurden obdachlos. Die Johanniter leisteten mit mehreren Teams medizinische Soforthilfe und sind seither mit langfristigen Hilfsprojekten in Haiti aktiv. Die Bilanz der Johanniter-Unfall-Hilfe nach fast einem Jahr Einsatz in einem der ärmsten Länder der Welt fällt durchwachsen aus. „In Haiti gab es vor dem Beben nichts, nach dem Beben gibt es noch weniger“, sagt Birgit Spiewok, bei den Johannitern zuständig für die Haiti-Projekte. Zum Kampf gegen die Folgen des Erdbebens komme jetzt auch noch der Kampf gegen die Resignation der Bevölkerung. „Zahlreiche Menschen leben noch immer in Zelten oder notdürftigen Behausungen. Die Aufräumarbeiten gehen nur langsam voran. Zudem sind die Landrechte für viele Grundstücke nicht geklärt, was den Wiederaufbau erschwert. Auch Korruption und die kritische Sicherheitslage machen den Helfern zu schaffen. Wir brauchen einen langen Atem“, erklärt Spiewok die Situation. Geduld und Beharrlichkeit zeigen aber auch erste Erfolge: Seit Februar 2010 konnten die Johanniter in ihrer mobilen Orthopädiewerkstatt in Léogâne hunderte Menschen behandeln, die nach dem Erdbeben eine Behinderung durch schwere Knochenbrüche erlitten haben oder denen Gliedmaßen amputiert werden mussten. 16 Haitianer werden von den Johannitern zu Fachkräften ausgebildet, um eine langfristige Behandlung sicherzustellen. „Wir helfen unseren Patienten im wahrsten Sinne des Wortes wieder auf die Beine“, beschreibt Thomas Iwalla, Orthopädietechniker der Johanniter in Léogâne, seine Arbeit. „Mitzuerleben, wie je- 12 s00 Forum 2011-1:Layout 1 31.01.2011 11:49 Seite 47 mand mit Hilfe einer Prothese wieder laufen kann, ist ein wunderbares Gefühl“, so Iwalla. Die Hilfesuchenden werden zugleich physiotherapeutisch und psychosozial betreut. „Viele sind traumatisiert. Vor allem für Menschen mit Amputationen ist das Beben stets präsent. Sie müssen ein neues Köpergefühl entwickeln, lernen mit Prothesen, Gehhilfen oder Rollstühlen umzugehen. Dabei helfen wir ihnen mit zahlreichen Therapieangeboten“, erklärt der Johanniter-Fachmann. Auch der Einsatz mobiler Kliniken der Johanniter hat sich trotz aller Schwierigkeiten bewährt. Seit Februar 2010 fahren täglich drei medizinische Teams in die verschiedenen Distrikte von Léogâne und behandeln die Patienten unter freiem Himmel. Auf diese Weise konnten seither jeden Tag zwischen 200 und 300 Patienten versorgt werden. Schwerpunkte waren die Bekämpfung der Cholera durch Hygieneaufklärung und die Unterstützung staatlicher Gesundheitsmaßnahmen mit Medikamenten und medizinischem Personal. Für 2011 stehen Wiederaufbau und Unterstützung stationärer Gesundheitsstationen sowie der Aufbau eines Ambulanzwesens in Léogâne und Grand Goâve auf dem Plan. Zahlreiche Menschen unter- Haiti knapp neun Millionen Euro, davon 7,4 Millionen Euro Spenden und knapp 1,6 Millionen Euro Zuschüsse vom Bundesministerium für wirtschaft- Endlich wieder mobil - mit einer Prothese von den Johannitern können Menschen mit Behinderungen wieder ihren Alltag allein meistern. (Fotos: Johanniter/Paul Hahn) liche Zusammenarbeit und Entwicklung, vom Humanitären Büro der Europäischen Union und vom Auswärtigen Amt. Birgit Spiewok: „Diese Mittel ermöglichen es uns, perspektivisch zu denken. Wir brauchen langfristig geplante, nachhaltige Projekte, um in Haiti voranzukommen. Ein ganz konkretes Ziel unserer Fünf-Jahres-Strategie ist es zum Beispiel, die derzeit noch mobile Gesundheitsversorgung in feste Strukturen zu überführen. Unsere Ambulanzfahrzeuge können dann im Rettungsdienst eingesetzt werden. So leisten wir einen langfristigen Beitrag zum Aufbau einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung in Haiti.“ Weitere Informationen zum Haiti-Einsatz unter www.johanniter-auslandshilfe.de Mit ihren Therapienangeboten helfen die Johanniter Menschen mit Amputationen, ein neues Körpergefühl zu entwickeln und mit hren Prothesen, Gehhilfen und Rollstühlen umzugehen. Patrick Schultheis / Regina Villavicencio stützten die Hilfsorganisationen und Hilfsbündnisse wie „Aktion Deutschland Hilft“ mit einer Spende. Allein die Johanniter bekamen für ihre Arbeit in 1 2011 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 47 12 s00 Forum 2011-1:Layout 1 31.01.2011 11:49 Seite 48 FORUM Diskussion im Deutschen Bundestag assistenten und ehrenamtlichen Katastrophenschutzhelfer Dorin Kleber (Wunstorf/Hannover) und Thomas Pech (Königswusterhausen bei Berlin) ein. Sie berichteten von ihren Einsätzen in diesem Jahr Johanniter machen sich stark für integriertes während der Love Parade beziehungsweise nach Notfallvorsorgesystem dem Busunglück auf der A10 bei Berlin-Schönefeld. Dirk Dommisch, ehrenamtlicher RegionalbereitWie sicher sind Großveranstaltungen in schaftsleiter in Berlin, informierte über die GrundDeutschland? Reichen die Mittel von Hilfsorganisa- sätze der Johanniter bei der Planung von Großvertionen bei Katastrophen und Großschadenslagen anstaltungen. aus? Diese Fragen diskutierten Vertreter der JohanDas deutsche Hilfeleistungssystem ist geprägt niter-Unfall-Hilfe am 1. Dezember im Bundestag durch die Verzahnung von haupt- und ehrenamtlimit mehr als 30 Parlamentariern und weiteren Gästen. chen Kräften. Nur durch diese Kombination können Zu diesen zählten der Präsident des Bundesselbst große Unfälle oder Katastrophen effizient amtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenbewältigt werden. Rohleder und Mähnert erläuterhilfe, Christoph Unger, sowie der Chef der Berliner ten, dass eine auf rein wirtschaftliche Kriterien geFeuerwehr, Landesbranddirektor Wilfried Gräfling. stützte Rettungsdienst-Vergabe diese gewachsenen, Eingeladen hatte der Präsident der Johanniter-Ungut funktionierenden Katastrophenschutz-Strukfall-Hilfe, Hans-Peter von Kirchbach. Gemeinsam turen gefährde. Rohleder: „Wird aus diesem System ein Baustein entfernt, verliert das Gesamtsystem seine Stabilität – zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger.“ Mit Sorge beobachten Bundesund Landesvorstände, wie durch die derzeitige Ausschreibungspraxis im Rettungsdienst ehrenamtliches Engagement geschwächt wird. Mähnert: „Wir werden im Wettbewerb bestehen, unsere ehrenamtlichen Helfer aber verlieren.“ Die Parlamentarier nahmen die Sorgen Wolfram Rohleder, Mitglied des Bundesvorstandes der Johanniter-Unfall-Hilfe, erläutert der Johanniter ernst. den Abgeordneten die Vorteile der gewachsenen Katastrophenschutz-Strukturen. (Foto: Steffen Kugler) Die CDU-Abgeordnete Beatrix Philipp und der mit ihm vertraten die Belange der Johanniter unter SPD-Abgeordnete Gerold Reichenbach erklärten, anderem Wolfram Rohleder und Dr. Arnold von man sei sich des Problems und der Auswirkungen Rümker, Mitglieder des Johanniter-Bundesvorstan- auf den Katastrophenschutz bewusst. Matthias des, Thomas Mähnert, Mitglied des Landesvorstan- Miersch von der SPD ermutigte die Hilfsorganisatiodes der Johanniter in Niedersachsen-Bremen, und nen, „Druck in den Landesparlamenten zu machen“. Friedrich W. Riechmann, Bundesbeauftragter der Johanniter für Auslands- und Katastrophenhilfe. Regina Villavicencio Erfahrungen aus der Praxis brachten die Rettungs- 48 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 1 2011 12 s00 Forum 2011-1:Layout 1 31.01.2011 11:49 Seite 49 Nur Gewinner beim Malteser Bundeswettbewerb Spannung, Wettkampf, Notfalltraining: Der Malteser Bundeswettbewerb hatte es wieder in sich. Als 17. seiner Art seit 1977 führte er rund tausend Malteser und Gäste am 25. September letzten Jahres nach Trier. In den Wettbewerben der Helfer, der Malteser Jugend und – erstmals – auch der Schulsanitäter waren wieder einmal überraschend realistische Notfall-Szenarien zu bewältigen. Doch auch Spaß und Spontanität kamen nicht zu kurz. Wettkampfstimmung Ob Jugend, Schulsanitäter oder Erwachsene – alle „stehen unter Strom“, sind konzentriert, angespannt. Wer nach Trier gefahren ist, will auch gut abschneiden. „Klar sind wir gut“, sagt Patricia Hellweg, 16 Jahre, aus Neuenheerse und beschwört damit den Teamgeist. Sie ist Schulsanitäterin. Kurz danach muss sie ran. Die Aufgabe: Der Hausmeister der Schule liegt auf dem Boden. Er muss reanimiert werden. Patricia und ein Junge aus der Gruppe müssen helfen. Schluss mit lustig – sitzen die Griffe? Nicht anders an Station 7 bei den Erwachsenen. „Gasexplosion“ lautet das Szenario. Die Aufgabe: Versorgung aller 60 Verletzten. Die Verletzten laufen umher, sind geschockt, rufen um Hilfe oder sind ganz still. Einfangen, zusammenhalten, zur Sichtung führen. Zehn Minuten dauert das. Die Gruppe aus Euskirchen ist mit sich zufrieden, kennt aber die Beurteilung durch die Schiedsrichter noch nicht. „Doch, war gut“, lautet die einhellige Meinung. Schließlich kommt Schiedsrichter und sagt: „Habt ihr gut gemacht“. Bei der nächsten Gruppe sieht es etwas anders aus, der Schiedsrichter ist nicht so zufrieden. „Man sieht, wer viele solcher Situationen geübt hat und wer noch nicht“, Malteser Engagement macht stark: Der Bundeswettbewerb war der Abschluss der „Woche für das Bürgerschaftliche Engagement“ 2010. meint er. Er urteilt – mild, aber deutlich. Es herrscht eben Wettkampfstimmung. Jugendwettbewerb: Mit dem Ei auf Löffel im Rollstuhl „Teamfähigkeit, Sicherheit, Motivation - das zählt hier“, sagt Stationsleiterin Ruth beim Rollstuhlparcours der Malteser Jugend. Einer aus der Erstmals dabei: Die Schulsanitäter. 1 2011 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 49 12 s00 Forum 2011-1:Layout 1 31.01.2011 11:49 Seite 50 FORUM Gruppe sitzt mit einem Ei auf dem Löffel im Rolli, ein anderer muss ihn schieben. Pfuschen ist natürlich nicht erlaubt, sondern gibt Punktabzug. Als die Gruppen aus den Diözesen Bamberg und Paderborn parallel an den Start gehen, entsteht aber doch ein Hauch von Wettrennen. Bamberg motiviert seine Leute super, macht La Ola, läuft parallel zur Absperrung mit. Die Paderborner sind allerdings sorgfältiger beim Überfahren des Hindernisses am berg und nicht zuletzt die Gewinner des Wettbewerbs der Schulsantätsdienst-Gruppen aus der Berliner Theresienschule. Und die rund tausend Mitwirkenden, Gäste und Schlachtenbummler, die trotz nassen Wetters die Arena Trier und Umgebung mit Frohsinn und Heiterkeit füllten. Zudem konnte sich das Ehrenamt in Deutschland über öffentlichkeitswirksame Unterstützung freuen, war doch der Sanitätswettkampf zugleich Abschluss der bundesweiten „Woche für das Bürgerschaftliche Engagement“. Und nicht zuletzt haben auch die vielen Malteser gewonnen, die zu Hause die Wettkämpfe hautnah und die Siegerehrung beim Festabend sogar als Livestream im Internet verfolgen konnten. Mehr als 90 Verletztendarsteller, darunter wie immer die Lotus-Gruppe aus den Niederlanden, sorgten für Realismus pur. (Fotos: Wolf Lux) Boden. Immer rückwärts, immer mit den großen Rädern zuerst. Bei beiden sind die Eier ganz geblieben – aber ein echter Rollstuhlfahrer wäre bei den Bambergern nicht so sicher aufgehoben gewesen, meint Ruth. Paderborn jubelt, Bamberg muss an anderer Stelle Punkte sammeln. Aber jetzt zu den Gewinnern. Da waren natürlich die Sieger des Helferwettbewerbs aus Aachen, die ersten im Jugend-Wettbewerb aus Bam- 50 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 1 2011 Der Bundeswettbewerb in Zahlen • Helfer: 93 Verletztendarsteller, 50 Schiedsrichter, 46 Lotsen und ein 90-köpfiges Kochteam • Material: 9,8 Liter Kunstblut, 2,3 Kilometer Verbandmaterial, 440 Kompressen, 660 Verbandpäckchen und 150 Pakete Einmalhandschuhe • Verpflegung: 8.275 Brötchen (6.575 Brötchen, 500 Scheiben Brot, 1.200 Stück Laugengebäck), 2.400 Stück Obst (1.600 Äpfel, 400 Birnen, 400 Bananen), 510 Kilo Gemüse, 120 Kilo Kartoffelund Nudelsalat, 260 Kilo Fleisch und 900 12 s00 Forum 2011-1:Layout 1 31.01.2011 11:49 Seite 51 Quo vadis Bevölkerungsschutz – Dienstpflicht, Freiwilligendienst oder Ehrenamt? Für den Bevölkerungsschutz hat die Veränderung der Wehrpflicht einschneidende Konsequenzen. Die vom Bundeskabinett beschlossene Aussetzung der Wehrpflicht zum 1. Juli 2011 wird in den Medien ausgiebig in ihren Folgen für den Zivildienst behandelt. Auswirkungen auf den Bevölkerungsschutz und die gesamte Sicherheitsarchitektur werden bisher nur am Rande im parlamentarischen Umfeld diskutiert, wie auch der FDP-Zivildienst-Experte im Deutschen Bundestag, Florian Bernschneider, in einem Gespräch mit der ARKAT bestätigte. Immerhin haben die Innenminister und -senatoren der Länder in ihrer Ständigen Konferenz am 18./19. 11. 2010 in Hamburg auf die Auswirkungen der Strukturreform der Bundeswehr auf den Bevölkerungsschutz in Deutschland hingewiesen und den Bund gebeten, bei der Stärkung der Freiwilligendienste den Zivil- und Katastrophenschutz und dessen künftige Gewährleistung in besonderer Weise zu berücksichtigen. Auch die Bundeskanzlerin sprach in ihrer Neujahrsansprache lediglich davon, dass „dem Zivildienst ein Freiwilligendienst folgen wird“. Es gibt also berechtigten Anlass, die Begrifflichkeiten bisheriger Dienstpflichten und künftiger Freiwilligendienste zu klären. Artikel 12 a (1) GG ordnet bisher den Dienst in den Streitkräften gleichrangig mit dem Dienst in einem Zivilschutzverband und damit dem Bevölkerungsschutz zu. Artikel 12a (2) GG hingegen behandelt die Voraussetzungen zur Verpflichtung zu einem Ersatzdienst. Dem Selbstverständnis von Dienstleistenden im Zivil- und Katastrophenschutz ist daher nur schwer zu vermitteln, weshalb die bisherigen Säulen militärischer und ziviler Dienstleistung (Streitkräfte, Zivilschutz und Zivil- bzw. Ersatzdienst) künftig nicht mehr unterschieden werden sollten. Schon die Diskussion der unterschiedlichen Verpflichtungszeiten belegt den gegenwärtig bestehenden Wirrwarr um die Strukturierung künftiger Freiwilligendienste. Während der freiwillige Wehrdienst 12 bis 23 Monate betragen soll, plädiert die Bundesfamilienministerin Kristina Schröder für einen freiwilligen sechs- bis 18-monatigen Zivildienst. Mussten die vom Wehrdienst freigestellten Helfer in den Einheiten des Zivil- und Katastrophenschutzes bisher eine Verpflichtung von mindestens 6 bzw. 4 Jahren bei einer der anerkannten Trägerorganisationen oder den Regieeinheiten der Katastrophenschutzbehörden eingehen, ist die Diskussion um einen freiwilligen Dienst im Bevölkerungsschutz noch völlig offen. Klar ist: Mit der Aussetzung der Wehrpflicht ist der Zivil- und Katastrophenschutz ausschließlich auf freiwillige Mitwirkung angewiesen. Erschwerend für die Personalgewinnung im Bevölkerungsschutz ist zweifellos auch die sich anbahnende Konkurrenzsituation in Anbetracht des durch die demografische Entwicklung sinkenden Potenzials an jüngeren Freiwilligen. Überlegungen zur Einführung einer „Heimatschutzdienstpflicht“ können einen nachhaltigen Bevölkerungsschutz wohl auch kaum nachhaltig sicherstellen. Das von Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann vorgelegte Konzept einer „2 plus 4-Dienstpflicht“ mit einer 2-monatigen Grundausbildung und anschließender 4-monatiger Spezialausbildung alternativ bei der Bundeswehr oder einem der Träger im Katastrophenschutz stellt zunächst nicht sicher, dass sich die Dienstpflichtigen nach dieser 6-monatigen Ausbildung auch weiterhin freiwillig einem der Hilfeleistungsträger im Bevölkerungsschutz für einen die Kosten dieser Ausbildung rechtfertigenden Zeitraum zu Verfügung stellen werden. So sehr das Erreichen eines ganzheitlichen Ansatzes im Bereich einer dem Gemeinwesen förderlichen Dienstpflicht im gesamtgesellschaftlichen Interesse zu begrüßen wäre, scheinen die rechtlichen Hürden doch noch recht hoch zu sein. Die Folgen eines derartigen Systemwandels sollten sehr sorgfältig erwogen werden. Sowohl das Bundesamt 1 2011 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 51 12 s00 Forum 2011-1:Layout 1 31.01.2011 11:49 Seite 52 FORUM für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe als auch die Trägerorganisationen haben durch Initiativen und neue Wege in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte erzielen können, um die Attraktivität und das Ansehen des Dienstes im Bevölkerungsschutz erheblich zu steigern. So leisten inzwischen bei den Freiwilligen Feuerwehren nur noch 3 – 5 % nach § 13a Wehrpflichtgesetz bzw. nach § 14 Zivildienstgesetz freigestellte Helfer Dienst. Beim Tech- Bei den Feuerwehren ist der Anteil der Ersatzdienst Leistenden vergleichsweise gering. (Foto: Tobias dietz/pixelio) nischen Hilfswerk sind es bundesweit noch rund 15% der Helfer, die sich noch in einer nach dieser Regelung bestehenden Mindestverpflichtungszeit befinden. Die Erfahrung der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass mit der Flexibilisierung der Dienstzeiten der Anteil freiwilliger Helfer/innen gegenüber dem der verpflichteten Helfer ständig größer geworden ist, und dass von den vom Wehrdienst freigestellten Helfern erfahrungsgemäß 50% auch nach Ablauf ihrer Verpflichtungszeit in den Verbänden ehrenamtlich engagiert blieben. Die sich abzeichnende Konkurrenz zwischen den freiwilligen Diensten wird jedoch allein aus Gründen der demografischen Entwicklung nicht ausbleiben. Es 52 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 1 2011 stehen eben immer weniger junge Menschen für die Übernahme von gesellschaftlichen Aufgaben zur Verfügung. Wer sind künftig die Ansprechpartner bzw. Vermittler für potenzielle Freiwillige? Die Bundesfreiwilligenagentur dürfte für Beratungen zugunsten von Aufgaben im Bevölkerungsschutz fachlich noch wenig prädestiniert sein. Welche Rolle werden die Katastrophenschutzbehörden selbst übernehmen müssen, um für den Dienst im Bevölkerungsschutz zu werben und diesen kraft gesetzlichen Auftrages örtlich sicherstellen zu können? Unterschiedliche Überlegungen bestehen zudem im finanziellen Bereich. So sollen freiwillig Wehrdienst leistende Frauen und Männer künftig bis zu 1.100 Euro monatlich erhalten. Der FDP-Zivildienst-Experte Bernschneider tritt dafür ein, dass auch die Freiwilligen im Zivildienst Vergünstigungen erhalten müssen und nennt beispielsweise neben einer Bevorzugung bei der Studienplatzvergabe 300 Euro Taschengeld im Monat angemessen. Um nicht missverstanden zu werden: Die Beibehaltung des Ehrenamtes im Bevölkerungsschutz ist ein hohes Gut und sollte nicht leichtfertig zur Disposition gestellt werden. Fragen über Fragen also, denen sich die für das Gemeinwohl Verantwortung tragenden staatlichen und privaten Aufgabenträger dringend stellen müssen. Zur Stärkung der Freiwilligkeit besteht für den Bevölkerungsschutz erheblicher Handlungsbedarf. Wie auch der ASB-Bundesverband empfiehlt die ARKAT mehr Menschen der Generation 40+ für eine Mitarbeit im Bevölkerungsschutz zu gewinnen und von deren beruflichem Wissen und Kompetenzen zu profitieren. Hier sollten Behörden auch an die Bereitschaft zur Übernahme ehrenamtlicher Aufgaben mit behördlicher Nähe bei Führungskräften im öffentlichen Dienst appellieren. Klaus-Dieter Kühn 13 s53 Nachrichten 2011-1:Layout 1 02.02.2011 19:24 Seite 53 NACHRICHTEN Abflusssimulationsmodell für Extremniederschläge ten Software ist es, die Schadensereignisse an Gebäuden und Bauwerken bei plötzlichen Extremwetter- Anfang Juli 2010 trat nach extremen Regenfällen der sonst eher beschauliche Mehlemer Bach in Wachtberg und Bonn über die Ufer und richtete erhebliche Schäden an. Das BBK hat aus diesem Anlass die Entwicklung eines umfangreichen Abflusssimulationsmodells für Extremniederschläge beauftragt. Untersucht werden dabei die dicht bebauten, hängigen Zuflussgebiete des Mehlemer Baches. Vorgesehen ist eine sehr detaillierte Abbildung der Überflutungsvorgänge in diesen Ortschaften mit dem Ziel, die Auswirkungen der Flutwellen auf Einzelgebäude und Anlagen der Infrastruktur zu beurteilen. Dabei werden die Geländestrukturen detailliert selbst bis auf niedrige Bruchkanten (z.B. Bordsteine) herunter erfasst. Die „Jahrhundertflut“ des Mehlemer Bachee in Wachtberg und Bonn im Juli 2010 verursachte beträchtliche Sachschäden. (Foto: privat) 3-D Hangabfluss-Simulationsmodell. Anhand digitaler Vermessungsdaten können die Auswirkungen von Extremregenmengen auf Gebäude und andere bauliche Anlagen abgebildet werden. (© Hydrotec, Aachen) Mit Computersimulationen können dann unterschiedliche Niederschlagsmengen aufgegeben und die Abflussströme über Strassen, Wege und das Gelände nachgestellt werden. Ziel der neu entwickel- situationen vorher zu prognostizieren, um bauliche Präventivmaßnahmen zu entwickeln. Das Wissen über die Zusammenhänge bei den Abflussmechanismen und den schädigenden Einwirkungen auf Gebäude sowie über das Vorhalten darauf abgestimmter baulicher Präventivmaßnahmen kann zukünftig erhebliche Bau- und Vermögensschäden bei solchen Extremereignissen vermeiden. Das Modell kann nach einer Verifizierungsphase auch als Muster für andere Städte und Gemeinden mit ähnlichen städtebaulichen Situationen dienen. Parallel zu diesem Vorhaben hat die Bezirksregierung Köln aufgrund der EU-Richtlinien über die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken die Erarbeitung der Hochwassergefahren- und Risikokarten für den Verlauf des eigentlichen Mehlemer Baches, womit vor allem die Auswirkungen der Überflutungen selbst beurteilt werden können, in Auftrag gegeben. Beide Aufträge werden von einem Ingenieur-Büro durchgeführt, so dass die Untersuchung von der Entstehung über das Ereignis selbst bis hin zum Abfluss in den Rhein in einer Hand liegt und ein Optimum an Synergien möglich ist. Es ist beabsichtigt, dieses Projekt nach der ersten Anlaufphase auch der Gemeinde Wachtberg und der Stadt Bonn vorzustellen. Der Abschluss der Arbeiten ist für August 2011 vorgesehen. Michael Turley 1 2011 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 53 13 s53 Nachrichten 2011-1:Layout 1 02.02.2011 19:24 Seite 54 NACHRICHTEN Bund übergibt Fahrzeuge für 5,6 Milionen Euro an Hamburg Neue Löschgruppenfahrzeuge für den Katastrophenschutz Ole Schröder, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, hat am 8. Dezember 2010 symbolisch die Fahrzeugschlüssel für 25 Die ersten 25 einer neuen Generation von Löschfahrzeugen wurden in Hamburg übergeben. (Foto: BBK) Löschgruppenfahrzeuge für den Katastrophenschutz (LF-KatS) an das Bundesland Hamburg überreicht. Die Fahrzeuge sind Teil des Ausstattungs- konzeptes des Bundes und werden vom BBK ausgeliefert. Vor dem Hauptportal der St. Michaelis Kirche übernahm Innensenator Heino Vahldieck die Löschgruppenfahrzeuge, die einen Gesamtwert von 5,6 Millionen Euro haben. Sie ergänzen den Katastrophenschutz der Freien und Hansestadt Hamburg. „Eine moderne und effektive Technik sowie eine fundierte Ausbildung sind wichtige Grundlagen für einen funktionierenden Katastrophenschutz. Doch ohne den engagierten Einsatz der zahlreichen ehrenamtlichen und hauptamtlichen Helferinnen und Helfer, nutzt eine noch so gute technische Ausrüstung niemandem. Mit der Bereitstellung dieser modernen Einsatzfahrzeuge leistet der Bund auch einen wichtigen Beitrag dazu, die Motivation der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer in der Feuerwehr zu erhöhen.“, sagte Schröder. Die Löschgruppenfahrzeuge sind ein wesentlicher Bestandteil des Ausstattungskonzeptes des Bundes für den Katastrophenschutz, das 2007 von der Innenministerkonferenz verabschiedet worden ist. Im letzten Jahr hat Hamburg bereits 22 neue Krankentransportwagen erhalten. 2010 kamen vier Mannschaftstransportwagen und ein Einsatzleitfahrzeug für die Analytische Task Force hinzu. Ein Löschgruppenfahrzeug verfügt über einen Löschwassertank mit 1000 Litern Wasser, zwei leistungsfähige Pumpen und mehr als 600 Meter Schlauchmaterial. Außerdem ist das Fahrzeug mit einer umfangreichen Spezialausstattung versehen. IMPRESSUM Herausgegeben im Auftrag des Bundesministeriums des Innern vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Provinzialstraße 93, 53127 Bonn Postfach 1867, 53008 Bonn [email protected] http://www.bbk.bund.de Erscheint im Februar, Mai, August und November Redaktionsschluss ist jeweils der 1. Werktag des Vormonats. Redaktion: Ursula Fuchs (Chefredakteurin), Tel.: 022899-550-3600 Nikolaus Stein, Tel.: 022899-550-3609 Margit Lehmann, Tel.: 022899-550-3611 Petra Liemersdorf-Strunk, Tel.: 022899-550-3613 Julia Wiechers, Tel.: 022899-550-3615 Layout: Nikolaus Stein Abo-Verwaltung: Margit Lehmann, [email protected] 54 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 1 2011 Druck, Herstellung und Vertrieb: BONIFATIUS Druck · Buch · Verlag Karl Schurz-Straße 26, 33100 Paderborn Postf. 1280, 33042 Paderborn Tel.: 05251-153-0 Fax: 05251-153-104 Manuskripte und Bilder nur an die Redaktion. Für unverlangt eingesandte Beiträge keine Gewähr. Nachdruck einzelner Beiträge, auch im Auszug, nur mit Quellenangabe und mit Genehmigung der Redaktion gestattet. Mit Namen gezeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers wieder und müssen nicht unbedingt mit der Auffassung der Redaktion übereinstimmen. Bei Nichterscheinen der Zeitschrift im Falle höherer Gewalt oder bei Störung des Arbeitsfriedens besteht kein Anspruch auf Haftung. 14 s55 Register2010:Layout 1 31.01.2011 13:25 Seite 55 REGISTER 2010 KRISENMANAGEMENT EHRENAMT Förderung des Ehrenamtes im Bevölkerungsschutz Ehrenamt und Migration Ehrenamt und Integration Helferpotenziale Ehrenamt ist Ehrensache 1/ 1/ 1/ 1/ 1/ S. 4 S. 8 S. 10 S. 14 S. 17 LÜKEX LÜKEX 09/10 LÜKEX: Übungsserie und System OHNE GRENZEN Schweizer Bevölkerungsschutz Handlungsgrundlagen „Experimentelle Partnerschaft“ Psychologische Nothilfe und psychosoziale Notfallversorgung Dicke Luft? Der Bevölkerungsschutz in Deutschland Wo Schweizer Feuerwehrleute deutsche Luft atmen Ein Unwetter über der Landesgrenze „Gemeinsam werden wir immer besser“ Der Mikrofilm ist auch im digitalen Zeitalter aktuell 1/S. 27 1/S. 32 4/S. 30 Neue Handlungsgrundlage Qualitätssicherung Krisenmanagement in NRW 2/ S.2a 2/ S.4a 2/ S.8a 2/ S.12a 2/ S.15a 2/ S.4b 2/ S.6b 2/ S.9b 2/ S.13b NOTFALLVORSORGE „Unser Auftrag ist die Information der Bevölkerung“ Panik in großen Menschenmengen MESSE 3/S. 28 3/S. 30 Interschutz 2010 ILA 2010 KATASTROPHENMEDIZIN Katastrophenrecht 3/ S. 7 3/ S. 10 3/ S. 14 3/ S. 18 KONGRESS Netzwerke für den erfolgreichen Bevölkerungsschutz 4/S. 35 ZIVILSCHUTZ-HUBSCHRAUBER 1/S. 35 4/S. 37 4/S. 2 4/S. 6 Ein Traum(a)-Hubschrauber? Ein ganz normaler Tag ... 4/S. 13 4/S. 19 ARBEITER-SAMARITER-BUND 1/S. 22 „HiK“ – Zusammrnarbeit der Hilfsorganisationen im KatS in Rheinland-Pfalz 1/S. 37 First-Assistence-Samaritan-Teams (FAST) 3/S. 36 Schnelle Hilfe auf dem Wasser 4/S. 38 INTERNATIONAL Katastrophenschutz made by EU 3/S. 31 3/ S. 2 CBRN-SCHUTZ „CBRN-Aktionsplan der EU Deutschland ist gut vorbereitet Das BiGRUDI-Projekt – schnelle BT-Diagnostik für unterwegs? Da liegt was in der Luft 1/ S. 20 4/S. 25 2/ S.17b KRITIS Strategische Meilensteine Werkzeuge zum Schutz kritischer Infrastrukturen Weitgehende Abhängigkeiten Wege durch das Chaos Wechselwirkungen 3/S. 21 3/S. 25 1 2011 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 55 14 s55 Register2010:Layout 1 31.01.2011 13:25 Seite 56 REGISTER 2010 TECHNISCHES HILFSWERK Erster THW-Gerätekraftwagen von Rosenbauer Hochwasser in Polen: THW-Pumpen lassen Pegel sinken An die Brücke, fertig, los! Orion 2010: In Großbritannien bebt die Erde JOHANNITER-UNFALL-HILFE 1/S. 40 3/S. 38 4/S. 40 4/S. 42 DEUTSCHE LEBENS-RETTUNGSGESELLSCHAFT Zentraler Wasserrettungsdienst Küste neu organisiert Strömungsretter der DLRG auf der INTERSCHUTUZ 2010 in Leipzig Wieder kommt die Flut im Sommer Junger Mann mit Plan “Hier ist jeder für den anderen da“ Hilfe zur Selbsthilfe in der Karibik Immer noch kein einfacher Einsatz Der Einsatz, den keiner vergisst Bessere Hilfe für Menschen in belastenden Situationen 1/S. 46 1/S. 47 1/S. 48 3/S. 45 4/S. 49 4/S. 50 MALTESER HILFSDIENST 1/S. 42 Üben unter extremen Bedingungen Wetter schlecht, Einsätze normal, Ökumene vorbildlich Hilfe sofort und danach Mit Hingabe dabei 1/S. 49 3/S. 47 4/S. 51 4/S. 52 3/S. 40 4/S. 44 ARKAT DEUTSCHER FEUERWEHRVERBAND Feuerwehrplattform auf EU-Ebene initiieren Angela Merkel gegen Sparmaßnahmen bei der Feuerwehr „Ohne das Ehrenamt läuft nichts“ Europas Feuerwehren rücken enger zusammen Berliner Abend 2010 1/S. 43 3/S. 42 3/S. 42 3/S. 43 4/S. 46 DEUTSCHES ROTES KREUZ Unterstützung des Sanitätsdienstes der Bundeswehr im Inland Sechs Monate nach Haiti-Erdbeben Pakistan: Hilfe für eine Million Menschen 56 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 1 2011 1/S. 44 3/S. 44 4/S. 48 Facheinheit „Information und Kommunikation“ (IuK) im KatS der Stadt Cuxhaven Bildung einer Regieeinheit IuK-Zentrale im Gefahrenabwehrzentrum Marburg-Biedenkopf Der ABC-Zug Münchenn Land erhält das erste einer Reihe neuer Strahlenschutzfahrzeuge 1/S. 50 3/S. 48 4/S. 53 KULTURGUTSCHUTZ IN DEUTSCHLAND Schloss Nossen, Sachsen Sonnenobservatorium von Coseck, Sachsen-Anhalt Rittersitz Salzau, Schleswig-Holstein 1/S. 57 3/S. 57 4/S. 57 15 u3 Jan 2011:Layout 1 03.02.2011 13:23 Seite 1 KULTURGUTSCHUTZ IN DEUTSCHLAND Heute: Burg Gleichen Wandersleben, Thüringen Bei Gotha steht die mittelalterliche Burgruine auf einem Kalksteinfelsen etwa 100 Meter über der umgebenden Landschaft. Im Jahr 1034 wurde die Burg in den Annalen des Klosters Reinhardsbrunn als „Gliche“ erstmalig erwähnt; abgeleitet vom keltischen „glich“, was Felsen bedeutet. Die Burg wurde 1088 von Truppen des Kaisers Heinrich IV vier Monate lang belagert. Auf der Burg hatte sich Ekbert II, Markgraf von Meißen, verschanzt. Nach dem überraschenden Ausbruch am Weihnachtsabendwurde der Belagerungsring gesprengt und die Belagerer in die Flucht geschlagen. 1130 ging die Burg in den Besitz der Erzbischöfe von Mainz über. Von dort gelangte sie 1162 als Lehen an die Grafen von Tonna, die sich dann die Grafen von Gleichen nannten. Diese residierten bis 1455 auf der Burg. Graf Philip Ernst von Gleichen ließ 1587 einen kostspieligen schlossähnlichen Renaissancebau errichten. Der letzte Graf von Gleichen verstarb 1631. Die vielen nachfolgenden Burgbesitzer ließen die Burg seit 1735 verfallen, da sie selbst nicht mehr in der Burg wohnten. Bis zum Jahr 1793 gehörte die Burgruine den Grafen von Hatzfeld. Danach fiel sie 1803 durch den Reichsdeputationshauptschluss an Preußen und geriet 1806 unter die Herrschaft der Franzosen. 1816 schenkte Napoleon die Burgruine der Universität Erfurt. Viele Sagen und Legenden ranken sich um das alte Adelsgeschlecht. Die romantischste ist wohl die „Sage vom zweibeweibten Grafen“ aus der Zeit der Kreuzzüge. Dieser Graf von Gleichen soll in Gefangenschaft der Sarazenen geraten und zu schwerer Arbeit verurteilt worden sein. Die Sultanstochter Melechsala verliebte sich in ihn und bat für ihn um Gnade, sodass er leichtere Arbeiten im wunderbaren Sultansgarten erledigen durfte. Dort konnten sich der Graf und die Sultanstochter auch unbehelligt treffen und Zukunftspläne schmieden. Burg Gleichen Wandersleben im Burgenensemble Drei Gleichen Thüringen. (© picture alliance) Melechsala wollte dem Grafen zur Flucht verhelfen, stellte jedoch die Bedingung, dass er sie als seine Zweitfrau mitnähme. Nach anfänglichem Zögern überwog beim Grafen das Heimweh und die beiden flohen zunächst nach Italien, wo der Papst, berührt vom Schicksal des Paares, die Zweitehe des Grafen segnete. Endlich in der Heimat angelangt, wurden der Graf und die Sultanstochter im gräflichen Vorwerk freudig von der ersten Gattin des Grafen empfangen; an dieser Stelle entstand das Gasthaus „Freudenthal“. Der Graf und seine beiden Gattinnen lebten bis ans Ende ihrer Tage glücklich und in Eintracht. Ihr gemeinsames Grabmal ist im Erfurter Dom zu bewundern. Mit ersten Sicherungsmaßnahmen wurde Ende des 19. Jahrhunderts begonnen und im Bergfried ein kleines Burgmuseum eingerichtet. 1998 erfolgte die Übernahme durch die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten. ml 1 2011 BEVÖLKERUNGSSCHUTZ 16 u4 2011-1:Layout 1 03.02.2011 13:02 Seite 1 Bevölkerungsschutz Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe Postfach 1867, 53008 Bonn PVSt, Deutsche Post AG, Entgelt bezahlt, G 2766 Der Nutzen von Geoinformationen für den Bevölkerungsschutz ist unbestritten; die Risikoanalyse kann diesen Nutzen beispielhaft aufzeigen (S. 9 ff und S. 14 ff). So vielfältig wie die Daten sind die Möglichkeiten ihrer Ermittlung. Die Palette reicht hier von Internet-Projekten, an denen sich auch Laien ohne besondere Vorkenntnisse beteiligen können (S. 18 ff und S. 24 ff ), über luftgestützte Aufklärungssysteme (S. 32 ff) bis hin zur Weltraumtechnik (S. 28 ff). Das Bild oben zeigt, wie während der Mission SRTM (Shuttle Radar Topography Mission) die Oberfläche der Erde gescannt wurde. Ziel war die Herstellung einer dreidimensionalen Weltkarte. Das Titelbild zeigt den Radarsatelliten TanDEM-X im engen Formationsflug mit seinem „Zwilling“ TerraSAR-X. Die beiden Satelliten arbeiten synchron und sind in der Lage, gleichzeitig Aufnahmen desselben Gebietes zu machen. (Bilder: DLR)