Schulter und Schultergürtel ± Luxationen
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Schulter und Schultergürtel ± Luxationen
Schulter und Schultergürtel ± Luxationen Schulter und Schultergürtel ± Luxationen N. P. Südkamp, M. Jaeger Department Orthopädie und Traumatologie, Universitätsklinikum Freiburg Der Schultergürtel ist ein komplexes anatomisches Gebilde, das aus 3 echten und 2 Nebengelenken be− steht und als eine funktionelle Einheit zu betrachten ist. Luxationen des Sternoklavikulargelenkes sind sehr selten. Dagegen prädisponiert die große, überwiegend ligamentär und muskulär gesicherte Bewegungsfrei− heit des Glenohumeralgelenkes zu gehäuft auftreten− den Luxationen insbesondere des sportlich aktiven Menschen. Zum Verständnis der Luxationen trägt eine genaue Kenntnis der Anatomie sowie der biomechani− schen Besonderheiten der jeweiligen Gelenke bei. Bei Luxationen aller 3 Gelenke des Schultergürtels ist eine subtile Diagnostik Voraussetzung für eine genaue Klassifikation der Verletzung. Diese ist wiederum Grundlage einer patientengerechten Therapie. In die− sem Beitrag wird daher ein besonderes Augenmerk auf die klinische Diagnostik und Klassifikation der Luxatio− nen gelegt. Darauf aufbauend werden Therapiekon− zepte aufgezeigt, die von konservativen Behandlungs− methoden bis zu operativen, bei glenohumeralen Luxationen überwiegend arthroskopischen Stabilisie− rungsverfahren reichen. In der Hand des Geübten sind mit arthroskopischen Techniken ähnlich gute Ergebnis− se wie durch die etablierten Standards der offenen Operationsverfahren zu erreichen. Einleitung Art. acromioclavicularis Anatomie und Biomechanik des Schultergürtels Die obere Extremität steht über den Schultergürtel mit dem Thorax in gelenkiger Verbindung. Der Schultergür− tel selbst besteht neben der Klavikula und der Skapula aus 5 Gelenken (Abb. 1 ): n Sternoklavikulargelenk, n Akromioklavikulargelenk, n Glenohumeralgelenk, n Thorakoskapulargelenk, n subakromiales Nebengelenk. Bei den beiden zuletzt genannten Gelenken handelt es sich nicht um Gelenke im herkömmlichen Sinne. Sie werden als Nebengelenke bezeichnet und sind funktio− nell an der Gesamtbeweglichkeit des Schultergürtels wesentlich beteiligt. Erst das Zusammenspiel aller 5 Gelenke ermöglicht den außergewöhnlichen Bewe− gungsumfang der Schulter, wobei das Glenoid durch Rotations− und Translationsbewegungen der Skapula variabel eingestellt wird. Bei Abduktion und Elevation des Armes überwiegt in der 1. Phase, d. h. in den ersten 30 8, die Bewegung im Glenohumeralgelenk. In der Folge bewegen sich Humerus und Skapula im Verhältnis 2 : 1 mit, wobei bis zu 120 8 auf die Beweglichkeit im Gleno− Costa I sog. „SchulterblattThorax-Gelenk“ Clavicula Acromion sog. „subakromiales Nebengelenk“ Art. sternoclavicularis Caput humeri Manubrium sterni Proc. coracoideus Art. humeri (glenohumeralis) Scapula, Facies costalis Costae Humerus Abb. 1 n Überblick über die 5 Schultergelenke. humeralgelenk und bis zu 60 8 auf die Beweglichkeit des übrigen Schultergürtels, d. h. die Rotation und Transla− tion der Skapula entfallen (Abb. 2 ). Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 95 ± 124 ê DOI 10.1055/s−2006−924991 95 Schultergürtel und obere Extremität Abb. 2 n Kombi− niertes Zusam− menspiel der knöchernen und gelenkigen An− teile des Schul− tergürtels bei der Abduktion des Armes in der Ansicht von ventral. Das Sternoklavikulargelenk (Abb. 3 ) ist ein Sattelge− lenk, dessen inkongruente Gelenkflächen von einem Discus articularis getrennt und ausgeglichen werden. Die Beweglichkeit des Sternoklavikulargelenkes wird häufig unterschätzt. Es ermöglicht einen Bewegungs− umfang in der Vertikalebene von ca. 45 8, in der Trans− versalebene von ca. 60 8 sowie als Rotation um die Längsachse der Klavikula von ca. 45 8. Da die Gelenk− kapsel des Sternoklavikulargelenkes von den dickwan− digen und festen Ligg. sternoclavicularia anterior und posterior verstärkt wird und die Unterfläche der Klavi− kula mit dem Knorpel der 1. Rippe über das Lig. costo− claviculare verbunden ist, sind Luxationen des Sterno− klavikulargelenkes sehr selten. Das Akromioklavikulargelenk (Abb. 4 ) ist ein planes Gelenk, dessen Gelenkflächen von einem in seiner Form variablen Discus articularis ausgeglichen werden. Die Beweglichkeit des Akromioklavikulargelenkes ist eng mit der des Sternoklavikulargelenkes gekoppelt, wobei die Grenzbewegungen beider Gelenke auf einem Kegel− mantel liegen. Dabei lässt das Akromioklavikulargelenk insbesondere translatorische Bewegungen nach ventral und dorsal, nach kranial und kaudal sowie rotatorisch um die Längsachse der Klavikula zu. Nach Inman kommt es zu Bewegungen im Akromioklavikulargelenk bei der initialen Schulterabduktion und −elevation bis ca. 30 8 sowie wieder ab ca. 135 8. Horizontal wird das Akromioklavikulargelenk neben seiner Gelenkkapsel durch das kräftige Lig. acromioclaviculare superius und die Faszien des M. deltoideus und des M. trapezius stabilisiert. Die vertikale Stabilität erfolgt durch das Lig. coracoclaviculare mit seinem lateralen Lig. trapezoi− deum und medialen Lig. conoideum. 96 Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 95 ± 124 Das Glenohumeralgelenk ist ein Kugelgelenk und wird gebildet aus einem relativ großen Humeruskopf (mit einem durchschnittlichen Durchmesser von ca. 44 mm) und einer vergleichsweise kleinen Gelenkpfan− ne (durchschnittliche Größe von 35 mm 25 mm). Die− ses Größenungleichgewicht beinhaltet zwar einen gro− ßen Bewegungsumfang des Glenohumeralgelenkes, bedingt aber auch eine anatomische Instabilität des Gelenkes. Da im Gegensatz zu anderen Gelenken eine knöcherne Führung fehlt, wird es vorwiegend muskulär sowie durch Bänder stabilisiert (Abb. 5 ). Man unter− scheidet statische von dynamischen Stabilisatoren, die einer Gelenkinstabilität entgegen wirken. Zur statischen Stabilisation tragen die knöcherne Konfiguration des Humeruskopfes sowie des Glenoids bei, aber auch das Labrum glenoidale, die Gelenkkapsel und der glenohumerale Bandapparat. Der Humeruskopf bildet mit dem Humerusschaft einen Winkel von 130 ± 150 8 und ist gegenüber dem distalen Humerusende um ca. 30 ± 45 8 nach dorsal ge− dreht. Patienten mit rezidivierender vorderer Schulter− luxation weisen signifikant kleinere Werte auf. Des Weiteren wird bei einer vermehrten Anteversion des Glenoids gehäuft eine vordere und bei einer vermehrten Retroversion des Glenoids gehäuft eine hintere Schul− terinstabilität beobachtet. Der durchschnittliche transversale glenohumerale Index (TGHI) beträgt 22/44 entsprechend 0,57. Kleinere TGHI prädisponieren zur Instabilität. So können z. B. nichttherapierte Pfannenrandfrakturen zu einer chronischen Instabilität führen, insbesondere, wenn die kritische Größe von ca. 1/5 der unteren Gle− Schulter und Schultergürtel ± Luxationen Lig. sternoclaviculare anterius Clavicula Discus articularis Lig. interclaviculare Lig. costoclaviculare Costa I Cartilago costalis Lig. sternocostale radiatum Abb. 3 n Manubrium sterni Art. sternocostalis Das Sternoklavikulargelenk und sein Bandapparat in der Ansicht von ventral. noidfläche oder aber 1,5 cm in kraniokaudaler Richtung abgetrennt sind. Das Labrum glenoidale vergrößert die Gelenkfläche des Glenoids um ca. 1/3 und optimiert die Gelenkkon− gruenz. Die Gelenkkonkavität wird durch das Labrum fast verdoppelt. Es bildet zusammen mit der Gelenk− kapsel, den glenohumeralen Bändern, der langen Bi− zepssehne und der Trizepssehne eine funktionelle Einheit, die als periartikuläres Fasersystem (PAFS) be− schrieben wird. Dieser Labrum−Ligament−Komplex stellt einen wichtigen Stabilisator des Glenohumeralge− lenkes dar. Die Schultergelenkkapsel ist weit und ins− besondere im hinteren Anteil, der nicht durch Bänder verstärkt wird, sehr dünn. Im kranialen Anteil wird die Gelenkkapsel durch das Lig. coracohumerale, im vent− ralen Bereich durch die 3 glenohumeralen Bänder (Ligg. glenohumeralia superius, mediale, inferius ± SGHL, MGHL, IGHL) verstärkt (Abb. 5). Diese weisen eine gro− ße interindividuelle Variabilität auf, die nach Morgan (1991) eingeteilt werden kann (Tab. 1 ). Das superiore glenohumerale Ligament stabilisiert zusammen mit dem korakohumeralen Ligament das Glenohumeralgelenk in Adduktion gegen eine inferiore Translation sowie bei Anteversions− oder Abduktions− bewegungen gegen eine posteriore Translation. Ver− letzungen im oberen Kapsel−Band−Komplex können experimentell und klinisch zu einer inferioren Schulter− instabilität führen. Das mediale glenohumerale Liga− Extremitas Lig. acromio- acromialis claviculare Lig. coracoclaviculare Lig. trapezo- Lig. conoideum ideum Clavicula Acromion Fornix humeri Lig. coracoacromiale Extremitas sternalis Angulus superior Proc. coracoideus Caput humeri Lig. transversum scapulae superius Incisura scapulae Tuberculum majus Tuberculum minus Sulcus intertubercularis Scapula, Facies costalis Cavitas glenoidalis Margo medialis Humerus Abb. 4 n Das Akromioklavikulargelenk und sein Bandapparat. ment (MGHL) stabilisiert das Glenohumeralgelenk an− teriorseitig bei Abduktion und Außenrotation. Sowohl der vordere als auch der hintere Anteil des inferioren glenohumeralen Ligamentes (IGHL) stellen sehr wichti− ge Stabilisatoren bei Abduktions− und Rotationsbewe− gungen dar. Zwischen ihnen wird der Humeruskopf wie in einer Hängematte aufgenommen. Turkel et al. wiesen schon 1981 auf die stabilisierende Bedeutung des IGHL hin und zeigten den Zusammenhang zwischen einer Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 95 ± 124 97 Schultergürtel und obere Extremität Abb. 5 n Glenohumerale Bänder. Ansicht der Schulter von lateral. Lig. coracoacromiale Akromion M. supraspinatus M. infraspinatus Lig. glenohumerale superius (SGHL) lange Bizepssehne (LBS) Supskapularissehne dorsale Kapsel M. teres minor Lig. glenohumerale inferius (IGHL, mit vorderer und hinterer Verstärkung) Lig. glenohumerale medius (MGHL) Cavitas glenoidalis M. subscapularis M. triceps brachii Darüber hinaus wird ein stabilisierender, negativer intraartikulärer Druck beschrieben, der ähnlich einem Vakuumeffekt bei intaktem Kapsel−Band−Komplex durch Zugkräfte entsteht. Zu den dynamischen Stabilisatoren werden die Rotatorenmanschette, bestehend aus den Mm. subsca− pularis, supraspinatus, infraspinatus und teres minor sowie das Caput longus des M. biceps brachii gezählt. Aber auch die skapulothorakale Muskulatur (Mm. ser− ratus anterior, thomboidei, levator scapulae, trapezius, pectoralis minor) und die skapulohumerale und thora− kohumerale Muskulatur (Mm. latissimus dorsi, teres major, pectoralis major) sind wichtige Stabilisatoren im Rahmen des Muskelpatternings. Hierdurch wird ge− währleistet, dass das Glenoid optimal zum Humerus− kopf eingestellt wird und der Nettokraftvektor aller Muskeln durch den Mittelpunkt des Glenoids läuft. Die Hauptaufgabe der Rotatorenmanschette ist es, den Humeruskopf durch ein geordnetes Zusammenspiel, einer sog. muskulären Balance, in der Gelenkpfanne zu zentrieren und Translationsbewegungen entgegen zu wirken. Die lange Bizepssehne stabilisiert das Gleno− humeralgelenk bei Abduktion und Außenrotation. Schulterblatt Luxationen des Sternoklavikular− gelenkes Tabelle 1 Arthroskopische Einteilung der ventralen Kapsel−Band−Strukturen nach Morgan Epidemiologie Gruppe Häufigkeit Arthroskop. Erscheinungsbild der ventralen Kapsel−Band−Strukturen I 66 % klassische Situation mit klar abgrenzbarem SGHL, MGHL und IGHL II 7% III 19 % ¹cordlike“ MGHL mit hohem Ansatz und einem sublabralem Foramen Die Inzidenz der traumatischen Sternoklavikularge− lenkluxation ist niedrig und kann nach Cave et al. (1974) mit ca. 3 % angenommen werden. Nicht selten wird eine Luxation primär übersehen und erst verspätet diagnos− tiziert. Bei direkter, hoher Gewalteinwirkung kann eine hintere Luxation auftreten. Häufiger ist jedoch ein indi− rekter Unfallmechanismus zu beobachten, der eine vor− dere Luxation hervorruft, so z. B. beim Sturz auf den ab− duzierten Arm. IV 8% konfluierte ventrale Gelenkkapsel ohne abgrenz− bare Bandstrukturen konfluiertes MGHL und IGHL, die sich nicht separieren lassen traumatischen Schulterluxation und der Entstehung einer Bankart−Läsion auf. Da in 90 8 Abduktion (z. B. während einer Wurfbewegung des Armes) der Einfluss der dynamischen Stabilisatoren auf das glenohumerale Gelenk am geringsten ist, wird in dieser Stellung die gesamte Stabilität des Schultergelenkes nahezu aus− schließlich vom Lig. glenohumerale anterius inferius vermittelt. 98 Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 95 ± 124 Klassifikation Verletzungen des Sternoklavikulargelenkes lassen sich nach Allman (1967) in 3 Typen einteilen (Tab. 2 , Abb. 6 ). Eine Klassifikation der sternoklavikularen Luxatio− nen nach AO gibt es bisher nicht. Allerdings gibt es eine Klassifikation der Orthopaedic Trauma Association (OTA, 1996), die sich an die AO−Struktur anlehnt, jedoch im deutschen Sprachraum noch nicht weit verbreitet ist. Der Code 04−D1 kennzeichnet dabei das Sternokla− vikulargelenk, der Buchstabe D die Luxation (Disloca− tion) und die Zahlenkombination .1x die Luxationsrich− tung (Tab. 3 ). Schulter und Schultergürtel ± Luxationen Diagnostik n Klinik Klinisch imponiert eine Fehlstellung und Schwellung über dem Sternoklavikulargelenk, verbunden mit loka− len Druckschmerzen und einer deutlich schmerzhaften Beweglichkeit des betroffenen Armes (Abb. 7). n Klassifikation der Verletzungen des Sternoklavikulargelenkes nach Allman Typ Art der Verletzung Gelenk− kapsel Ligg. sterno− clavicularia Lig. costo− claviculare I Distorsion intakt intakt intakt II Subluxation Ruptur Ruptur intakt III Luxation Ruptur Ruptur Ruptur IIIa ventrale Luxation Ruptur Ruptur Ruptur IIIb dorsale Luxation Ruptur Ruptur Ruptur Röntgen Bildgebend lässt sich in der a.−p.−Projektion das Sterno− klavikulargelenk häufig nicht eindeutig abgrenzen, da es von der Wirbelsäule überlagert wird. Eine bessere Darstellung gelingt in der Sternoklavikulargelenk−Ziel− aufnahme nach Rockwood, bei der der Strahlengang 408 in kranialer Richtung aufsteigt. n Tabelle 2 CT/MRT Zur sicheren Beurteilung des Verletzungsausmaßes ist u. E. jedoch eine CT zu fordern, da erst mit dieser Me− thode das Sternoklavikulargelenk überlagerungsfrei dargestellt werden kann (s. Abb. 9 u. 10 ). Eine MRT er− bringt in der Regel keine weiteren Informationen. Typ I Typ II Typ III " Cave: Bei der dorsalen Luxation ist an eine kom− pressionsbedingte mediastinale Komplikation zu den− ken. Es wird daher dringend angeraten, im Rahmen einer Angio−CT, ggf. Angiographie eine Mitverletzung der großen thorakalen Gefäße, insbesondere der V. subclavia, des Truncus brachiocephalicus, der Pul− monalarterien und der A. mammaria sowie der Tra− chea und Pleura auszuschließen. Typ IIIa Abb. 6 n Typ IIIb Klassifikation der Verletzungen des Sternoklavikulargelenkes nach Allman. Tabelle 3 Therapie n Konservative Therapie Typ−I− und Typ−II−Verletzungen des Sternoklavikularge− lenkes werden konservativ in Form einer kurzfristigen Immobilisation im Gilchrist−Verband therapiert. Adju− vant kommen eine entsprechende orale Analgesie, lo− kale Kryotherapie sowie lokale und orale Antiphlogisti− ka zur Anwendung. Unter Umständen ist eine kranken− gymnastische Übungstherapie zu rezeptieren. Die Re− position einer SCG−Subluxation ist nicht notwendig, da eine anschließende Retention regelhaft nicht gelingt. Typ−IIIa−Verletzungen des Sternoklavikulargelenkes werden möglichst zeitnah zunächst in Kurznarkose und Relaxation reponiert. Hierbei hat sich die Abduktions− reposition bewährt. In Rückenlage wird dem Patienten ein Gelkissen zwischen die Schulterblätter gelegt. Während der ca. 908 abduzierte Arm gleichmäßig nach lateral gezogen wird, gelingt es mit einem sanften Druck Klassifikation der Luxationen des Sternoklavikulargelenkes nach OTA 04−D1.10 Sternoklavikulare Luxation nach anterior 04−D1.11 Sternoklavikulare Luxation nach posterior auf das mediale Klavikulaende, die ventrale Luxation zu reponieren. Häufig kommt es jedoch bei Nachlassen des Zuges und der Relaxation zu einer Reluxation des SCG. Bei erfolgreicher Reposition wird das SCG für ca. 4 Wo− chen im Gilchrist−Verband immobilisiert. Typ−IIIb−Verletzungen des Sternoklavikulargelenkes werden ebenfalls in der o. g. Abduktionsrepositions− technik möglichst zeitnah in Kurznarkose und Relaxa− tion reponiert. Hierbei wird der ca. 908 abduzierte Arm nach dorsal gezogen und die mediale Klavikula digital oder mit einer Repositionszange nach ventral gehoben, bis ein hörbares Schnappen zu vernehmen ist. Im Ge− gensatz zur ventralen Luxation ist die Reposition der Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 95 ± 124 99 Schultergürtel und obere Extremität beruht auf dem operativen Risiko, der unsicheren Erfolgsaussicht bezüglich der verbleibenden Stabilität, einer oft störenden Narbenbildung sowie einer u. U. verbleibenden schmerzhaften Bewegungseinschrän− kung. Typ−IIIb−Verletzungen des Sternoklavikulargelenkes stellen in der Regel eine absolute Operationsindikation dar, da durch die dorsale Luxation lebenswichtige me− diastinale Gefäße und Organe verletzt sein können. Operationstechnik. In Rückenlagerung erfolgt ein bo− genförmiger Hautschnitt von der medialen Klavikula zum Manubrium sterni. Nach stumpfer Präparation der Faszie wird der Ursprung des M. pectoralis nach kaudal abgelöst und das SCG sowie die 1. Rippe samt Band− strukturen dargestellt. Es folgt die offene Reposition des SCG mit einer Repositionsklemme. Die anschließende Stabilisierung erfolgt mit Zerklagen (Fadenanker, PDS− Kordel, Drahtzerklage) oder mit einer Gelenkplatte. Be− sonders elegant sind u. E. die aus der rekonstruktiven Chirurgie der Rotatorenmanschette bekannten Faden− anker, die in der medialen Klavikula platziert werden. Nach temporärer Fixation des SCG mittels Kirschner− Draht werden die fibre−wires um die 1. Rippe und das Manubrium sterni geführt und verknotet. Der Discus articularis wird befundabhängig refixiert oder reseziert, die zerrissenen Bandstrukturen werden vernäht (Abb. 8 , Abb. 9 ). Postoperativ wird das SCG für 3 Wochen in einer Schulterimmobilisationsschlinge immobilisiert und das Glenohumeralgelenk für Pendelübungen freigegeben. Nach 3 Wochen wird die Schulter passiv assistiert be− wegt, insbesondere abduziert sowie Anspannungs− übungen durchgeführt. Nach 4 Monaten darf mit einer Belastung des Armes begonnen werden. n Abb. 7 n Ventrokraniale Luxation des Sternoklavikulargelenkes Typ Allman IIIa. dorsalen Luxation deutlich schwerer durchzuführen, jedoch leichter zu retinieren. Auch hier wird das SCG im Anschluss für ca. 4 Wochen im Gilchrist−Verband im− mobilisiert. " Cave: Bei erkennbarer Kompression mediastinaler Gefäße hat die Reposition der hinteren Luxation in thoraxchirurgischer Operationsbereitschaft zu erfol− gen. n Operative Therapie der akuten Sternoklavikular− gelenkluxation Typ−IIIa−Verletzungen des Sternoklavikulargelenkes stellen bei erfolgloser Retention nach geschlossener Re− position eine relative Operationsindikation dar. Dieses 100 Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 95 ± 124 Operative Therapie der chronischen Sternoklavikulargelenkluxation Bei entsprechendem Leidensdruck aufgrund einer chronischen Sternoklavikulargelenkluxation bevorzu− gen wir eine operative Versorgung. Ähnlich wie bei der akuten operativen Versorgung empfehlen wir eine ster− noklavikulare und kostoklavikulare Stabilisierung mit− tels Fadenankers, verbunden mit einer autologen Seh− nentransplantation (z. B. Sehne des M. palmaris longus, Abb. 11 ). Alternativ kann mit einer Resektionsarthroplastik ein gutes Ergebnis erzielt werden. Hierzu wird das me− diale Klavikulaende sparsam, maximal ca. 1 cm rese− ziert. Der Ansatz des Lig. costoclaviculare darf dabei nicht zerstört werden. Nach Transposition und Refixa− tion des Lig. sternoclaviculare anterius in die Markhöhle der medialen Klavikula werden die übrigen Bandstruk− turen transossär refixiert. Schulter und Schultergürtel ± Luxationen Luxationen des Akromio− klavikulargelenkes Epidemiologie Abb. 8 n CT einer anterioren SCG−Luxation Typ IIIa rechts (prä− operativ). Die Inzidenz der ACG−Luxation wird mit ca. 3 ± 4 % aller Gelenkluxationen angegeben. Männer sind häufiger be− troffen als Frauen; das Verhältnis wird auf 5 : 1 ± 10 : 1 geschätzt. Es handelt sich dabei um eine typische Sport− verletzung (dritthäufigste Verletzung in der Statistik der Sportverletzungen!). In der Regel ist ein direktes Trauma auf die laterale Schulter vorangegegangen, wo− bei das Akromion nach ventrokaudal verschoben wird und die laterale Klavikula nach kranial luxiert. Bei dem selteneren indirekten Mechanismus mit Sturz auf den ausgestreckten Arm kommt es zu einer direkten Kraft− einwirkung von unten auf das Akromion. Klassifikation Abb. 9 n Postoperative Kontrolle einer anterioren SCG−Luxation Typ IIIa rechts bei Zustand nach offener Reposition und Stabili− sierung mittels Fadenankers. Verletzungen des Akromioklavikulargelenkes werden vorzugsweise nach Rockwood klassifiziert. Aufgrund ihrer genaueren Unterteilung hat sie die bisher weit verbreitete Klassifikation nach Tossy abgelöst. Letztere sollte deshalb nicht mehr verwendet werden. Rock− wood (1984) unterscheidet 6 Typen, wobei die Typen I ± III denen der Klassifikation nach Tossy entsprechen (Tab. 4 , Abb. 12). Darüber hinaus lassen sich die Luxationen des Akro− mioklavikulargelenkes entsprechend der Orthopaedic Trauma Association klassifizieren. Der Code 04−D2 kennzeichnet dabei das Akromioklavikulargelenk, der Buchstabe D die Luxation (Dislocation) und die Zahlen− kombination 2.x den Luxationstyp (Tab. 5). Abb. 11 n Intraoperativer Situs eines re− ponierten und mit einem Fa− denanker stabi− lisierten SCG bei chronischer ventraler Luxa− tion. Abb. 10 n CT einer posterioren SCG−Luxation Typ Allmann IIIb. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 95 ± 124 101 Schultergürtel und obere Extremität Tabelle 4 Klassifikation der Akromioklavikulargelenkverletzung nach Rockwood Typ Korakoklavikularer Hochstand Luxationsrichtung der lateralen Klavikula Lig. acromioclaviculare Ligg. coracoclavicularia Deltotrapezoidfaszie I 0% keine Zerrung intakt intakt II 25 % superior Ruptur Zerrung intakt III 25 ± 100 % superior Ruptur Ruptur verletzt IV 25 ± 100 % posterior durch den M. trapezius Ruptur Ruptur Ruptur V 100 ± 300 % superior Ruptur Ruptur Ruptur VI negativ inferior von Akromion oder Korakoid Ruptur Ruptur Ruptur Tabelle 5 Klassifikation der Verletzungen des Akromioklavikular− gelenkes nach OTA n Abb. 12 n Klassifikation der Akromiokla− vikulargelenk− verletzung nach Rockwood. n 102 Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 Diagnostik Klinik Klinisch imponiert eine Schwellung, ggf. Stufenbildung über dem Akromioklavikulargelenk, verbunden mit lokalen Druckschmerzen und einem typischen ¹Kla− viertastenphänomen“ (Abb. 13). Die Beweglichkeit der betroffenen Schulter ist in der Regel schmerzbedingt reduziert. Auf eine horizontale Instabilität der lateralen Klavikula ist zu achten. ê 2006 ê 95 ± 124 Typ ACG, Lig. acro− mioclaviculare Ligg. coraco− clavicularia Reponierbar− keit 04 ± D2.1 Ruptur intakt reponibel 04 ± D2.2 Ruptur Ruptur reponibel 04−D2.3 Ruptur Ruptur nichtreponibel Röntgen Es sind Röntgenaufnahmen der Schulter in 2 Ebenen zu fordern, um Frakturen in dieser Region auszuschließen. Bei entsprechender Klinik gelten darüber hinaus gehal− tene Aufnahmen, sog. ¹Wasserträgeraufnahmen“ im Seitenvergleich als Standard (Abb. 14). Hierbei handelt es sich um Röntgenaufnahmen beider Akromioklaviku− largelenke im a.−p.−Strahlengang unter Längszug der Arme. Panoramaaufnahmen sind aus strahlenhygieni− schen Gründen obsolet. Es ist darauf zu achten, dass die Gewichte (10 kg) an Schlaufen frei an den Handgelen− ken des sitzenden oder stehenden Patienten hängen und dieser die Gewichte nicht in der Hand festhält. Bei den gehaltenen Aufnahmen wird auf jeder Seite der ko− rakoklavikulare Abstand bestimmt. Anhand des relati− ven Verhältnisses dieser Distanzen lässt sich die Klassi− fizierung der Verletzung vornehmen. Schulter und Schultergürtel ± Luxationen Abb.13 n Klinischer Aspekt einer Verletzung des ACG Typ Rock− wood V. Abb.14 n Bestimmung des korakokla− vikularen Ab− standes einer Rockwood− V−Verletzung anhand von ge− haltenen ACG− Aufnahmen. n Sonographie/CT Alternativ zur Röntgenaufnahme kann der korakoklavi− kulare Abstand unter o. g. Belastung sonographisch be− stimmt werden. Bei Typ−IV− und Typ−VI−Verletzungen ist eine weitere CT−Diagnostik zur Evaluation des Ver− letzungsausmaßes hilfreich. derzeitig persistierender kontroverser Diskussion zu− rückhaltend zu stellen ist. Sie bleibt den Patienten vor− behalten, die ausgesprochen hohe Ansprüche an die Schulterfunktion stellen. Dabei ist insbesondere an Sportler zu denken, bei denen sich u. U. geringe Funk− tionsminderungen stark leistungshemmend auswirken. Typ−IV− bis Typ−VI−Verletzungen stellen eine absolute Operationsindikation dar. " Cave: Typ−IV−Verletzungen zeigen sich erst in der Axialaufnahme der Schulter sowie insbesondere bei adipösen Patienten in der CT. Aufgrund der notwendi− gen hohen Energie zur Erzeugung einer Typ−VI−Verlet− zung ist nach weiteren knöchernen Verletzungen zu suchen. Therapie n Indikationsstellung Typ−I− und Typ−II−Verletzungen werden mit Vorteil einer konservativen Therapie zugeführt. Typ−III−Verletzungen werden in der Regel ebenfalls nach o. g. Behandlungsplan konservativ therapiert. Viele retro− und prospektive Studien zeigen gleich gute oder bessere Behandlungsergebnisse nach konservativer, frühfunktioneller Behandlung im Vergleich zur operati− ven Therapie, sodass eine Operationsindikation trotz n Konservative Therapie Das betroffene Akromioklavikulargelenk wird initial kurzfristig, d. h. für max. 1 Woche, schmerzadaptiert immobilisiert, begleitet von einer entsprechenden Analgesie, Kryotherapie sowie einer lokalen und syste− mischen antiphlogistischen Therapie. Es folgt eine Schultermobilisierung im vollen Umfang. Schweres He− ben sowie eine sportliche Belastung sollte 6 Wochen vermieden werden. n Operative Therapie der akuten Luxation des Akromioklavikulargelenkes Zur operativen Versorgung von akuten Luxationen des Akromioklavikulargelenkes finden sich in der Literatur eine Vielzahl von Operationsmethoden und stabilisie− renden Implantaten. Dieses scheint ein Ausdruck dafür Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 95 ± 124 103 Schultergürtel und obere Extremität Abb. 15 n Intraoperativer Situs nach ACG−Reposition und Implanta− tion einer win− kelstabilen AO− Hakenplatte (Blick von kranial auf die rechte Schulter). OP−Schritte und Tricks In Beach−Chair−Lagerung erfolgt ein kleiner Säbelhieb− zugang auf Höhe des ACG. Nach stumpfer Präparation der Faszie wird selbige über der lateralen Klavikula im Verlauf der Klavikula inzidiert. Bei Rockwood−V−Verlet− zungen tritt die deperiostierte laterale Klavikula spon− tan nach oben. Unter optischer und Bildwandlerkon− trolle erfolgt die Reposition des ACG und temporäre Transfixation mittels Kirschner−Draht. Eine mittels Templates bestimmte winkelstabile AO−Hakenplatte wird mit ihrem Haken dorsal des ACG unter das Akro− mion eingehängt und mit 2 bikortikalen Schrauben an der Klavikula fixiert. Nach Entfernen des Kirschner− Drahtes erfolgt der Faszien−, subkutane und Hautver− schluss (Abb. 15, Abb. 16). Postoperativ wird die Schulter schmerzadaptiert für wenige Tage immobilisiert und einer raschen frühfunk− tionellen Nachbehandlung zugeführt. Die Abduktion ist dabei für 3 Monate auf 90 8 limitiert. Eine Implantat− entfernung erfolgt nach 3 ± 6 Monaten. Abb. 16 n Postoperative Röntgenkon− trolle nach ACG− Reposition und Implantation einer winkel− stabilen AO− Hakenplatte. n zu sein, dass bis heute noch keine optimale Operations− methode generell akzeptiert ist. Die Stabilisierungen des Akromioklavikulargelenkes lassen sich unter verschiedenen Gesichtspunkten ein− teilen. So kann die Fixierung des ACG intra− oder ex− traartikular erfolgen. Es werden akromioklavikulare von korakoklavikularen Stabilisierungen sowie Kombina− tionsverfahren unterschieden. Die benutzten Implanta− te können resorbierbar oder nichtresorbierbar sein. Häufig verwendet werden derzeitig transartikulare Kirschner−Drähte mit Zuggurtungszerklagen, korako− klavikulare PDS−Kordeln, verbunden mit einer tempo− rären Kirschner−Draht−Transfixation des ACG, und Hakenplatten. Eine Refixation der zerrissenen Band− stümpfe erscheint nicht mehr notwendig. Die Naht der deltoideopektoralen Faszie wird hingegen empfohlen. " Es ist auf eine exakte Platzierung des Hakens einer Hakenplatte zu achten. 104 Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 95 ± 124 Komplikationen Intraoperativ können lateral eingebrachte Kirschner− Drähte die A. und V. subclavia verletzen. Postoperativ kann es zu Wundheilungsstörungen und Weichteilinfektionen kommen, die bei Verwen− dung eines Säbelhieb−Zuganges seltener zu beobachten sind. Implantatlockerungen, −brüche oder −migrationen sind bei Verwendung der Hakenplatte in der Regel nicht zu beobachten, wohl aber bei Zuggurtungsosteosynthe− sen mit Kirschner−Drähten. Bei Verwendung von PDS− Kordeln wurden wiederholt Serome beobachtet. n Operative Therapie der chronischen Luxation des Akromioklavikulargelenkes Die Indikation zur operativen Therapie der chronischen Luxation des Akromioklavikulargelenkes besteht in persistierenden, durch konservative Maßnahmen nicht zu bessernden Schmerzen bei chronischer Instabilität mit oder ohne Arthrose im ACG. Differenzialdiagnos− tisch sind subakromiale und zervikale Pathologien aus− zuschließen. Neben der klinischen Untersuchung und entsprechender Bildgebung ist eine diagnostische In− filtration des subakromialen Raumes und anschließend des ACG mit einem Lokalanästhetikum wertvoll. Eine komplette Schmerzausschaltung mittels Lokalanästhe− tikums im ACG weist auf eine Schmerzursache in die− sem Gelenk hin. Schulter und Schultergürtel ± Luxationen Als Operationsverfahren stehen zum einen eine offene Reposition, verbunden mit einer korakoklavikularen Grazilissehnenplastik sowie Resektionsarthroplastiken der lateralen Klavikula mit oder ohne Transposition des Lig. coracoclaviculare nach Weaver und Dunn, zur Ver− fügung. Die Resektionsarthroplastik kann sowohl offen als auch vorzugsweise arthroskopisch erfolgen. Hintergrund Definition atraumatische/traumatische Schulterinstabilität nach Matsen Die atraumatische Schulterinstabili− tät lässt sich durch das Akronym AMBRII beschreiben. Das heißt, dass die Schulterinstabilität einen atraumati− schen Ursprung (A) hat und in der Regel mit einer multidirektionalen Instabilität (M) verbunden ist. Häufig ist sie bilate− ral (B) vorhanden. Die Therapie der atraumatischen Schulterinstabilität ist in der Regel konservativ im Sinne einer Rehabilitation (R), wobei bei Beschwer− depersistenz eine operative Therapie in Form eines Verschlusses des Rotatoren− Erst−Luxationen des Glenohumeralgelenkes Epidemiologie Hovelius (1982, 1996) untersuchte die Inzidenz von Schulterluxationen in Schweden. Sie betrug in der Be− völkerung zwischen 18 ± 70 Jahren ca. 1,7 %, wobei Män− ner ca. 3−mal häufiger betroffen waren als Frauen und die Inzidenz mit steigendem Alter abnimmt. Überträgt man die aus Dänemark stammenden Daten von Kroner et al. (1989), der eine Inzidenz von 17/100 000/Jahr an− gibt, auf Deutschland, ist hier bei 80 Mio. Einwohnern von einer Inzidenz von 13 600 Fällen auszugehen. Im Kindes− und Adoleszentenalter beträgt die Luxations− rate ca. 4,5 %. In der Gruppe der unter 14−jährigen ist die Luxation selten und beträgt ca. 0,5 %. Davon abzugrenzen ist die Inzidenz von Rezidivlu− xationen. Diese ist deutlich altersabhängig. Nach Rowe (1978) beträgt sie nach konservativer Therapie für 10− bis 20−Jährige 94 %, für 20− bis 30−Jährige 79 % und für 30− bis 40−Jährige 50 %. Zu ähnlichen Ergebnissen kam Hovelius (1987) in einer schwedischen Multicen− terstudie. Er fand mehr als 50 % Rezidivluxationen bei Patienten unter 26 Jahren. Selbst eine 3− bis 4−wöchige Schulterimmobilisation senkte die Rezidivrate nicht wesentlich. Klassifikation Zunächst sind begrifflich Schulterinstabilität von Schul− terluxation, −subluxation und −laxität abzugrenzen. n Die Schulterinstabilität beschreibt eine Unfähigkeit, den Humeruskopf zentriert in der Fossa glenoidalis zu halten. n Im Rahmen der Schulterluxation kommt es zu einem kompletten und permanenten Kontaktverlust zwi− schen Humeruskopf und Glenoid. Dieser bedarf der Reposition. n Im Gegensatz dazu kommt es bei einer Subluxation zu keinem kompletten und permanenten Kontakt− verlust zwischen Humeruskopf und Glenoid. Viel− mehr findet sich eine unterschiedlich ausgeprägte, vermehrte und pathologische Translation des Hu− n intervalles (I) sowie einem inferioren Kapselshift (I) angezeigt ist. Die traumatische Schulterinstabilität wird durch das Akronym TUBS charak− terisiert. Hier findet sich ein adäquates traumatisches Ereignis (T), das in der Regel zu einer unidirektionalen Instabi− lität (U) führt. Häufig findet sich eine Bankart−Läsion (B). Insbesondere die chronische Form der traumatischen Schulterinstabilität wird chirurgisch (S) behandelt. meruskopfes unter Belastung, die sich bei Nachlas− sen der Belastung spontan wieder zurückbildet. Dagegen beinhaltet die Laxität eine physiologische Translation des Humeruskopfes und besitzt keinen Krankheitswert. Sie wird im Rahmen der physiologi− schen Bewegungsumfänge der Schulter benötigt. Die primäre glenohumerale Luxation lässt sich nach ihrer Luxationsrichtung unterscheiden. Ca. 95 % aller Luxationen sind anteroinferiore Luxationen , bei denen sich der Humeruskopf subglenoidal verschiebt. Häufig handelt es sich um Sportunfälle mit direktem Trauma (z. B. durch ein Sturzereignis) oder um ein indi− rektes Trauma (z. B. durch eine indirekte Krafteinwir− kung auf den abduzierten und nach hinten−außen ge− rissenen Arm). Deutlich seltener sind mit ca. 3 % die posterioren Luxationen und als Raritäten die supe− rioren und zentralen Luxationen sowie die Luxatio erecta zu finden. Die posterioren Luxationen werden häufig im Rahmen eines zerebralen Krampfanfalles oder eines Stromunfalles, seltener durch indirekte Krafteinwirkung auf den gestreckten, innenrotierten und adduzierten Arm beobachtet. Die Luxatio erecta entsteht durch ein Hyperabduktionstrauma, wobei das Akromion als Hypomochlion dient und der Humerus− kopf nach anteroinferior herausgehebelt wird. Darüber hinaus gibt es eine Reihe weiterer Klassifi− kationen. Keine von ihnen ist in der Lage, alle Mischfor− men der Schulterluxationen und −instabilitäten abzu− bilden. Im klinischen Alltag sind vor allem die Klassifi− kationen nach Matsen und Gerber weit verbreitet. Matsen (1990) unterscheidet eine atraumatische Schulterinstabilität von einer traumatischen. Obwohl die Klassifikation nach Matsen das gesamte Spektrum der Instabilitätsformen und damit verbunde− nen Therapieoptionen umschreibt, ist sie sehr verein− fachend und berücksichtigt keine Mischformen, z. B. die Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 95 ± 124 105 Schultergürtel und obere Extremität 10-D10: glenohumerale Luxation nach anterior 10-D11: glenohumerale Luxation nach posterior 10-D18: glenohumerale Luxation nach inferior (Luxatio erecta) Tabelle 6 Klassifikation der Schulterinstabilitäten nach Gerber Ansicht von ventral Klasse A: Statische Instabilitäten A1: superior A2: anterior A3: posterior A4: inferior Klasse B: Dynamische Instabilitäten B1: chronisch verhakt B2: unidirektional, ohne Hyperlaxität B3: unidirektional, multidirektionale Hyperlaxität B4: multidirektional, ohne Hyperlaxität B5: multidirektional, multidirektionale Hyperlaxität B6: willkürlich Ansicht von lateral Klasse C: Willkürliche Luxationen Diagnostik n Abb. 17 n Klassifikation der Schulterluxationen gemäß der Orthopaedic Trauma Association. Kombination einer traumatischen Schulterluxation bei vorbestehender Hyperlaxität. Gerber (1997) unterscheidet zwischen Instabilitäten und Hyperlaxitäten sowie indirekt zwischen traumati− scher, d. h. unidirektionaler und atraumatischer, d. h. multidirektionaler Instabilität. Diesbezüglich bildete er 6 Gruppen. Eine mögliche multifaktorielle Ursache der Schulterinstabilität fand 2002 durch Gerber in einer erweiterten Klassifikation Berücksichtigung, in der er 3 weitere Klassen unterschied (Tab. 6 ). Dabei erfassen die dynamischen Instabilitäten der Klasse B einen Großteil der relevanten Schuterinstabilitäten. Statische Instabilitäten der Klasse A können eine lange Zeit lang symptomlos sein und fallen lediglich radiologisch durch eine relative superiore, anteriore oder posteriore Verla− gerung des Humeruskopfes auf. Darüber hinaus lassen sich Schulterluxationen auch nach der Orthopaedic Trauma Association klassifizie− ren. Der Code 10−D kennzeichnet dabei das Gleno− humeralgelenk, der Buchstabe D die Luxation (Disloca− tion) und die Zahlenkombination .1x die Luxations− richtung (Abb. 17 ). 106 Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 95 ± 124 Initiale Diagnostik einer Schulterluxation Klinik. Die Diagnose einer Schulterluxation lässt sich oft klinisch stellen. Der Patient hält die betroffene Schulter in einer Schonhaltung, wobei der betroffene Arm vom gesunden Arm unterstützend gehalten wird. Der be− troffene Arm befindet sich in der Regel in einer leicht abduzierten und außenrotierten Stellung. Sowohl die aktive als auch die passive Beweglichkeit der Schulter sind schmerzbedingt aufgehoben. Bei der häufigen an− terioren Luxation lässt sich unter dem sich prominent darstellendem Akromion eine leere Mulde palpieren. " Wichtig ist die Überprüfung des neurovaskulären Status. Insbesondere muss die Funktion des N. axillaris (Sensibilität im Bereich der Schulterkappe) sowie des Armplexus (Fingerbeweglichkeit und Missempfindun− gen) untersucht werden. Röntgen. Für die bildgebende Diagnostik ist eine Rönt− genuntersuchung der Schulter in 2 Ebenen (true a.−p.− und axiale Aufnahme) ausreichend. Bei einer korrekt eingestellten true a.−p.−Aufnahme findet sich eine Dop− pelkontur, die aus dem tief stehenden Humeruskopf und dem ventralen Glenoid gebildet wird. In der axialen Aufnahme zeigt sich die in der Regel ventrale Verlage− rung des Humeruskopfes. Sollte die axiale Aufnahme schmerzbedingt nicht durchführbar sein, empfiehlt sich die transskapulare Aufnahme. Hierzu steht der Patient mit dem Oberkörper um ca. 608 gedreht, sodass der Röntgenzentralstrahl parallel zur gut tastbaren Spina scapulae senkrecht auf die Röntgenkassette ausgerich− tet ist. Bei beiden Aufnahmen ist zusätzlich auf eine be− gleitende Fraktur zu achten. Schulter und Schultergürtel ± Luxationen Hintergrund True a.−p.−Aufnahme Im Gegensatz zur ¹normalen“ a.−p.−Aufnahme des Schulterge− lenkes steht der Patient bei der true a.−p.−Aufnahme um ca. 308 gedreht zur Röntgenplatte, sodass der zentrale Strahlengang tangential zur glenoidalen Gelenkfläche verläuft. Dadurch lässt sich eine projektionsbedingte Doppelkontur, die sich bei einer ¹normalen“ a.−p.−Aufnahme aus dem Humeruskopf und dem Glenoid bildet, sicher von einer tatsächlichen Luxation unter− scheiden (Abb. 18). CT. Eine weitere bildgebende Diagnostik ist im luxierten Zustand in der Regel nicht indiziert. Lediglich bei Luxa− tionsfrakturen sowie verhakten Luxationen empfiehlt sich eine CT zur Planung der unmittelbar im Anschluss vorgesehenen Operation. n Diagnostik unmittelbar nach einer Reposition iatrogen durch das Repositionsmanöver, festzustellen. Mit ihr lassen sich Glenoidfrakturen, Abrissfraktur des Tuberculum majus sowie die Impressionsfraktur des Humeruskopfes im Sinne eines Hill−Sachs−Defektes nachweisen. " Cave: Die konventionelle Röntgendiagnostik hat immer in 2 Ebenen zu erfolgen, vorzugsweise als true− a.−p. sowie in der transskapularen Aufnahme. Es ist unbedingt darauf zu achten, dass die true a.−p.−Auf− nahme korrekt angefertigt wurde, d. h., dass der gle− nohumerale Gelenkspalt uneingeschränkt einsehbar ist. Nur so lässt sich eine korrekte glenohumerale Artikulation nachweisen. n Weiterführende elektive Diagnostik In der Folge sind frühelektiv weitere anamnestische, klinische und bildgebende Untersuchungen notwendig, um den Patienten hinsichtlich der besten weiterfüh− renden Therapie beraten zu können. Abb. 18 n Konventionelle radiologische Diagnostik einer ventralen glenohumera− len Luxation vor (a) und nach Re− position (b ± d). Beachte den Unterschied zwi− schen der nor− malen (b) und der true a.−p.− Aufnahme (c). Klinik. Unmittelbar nach Reposition einer glenohume− ralen Luxation ist eine klinische und bildgebende Diag− nostik obligat. Diese hat das Ziel, eine regelrechte Re− position nachzuweisen und zu dokumentieren. Klinisch ist neben der Palpation eines im Glenoid stehenden Humeruskopfes die Beurteilung des neuro− logischen Status wichtig. Insbesondere ist die nervale Funktion im Bereich des N. axillaris und des Armplexus zu überprüfen (s. o.). Des Weiteren ist auf eine Gefäß− verletzung, wie z. B. die seltene Verletzung der A. sub− scapularis, zu achten, die nur bei rechtzeitiger Diagnos− tik und rascher Therapieeinleitung geringe Dauerschä− den hinterlässt. Röntgen. Mit der konventionellen Röntgendiagnostik sind neben der korrekten Reposition begleitende Pathologien, sei es durch das Luxationsereignis oder Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 95 ± 124 107 Schultergürtel und obere Extremität Hintergrund Instabilitäts− und Laxitätstests Die Instabilitätstests n Apprehensiontest, n Fulcrum−Test, n Relokationstest, n Jerk−Test überprüfen die dynamische Stabilität des Gelenkes, wobei es sich um Provo− kationstests handelt, die eine patholo− gische, symptomatische Translation hervorrufen. Abb. 19 n Die Laxitätstests Schubladentest, n Sulkus−Zeichen−Test, n Load−and−shift−Test, n Gagey−Test n untersuchen dagegen die passive, stati− sche Stabilität des Schultergelenkes. Apprehensiontest im Liegen bzw. Fulcrum−Test. Anamnese Durch eine gezielte Befragung des Patienten ist heraus− zuarbeiten, ob es sich um eine traumatische Luxation oder vielmehr um eine vorbestehende multidirektiona− le Instabilität mit oder ohne Hyperlaxität handelt. Die Anamnese sollte Angaben über den Luxationsmecha− nismus, die Art der Reposition, die bisherige Therapie sowie die Anzahl von Rezidivluxationen enthalten. Für eine traumatische Luxation sprechen ein adäquates Trauma sowie eine Reposition durch einen Arzt in Analgosedierung oder Narkose. Umgekehrt sind ein in− adäquates Trauma sowie eine Eigenreposition durch den Patienten eher Indizien für eine konstitutionell be− dingte Ursache oder eine Ausweitung der Gelenkkapsel durch sportbedingte, repetitive Mikrotraumen. Des Weiteren ist zu klären, ob Luxationen oder Subluxatio− nen willkürlich erzeugt werden können. Dieses weist mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine ausgeprägte Kapsellaxität hin. 108 Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 95 ± 124 Schulterfunktionstests Die differenzierte klinische Untersuchung der frisch re− ponierten Schulter ist schmerzbedingt initial nicht aus− sagekräftig. Jedoch lässt sich eine konstitutionelle Laxi− tät der Schultern durch die Untersuchung der Gegenseite feststellen. Diese findet sich häufig auch an anderen Gelenken, wie z. B. Ellenbogen−, Hand− oder Daumengrundgelenk. Nach Rückgang der akuten Schmerzsymptomatik werden im Rahmen einer seiten− vergleichenden klinischen Untersuchung nach Inspek− tion und Palpation die aktive und passive Beweglichkeit festgestellt. Es folgen die spezifischen Tests zur Über− prüfung der dynamischen und statischen Stabilität des Gelenkes. Hierzu stehen Instabilitätstests sowie Laxi− tätstests zur Verfügung. Im Folgenden wird die Durchführung der o. g. Tests besprochen. Der Apprehensiontest wird am sitzenden oder stehen− den Patienten durchgeführt. Der zu untersuchende Arm wird in 90 8 abduzierter Stellung außenrotiert. Dabei erfolgt ein Druck mit dem Daumen von dorsal auf den Humeruskopf. Bei anteriorer Instabilität versucht der Patient durch ein muskuläres Gegenspannen oder eine Ausgleichsbewegung, einer Subluxation oder Luxation entgegenzuwirken. Oft sind Angst oder Schmerzen in der Mimik des Patienten zu beobachten. Während die Durchführung des Apprehensiontests in 90 8 Abduktion das IGHL und MGHL überprüft, lässt sich in 60 8 Abduk− tion das MGHL testen. Analog lässt sich mit dem Ap− prehensiontest die posteriore Instabilität überprüfen, indem der 90 8 abduzierte Arm innenrotiert wird und einen Druck von ventral nach dorsal erfährt. Hierdurch lassen sich bei positivem Testergebnis ebenfalls o. g. Reaktionen beobachten. Beim Fulcrum−Test (Abb. 19) wird der Apprehen− siontest in Rückenlage durchgeführt. Dabei dient die Faust des Untersuchers unter dem 90 8 abduzierten und außenrotierten proximalen Humerus als Hypomochlion und führt bei anteriorer Instabilität zu einer entspre− chenden o. g. Symptomatik. Beim Relokationstest (Abb. 20 ) wird der Apprehen− siontest ebenfalls in Rückenlage durchgeführt. Bei posi− tivem Ergebnis für eine anteriore Instabilität bewirkt ein Druck auf den Humeruskopf von vorne eine Zent− rierung desselben. Dadurch zeigt sich eine Schmerz− reduktion, die eine weitere Außenrotation der Schulter zulässt. Der Jerk−Test (Abb. 21 ) wird am sitzenden oder stehen− den Patienten durchgeführt. Der 90 8 elevierte Arm wird zunehmend adduziert und innenrotiert, während die andere Hand des Untersuchers die Skapula fixiert. Schulter und Schultergürtel ± Luxationen Kommt es dabei zu einer zumeist schmerzlosen Sublu− xation nach dorsal, spricht dieses für eine hintere Insta− bilität. Der Schubladentest (Abb. 22) erfolgt am sitzenden Patienten. Hierbei umgreift am muskulär entspannten Patienten die eine Hand den Humeruskopf, während die andere die Skapula fixiert. Es wird zunächst versucht, den Humeruskopf im Glenoid zu zentrieren. Anschlie− ßend wird die Translationsbewegung des Humeruskop− fes durch Druck nach vorne oder Zug nach hinten be− stimmt. Auch der Sulkus−Zeichen−Test erfolgt am sitzenden, muskulär gut entspannten Patienten. Ein Zug entlang der Humerusschaftachse nach kaudal führt bei positi− vem Testergebnis zu einer Subluxation des Humerus− kopfes, die durch eine subakromiale Rinnenbildung sichtbar wird. Abb. 20 n Relokationstest. Abb. 21 n Jerk−Test. Der Load−and−shift−Test wird in Rückenlage durchge− führt. Der 908 abduzierte und außenrotierte Arm wird zunächst durch axialen Druck im Glenoid zentriert. An− schließend versucht die andere Hand, den Humerus− kopf aus dem Glenoid hinauszuschieben. Zunehmende Abduktion und Außenrotation führt dabei zur Subluxa− tion. Das Ausmaß der Translation wird mit den Fingern abgeschätzt. Die Laxität lässt sich, bezogen auf den Load−and−shift−Test, nach Hawkins (1990) klassifizieren (Tab. 7 ). Beim Gagey−Test wird der Arm bei fixierter Skapula ab− duziert. Ein positives Testergebnis besteht bei Abduk− tion über 1008 und weist auf eine Hyperlaxität der infe− rioren Kapselanteile hin. Bildgebende Verfahren Es folgen weitere bildgebende Untersuchungen: n Mithilfe einer Sonographie lassen sich Rupturen der Rotatorenmanschette, die häufig begleitend im Alter über 40 Jahre auftreten, feststellen. n Mithilfe einer MRT lassen sich diese ebenfalls sehr gut diagnostizieren und insbesondere deren Retrak− tionsgrad sowie der Grad der fettigen Degeneration bestimmen. Zusätzlich lassen sich auf diese Weise, u. a. in Verbindung mit intraartikulärer Kontrastmit− telgabe, Verletzungen des Kapsel−Labrum−Komple− xes nachweisen (Abb. 23 ). n Im Rahmen einer CT−Diagnostik lassen sich beson− ders gut Pfannenrandfrakturen feststellen und in ihrer Relevanz abschätzen (Abb. 24) Ferner erkennt man in der CT eventuelle Dysplasien des Glenoids sowie Rotationsfehler des Humerus. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 95 ± 124 109 Schultergürtel und obere Extremität Tabelle 7 Klassifikation der Schulterlaxität nach Hawkins, bezogen auf den Load−and−shift−Test Abb. 22 n Grad Translation 0 keine oder minimale Verschieblichkeit des Humerus− kopfes 1 Verschieblichkeit bis an den Rand des Glenoids, aber nicht darüber; 25 % des Humeruskopfdurchmessers 2 Verschieblichkeit bis zu 50 % des Humeruskopfdurch− messers, aber nicht darüber; spontane Reposition 3 Verschieblichkeit des Humeruskopfes über den Glenoidrand hinaus ohne spontane Reposition Schubladentest. Begleitende Pathologien Das Ausmaß der durch die glenohumerale Luxation ausgelösten begleitenden Pathologien ist von verschie− denen Faktoren abhängig. Sie nehmen mit der Schwere des Traumas und somit mit der einfließenden Energie zu und verringern sich mit zunehmender Gelenklaxität. Hintermann et al. (1995) zeigten in ihrer Auswertung von 212 Schulterarthroskopien nach glenohumeralen Luxationen folgende Begleitverletzungen: n n n n n n n 110 Bankart−Läsion Kapselerweiterungen Hill−Sachs−Delle Insuffiziente glenohumerale Bänder Ruptur der Rotatorenmanschette Hintere Labrumläsion Ruptur des superioren Labrums (SLAP−Läsion) Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 95 ± 124 87 % 79 % 68 % 55 % 14 % 12 % 7% Abb. 23 n Bankart−Läsion des ventralen Kapsel−Labrum−Komple− xes in der MRT−Diagnostik (Pfeil). Darüber hinaus sind in Abhängigkeit vom Alter der ver− letzten Person unterschiedliche Schädigungsmuster zu beobachten. So treten im Rahmen einer vorderen Schul− tererstluxation beim jungen Patienten überwiegend Verletzungen des ventralen Kapsel−Labrum−Komplexes auf. Das Vorliegen einer Bankart−Läsion nach trauma− tischer Schulterluxation wird beim sportlich aktiven Patienten unter 25 Jahren mit 86 ± 100 % angegeben. Dagegen sind bei Patienten, die älter als 45 Jahre alt sind, eher Rupturen der Rotatorenmanschette zu beob− achten. Diese ist insbesondere schon anamnestisch an− zunehmen, wenn der Patient nach erfolgter Reposition innerhalb der nächsten Tage immer noch deutlich von Schmerzen geplagt ist. Bei 60−jährigen Patienten steigt die Wahrscheinlichkeit auf ca. 80 % an. Reluxationen sind in dieser Altersgruppe eher selten. Schulter und Schultergürtel ± Luxationen Tabelle 8 Traumatische Läsionen am Kapsel−Band−Labrum−Komplex Instabil Bankart−Läsionen n n n klassische Bankart−Läsion (Labrumablösung) knöcherne Bankart−Läsion (meist mit Labrum− und IGHL−Ablösung) Doppel−Labrum−Läsion (komplette Labrumablösung, IGHL regelrecht) Perthes−Läsionen n n n n klassische Perthes−Läsion (Labrum− und IGHL−Ablösung) ALPSA−Läsion (Labrum und IGHL abgelöst und medial vernarbt) Triple−Labrum−Läsion (komplette Labrum− und IGHL−Ablösung) extralabrale Ligamentläsion (IGHL−Ablösung) Kapsuläre Läsionen Quattro−Labrum−Läsion (komplette Labrum− und Ligamentablösung) n isolierter Kapselriss (IGHL−Ruptur) n interligamentäre Kapselruptur n HAGL−Läsion (humerale IGHL−Ablösung) n Stabil Bankart−Läsionen n inkomplette Bankart−Läsion (inkomplette Labrumablösung) Sonstige Läsionen n GLAD−Läsion (labrumnaher Knorpeldefekt ohne Labrumablösung) " Eine traumatische glenohumerale Erstluxation ist in der Regel bei Patienten unter 40 Jahren mit einer Läsion des ventralen Kapsel−Labrum−Komplexes, bei Patienten über 40 Jahren mit einer Ruptur der Rotato− renmanschette vergesellschaftet. Abb. 24 n Knöcherne Bankart−Läsion des ventralen Glenoids in der CT−Diagnostik. a Axiale Schicht. b 2−D−Rekonstruktion in der Sagittalebene. c 3−D−Rekonstruktion. Verletzungen des Kapsel−Labrum−Komplexes können sowohl klinisch als auch bildgebend in der MRT und arthroskopisch differenziert werden. Sie lassen sich in stabile und instabile Formen unterteilen (Tab. 8 ). Des Weiteren kann durch glenohumerale Luxationen eine sog. Hill−Sachs−Läsion entstehen. Es handelt sich dabei um eine Impressionsfraktur des Humeruskopfes, die durch den unteren Glenoidrand erzeugt wird und sich bei einer anteroinferioren Luxation im dorsokra− nialen Anteil befindet. Bei der posterioren Luxation ist sie im ventralen Anteil lokalisiert und wird als ¹Rever− sed Hill−Sachs−Läsion“ bezeichnet. Die Größe der Hill− Sachs−Läsion hängt von der Traumaschwere und der Gelenklaxität ab. Sie ist ein indirektes Zeichen für eine traumatische Schulterluxation. Die Größe des Defektes lässt sich nach Calandra (1989) in 3 Schweregrade ein− teilen (Tab. 9 ). Bei Impressionen, die mehr als 1/3 der Zirkumferenz des Humeruskopfes ausmachen, ist von einer biome− Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 95 ± 124 111 Schultergürtel und obere Extremität Analgosedierung, u. U. auch eine Kurznarkose. Die Re− position hat langsam und schonend zu erfolgen. Tabelle 9 Klassifikation der Defektgröße einer Hill−Sachs−Läsion nach Calandra ren Verletzungen. Grad Defektgröße I Defekt der Gelenkfläche ohne Beteiligung des subchondralen Knochens II Defekt der Gelenkfläche mit Beteiligung des subchondralen Knochens III " Cave: Brüske Repositionsmanöver führen zu weite− Großer Defekt des subchondralen Knochens chanischen Wirksamkeit für eine vordere Instabilität auszugehen. Bei einem weiter zentral befindlichen De− fekt oder erheblicher Kapselinsuffizienz besteht die Möglichkeit eines Einhakens des Defektes am vorderen Glenoidrand während einer Außenrotations− oder Ab− duktionsbewegung. Dadurch kann der Humeruskopf aus dem Glenoid herausgehebelt werden. Man bezeich− net diese Läsion ¹Engaging Hill−Sachs−Defekt“. Wie schon erwähnt, ist insbesondere ab dem 40. Le− bensjahr eine glenohumerale Luxation mit einer Ruptur der Rotatorenmanschette kombiniert und bei über 60−jährigen Patienten in ca. 80 % der Fälle zu finden. Betroffen sind insbesondere die posterioren und supe− rioren Anteile. Rupturen der Rotatorenmanschette wer− den aber auch bei jüngeren Patienten beobachtet. So ist nach Habermeyer bei traumatischen Erstluxationen in der Altersgruppe von 32 ± 40 Jahren eine artikularseitige Partialruptur in 33 % und eine Totalruptur in 17 % der Fälle festzustellen. Aufgrund der operativen Konse− quenzen ist ein besonderes Augenmerk auf die Ruptur des M. subscapularis sowie die Läsion des Rotatorenin− tervalles zu richten. Läsionen des N. axillaris finden sich bei 5 ± 14 % aller glenohumeralen Luxationen, wobei die Inzidenz im hö− heren Alter zunimmt. Diese entstehen durch eine Über− dehnung der hinteren Achsellücke oder durch eine Kompression des Humeruskopfes. Die Prognose ist in der Regel gut. Die vollständige Remission kann jedoch bis zu 2 Jahre dauern. Tritt eine N.−axillaris−Läsion in Verbindung mit einer glenohumeralen Luxation sowie einer Rotatorenmanschettenruptur auf, spricht man von ¹Terrible Triad“. In der Klinik haben verschiedene Techniken Verbrei− tung gefunden. Am meisten bekannt sind folgende Techniken: Technik nach Matsen. Der Patient befindet sich in Rü− ckenlage, wobei das Ellenbogengelenk zur Entlastung des M. bizeps und des M. brachioradialis 90 8 flektiert ist. Unter gleichmäßigem Zug am Arm, z. B. mittels eines Gurtes zwischen dem Chirurgen und dem Unterarm des Patienten, wird der Arm aus der Innenrotation langsam außenrotiert. Dabei wird ein konstanter Gegenzug mit einem Tuch, das um den Thorax des Patienten geschlun− gen ist, ausgeübt. Durch den konstanten Zug und die Außenrotationsbewegung kommt es zur weichteilscho− nenden Reposition. Technik nach Hippokrates . Der Patient befindet sich in Rückenlage. Es erfolgt zunächst ein langsamer Längszug des leicht abduzierten Armes. Als Gegenzug dient ent− weder der Fuß des Reponierenden in der Axilla oder ein Tuch, das um den Thorax geschlungen ist. Die eigentli− che Reposition erfolgt im Anschluss durch eine Innen− rotationsbewegung. " Cave: Dieses Vorgehen ist in der Regel schmerzhaft und kann zu Schäden im Bereich der Axilla führen. Technik nach Arlt. Der Patient sitzt seitlich auf einem Stuhl, wobei der Arm über der gepolsterten Rückenleh− ne hängt. Es folgt ein gleichmäßiger Zug des Armes nach unten und lateral. Eine Innenrotation des Armes führt anschließend zur Reposition. Nach erfolgreicher Reposition verspürt der Patient eine unmittelbare Schmerzlinderung. Die reponierte Schulter wird anschließend temporär in einem Gil− christ−Verband immobilisiert. Da eine Immobilisation im Gilchrist−Verband in der Literatur keine signifikan− ten Einfluss auf die Rezidivrate hat, empfehlen wir nach schmerzadaptierter Immobilisation eine frühfunktio− nelle Nachbehandlung. n Indikationsstellung Therapie n Reposition der glenohumeralen Luxation Nach Abschluss der Diagnostik hat möglichst bald eine Reposition der Schulterluxation durch qualifiziertes Personal zu erfolgen. Grundsätzlich empfiehlt sich eine 112 Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 95 ± 124 Das der Reposition nachfolgende Behandlungskonzept einer traumatischen vorderen glenohumeralen Luxa− tion reicht von einer konservativen Therapie, sei es im Rahmen einer frühfunktionellen Nachbehandlung oder im Rahmen einer Ruhigstellung im Gilchrist−Verband bis hin zu einer arthroskopischen oder offenen Stabili− Schulter und Schultergürtel ± Luxationen sierungsoperation. Für die Indikationsstellung sind ver− schiedene Gesichtspunke entscheidend. Sie umfassen eine exakte Diagnosestellung und Klassifikation der gle− nohumeralen Luxation sowie ihrer Begleitverletzungen. Darüber hinaus ist das Alter des Patienten, seine Funk− tionsansprüche und Compliance zu berücksichtigen. Ein konservatives Vorgehen ist vor allem bei Kindern und Jugendlichen mit noch offenen Epiphysenfugen so− wie bei Patienten im Alter von über 40 Jahren ohne be− gleitende Ruptur der Rotatorenmanschette angezeigt. Ab der 2. Luxation ist davon auszugehen, dass sich ein instabiles Schultergelenk entwickelt hat, das spä− testens dann einer Operation zugeführt werden sollte. Ansonsten ist davon auszugehen, dass es durch weitere Luxationen zu einer plastischen Deformierung und somit zu einer zunehmenden Ausweitung des Kapsel− Band−Apparates kommt. Die kritische Größe wird mit 5 Rezidiven angegeben. Tabelle 10 Operationsindikationen im Rahmen einer traumatischen glenohumeralen Erstluxation Absolute Operationsindikationen n n n n n n Relative Operationsindikationen n n n n n Konservative Therapie n n Sie besteht in einer initialen schmerzadaptierten Im− mobilisation für wenige Tage. Bei Schmerzfreiheit folgt eine intensive krankengymnastische Nachbehandlung einschließlich des Trainings propriozeptiver Fähigkei− ten. Innerhalb der ersten 6 Wochen sollten Abduktion und Außenrotation gemieden werden. n Operative Therapie der traumatischen Erstluxation Das operative Vorgehen richtet sich nach der ihr zu− grunde liegenden Pathologie. Ziel der Operation sollte es sein, diese gezielt zu reparieren. Darüber hinaus sind Kenntnisse über den Spontanverlauf sowie insbesonde− re über epidemiologische Daten notwendig, um den Patienten umfassend beraten zu können. Ein unmittel− bares operatives Vorgehen im Sinne einer Notfallopera− tion ist im Rahmen einer traumatischen Erstluxation ausgesprochen selten. Sie besteht im Grunde genom− men nur bei der verhakten, nichtreponiblen Schulter− luxation, der Humeruskopfluxationsfraktur sowie bei einem begleitenden vaskulären Schaden. Eine bevorzugte operative Vorgehensweise sehen wir bei den in Tab. 10 aufgeführten Indikationen ge− rechtfertigt. Glenoidfraktur. Findet sich als begleitende Pathologie eine Glenoidfraktur, so ist diese zu refixieren. Bei gro− ßen Pfannenrandfragmenten, d. h. von mehr als 1/5 der kaudalen Glenoidfläche, wird ein offenes Vorgehen an− geraten. Nach offener Reposition des Fragmentes über einen vorderen Zugang erfolgt die Osteosynthese mit Schrauben oder resorbierbaren Polypins. Kleinere, schalenförmige Fragmente lassen sich auch arthrosko− irreponible Luxation mit interponiertem Weichteilgewebe knöcherne Bankart−Läsionen jenseits des kritischen Wertes von 1/5 der kaudalen Glenoidfläche (d. h. größer als 15 mm Länge und 5 mm Breite) mehr als 5 mm dislozierte Fraktur des Tuberculum majus begleitende Ruptur der Subskapularissehne begleitende Rotatorenmanschettenruptur beim älteren Patienten begleitende instabile Mehrfragmentfraktur des Humeruskopfes im Sinne einer Luxationsfraktur Alter zwischen 16 und 30 Jahre hoher Funktionsanspruch adäquates Trauma ohne Selbstreposition Bankart− und Hill−Sachs−Läsion Ausschluss einer Hyperlaxität gute Compliance pisch im Sinne einer Refixation des Kapsel−Labrum− Komplexes angehen. Ruptur der Rotatorenmanschette. Insbesondere bei älteren Patienten ist die begleitende Ruptur der Rotato− renmanschette ein instabilitätbegründender Faktor und als solcher Ziel der Therapie. Hierzu haben sich zu− nehmend arthroskopische Verfahren etabliert. Große Defekte der Manschette sowie Rupturen der Subskapu− larissehne werden noch nach wie vor bevorzugt offen therapiert. Im Rahmen der arthroskopischen Refixation der Rotato− renmanschette wird der Patient bevorzugt in Seitenlage auf einer Vakuummatratze gelagert. Der betroffene Arm wird mit einem Armhalter abduziert. Alternativ kann die Operation in Beach−Chair−Lage durchgeführt wer− den. Nach Inspektion des glenohumeralen Gelenkes so− wie des subakromialen Raumes erfolgt zunächst eine subakromiale Dekompression mit dem Weichteil−Sha− ver und OPES sowie dem Acromionizer. Eine Durch− trennung des korakoakromialen Bandes wird kontro− vers diskutiert, von uns jedoch befürwortet. Nachdem subakromial ausreichend Platz geschaffen und die Manschette hinreichend mobilisiert wurde, wird über ein gesondertes, drittes, von lateral kommendes Portal ein Fadenanker eingebracht. Mithilfe einer Scorpion− Zange werden die Fäden durch die Manschette gestoßen und über ein Trokar ausgeleitet und extrakorporal ver− knotet. Hierbei ist besonders auf eine exakte Fadenfüh− rung zu achten. Insbesondere sind Verwerfungen und Gewebebrücken zu vermeiden, ggf. zu korrigieren. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 95 ± 124 113 Schultergürtel und obere Extremität Postoperativ wird die Schulter zunächst für 6 Wochen auf einem Schulterabduktionskissen gelagert und pas− siv beübt. Im Anschluss folgt nach Abnahme des Schul− terabduktionskissens der Übergang zu aktiv assistierten Übungen. Nach 3 Monaten folgt im Rahmen der Kräfti− gungsphase der Muskelaufbau sowie die Vervollständi− gung des Bewegungsumfanges. Bei offenen Rekonstruktionen wird der Patient im Beach−Chair gelagert. Der Zugang richtet sich nach der Lage der Rotatorenmanschettenruptur. Läsionen im Be− reich des M. supra− und infraspinatus werden über ei− nen lateralen Zugang mit Deltoid−Split erreicht. Hierbei ist darauf zu achten, dass die Inzision und der Zugang nicht weiter als 5 cm kaudal der lateralen Akromion− kante reichen, um den N. axillaris zu schützen. Läsionen im Bereich des Rotatorenintervalles, Pully−Komplexes und Subskapularis werden dagegen über einen ventra− len, deltoideopektoralen Zugang versorgt. Fraktur des Tuberculum majus. Eine deutliche Disloka− tion des Tuberculum majus mit insbesondere Kraniali− sierung desselben um mehr als 5 mm sollte reponiert und osteosynthetisch versorgt werden, da ansonsten mit einem sekundären Impingement zu rechnen ist. Darüber hinaus lässt sich nach z. B. schraubenosteosyn− thetischer Versorgung eine krankengymnastische Übungstherapie deutlich früher im Sinne einer früh− funktionellen Nachbehandlung durchführen. Die Os− teosynthese kann sowohl offen als auch perkutan durchgeführt werden. Hill−Sachs−Läsion. Insbesondere bei der hinteren Schul− terluxation spielt die ¹Reversed Hill−Sachs−Läsion“ eine wichtige Rolle hinsichtlich der Rezidivluxation. Abhän− gig von der Defektgröße wird hier ein operatives Vorge− hen empfohlen. Während bei kleinen Impressionen mit einem Impressionsausmaß von unter 20 % der Gelenk− fläche gut einer konservativen Therapie zugeführt wer− den können, sollte bei mittleren Impressionen von 20 ± 40 % der Gelenkfläche ein Aufstößeln der impri− mierten Humeruskopfanteile erfolgen. Dieses kann un− ter arthroskopischer Kontrolle erfolgen. Alternativ be− steht die Möglichkeit einer Rotationsosteotomie des Humerus, z. B. in der Technik nach Weber. Ziel dieser Operationsmethode ist es, den Humeruskopf gegenüber dem Humerusschaft zu rotieren, damit bei erneuter In− nenrotation des Armes die Impression nicht mehr im Bereich des hinteren Glenoidrandes einhakt. Unseres Erachtens ist jedoch eine Operation, die die ursprüngli− che Anatomie wiederherzustellen versucht, zu bevor− zugen. Bei großen Impressionen von über 40 % der Ge− lenkfläche ist u. U. ein prothetischer Ersatz zu erwägen. Verletzung des Kapsel−Labrum−Komplexes. Ziel der Operation ist es, ein Verheilen des abgerissenen Kap− 114 Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 95 ± 124 Checkliste Rechtfertigung für operative Therapie (insbesondere traumatische Erstluxation) entsprechende Beratung des Patienten Patient ist zwischen 16 und 30 Jahre alt Patient ist sportlich aktiv Patient hat hohen Funktionsanspruch an die Schulter es liegt ein adäquates Trauma vor eine Laxität kann ausgeschlossen werden in der Regel findet sich eine Bankart− und Hill−Sachs−Läsion sel−Labrum−Komplexes in orthotoper Position zu er− möglichen. Häufig findet sich eine begleitende, große Luxationstasche der Kapsel, die im Rahmen eines Kapselshifts verkleinert wird. Hierzu sind neben einer großen Zahl offener Techniken insbesondere arthrosko− pische Stabilisierungsverfahren verbreitet. Der Opera− tionszeitpunkt ist immer elektiv und sollte eine mög− lichst freie Schulterfunktion beinhalten, da die Schul− terbeweglichkeit im Rahmen der Nachbehandlung über mehrere Wochen beeinträchtigt wird. n Arthroskopische Stabilisierungsverfahren Indikationen. Die Domäne der arthroskopischen Schul− terstabilisierung ist die Versorgung der frischen oder rezidivierenden traumatischen vorderen Schulterluxa− tion. Das Indikationsspektrum hat sich diesbezüglich im Laufe der letzten Jahre deutlich erweitert. Grenzin− dikationen bleiben die atraumatischen, multidirektio− nalen Instabilitäten. Die arthroskopischen Verfahren sind insgesamt be− trachtet zwar technisch anspruchsvoller als die offenen Verfahren, bieten aber dem Patienten eine geringere Zugangsmorbidität und damit geringere allgemeine Operationsrisiken, einen kürzeren Krankenhausaufent− halt sowie eine bessere Kosmetik und ein vereinfachtes Nachbehandlungsschema. Zudem kann durch die Ar− throskopie im Vergleich eine bessere intraartikulare Diagnostik und ggf. auch weitere Therapie aller intra− artikularen Verletzungen vorgenommen werden. Das Operationsprinzip besteht in der Refixation des abgerissenen Kapsel−Labrum−Komplexes an den mit Fräsen angefrischten Glenoidrand. Zur Fixation stehen eine Reihe von Methoden zur Verfügung (Klammern, Nähte, Schrauben, Fadenanker, resorbierbare Dübel). In unserer Klinik wird die arthroskopische Stabilisierung in der Technik nach Caspari, verbunden mit einem infe− rioren Kapselshift favorisiert. Es handelt sich dabei um Schulter und Schultergürtel ± Luxationen eine transglenoidale Nahttechnik mit resorbierbaren Fäden (Abb. 25). Hierzu wird der Patient vorzugsweise auf einer Vakuummatratze in Seitenlagerung gelagert, wobei der Arm ca. 70 8 abduziert und 20 8 flektiert über einen Seilzug an einem Doppelarmhalter aufgehängt wird. An Schulterzentren mit besonderer Expertise lassen sich durch arthroskopische Stabilisierungsverfahren ähnlich gute Therapieergebnisse erzielen, wie sie be− reits durch die etablierten Standards der offenen Ope− rationsverfahren bekannt sind. Alternativ kann die Refixierung des Kapsel−Labrum− Komplexes mit Fadenankern erfolgen. Nach Mobilisie− rung des Kapsel−Labrum−Komplexes und Anfrischen des Glenoidhalses werden unter visueller Kontrolle Bohrkanäle angelegt, Fadenanker eingebracht und die Fäden durch den Kapsel−Labrum−Komplex gezogen. Die Knoten werden extrakorporal vorgelegt und auf den Anker geschoben. a b c d " Die Fadenanker müssen streng subchondral platziert und vollständig versenkt werden. Die insbesondere bei multidirektionalen Instabilitäten eingesetzten Laser− und elektrothermischen Verfahren, die entweder als alleiniges oder in Kombination mit ar− throskopischen Verfahren angewendet werden können, sind aus unserer Sicht eher nicht empfehlenswert. Mit diesen Techniken werden die hitzelabilen kollagenen Kapsel−Band−Strukturen thermisch einem ¹schrump− fenden“ Strukturwandel unterzogen, bei dem das Aus− maß und die Eindringtiefe der thermischen Schädigung nur schwer kontrollierbar ist. In diesem Zusammen− hang ist auf eine hohe Schädigungsrate des N. axillaris durch dieses Verfahren hinzuweisen. Des Weiteren ste− hen auch Langzeitergebnisse aus. Sowohl als isoliertes aber auch in Kombination mit anderen Verfahren ist der Einsatz von thermischen Verfahren weder bei der trau− matischen noch bei der atraumatischen Instabilität empfehlenswert. Komplikationen. Spezifische Komplikationen der Ope− ration nach Caspari bestehen in der potenziellen Ver− letzungsgefahr des N. musculocutaneus durch einen vorderen Arbeitszugang sowie des N. suprascapularis durch einen fehlerhaften transglenoidalen Bohrkanal. Eine Fadenlockerung auf der dorsalen Muskelfaszie wurde beschrieben, ebenso wie eine gelegentliche, ins− besondere bei schlanken Menschen zu beobachtende Druckempfindlichkeit der dorsalseitigen resorbierbaren Knoten. Die Rezidivrate variiert je nach Literatur zwi− schen 0 und 30 % und liegt in der Hand des Geübten bei ca. 5 %. Sind Fadenanker nicht streng subchondral platziert und vollständig versenkt, ist vermehrt mit sekundären e Abb. 25 n Transglenoide Refixation des ventralen Kapsel−Labrum−Komplexes in der Technik nach Caspari. a Abradieren des Skapulahalses. b Fassen und Durchstechen des Kapsel− Labrum−Komplexes mit der Caspari−Fass− zange. c Transglenoidales Durchführen der PDS− Fäden. d Verknoten der PDS−Fäden auf der Infra− spinatusfaszie. e Sagittale Ansicht des Operationsergeb− nisses. Arthrosen zu rechnen. Darüber hinaus findet sich bei zu medialem Einbringen der Anker am Skapulahals eine erhöhte Rezidivinstabilität. Zur Nachbehandlung wird die operierte Schulter tags− über für 4 Wochen in einer Schulterorthese immobili− siert, um die Bewegungen in der anfangs unerlaubten Abduktion und Anteversion über 908 zu erschweren. Die Außenrotation ist in dieser Zeit vollständig unter− sagt. Nachts wird die Schulter in einem Gilchrist−Ver− Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 95 ± 124 115 Schultergürtel und obere Extremität Tabelle 11 Offene Methoden der Schulterstabilisierung Refixation des Kapsel−Band−Komplexes am Glenoidrand n Perthes−Bankart, Nahtanker Kapselraffung n n unilateral: Putti−Platt konzentrisch: inferiorer T−Shift nach Neer, Kapselshift nach Warren, Jobe, Matsen Rotationsosteotomien des proximalen Humerus n Rotationsosteotomie nach Weber Knochenblocktransplantation n n Spananlagerung (Eden−Hybbinette, J−Span nach Resch) Transposition der Spitze des Processus coracoideus (Bristow−Helfet, Patte/Latarjet, Trillat) band ruhiggestellt. Bereits am 1. postoperativen Tag wird mit einer krankengymnastischen Nachbehandlung begonnen, die die o. g. Bewegungseinschränkungen be− rücksichtigt. Vor Wiederaufnahme eines sportlichen Trainings, in der Regel nach 3 ± 6 Monaten, muss das Muskelaufbautraining abgeschlossen sein. Hierzu sollte insbesondere bei aktiven Sportlern der Trainingszu− stand mit einem Messverfahren überprüft werden. Un− seres Erachtens hat es sich bewährt, den Patienten rechtzeitig im Rahmen der Nachbehandlung anzuleiten und ihm sowie dem weiterbehandelnden Hausarzt und dem weiterbehandelnden Physiotherapeuten ein stan− dardisiertes Nachbehandlungsschema mitzugeben. n Offene Stabilisierungsverfahren Offene Stabilisierungsverfahren sind vielerorts noch der Standard einer operativen Therapie eines verletzten bzw. insuffizienten Kapsel−Labrum−Komplexes. Unter− schieden werden zum einen Maßnahmen, die zum Ziel haben, den abgelösten Kapsel−Labrum−Komplex wieder anatomisch am Glenoidrand zu befestigen. Hier handelt es sich in der Regel um die Operationstechnik nach Bankart. Zum anderen gibt es zahlreiche Operations− methoden, die das vergrößerte Kapselvolumen redu− zieren, so z. B. in der Technik nach Neer. Beide Methoden lassen sich einzeln, aber auch bei entsprechender Pa− thologie in Kombination durchführen. Unter den in der Literatur zahlreich beschriebenen, unterschiedlichen Verfahren lassen sich 4 Hauptgrup− pen zusammenfassen, die in Tab. 11 wiedergegeben sind. Refixation des Kapsel−Band−Komplexes am Glenoidrand OP nach Bankart. In Beach−Chair−Lagerung werden über einen deltoideopektoralen Zugang die kranialen 2/3 des 116 Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 95 ± 124 M. subscapularis abgelöst und der vordere Glenoidrand dargestellt. Hierbei ist darauf zu achten, dass der M. subscapularis vorsichtig von der Gelenkapsel abprä− pariert wird, ohne letzteren zu perforieren und ein aus− reichender lateralseitiger Sehnenstumpf zur späteren Refixierung verbleibt. Nach Anfrischung des Knochens erfolgt im Anschluss eine transossäre Refixation des abgerissenen Kapsel−Labrum−Komplexes mittels durchgezogener Fäden. Sofern kein Labrum mehr auf− findbar ist, kann durch Reinsertion der Kapsel sowie des mittleren und unteren glenohumeralen Bandes ein ¹Neo−Labrum“ geschaffen werden. Durch neuartige Verankerungssysteme konnte in den letzten Jahren die Operationstechnik bei gleicher primärer Verankerungs− stabilität wesentlich vereinfacht und die Akzeptanz weiter gesteigert werden. Dabei haben sich insbeson− dere Fadenankersysteme mit Titan− oder resorbierbaren Ankern bewährt, die ähnlich den arthroskopischen Operationstechniken subchondral platziert werden. Heute gilt die OP nach Bankart nach wie vor als Gold− standard. " Cave: Bei Verwendung von Fadenankern ist auf den optimalen Eintrittspunkt an der Knochen−Knorpel− Grenze zu achten. Der optimale Winkel ist die Halbie− rende zwischen Pfannenebene und dem Skapulahals, sodass sich insgesamt der Knorpel über dem Anker leicht aufwirft. Darüber hinaus ist auf eine korrekte, d. h. vollständige Eindringtiefe des Ankers zu achten, um spätere Schädigungen des Humeruskopfes zu ver− meiden. Im Rahmen des mehrschichtigen Wundver− schlusses wird insbesondere die Sehne des M. subsca− pularis ohne Verkürzung mit dem lateralen Sehnen− stumpf am Tuberculum minus reinseriert. Eine Insuffi− zienz dieser Naht ist für ein Luxationsrezidiv mitver− antwortlich. Kapselraffung OP nach Putti−Platt. In Beach−Chair−Lagerung erfolgt über einen deltoideopektoralen Zugang die Darstellung der Sehne des M. subscapularis. Dieser wird mitsamt der Gelenkkapsel ca. 2 cm medial des Tuberculum mi− nus vertikal durchtrennt. Im Anschluss wird das laterale Ende mit den Weichteilen am Glenoidrand vernäht und das mediale Ende darüber gedoppelt und am Tuber− culum minus refixiert. Insgesamt handelt es sich bei der OP nach Putti−Platt um ein unilaterales Verfahren, bei dem der M. sub− scapularis erheblich verkürzt wird. Dieses führt zum einen zu einer deutlichen Einschränkung der Außen− rotation. Zum anderen wird der Humeruskopf nach dorsal verschoben, sodass durch eine latente dorsale Subluxation eine Inkongruenzarthrose provoziert wer− den kann. Des Weiteren kann eine inferiore Restinsta− bilität trotz Bewegungseinschränkung verbleiben. Schulter und Schultergürtel ± Luxationen " Aus diesen Gründen ist von dieser Operationstech− nik abzuraten. T−Shift nach Neer. Über einen deltoideopektoralen Zu− gang werden die kranialen 2/3 der Sehne des M. sub− scapularis von der Gelenkkapsel abpräpariert. Im An− schluss erfolgt eine T−förmige Inzision der Gelenk− kapsel, wobei der vertikale Schenkel über dem Hume− rus liegt. Durch Hochziehen des inferioren Kapsellap− pens und transossäre Refixation am angefrischten Kno− chen erfolgt ein inferiorer Kapselshift und damit eine Reduktion des Kapselvolumens. Danach wird der kra− niale Kapsellappen über den ersteren nach kaudal ge− doppelt. Eine Überkorrektur ist zu vermeiden. Bevor− zugt wird diese Technik bei atraumatischen Instabilitä− ten mit multidirektionaler Instabilität angewandt. Die Rezidivrate beträgt ca. 0 ± 5 %. T−Shift nach Warren. Im Gegensatz zu der Technik nach Neer wird beim inferioren T−Shift nach Warren die T−förmige Inzision der Gelenkkapsel derartig angelegt, dass der vertikale Schenkel über dem Glenoid liegt. In analoger Technik wird zunächst der kaudale Kapsellap− pen nach kranial und im Anschluss der kraniale Kapsel− lappen nach kaudal geshiftet und transossär refixiert. Eine zusätzlich vorhandene Bankart−Läsion sollte in gleicher Sitzung immer mitversorgt werden. Im Gegen− satz zu der Technik nach Neer lässt sich diese durch die vertikale Inzision über dem Glenoidrand leichter mit versorgen. Somit bietet diese Technik vor allem bei der Stabilisierung posttraumatischer vorderer Instabilitäten Vorteile. Kapselshift nach Jobe. Über einen deltoideopektoralen Zugang wird nach Längsinzision des M. subskapularis die Gelenkkapsel horizontal eingeschnitten. Nach Ver− schluss des Rotatorenintervalles und Anfrischen des Glenoidrandes wird der kaudale Kapsellappen ca. 1 ± 3 cm nach kranial geshiftet und der kraniale Kapsel− lappen nach kaudal gedoppelt. Die Fixierung erfolgt bevorzugt mit Fadenankern. Im Gegensatz zu der OP− Technik nach Warren erfolgt keine vertikale Inzision der Gelenkkapsel über dem Glenoid, sodass durch weiter− hin bestehenden periostalen Verbund eine bessere Durchblutung der Kapsellappen gewährleistet ist. Des Weiteren ist die Gefahr einer zu starken Verkürzung der inferioren Gelenkkapsel und somit einer Außenrota− tionseinschränkung minimiert. Kapselshift nach Matsen. Über den deltoideopektoralen Zugang wird nach Ablösen der kranialen 2/3 des M. sub− skapularis die Gelenkkapsel über dem Humerus late− ralseitig vertikal inzidiert. Die mit Haltefäden armierte Gelenkkapsel wird nach lateral und kranial gezogen und mittels U−Nähten von kaudal nach kranial vernäht. Die OP−Tipp Mit Haltefäden in den Ecken der Gelenkkapsel lässt sich das Ausmaß des Shiftes gut dosieren. dadurch entstehende Reservefalte wird im Anschluss nach inferior gedoppelt. Rotationsosteotomien des proximalen Humerus Rotationsosteotomie nach Weber. In Beach−Chair−La− gerung erfolgt über einen deltoideopektoralen Zugang zunächst die Ablösung der kranialen 2/3 des M. subska− pularis ca. 1 cm medial des Tuberculum minus. Nach ggf. notwendiger Refixation einer Kapsel−Labrum− Läsion erfolgt im Anschluss die horizontale Osteotomie des Humerus subkapital distal der Vasa circumflexa humeri mit dem Klingenmeißel. Nach Außenrotation des Humerusschaftes von ca. 20 ± 35 8 erfolgt die win− kelstabile Plattenosteosynthese. Wichtig erscheint die folgende ventrale Kapselraffung, da sich ansonsten die Reluxationsrate signifikant erhöht. Die Indikation zur Rotationsosteotomie nach Weber wird heute nur noch selten gestellt. Sie besteht noch bei großen, sehr weit zentral liegenden Hill−Sachs−Defek− ten, bei denen selbiger am Glenoidrand einhakt und den Humeruskopf aus dem Glenohumeralgelenk hebelt. Häufig ist nach dieser Operation ein Innenrotationsde− fizit zu beobachten. Komplikationen. Spezifische Komplikationen dieser Technik sind die Ausbildung einer Pseudarthrose sowie einer Humeruskopfnekrose. Des Weiteren ist das stö− rende Innenrotationsdefizit zu diskutieren. Ein Zwei− teingriff zur Implantatentfernung ist u. U. notwendig. Die Rezidivrate wird zwischen 5 ± 40 % angenommen und das Risiko einer Arthrose erscheint mit ca. 45 % deutlich erhöht und ist auf eine biomechanisch rele− vante Änderung der Anatomie zurückzuführen. Knochenblocktransplantation J−Span nach Resch. Bei großen, biomechanisch relevan− ten Glenoiddefekten wird ein bikortikaler Becken− kammspan J−förmig präpariert und derartig in den Ska− pulahals eingebolzt, dass dessen äußere Rundung den Glenoidrand ergänzt. Mittels Schraubenosteosynthese wird der Span zusätzlich stabilisiert. Die Verwendung eines kompletten bikortikalen Spanes, z. B. nach Eden− Hybinette oder Lange kann nicht mehr empfohlen wer− den. Komplikationen. Die Spätergebnisse sind zum einen gekennzeichnet durch eine Lockerung und Pseudar− throsenbildung des Spanes. Zum anderen sind vermehrt sekundäre Arthrosen zu beobachten, da entweder die physiologische Translationsbewegung des Humerus− Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 95 ± 124 117 Schultergürtel und obere Extremität Tabelle 12 Anhaltspunkte zur Bewertung einer Schädigung im Bereich des Schultergürtels im Rahmen der gesetzlichen und privaten Unfall− versicherung (nach Habermeyer) MdE Gliedertaxe Armwert Diagnosen 10 % 1/7 ± 2/10 n n n n n n 20 % 2/10 ± 3/7 n n n 30 % 4/10 ± 4/7 n n n 40 % 5/10 ± 6/10 n n n Beweglichkeit aktiv Anteversion−Abduktion− Außenrotation Beweglichkeit passiv Anteversion−Abduktion− Außenrotation Befund kleine RMR posttraumatische Residuen geringfügige posttraumatische Deformität ohne Gelenkflächen− beteiligung ACG−Arthrose Schulterinstabilität < 1 Luxation im Jahr rezidivierende Subluxationen 120 ± 120 ± 0 8 frei keine proximale oder periphere Atrophie oder Dystrophie RM−Schädigung ohne Cuff−Tear− Arthropathie RM−Rekonstruktion mit ungüns− tigem Verlauf Schulterinstabilität > 1 Luxation im Jahr < 100 ± 100 ± 0 8 > 150 ± 150 ± 0 8 n Arthrodese in günstiger Stellung hyperostotische Arthrose Cuff−Tear−Arthropathie < 90 ± 60 ± 08 destruierende Omarthrose chronischer Gelenkinfekt schmerzhafte Ankylose in funk− tionell ungünstiger Stellung hochgradig schmerz− hafter Funktionsverlust des Schultergelenkes n n < 90 ± 60 ± 0 8 n n hochgradig schmerz− hafter Funktionsverlust des Schultergelenkes n n n kopfes behindert wird und der Humeruskopf am Span anstößt (OP nach Eden−Hybinette) oder die Gelenkflä− che des Glenoids in seiner Krümmung verändert wird (OP nach Lange). Darüber hinaus kann es zu einer iatro− genen Fraktur des Glenoids kommen. Muskelminderung Schultergürtel Kraftminderung keine Atrophie/Dystrophie proximale Muskelatrophie verminderte periphere Gebrauchsspuren (Handbeschwielung) proximale und distale Muskelatrophie Dystrophie des Armes verminderte periphere Gebrauchsspuren (Handbeschwielung) Die Rezidivrate beträgt bei anteroinferioren, überwie− gend posttraumatischen, rezidivierenden Luxationen zwischen 2 ± 12 %. Begutachtung Transposition des Processus coracoideus. Bei post− traumatischen, rezidivierenden Luxationen mit großen Defekten des ventralen Glenoidrandes besteht die In− dikation zur Transposition des Processus coracoideus, z. B. in der Technik nach Bristow−Latarjet. Hierbei wird die kurze Bizepssehne und die Sehne des M. coraco− brachialis zusammen mit der Spitze des Processus coracoideus versetzt. Ziel ist es, dabei keine ventrale knöcherne Barriere zu erzielen, sondern vielmehr den Defekt auszugleichen. Zudem kommt ein aktiver sta− bilisierender Effekt durch die versetzten Armflexoren bei Abduktions− und Außenrotationsbewegungen hinzu. 118 Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 95 ± 124 Der kausale Zusammenhang zur Beurteilung eines Schadens im Bereich des Schultergürtels ist mitunter sehr komplex. Es hat sich daher bewährt, das ¹Vier− Säulen−Konzept“ zu übernehmen. Hier werden folgende Faktoren analysiert: n Vorgeschichte, n Ereignisablauf, n Verletzungsbild im zeitlichen Verlauf, n Apparativ und invasiv gesicherte pathomorphologi− sche Befunde. Pathomorphologisch finden sich bei den Patienten un− ter 40 Jahren im Rahmen einer traumatischen Schulter− luxation in der Regel ligamentäre, aber auch knöcherne Schulter und Schultergürtel ± Luxationen Verletzungen des Kapsel−Labrum−Komplexes sowie Impressionsfrakturen des Humeruskopfes im Sinne eines Hill−Sachs−Defektes. Bei Patienten über 40 Jahren ist dagegen vermehrt mit Rupturen der Rotatorenman− schette zu rechnen. Des Weiteren finden sich Abriss− frakturen des Tuberculum majus sowie selten Luxa− tionsfrakturen des Humeruskopfes. Davon abzugrenzen sind habituelle Schulterluxatio− nen bei anlagebedingter Kapsellaxität oder Pfannen− dysplasie sowie die willkürliche Schulterinstabilität. Hier sind das Ausbleiben struktureller, pathomorpholo− gischer Schäden sowie die meist beidseitigen, multidi− rektionalen Luxationsrichtungen Indizien für nicht− traumatisches Geschehen. Die Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sowie der Gliedertaxe richtet sich vor allem nach funktionellen Gesichtspunkten. Dabei beträgt die ma− ximale, durch eine Schädigung im Bereich des Schulter− gürtels hervorgerufene MdE in der Regel 40 % und die relative Gebrauchsunfähigkeit nach der Gliedertaxe in Höhe von 6/10 Armwert. Anhaltspunkte sind der Tab. 12 (nach Habermeyer) zu entnehmen. Rockwood CAJ. Injuries to the acromioclavicular joint. In: Rockwood CA, Green DP, eds. Fractures in Adults. 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Südkamp Geschäftsführender Direktor Department Orthopädie und Traumatologie Universitätsklinikum der Albert−Ludwigs−Universität Hugstetter Str. 55 79206 Freiburg Telefon: 07 61/270 26 99 Telefax: 07 61/270 27 83 E−mail: norbert.suedkamp@uniklinik−freiburg.de J Orthop Trauma. 1996; 10: 1 ± 154 Haas N, Blauth M. Injuries of the acromio− and sternoclavicular joint±surgical or conservative treatment? Orthopade 1989; 18: 234 ± 245 Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 1 ê 2006 ê 95 ± 124 119