Regenerative Modellregion Harz
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Regenerative Modellregion Harz
Landkreis als Vorreiter Regenerative Modellregion Harz Abschlussbericht Das diesem Bericht zugrundeliegende Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit unter den Förderkennzeichen 0325090A, 0325090B, 0325090C, 0325090D, 0325090E, 0325090F, 0325090H, 0325090I, 0325090J, 0325090K, 0325090L gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren. Herausgeber: Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) Bereich Energiewirtschaft & Netzbetrieb Königstor 59 34119 Kassel www.iwes.fraunhofer.de Copyright: All Rechte des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichen Weg und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben auch bei nur auszugsweiser Verwertung dem Fraunhofer IWES bzw. dessen Auftraggeber vorbehalten. Foto Titelseite: RegenerativKraftwerk Harz GmbH & Co KG Kassel, Dezember 2012 Vorwort Die Zukunft beginnt im Harz In den letzten vier Jahren wurde im Forschungsprojekt Regenerative Modellregion Harz an der Zukunft des Energiesystems gearbeitet. Hierzu wurden neue Technologien und Geschäftsmodelle für ein Internet der Energien entwickelt und im Landkreis Harz getestet. Diese Technologien und Geschäftsmodelle werden benötigt, um die Umstellung auf eine erneuerbare und größtenteils dezentrale Energieversorgung sicher und kostengünstig zu gestalten. 18 Konsortialpartner bildeten das Projektkonsortium des im November 2008 gestarteten Projekts. Dazu kommen noch vier assoziierte Partner. Diese decken dabei alle wichtigen Sparten im Bereich der Energiewirtschaft ab. Viele Partner sind seit Jahren im Landkreis Harz aktiv oder sogar dort ansässig. Das Budget des Projekts betrug 16 Mio. €. Das Bundesumweltministerium trug zehn Mio. € Fördergelder zum Projekt bei, die restlichen sechs Mio. € haben die Partner aus Eigenmitteln finanziert. Der Abschlussbericht liefert eine ausführliche Beschreibung der Projektarbeiten. Dabei erhält der Leser einen Einblick darin, wie zukünftig Erzeuger, Speicher, Lasten und die Netze mit Hilfe einer entsprechenden Informations- und Kommunikationstechnik intelligenter betrieben werden können. Der Abschlussbericht beginnt mit einer Kurzzusammenfassung, die für jedes Kapitel des Berichts die wichtigsten Erkenntnisse in einem Absatz zusammenfasst. Weiterführende Informationen erhalten Sie z.T. auf der Homepage www.RegModHarz.de und bei den einzelnen Partnern. Wir wünschen Ihnen viel Spaß und viele Erkenntnisse beim Lesen des Abschlussberichts. Florian Schlögl Projektkoordinator Inhaltsverzeichnis 1 Kurzzusammenfassung .................................................................. 1 2 Projektziele und –struktur ............................................................. 10 2.1 Ausgangspunkt, Motivation .......................................................10 2.2 Ziele ....................................................................................10 2.3 Projektstruktur und Veröffentlichungskonzept...............................12 2.4 3 2.3.1 Projektphasen ........................................................... 12 2.3.2 Veröffentlichungskonzept ............................................ 13 2.3.3 Demonstrationsvorhaben ............................................. 15 RegModHarz-Architektur ..........................................................18 Informations- und Kommunikationstechnik ....................................... 21 3.1 3.2 3.3 Virtuelles Kraftwerk .................................................................21 3.1.1 Das virtuelle Kraftwerk im Kontext des Gesamtsystems ....... 21 3.1.2 Architektur der Software des virtuellen Kraftwerks............. 21 3.1.3 Leitwarte .................................................................. 24 3.1.4 Energiemanagement ................................................... 27 3.1.5 Feldtest des virtuellen Kraftwerks .................................. 32 Anlagenanbindung .................................................................34 3.2.1 Anforderungen .......................................................... 35 3.2.2 Architektur................................................................ 36 3.2.3 PowerBridge, Idee, Umsetzung, Plattformen .................... 37 3.2.4 Datenmodell ............................................................. 39 3.2.5 Registry .................................................................... 43 3.2.6 Sicherheit ................................................................. 43 3.2.7 Standardisierung........................................................ 44 3.2.8 Angeschlossene Anlagen .............................................. 45 3.2.9 Zusammenfassung und Erfahrungen............................... 45 Kundenanbindung ..................................................................45 3.3.1 Smart Meter/MUC-Kombination ..................................... 46 3.3.2 BEMI (Bidirektionales Energiemanagement Interface) ......... 46 3.3.3 Schaltboxen .............................................................. 48 3.3.4 Angebundene Haushalte .............................................. 48 3.3.5 Zusammenfassung und Erfahrungen............................... 49 3.4 4 3.4.1 Herausforderung / Zielsetzung ....................................... 50 3.4.2 Umsetzung................................................................ 51 3.4.3 Bereiche ................................................................... 53 3.5 Prognoseinformationssysteme ...................................................58 3.6 Dezentrale Einsatzoptimierung mit energyTRADE ............................61 Erzeugung ................................................................................. 63 4.1 Potenziale im Landkreis Harz.....................................................63 4.2 Prognosen .............................................................................65 4.2.1 Preisprognose ............................................................ 65 4.2.2 Wind- und PV-Leistungsprognosen ................................ 71 4.3 Szenarien ..............................................................................79 4.4 Marktzugang für erneuerbare Energien ........................................89 4.5 Direktvermarktung an Großhandelsmärkten .................................92 4.6 4.7 5 Marktplattform .......................................................................49 4.5.1 Direktvermarktung über einen Poolkoordinator ................ 92 4.5.2 Werkzeuge zur Simulation der Vermarktung ..................... 96 4.5.3 Ergebnisse aus der Simulation der Vermarktung ................ 99 4.5.4 Praktische Erfahrung aus der Vermarktung einer Biogasanlage........................................................... 114 Strategien zur dezentralen Stromversorgung ............................... 117 4.6.1 Selbstversorgung Landkreis Harz .................................. 118 4.6.2 Bürgerbeteiligung an der Stromerzeugung ..................... 124 4.6.3 Direktbelieferung von Endkunden am Beispiel des Windparks Druiberg .................................................. 130 4.6.4 Selbstversorgung eines Haushalts mit Solarenergie .......... 134 Steuerung von Biogasanlagen ................................................. 135 4.7.1 Simulation der Steuerung einer Biogasanlage ................. 136 4.7.2 Feldtest Biogasanlage ............................................... 139 Kunden ................................................................................... 141 5.1 Vermarktungsstrategie Regionaler Haushaltskundentarif ............... 141 5.2 Netzbetriebsstrategie dynamischer Haushaltskundenvertrag .......... 148 5.3 Industrielles Lastmanagement ................................................. 157 5.4 E-Kfz.................................................................................. 161 6 Netz ....................................................................................... 166 6.1 6.2 6.3 6.4 7 Bestandsaufnahme ............................................................... 166 6.1.1 Erhebung von Netzdaten ........................................... 166 6.1.2 Analyse des Netzbetriebes .......................................... 169 Netzsimulationen ................................................................. 172 6.2.1 Lastflussanalyse für die Leitszenarien ........................... 172 6.2.2 Freileitungsmonitoring in 110 kV –Teilnetzen ................ 174 6.2.3 Netzsicherheitsmanagement ....................................... 179 6.2.4 Blindleistungsbereitstellung und Spannungshaltung durch Erzeuger auf der Mittelspannungsebene ............... 183 6.2.5 Analyse der Netzzuverlässigkeit ................................... 188 PMU-Feldtest ....................................................................... 191 6.3.1 Überblick ................................................................ 191 6.3.2 Aufbau der Messeinheiten .......................................... 192 6.3.3 Installation des PMU –Messsystems im 110 kV-Netz......... 192 6.3.4 Datenübertragungskonzept ........................................ 193 6.3.5 Darstellung der Messdaten ......................................... 195 Übertragbarkeit der Zuverlässigkeitsergebnisse ........................... 196 6.4.1 Simulation und Regionenvergleich ............................... 196 6.4.2 Netzseitig geltende Normen und Standards für ein virtuelles Kraftwerk .................................................. 199 Schlussfolgerung / Ausblick / Empfehlungen ..................................... 201 7.1 7.2 Empfehlungen ..................................................................... 201 7.1.1 Vermarktung an der Strombörse EPEX SPOT sowie bilaterale Lieferverträge............................................. 202 7.1.2 Dynamische Tarife .................................................... 204 7.1.3 Sondermodelle zur Direktbelieferung von Endkunden ...... 206 7.1.4 Vermarktung am Regelenergiemarkt ............................. 207 7.1.5 Weitere Marktbereiche .............................................. 208 7.1.6 Biogasanlagen ......................................................... 208 Ausblick .............................................................................. 210 8 Literatur.................................................................................. 216 9 Anhang ................................................................................... 221 1 Kurzzusammenfassung Projektziele und Struktur Mit dem Förderprogramm E-Energy des BMWi und des BMU waren in sechs Modellregionen Geschäftsmodelle (GM) und Technologien für das IKT-basierte Energiesystem der Zukunft zu entwickeln. Dazu wurde im Projekt Regenerative Modellregion Harz (RegModHarz) ein virtuelles Kraftwerk (VK) aus verschiedenen Erzeugern, Verbrauchern und Speichern im Landkreis (LK) Harz entwickelt. Die dazugehörige Vermarktung von erneuerbaren Energien (EE) wurde untersucht und neue Werkzeuge zur Unterstützung des Netzbetriebs wurden erprobt. Es wurde im Projekt gezeigt, dass durch die Koordination von Erzeugern, Speichern, Verbrauchern und dem Netz eine Versorgung mit elektrischer Energie mit einem maximalen Anteil von erneuerbaren Energien möglich ist. Virtuelle Kraftwerke Virtuelle Kraftwerke steuern und vermarkten Erzeuger, Speicher und Verbraucher und übernehmen damit eine zentrale Aufgabe im zukünftigen Energiesystem. Die zunehmende Dynamik und Komplexität der Energieversorgungsstrukturen stellt hierbei neue Anforderungen an Architektur, Skalierbarkeit und Flexibilität der technischen Lösungen. Eine besondere Herausforderung stellt dabei zum einen die Vielzahl der Schnittstellen zu verteilten Kommunikationssystemen dar, wie z.B. Märkten, Energieanlagen, Händlern und Prognoseanbietern. Zum anderen gewinnt das aktive, optimierte Management dezentraler Erzeuger, Speicher und Verbraucher an Bedeutung. Unter Berücksichtigung der Projektziele und der energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen wurde eine Mehrschicht-Architektur entwickelt, die ein generisches Anlagen- und Energiemanagement unterstützt. Diese Architektur wurde in Form eines funktionsfähigen virtuellen Kraftwerks umgesetzt und erfolgreich in Feldtests betrieben. Die technische Realisierung hat sich hierbei als leistungsfähige Plattform erwiesen. Anbindung von dezentralen Anlagen an das virtuelle Kraftwerk Die kommunikative Anbindung dezentraler Energieanlagen unterliegt grundsätzlich anderen Randbedingungen als die Anbindung großer Kraftwerke: statt 100%iger Verfügbarkeit muss mit einer eingeschränkten Erreichbarkeit gerechnet werden; statt firmeneigener abgeschotteter Netze kann der Datenverkehr über das Internet erfolgen; statt einer jahrelangen Stabilität einer einmal aufgebauten Infrastruktur sind ständige Änderungen und täglich dazukommende Anlagen zu beherrschen. 1 Web-Service Technologien bieten dafür eine breite Palette von Lösungen. In Verbindung mit dem etablierten Kommunikationsstandard IEC 61850 ist hiermit eine sichere und flexible Anbindung dezentraler Energieanlagen realisierbar. Der Einsatz einheitlicher Datenmodelle für unterschiedliche Anlagentypen ermöglicht dabei dem virtuellen Kraftwerk eine weitgehende Abstraktion von spezifischen Details der unterschiedlichen Anlagen. Anbindung von Haushaltskunden Neben den Erzeugungsanlagen gibt es auch in den Haushalten Potenzial zur Flexibilisierung. Durch intelligente Verschiebung von Verbräuchen können die Fluktuationen aus EE ausgeglichen werden. Dazu wurden die Haushalte kommunikationstechnisch angeschlossen und mit einem Energiemanagementsystem (BEMI - Bidirektionales Energiemanagement Interface) versehen. Bei einem Feldtest wurden in der ersten Phase die vorhandenen Ferraris-Zähler der Feldtestteilnehmer durch Smart Meter ersetzt. Das Smart Meter speichert viertelstündlich die Stromverbrauchswerte und stellt zwei Schnittstellen zum Auslesen zur Verfügung: Eine GPRSSchnittstelle und eine LAN-Schnittstelle. Über die GPRS-Schnittstelle wurden im ersten Feldtestteil die Gewohnheiten der Feldtestteilnehmer bezüglich ihres Stromverbrauchs erfasst. Im zweiten Feldtestteil erhielten die Teilnehmer das Bidirektionale Energiemanagement Interface (BEMI), welches über schaltbare Funksteckdosen (ZigBee) zwei Hausgeräte ansteuert. Das BEMI ist per LAN oder WLAN mit dem Router und dem Smart Meter des Feldtestteilnehmers verbunden und hat darüber Zugriff auf das Internet und den Gesamtstromverbrauch. Über die Internetverbindung wird der Preisstufenverlauf empfangen, der als Eingangsgröße für die Berechnung der Einsatzpläne benötigt wird. Die technische Umsetzung des Feldtests erwies sich als sehr anspruchsvoll. Das Funktionieren des prinzipiellen Konzepts, nämlich der gezielten Beeinflussung des Verbrauchs, konnte nachgewiesen werden. Bereitstellung von Informationen durch die Marktplattform Im zukünftigen Energiesystem mit einer Vielzahl dezentraler Anlagen müssen alle Akteure transparent und einfach einen Überblick über die wesentlichen Kennzahlen der Stromversorgung wie Erzeugung, Verbrauch und Preise erhalten. Die interaktive Marktplattform in RegModHarz ermöglicht einen einfachen Zugang zu Transparenzinformationen zur Stromversorgung in der Modellregion sowie zu relevanten Marktinformationen. Die Nutzer der Plattform erhalten stündlich aufgelöste ISTWerte und Prognosen zu Strombedarf und Stromerzeugung je Anlagentyp sowie die räumliche Anlagenverteilung, dazu Marktpreise und Preisprognosen mit erzielbaren Erlösen durch die Vermarktung der erzeugten Energie. Zusätzlich wird aktuell über 2 die Preisstufen des zeitdynamischen RegModHarz-Tarifs informiert und die Feldtestkunden erhalten einen persönlichen Bereich, über den sie ihr Stromverbrauchsverhalten auswerten und die Anteile bezogener elektrischer Energie je Preisstufe und je Erzeugungsanlagentyp nachvollziehen können. Ergänzend wird eine persönliche monatliche Verbrauchsabrechnung mit entsprechenden Auswertungen generiert. Die Marktplattform stellt durch die Transparenz einen wichtigen Baustein für die Integration der Akteure in die Energiewende dar. Prognosesysteme Das in RegModHarz erarbeitete Gesamtkonzept basiert in wesentlichen Teilen auf dynamischen und vorausplanenden Energiemanagementkomponenten (z.B. virtuelles Kraftwerk, BEMI). Diese Komponenten agieren dabei in zentralen Kernprozessen vorhersagegestützt. Die notwendigen Prognosen werden in RegModHarz durch Prognoseinformationssysteme zur Verfügung gestellt, welche als energiewirtschaftliche Basisdienste modelliert wurden. Das erarbeitete Konzept der Basisdienste ermöglicht die einfache und leistungsfähige Integration von Prognosen in den relevanten Energiemanagementkomponenten, da sowohl moderne energiewirtschaftliche Standards und erarbeitete Erweiterungen, als auch serviceorientierte Architekturkonzepte verwendet wurden. Potenziale für erneuerbare Energien im Landkreis Harz Zum Erreichen der Klimaschutzziele ist ein weiterer Ausbau der EE notwendig. Das gilt auch für den LK Harz, vor allem wenn man berücksichtigt, dass eine ländliche Region wie der LK Harz in Zukunft Ballungsräume mitversorgen muss. Das Ausbaupotenzial für erneuerbare Energien liegt im LK Harz bei maximal 13,0 TWh. Dieses Potenzial reicht aus um den gesamten Bedarf an elektrischer Energie von circa 1,3 TWh zu decken und darüber hinaus noch elektrische Energie zu exportieren. Selbst wenn alle PKW-Nutzer im LK Harz auf Elektroautos umsteigen würden, was zu einem zusätzlichen Strombedarf von 291 GWh führen wird, und der gesamte Wärmebedarf im LK Harz von jährlich circa 2,8 TWh elektrisch gedeckt, würden die Potenziale ausreichen. Das größte Potenzial bietet die Windenergie, wobei dieses Potenzial nur erschlossen werden kann, wenn die Eignungs- und Vorrangflächen im Landkreis Harz vergrößert werden. Hier ist die Politik gefordert, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu setzen. Prognosen für erneuerbare Energien, Last, Wärme und Preise Prognosen stellen beim Betrieb eines VK ein zentrales Element dar. Sowohl bei der Vermarktung als auch beim Netzbetrieb sind Prognosen der Einspeisung, des Ver3 brauchs, des Wärmebedarfs aber auch Prognosen der Börsenpreise notwendig. Im Rahmen des Projekts wurden Lastprognosen, Wärmebedarfsprognosen und räumlich hochaufgelöste Erzeugungsprognosen entwickelt. Bei Erzeugungs- und Lastprognosen handelt es sich um operationelle Prognosen für den Betrieb des VK aber auch um historische Prognosen, die für Untersuchungen im Rahmen der Simulationen notwendig sind. Vor allem für die auf Wetterdaten basierenden Prognosen gilt: Je kleiner das Vorhersagegebiet und je länger der Vorhersagehorizont, desto ungenauer werden die Prognosen. Innertägige Kurzfristprognosen schaffen die Möglichkeit, im Intraday-Handel die vortägige Vermarktung nach den Folgetagsprognosen zu korrigieren. Szenarien und Szenariendaten Um die Herausforderung zu ermitteln, die der Umbau des Energiesystems mit sich bringt, werden verschiedene zeitliche Phasen betrachtet. Drei Leitszenarien in RegModHarz ermöglichen die Vergleichbarkeit der Forschungsprozesse und -ergebnisse: (1.) Referenzsituation im Jahr 2008, (2.) Annahme für das Jahr 2020 sowie (3.) Szenario einer 100%-Stromversorgung mit erneuerbaren Energien. Im 100%-Szenario versorgt die Modellregion nicht ausschließlich sich selbst, sondern beteiligt sich mit einem angemessenen Anteil an der 100%-EE-Stromversorgung Deutschlands; die Betriebsführung der flexiblen Energieanlagen (Erzeuger, Speicher, Verbraucher) richtet sich nach den überregionalen Großhandelspreisen. Die gewählten Szenarien sind ein wichtiger Baustein für die Erarbeitung von zukünftigen Herausforderungen und Lösungen bei der Energiewende. Marktanalyse Als Grundlage für die Entwicklung der Geschäftsmodelle waren die Marktbedingungen und Zugangsvoraussetzungen zum Strommarkt zu analysieren. Die für RegModHarz wesentlichen Großhandelsmärkte sind die Spot- und Regelleistungsmärkte. Die Erkenntnisse aus den Analysen fließen auch in die Empfehlungen zur Weiterentwicklung des rechtlichen Rahmens mit ein. Wesentliches Kriterium für eine Beurteilung der Märkte ist, dass für die neuen Marktteilnehmer ein Marktzugang besteht und eine Refinanzierung für die fluktuierend einspeisenden Erzeuger und flexiblen Energieanlagen möglich ist. Die Stromgestehungskosten bei dem überwiegenden Anteil der EE-Erzeuger liegen noch über den Marktpreisen und sie erhielten bis Ende 2011 eine marktpreisunabhängige feste Vergütung. Die Energiewende wird nur dann gelingen, wenn es möglich ist, EE-Erzeuger marktorientiert und zugleich ökonomisch mit geringen Risiken zu betreiben. Um neuen Akteuren die Marktteilnahme zu ermöglichen, muss die Transparenz der Märkte erhöht werden. 4 Direktvermarktung von erneuerbaren Energien an Großhandelsmärkten Bei der Vermarktung von EE-Strom erfordern die besonderen Eigenschaften der jeweiligen Energieträger ein angepasstes Vorgehen. Dabei ist es entscheidend, ob es sich um fluktuierende Erzeuger wie Windkraftanlagen oder flexible Erzeuger wie Biogasanlagen handelt. Eine besondere Herausforderung bietet die Einsatzplanung von Biogasanlagen, da hier der Füllungsgrad der Gas- und Wärmespeicher Grenzen setzt. Es wurden zeitreihenbasierte Simulationsrechnungen für komplexe virtuelle Kraftwerke und frei definierbare betriebswirtschaftliche Strategien entwickelt, die die Entwicklung von Werkzeugen für die Marktintegration der erneuerbaren Energien ermöglichen, z.B. wurde ein Verfahren zur gleichzeitigen Optimierung der Angebote am Spot- und Regelleistungsmarkt oder auch ein Verfahren zur marktorientierten Auslegung flexibler EE-Anlagen mit KWK entwickelt. Unter den derzeitigen Bedingungen sind keine generell neuen Geschäftsmodelle neben dem EEG wirtschaftlich. Regionale Direktvermarktung von erneuerbaren Energien Im Rahmen des Projekts wurde versucht, zusätzliche regionale Vermarktungsmöglichkeiten zu finden. Eine Belieferung der Haushaltskunden der Modellregion mit dem Anlagenportfolio der Modellregion Harz gemäß Grünstromprivileg § 39 EEG 2012 war nicht wirtschaftlich darstellbar. Eine Fallstudie zur Versorgung von Haushaltskunden durch einen Windpark der Modellregion zeigte, dass auch dies in der Regel nicht wirtschaftlich ist. Als ergänzendes zentrales Geschäftsmodell für die Beteiligung der Bürger an der Energiewende wurde im Laufe des Projekts die Beteiligung an Stromerzeugung und -vertrieb durch die Bürger der Modellregion identifiziert und untersucht. Durch das regionale Zusammenführen von Verbrauchern und dezentralen EE-Erzeugern sowie durch intelligente Beteiligungsmöglichkeiten lässt sich eine Beteiligung der Bürger an der Stromversorgung mit der kommunalen Daseinsvorsorge verbinden. Dies kann einen wesentlichen Faktor für die Akzeptanz des Ausbaus der erneuerbaren Energien darstellen. Steuerung von Biogasanlagen Im Zuge der Energiewende hin zu einer 100%-Versorgung aus erneuerbaren und zum Großteil fluktuierenden Energiequellen werden schnell regelbare Erzeuger zum Ausgleich der schwankenden Einspeisung aus Wind und PV einen hohen Stellenwert einnehmen. Im Rahmen des Projekts wurden hierzu mit Matlab Simulink Simulationen zum technischen Betrieb flexibilisierter Biogasanlagen durchgeführt. Des Weiteren wurde untersucht, wie die Anlagensteuerung und das Energiemanagement 5 erfolgen können. Für das Energiemanagement wurden mit Hilfe der Software energyPRO Betriebsfahrpläne errechnet, die zum einen die erzielbaren Markterlöse und zum anderen die Restriktionen des flexiblen Biogasanlagensystems berücksichtigen. Bei einer Demonstration wurden beide Simulationen miteinander gekoppelt und das Gesamtsystem von Anlage, Anlagensteuerung und Energiemanagement präsentiert. Ebenso wurde das Simulationsmodell der Biogasanlage über die PowerBridge direkt mit der Leitwarte des virtuellen Kraftwerks verbunden, um die Umsetzbarkeit des Betriebs der Biogasanlage mit Einbindung in das virtuelle Kraftwerk zu untersuchen. Im zweiten Schritt erfolgte die Umsetzung an realen Biogasanlagen. Es zeigt sich, dass die technische Umsetzung nach dem heutigen Stand der Technik problemlos durchführbar ist. Im Rahmen eines Feldversuchs erfolgte die Direktvermarktung einer Biogasanlage entsprechend dem Marktprämienmodell am DayAhead Markt, Intradaymarkt und Day-After Markt. Stromvertriebsstrategie Regionaler Haushaltskundentarif Zur Untersuchung neuer Vermarktungsmöglichkeiten wurde ein Stromtarif zur direkten Belieferung der Haushaltskunden mit regional erzeugtem EE-Strom durch die Vertriebe vor Ort konzipiert. Dabei soll nicht nur eine Energiebilanz über das Jahr ausgeglichen, sondern das Verbrauchsprofil viertelstündlich im Portfolio gedeckt werden. Dabei wird die Wirkung der flexiblen Stromerzeugung aus Biogasund KWK-Anlagen sowie verschiedener Speichertechnologien auf das Zusammenspiel mit der volatilen Stromerzeugung untersucht. Die Verwertung von überschüssigen Energiemengen ist eine wesentliche Randbedingung für die Einsatzplanung der Anlagen. Der Tarif bezieht die Möglichkeit der Lastverlagerung bei den Haushaltskunden mit ein. Netzbetriebsstrategie dynamischer Haushaltskundenvertrag In einem zukünftigen Energiesystem mit einem hohen Anteil fluktuierender Erzeuger ist es notwendig, auch das Flexiblitätspotenzial der Haushalte zu erschließen. Die Verschiebung der Haushaltslasten soll durch einen preisdynamischen Tarif angereizt werden. Die Funktionsfähigkeit eines solchen Anreizsystems sollte bei einem Feldtest nachgewiesen werden. Der Feldtesttarif orientiert sich an der Stromvertriebsstrategie „Regionaler Haushaltskundenstromtarif“ (s. Kapitel 5.1). Der Anreiz zur Lastverschiebung erfolgt durch ein neunstufiges Bonus-Malus-System. Die Bildung der Preisstufen erfolgt anhand der prognostizierten Residuallast der Modellregion als Führungsgröße. Simulationen haben gezeigt, dass das Verhältnis zwischen installierter Leistung von Wind und PV und durchschnittlicher Stromverbrauchsleistung einen grundlegenden Einfluss auf die Verteilung der dynamischen Bonus- und 6 Maluszeiten hat. War im Jahr 2008 noch das Verbrauchsmuster in der Modellregion preisstufenbestimmend, so hat im 100%-Szenario das Einspeiseverhalten von Wind und PV den überwiegenden Einfluss auf die Abfolge der Bonus- und Maluszeiten. Das Bonus-Malus-System bietet folgenden Vorteil: Die Preisspreizung und damit der Anreiz zur Lastverschiebung ist unabhängig von der Stromlieferung durch den Vertrieb und kann sich somit gänzlich nach dem Bedarf der Netzbetriebsführung richten. BEMI-Feldtest Am zweiphasigen BEMI-Feldtest nehmen 43 Haushalte teil. In der ersten Phase haben Smart Meter/MUC-Kombinationen viertelstündlich den Stromverbrauch gemessen – für die Erfassung der Stromverbrauchsgewohnheiten der Teilnehmer bei konstantem Strompreis über den Tag. In der zweiten Feldtestphase gibt der RegModHarz-Tarif mit seinen neun Preisstufen Anreize, den Stromverbrauch zu Zeiten der Malusstufen zu vermeiden und in Zeiten der Bonusstufen zu verlagern. Die Verlagerung für zwei Hausgeräte erfolgt automatisch über das BEMI. Mithilfe des BEMI und der RegModHarz-Marktplattform haben die Teilnehmer die Möglichkeit, ihren Stromverbrauch und ihren virtuellen Kontostand zu analysieren. Auswirkungen von Elektrofahrzeugen auf den Netzbetrieb Elektrofahrzeuge mit ihren mobilen Speichersystemen versprechen ein erhebliches Potenzial zur Lastverlagerung. Die zeitliche und räumliche Verteilung der Fahrzeuge im virtuellen Kraftwerk hängt unter anderem von Nutzergruppe und Wochentag ab. Auf Basis von statistischen Nutzungsszenarien wurde ein Simulationstool entwickelt, das die Zahl der Elektrofahrzeuge ermittelt, die zur Ladung bereit stehen, und die Energiemenge, die in die Batterien der Fahrzeuge geladen werden kann. Für das Jahr 2020 werden in der Modellregion 2780 Elektrofahrzeuge prognostiziert. Die daraus resultierende Spitzenleistung von 10,7 MW ist verträglich mit der Kapazität des Netzes. Eine Herausforderung ist die Kopplung der Ladung der Fahrzeuge an die Verfügbarkeit erneuerbar erzeugter Energie. Bestandsaufname des elektrischen Netzes im Landkreis Harz Die Herausforderungen, die durch den Ausbau der EE auf die Netze zukommen, machen neue Wege der Netzbetriebsführung notwendig. Grundlage für die Entwicklung solcher neuer Netzbetriebsführungskonzepte ist die genaue Kenntnis des Netzzustandes. Dazu wurden Erzeugungszeitreihen basierend auf Langzeit- Wetterprognosen und Lastzeitreihen basierend auf Snapshot-Messungen an wichtigen Knoten (Umspannwerken) erstellt. In den zusätzlich durchgeführten Power 7 Quality-Messungen konnten mit dem Stand 2010 keine Verletzungen der Norm DIN EN 50160 festgestellt werden. Darüber hinaus wurde ein Konzept für die Bilanzierung des Systems mittels eines virtuellen Anschlusspunktes entwickelt sowie die RegModHarz-Leitszenarien als Grundlage für die Untersuchungen im Rahmen des Gesamtprojekts definiert. Auswirkungen von Versorgungsszenarien auf das elektrische Netz Mit Hilfe von Netzsimulationen wurde ermittelt, wie sich der Zubau von EE auf das Verteilungsnetz des LK Harz auswirkt. Dazu wurde ein Netzmodell generiert, welches über 2000 Knoten sowie über 2000 Leitungsverbindungen beinhaltet und die Spannungsebenen 10, 15, 20, 30 sowie 110 kV umfasst. Im nächsten Schritt wurde dieses in eine professionelle Simulationsumgebung überführt. Die Simulation ergab, dass der im Szenario für 2020 angenommene Zubau von EE vom Netz verkraftet werden kann. Bei dem Einsatz von Freileitungsmonitoring könnte das untersuchte Verteilungsnetz (n-1)-sicher betrieben werden. Elektrofahrzeuge haben hinsichtlich ihrer Batterieladung in dem angenommenen Durchdringungsgrad von 2.780 Fahrzeugen (Jahr 2020) im LK Harz keinen wesentlichen Einfluss auf die Stabilität des elektrischen MS/HS-Netzes. Die resultierende Nichtverfügbarkeit des Netzes liegt im bundesdeutschen Durchschnitt. Durch den für 2020 angenommen Zubau würde sie sich erhöhen. Das kann durch Reduzieren der Schaltzeiten kompensiert werden. Feldtest mit Phasor Measurement Units Phasor Measurement Units (PMU) ermöglichen sowohl die GPS-genaue Erfassung von Spannungsbeträgen und –winkeln sowie Strombeträgen und –winkeln als auch die Erfassung der Netzfrequenz. Dies ist eine Grundlage zur präzisen Erfassung des Netzzustandes. In einem Feldtest wurde erprobt, inwieweit PMU zur Netzbetriebsführung beitragen können. Im Hochspannungsverteilungsnetz der E.ON Avacon AG wurden zehn PMU an ausgewählten Standorten installiert. Zur Übermittlung der Messdaten wurde eine Kommunikationsinfrastruktur zur sicheren Messdatenerfassung, -visualisierung und -speicherung entwickelt. Zur Visualisierung der momentanen PMU-Messdaten ist eine Visualisierungssoftware erarbeitet worden, die mit drei Autorisierungsgraden den Zugriff auf die Darstellung unterschiedlicher Messdaten erlaubt. Es erfolgte eine Optimierung des Messsystems, in dem die Messdatenverarbeitung und -visualisierung durch die Software „Siguard PDP“ parallel realisiert wurde. Mit dem Feldtest wurde nachgewiesen, dass eine OnlineMessdatenerfassung synchronisierter Messwerte im 110 kV–Netz möglich ist, welche einerseits mit Hilfe einer Datenbank zur weiteren Netzzustandsberechnung nutzbar 8 sind und dem virtuellen Kraftwerk aktuelle Informationen zum Lastfluss zur Verfügung stellen können. Übertragung der Netzuntersuchungen auf andere Regionen Die Zuverlässigkeit elektrischer Netze wird hauptsächlich durch den Vermaschungsgrad und Automatisierungsgrad beeinflusst, daher sind die Ergebnisse aus bestimmten Netzen nicht direkt auf andere Netze übertragbar. Der Einfluss der erneuerbaren Energien auf die Zuverlässigkeit eines Netzes muss gesondert und unter Berücksichtigung der vorherrschenden Topologie für jedes Energienetz individuell analysiert werden. Dieses Ergebnis wurde im Vergleich der Versorgungssituation innerhalb eines Ballungsgebiets, eines ländlichen und städtischen Netzes, unter Variation der Einfluss nehmenden dezentralen Erzeugungsanlagen an einem Benchmarknetz ermittelt. Ein hoher Anteil erneuerbarer Energien verschlechtert generell (ohne Betrachtung des Inselbetriebs mit Speichertechnologien) die Zuverlässigkeit, wenn die Betriebsmittel nicht an die veränderten Bedingungen angepasst werden. Empfehlungen zur Anpassung der rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Zur erfolgreichen Umsetzung der Energiewende ist eine weitere Verbesserung der Markt- und Systemintegration der erneuerbaren Energien notwendig. Dabei muss darauf geachtet werden, dass die notwendige Rechts- und Investitionssicherheit für die jeweiligen Akteure gewahrt wird. Auf Basis der in RegModHarz untersuchten Geschäftsmodelle sind Empfehlungen zur Weiterentwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen und der Märkte erarbeitet worden. Die Empfehlungen zielen auf eine verbesserte Markt- und Systemintegration der erneuerbaren Energien ab. Es zeigt sich, dass die bisherigen Marktbedingungen auf die konventionelle Energieerzeugung abgestimmt sind und eine umfangreiche Markttransformation notwendig wird. Zukünftig werden sich die Marktmechanismen an den dezentralen und fluktuierenden Erzeugern ausrichten müssen. 9 2 Projektziele und –struktur 2.1 Ausgangspunkt, Motivation Die Elektrizitätswirtschaft ist im Umbruch begriffen. Die endlichen Ressourcen fossiler Energieträger, der Klimawandel und die Gefahren der Atomenergie machen einen Umstieg auf erneuerbare Energien unabwendbar. Bei erneuerbaren Energien handelt es sich größtenteils um dezentrale Anlagen, oftmals mit einem fluktuierenden Einspeiseverhalten. Diese Eigenschaften stellen neue Herausforderungen an die Elektrizitätswirtschaft. Für diese Herausforderungen sollten im Rahmen der Förderinitiative „E-Energy – IKT basiertes Energiesystem der Zukunft“ Lösungen gefunden werden. Die Lösungen lagen dabei in der Entwicklung von Geschäftsmodellen und Technologien für ein „Internet der Energie“ bzw. Smart Grid. Smart Grid steht für die Zusammenführung von elektrischen Erzeugern, Verbrauchern, Speichern und Netzen mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnologie, wodurch die Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit der Stromversorgung erhöht werden soll. Die Regenerative Modellregion Harz (RegModHarz) ist eines von sechs Forschungsprojekten im Rahmen der Förderinitiative E-Energy des BMWi und des BMU. Der Schwerpunkt des vom BMU geförderten Projekts RegModHarz lag auf der Integration der erneuerbaren Energien. Hierfür bietet sich der Landkreis Harz besonders an, da der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung in der Region ungefähr doppelt so hoch ist als im Bundesdurchschnitt. 2.2 Ziele Das übergeordnete Ziel war es, zu zeigen, dass durch die Koordination von Erzeugung, Speicherung und Verbrauch mit einem maximalen Anteil erneuerbarer Energieträger eine stabile, zuverlässige und verbrauchernahe Versorgung mit elektrischer Energie möglich ist. Darunter gab es drei Leitziele, die sich an dem energiepolitischen Dreieck orientierten. Das energiepolitische Dreieck besteht aus den Aspekten Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit. Die drei Leitziele, die im Folgenden beschrieben werden, finden sich auch in der Systemarchitektur wieder. 10 Märkte VK Harz Lieferanten Netzbetreiber Abbildung 1: Systemarchitektur des Projekts RegModHarz Aufbau einer funktionsfähigen Leitstelle zur Steuerung des virtuellen Kraftwerks Harz Virtuelle Kraftwerke bestehen aus einer Zusammenschaltung verschiedener dezentraler Energieeinheiten, wie Biogasanlagen oder Windkraftanlagen, die zentral von einer Leitstelle aus überwacht und gesteuert werden. Auch die Bereitstellung von Prognosen der volatilen Erzeuger erfolgt über die Leitstelle. Virtuelle Kraftwerke erleichtern die Markt- und Netzintegration von dezentralen Energieeinheiten. Über die Leitstelle des virtuellen Kraftwerks Harz (VK Harz) wurden einzelne Betriebsführungskonzepte realisiert, indem die angeschlossenen Anlagen über die Leitstelle gesteuert wurden. An das VK Harz wurden nur Anlagen angeschlossen, deren Wirkleistung zentral über die Leitstelle gesteuert werden konnte, wie z.B. Biogasanlagen, eine Brennstoffzelle oder ein Windpark. Vermarktung des im VK Harz erzeugten Stroms In Simulationen wurde die Vermarktung des im virtuellen Kraftwerk Harz erzeugten Stroms untersucht. Ein Schwerpunkt lag dabei auf den verschiedenen Direktvermarktungsmodellen im EEG, die u.a. eine Vermarktung des Stroms an der deutschen Strombörse (EPEX) und an den Regelleistungsmärkten erlauben. Weiterhin wurde ein regionaler, innovativer Stromtarif konzipiert, dessen dynamischer Strompreis sich an der Vortagsprognose der Residuallast im Landkreis Harz orientiert. Der regionale Strom wird dabei aus erneuerbaren Anlagen im VK Harz erzeugt und von den Lieferanten eingekauft, die diesen Strom an ihre Kunden weitergeben. Hierbei ist wichtig, dass die Kunden der Lieferanten nicht zentral in ihrem Verbrauchsver11 halten gesteuert werden können, sondern nur über Anreize, wie preisdynamische Tarife, zu einem bestimmten Verbrauchsverhalten angeregt werden können. Dieser Tarif wurde für 43 Testhaushalte im Landkreis Harz in einem Feldtest erprobt. Haushaltskunden, die zu preisgünstigen Zeiten Strom beziehen, verwenden einen hohen Anteil Strom aus erneuerbaren Energien. Netzmonitoring und Systemdienstleistungen zur Unterstützung des Netzbetriebs Durch ein verbessertes Netzmonitoring im Verteilnetzbereich können die Netze sicherer und wirtschaftlicher betrieben werden. Hierzu wurden im Landkreis zehn Phasor Measurement Units (PMU) installiert. Dadurch konnten zeitlich synchronisierte und hochpräzise Messungen durchgeführt werden, die auf den Netzzustand schließen lassen und somit den Netzbetreiber bei der Betriebsführung der Netze unterstützen. Des Weiteren wurde untersucht, wie dezentrale Energieeinheiten Systemdienstleistungen, wie z.B. Regelleistung, bereitstellen können. 2.3 Projektstruktur und Veröffentlichungskonzept 2.3.1 Projektphasen Das Projekt gliedert sich in fünf Phasen, die logisch aufeinander folgen. Weil ein Abarbeiten dieser Phasen der Reihe nach zu lange dauern würde, aber auch weil es Rückwirkung späterer Phasen auf vorhergehende gibt, überlappen sich die Phasen. So kann es sich z.B. bei den Simulationen herausstellen, dass die Konzepte nicht hinreichen und nochmals angepasst werden müssen. 1. Problemanalyse, Technologiebeschreibung, Konzeptentwicklung: Zunächst wurden in Zusammenarbeit mit den Partnern die Projektziele (s. Kapitel 2.2) konkretisiert. Grundlage für die Erarbeitung der Konzepte bildete eine umfassende Analyse der gegenwärtigen rechtlichen und wirtschaftlichen Bedingungen und des Standes der Technik. Es wurde darauf geachtet, Konzepte zu entwickeln, die nicht rein technikgetrieben sind, sondern die sich auch innerhalb der gegenwärtigen und vorauszusehenden Bedingungen umsetzen lassen. In diese Phase fällt auch das Zusammentragen und Aufbereiten der Daten und die Erstellung von für alle Partner grundlegenden Szenarien, den so genannten Leitszenarien (s. Kapitel 4.3). Hier wurde auch die RegModHarz-Architektur entworfen (s. Kapitel 2.4). 2. Modellbildung und Simulation: In dieser Phase ging es darum, Rechenmodelle von verschiedenen Teilen des Energieversorgungssystems zu bilden. Das betrifft neben den elektrischen Netzen (s. Kapitel 6.2) des Landkreises Harz auch verschiedene Erzeuger, Verbraucher und Speicher und deren Interaktion mit den Märkten (s. Kapitel 4.5). Die Simulationen dienten sowohl 12 dazu, die in der ersten Phase erarbeiteten Konzepte zu verifizieren, als auch als Grundlage für die Demonstrationen und Feldversuche (s. Kapitel 2.3.3). 3. Softwareentwicklung und Implementierung: In der dritten Phase wurden die in den ersten Phasen entwickelten und verifizierten Konzepte umgesetzt. Es wurde die Software des virtuellen Kraftwerks (s. Kapitel 3.1) und die Anbindung verschiedener Anlagen entwickelt, implementiert, getestet und integriert. Für die Feldtests mit den BEMI (s. Kapitel 5.2) und den PMU (s. Kapitel 6.1.1) wurden außerdem die technischen Vorrichtungen installiert, konfiguriert und in Betrieb gesetzt. 4. Verifikation, Demonstration, Pilotphase: Diese Phase beinhaltet die Durchführung der Feldtests zu BEMI, PMU und virtuellem Kraftwerk. Daneben wurden ausgewählte Projektergebnisse in Form von ShowCases (s. Kapitel 2.3.3) bei Messeauftritten und anderen Veranstaltungen auf anschauliche Art präsentiert. 5. Ergebnisauswertung, Analyse und Schlussfolgerungen: Bereits von einer recht frühen Projektphase an wurden immer wieder Workshops durchgeführt, um die wesentlichen Ergebnisse und Erkenntnisse des Projekts herauszuarbeiten. Die Ergebnisse dieser Phase sind die Infoblattbroschüre (RegModHarz, 2012b), der Abschlussbericht und vor allem die darin enthaltenen Empfehlungen (s. Kapitel 7.1). 2.3.2 Veröffentlichungskonzept Das im Rahmen dieses Projekts entwickelte und umgesetzte Veröffentlichungskonzept identifizierte vier Zielgruppen: 1. Wissenschaftsgemeinschaft: Neben Wissenschaftlern im In- und Ausland, die sich auf ähnlichem Gebiet bewegen, fallen hierunter auch die Wissenschaftler in den eigenen Häusern. 2. Verwerter: Hierbei handelt es sich um Personen oder Institutionen, die für die Verwertung der Projektergebnisse notwendig sind; d.h. zum einen potenzielle Partner, mit denen Projektergebnisse zur Produktreife entwickelt werden können, oder potenzielle Kunden für die aus den Projektergebnissen entstehenden Produkte und Dienstleistungen. 3. Öffentlichkeit: Da das Projekt aus öffentlichen Mitteln gefördert wurde und einen starken regionalen Bezug hatte, wurden auch die allgemeine Öffentlichkeit und besonders die Einwohner des Landkreises Harz im Veröffentlichungskonzept berücksichtigt. Dabei wurde von einem technisch Interessierten mit gewissen Vorkenntnissen, etwa auf Abiturniveau, ausgegangen. 4. Fördergeber: Bei dieser Zielgruppe handelt es sich neben den direkt beteiligten Ministerien BMU und BMWi sowie dem Projektträger PtJ auch um wei13 tere Politiker, die an der Vergabe von Forschungsmitteln beteiligt sind. Bei dieser Zielgruppe ging es vor allem darum zu zeigen, dass die Mittel sachund fachgerecht eingesetzt wurden. W V Ö F Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Zeitschriften x Teilnahme wissenschaftliche Kongresse im In- und Ausland x x Teilnahme an Fachgruppen der Begleitforschung x x Teilnahme an E-Energy-Jahreskongressen x x x x ShowCases (s. Kapitel 2.3.3) x x x Messen x x x Marktplattform x x x Fachkongresse x Projektwebseite x x x Broschüre mit allgemeiner Beschreibung des Projekts x x x Infoblätter und die daraus produzierte Abschlussbroschüre x Veranstaltungen (Auftakt-, Halbzeit-, Abschlusstreffen) x x x x Arbeitspaketberichte x x Abschlussbericht x x Zwischenberichte gemäß Nebenbestimmungen der Zuwendung Kontaktstelle im Landkreis Harz x x x Tabelle 1: Differenzierte Ansprache der Zielgruppen (W = Wissenschaftsgemeinschaft, V = Verwerter, Ö = Öffentlichkeit, F = Fördergeber) Die Begleitforschung hat Fachgruppen eingerichtet, bei der sich Vertreter der EEnergy-Projekte zu verschiedenen Themen austauschen. Dabei handelt es sich um folgende Themen: Systemarchitektur Interoperabilität Recht Marktentfaltung Neben diesem fachlichen Austausch war es auch Aufgabe der Begleitforschung, Projektergebnisse an eine breite Öffentlichkeit zu bringen. Dies geschah in Form von 14 Jahreskongressen, die sich vor allem an Politik und Entscheidungsträger richteten, und Messeauftritten, bei denen neben den Ergebnissen der E-Energy-Projekte weitere Institute und Unternehmen präsent waren. Die Projektwebseite (http://www.regmodharz.de/) diente in erster Linie dazu, das Projekt für eine breite Öffentlichkeit zu präsentieren. Neben einer einfachen Beschreibung des Projekts und der Präsentation der Partner werden vor allem Projektergebnisse in allgemein verständlicher Form zur Verfügung gestellt. Neben verschiedenen Medien (Filme, Bilder, Präsentationen, Broschüre) werden auch die Kurzzusammenfassungen der Arbeitspakete und Infoblätter veröffentlicht. Bei den Infoblättern handelt es sich um die Darstellung verschiedener, für das Projekt relevanter Themen. Diese Themen werden von den verschiedenen Partnern in allgemein verständlicher Form auf einer Seite dargestellt. Zum Projektende werden diese Infoblätter zusammen mit einer Projektbeschreibung und den wesentlichen Projektergebnissen zu einer Broschüre verarbeitet, die die Projektinhalte für den interessierten Laien zugänglich macht. 2.3.3 Demonstrationsvorhaben In der Demonstrationsphase sollen verschiedene Aspekte unseres zukünftigen Energiesystems auf anschauliche Art präsentiert werden. Die Möglichkeit, sich diese Demonstrationsvorhaben anzusehen, besteht bei folgenden Gelegenheiten: Transparenz durch eine internetbasierte Marktplattform Auf einer Webseite können die Akteure und Verbraucher des Landkreises Harz verschiedene Informationen erhalten und auswerten. Dabei handelt es sich z.B. um die aktuelle und historische Erzeugung je Anlagentyp und den Verbrauch in der Modellregion. Außerdem können Kunden in einem nur für sie zugänglichen Bereich ihren Verbrauch ansehen und analysieren. Daneben wird auch darüber informiert, wie man mit Lastverschiebung im Haushalt die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Anlagen besser nutzen kann, z.B. mit Hilfe des „Innovativen regionalen Stromtarif aus erneuerbaren Energien“, bei dem man einen flexiblen Tarif erhält, der von Anlagen aus der Region erzeugt wird. Steuerung von erneuerbaren Erzeugern von einer Leitwarte Verschiedene Erzeuger im Landkreis Harz werden mit Hilfe von Kommunikationstechnik zu einem sogenannten virtuellen Kraftwerk verbunden. Auf diese Weise können sie von einer zentralen Leitwarte aus gesteuert werden. Damit ergeben sich neue Möglichkeiten, die Anlagen als Gesamtheit zu überwachen und zu steuern. 15 Mit der Leitwarte sollen verschiedene Vermarktungsmöglichkeiten für erneuerbaren Strom gezeigt werden, z.B. die Bereitstellung von regionalem erneuerbarem Strom oder wie man mit Hilfe von Prognosen der Stromerzeugung aus Wind und Sonne erneuerbare Energie an überregionalen Märkten verkaufen kann. Mehr Informationen über das elektrische Netz durch Phasor Measurement Units Das elektrische Netz wurde ursprünglich ausgelegt, um den Strom von großen zentralen Kraftwerken zum Verbraucher zu befördern. Durch die Zunahme von erneuerbaren Erzeugern wird der Strom von vielen kleinen Anlagen produziert, das Netz wird auf andere Weise verwendet als ursprünglich vorgesehen. Das stellt die Netzbetreiber vor neue Herausforderungen. Es soll eine Möglichkeit gezeigt werden, wie man durch den Einsatz neuartiger Messgeräte, den so genannten Phasor Measurement Units (PMU), den Netzzustand besser erfassen kann. Dazu werden einige PMU im Netz verteilt angebracht. Die Messwerte werden mit Hilfe von GPS (Global Positioning System) exakt synchronisiert, d.h. sie werden auf die Mikrosekunde genau zur gleichen Zeit abgelesen. Dadurch kann unter anderem ermittelt werden, in welche Richtung der Strom im elektrischen Netz fließt. Dynamische Einbindung dezentraler Energieanlagen In Zukunft wird es notwendig sein, die vielen kleinen Stromerzeuger wie Windturbinen oder PV-Anlagen zu überwachen und zu steuern. Da es sich um sehr viele Anlagen handelt, kann man das nicht für jede Anlage individuell tun. Dazu wurde im Projekt ein Gerät entwickelt, mit dem man Anlagen jeder Zeit an ein virtuelles Kraftwerk anschließen kann. Dabei ist wichtig, dass die kommunikationstechnische Anbindung der Anlagen möglichst einfach und einheitlich ist (Plug & Play). Damit ist gewährleistet, dass die Anlagen auf kostengünstige und einfache Weise angeschlossen werden können und dass auch die Geräte unterschiedlicher Hersteller miteinander kommunizieren können. Grundvoraussetzung dabei ist es, dass die neuesten Sicherheitsvorkehrungen berücksichtigt werden. So muss zum Beispiel sichergestellt werden, dass niemand die Kommunikation abhören oder gar stören kann. Man muss sich darauf verlassen können, dass der Partner, mit dem man kommuniziert, auch der ist, für den er sich ausgibt, und es muss sichergestellt werden, dass technische Störungen der Kommunikationsverbindung nicht den Betrieb des virtuellen Kraftwerks gefährden. Flexible Stromproduktion mit Biogasanlage Im Gegensatz zu elektrischer Energie aus Wind- und PV-Anlagen kann die Stromproduktion von Biogasanlagen gesteuert werden. Das ist wichtig, um die Versorgung der Verbraucher bei einer 100%-Energieversorgung durch erneuerbare Energien sicherzustellen. So ist es aufgrund der höheren Stromgestehungskosten bei 16 Biogasanlagen im Vergleich zu Windkraftanlagen nicht sinnvoll, Biogasanlagen laufen zu lassen, wenn sich ohnehin viel Strom aus Windkraft im Netz befindet. Besser ist es, die Biomasse, die man zur Gaserzeugung verwendet, für Zeiten mit wenig Wind- und Sonnenstrom aufzuheben. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: Man kann die Anlage mit einem zusätzlichem Gasspeicher und einem zusätzlichen Motor zur Stromerzeugung ausrüsten. Dadurch hat man die Möglichkeit, den Motor für einige Stunden abzustellen. Das in der Zwischenzeit angesammelte Gas kann man dann später mit erhöhter Leistung in Strom umwandeln und die Stromproduktion bedarfsorientiert durchführen. Je nach Bedarfsprofil der ausgekoppelten Wärme wird zudem ein Wärmespeicher erforderlich. Man kann aber auch die Gasproduktion selbst steuern. Je nachdem welche Stoffe man in welchen Mengen in den Fermenter gibt, kann die produzierte Gasmenge erhöht oder verringert werden. So kann man z.B. mit der Zugabe von leicht abbaubaren Substraten, wie Zuckerrübenschnitzeln, Fetten, Zucker oder Weizenschrot die Gasproduktion innerhalb von einer Stunde um bis zu 1,9 % der BiogasanlagenNennleistung erhöhen. Hierdurch ließen sich die Einspeiseschwankungen im Wochenverlauf, aber auch saisonale Schwankungen ausgleichen. Die Wirtschaftlichkeit der Flexibilisierung von Biogasanlagen wurde im Rahmen von Simulationen für eine Biogasanlage im Harz entsprechend dem Marktprämienmodell in Kombination mit der Flexibilitätsprämie untersucht. Elektrofahrzeuge laden Energie aus lokaler erneuerbarer Erzeugung Elektrofahrzeuge haben anstelle eines Tanks mit Benzin eine Batterie als Energiespeicher. Diesen Speicher kann man verwenden, um erneuerbaren Strom optimal zu nutzen. Die Zeit in der die Fahrzeuge nicht bewegt werden, z.B. nachts, kann zur Lastverschiebung genutzt werden. Das Fahrzeug wird nicht unmittelbar nach Anschluss an die Steckdose geladen, sondern dann, wenn z.B. viel Windstrom vorhanden ist. Gesteuert wird dies über den Preis für den Strom: Ist viel Strom vorhanden und/oder es wird wenig verbraucht, so ist der Preis niedrig und umgekehrt. Mit Hilfe von Prognosen kann so ausgerechnet werden, wann der günstigste Zeitpunkt zum Laden des Fahrzeugs ist. Dabei muss natürlich berücksichtigt werden, dass das Fahrzeug auch vollständig geladen ist, wenn es am nächsten Morgen gebraucht wird. Haushaltsfeldtest Der Anteil des Haushaltsstromverbrauchs am Gesamtstromverbrauch in Deutschland beträgt ca. 25 % (VDE, 2012). Um im Haushalt Lastverschiebungspotenziale zu he- 17 ben, werden Feldtesthaushalten ein preisdynamischer Tarif und ein Energiemanagementsystem zur automatischen Ansteuerung von Hausgeräten zur Verfügung gestellt. Vorab wird bereits das bisherige Stromverbrauchsverhalten bei konstantem Stromtarif erfasst. Während des Feldtests werden Daten gesammelt und die Teilnehmer zu ihren Erfahrungen befragt, um das Potenzial und die Umsetzbarkeit von Lastmanagement im Haushalt sowie Verbesserungen angeben zu können. VK-Feldversuch Virtuelle Kraftwerke überwachen und steuern dezentrale Energieanlagen, um eine vorgegebene Last zu decken und/oder eine möglichst vorteilhafte Vermarktung zu realisieren. Hierfür werden die verbundenen Anlagen auf Basis ihrer Eigenschaften und Kosten bestmöglich miteinander kombiniert. Das Energiemanagement greift hierbei permanent auf Onlinedaten der Anlagen zu, um optimal auf Änderungen im Anlagenportfolio reagieren zu können. Dies ermöglicht es, z.B. auf Anlagenausfälle zu reagieren, indem sofort andere Anlagen entsprechend hochgeregelt werden. Für die Realisierung dieses Konzepts bedarf es einer Softwarearchitektur, die rund um die Uhr zur Verfügung steht, um jederzeit die Überwachung sowie eine optimale Steuerung und Vermarktung sicherzustellen. Der Feldversuch des virtuellen Kraftwerks adressiert genau diese Anforderung. Mit der im Projekt RegModHarz entwickelten Softwarearchitektur wurde über einen Zeitraum von mehreren Monaten der dauerhafte Online-Betrieb eines Kombikraftwerks realisiert (s. Kapitel 3.1.5). 2.4 RegModHarz-Architektur Aufbauend auf den Projektzielen und den aktuellen energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen wurde die RegModHarz-Architektur entwickelt. Die Architektur und die darin enthaltenen Rollen orientieren sich an den bestehenden energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Darüber hinaus wurden auch neue Rollen definiert (z.B. Poolkoordinator), denen in einer zunehmend dezentralen und fluktuierenden Stromversorgung voraussichtlich eine besondere Bedeutung zukommen wird. 18 Betreiber Marktplattform Betreiber Regelleistungsmarkt Betreiber EPEX Spotmarkt Märkte Poolkoordinator EnergieAM Lieferant Pooling Betreiber steuerbarer DEE Betreiber indirekt steuerbarer DEE Anlagen Verteilnetzbetreiber Übertragungsnetzbetreiber REH VK Harz Netz Abbildung 2: Darstellung der RegModHarz-Architektur. Abgebildet sind die Rollen, die in vier Ebenen (Märkte, Pooling, Anlagen und Netz) eingeteilt sind. Der Betreiber des EPEX Spotmarktes gehört zur ersten Ebene Märkte. Dieser betreibt den Day-Ahead- und Intraday-Markt. Der Betreiber des Regelleistungsmarkts gehört ebenfalls zu dieser Ebene. Er betreibt die Märkte für die verschiedenen Regelleistungsarten. Die letzte Rolle in dieser Ebene ist der Betreiber der Marktplattform. Diese Rolle wurde speziell für das Projekt entwickelt, da der Betreiber der Marktplattform die RegModHarz Marktplattform betreibt, die u.a. Transparenzinformationen zur Stromversorgung im LK Harz bereitstellt. Auf der zweiten Ebene Pooling befindet sich zum einen der Lieferant. Der Lieferant ist für den Vertrieb von Elektrizität zuständig. Zum anderen befinden sich der Poolkoordinator und der Energieanlagenmanager auf dieser Ebene. Beide Rollen wurden für das RegModHarz Projekt neu konzipiert. Der Energieanlagenmanager betreibt die Leitwarte, über die die dezentralen Energieeinheiten (DEE) gesteuert und überwacht werden. Der Poolkoordinator ist der Stromhändler, der Angebote erstellt und darauf aufbauend Fahrpläne für die DEE ermittelt. Der Poolkoordinator und der Energieanlagenmanager sind in einem Kästchen dargestellt, da sie zusammen ein virtuelles Kraftwerk (VK) betreiben können und auch in Personalunion als VK-Betreiber auftreten können. Eine Besonderheit der RegModHarz Architektur ist, dass an das VK bzw. den Energieanlagenmanager nur direkt steuerbare DEE angeschlossen werden können. Steuerbare DEE sind Einheiten, bei denen der Betreiber die Kontrolle über die Wirk- und Blindleistungssteuerung an einen Dritten abgibt. Diese Einheiten können somit direkt vom VK bzw. Energieanlagenmanager gesteuert werden. Bei indirekt steuerbaren DEE steuert der Betreiber die Wirk- und Blindleistung. Durch Anreizsysteme, wie z.B. preisdynamische Tarife, kann der Betreiber 19 jedoch beeinflusst werden. Die indirekte Steuerung über Anreizsysteme ist eine Kompetenz des Lieferanten, die direkte Steuerung ist hingegen eine Aufgabe des VK. Auf der dritten Ebene befinden sich die Betreiber indirekt steuerbarer DEE und Betreiber steuerbarer DEE. Warum diese Unterscheidung getroffen wurde, wurde bereits im vorherigen Absatz erläutert. Auf der letzten Ebene Netz befinden sich der Übertragungsnetzbetreiber und der Verteilnetzbetreiber. Diese sind für den Betrieb, die Wartung und den erforderlichen Ausbau der Übertragungs- und Verteilnetze verantwortlich. Des Weiteren gibt es Rollen, die für das Projekt wichtig sind, die hier jedoch nicht abgebildet sind. Hierzu zählen u.a. die Prognosedienstleister, die Prognosen für die Windstromerzeugung oder die Last bereitstellen. 20 3 Informations- und Kommunikationstechnik 3.1 Virtuelles Kraftwerk 3.1.1 Das virtuelle Kraftwerk im Kontext des Gesamtsystems Das virtuelle Kraftwerk (VK) bzw. (Virtual Power Plant) besteht aus einer zentralen Serveranwendung, Datenbank und grafischen Benutzeroberfläche (Leitwarte). Über eine Kommunikationsinfrastruktur ist das virtuelle Kraftwerk mit einer Vielzahl von Energieanlagen verbunden (siehe Abbildung 3). Die Prognosen (Erzeugung, Last, Preise) werden durch externe Prognoseanbieter der Leitwarte zur Verfügung gestellt. Im virtuellen Kraftwerk erfolgt die Verwaltung der eingehenden und ausgehenden Daten und die Einsatzplanung für alle angeschlossenen Energieanlagen. Die grafische Benutzeroberfläche der Leitwarte (VPP-Frontend) ist über webbasierte Techniken mit dem VPP-Backend verbunden. Der Datenaustausch zwischen Backend und Frontend erfolgt über den Standard IEC 61970, ergänzt um proprietäre Datenformate. Damit können von einer beliebigen, vom Backend räumlich getrennten, Arbeitsstation aus alle Funktionalitäten zur Einbindung, Überwachung und Einsatzplanung der Anlagen aufgerufen werden. Abbildung 3: Virtuelles Kraftwerk und wesentliche Kommunikationspartner 3.1.2 Architektur der Software des virtuellen Kraftwerks Die grundlegende Gestaltung der Software des virtuellen Kraftwerks wird gemäß dem Model-View-Controller-Architekturmuster (Modell-Präsentation-Steuerung) als klassische Drei-Schichten-Architektur realisiert. Diese Schichten und ihre beinhalteten Komponenten werden im Folgenden vorgestellt: 21 Abbildung 4: Virtuelles Kraftwerk und wesentliche Kommunikationspartner Die Präsentationsschicht (View) enthält die Leitwarte (VPP-Frontend) des virtuellen Kraftwerks, welche die Benutzerinteraktionen mit dem Energieanlagenmanager und dem Poolkoordinator sowie die grafische Darstellung der Daten übernimmt. Hierbei können mehrere der JavaFX-Instanzen parallel mit dem zentralen Datenbus des virtuellen Kraftwerks kommunizieren. Die Anwendungsschicht (Controller) beinhaltet das VPP-Backend, welches die Geschäftslogik und Datenverarbeitung des virtuellen Kraftwerks enthält. Als technologische Basis der Komponente wurde Java EE verwendet, da diese Plattform ein Standard-Framework für verteilte Mehrschichtanwendungen ist. Alle dort enthaltenen Komponenten, mit Ausnahme des zentralen Datenbusses, können aufgrund ihrer Funktionalitäten den entsprechenden Aufgaben der Rollen Poolkoordinator oder Energieanlagenmanager zugeordnet werden (siehe Abbildung 4): 22 Die Anlagenüberwachung/steuerungs-Client (DER Monitor/Control Client) ist für das Versenden der Fahrpläne an die dezentralen Energieanlagen und das Erfassen der zu überwachenden Daten zuständig. Die externe Kommunikation erfolgt per SOAP Webservice. Grundlage hierfür ist die WebserviceMapping der IEC 61400-25-4 auf Basis des Datenmodells IEC 61850. In der Architektur des virtuellen Kraftwerks kann eine beliebige Anzahl von Instanzen dieser Komponente gleichzeitig existieren. Dies ermöglicht eine hervor- ragende Skalierbarkeit der Anwendung bezüglich der Einbindung von erneuerbaren Erzeugern, Speichern und Verbrauchern. Das Anlagenregistrierungs-System (DER Registration System) ist dafür zuständig, das virtuelle Kraftwerk bei der EBXML Registry anzumelden (Suscription). Nach erfolgter Anmeldung kann auf Verbindungsdaten der Anlagen, die sich ebenfalls bei der Registry anmelden müssen, zugegriffen werden. Bei einer neuen De-/Registrierung von Anlagen wird diese Komponente von der EBXML Registry informiert. Die Kommunikation erfolgt per SOAP Webservice. Über das Anlageninformationssystem (DER Information System) kann das virtuelle Kraftwerk externen Komponenten, wie z.B. Prognosesystemen, anlagenspezifische Informationen, wie gemittelte Leistungsmesswerte aller angeschlossenen Anlagen, zur Verfügung stellen. Diese werden unter anderem für Windleistungskurzfristprognosen benötigt. Die Kommunikation erfolgt per SOAP Webservice. Auf Grundlage der an den Strommärkten angenommenen Gebote, sowie zwischenzeitlich aktualisierter Prognosen und eventuellen Störungsmeldungen einzelner Anlagen werden vom Anlagenfahrplanmanagement (DER Schedule Management) die Berechnungen der Fahrpläne initiiert und überwacht. Das Energiemanagement (Energy Management) ermittelt auf Grundlage von Erzeugungs-, Verbrauchs- und Preisprognosen sowie den technischen Randbedingungen, wie z.B. Speichergrößen, Wirkungsgraden, Anfahrverhalten und Grenzkosten der angeschlossenen Anlagen und Speicher, auf Basis einer gemischt-ganzzahligen linearen Optimierung Fahrpläne für alle einzelnen Anlagen und stellt diese dem Anlagenfahrplanmanagement und dem Handelsmanagement zur Verfügung. Hierbei wird eine weitere OptimiererKomponente (Optimizer) benötigt. Das Handelsmanagement (Trading Management) ermittelt auf Grundlage der vom Energiemanagement berechneten Fahrpläne Gebote für die Strommärkte. Pro Stromprodukt kann ein eigenes Energiemanagement verwendet werden. Der Marktanbindungs-Client (Market Client) stellt sicher, dass vom Handelsmanagement erstellte Angebote auf dem jeweiligen Markt eingereicht werden und informiert sich anschließend über ausgeführte Gebote. Im virtuellen Kraftwerk wurde diese Komponente nicht benötigt, da kein realer Energiehandel vorgesehen war. 23 Der Prognose-Client (Forecast Client) stellt dem virtuellen Kraftwerk verschiedene Arten von Leistungsprognosen und Preisprognosen zur Verfügung, indem er diese bei externen Prognosedienstleistern nachfragt. Diese umfassen unter anderem die Photovoltaik- und Windleistungsprognose für die an das virtuelle Kraftwerk angeschlossenen Anlagen. Die Zuordnung von Prognosen zu angeschlossenen Anlagen erfolgte noch nicht vollständig automatisch. Die Kommunikation wurde per SOAP Webservice umgesetzt. Der zentrale Datenbus (Data-Bus) des virtuellen Kraftwerks stellt allen Komponenten ihre jeweils benötigten Daten zur Verfügung. Die lose Kopplung der Komponenten gewährleistet eine gute Erweiterbarkeit, Modularisierung und Skalierbarkeit des Gesamtsystems. In der Datenhaltungsschicht (Model) wurde im Projekt eine zentrale Datenbank verwendet. Dabei handelt es sich um die relationale Datenbank ORACLE 11g. 3.1.3 Leitwarte Abbildung 5: Leitwarte des virtuellen Kraftwerks : Topologie 24 Abbildung 6: Leitwarte des virtuellen Kraftwerks : Vermarktung Abbildung 7: Leitwarte des virtuellen Kraftwerks : Meldungen 25 Abbildung 8: Leitwarte des virtuellen Kraftwerks : Übersicht Die grundlegende Architektur des virtuellen Kraftwerks wurde in Kapitel 2.4 bereits beschrieben. Die Leitwarte (VPP-Frontend) ist die Mensch-Maschine-Schnittstelle des virtuellen Kraftwerks, die auf Basis des Rich Client Frameworks JavaFX 2.1 realisiert wurde. Für die Marktrollen Energieanlagenmanager und Poolkoordinator stellt sie alle wichtigen Informationen des virtuellen Kraftwerks bereit und ist die Schaltstelle für Verwaltungs- und Steuerungsaktionen. Basis der Funktionalitäten sowie des Layouts der Benutzeroberfläche waren Aufgaben der in RegModHarz definierten Rollen des Energieanlagenmanagers und Poolkoordinators. Das virtuelle Kraftwerk integriert diese beiden Rollen. Für die Umsetzung der Leitwarte wurden besonders aussagekräftige Anwendungsfälle (engl. Use Cases) der beteiligten Rollen betrachtet. Diese Anwendungsfälle wurden verwendet um Kernaussagen des Projekts in Form von sogenannten ShowCases (s. Kapitel 2.3.3) zu demonstrieren. Die Aufgabe des Energieanlagenmanagers ist die Überwachung und Verwaltung der in das virtuelle Kraftwerk eingebundenen Energieanlagen. Der Energieanlagenmanager wird bei der dynamischen Einbindung von Anlagen durch die Leitwarte unterstützt. Über die Topologie-Ansicht kann er in Echtzeit die technischen Daten der Anlagen und die Fahrpläne überwachen. Auf unvorhergesehene Abweichungen vom Planzustand (z.B. Anlagenausfall) reagiert das virtuelle Kraftwerk weitestgehend autonom. Der Energieanlagenmanager kümmert sich um die Störungsbehebung durch den Anlagenbetreiber. Werden durch Störungen im virtuellen 26 Kraftwerk Marktaktionen erforderlich, so werden diese durch den Poolkoordinator (s.u.) durchgeführt. Die ebenfalls neue Rolle des Poolkoordinators ist für die Energievermarktung verantwortlich. Seine Aufgabe ist die kritische Prüfung der Plausibilität von Energiemengen und –preisen sowie der zugehörigen Anlagen-Fahrpläne. Um ihn bei diesem Prozess zu unterstützen, wird durch das virtuelle Kraftwerk ein, auf Basis der verfügbaren Informationen, optimales Gebot für die Strombörse EPEX SPOT berechnet. Dieses Gebot wird in der Leitwarte zur Prüfung durch den Poolkoordinator angezeigt, der es bestätigen oder ablehnen kann. Das VPP-Backend arbeitet zwar weitgehend autonom, jedoch ist für bestimmte Ereignisse eine Interaktion mit dem Betreiber erforderlich. Im Sinne der DIN »Leittechnik« wird der Bediener beim Leiten bestimmter Prozesse im Hinblick auf festgelegte Ziele unterstützt. Komplexe technische Systeme, wie z.B. virtuelle Kraftwerke, werden im Normalbetrieb zwar überwacht, es findet jedoch keine aktive Einflussnahme des Leitwarten-Personals statt. Erst beim Auftreten von Fehlern oder anderen interaktionsbedürftigen Ereignissen wird eine Entscheidung abgefragt. Ziel der Leitwarte ist die Unterstützung des Bedieners beim Finden der passenden Reaktion auf ein vorliegendes Ereignis, indem z.B. unterstützende Informationen angezeigt werden. Im Projekt RegModHarz stand bezogen auf die Leitwarte nicht nur die Darstellung der informationstechnischen Prozesse des virtuellen Kraftwerks im Vordergrund, sondern auch das Vermitteln von relevanten Zusammenhängen und das Aufzeigen von Herausforderungen und Lösungen. Mithilfe der ShowCases werden wichtige Situationen demonstriert. Der erste ShowCase zeigt, dass durch das umgesetzte »Plug-in your plant«-Prinzip die beteiligten Marktrollen dezentrale Energieanlagen einfach in ein virtuelles Kraftwerk einbinden können. Ein weiterer ShowCase beschäftigt sich mit dem Energiemanagement, welches den Kern des virtuellen Kraftwerks bildet. Es muss mithilfe von Optimierungsalgorithmen sowohl Lastdeckung mit erneuerbarem regionalem Strom für Haushaltskunden als auch optimale Vermarktung an der Strombörse sicherstellen. Die Darstellung der Ergebnisse in Form von Fahrplänen und Geboten ist Aufgabe der Leitwarte. Der dritte ShowCase soll anhand von historischen Daten die Wichtigkeit von Erzeugungsprognosen, Speichermöglichkeiten sowie kurzfristigem Handel verdeutlichen. 3.1.4 Energiemanagement Das Energiemanagement ist ein wesentlicher Bestandteil des virtuellen Kraftwerks. Die Aufgabe des Energiemanagements ist es, aufgrund von Anlagenzustands- und 27 Prognoseinformationen und einer ausgewählten Strategie, Fahrpläne für die einzelnen angeschlossenen Anlagen und damit einen Gesamtfahrplan für das virtuelle Kraftwerk zu berechnen. In Abhängigkeit der Strategie können auch Regelleistungsvorhaltungen Ergebnisse des Energiemanagements sein. Eine wesentliche Anforderung im Projekt war der Umgang mit unterschiedlichen Anlagentypen, die durch ein generisches Datenmodell modelliert und in das virtuelle Kraftwerk eingebunden wurden. Dabei musste beachtet werden, dass sich neue Anlagen zu jeder Zeit bei diesem registrieren bzw. vorhandene Anlagen aus dem virtuellen Kraftwerk deregistriert werden konnten. Im Unterschied dazu können Anlagen auch zeitweise durch Abbruch der Kommunikationsverbindung nicht mehr erreichbar sein, was als weitere Anforderung zu beachten war. Weiterhin sollten unterschiedliche Szenarien, vorgegeben von den im Projekt definierten Geschäftsmodellen 1 und 3, durch das Energiemanagement behandelt werden können. Alle genannten Situationen müssen unter engen zeitlichen Restriktionen behandelt werden können. Dies bedeutet, dass ein Angebot für ein Day-Ahead Angebot einerseits möglichst mit aktuellen Informationen versorgt werden soll, andererseits aber auch vor dem Market Clearing berechnet werden muss. Aus diesem Grund bleiben für die Berechnung nur wenige Minuten, wenn aktuelle Prognose und Messwerte in das Energiemanagement mit aufgenommen werden sollen. Es ist davon auszugehen, dass die besten Ergebnisse eines Energiemanagements auf Basis aktuellster Prognosen und Messwerte erzeugt werden können. 28 Abbildung 9 : Transformation der Eingangsdaten in das generische Datenmodell des Energiemanagements Als Schnittstelle des Energiemanagements zum Datenbus dient ein generisches Datenmodell zur Repräsentation der Eingangsdaten (siehe Abbildung 9). Das Modell basiert auf dem in Kapitel 3.2 vorgestellten Vorschlag zur Erweiterung der IEC 61850, enthält allerdings die für ein Energiemanagement zusätzlichen, notwendigen Informationen über die Kosten des Anlagenbetriebs sowie Prognoseinformationen der Anlagen. Die Anlagendaten werden aus dem IEC 61850 Logical Device über die Anlagensteuerungskomponente beschafft. Die Kosten werden über die aus der Datenbank hinterlegten Vertragsinformationen zu jedem Vertragspartner des virtuellen Kraftwerks entnommen. Die Prognoseinformationen werden von Prognoseanbieter über Prognoseinformationssysteme bereitgestellt. Im VPP-Backend werden alle Informationen aggregiert und dem Energiemanagement in dieser internen Datenstruktur bereitgestellt. Für das Energiemanagement ist die Herkunft der Informationen nicht relevant. So kann z.B. für einen Windpark die Primärenergieprognose von einem Prognoseanbieter kommen, bei einer Biogasanlage dagegen über die Datenmodellerweiterung IEC 61850. Damit ist es möglich, auch zum heutigen Zeitpunkt unbekannte Anlagentypen, nach diesem Muster in das Energiemanagement zu integrieren. 29 Abbildung 10: Aufbau des Energiemanagements Um unterschiedliche Wege der Vermarktung sowie Geschäftsmodelle im virtuellen Kraftwerk zu unterstützen wurde eine Architektur mit austauschbaren Strategien gewählt (siehe Abbildung 10). Strategien sind nach dem gleichnamigen Muster innerhalb des Energiemanagements austauschbar und bestimmte Strategien nach dem Composite Muster kombinierbar (Gamma et al. 2004). Für den Feldtest wurden Strategien für Day-Ahead und Intraday-Vermarktung sowie jeweils eine Kombinationsstrategie für die Versorgung von Kunden mit dem Regio Strom Harz Produkt (s. Kapitel 5.1) implementiert. 30 Die Day-Ahead Implementierung optimiert die Gewinne am Day-Ahead Markt aufgrund der Restriktionen des Anlagenparks und einer Preisprognose. ∑ ( ) { Die Intraday-Vermarktungsstrategie bildet auf Basis aktueller Wind- und PV-Prognosen (also aktueller Daten im generischen Datenmodell), der bereits verkauften Menge an Strom auf dem Day-Ahead Markt und einer Preisprognose für den Intraday-Markt Angebote zum Ausgleich der Day-AheadPrognosefehler. ∑ ( ) ( { ) Die Strategie zur Bedarfsdeckung des Produkts Regio Strom Harz sorgt dafür, dass nur Strom vermarktet wird, der nicht bereits für die Lastdeckung für die Regio Strom Harz Kunden benötigt wird. ( ) { Die Regio-Strom-Harz-Strategie ist dabei nicht allein nutzbar, sondern benötigt eine der anderen Strategien, um die für die Kunden nicht benötigte Energie zu vermarkten. 31 3.1.5 Feldtest des virtuellen Kraftwerks Der Betrieb des virtuellen Kraftwerks der Regenerativen Modellregion Harz wurde durch zwei Feldtests evaluiert. Der eine Feldtest repräsentiert den Betrieb des virtuellen Kraftwerks über die gesamte Entwicklungszeit, von der ersten Beta-Version bis zum aktuellen Stand der Software beim Verfassen dieses Abschlussberichts. Der andere Feldtest repräsentiert den zweiwöchigen Betrieb des virtuellen Kraftwerks währenddessen ausschließlich reale, erneuerbare, fluktuierende und steuerbare Energieanlagen angeschlossen waren. In den folgenden zwei Absätzen werden die beiden Feldtests und deren Eckpunkte etwas näher beschrieben. Entwicklungsbegleitender Feldtest Der entwicklungsbegleitende Feldtest des virtuellen Kraftwerks begann mit dem Rollout der ersten Beta-Versionen von Serversoftware und Leitwarte im Januar 2011 und lief bis zum Verfassen dieses Abschlussberichts im Juli 2012. Schritt für Schritt wurden Anlagen verschiedener Typen (Wind, Blockheizkraftwerk, Photovoltaik usw.) an das virtuelle Kraftwerk angeschlossen. Zur Hannover Messe im April 2011 hatten das virtuelle Kraftwerk und die Leitwarte ihre erste Bewährungsprobe, die sie mit Bravour bestanden, indem sie eine Woche lang stabil die dutzendfache dynamische Registrierung einer Demonstrationsanlage ermöglichten, jedoch noch einen eingeschränkten Funktionsumfang aufwiesen. Während der Weiterentwicklungsphase, begleitet von Neustarts des virtuellen Kraftwerks in jeweils neuen Versionen, wurde der Bestand der angeschlossenen Anlagen sukzessive erweitert und erreichte kurz vor der Hannover Messe im April 2012 die finale Ausbaustufe. Insgesamt waren zu diesem Zeitpunkt 25 Energieanlagen eingebundenen (21 reale und 4 simulierte) und die verwaltete Nennleistung belief sich auf bis zu etwa 120 MW Erzeugung und 40 MW Last (3 x Wind [1 x simuliert] / 2 x PV / 3 x Biogas [2 x simuliert] / 5 x BHKW / 1 x Brennstoffzelle / 9 x NEA / 1 x PSW [1 x simuliert] / 1 x Industrielast). Das Energiemanagement im virtuellen Kraftwerk vermarktete am simuliertem EPEX Day-Ahead und Intraday Markt von April 2012 bis Juli 2012 eine gesamte Energiemenge von rund 29 GWh Strom und erzielte damit einen Umsatz von rund 2,7 Millionen Euro (auf Basis von historischen EPEX Marktdaten aus 2008). Feldtest des virtuellen Kraftwerks Harz Dieser Feldtest stellt eine Teilmenge des oben beschriebenen entwicklungsbegleitenden Feldtests dar und dauerte 14 Tage, von Donnerstag, den 21. Juni 2012, bis Donnerstag, den 05. Juli 2012. In diesem Zeitraum waren ausschließlich reale erneuerbare fluktuierende und steuerbare Energieanlagen im virtuellen Kraftwerk eingebunden. Ziel dieses Feldtests war es, den Dauerbetrieb eines echten 32 virtuellen Kraftwerks mit verschiedensten angeschlossenen realen Energieanlagen exemplarisch zu demonstrieren. Es wurden auf Basis der Optimierungsergebnisse Fahrpläne für die Anlagen berechnet und durch die Anlagen umgesetzt und die Energiemengen am simulierten EPEX Markt gehandelt. Während dieses Feldtests wurden etwa 80 MW Erzeugungsnennleistung von insgesamt 6 Energieanlagen verwaltet und es waren folgende Anlagentypen eingebunden: 2 x Wind / 2 x PV / 1 x Biogas / 1 x Brennstoffzelle. Der 14-tägige Feldtest wurde störungsfrei durchgeführt und es wurden rund 3,3 GWh Strom vermarktet, was einem Umsatz von etwa 250.000 Euro entspricht (auf Basis von historischen EPEX Marktdaten aus 2008). Erkenntnisse aus dem Feldtest bezogen auf das Energiemanagement Im Feldtest lief das Energiemanagement störungsfrei. Die steuerbaren Anlagen konnten vom Energiemanagement, unter Berücksichtigung der verschiedenen Prognosen, bestmöglich eingeplant werden. Ein Lauf des Energiemanagements dauerte dabei etwa zwei Sekunden. Eine vermutete Laufzeitproblematik war somit nicht erkennbar. Eine nähere Analyse muss allerdings noch die Skalierbarkeit der Lösung in der Praxis zeigen, weil typischerweise Optimierungsproblemgrößen in einer Kraftwerkseinsatzplanung nicht linear mit der Anzahl der Anlagen wachsen. Die Umsetzung der Strategie zur Bedarfsdeckung des Produkts Regio Strom Harz (Abschnitt 3.1.4) brachte einige interessante Fragestellungen auf. Die Randbedingung des Optimierungsalgorithmus, in jedem Zeitschritt mindestens die Last zu decken, führt automatisch dazu, dass ein angeschlossener Großspeicher (wie z.B. ein simulierter Pumpspeicher) nicht mehr über den Markt mit Strom geladen werden kann. Damit wird der Speicher ausschließlich mit selbst erzeugtem Strom geladen. Das führte in ersten Tests mit einem simulierten Pumpspeicher Wendefurth zu einem nicht optimalen Betrieb des Speicherkraftwerks, weil durch den angeschlossenen Anlagenpark die volle Flexibilität des Speichers aufgrund seiner Größe im Vergleich zum restlichen Anlagenportfolio nicht ausgenutzt wurde. Aus ökonomischen Gesichtspunkten erscheint ein Speicher für einen reinen Ausgleichsbetrieb daher nicht immer geeignet. Tiefergehende Analysen sind allerdings notwendig, um diese Problematik detailliert zu untersuchen. Die prinzipielle Problematik ist dabei: Sobald in einem Bilanzkreis (bei der Umsetzung des virtuellen Kraftwerks wird hier davon ausgegangen, dass alle Anlagen in einem Bilanzkreis agieren) eine Versorgung von Kunden mit bestimmten Anlagen garantiert werden soll, kann kein Strom für das Füllen von Speichern gekauft werden, weil: 33 1. nicht unterschieden werden kann, ob der Strom für das Füllen des Speichers oder die Versorgung des Kunden genutzt wird, und 2. nicht sichergestellt werden kann, dass der Kunde nicht in einem der nächsten Zeitschritte mit der gekauften gespeicherten Energie versorgt wird. Eine mögliche Abhilfe in diesem Szenario bildet eine Stromkennzeichnungspflicht, die in einen Speicher geladene Energie eindeutig als „Grünstrom“ kennzeichnen würde. Die wesentliche Anforderung an das Energiemanagement, mit einem generischen Datenmodell umgehen zu können, konnte gezeigt werden. Dabei wurde in mehreren Iterationen, das Datenmodell an die Anforderungen eines Energiemanagements angepasst. Das umgesetzte Energiemanagement unterscheidet nun nicht mehr zwischen einer Biogasanlage mit einem Wärmespeicher und einem Gasspeicher und einer Windkraftanlage. Alle Informationen der Anlagen werden über das generische Datenmodell transportiert. Allerdings muss die Zusammenstellung des internen Datenmodells noch verbessert werden. So gibt es in der aktuellen Umsetzung noch keine Möglichkeit, zu einer neu registrierten Anlage eine Prognose zu finden. Zu den einzelnen Prozessen innerhalb des virtuellen Kraftwerks zur Erstellung eines generischen Datenmodells für das Energiemanagement sind also noch weitere Arbeitsschritte notwendig. Ein weiterer offener Punkt ist der Umgang mit der Möglichkeit, Windenergieanlagen abzuregeln. In der aktuellen Implementierung wird das Energiemanagement an dieser Möglichkeit aufgrund fehlender Attribute im Datenmodell gehindert. Zusammenfassend ist eine erste Implementierung eines Energiemanagement Systems gelungen. Weitere Arbeiten sind allerdings notwendig, um während des Projekts neu aufkommende Anforderungen an Automatismen genauer zu untersuchen und zu evaluieren. 3.2 Anlagenanbindung Grundsätzliche Aussagen Die kommunikative Anbindung dezentraler Energieanlagen unterliegt grundsätzlich anderen Randbedingungen als die Anbindung großer Kraftwerke: statt 100%iger Verfügbarkeit muss mit einer eingeschränkten Erreichbarkeit gerechnet werden; statt firmeneigener abgeschotteter Netze wird der Datenverkehr über das öffentliche Internet erfolgen; statt einer jahrelangen Stabilität einer einmal aufgebauten Infrastruktur sind ständige Änderungen und täglich dazukommende Anlagen zu beherrschen. 34 Logical Node DVER Die Vielzahl und Vielfalt unterschiedlicher dezentraler Energieanlagen lässt sich nur beherrschen, wenn ein einfaches, einheitliches und standardisiertes Datenmodell verwendet wird. Dieses soll Erzeugungsanlagen, Speicher und Verbraucher gleichermaßen als variable Energieanlagen beschreiben. Als Basis für die Modellierung des Datenmodells wurde IEC 61850 gewählt. Die notwendige Modellierung eines abstrakten Modells ist dabei ein wichtiges Ergebnis, das auch auf die Weiterentwicklung von IEC 61850 Einfluss hat. PowerBridge Für die Anbindung unterschiedlicher Anlagentypen über eine einheitliche Schnittstelle ist ein Gateway notwendig (die RegModHarz PowerBridge). Dieses konvertiert nicht nur die unterschiedlichen Protokolle, sondern bildet auch die interne Sicht auf die Anlage auf eine abstrahierte und einheitliche externe Sicht für das virtuelle Kraftwerk ab. Eine solche Abbildung ist zwingend notwendig, um die technische Komplexität auf Seiten des virtuellen Kraftwerks zu verringern, insbesondere aber auch, um die internen geschäftlichen und betrieblichen Notwendigkeiten des Anlagenbetreibers zu berücksichtigen und von den Wünschen und Vorgaben des virtuellen Kraftwerks zu entkoppeln. Angeschlossene Anlagen Im Feldversuch werden sowohl reale Anlagen (Windpark, Blockheizkraftwerke mit unterschiedlicher Betriebsführung, PV-Anlage, Biogasanlage, Brennstoffzelle) als auch simulierte Anlagen (Pumpspeicherkraftwerk, Parkhaus mit Ladesäulen) und Testanlagen (Umrichter-Teststand) an das virtuelle Kraftwerk angeschlossen. Damit kann die Eignung der RegModHarz-Architektur und der gewählten Umsetzung für eine breite Vielfalt von Anlagen praktisch erprobt werden. 3.2.1 Anforderungen Sowohl für die Kommunikationsarchitektur als auch für die eingesetzten Protokolle, Datenmodelle und Komponenten gelten völlig andere Anforderungen als sie beispielsweise aus dem Umfeld der heutigen Energieautomatisierung oder Leitwartentechnik bekannt sind. Die folgende Liste beschreibt sowohl die daraus resultierenden Anforderungen als auch die Ansätze, die im Rahmen von RegModHarz zur Erfüllung dieser Anforderungen gewählt worden sind: Die hohe Zahl dezentraler Energieanlagen erfordert eine möglichst kostengünstige Realisierung der Kommunikationsinfrastruktur. Die Kommunikation 35 soll deshalb weitgehend über die vorhandene Kommunikationsinfrastruktur abgewickelt werden. Dabei können DSL-Verbindungen oder Mobilfunktechniken ebenso zum Einsatz kommen wie dedizierte Leitungen. Aus diesem Grund wird eine IP-basierte Kommunikation eingesetzt, welche die darunter liegende Transportschicht abstrahiert. Die Heterogenität der Anlagen muss bereits auf der Anlagenseite in eine einheitliche, homogene Darstellung und Kommunikation umgesetzt werden. Dies betrifft sowohl die verwendeten Kommunikationsprotokolle als auch die eingesetzten Datenmodelle. Hier spielt die RegModHarz PowerBridge eine zentrale Rolle. Sie abstrahiert die verschiedenen Anlagentypen in ein einheitliches Datenmodell und macht dieses über eine standardisierte Schnittstelle zugänglich. Als Datenmodell und Kommunikationsprotokoll setzt RegModHarz dabei auf IEC 61850, wie es auch in der Normungsroadmap Smart Grid vorgeschlagen wird. Der Transport der Nachrichten erfolgt über Web Services gemäß dem Standard IEC 61400-25-4, Annex A. Die Dynamik der Systemkonfiguration, d.h. das häufige Hinzufügen oder Wegnehmen von Anlagen, aber auch ihre wechselnde Erreichbarkeit oder Betriebsbereitschaft erfordert Mechanismen, die solche Ereignisse automatisch erkennen und bearbeiten können. Dazu setzt die RegModHarz Architektur einerseits eine Registry ein, bei der sich neue Anlagen anmelden und die der Leitwarte somit ein dynamisches, jederzeit aktuelles Bild der verfügbaren Anlagen zur Verfügung stellen kann. Die Leitwarte selbst ist außerdem so ausgelegt, dass sie die Nichterreichbarkeit von Anlagen erkennen und entsprechend reagieren kann. 3.2.2 Architektur Die Architektur der Kommunikationslösung zur Anlagenanbindung entspricht einer klassischen „Service oriented Architecture“ (SOA). Die nachfolgende Grafik illustriert die Zusammenhänge: Registry Leitwarte PowerBridge Abbildung 11: SOA mit PowerBridge, Registry und Leitwarte 36 Die einzelnen Anlagen sind jeweils mit einer PowerBridge ausgestattet. Um die von der jeweiligen Anlage zur Verfügung gestellten Energie-Dienste bekanntzumachen, registriert sich diese bei der Registry und stellt dabei wichtige Kenndaten wie Eigentümer, Standort, Art der Anlage und maximale Leistung zur Verfügung. Die Registry führt somit eine Liste über die vorhandenen dezentralen Energieanlagen. Als unabhängige Instanz kann sie diese Informationen einem oder mehreren virtuellen Kraftwerken anbieten. Diese überprüfen nun, ob die neu hinzugekommenen Anlagen in das virtuelle Kraftwerk aufgenommen werden sollen. Ist dies der Fall, so nehmen sie direkt Kontakt mit der PowerBridge auf. Die Registry ist also nicht mehr in den operativen Betrieb eingebunden. 3.2.3 PowerBridge, Idee, Umsetzung, Plattformen Die PowerBridge spielt eine zentrale Rolle im Gesamtsystem von RegModHarz. Als Service Provider stellt sie die wesentlichen Dienste der dezentralen Energieanlagen zur Verfügung. Durch die weitgehend einheitliche Abbildung der Eigenschaften von ganz unterschiedlichen dezentralen Energieanlagen nach außen hin wird es erst möglich, die heterogene Landschaft von Energieanlagen in einheitlicher Weise zu verwalten und zu beeinflussen. Das Gateway trennt aber auch die Verantwortungsbereiche des Anlagenbetreibers und des VPP Betreibers (oder Netzbetreibers, …) voneinander und ermöglicht eine klare Zuordnung von Zuständigkeiten. Voraussetzung hierfür sind jedoch klare Spezifikationen der Schnittstellen und der verwendeten Datenmodelle, da nur so die genannten Ziele erreicht werden können. RegModHarz setzt dabei auf die Empfehlungen der Normungsroadmap Smart Grid des DKE auf und definiert eine Kommunikationsarchitektur basierend auf der Standardreihe IEC 61850. In diesem Rahmen spezifiziert das Projekt ein einfaches Datenmodell, das eine generische Abbildung unterschiedlicher dezentraler Energiesysteme ermöglicht und dabei Erzeuger, Verbraucher und Speicher sowie deren Variabilität berücksichtigt. Für die Kommunikation setzt das Projekt das Web Service Mapping gemäß IEC 61400-25-4 ein und setzt somit mit Web Services auf einen Standard, der durch seine hohe Verbreitung, offene Standards und hervorragende Tool-Unterstützung ideal für diesen Zweck geeignet ist. Weiterhin besitzt die PowerBridge ein User Interface, das über einen Browser angesprochen werden kann. Es gibt Zugriff auf die Daten im Datenmodell und ermöglicht es, die PowerBridge bei der Registry zu registrieren oder zu deregistrieren. 37 Zur Anbindung an die Anlagen können unterschiedliche Device Adapter eingesetzt werden. Diese setzen die anlagenspezifischen Protokolle und Datenstrukturen auf das IEC 61850 Datenmodell um. Zusätzlich können interne Algorithmen an das Datenmodell angebunden werden, die z.B. Fahrpläne bearbeiten oder sonstige Operationen auf den Daten des Datenmodells vornehmen. cmp Pow erBridge IEC 61850 WebService Browser UI IEC61400-25-4 DataModel UserInterface DataModelBinder DeviceAdapterInterface AlgorithmInterface Dev iceAdapter MODBUS Dev iceAdapter IEC60870-5-101 Dev iceAdapter other MODBUS IEC60870-5-101 other Algorithm ScheduleProcessing Algorithm other Abbildung 12: Struktur der PowerBridge Die zentrale Komponente der PowerBridge ist das Datenmodell, das über einen SCL Konfigurationsfile gemäß IEC 61850-6 konfiguriert wird. In diesem Konfigurationsfile sind auch die Vorbelegungen der Datenwerte festgehalten. Außerdem werden dort Benutzerkennungen und die Zugriffsberechtigungen der Benutzer konfiguriert. Eine weitere Komponente ermöglicht den Zugriff über IEC 61400-25-4 Web Services auf das Datenmodell. Für den direkten lokalen Zugriff auf die Daten des Datenmodells steht außerdem ein User Interface zur Verfügung, das in strukturierter Weise Zugriff auf die Daten erlaubt. Zur Anbindung der PowerBridge an vorhandene Systeme der Energieanlagen steht eine Reihe von sogenannten Device Adaptern zur Verfügung. Diese stellen die Im38 plementierung bestimmter Protokolle zur Verfügung, z.B. MODBUS oder IEC 608705-101. Der DataModelBinder stellt die Verbindung zwischen den Protokollen und den Datenwerten des Datenmodells her. Weitere Adapter können als Bausteine nach Bedarf hinzugefügt werden. Der DataModelBinder kann außerdem in der PowerBridge realisierte Algorithmen an das Datenmodell anbinden. Er stellt dazu die Verbindung zwischen einem vom Algorithmus spezifizierten Daten-Interface und den Datenpunkten des Datenmodells her. Algorithmen können zyklisch aufgerufen oder durch die Änderung von Datenwerten getriggert werden. Die PowerBridge wurde prototypisch auf verschiedenen Plattformen implementiert. Dabei kamen sowohl ARM9-basierte Plattformen zum Einsatz als auch die Intel Atom basierte Siemens NanoBox (Simatic IPC227D). 3.2.4 Datenmodell Für das Projekt RegModHarz beschränken wir uns bewusst auf eine kleine Auswahl an Logical Nodes. Diese Auswahl ist bei Bedarf aber beliebig erweiterbar und kann sowohl durch bereits standardisierte als auch noch neu zu definierende Logical Nodes ergänzt werden. Basis ist – soweit verabschiedet – IEC 61850 ed2.0. An einigen Stellen werden geringfügige Vereinfachungen vorgenommen. Verwendet werden vier Gruppen von bereits standardisierten Logical Nodes: Die beiden vorgeschriebenen LNs LLN0 und LPHD, die den Gesamtstatus des Controllers beschreiben Die LNs MMXU und MMTR für Messungen und Metering Die LNs DSCH und DSCC für die Steuerung einer Anlage durch Fahrpläne Die LNs DRCT und DRCC für den direkten steuernden Eingriff in eine Anlage Zusätzlich wird ein neuer Logical Node DVER spezifiziert, der zur Beschreibung einer variablen dezentralen Energieanlage dient. Bei der Spezifikation dieses Logical Nodes wurden hierbei mehrere Typen dezentraler Energieanlagen analysiert und untersucht, wie daraus eine gemeinsame abstrakte Beschreibung der Variabilität der Anlage abgeleitet werden kann. Im Einzelnen wurden berücksichtigt: Verschiebbare Lasten (z.B. Industriebetriebe) Speicher (z.B. Batterie oder Pumpspeicherwerk) Speicher mit Zielzustand (z.B. e-Kfz) 39 Speicher mit externem Zufluss (z.B. Biogasanlage mit Gasspeicher) KWK-Anlage mit Wärmespeicher Daraus wurde das nachfolgende Modell abgeleitet: TargetCont StartTm TargetTm Netz ContPwrCtl PwrCtlSteps Erzeuger Last MaxWImp MaxWExp StorInflowCrv StorInflow MinStorLvl Speicher Füllstand Ext. Zufluss StorCap StorCont StorEff Abbildung 13: Modell einer dezentralen variablen Energieanlage Die nachfolgende Tabelle beschreibt die Attribute des Logical Nodes. M/O in der letzten Spalte steht dabei für Mandatory/Optional (vorgeschrieben/optional): 40 Attribut Name Attr. Typ Erläuterung M/O MaxWImp ASG Maximum W Import Maximale bezogene Wirkleistung, W M MaxWExp ASG Maximum W Export Maximale gelieferte Wirkleistung, W M ContPwrCtl SPG Continuous Power Control Kontinuierliche Leistungssteuerung, true = stufenlos, false = nur Stufen möglich (siehe PwrCtlSteps) M PwrCtlSteps CSG Power Control Steps Kurve mit Werten für die einzelnen Stufen, mandatory, wenn ContPwrCtl = false. Nur die y-Werte werden ausgewertet. Aufsteigend sortiert. Negative Werte für Leistungsbezug, positive Werte für Leistungslieferung. O StorCap ASG Storage Capacity Speicherkapazität, Wh M StorCont MV Storage Content Aktueller Speicherinhalt, Wh M StorEff ASG Storage Efficiency Speicherladewirkungsgrad, Faktor 0…1 O StartTm TSG Start Time Startzeit O TargetTm TSG Target Time Zielzeit O TargetCont ASG Target Content Minimaler Ziel-Speicherfüllstand, Wh O MinStorLvl SCA Minimum Storage Level Speicher-Füllkurve für jeweils minimalen Füllstand Wh (sec) O StorInflow ASG Storage Inflow Konstanter externer Energie-Zufluss (positiv) oder Verlust (negativ), W O StorInflowCrv SCA Storage InflowCurve Kurve für den externen Energie-Zufluss oder -abfluss über die Zeit O Tabelle 2: Attribute des Logical Nodes DVER Die in IEC 61850 spezifizierten Datenobjekte (Logical Nodes, Data Attributes) enthalten in den meisten Fällen optionale Attribute. Zur konkreten Spezifikation eines 41 Datenmodells gehört deshalb nicht nur der Bezug zu einem standardisierten Logical Node, sondern auch eine Festlegung darüber, welche der optionalen Attribute konkret eingesetzt werden. Um diese Anforderung zu erfüllen, verwendet RegModHarz ein mehrstufiges Vorgehen: Die Logical Nodes und ihre möglichen Attribute werden in einem UMLModell mittels Enterprise Architect dargestellt. Dieses Modell enthält alle gemäß Standard zulässigen Attribute der im Projekt verwendeten Logical Nodes. Dieses Modell wird als XMI-Datei exportiert und in das CIMTool eingelesen. Dieses eigentlich für CIM entwickelte Tool erlaubt in gewissen Grenzen auch den Umgang mit 61850-Modellen. Mittels des CIMTools werden nun die im Projekt konkret eingesetzten Attribute ausgewählt. Es entsteht eine XMLBeschreibung des Datenmodells. Diese Beschreibung wiederum wird über eine XML-Transformation in eine SCL-Beschreibung des Datenmodells überführt, wie sie in IEC 61850-6 vorgesehen ist. Die SCL-Beschreibung dient dann als Grundlage für die konkrete Implementierung des Datenmodells, z.B. im IKT Gateway. IEC 61850 Enterprise Architect Datenmodell (XMI) CIMTool XML (SQL, XSD, Java) Profil (OWL) XML Transform Datenmodell Generelles Datenmodell Standardisierung (Projekt-)Spezifisches Datenmodell Implementierung SCL IEC 61400 WSDL IEC 61850 über IEC 61400-25-4 Web Service IKT Gateway binding.xml Abbildung 14: Toolchain für die Darstellung und Umsetzung der Datenmodelle Das IKT Gateway führt dann einerseits die konkrete Anbindung der Elemente des Datenmodells an die spezifische Hardware der Anlage durch. Diese ist in der Datei 42 binding.xml spezifiziert. Andererseits stellt es das Datenmodell über IEC 6140025-4 konforme Web Services nach außen hin zur Verfügung. 3.2.5 Registry Die Service Registry ist der zentrale Punkt, an dem die von den dezentralen Energieanlagen über die PowerBridge angebotenen Dienste und die an diesen Diensten interessierten Akteure (Energieversorger, Netzbetreiber, Betreiber eines virtuellen Kraftwerks, usw.) zusammenfinden. Die Service Registry macht die angebotenen Dienste erst im System bekannt und ermöglicht die gezielte Suche nach geeigneten Diensten basierend auf den unterschiedlichsten Kriterien. Auch hier setzt RegModHarz auf eine standardisierte Lösung. Wichtig bei der Auswahl war aber auch die flexible Erweiterbarkeit und gute Skalierbarkeit der eingesetzten Technologie. Beide Anforderungen werden von der ebXML Re- gistry/Repository erfüllt. Auch diese Technologie basiert auf Web Services und passt somit gut in die gewählte Gesamtarchitektur. 3.2.6 Sicherheit Die Kommunikation zwischen Leitwarte und PowerBridge ist stets Client-Server basiert. Dabei ist die PowerBridge der Server und die Leitwarte der Client. Zum Aufbau einer verschlüsselten und vertrauenswürdigen Verbindung benutzt dabei der Server (also die PowerBridge) ein Server-Zertifikat, mit dem es sich dem Client (also der Leitwarte) gegenüber identifiziert. Der Client überprüft dieses Zertifikat auf Vertrauenswürdigkeit und baut daraufhin eine verschlüsselte Verbindung zum Server auf. Damit der Client dem Server vertrauen kann, gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Der Client bekommt vorab eine Liste der Server Zertifikate aller PowerBridges und legt diese in seinem Trust Store ab. Dies erfordert jedoch eine Erweiterung des Trust Store, sobald eine neue PowerBridge hinzukommt. Eine Certificate Authority (CA) wird damit beauftragt, die Zertifikate für die PowerBridges zu erstellen und zu signieren. Die Leitwarte nimmt lediglich das Zertifikat der CA in ihren Trust Store auf. Sie vertraut damit automatisch allen Zertifikaten, die diese CA signiert hat. Beim Hinzufügen einer neuen PowerBridge ist damit auf Client-Seite kein Eingriff erforderlich. Die neue PowerBridge muss lediglich sein Server-Zertifikat von der CA signieren lassen. 43 Die Rolle der CA könnte ein PowerBridge Betreiber übernehmen oder eine andere Instanz, die für die Installation und den Betrieb der Gateways zuständig ist. RegModHarz benutzt dieses CA-Modell, das nachfolgend noch einmal grafisch dargestellt ist: <trusts> CA <signs> <signs> PowerBridge <uses> Cert PowerBridge <uses> Cert <signs> PowerBridge <uses> Cert Abbildung 15: Sicherheits-Architektur 3.2.7 Standardisierung Die kommunikative Anbindung dezentraler Energieanlagen ist ein wichtiger Baustein im Smart Grid und eine Themenstellung, die auch im Rahmen der IEC TC57 aktiv bearbeitet wird. Dabei sind sowohl die Datenmodelle als auch die Kommunikationsprotokolle zu betrachten. 44 Zur Definition von Datenmodellen wurde von Siemens unter internationaler Beteiligung die Task Force „MU DER“ (Multiple Use of Decentralized Energy Resources) initiiert. Die RegModHarz Architektur und das RegModHarz Datenmodell wurden in diese Gruppe eingebracht. Zur Definition geeigneter Kommunikationsprotokolle hat die IEC die Arbeit an einem neuen Mapping von IEC 61850 auf Web Services aufgenommen, die in einen neuen Standard IEC 61850-8-2 münden soll. Das von RegModHarz verwendete Mapping gemäß IEC 61400-25-4 ist dabei ein möglicher Kandidat für diese neue Spezifikation. 3.2.8 Angeschlossene Anlagen Für den Feldversuch wurden insgesamt 14 Anlagen über die PowerBridge an das virtuelle Kraftwerk angeschlossen: Windpark Druiberg 1 und 2 (zusammen ca. 70 MW) Vier Blockheizkraftwerke der Halberstadtwerke (zwischen 400 kW und 2 MW) Zwei große PV-Anlagen bei Halberstadt (zusammen ca. 2,5 MW) Ein Blockheizkraftwerk in den Räumen von CUBE Engineering (15 kW) Zwei Biogasanlagen, davon eine mit Gasspeicher Eine Micro-Brennstoffzelle (1,5 kW) Eine Simulation eines Maschinensatzes des Pumpspeicherwerks Wendefurth (40 MW) Ein Umrichter-Teststand zur Simulation einer steuerbaren Last (150 kW) Damit wurde eine relativ große Bandbreite sowohl bezüglich der Leistung als auch der Technologie der Anlagen erreicht. Konkret ansteuerbar, auch über einen längeren Zeitraum, waren dabei das Blockheizkraftwerk von CUBE, die Brennstoffzelle und die Speichersimulation. 3.2.9 Zusammenfassung und Erfahrungen Die im Projekt eingesetzte serviceorientierte Architektur zur Anbindung dezentraler Energieanlagen hat sich auch im praktischen Einsatz im Feldtest bewährt. Die Modellierung solcher Anlagen durch ein einheitliches und abstraktes Datenmodell war Voraussetzung dafür, dass ein so breit gefächertes Anlagenportfolio in einheitlicher Weise in den Feldtest integriert werden konnte. An dieser Stelle sind aber auch noch weitere Untersuchungen notwendig, um zu einem Modell zu kommen, das einerseits abstrakt genug ist, um alle Anlagentypen einheitlich darzustellen, andererseits aber auch ausreichend Informationen enthält, um die Optimierungsstrategien eines virtuellen Kraftwerks zu unterstützen. 3.3 Kundenanbindung Die Kundenanbindung erfolgte im Rahmen des RegModHarz-Haushaltsfeldtests in zwei Phasen. In der ersten Phase wurden die in den Haushalten verbauten Ferraris-Zähler durch Smart Meter/MUC-Kombinationen ersetzt. In der zweiten Phase wurde ein dynamischer Tarif angeboten und den Kunden ein IKT-Gateway für die automatische Ansteuerung von zwei Hausgeräten zur Verfügung gestellt. Die installierten Komponenten sind in Abbildung 16 zu sehen. 45 Abbildung 16: Installierte Komponenten in den Haushalten 3.3.1 Smart Meter/MUC-Kombination Da die bisher in den Haushalten verbauten Ferraris-Zähler den Stromverbrauch nur immer weiter aufsummieren und keine Auskunft darüber geben, in welchem Zeitraum wieviel Strom verbraucht wurde, wurden die Ferraris-Zähler durch Smart Meter/MUC-Kombinationen ersetzt. Die Kombination aus einem Smart Meter und einem MUC (Multi Utility Communicator) speichert ohne weitere IKT-Ausstattung den Stromverbrauch über einen Zeitraum von 33 Tagen viertelstündlich ab und liefert somit ausreichend genaue Daten zur Erstellung der Verbrauchsprofile. Durch den Einbau der Smart Meter/MUC-Kombinationen wurde das Ziel der ersten Feldtestphase, das Erfassen des Stromverbrauchsverhaltens bei konstantem Strompreis über den Tag, erreicht, ohne weitere Komponenten installieren zu müssen. Dazu wurden die viertelstündlich aufgezeichneten Daten des MUCs während des gesamten Feldtests monatlich über eine GPRS-Verbindung ausgelesen. In der zweiten Feldtestphase, in der zusätzlich das BEMI als IKT-Gateway installiert wurde, wurde der MUC neben der monatlichen Auslesung über die GPRSVerbindung auch minütlich durch das BEMI über eine LAN-Schnittstelle ausgelesen. Den Teilnehmern wurde so in Echtzeit ihr Stromverbrauchsverhalten visualisiert. 3.3.2 BEMI (Bidirektionales Energiemanagement Interface) Mit dem BEMI (siehe Abbildung 17) wurde den Kunden ein IKT-Gateway zur Verfügung gestellt, welches durch die Ansteuerung von zwei Hausgeräten eine automatische Verlagerung des Stromverbrauchs hin zu Zeiten der günstigen Bonuspreisstufen des dynamischen Tarifs ohne manuelle Geräteschaltungen bewirkt. Das BEMI stellt 46 die lokale Recheneinheit des dezentralen Energiemanagements dar und verwendet den OGEMA-Standard (Open Gateway Energy Management Alliance). Abbildung 17: BEMI (Bidirektionales Energiemanagement Interface) Durch Vorgabe von Zeitfenstern durch den Nutzer werden Zeiträume festgelegt, für die das BEMI optimale Einsatzpläne berechnet. So ist sichergestellt, dass z.B. Wäsche und Geschirr zum vorher festgelegten Zeitpunkt sauber und/oder trocken sind und dem Teilnehmer keine Nachteile im Tagesablauf entstehen. Neben Waschmaschinen, Wäschetrocknern und Spülmaschinen werden auch Kühl- und Gefriergeräte automatisiert gesteuert und in ihren Strombezugszeiten optimiert. Auf dem BEMI-Display werden die Tarifpreisstufen des aktuellen und des nächsten Tags sowie die Einsatzpläne für die angeschlossenen Geräte angezeigt. Eine LEDTarifampel gibt Auskunft über die aktuelle Tarifpreisstufe. Zusätzlich zum Display gibt es noch das BEMI-Portal, eine im BEMI integrierte WebOberfläche zur Anzeige des Stromtarifs, zur Darstellung und Bearbeitung der Einsatzpläne der gesteuerten Geräte, zur Auswertung der Leistungs- und Energieflüsse sowie zur Konfiguration des Systems. Für die Einsatzpläne von Waschmaschine, Wäschetrockner und Spülmaschine gibt es die Möglichkeit, entweder das Gerät sofort zu starten oder aber einen einmaligen oder täglichen Zeitraum für die Durchfüh- 47 rung des Programms vorzugeben, für den dann ein optimaler Einsatzplan berechnet und das Gerät automatisiert angesteuert wird. Für Kühl- und Gefriergeräte werden Temperaturober- und -untergrenzen festgelegt in deren Rahmen die Einsatzpläne der Geräte optimiert werden. Die Übersicht über den Leistungs- und Energiebedarf der angeschlossenen Geräte sowie des gesamten Haushalts wird für einen benutzerdefinierten Zeitraum in hoher zeitlicher Auflösung erstellt. Der Energiebedarf wird als Jahres-, Monats- und Wochenübersicht dargestellt. Bei Kühl- und Gefriergeräten wird zusätzlich der Temperaturverlauf aufgeführt. Im Konfigurationsbereich werden Schaltboxen angelernt und eine Verbindung zum MUC hergestellt. Das im RegModHarz-Projekt eingesetzte BEMI beruht auf einem Basisgerät, welches auch in anderen Projekten eingesetzt wird. Das BEMI wurde für die Anforderungen im Harz angepasst und mit einem Display ausgestattet. 3.3.3 Schaltboxen Die Ansteuerung der Hausgeräte geschieht über Schaltboxen. Für jeden Haushalt standen eine Feuchtraumschaltbox, eine Schaltbox mit Anschlussmöglichkeit für Temperatursensoren und zwei Temperatursensoren zur Verfügung. Die Schaltboxen werden per Funk vom BEMI angesteuert (ZigBee-Standard). Neben dem Zu- und Wegschalten der Spannung messen die Schaltboxen auch Leistung und Arbeit. Die Ampelfarbe des Tarifs wird ebenfalls angezeigt. Kühl- und Gefriergeräte können nur an den Schaltboxen mit Anschlussmöglichkeiten für Temperatursensoren angeschlossen werden. Waschmaschinen, Wäschetrockner und Spülmaschinen können zusätzlich auch an den Feuchtraumschaltboxen angeschlossen werden. Die Schaltboxen haben zwei Betriebsmodi: „Automatik“ und „Dauer Ein“. Das Umschalten zwischen den Modi kann sowohl über das BEMI-Portal als auch direkt an der Schaltbox über den dort integrierten Taster erfolgen. Zusätzlich gibt es bei Schaltboxen, an denen Kühl- oder Gefriergeräte angeschlossen sind, noch den „Notfall-Modus“, der sich beim Überschreiten festgelegter Temperaturgrenzen einschaltet. Die eingesetzten Schaltboxen beruhen auf Serienprodukten, die durch einen Treiber an das OGEMA-System angepasst wurden. 3.3.4 Angebundene Haushalte Insgesamt wurden 46 Haushalte für die Teilnahme am Feldtest akquiriert. Bei diesen wurden im Zeitraum Januar bis Oktober 2011 Smart Meter/MUC-Kombinationen installiert. Aus technischen Gründen konnten nur in 39 der 46 Haushalte BEMIs in48 stalliert und in Betrieb genommen werden. Das geschah im Zeitraum Februar bis August 2012. Die Installation sowohl der Smart Meter/MUC-Kombinationen als auch der BEMIs und Schaltboxen erfolgte durch die zuständigen EVUs. 3.3.5 Zusammenfassung und Erfahrungen Da der Feldtest erst am 30. November 2012 endete, konnten über einen langen Zeitraum Erfahrungen mit der Installation und dem Betrieb der Smart Meter/MUCKombinationen und der BEMIs gesammelt werden. Dabei zeigte sich, dass die technische Umsetzung des Feldtests sehr anspruchsvoll war. Trotzdem konnte das Funktionieren des installierten Systems nachgewiesen werden. 3.4 Marktplattform Die interaktive Marktplattform als Webapplikation stellt komplexe Zusammenhänge der Stromversorgung, des Stromverbrauchs, der Strommärkte und der entwickelten Szenarien in der Modellregion auf möglichst transparente und leicht zugängliche Art dar. Sie gliedert sich in verschiedene Bereiche, die sowohl inhaltlich als auch konzeptionell auf die entsprechenden Zielgruppen abgestimmt sind. Neben den allgemein zugänglichen Informationen bietet die Marktplattform einen zugangsbeschränkten Bereich für die Feldtestteilnehmer. Dieser Bereich bietet jedem Feldtestteilnehmer Informationen zum eigenen Verbrauch, den Anteilen bezogener elektrischer Energie je Erzeugungsanlagentyp und eine monatliche Verbrauchsabrechnung mit entsprechenden Auswertungen zum eigenen Verbrauchsverhalten. 49 Abbildung 18: Startseite der RegModHarz Marktplattform (www.regmodharz-marktplatz.de) 3.4.1 Herausforderung / Zielsetzung Die ursprüngliche Idee, über die Marktplattform Strom aus regionalen erneuerbaren Erzeugungsanlagen an die regionalen Verbraucher zu vermarkten, wurde während der Konzeptionsphase verworfen, da die derzeitigen Rahmenbedingungen weder eine Handelsplattform ohne umfangreiche juristische und finanzielle Absicherung noch ein funktionierendes Geschäftsmodell ermöglichen. Daher wurde als wesentliches Ziel und Anspruch die Transparenz für die Verbraucher und dezentralen Akteure, die technisch innovative Umsetzung und die Interaktion gesetzt. Eine Herausforderung an die Konzeption der interaktiven Marktplattform bestand in der Diskrepanz, komplexe, sehr umfangreiche Datenmengen auf ansprechende und leicht zugängliche Weise aufzubereiten und darzustellen, ohne den wissenschaftlichen Anspruch zu verlieren. Um die einzelnen Bereiche zu bestimmen und inhaltlich wie optisch aufzubauen, wurden die unterschiedlichen Zielgruppen und deren Interessengebiete / Zugangsschwellen definiert und entsprechend adaptiert. Weiter werden alle Informationen und Vermarktungsmöglichkeiten rund um die Erzeugung je Anlagentyp und die Verbindung zum virtuellen Kraftwerk möglichst transparent und aktuell dargestellt. Ergänzend dazu werden aktuelle Preisinformationen der Strommärkte leicht verständlich dargestellt. Die zeitliche Auflösung der Daten ist ≤15 Minuten. Als Grundlage für die Transparenzinformationen auf der Marktplatt- 50 form dienen IST- und Prognosedaten zu Verbrauchsleistung und Erzeugungsleistung, die auf verschiedensten Kanälen in einer zentralen Datenbank des Fraunhofer IWES zusammenlaufen. Sowohl für die performante als auch ansprechende Darstellung der Daten wurde eine geeignete Technologie gefunden, die sowohl „state-ofthe-art“ als auch zukunftssicher ist und sich im Browser, auch mit schwächerer Internetverbindung, gut implementieren lässt. Ein weiterer zentraler Punkt in der Konzeptionsphase ist der hohe Daten-Sicherheitsanspruch an das Gesamtsystem und speziell an die Verbindungen zum Datenbank- und Applicationserver des IWES. Sowohl die zentrale Datenbank als auch der Server, auf dem die Applikationen der Marktplattform laufen, befinden sich logisch und physikalisch an einem anderen Ort als das Frontend, das GUI (Graphical User Interface, Nutzeroberfläche) der Marktplattform. Um dem Anspruch an einfache Handhabung und redaktionelle Pflege der Marktplattform gerecht zu werden wurde das Frontend mittels Content Management System (CMS) umgesetzt. 3.4.2 Umsetzung Die Basis zu Beginn der Umsetzung der Marktplattform sind die einlaufenden Daten in die zentrale Datenbank und deren Format, Auflösung, Kontinuität und Konsistenz. Auf Grund dieser Bestandaufnahme und vorheriger Definition der BenutzerZielgruppen wurden die verschiedenen Ansichten der Marktplattform grob skizziert. Um eine geeignete Technologie zur Darstellung der unterschiedlichen Anwendungen zu finden, wurde eine ausführliche Gegenüberstellung verschiedenster Technologien durchgeführt und für die Umsetzung das Google Web Toolkit (GWT) ausgewählt. Über diese Entscheidung kam es zur Kooperation mit der Uni Kassel, Fachbereich 16, FG Software Engineering, der schon mehrere Projekte mit dieser Technologie erfolgreich umgesetzt hatte. Die große Herausforderung bestand in der logischen und physikalischen Trennung der Systeme und darin, dass die GWT Komponenten auf dem Application Server des IWES laufen, aber in dem GUI der Marktplattform, welches auf einem Server von CUBE Engineering aufgesetzt wurde, angezeigt werden sollen. Dies stellt wiederum ein zentrales Element für die Übertragbarkeit und die Verwertung der Marktplattform als Gesamtsystem dar, da diese Voraussetzungen und entsprechenden Schwierigkeiten einem Aufbau als reales System entsprechen. Gespeist werden die GWT Komponenten mit Daten aus der zentralen Datenbank, die auch in der IWES Serverinfrastruktur liegt. Das Herstellen dieser Verbindungen zwischen den drei Hauptkomponenten, eine entsprechende Verschlüsselung und Absicherung dieser Verbindungen stellte sich als sehr anspruchsvoll, allerdings auch sehr realitätsnah 51 dar, da bei einer Übertragbarkeit des Systems sehr ähnliche Voraussetzungen herrschen würden. Um die entsprechend verschlüsselten Verbindungen herzustellen, wurden ssl-Zertifikate und ssl-Tunnel eingesetzt. Zudem wurde die Domain www.regmodharz-marktplatz.de gesichert, die entsprechend auf den Webspace in der CUBE Serverlandschaft weitergeleitet wurde. Auf dem CUBE Webserver ist Typo3 als Content Management System installiert und eingerichtet worden, um eine redaktionelle Betreuung der Marktplattform durch mehrere Personen zu gewährleisten und bestimmte Funktionen, z.B. eine Benutzerkontensteuerung für den zugangsgeschützten Verbraucherbereich sicherzustellen, ohne diese neu zu entwickeln. Zum Test und als Redundanz wurde ein zweites Entwicklungssystem aufgebaut. Fertig entwickelte und getestete Bereiche wurden in das Livesystem übertragen. Durch das Testsystem wurde zum einen Ausfallsicherheit garantiert, zum anderen fanden keine Testläufe in der Liveumgebung statt, was spätestens nach Anschluss der Feldtesthaushalte an die Marktplattform essentiell war. Die Transparenzinformationen zu Erzeugung, Verbrauch und dynamischem Stromtarif wurden als erstes Entwicklungspaket fertiggestellt. Die BEMIs, Smart Meter und MUCs wurden mit Zeitverzögerung in den Testhaushalten installiert und an die Datenbank angebunden. Ein wichtiges Kriterium war die sichere Übertragung und Speicherung der Verbrauchs- und Stammdaten der Feldtesthaushalte. Die Zugänge der Verbraucher zum geschützten Bereich der Marktplattform wurden anonymisiert mit der integrierten Benutzerverwaltung von Typo3 gelöst. An dieser Stelle bestand die Herausforderung darin die Benutzerinformationen, die das Content Management System bereitstellt, an die GWT Komponenten auf dem entfernten IWES Server verschlüsselt zu übertragen und sicher zu stellen, dass der Feldtestteilnehmer, der sich einloggt, auch seine Verbrauchs- und Abrechnungsdaten dargestellt bekommt. Durch Probleme der Konsistenz der Daten werden die Feldtesthaushalte erst seit März 2012 nach dem dynamischen Stromtarif abhängig von der Residuallast der Modellregion abgerechnet und können sich auf der Marktplattform die Abrechnungen und Auswertungen des Verbrauchsverhaltens ansehen. Für die Feldtesthaushalte wurde eine Schulung zur Bedienung der Marktplattform in Verbindung mit den BEMIs durchgeführt. Für den Abruf der EPEX-Intraday- und Minutenreservepreise im Bereich „Markt“ wurden python Skripte entwickelt, die die benötigten Preisinformationen von den Webseiten https://www.regelleistung.net und http://www.epexspot.com abrufen 52 und in einem weiterzuverarbeitenden .csv Format auf einem FTP Server abspeichern. Für die Darstellung und Verwendung auf der Marktplattform werden diese Dateien via weiterer php Skripte in die zentrale Prognosedatenbank, CUBE intern eingelesen. 3.4.3 Bereiche Startseite Die Startseite enthält eine Übersichtsgrafik des Landkreises Harz mit Platzhaltern für die EE-Erzeugungsanlagen und dem virtuellen Kraftwerk in der Mitte. Somit wird transparent dargestellt, wie viele EE Anlagen sich im Landkreis Harz befinden und wie viele am virtuellen Kraftwerk angeschlossen sind. Im rechten Bereich erhält der Betrachter die aktuelle Preisstufe des dynamischen Tarifs zur aktuellen Stunde, die Zusammensetzung der Stromversorgung und den Verbrauch im Landkreis. Im Diagramm unten rechts wird die Ist-Erzeugung und die Prognose für die Erzeugung und Verbrauch im Landkreis dargestellt. Alle Diagramme aktualisieren sich viertelstündlich. Verbraucher Der Verbraucherbereich ist via personalisiertem Login für die Feldtesthaushalte erreichbar und enthält zusätzliche Informationen für das Monitoring und die Auswertung ihres Stromverbrauchs in Zusammenhang mit der Einspeisung an erneuerbaren Energien. Der Login besteht aus der BEMI ID und einem kryptischen Passwort. Nach dem Login erscheint das Dashboard, auf dem sich einzelne Widgets benutzerdefiniert anordnen lassen. Diese Art der Darstellung wurde gewählt, um einen einfachen übersichtlichen Zugang zu den einzelnen Inhalten des Verbraucherbereichs zu bieten und einen schnellen Überblick über die wichtigsten Inhalte zu gewährleisten. Durch die Preis- und Erzeugungsprognosen wird dem Nutzer transparent der Zusammenhang zwischen der Erzeugung erneuerbarer Energien im Harz und der Preisstufenverteilung aufgeschlüsselt. Durch die Übersicht kann der Verbraucher sein Nutzungsverhalten für den nächsten Tag planen und somit Last verlagern. Alle Diagramme ermöglichen auch den Blick in die Vergangenheit oder die Darstellung eines benutzerdefinierten Zeitraums. 53 Abbildung 19: Dashboard im Verbraucherbereich der Feldtestteilnehmer Im Unterbereich Monitoring wird die Verbrauchskurve des Haushalts über die Preisstufenverteilung gelegt. Der Nutzer kann für jeden Zeitpunkt des erfassten Feldtests nachsehen, wie viel Strom er zu welcher Preisstufe verbraucht hat. Der Untermenüpunkt Benchmark stellt die eigene Verbrauchskurve im Vergleich zur durchschnittlichen Verbrauchskurve aller Testhaushalte und zum H0-Standardlastprofil dar. Die monatliche Verbrauchsabrechnung wird automatisiert erzeugt und steht dem Verbraucher spätestens am fünften Werktag des Folgemonats online zur Verfügung. Die Abrechnung beruht nicht auf den live übertragenen Werten sondern auf den Werten, die von dem geeichten Smart Meter gemessen und von der Firma NZR ausgelesen und übermittelt werden. Bei der online Übertragung der Daten über das BEMI kann es zu Ausfällen kommen. Diese Ausfälle dürfen keine Auswirkung auf die Abrechnung und die Bestimmung der „Harztaler“ (fiktive Abrechnungseinheit während des Feldtests; 1 Harztaler = 1 Euro) haben. Über ein Feedbacksystem im Unterbereich Kontakt können die Feldtestteilnehmer Probleme melden und/oder Fragen stellen. 54 Die Verwendung des Verbraucherbereichs wird von der Forschungsgruppe Umweltpsychologie begleitet und ausgewertet. Abbildung 20: Beispiel monatliche Verbrauchsabrechnung Feldtesthaushalt Erzeuger Die Karte des Erzeugerbereichs zeigt alle im Rahmen von RegModHarz erhobenen EE-Anlagenstandorte im Landkreis Harz und deren installierte Leistung. Für diese Anwendung wurde die Google Karte zu Grunde gelegt und die verschiedenfarbigen 55 Pins koordinatengenau gesetzt. In den Unterbereichen kann man sich die Einspeisung pro EE Erzeugungstyp und dessen Einspeiseprognose ansehen. Abbildung 21: Überblick EE-Erzeugungsanlagen im Landkreis Harz Markt Der Marktbereich bietet dem Nutzer Transparenzinformationen zu den Preisen auf den unterschiedlichen Strommärkten, hier beispielhaft am Day-Ahead Spotpreis dargestellt. In diesem Diagramm werden die Day-Ahead Spotpreisprognosen mit dem aktuellen gehandelten Spotpreis verglichen. Dieses Diagramm soll unter anderem die Genauigkeit der Prognose verdeutlichen. Diese Prognosewerte werden täglich von einem FTP Server, auf dem sie im .csv Format von unserem assoziierten Partner price[it] GmbH (www.price-it.eu) bereitgestellt werden, automatisiert in eine Datenbank übertragen. 56 Abbildung 22: Day-Ahead Spotpreisprognosen Weiter laufen in den Marktbereich Informationen zu Minutenreserve- und Intradaymarkt ein. Die Intradaypreise werden stündlich via python Script von der Website http://www.epexspot.com ausgelesen und auf einem FPT Verzeichnis abgelegt und entsprechend stündlich in die Datenbank geschrieben. In der Abbildung 22 werden Ist-Werte und Prognosen angezeigt. Die Prognose weicht entsprechend stündlich von den Ist-Werten ab. Zusätzlich werden für jede Stunde noch die Handelsmengen via Mouse Over Tooltip angezeigt. Das Verfahren zur Darstellung und Integration der Minutenreservepreise ist analog zu den Intradaypreisen. Die Minutenreservepreise werden 1x pro Tag, ebenfalls via python Skript von https://www.regelleistung.net abgerufen und auf einen FTP Server im .csv Format abgelegt. Pro Stunde werden der mittlere und höchste Leistungspreis erfasst und in die Datenbank geschrieben. 100%-EE Szenario Das „100% Szenario" einer vollständigen Stromversorgung aus erneuerbaren Energien wurde im Forschungsprojekt untersucht und wird auch auf der Marktplattform in entsprechend aufbereiteter Form visualisiert. Um dem Nutzer ein Gefühl zu geben, wie sich der Ausbau erneuerbarer Energien in Richtung 100% Versorgung entwickeln kann, werden alle Grafiken und Diagramme der Marktplattform mit entsprechenden Faktoren skaliert und mit der aktuellen Zusammensetzung aus erneuerbaren Energien verglichen. Wichtiger Inhalt dieser Seite ist die flexible Biogasein57 speisung, die sich am Day-Ahead Spotpreis orientiert, was dieses Szenario deutlich von den anderen untersuchten unterscheidet. Auch der Preisstufenverlauf des eingesetzten variablen Stromtarifs wird an Hand entsprechend untersuchter Faktoren auf eine 100 % Stromversorgung durch erneuerbare Energien skaliert und mit dem, aktuell im Feldtest eingesetztem Tarif vergleichen. Abbildung 23: Spotpreisabhängige Biogaseinspeisung im 100% Szenario 3.5 Prognoseinformationssysteme Die Modellierung des Gesamtsystems zeigt, dass Prognoseinformationssysteme ein wichtiger Baustein für die Lösung der energiewirtschaftlichen Fragestellungen sind und viele der wesentlichen Kernprozesse des Systems vorhersagegestützt arbeiten. Da diese Informationssysteme in der Realität vielfältige Anforderungen erfüllen müssen, verteilt und in heterogenen Umfeldern arbeiten, wurde eine allgemeine servicebasierte Architektur erarbeitet und evaluiert, die es ermöglicht Prognoseinformationssysteme unter diesen Rahmenbedingungen effizient zu nutzen. Dabei können grundsätzlich beliebig viele Instanzen von Prognoseinformationssystemen von einzelnen Prognosedienstleistern innerhalb des Gesamtsystems bereitgestellt werden. 58 Abbildung 24: Architektur des Prognoseinformationssystems Der zentrale Datenbus (Data-Bus) des Prognoseinformationssystems stellt allen Komponenten ihre jeweils benötigten Daten zur Verfügung bzw. liefert erzeugte Daten an die Datenhaltungsschicht weiter. Der Prognosekern (Forecast Core) ist die algorithmische Kernkomponente zur Prognoseberechnung. Die erstellten Prognosen stellt der Prognoselieferant (Forecast Provider) durch SOAP Webservices zur Verfügung. Als Prognosedatenmodell wurde eine im Projekt Harz.EE-mobility entwickelte Erweiterung der Norm IEC 61970-301 verwendet. Der Prognosemanager (Forecast Manager) koordiniert die Prognoseerstellung, die Informations-Clients (Information Clients) stellen dem Prognosesystem die notwendigen Eingangsdaten zur Verfügung. Dabei bindet der Client z.B. die Komponenten des Energieanlagenmanagers als zentralen Lieferanten der Anlagendaten unter Verwendung der Norm IEC 61970301 an. Bei der Windleistungsprognose werden z.B. numerische Wetterprognosen und gemessene Leistungsdaten von den Informations-Clients abgeholt. Anschließend werden im Prognosekern die Vorhersagen mit Hilfe von neuronalen Netzen berechnet und dann durch den Prognoselieferant im Zieldatenformat über Webservices bereitgestellt. 59 Abbildung 25: Energy Forecast: Erweiterung des IEC 61970-301 Ausgehend von den in Harz.EE-mobility entwickelten Prognosedatenmodellen wurde diese allgemeine serviceorientierte Architektur erarbeitet. Prognose- informationssysteme wurden als energiewirtschaftliche Basisdienste modelliert. Prognosen werden durch dieses Konzept als Grundinformationen für verschiedenste Einsatzzwecke einfach, effizient und unter Einsatz zukunftsfähiger energiewirtschaftlicher Standards zur Verfügung gestellt. Dieses Vorgehen ermöglicht u.a. den Einsatz von Prognoseinformationssystemen im Kontext des Smart Grid. Durch den erfolgreichen operativen Betrieb im Feldtest wurden die Prognosearchitektur und die dafür verwendeten Datenmodelle evaluiert und gezeigt, dass die erarbeitete Lösung für verschiedene energiewirtschaftliche Problemstellungen wie z.B. virtuelle Kraftwerke und Elektromobilität (Harz.EE-mobility) sehr gut geeignet ist. Angepasst an die Modellregion wurden Erzeugungsprognosen für Wind- und Solarenergie, Lastprognosen und Preisprognosen für den „Spotmarkt“ umgesetzt und operativ betrieben. Aus den Ergebnissen des Projekts ergeben sich weitere Forschungsfragen für zukünftige Prognoseinformationssysteme. Zum einen stellt sich die Frage, wie Prognoseinformationssysteme dynamisch und weitestgehend automatisiert in das Energiegesamtsystem eingebunden werden können. Zu untersuchen ist dabei einerseits, inwieweit prognosebasierte Systeme wie z.B. virtuelle Kraftwerke automatisiert die notwendigen Prognoseanbieter ermitteln und einbinden können. Andererseits muss erforscht werden, inwiefern Prognoseinformationssysteme selbst in 60 der Lage sind, die für ihre Prognose notwendigen Basisinformationen oder –dienste automatisiert zu integrieren. Als zweites zukünftiges Prognoseforschungsfeld wurde im Projekt die Erstellung von probabilistischen Informationsdiensten wie z.B. probabilistischen Prognoseinformationssystemen und die Lösung der damit verbundenen IKT-Fragen identifiziert. Indem man beispielsweise Prognosen als statistische Information erforscht, ergeben sich neue Möglichkeiten in Bezug auf Risikomanagement und energiewirtschaftliche Entscheidungsprozesse. Parallel dazu müssen IKT-Lösungen für probabilistische Informationssysteme entwickelt werden, um z.B. probabilistische Prognosen in Zukunft einsetzen zu können. Es gilt unter anderem, moderne energiewirtschaftliche Standards zu untersuchen und gegebenenfalls zu erweitern, um statistische Informationen abbilden zu können. 3.6 Dezentrale Einsatzoptimierung mit energyTRADE Für den Betrieb von virtuellen Kraftwerken wurden verschiedene Strategien für deren Einsatz entwickelt. Dabei ist im Wesentlichen unter der zentralen und dezentralen Einsatzoptimierung zu unterscheiden. Bei der zentralen Einsatzoptimierung werden alle Vermarktungsoptionen und Anlagentypen in einen Optimierer eingebunden und ein optimaler Vermarktungs- und Einsatzfahrplan erstellt. Bei einer dezentralen Einsatzoptimierung an den Hauptmärkten wird jede Anlage einzeln betrachtet oder Anlagen gleichen Typs werden zusammengefasst. Diese dezentrale Einsatzoptimierung wird dann aggregiert und gemeinsam an den Märkten vermarktet, für die eine hohe Güte der Preisprognose vorliegt. Weitere Vermarktungsoptionen (z.B. Regelenergie) mit geringerer Prognosegüte werden dann nachrangig berücksichtigt. Der Vorteil der dezentralen Einsatzoptimierung liegt an der zum Betreiber nahen Optimierung. So gibt es nicht einen Optimierer, der durch die hohe Anzahl an gepoolten Anlagen entsprechende Rechnerleistung benötigt, sondern mehrere Optimierer, die sogar dezentral auf verschiedenen IKT-Systemen integriert werden können. So kann zukünftig auch die IKT zur Fernsteuerung die Einsatzoptimierung übernehmen. Weitere Vorteile liegen in der dezentralen Transparenz, da der Anlagenbetreiber die Einsatzoptimierung für seine Anlage und die Auswirkungen bei Änderungen nachvollziehen kann, was deren Akzeptanz erhöht. Diese dezentralen Einsatzoptimier können kostengünstig für spezielle Anlagentypen entwickelt und implementiert werden. Die Betreiber werden dadurch unabhängiger von den Vermarktern und können eigene kleinere Pools bilden. 61 CUBE hat in Kooperation mit EMD Deutschland eine Architektur für eine dezentrale Einsatzoptimierung entworfen (siehe Abbildung 26). Diese wird für die Testumgebung bei einer dezentralen KWK Anlage implementiert und getestet. Abbildung 26: dezentrale Einsatzoptimierung 62 4 Erzeugung 4.1 Potenziale im Landkreis Harz Im Folgenden werden die Ausbaupotenziale für die verschiedenen erneuerbaren Energien im Landkreis Harz hergeleitet. Des Weiteren wird abschließend kurz auf die Speicherpotenziale eingegangen. Zur Bestimmung der Ausbaupotenziale für die Windenergie wurde ein Windatlas mit einem Raster von 1 km x 1 km für den Landkreis Harz erstellt. Anschließend wurden die Potenziale in zwei Szenarien mit Hilfe der Software WindPRO 2 ermittelt. Zum einen eine ausschließliche Nutzung der derzeit ausgewiesenen Eignungs- und Vorrangflächen, die bei der regionalen Planungsgemeinschaft Harz in Erfahrung gebracht werden können. Diese haben eine Gesamtfläche von 961,9 ha, was knapp 0,5 % der Landkreisfläche entspricht. Mit den verschiedenen im Projekt getroffenen Annahmen, u.a. ein Abstand vom 4,5-fachen des Rotordurchmessers in Hauptwindrichtung, ergibt sich ein Potenzial von 620,4 GWh. Die ausgewiesenen Flächen sind im Vergleich zum Landesdurchschnitt und zu anderen Bundesländern eher gering. Daher wurde in einem zweiten Szenario angenommen, dass die für die Windenergie zur Verfügung stehende Fläche der nachhaltig nutzbaren Fläche für die Bioenergie von 228,1 km² bzw. 10,8 % der Landkreisfläche entspricht. Daraus ergeben sich Potenziale von 11,7 TWh. Bei den Ausbaupotenzialen der Solarenergie kann zwischen Schrägdachflächen und Flachdachflächen unterschieden werden. Die Dachflächen im Landkreis Harz konnten mit Hilfe der ATKIS-Basis-DLM Daten für den Landkreis Harz bestimmt werden. Aufgrund verschiedener Restriktionen, wie Ausrichtung, Denkmalschutz oder Schornsteinen, wurden lediglich 32 % der Schrägdächer bei der Potenzialanalyse berücksichtigt. Bei den Flachdachfächern wurden 25 % der Fläche betrachtet. Mit einer installierten Leistung von 120 W/m² ergibt sich somit ein Dachflächenpotenzial von 946 MW. Zur Ermittlung der energetischen Potenziale wurden die SoDaGlobalstrahlungswerte genutzt (SODA, 2009). Die räumliche Auflösung der Daten beträgt 5 km x 5 km. Bei der Berechnung wurde auch berücksichtigt, dass die nicht nach Süden ausgerichteten Dachflächen eine geringere Vollaststundenzahl haben. Dadurch ergibt sich ein Potenzial von 820,2 GWh. Aufgrund des bereits sehr großen Potenzials der Dachflächen, von circa 66 % des Stromverbrauchs wurden keine Freiflächenpotenziale untersucht. Die Bewertung der Biomassepotenziale des Landkreises Harz basiert auf einer umfangreichen Studie der Landgesellschaft Sachsen-Anhalt mbH aus dem Jahr 2008 63 (LGSA, 2008) und auf zusätzlichen Daten der Landesanstalt für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (LLFG). Das Biomassepotenzial kann unter Berücksichtigung holzartiger Biomasse, der landwirtschaftlichen Biomasse und biogenen Abfällen ermittelt werden. Dieses Potenzial teilt sich dann auf den Food- und den NonFood-Sektor auf, wobei der Food-Sektor vorrangig ist. Der Non-Food-Sektor teilt sich in die Bereiche stoffliche und energetische Nutzung, wobei die stoffliche Nutzung vorrangig ist. Das für die energetische Nutzung zur Verfügung stehende Biomassepotenzial reicht für eine elektrische Leistung von 101,4 MW und eine elektrische Energie von 539,1 GWh aus, wobei sich dieses Potenzial auf verschiedene Technologien wie BHKW oder GuD-Kraftwerke und auf Vor-Ort-Verstromung oder Einspeisung ins Gasnetz aufteilt. Bei den Potenzialen für die Wasserkraft muss zwischen Laufwasserkraftwerken und Speicherwasserkraftwerken unterschieden werden. Bei den Speicherwasser- kraftwerken (Hydro, 2005) lagen zur Zeit der Potenzialerhebung noch drei Talsperren mit Ausbaupotenzialen von insgesamt 1,3 MW vor, die jedoch mittlerweile erschlossen wurden (TSB, 2009). Bei den Laufwasserkraftwerken ergaben sich nur geringe Potenziale von circa 0,6 MW (MHP, 1992). Es kann somit festgehalten werden, dass die Wasserkraft im Landkreis Harz kaum Ausbaupotenziale aufweist, insbesondere im Vergleich zu den anderen erneuerbaren Energien. Gleiches gilt für die Stromerzeugung aus der Tiefengeothermie. Dies kann zum einen damit begründet werden, dass die Geologie im Landkreis Harz aufgrund fehlender Anomalien nicht gut für diese Technologie geeignet ist (ENERKO, 2008). Zum anderen ergibt eine nachhaltige Nutzung des gesamten terrestrischen Wärmestroms des Landkreises Harz lediglich ein elektrisches Leistungspotenzial von 20 MW. Erzeuger Ende 2008 Techn. Potenzial P [MW] E [GWh] P [MW] E [GWh] 9,6 32,2 101,4 539,1 Wind 150,6 286,4 5886,0 (248,4) 11722,0 (620,4) Solar 6,5 5,4 946,1 820,2 Wasser 7,2 22,1 8,8 28,9 0 0 0 0 171 327 6942,3 (1304,7) 13110,2 (2008,6) Biomasse Geothermie Gesamt Tabelle 3: Leistungs- und Energiepotenziale im Landkreis Harz. Bei den Werten in Klammern beschränken sich die Windpotenziale auf die ausgewiesenen Eignungs- und Vorrangflächen 64 Interessant ist hierbei auch ein Vergleich der Flächeneffizienz der verschiedenen Technologien, hinsichtlich des Potenzials für elektrische Energie. Diese liegt bei der Windenergie bei 64,5 kWh/m² in Bezug auf die Parkfläche. Für die Solarenergie beträgt sie 32,6 kWh/m² und für die Bioenergie 1,0 kWh/m². Die Potenziale von maximal 13,0 TWh und minimal 2,0 TWh für erneuerbare Energien im Landkreis Harz reichen aus, um den gesamten Strombedarf von 1,3 TWh zu decken und darüber hinaus noch elektrische Energie zu exportieren. Das größte Potenzial bietet die Windenergie, wobei dieses Potenzial nur erschlossen werden kann, wenn die Eignungs- und Vorrangflächen im Landkreis Harz vergrößert werden. Hier ist die Politik gefordert, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu setzen. Eine weitere wichtige Voraussetzung für die Nutzung der Potenziale ist der Ausbau der Stromnetze. Darüber hinaus wurden die Potenziale für Speicher im Landkreis Harz untersucht. Die Speicherkapazität der Pumpspeicherwerke kann dabei durch die Kopplung zweier Talsperren von jetzt 0,6 GWh auf 2,2 GWh gesteigert werden. Durch die Umstellung aller PKW-Nutzer im Landkreis Harz auf E-Kfz ergibt sich ein Speicherpotenzial von 1,2 GWh. Das größte Potenzial bieten jedoch unterirdische Gasspeicher in Form von Salzkavernen in den Salzkissen Huy und Großer Fallstein. Würden diese als Methanspeicher genutzt werden, ergibt sich eine Speicherkapazität von 2,8 TWh mit der der gesamte Jahresstromverbrauch im Landkreis Harz gedeckt werden könnte. 4.2 Prognosen 4.2.1 Preisprognose Bedeutung der Preisprognose: Mit zunehmenden installierten Wind- und PVAnlagenleistungen werden flexibel steuerbare Energieanlagen verstärkt kurzfristige Leistungsschwankungen im Netz ausgleichen müssen. Dadurch gewinnt der kurzfristige Stromhandel an Bedeutung. Leitcharakter haben die Preise des Day-AheadSpotmarkts an der Strombörse EPEX (täglicher Handel über die 24 Stunden des Folgetages). Um betriebswirtschaftlich optimierte Fahrpläne für die flexibel steuerbaren Anlagen erstellen zu können, sind Prognosen der stündlichen Markträumungspreise am Day-Ahead-Spotmarkt (auch Market Clearing Preis, MCP) notwendig. Anforderungen: Die Markträumungspreise sind mit möglichst geringen Abweichungen vorherzusagen, damit die Betreiber flexibler Anlagen die Stunden mit den höchsten Erlösmöglichkeiten nutzen können. Erzeugungsanlagen werden zu Hochpreiszeiten betrieben, flexible Lasten und Speicher beziehen zu Niedrigpreiszeiten 65 Strom. Die Volatilität der Spotpreise erschwert die Prognose, besonders auch durch den zunehmenden Einfluss des nur kurzfristig prognostizierbaren Anteils an Windund PV-Strom. Im Untersuchungsjahr 2008 lagen die häufigsten Preissprünge von Stunde zu Stunde im Bereich zwischen 10 und 15 €/MWh (74 % der Stunden); auch Preissprünge zwischen 15 bis 20 €/MWh traten häufig auf (13 % der Stunden). In immerhin 12 % der Stunden waren die Preisunterschiede von einer Stunde zur nächsten Stunde größer als 20 €/MWh und nur in 0,004 % der Stunden kleiner als 10 €/MWh. Umsetzung in RegModHarz: Für den Feldtest und die Marktplattform wurde auf die Prognose eines externen Dienstleisters zurückgegriffen. In 2009 wurde eine Marktrecherche durchgeführt. Vier kommerzielle Prognoseanbieter erklärten sich unter Maßgabe der Anonymisierung dazu bereit, historische Prognosezeitreihen für eine Evaluation der Prognosegüte zur Verfügung zu stellen (Untersuchungsjahr: 2008). Dabei unterschieden sich die Leistungsangebote: Alle vier Prognose¬-anbieter boten Vorhersagen der täglichen Börsen-Indizes Phelix Base und Peak an. Mehrere Anbieter prognostizierten bereits den MCP für jede Handelsstunde des kommenden Tages. Prognosen mit mehrtägigem Horizont waren noch nicht Standard. Einzelne Prognoseanbieter arbeiteten auf Basis aufwändiger Fundamentaldatenanalysen mit hohem Personalaufwand, die anderen mit zeitreihen-basierten statistischen Methoden, noch ohne Einbindung von Wind- und PV-Einspeiseprognosen. Die Evaluation der Prognosegüte erfolgte mit folgenden Untersuchungsschwerpunkten (Untersuchungsjahr 2008): 1. Folgetagsprognose für Phelix Base und Peak, 2. Mehrtagesprognose für den Phelix Base, 3. MCP-Prognose für den Folgetag, 4. MCP-Prognose mit mehrtägigem Horizont, 5. Prognose für Stunden sehr hoher bzw. niedriger Preise sowie 6. Prognose für Zeiten besonders hoher bzw. niedriger bundesweiter EEG-Einspeisung. Als Bewertungsmaß wurde jeweils der mittlere absolute Fehler (MAE = Mean Absolute Error) einer Prognosezeitreihe verwendet. Absolute Preisdifferenzen geben einen guten Eindruck über das mit der Prognose verbundene Preisrisiko. Als Referenzpreis galt der MCP. Folgetagsprognose für den mittleren Tagespreisindex: Für den Phelix Base traten je nach Prognoseanbieter Abweichungen >10 €/MWh an mindestens 30 Tagen und höchstens 122 Tagen auf. Stundengenaue MCP-Prognosen: Hier lag der MAE über den Zeitraum Februar bis Dezember 2008 zwischen 7,21 und 10,35 €/MWh (11,0 bis 15,7 % vom jahresmittleren Referenzpreis von 65,76 €/MWh). Am größten waren die Prognoseungenauigkeiten generell zu den höherpreisigen Zeiten, die im Jahr 2008 zu den Mittags66 und Abendstunden auftraten. Zu Zeiten hoher Preisspitzen (MCP >97,5%-Quantil) lagen die MAE-Werte bei allen Anbietern bei ca. 30 €/MWh. Zu Zeiten absoluter Tiefpreise (MCP <2,5%-Quantil) lagen die MAE-Werte bei zwei Prognoseanbietern bei 15,50 €/MWh und bei einem bei 20,50 €/MWh. Zu Zeiten niedriger bundesweiter EEG-Einspeisung (< 2,5%-Quantil) waren Abweichungen zwischen 11 und 14 €/MWh und zu Zeiten hoher EEG-Einspeisung (oberhalb des 97,5%-Quantils) waren Abweichungen zwischen 10,50 und 15 €/MWh zu verzeichnen. Preisprognosen mit mehrtägigem Prognosehorizont sind von besonderer Bedeutung für RegModHarz, da diese eine optimierte Einsatzplanung komplexer Anlagensysteme mit Wärme-, Gas- bzw. Stromspeichern erlauben. Es wurde untersucht, wie sich die mittlere Abweichung mit dem täglich kürzer werdenden Prognosehorizont von sieben Tagen auf einen Tag vor Markträumung verringert. Dies erfolgte sowohl für die jahresmittlere Abweichung als auch für diejenige im 97,5%-Quantil. Bei den MCP-Mehrtagesprognosen nahm der jahresmittlere MAE mit abnehmendem Prognosehorizont von Werten zwischen knapp 11 und 12,50 €/MWh auf Werte zwischen 7,21 und 10,35 €/MWh ab. Dabei war beachtlich, dass ein Anbieter den MCP bereits fünf Tage zuvor mit einem geringeren jahresmittleren MAE als ein anderer Anbieter einen Tag zuvor prognostizierte. Hierin dürfte sich der hohe Aufwand für die Fundamentaldatenanalysen positiv bemerkbar machen. Die MAE im 97,5%Quantil lagen je nach Anbieter sieben Tage zuvor zwischen 35 und 40 €/MWh und verringerten sich auf etwas über 25 €/MWh (mit Fundamentalanalyse) bzw. etwas über 35 €/MWh (ohne Fundamentalanalyse). Die Prognose mit der besten MCPVorhersage-Performance liegt einen Tag zuvor für 78 % der Jahresstunden im Bereich von +/- 10 €/MWh und für 5 % der Stunden bei >20 €/MWh absoluter Abweichung. Mit siebentägigen Horizont erzielt diese Prognose in 60 % der Stunden eine geringe Abweichung innerhalb +/- 10 €/MWh, wobei > 20 €/MWh absoluter Abweichung nur in 13 % der Stunden auftrat. Ergänzende Untersuchung im Jahr 2012: Seit Januar 2012 bietet das EEG mit der Marktprämie und der Flexibilitätsprämie den rechtlichen Rahmen und den finanziellen Anreiz für einen bedarfsorientierten Einsatz flexibilisierter Biogasanlagen. Spotpreisprognosen werden benötigt, um die täglichen Betriebsfahrpläne zu berechnen. Eine konkret auf den Anwendungsfall zugeschnittene Evaluationsmethode konnte anhand von Testzeitreihen dreier Prognoseanbieter über den Zeitraum 19.06. - 17.07.2012 erprobt werden. Hierzu wurde der bedarfsorientierte und betriebswirtschaftlich optimierte Fahrplanbetrieb einer beispielhaften Biogasanlage mit zu lieferndem Wärmeprofil simuliert und die Spotmarkterlöse je nach eingesetzter Spotpreisprognose miteinander verglichen. Bei vorheriger Kenntnis des 67 Markträumungspreises wären theoretisch 8.321 € an EPEX-Erlösen erzielt worden (Referenzwert), bei Verwendung der untersuchten Prognosen entsprechend -1,2 %, -1,5 % bzw. -5,5 % weniger. Die erlös- und kostenseitigen Unterschiede des je Preisprognose darstellbaren Fahrplanbetriebs lassen sich auf Basis der BHKWEinsatzzeitreihen (ursprüngliches BHKW plus Zusatz-BHKW mit höherem Wirkungsgrad) transparent analysieren. Fazit: Bereits mit zeitreihenbasierten statistischen Methoden lassen sich verwendbare Prognosen erzielen. Einen Qualitätssprung erreichen Spotpreisprognosen, wenn die Prognoseanbieter Fundamentaldatenanalysen durchführen. Grundsätzlich unterliegen Prognoseverfahren einer raschen Weiterentwicklung, sodass für spätere Jahre mit Anpassungen an aktuelle Entwicklungen in der Preisdynamik, aber auch insgesamt verbesserten Prognosegüten zu rechnen ist. Steigende Anforderungen an die Prognosemodelle ergeben sich aus dem zunehmenden Einfluss der Wind- und PV-Einspeisung, die nur begrenzt stundengenau für die Folgetage prognostizierbar ist und damit Prognosefehler herbeiführt. Spotpreisprognosen mit mehrtägigem Prognosehorizont dürften zukünftig zunehmend interessant werden, denn sie können für komplexe Energieanlagensysteme genutzt werden, die über größere Mehrtagesspeicher verfügen (Wärme-, Gas- oder Stromspeicher) und in der Lage sind, mehrtägige Windflauten auszugleichen bzw. Hochpreiszeiten am Spotmarkt gezielt zu nutzen. Je nach Anwendungsfall der Preisprognose können unterschiedliche Maßstäbe an die Prognosequalität zu stellen sein. Es zeigte sich, dass ergänzende Betriebssimulationen gut geeignet sind, um für den konkreten Anwendungsfall die Eignung bestimmter Preisprognosen zu überprüfen. Stromlastprognose Anwendungsfälle: In virtuellen Kraftwerken dienen Lastprognosen mit einem Prognosehorizont von wenigen Stunden bis zu mehreren Tagen sowohl der Umsetzung von Geschäftsmodellen zur Versorgung von Kunden mit deren Bedarfsprofil, als auch – in Verbindung mit Erzeugungsprognosen – zur Prognose der Residualen Last im Portfolio oder im Stromnetz. Beim RegModHarz-Feldtest ist der Stromverbrauch der Modellregion für die Stunden des Folgetages zu prognostizieren. Die Lastprognosewerte fließen in die Residuallastprognose der Modellregion ein, die wiederum Grundlage für die Berechnung der Preisstufen des dynamischen Stromtarifs der Feldtestkunden ist. Dies wird transparent auf der Marktplattform dargestellt. Anforderungen an die Lastprognose für den Einsatz im IKT-basierten VK Harz sind: Bereitstellung einer Folgetagsprognose und einer innertägigen Prognose, weitgehende Automatisierung, Prognosegüte entsprechend den Anwendungsfällen, 68 schnelle Rechenzeit bei Prognoseerstellung, Lernfähigkeit gegenüber strukturellen Veränderungen im Lastverlauf, systematische Analysierbarkeit von Prognose-fehlern aufgrund geringer Komplexität des Modells und kostengünstige und flexibel einsetzbare Lösungen. Umsetzung in RegModHarz: Es wurden eine Datenbank-Anwendung und eine Desktop-Anwendung eines autoregressiven Modells mit externen Variablen (ARX) entwickelt. Die Datenbank-Anwendung wird im Feldtest eingesetzt. Dabei fließen die in der Datenbank des virtuellen Kraftwerks erfassten Werte für den aktuellen Stromverbrauch ein. Die Desktop-Anwendung kann als Modul in die Software energyPRO mit eingebunden werden, um dem Anwender die Möglichkeit der Prognoseberechnung für zeitreihenbasierte Betriebssimulationen zu bieten. Übertragbarkeit des Modells: Eine konkrete Modellkalibrierung ist immer spezifisch für die getroffene Auswahl von Regressoren (Einflussgrößen) und für das Prognosegebiet, aus dem die Lastmessungen stammen. Für ein anderes Gebiet / eine andere Auswahl von Regressoren ist eine Neukalibrierung mit diesen Regressoren bzw. mit Lastmessungen aus diesem Gebiet erforderlich. Ergebnis / Qualität der Umsetzung: Das Lastprognosemodell kann nur den beschreibbaren Teil der Last prognostizieren, nicht aber zufällig auftretende Ereignisse, die nicht auf regelmäßigen Mustern basieren. Somit sind dem Lastprognosesystem Grenzen gesetzt, wenn es speziell darum geht, die Last weniger dominanter Abnehmer zu prognostizieren, ohne dass diese weitere Informationen zum Strombezug mitliefern. Die Prognosequalität unterscheidet sich je nach Netzgebiet: Innerhalb des Landkreises Harz ist sie für das Netzgebiet der Halberstadtwerke besser als für das der Stadtwerke Wernigerode und dort wiederum besser als für das der Quedlinburger Stadtwerke (Median des relativen Prognosefehlers jeweils für Prognosehorizont 1 Tag, Kalibrierungszeitraum 2006-2007, Prognosezeitraum 2008: Halberstadt 2,31 %, Wernigerode 2,40 %, Quedlinburg 2,62 %; 90%-Quantile entsprechend 6,32 %, 8,42 %, 8,76 %). Mit Abstand am besten ist die Prognosequalität jedoch für das Bundesgebiet als Ganzes (Median 1,57 %, 90%-Quantil 4,66 %). Dies ist nicht überraschend, da sich auf dieser Ebene viele lokale zufällige Einflüsse herausmitteln. Die Prognosefehler wachsen mit der Länge des Prognosehorizonts. Dieses Wachstum des Fehlers verlangsamt sich jedoch mit zunehmendem Prognosehorizont; für Prognosehorizonte von drei bis fünf Tagen unterscheidet sich die Verteilungsfunktion des Prognosefehlers kaum von der für zwei Tage. Auch bei innertägigen Prognosen wächst der Prognosefehler zunächst bei kurzen Prognosehorizonten recht rasch und dann allmählich nur noch langsam an. Innertägige Prog69 nosen sind in jedem Fall besser als mehrtägige. Dies entspricht insofern den Erwartungen, da bei innertägigen Prognosen im Rahmen der Autoregression zusätzlich auf aktuellere Daten zurückgegriffen werden kann. Zusätzlich wird eine Abschätzung des Prognosefehlers angegeben, wobei ein Konfidenzniveau von 90 % oder 95 % gewählt werden kann. Sie beruht auf einer nach unterschiedlichen Zeiträumen differenzierten Analyse des Prognosefehlers im Kalibrierungszeitraum. Grundsätzlich ist jedoch zu betonen, dass keine präzise Vorhersage des Prognosefehlers möglich ist, da prinzipiell keine deterministische Aussage über die zukünftige Entwicklung der vielfältigen Faktoren möglich ist, die den zeitlichen Verlauf der Last beeinflussen. Wärmebedarfsprognose Anwendungsfall in RegModHarz: Eine Wärmelastprognose wird benötigt, um den Wärmebedarf einer Verbrauchergruppe für die nächsten Tage abzuschätzen. So kann eine bedarfsgerechte Erzeugung und Lieferung von Wärme oder Gas zur Wärmebereitung gewährleistet werden. Im virtuellen Kraftwerk werden Wärmeprognosen für die Kopplung der Versorgungssysteme von Strom und Wärme benötigt, um einen optimierten stromorientierten Betrieb zu ermöglichen. Ein gekoppeltes Versorgungssystem bietet nicht nur hohe Effizienzpotenziale, sondern dient zudem der Integration der fluktuierend einspeisenden erneuerbaren Energien. Werden Wärmespeicher und Wärmebedarfsprognosen eingesetzt, können flexibel steuerbare Anlagen im gekoppelten Strom-/Wärmesystem – etwa BHKW, elektrische Boiler, Gaskessel – stromorientiert gefahren werden und die raschen Wechsel in den Leistungsgradienten der fluktuierenden Stromerzeuger bedarfsorientiert ausgleichen. Da gezielt Hochpreiszeiten für die Stromeinspeisung genutzt werden können, dient die Wärmeprognose somit der wirtschaftlichen Optimierung des Betriebs. Für den Einsatz in RegModHarz wurde ein flexibles und schnelles Verfahren für eine Abschätzung des Wärmebedarfs mit der Auflösung einer Stunde benötigt, das die Temperaturprognose, Wärmelastgänge, Feiertage und den Wochenverlauf berücksichtigt. Umsetzung in RegModHarz: Die Modellierung erfolgte auf Basis der in der kommunalen Versorgungsplanung anerkannten Standardlastprofilmethode nach BGW/VKU. Die Abschätzung des jährlichen Gesamtwärmebedarfs der Modellregion erfolgte im Rahmen einer Diplomarbeit. Dabei wurden die regionalen klimatischen Rahmenbedingungen, Bevölkerungs- und Gebäudestruktur, charakteristischen Verbräuche der unterschiedlichen Verbrauchergruppen sowie Branchenzugehörigkeiten von Gewerbe- und Industriebetrieben berücksichtigt. 70 Qualität der Ausgabewerte: Die Genauigkeit der Wärmebedarfsprognose ist abhängig von der Qualität der Eingabedaten (Jahresbedarf und Kundengruppeneinordnung). Da thermische Systeme – besonders bei Einsatz von Wärmespeichern – träge sind, sind Abweichungen im stündlichen Bereich unkritisch. Ein direkter Vergleich von der Prognose und den Ist-Daten wurde nicht durchgeführt, da IstDaten nicht vorlagen. Bei der Anwendung im Realbetrieb fließen von den Betreibern von Wärmeversorgungssystemen historische Wärmelastprofile ein, die eine Optimierung und Justierung der Prognose ermöglichen. 4.2.2 Wind- und PV-Leistungsprognosen Anwendungsfälle in RegModHarz Für die Energieproduktion aus Wind und Sonne können keine Fahrpläne erstellt werden. Für die Vermarktung fluktuierender erneuerbarer Energien muss deshalb auf Prognosen zurückgegriffen werden. Dazu werden prognostizierte Wetterdaten unter Berücksichtigung der Anlagenparameter der Windturbinen bzw. PV-Anlagen in Leistungsdaten umgerechnet. Es liegt in der Natur solcher Prognosen, dass sie mit kürzerem zeitlichem Prognosehorizont besser werden. Das kann bei der Vermarktung auf verschiedene Weise berücksichtigt werden, z.B. durch eine mehrstufige Vermarktung auf dem Day-Ahead und Intraday-Markt. Auch beim Energiemanagement kann versucht werden, den Prognosefehler durch kurzfristig steuerbare Anlagen zu minimieren. Prognosen werden besser, je großräumiger die zu prognostizierenden Anlagen verteilt sind. Das stellt eine besondere Herausforderung dar, da wir uns auf die Betrachtung der im LK Harz vorhandenen Anlagen beschränken. Basierend auf historischen Prognosedaten und Messdaten wurden für die Windleistungsprognose bereits vorhandene Prognosemodelle weiterentwickelt und angepasst und seitens der Solarprognose ein neues Modell entwickelt. Die für verschiedenen Simulationen ebenfalls notwendigen Ist-Zeitreihen wurden ebenfalls erstellt. Datengrundlage Anlagendaten: Im Rahmen des Projekts wurde eine Erzeugerliste (s. Kapitel 4.3) erstellt, in der sämtliche Erzeugungsanlagen, die sich im Landkreis Harz im Jahre 2008 befunden haben, enthalten sind. Insgesamt befanden sich 2008 Windenergieanlagen mit einer installierten Leistung von 150,57 MW und PV-Anlagen mit einer installierten Leistung von 10,36 MW im LK Harz 71 Abbildung 27: Geografische Verteilung der Windkraftanlagen (links) und der PV-Anlagen (rechts) im LK Harz. Bei PV-Anlagen mit mehr als 30 kW wurde die installierte Leistung mit dargestellt. (Stand 2008) (Quelle: https://maps.google.de/) Leistungsmessdaten: Es standen Leistungsmessdaten für die zwei Windparks Druiberg (ab 01.01.2006) und Schwanebeck (ab 01.01.2007) zur Verfügung. Dabei handelte es sich jeweils um Zählerdaten und SCADA-Daten. Erstere wurden für die Ist-Zeitreihen, letztere für die Prognosen verwendet. Die Einspeisezeitreihen der anderen Windparks wurden mithilfe eines Hochrechnungsalgorithmus erzeugt. Um die Datenqualität zu erhöhen, wurden die Leistungsdaten auf folgende unplausible Daten untersucht: Grenzüberschreitung von Leistungswerten Längerer Leistungsausfall Signalhänger Leistungsüberschuss bei niedrigen Windgeschwindigkeiten Leistungsdefizit bei hohen Windgeschwindigkeiten Als unplausibel erkannte Daten wurden manuell entfernt. Für die Erstellung der Mess- bzw. Ist- Einspeisezeitreihen der Photovoltaik konnten keine, bzw. nicht in ausreichender Menge, historischen Messdaten akquiriert werden. Deshalb war es notwendig die Ist-Werte zusätzlich zu den Vorhersagewerten zu simulieren. Entsprechend wurde eine unterschiedliche meteorologische Datenbasis für die Ist– und Vorhersagewetterlage für die Koordinaten des Landkreises Harz benötigt. 72 Meteorologische Daten: Die für die Windleistungsvorhersage notwendigen prognostizierten meteorologischen Parameter wurden von den numerischen Wetterprognosen des Deutschen Wetterdienst (DWD) bezogen und für die Koordinaten des Landkreises Harz extrahiert. Dabei handelt es sich um Wetterprognosen der Wettermodelle COSMO-EU und COSMO-DE. Für die Prognose der eingespeisten Windleistung werden die Vorhersagen des Wettermodells verwendet, die mit dem aktuellsten Modelllauf des Wettermodells vorliegen. Verwendet werden die Windgeschwindigkeiten und Windrichtungen auf verschiedenen Höhen, die Lufttemperatur, die Luftfeuchtigkeit und der Luftdruck auf Bodenniveau. Als Datenbasis für die Ist– Werte der PV-Einspeisung wurden die von SODA zur Verfügung gestellten Globalstrahlungsdaten (SODA, 2009) verwendet, die aus Satellitenbildern von dem Satellit METEOSAT mit dem Verfahren Helioclim-3 (Rigollier, 2004) berechnet wurden. Für die Simulation wurden Daten mit einer räumlichen Auflösung von circa 7 km x 7 km (Gitter des Cosmo-EU Modells des DWD) verwendet. Für die PV–Prognosewerte wird die Einstrahlung auf Basis der kurzwelligen Bilanzstrahlungsprognose des DWD und einer Abschätzung des Boden-Albedo berechnet. Zur Berücksichtigung des temperaturabhängigen Wirkungsgrads von PV-Modulen (Halbleiter) werden Temperaturprognosewerte des Deutschen Wetterdienstes aus dem Cosmo-EU-Modell sowie Temperaturreanalysewerte verwendet. Prognosemodelle Die Windleistungsprognosen wurden am IWES mit Modellen basierend auf künstlichen neuronalen Netzen (KNN) erstellt. Eine Beschreibung dieser Modelle ist in zu finden (Biermann et al., 2005). Es wird dabei zwischen Folgetags- und Kurzfristprognosen unterschieden. Folgetagsprognose: Windleistungsprognose für den folgenden Tag von 0:00 bis 23:00 Uhr. Als Wettermodell wird das COSMO-EU Modell verwendet. In Abbildung 28 ist der Prozessablauf zur Erstellung einer Folgetagsprognose schematisch dargestellt. 73 Abbildung 28: Prozessablauf bei der Erstellung der Windleistungsprognose aus der Wetterprognose für den Folgetag Kurzfristprognose: Windleistungsprognose für die folgenden 1 - 8 Stunden. Wird die Prognose z.B. um 0:00 Uhr erstellt wird die eingespeiste Windleistung für 1:00, 2:00,…,8:00 Uhr prognostiziert. Als Wettermodell wird das COSMO-DE Modell verwendet. In Abbildung 29 ist der Prozessablauf zur Erstellung einer Kurzfristprognose schematisch dargestellt. Abbildung 29: Prozessablauf bei der Erstellung der kurzfristigen Windleistungsprognose aus der Wetterprognose Die Berechnung der Windleistungsprognosen wird datengetrieben durchgeführt. Sobald neue Eingangsparameter für das Prognosemodell verfügbar sind, werden die neuen Windleistungsprognosen bestimmt. Damit werden die Folgetagsprognose mit jedem neuen Modelllauf der Wetterprognose und die Kurzfristprognose zusätzlich noch mit jeder neuen Windleistungsmessung neu berechnet. Die PV-Leistungsprognose beruht auf physikalischen bzw. empirischen Modellen für: 74 die PV Umrechnung auf die Modulebene dem PV Modul dem Wechselrichter den verschiedenen Verlusten der Anlage (DC Kabel, AC Kabel, Verschmutzung…) Als Eingangsdaten werden die globale horizontale Einstrahlung Gh(t), die diffuse horizontale Einstrahlung Gdh(t), und die Außentemperatur Tamb(t) verwendet. Die diffuse horizontale Einstrahlung wird auf Basis der globalen horizontalen Einstrahlung und der extraterrestrischen Einstrahlung mit dem Skartveit-Olseth (Skartveit, 1998) Verfahren ermittelt. Die Schritte der Berechnung sind in der folgenden Abbildung schematisch dargestellt. Abbildung 30: Verfahren zur Generierung der PV-Zeitreihen Damit kann die Einstrahlung auf die Modulebene Gt(t) mit dem Perez-Modell (Perez, 1987) ermittelt werden (Block IRRAD). Mit dieser Einstrahlung sowie der Außentemperatur werden die PV Module mit dem HGB Modell (Beyer, 1998) simuliert (Block PVGEN), woraus sich die Gleichstromleistung PDC (t) der PV Anlage ergibt. Im letzten Schritt wird die Wechselstromleistung PAC(t) mit dem Schmidt-Sauer Modell berechnet (Schmidt, 1996). Die PV-Modul-Verschmutzung und -Abschattung, Kabel-Verluste und andere Verluste werden durch einen Abschlag berücksichtigt. Ergebnisse und Bewertung Die Windleistungsprognose basiert auf der Windparkprognose für die Referenzwindparks Druiberg und Schwanebeck mit der anschließenden Hochrechnung auf die unbekannten Windparks. Für die Prognose wird das Modell für die Folgetagsprognose und die Kurzfristprognose basierend auf künstlichen neuronalen Netzen verwendet. Die Hochrechnung wird mit einem Modell basierend auf der Jahresenergie durchgeführt. 75 Bei der Kurzristprognose ist zwischen der Verfahrensweise Simulations- und Produktivbetrieb zu unterscheiden. Die Kurzfristprognose benötigt zeitnahe Windleistungsmessungen. Diese liegen als historische Zeitreihen für die Simulationsszenarien vor. Im produktiven Betrieb werden nur Windleistungsmessungen für den Windpark Druiberg erfasst. Daher basieren die produktiven Kurzfristprognosen für den Landkreis Harz ausschließlich auf dem Referenzpark Druiberg. Abbildung 31 zeigt beispielhaft den Verlauf der Folgetagsprognose und der Kurzfristprognose mit einer Stunde Prognosehorizont für alle Windparks des LK Harz. Eine Ergebnisübersicht über die Windprognosen befindet sich im Anhang (Abbildung 98 und Abbildung 99), Die wichtigsten Gütewerte sind in Tabelle 4 zusammengefasst. Folgetagsprognose Installierte Kapazität RMSE nRMSE MAE nMAE Korrelationskoeffizient Kurzfristprognose 1h 172,81 MW 172,81 MW 26,81 MW 16,53 MW 15,51% 9,56% 18,21 MW 10,83 MW 10,53% 6,27% 0 ,834 0,948 Tabelle 4: Gütewerte der Windleistungsprognose des Landkreises Harz für die Folgetagsprognose und die Kurzfristprognose mit einem Prognosehorizont von einer Stunde 76 Abbildung 31: Beispiel der Folgetagsprognose (grün) und der Kurzfristprognose mit einem Prognosehorizont von einer Stunde (rot) für die Windleistungsprognose im Vergleich zur eingetretenen Windleistung (blau) Der Prognosefehler der Windleistungsprognose für ein so kleines Gebiet wie den LK Harz ist relativ groß im Vergleich mit der Prognose für Deutschland, bei der der RMSE für die Folgetagsprognose bei circa 5 % liegt (Lange, 2011). Bei der Vermarktung von regionaler Windenergie kann dies, im Vergleich mit einem Portfolio dessen Windparks über Deutschland verteilt sind, zu erheblichen Nachteilen führen. Eine Verbesserung der Prognosen für einzelne Windparks ist daher sinnvoll. Darüber hinaus ist zu erkennen, dass die Prognosen mit einem Horizont von einer Stunde deutlich besser sind, als die für den Folgetag. Damit können die Auswirkungen von Prognosefehlern beim Handel am Day-Ahead-Spotmarkt durch den Handel auf dem Intraday-Markt verkleinert werden. Aus den Einstrahlungsdaten, basierend auf METEOSAT-Satellitenbildern und den Temperaturdaten aus den Reanalysedaten des DWD, wurden die Ist-Werte der PVEinspeisung simuliert. Im zweiten Lauf wurden dann aus diesen Daten und den Cosmo-EU Daten des DWD die PV-Prognosezeitreihen erstellt. Der Verlauf dieser beiden Zeitreihen ist beispielhaft in Abbildung 32 für den LK Harz dargestellt. Die Ta77 belle 5 zeigt eine Übersicht über die wichtigsten Gütewerte der PV-Prognose für den LK Harz und zwei Einzelanlagen. 10.357 kWp PV Anlage Halberstadt 3.800 kWp PV Anlage Dardesheim 132,24 kWp 841,94 k<Wp 354,50 kWp 12,01 kWp 8,13 % 9,33 % 9,09 % -8,47 kWp -1,20 kWp -0,033 kWp -0,082 % 0,032 % 0,025 % 0,898 0,877 0,877 Landkreis Harz Installierte Kapazität RMSE nRMSE MAE nMAE Korrelationskoeffizient Tabelle 5: Fehlerabschätzung der Prognose und Ist–Werte für die PV–Einspeisung des Landkreises Harz und der beiden Anlagen in Dardesheim und Halberstadt Es ist zu erkennen, dass die PV-Prognose für den gesamten LK Harz besser ist, als die für einzelne Anlagen. Dies ist ebenfalls auf räumliche Ausgleichseffekte zurückzuführen. Zum Beispiel wirkt sich der Durchzug einer Wolke stärker auf eine einzelne Anlage aus, als auf die Gesamtheit aller Anlagen im LK Harz. 78 Die PV-Prognosen sind deutlich besser als die Windprognosen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass dies zum Teil darauf zurückzuführen ist, dass die PV-Prognosen für die Nacht immer korrekt sind. Tagsüber können durchaus große absolute Fehler auftreten. Abbildung 32: Darstellung der Ist- und Prognosezeitreihen der PV–Einspeisung des Landkreises Harz vom 10. – 20. Februar 2008 4.3 Szenarien Für RegModHarz wurden Leitszenarien erarbeitet, um den fachübergreifenden Forschungsarbeiten einen einheitlichen Rahmen zu geben und Kompatibilität der Forschungsergebnisse zu ermöglichen. Im Rahmen von Simulationsrechnungen wurden Analysen zur energieeffizienten und wirtschaftlich optimierten Betriebsführung von Energieanlagen, zu Stromvermarktungsstrategien und zur Auslastung des Stromnetzes durchgeführt. Definition der Leitszenarien, Parameter und angenommenen Werte Es wurde eine Auswahl an Szenarien getroffen, die es ermöglicht, Wege in Richtung einer 100%-EE-Versorgung zu skizzieren: Leitszenario 1: Referenzsituation im Jahr 2008 Leitszenario 2: EE-Ausbauszenario für das Jahr 2020 Leitszenario 3: Szenario einer 100%-Versorgung mit erneuerbaren Energien (EE) 79 Diese drei Szenarien unterscheiden sich wesentlich in der installierten Wind- und PV-Leistung. Abbildung 33: installierte Wind- und PV-Leistung in den RegModHarz-Leitszenarien In einem Nachschlagedokument (im folgenden „Leitszenariendokument“) sind die Werte der relevanten Parameter mit den zugehörigen Annahmen, Herleitungen und differenzierteren Einzelwerten dokumentiert. Die vollständige Datenbasis für die Simulationen besteht im Verbund mit einer Erzeugungsanlagenliste und einem Paket an Viertelstundenzeitreihen. Die Erzeugungsanlagenliste enthält alle EEG- und KWKG-Erzeugungsanlagen in der Modellregion mit technischen Daten, Anlagenstandorten und vergütungsrelevanten Informationen. Bei den Viertelstundenzeitreihen handelt es sich um Erzeugungszeitreihen, Lastzeitreihen (Netto- und Bruttostromverbrauch) und Preiszeitreihen. Dabei liegen Ist-Zeitreihen, Zeitreihen der Folgetagsprognosen und teilweise innertägige Prognosen vor. Parameter sind: (1) Installierte Leistung und Stromerzeugung erneuerbare Energien; (2) Installierte Leistung und Stromerzeugung KWK und Biomasse; (3) Nettostromerzeugung; (4) Strom- und Gaspreise (Großhandel und Endkunden); (5) Nettostromverbrauch; (6) Jahreshöchstlast; (7) Speicherpotenzial; (8) Lastverlagerungspotenzial; (9) Erzeugungsverlagerungspotenzial; (10) Marktdurchdringung Smart Meter; (11) Marktdurchdringung E-Kfz; (12) Bevölkerungsstruktur der Modellregion; (13) Netzausbau; (14) IKT-Ausbau; (15) Konventioneller Kraftwerkspark sowie (16) Lufttemperatur/Klima. Sämtliche Werte beziehen sich auf die Modellregion Harz, die anhand der politischen Kreisgrenzen des Landkreises Harz im Jahr 2008 definiert wurde. Die Parameterwerte stellen Annahmen dar und sind nicht mit Prognosen über eine zukünftige Entwicklung zu verwechseln. 80 Leitszenario 1 basiert auf Erhebungen und Schätzungen zur Ist-Situation im Jahr 2008. Für Leitszenario 2 (Jahr 2020) wurde je Parameter jeweils ein Wert zugrunde gelegt, der eine als realistisch einzuschätzende Annahme darstellt. Das Leitszenario 3 stellt eine Vision für eine 100%-EE-Stromversorgung dar und baut auf weitreichenden Annahmen für eine mögliche Energieversorgungssituation auf. Die in den Szenarien installierten Leistungen und erzeugten Strommengen sind in Tabelle 6 und Tabelle 7 zusammengefasst. Leitszenario Szenario 1 Szenario 2 Szenario 3 (100%-EE) 20XX Jahr Wind 2008 2020 Teilszenario A Teilszenario B 151 MW 248 MW 630 MW 630 MW 10 MW 90 MW 708 MW 708 MW 7 MW 9 MW 9 MW 9 MW 10 MW 20 MW 26 MW* 26 MW* Biogas/-masse aus Gasnetz - - 177 MW ** 155 MW *** Fossiles/EE Methan 14 MW (fossil) 23 MW (fossil) - 336 MW **** PV Wasser Biogas/-masse Vor-Ort-Verstromung Tabelle 6: Installierte Leistungen des Kraftwerksparks für die untersuchten Szenarien 81 Leitszenario Szenario 1 Szenario 2 Szenario 3 (100%-EE ) 20XX Jahr 2008 Wind 2020 Teilszenario A Teilszenario B 311 GWh 620 GWh 1.404 GWh 1.404 GWh PV 10 GWh 97 GWh 671 GWh 671 GWh Wasser 22 GWh 29 GWh 27 GWh 27 GWh Biogas/-masse Vor-Ort-Verstromung 41 GWh 99 GWh 113 GWh* 113 GWh* Biogas/-masse aus Gasnetz - - 704 GWh** 418 GWh*** Fossiles/EE-Methan 84 GWh (fossil) 108 GWh (fossil) - 908 GWh**** Tabelle 7: Erzeugte Strommengen des Kraftwerksparks für die untersuchten Szenarien * aus Anlagen kleiner 500 kW Bemessungsleistung mit flexibilisierter Verstro- mung vor Ort (verdoppelte Erzeugungsleistung mit Volllaststundenzahl von ca. 4.350 h/a) ** KWK aus unflexiblem Betrieb (Volllaststundenzahl von ca. 4.000 h/a) mit Bi- omethan. Davon 418 GWh aus der Modellregion (Begrenzung durch Biomassepotenziale). *** KWK aus flexiblem Betrieb (Volllaststundenzahl von 2.700 h/a) mit Biome- than aus der Modellregion **** KWK aus flexiblem Betrieb mit EE-Methan (Volllaststundenzahl von 2.700 h/a), weil bei einem KWK-Anteil wie in der UBA-Studie die erforderliche KWKLeistung 491 MW beträgt (Vgl. (Megersa, 2012)) und bei einem für Teilszenario B angenommenem Potenzial an Biomethan von 155 MW der Rest durch EE-Methan bereitgestellt werden muss. Differenzierter Blick auf Leitszenario 1 (Jahr 2008) Die Stromerzeugung in der Modellregion betrug in Summe 470 GWh (vgl. Tabelle 7). Dies entspricht auf das Jahr bezogen rund 36 % des Stromverbrauchs von 1.300 GWh. Erneuerbar erzeugter Strom deckte 28 % des Stromverbrauchs, wobei Windund Solarenergie einen Anteil von 69 % an der Gesamterzeugung hatten 82 Der Stromverbrauch der Modellregion wurde für das Jahr 2008, inklusive Netzverlusten, auf 1.300 GWh beziffert – ohne den Industrieverbrauch aus Eigenerzeugung. Die Netzlast des Bruttostromverbrauchs (Nettostromverbrauch + Netzverluste) bewegte sich zwischen 65 MW und 221 MW. In über 90 % aller Viertelstunden waren Stromimporte in die Modellregion erforderlich. Der Bedarf an Stromimporten lag in der Jahressumme bei 850 GWh, exportiert wurden 20 GWh Strom. Die Stromexporte beziffern sich auf 4,5 % der Stromerzeugung. In knapp 8 % aller Viertelstunden des Jahres 2008 – dies entspricht der Dauer eines Monats – wurde im Landkreis Harz bereits mindestens so viel Strom erzeugt wie verbraucht. Allein die Einspeisung aus Wind- und Sonnenenergie deckte den Stromverbrauch in knapp 5 % der Viertelstunden. Die Häufigkeitsverteilung der Residuallast der Modellregion (hier berechnet als Leistungsdifferenz aus Bruttostromverbrauch minus Gesamterzeugung) macht deutlich, dass bereits im Jahr 2008 die maximale Überschussleistung mit 100 MW einen knapp halb so hohen Betrag aufwies, wie die Jahreshöchstlast von 221 MW. Abbildung 34: Strombilanz und Residuallast im Landkreis Harz für Leitszenario 1 Differenzierter Blick auf Leitszenario 2 (Ausbauszenario bis 2020) Auf eine nähere Beschreibung für das Leitszenario 2 wird an dieser Stelle verzichtet, weil hierauf im Abschnitt 4.6.1 sowie 5.2 näher eingegangen wird. Deshalb werden in diesem Abschnitt nur die Strombilanz und die Häufigkeitsverteilung der Residuallast veranschaulicht. 83 Abbildung 35:Strombilanz und Residuallast im Landkreis Harz für Leitszenario 2 Differenzierter Blick auf Leitszenario 3 (100% erneuerbare Energien) Dem 100 %-EE-Szenario wurde bewusst keine Jahreszahl in der Zukunft zugeordnet, da es eines unter vielen denkbaren Szenarien für eine 100%-EE Stromversorgung darstellt und weder mit einer Prognose, noch mit einer Zielvorgabe verbunden ist. Im Rahmen der Szenariodefinition wurden vereinfachte Annahmen getroffen. Der Ausbau von IKT und Smart Meter wird als flächendeckend und dynamische Tarife als Standard angenommen. Der Wärmebedarf und die Bevölkerungszahl entsprechen denen für Leitszenario 2 (vgl. Tabelle 36 im Anhang). Für den jährlichen Strombedarf wird das gleiche Niveau wie im Jahr 2008 angenommen. Dieses beträgt circa 1.300 GWh/a. Es wird berücksichtigt, dass der herkömmliche Stromverbrauch aufgrund von Effizienzsteigerungen abnimmt. Aufgrund von neuen Verbrauchern, wie z.B. durch den vermehrten Einsatz von elektrischen Wärmepumpen und Kältemaschinen, wird die Effizienzsteigerung kompensiert. Für eine Stromversorgung mit 100% erneuerbaren Energien werden zwei theoretische Fälle unterschieden: Eine 100%-EE-Stromversorgung als Inselsystem (leistungsautark) und mit Einbindung in das bundesweite Übertragungsnetz (energieautark). Durch die Einbindung in das Übertragungsnetz wird zum einen der überregionale räumliche Ausgleich der fluktuierenden Wind- und PV-Einspeisung ermöglicht, zum anderen wird das Flächenpotenzial der ländlich geprägten Modellregion genutzt, um Ballungsräume mitzuversorgen. Auch bedarfsgerechte Stromimporte aus den speziellen Potenzialen anderer Regionen werden möglich. Aus diesem Grund wird nur die energieautarke Versorgung näher beleuchtet. Die Definition des Erzeugungsmix erfolgte in Anlehnung an die UBA-Studie (UBA & IWES, 2010). Grundlage für die Simulation war das Wetterjahr 2008. Dabei wurden die technischen Potenziale der Energieträger (vgl. Kapitel 4.1) herangezogen. Die in der UBA-Studie für die BRD angenommene installierte Leistung je erneuerbarer Energiequelle wurde zur Skalierung auf die Modellregion mit einem Flächenbezugs84 faktor von 0,59 % multipliziert, sofern die flächenskalierte Leistung das technische Potenzial nicht überschritt (vgl. Tabelle 33 im Anhang). Die installierte Leistung der Windenergie konnte flexibel so weit nach oben justiert werden, bis die zu erzeugende Jahresstrommenge durch den Erzeugungsmix in der Modellregion gedeckt wurde. Für die zu erzeugende Jahresstrommenge wurde festgelegt, dass sich die Modellregion anteilig an der Bereitstellung des jährlichen Gesamtstrom-verbrauchs der BRD beteiligt. Dazu wurde der ENTSO-E Wert für den Nettostromverbrauch der BRD in 2008 mit dem Flächenbezugsfaktor multipliziert, was eine zu erzeugende Jahresstrommenge von 2.920 GWh/a ergibt. Somit erzeugt die Modellregion das 2,25–fache des eigenen Jahresstrombedarfs. Aufbauend auf diesen Annahmen wurde in einem ersten Schritt das Teilszenario A entwickelt. In diesem Teilszenario A werden noch keine Speicher berücksichtigt. Des Weiteren werden die flexiblen Biogas- und KWK-Anlagen nach der bundesweiten Residuallast als Führungsgröße betrieben. Teilszenario A wurde von der Universität Magdeburg auf Netzverträglichkeit hin untersucht. Im Projektverlauf sind auf Grundlage zusätzlicher Überlegungen erweiterte Annahmen getroffen worden, die es ermöglichen den jeweils aktuellen Kenntnisstand zu nutzen, um die genannten Parameterwerte zu variieren und ein 100%-Szenario mit besserer Umsetzbarkeit zu entwickeln (Teilszenario B). Bei einer 100%-EE-Stromversorgung ist es zur möglichst effizienten Nutzung von EE-Strom erforderlich, die Stromversorgung nicht isoliert zu betrachten, sondern Verknüpfungen mit den anderen Verbrauchssektoren zu nutzen. Dadurch kann auch die erforderliche Flexibilität des Stromversorgungssystems gesteigert werden. Bei einer Vernetzung der Infrastrukturen kann das energiewirtschaftliche Potenzial von Erzeugungs- und Lastmanagement (im Folgenden: Energiemanagement) und des Gasnetzes als Stromspeicher (hier: Power-to-Gas) besser ausgeschöpft werden. Eine mögliche Vernetzung der Infrastrukturen wird in Abbildung 36 veranschaulicht. 85 Abbildung 36: Vernetzung der Infrastrukturen Aufbauend auf den beschriebenen erweiterten Annahmen wurde Teilszenario B entwickelt. Hierbei wurde die Stromversorgung mit der thermischen Energieversorgung gekoppelt und der Einfluss eines Energiemanagements untersucht. Das Energiemanagement kann vor allem zur Glättung des Residuallastverlaufs (Zeitreihe der noch zu deckenden Bedarfsleistung) eingesetzt werden, in dem flexible Erzeuger möglichst zu Zeiten mit hoher Residuallast und flexible Lasten zu Zeiten mit niedriger oder negativer Residuallast eingesetzt werden. Hierdurch wird der Bedarf an Strom aus teuren Spitzenlastkraftwerken/Stromspeichern oder der Import von Strom aus anderen Regionen reduziert. Für das Energiemanagement wird in diesem Zusammenhang vor allem ein verstärkter Ausbau von thermischen Speichern (sowohl Wärme- als auch Kältespeicher) angenommen. Bei den Simulationen der KWKAnlagen und Wärmepumpen wurden Wärmespeicher mit sechs Stunden sowie Kältespeicher mit zwei Stunden Speicherkapazität angenommen. Wärmespeicher dienen einer Entkopplung des Stromverbrauchs der Wärmepumpen sowie der Stromerzeugung in KWK-Anlagen vom Wärmebedarf und damit einer Flexibilisierung des Stromversorgungssystems. Kältespeicher dienen in der Kühlperiode dazu, den Strombedarf für die Klimatisierung zeitlich vom Klimatisierungsbedarf zu entkoppeln und bieten somit ein weiteres Lastverschiebepotenzial. Der Einsatz von Wärmespeichern ermöglicht neben der bedarfsgerechten Erzeugung auch eine Reduzierung der teillastbedingten Laufzeitrestriktionen von KWK-Anlagen. Diese Restriktionen können durch Zwischenspeicherung der nicht direkt gebrauchten Wärme aus KWK-Anlagen umgangen werden, wodurch die KWK-Anlagen stromgeführt betrieben werden können. Hierdurch wird die jährliche Stromerzeugung aus KWKAnlagen im Vergleich zum Betrieb ohne Wärmespeicher erhöht. 86 Neben dem Energiemanagement sind Stromspeicher zur Bedarfsdeckung und Flexibilisierung des Stromversorgungsystems unumgänglich. Diese werden in unterschiedlicher Leistung und Speicherkapazität benötigt. Es gibt eine Vielzahl von Speichertechnologien, die für die unterschiedlichen energiewirtschaftlichen Einsatzgebiete Vor- und Nachteile besitzen (vgl. (Sauer, 2006)). Im Rahmen des Forschungsprojektes soll eine Übertragbarkeit auf andere Regionen gewahrt werden, sodass auch die untersuchten Speichertechnologien, etwa hinsichtlich ihrer Potenziale, für eine Übertragbarkeit geeignet sein müssen. In dem Szenario wird die elektrochemische Stromspeicherung in Form von erneuerbarem Methan (Power-toGas) aus Wind- und PV-Erzeugungsspitzen als geeignete Form zur Stromspeicherung betrachtet. Das Gas wird ins Gasnetz eingespeichert und in dezentralen KWKAnlagen und GUD-Kraftwerken rückverstromt. Diese Form der Stromspeicherung ist etwa zum Ausgleich von längeren Windflauten geeignet. Der Einsatz von Stromspeichern und die Ermittlung des Speicherbedarfs in der Modellregion erfolgen in Abhängigkeit der Strombilanz bzw. der Residuallast. Diese entspricht der Differenz zwischen Last und fluktuierender/dezentraler Erzeugung in der Modellregion. Zur Veranschaulichung des Einflusses von Energiemanagement auf den Stromspeicherbedarf wird die Strombilanz und die Häufigkeitsverteilung der Residuallast der Modellregion für Teilszenario A und B in Abbildung 37 und Abbildung 38 veranschaulicht. Abbildung 37: Strombilanz und Häufigkeit der Residuallast im Landkreis Harz für Teilszenario A Abbildung 38: Strombilanz und Häufigkeit der Residuallast im Landkreis Harz für Teilszenario B 87 Wie in Abbildung 37 und Abbildung 38 im Vergleich zu erkennen ist, wird durch das Energiemanagement der notwendige Import aus anderen Regionen oder aus Stromspeichern von 190 GWh auf 70 GWh reduziert. Hierbei wirkt sich vor allem die um circa 80 % erhöhte Stromerzeugung aus KWK-Anlagen positiv auf die Defizitmenge bzw. Importstrommenge aus, weil durch die thermischen Pufferspeicher auch in Zeiten mit sehr geringem Wärmebedarf Energie (Strom und Wärme) erzeugt werden kann. Weiterhin ist in den Abbildungen zu erkennen, dass sich durch das Energiemanagement die Überschüsse erhöhen. Diese können entweder exportiert, gespeichert oder – bei Netzengpässen – abgeregelt werden. Aufgrund der angestiegenen Überschussmenge steigt auch die erforderliche Stromspeicher- und Netzkapazität, wenn die Überschüsse durch Speicherung oder Export nutzbar gemacht werden sollen. Vorteilhaft ist eine Stromspeicherung in Form von aus Überschussstrom erzeugtem Methan im Erdgasnetz, das eine fast unbegrenzte Speicherkapazität aufweist. Hierdurch kann mehr Brennstoff für die flexible Rückverstromung in KWK-Anlagen und Gaskraftwerken bereitgestellt werden. Als weiterer Nebeneffekt ist noch zu erwähnen, dass durch die gestiegenen Überschüsse durch die Kopplung von Stromversorgung und thermischer Versorgung auch die Volllaststunden der Elektrolyseure zunehmen und diese sich somit schneller refinanzieren. Die Ermittlung des Bedarfs an „Power-to-Gas“ (Leistung und Speicherkapazität) bei einer energieautarken 100%-EE-Versorgung erfolgte mit dem Ziel, die in der Modellregion entstehenden Überschüsse aufzunehmen und zu einem späteren Zeitpunkt nutzbar zu machen, sofern Ex- und Importmöglichkeiten ausgeschöpft sind (hier nicht aus Gründen der Netzkapazität, sondern aus Gründen der Konstellationen von Stromerzeugung und Strombedarf in Modellregion und BRD). Nachdem der Strombedarf anderer Regionen durch den Export elektrischer Energie gedeckt ist, gilt als Führungsgröße für die Einspeicherung der Energie der Jahresverlauf der negativen Residuallast der Modellregion. Für die Ausspeicherung ist hingegen der Jahresverlauf der positiven Residuallast der Modellregion nach dem Import die Führungsgröße, weil es energiewirtschaftlich sinnvoller ist Überschüsse aus anderer Region zu beziehen, bevor Stromspeicher eingesetzt werden. Die Ausspeicherleistung entspricht hierbei der im Jahresverlauf maximal auftretenden Leistungsspitze der positiven Residuallast. Die mindestens erforderliche Ausspeicherkapazität ergibt sich aus dem Maximum der hintereinander auftretenden Stunden mit Defiziten und der sich hieraus ergebenden Defizitmenge. Die Einspeicherleistung und die Einspeicherkapazität lassen sich nach der gleichen Methodik anhand des Verlaufs der negativen Residuallast ermitteln. Unter diesen Annahmen und bei der in (Megersa, 2012) näher beschriebenen Regelung für den Einsatz von Stromspeichern ergibt 88 sich der in Tabelle 8 zusammengestellte Bedarf an der Stromspeicherform „Powerto-Gas“. Bei den in der Tabelle angegebenen Werten für die Speicherkapazität handelt es sich um Mindestwerte, die erforderlich sind, um die längsten Perioden mit Windflauten (Ausspeicherkapazität) und Windüberschuss (Einspeicherkapazität) auszugleichen. Teilszenario A Teilszenario B Ausspeicherleistung (Erzeugungskapazität Gaskraftwerk) 230 MW 290 MW Einspeicherleistung (Leistung Elektrolyseur) 770 MW 930 MW 5.535 MWhel (9.930 MWh CH4)* 2.850 MWhel (4.750 MWh CH4)* 15.658 MWhel (10.000 MWh CH4)** 15.040 MWhel (9.600 MWh CH4)** Ausspeicherkapazität (CH4-Menge zur Überbrückung von Windflauten) Einspeicherkapazität (erforderlicher Speichervolumen im Gasnetz) Tabelle 8: Stromspeicherbedarf bei der energieautarken Versorgung der Modellregion * bei einer Rückverstromung in GuD-Kraftwerken mit einem Wirkungsgrad von 60 % ** bei einem Elektrolyse- und Methanisierungswirkungsgrad von 80 % (64 % Gesamtwirkungsgrad) Durch den dezentralen Einsatz der Speichertechnologie „Power-to-Gas“ und der Speicherung von Überschüssen im Gasnetz kann die Abregelung von EE-Strom reduziert werden, wenn z.B. aufgrund von Netzengpässen oder bundesweiten Starkwindphasen der Export in andere Regionen nicht möglich ist. Der somit nicht abgeregelte EE-Strom könnte für andere Verbrauchssektoren (Wärme/Verkehr) zur Verfügung gestellt werden, sodass durch „Power-to-Gas“ EE-Strom mehr und mehr zur Primärenergie werden kann. 4.4 Marktzugang für erneuerbare Energien Die Zugangsvoraussetzungen für Betreiber dezentraler erneuerbarer Energieanlagen zum Strommarkt sind essenziel für die Marktintegration erneuerbarer Energien. Aus diesem Grund erfolgte eine Untersuchung der Rahmenbedingungen für die Marktteilnahme. Relevante Großhandelsstrommärkte für RegModHarz sind die Spot- und 89 Regelleistungsmärkte. Die wesentlichen rechtlichen Rahmen-bedingungen stellen dabei das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), das Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) sowie das Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz (KWKG) mit jeweils angegliederten Verordnungen dar. Die mit den Gesetzesnovellen im Laufe des Projekts verbundenen Neuerungen sind in techno-ökonomische Simulationen und in die Empfehlungen zum Rechtsrahmen eingeflossen. Bei den im Rahmen des Projekts durchgeführten, anwendungsbezogenen Untersuchungen und Simulationen wurden die beschriebenen Rahmenbedingungen für die Marktteilnahme vorausgesetzt. Die Untersuchungen münden in Empfehlungen zum Rechtsrahmen und zur Weiterentwicklung der Märkte in Kapitel 7.2. Wesentliches Kriterium für eine Beurteilung der Märkte und des rechtlichen Rahmens ist, dass für neue Marktteilnehmer der Zugang zu den Handelsmärkten gewährleistet ist und eine Refinanzierung der benötigten fluktuierend einspeisenden und flexiblen Energieanlagen sicher gestellt ist. Das heutige EEG bietet eine funktionierende Grundlage für den Ausbau und die Entwicklung erneuerbarer Energieanlagen und die Geschäftskonzepte dezentraler Akteure im EEG, da es eine Bankfähigkeit und eine Planungssicherheit für Investitionen bietet und den Marktzugang für neue Marktteilnehmer und Marktrollen ermöglicht. Zukünftig wird das Versorgungssystem zu großen Anteilen auf der fluktuierenden Einspeisung von Wind- und Sonnenenergie basieren. Mit dem heutigen Preisfindungsmechanismus werden sich Wind- und PV-Anlagen zukünftig nur schwer refinanzieren können. Des Weiteren werden flexible Anlagen und Speicher benötigt, um Leistungsschwankungen auszugleichen. Für den Erlös der benötigten flexiblen Anlagen und Speicher bzw. zur Refinanzierung der Anlagenflexibilisierung ist am Day-Ahead-Spotmarkt die tägliche Preisspreizung zwischen den Hochpreiszeiten und den Tagesmittelwerten entscheidend, denn der Mehrerlös, der durch die Vermarktung zu Hochpreiszeiten im Vergleich zur gleichmäßigen Stromeinspeisung erzielt wird, muss die Kosten decken und einen angemessenen Zusatzgewinn ermöglichen. Diese Preisspreizung ist von 2008 bis 2011 deutlich gesunken, u.a. wegen der zunehmenden PV-Einspeisung zur Mittagszeit, insbesondere in den Sommermonaten (vgl. hierzu auch Kapitel 4.5.3). Da sich auf dem Weg zur 100%-EE-Stromversorgung neue Anforderungen an die Stromhandelsmärkte stellen werden, wird eine Markt-transformation unumgänglich sein. Sollen erneuerbare Energien die tragende Säule im Stromversorgungssystem darstellen, ist es wesentlich, dass sämtliche EE-Anlagen Systemdienstleistungen bereitstellen und ein Zugang zu den Märkten besteht. Zur Marktöffnung hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) an den Regelleistungsmärkten die Angebotsblöcke verkürzt 90 und die Mindestleistungen gesenkt. Zudem wurde ein Anlagenpooling offiziell zugelassen. Wind- und PV-Anlagen können noch nicht am Regelleistungsmarkt teilnehmen, da z.B. noch nicht definiert ist, wie der Nachweis für die bereitgestellte Regelleistung zu erfolgen hat. Der Zugang zu Marktdaten, insbesondere Arbeits- und Leistungspreisen, könnte weiter verbessert werden. Markttransparenz ist elementar für (potenzielle) Marktteilnehmer, um den Markt einschätzen, Geschäftsmodelle bewerten und das operative Geschäft wirtschaftlich durchführen zu können. Eine automatisierte Abrufbarkeit wichtiger Preissignale vereinfacht die Prozesse. Um abschätzen zu können, ob sich eine Teilnahme an den Regelleistungsmärkten lohnt, ist eine Analyse der erzielbaren Leistungs- und Arbeitspreise in Zusammenhang mit zeitreihenbasierten Simulationen, die auch die Opportunitätskosten beinhalten, Voraussetzung (s. Kapitel 4.5). 30 € Minutenreserve Negativ MLP [€/MW/Stunde] 25 € Minutenreserve Positiv MLP [€/MW/Stunde] 20 € 15 € Sekundär-regelleistung Negativ [€/MW/Stunde] 10 € Sekundär-regelleistung Positiv [€/MW/Stunde] 5€ 0€ Jan Apr Jul Okt Jan Apr Jul Okt Jan Apr Jul Okt Jan Apr Jul Okt 08 08 08 08 09 09 09 09 10 10 10 10 11 11 11 11 Primärregelung [€/MW/Stunde] Abbildung 39: Regelleistungspreise (Leistungspreise) im Vergleich (Monatsmittelwerte) Hinsichtlich der Leistungspreise ist festzustellen, dass positive Regelleistung seit 2010, anders als noch im Jahr 2008, regelmäßig niedriger bepreist wurde als negative Regelleistung (siehe Abbildung 39). Die Preise für Minutenreserveleistung waren 2010 eingebrochen. Für negative Minutenreserve entwickelten sich die Preise im Jahr 2011 teilweise wieder attraktiver. Negative Minutenreserve erreichte zu Zeiten geringer Stromnachfrage (im Jahresmittel in den Blöcken 0 - 4 Uhr und 4 - 8 Uhr sowie sonntags) höhere Preise. Primärregelleistung ist höherpreisig als Minutenreserveleistung und Sekundärregelleistung. Bei der Primärregelleistung muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Kosten für die abgerufene Arbeit darin enthalten sind, da es keine Arbeitspreise gibt. 91 4.5 Direktvermarktung an Großhandelsmärkten Die Direktvermarktung von Strom aus EEG-Anlagen an der Strombörse EPEX SPOT hat mit der Einführung der Marktprämie (§ 33g EEG) am 1. Januar 2012 eine wesentliche Bedeutung für Anlagenbetreiber erhalten. Mit dem Ziel, die Markt- und Systemintegration der dezentralen Anlagen in das Stromversorgungssystemen in Zukunft fortzuführen, wird die Bedeutung der Direktvermarktung weiter zunehmen. Im Projekt RegModHarz wurde die Direktvermarktung daher als zentrales Geschäftsmodell für den Betrieb von EEG-Anlagen gesetzt. Neben der Vermarktung der erzeugten Energie wird auch die Vermarktung von Regelleistung verfolgt, da erneuerbare Energien auch zunehmend an der Bereitstellung von Systemdienstleistungen beteiligt werden sollen. Ein wesentlicher Aspekt der Direktvermarktung ist der Zusammenschluss vieler dezentraler Anlagen in einem virtuellen Kraftwerk. Im Rahmen des Projekts wurde für die Modellregion Harz ein zentraler Poolkoordinator als neuer Akteur definiert, der das virtuelle Kraftwerk organisiert und die Direktvermarktung der EEG-Anlagen übernimmt. 4.5.1 Direktvermarktung über einen Poolkoordinator Neue Marktrolle des Poolkoordinators Für die Teilnahme der dezentralen Anlagen an den Märkten ist ein Zwischenhändler oder Dienstleister erforderlich, der eine Pooling-Funktion einnimmt, da so die notwendigen Mindestangebotsgrößen erreicht werden können, Aufwand und Risiko des Stromhandels auf viele Einzelanlagen verteilt werden, Portfolios bedarfsgerecht zusammengestellt werden können und für die Bereitstellung von Regelleistung die hohen Zuverlässigkeitsanforderungen eher erfüllt werden, da im Pool Reservekapazitäten leichter vorgehalten werden können. Eine zentrale Rolle bei der Direktvermarktung von Energiemengen und Regelleistung des virtuellen Kraftwerks hat damit der Poolkoordinator. Er kann grundsätzlich auf zwei Arten die Direktvermarktung unterstützen. Als Dienstleistung kann er u.a. die Anmeldung der Anlagen bzw. den Wechsel in die Direktvermarktung, die Zustellung von abrechnungsrelevanten Daten an den Netzbetreiber und die Abrechnung der Anlagen für den Anlagenbetreiber übernehmen. Des Weiteren kann er selbst mit Strom handeln und einen eigenen Bilanzkreis bewirtschaften. Gemäß der Rollendefinition in RegModHarz hat der Poolkoordinator eine Händlerrolle inne. In seinem Bilanzkreis kann er die dezentralen Anlagen zur Stromerzeugung, aber auch 92 Speicher und Verbraucher bündeln. Damit ermöglicht er folgende Ziele in RegModHarz: 1. Die Vertriebe erhalten regionalen Strom aus erneuerbaren Energien bedarfsgerecht für ihr Portfolio geliefert, um die Endkunden in der Region zu beliefern. 2. Die Anlagenbetreiber aus der Region erhalten einen Marktzugang und können Mehreinnahmen erwirtschaften. 3. Die Bereitstellung von Regelleistung durch die dezentralen Anlagen der Modellregion (wobei für fluktuierende Erzeuger Anpassungsbedarf im Präqualifikationsverfahren besteht). Beziehung zwischen Poolkoordinator und Anlagenbetreiber Zwischen dem Poolkoordinator und dem Betreiber der dezentralen Anlage besteht eine vertragliche Bindung, die u.a. die Stromlieferung, die Vergütung und die Haftung regelt. Zur Vereinbarung der Stromlieferung und der Haftung bei Fahrplanabweichungen können drei mögliche Abnahmevereinbarungen zwischen dem Anlagenbetreiber und dem Poolkoordinator unterschieden werden: a) ungeregelte Abnahme b) Fahrplanlieferung c) Leistungsbereitstellung a) Die ungeregelte Abnahme, bei der die gesamte erzeugte Energie so abgenommen wird, wie sie gerade produziert wird, eignet sich vor allem für die Wind- und Solarenergie und für Laufwasserkraft. Die Verantwortung zur Planung bzw. Prognose der Erzeugung und das Risiko von Prognoseabweichungen liegen dann beim Poolkoordinator. Die Vergütung des Stroms sollte mengenabhängig sein. Wenn die Höhe der Vergütung vom Marktwert abhängt, liegt das Vermarktungsrisiko beim Anlagenbetreiber. Bei einer festen Vergütungshöhe (in Zusammenhang mit der Marktprämie) liegt das Vermarktungsrisiko beim Poolkoordinator. Der Poolkoordinator kann durch die Bündelung vieler großräumig verteilter Anlagen eines Energieträgers sowohl das Vermarktungs- als auch das Prognoserisiko reduzieren. b) Eine Fahrplanlieferung, bei der der Anlagenbetreiber nach kurzfristigen Vorgaben bzw. einer längerfristigen festen Vereinbarung ein Lastprofil an den Poolkoordinator liefert, eignet sich vor allem für thermische Stromerzeuger (Biomasse, KWKAnlagen, Geothermie) und Speicher, insbesondere wenn eine flexible Lieferung vereinbart wird. Die Haftung im Fall von ungeplanten Ausfällen muss geregelt wer93 den. Des Weiteren sollten Vertragsstrafen zumindest für signifikante Abweichungen vom vereinbarten Lastprofil geregelt werden, um die Zuverlässigkeit der Lieferung zu erhöhen. Die Vergütung des Stroms müsste eine finanzielle Absicherung des Anlagenbetreibers enthalten, da der Anlagenbetreiber sonst vom Vermarktungsgeschick des Poolkoordinators abhängig ist. Das Vermarktungsrisiko liegt damit beim Poolkoordinator. c) Die Leistungsbereitstellung bedeutet, dass der Poolkoordinator eine Änderung des aktuellen Betriebszustandes mit unmittelbarer Gültigkeit bewirken kann, z.B. im Rahmen der Vermarktung von Regelleistung. Der Poolkoordinator muss die Anlage so einplanen, dass die Leistung und Energie verfügbar ist und muss entsprechend einen Zeitplan für die Leistungsbereitstellung der Anlage erstellen. Der Anlagenbetreiber ist dafür verantwortlich, dass die vom Poolkoordinator geplante Leistung und Energie abrufbar ist. Eine Kombination der Leistungsbereitstellung mit einer ungeregelten Abnahme (a) oder einer Fahrplanlieferung (b) ist erforderlich, wenn z.B. Regelleistung mit Windenergie- oder Biogasanlagen vermarktet werden soll. Eine Leistungsbereitstellung ohne Stromlieferung kann vereinbart werden, wenn z.B. Regelleistung mit Notstromaggregaten oder mit Lasten, die den Strom von einem anderen Händler bzw. Energieversorger beziehen, angeboten wird. Die Vergütung ist entweder abhängig von der bereitgestellten Leistung oder wird in Zusammenhang mit der Stromlieferung nach a) oder b) abgerechnet. Aufgaben und Prozesse der Handelsabwicklung des Poolkoordinators Sobald eine EEG-Anlage aus der EEG-Festvergütung in die Direktvermarktung wechselt, sind Prognosen, Energiehandel und Fahrplanmeldungen (siehe Abbildung 40) maßgebliche Prozesse im Ablauf eines Handelstages. 94 Abbildung 40: Aufgaben eines Poolkoordinators bei der Vermarktung Grundlage der Fahrplanmeldung des Händlers an den Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) ist die gehandelte elektrische Energie. Die gehandelte Energie basiert auf Prognosen z.B. für die Wasserkraft, die Wind- und Solarenergie sowie auf der sonstigen Planung der Stromerzeugung z.B. aus Biomasseanlagen und Speicherwasserkraftwerken. Bei flexibel einsetzbaren Anlagen, wie z.B. Biogasanlagen, wird ein Energiemanagement auf Basis von Preisprognosen eingesetzt. Für den Bezug von Prognosen und die sonstige Planung ist der Poolkoordinator (s.o.) verantwortlich. Um eine Kurzfristprognose mit einer hohen Qualität zu erhalten, wird neben der regelmäßigen Aktualisierung der Wetterprognosen ein Monitoring der Anlagen mit einer regelmäßigen Übermittlung des Anlagenzustandes notwendig. Dieser Informationsfluss ist im Rahmen der EEG-Festvergütung nicht erforderlich und muss daher bei einem Wechsel in die Direktvermarktung technisch eingerichtet und personell betrieben werden. Auf Basis der verbesserten Kurzfristprognose können am Intraday-Markt Ausgleichsmengen gehandelt und entsprechende Fahrplananpassungen dem ÜNB mitgeteilt werden. Eine signifikante Verbesserung bei der Vermarktung wird erzielt, wenn der Händler über geplante und ungeplante Ausfälle vom Anlagenbetreiber unterrichtet wird. Geplante Anlagenstillstände können am Vortag in die Vermarktung einbezogen werden. Aufgrund von (ungeplanten) Anlagenausfällen und Abweichungen der Erzeugung von der letzten Prognose entstehen offene Lieferpositionen, die der Händler weiter ausgleichen kann. Neben dem Intraday-Handel, der eine Vorlaufzeit von 45 Minuten hat, kann dieser Ausgleich auch rückwirkend am IntradayS-Markt erfolgen. Für die verbleibenden Abweichungen muss monatlich eine MaBiS Bilanzkreisabrechnung mit dem zuständigen Übertra95 gungsnetzbetreiber durchgeführt werden. Dazu müssen täglich die abrechnungsrelevanten Erzeugungsdaten in viertelstündlicher Auflösung zwischen Verteilnetzbetreiber und Poolkoordinator ausgetauscht werden. Wegen der monatlichen Abrechnung der EEG-Festvergütung war dieser Datenfluss nicht notwendig und muss eingerichtet werden. 4.5.2 Werkzeuge zur Simulation der Vermarktung energyPRO (kommerzielles Softwareprodukt von EMD International A/S) Als zentrales Werkzeug für die techno-ökonomischen Simulationen und Analysen des Anlagenbetriebs und der für RegModHarz definierten Geschäftsmodelle wurde bei CUBE Engineering die Software energyPRO von EMD International A/S eingesetzt. Für die Umsetzung der Simulationen wurden neue Anlagen- und Speichermodelle sowie Algorithmen zur Analyse des Stromhandels gemäß den Rahmenbedingungen im EEG 2012 entwickelt und in energyPRO eingebunden. Des Weiteren erfolgte die Implementierung eines Algorithmus zum zeitgleichen Handel an verschiedenen Märkten und der bilanziellen Deckung eines regionalen Strombedarfs. In den Simulationsberechnungen können Energieanlagen unterschiedlicher Art berücksichtigt und mit benutzerdefinierten Betriebsstrategien versehen werden. Berechnungsgrundlage bilden – je nach Analysegegenstand – ganzjährige Zeitreihen zum Strom- und Wärmebedarf sowie meteorologische Randbedingungen. Als ökonomische Parameter können sowohl Preiszeitreihen (z.B. Spot- oder Minutenreservemarkt), Tarifpreise als auch Festpreise für Energiemengen, Leistungsvorhaltung, Betriebsstunden, Startvorgänge oder CO2-Ausstoß berücksichtigt werden. Die Optimierung erfolgt iterativ in Abhängigkeit der ökonomischen Parameter und der gewählten Betriebsstrategie unter Berücksichtigung der Speicherfüllstände mehrere Tage im Voraus. Die Abbildung 41 zeigt eine optimale Betriebsweise unterschiedlicher Erzeugungsanlagen anhand einer Führungsgröße (hier die Residuallast der BRD als Strompreisreferenz) unter Berücksichtigung vorhandener Speicherkapazitäten. 96 Abbildung 41: Ausgabe der in energyPRO berechneten Fahrpläne im Zeitverlauf RedSim (Simulationsumgebung von Fraunhofer IWES) Die Simulationsumgebung RedSim (Renewable Energy Dispatch Simulation) wurde zur Anlageneinsatzplanung entwickelt und in MATLAB implementiert. Mit der Simulationsumgebung werden optimale Fahrpläne von Anlagen für einen langen Betrachtungszeitraum berechnet. Damit können Untersuchungen u.a. die Wirtschaftlichkeit von Anlagen in der Vermarktung oder die Integration von erneuerbaren Energien in ein Vertriebsportfolio durchgeführt werden. Die Berechnung eines Fahrplans erfolgt in einer gemischt-ganzzahligen linearen Optimierung. Zur Lösung der Optimierungsprobleme wird die Software IBM ILOG CPLEX Optimization Studio eingebunden. Das Optimierungsmodell wird in Abhängigkeit der betrachteten Anlagen und deren Anwendungen aufgebaut. 97 Abbildung 42: Ablauf der Simulation in einer rollierenden Einsatzplanung Es werden unterschiedliche dezentrale Anlagentypen und Anlagenkombinationen unterstützt: Wind- und Solarenergie, Laufwasserkraft (Planung basiert auf Prognosen) Biomasseanlagen, KWK-Anlagen ggf. in Kombination mit Gas- und Wärmespeicher Pumpspeicherwerke, elektrochemische Speicher, Power-to-Gas-Anlagen elektrische und thermische Verbraucher Der Anlageneinsatz wird entsprechend der Anwendung optimiert. Es können unterschiedliche Anwendungen den Anlagen zugeordnet werden: Spotmarkt Strom und Gas positive und negative Regelleistung Profilglättung von (residualen) Lasten In der Simulationsumgebung wird das Prinzip der rollierenden Planung angewandt. Der Ablauf erfolgt chronologisch in Abhängigkeit der Simulationszeit. Zu jedem Handlungszeitpunkt einer Anwendung wird für den Handlungszeitraum die Fahrplanberechnung durchgeführt (z.B. für die Auktion der Stundenkontrakte am Folgetag). Die Fahrplanoptimierung erfolgt mit einer zeitlichen Überlappung. Der zeitliche Horizont der regelmäßigen Optimierung entspricht dem Horizont der jeweils verfügbaren Informationen (Prognosen). Der gesamte Fahrplan für den untersuchten Simulationszeitraum setzt sich aus den zuletzt berechneten Fahrplänen für jeden Zeitraum zusammen. 98 4.5.3 Ergebnisse aus der Simulation der Vermarktung Anlagenportfolio der Modellregion Um die Chancen und Risiken der verschiedenen Direktvermarktungsmöglichkeiten näher untersuchen zu können, wurden im ersten Schritt die durchschnittlichen EEG-Festvergütungssätze der verschieden Erzeuger für die Modellregion im Jahr 2008 ermittelt. Für das Anlagenportfolio des Landkreises Harz wurde ein durchschnittlicher Festvergütungssatz in Höhe von 18,68 ct/kWh errechnet. Demgegenüber lag der Marktwert der Erzeugung nach Day-Ahead-Spotmarktpreisen bei 6,87 ct/kWh. Der Marktwert entspricht jedoch nicht den Erlösen, die eine Vermarktung nach Prognosen und der Abrechnung von Ausgleichsenergie beinhalten. Diese Differenzeinnahmen, sowie die Mehrkosten für Handel und Börsenanbindung sollen nach dem EEG 2012 § 33g durch die optionale Marktprämie gedeckt werden. Die folgende Tabelle zeigt eine Gegenüberstellung der EEG Festvergütungssätze und der am Markt zu erzielenden Erlöse. Erzeuger Installierte Leistung [MW] Wind 150,565 310.624 8,63 5,82 3,91 1,10 PV 10,357 9.817 42,48 8,06 35,58 1,16 Wasser 7,202 22.135 7,36 6,17 1,55 0,36 Biogas 5,715 31.442 17,53 6,60 11,24 0,31 Biomasse 3,863 9.650 17,4 7,68 11,22 1,50 Gesamt 177,7 383.668 Ø 18,68 Ø 6,87 Ø 12,70 Ø 0,97 Erzeugte Energie [MWh] Vergütung EEG Ø [ct/kWh] Erlös EEX Ø [ct/kWh] Marktprämien (MP) LK Harz [ct/kWh] EEX + MP EEG [ct/kWh] Tabelle 9: EEG-Vergütung und Erlöse aus Direktvermarktung mit Marktprämie Vermarktung der Windenergie Direktvermarktung des Windanlagenportfolios in der Modellregion Harz Die Vermarktung von Strom aus Windenergie erfolgt auf Basis von Einspeiseprognosen. Durch die Abweichung zwischen der prognostizierten und der tatsächlich erzeugten Energie innerhalb einer Viertelstunde entstehen Ausgleichsenergiekosten, die ein finanzielles Risiko darstellen. Das Risiko kann durch Erhöhung der Prognosegüte reduziert werden. Die Prognosegüte erhöht sich durch die Vergrößerung der räumlichen Verteilung des Anlagenportfolios und durch die Verkürzung der Vorlaufzeit von Prognosen. Mit dem Intraday-Handel auf Basis von Kurzfristprognosen kann die vortägige Vermarktung, die auf Basis von Folgetagsprognosen erfolgt, kor99 rigiert werden. Das reduziert die Ausgleichsenergiemengen, die eine Risikoposition bei den Handelskosten darstellen. Die eingesparten Kosten müssen mit den Kosten für die Teilnahme am Intraday-Handel gegenübergestellt werden. 100 98,1% -2,6% Z% 90 Ø EPEX Erlöse [€/MWh] 80 70 60 103,2% -3,2% 95,8% -2,2% 98,9% -2,5% 97,2% +0,8% 98,5% -1,4% 97,7% -6,3% 93,6% +0,8% 86,8% -0,5% Z% 88,6% -4,4% Z% 95,5% -0,6% 50 85,2% -2,4% Z% 40 30 20 10 0 Jan Feb Mrz Ø Börsenpreis Apr Mai Jun Jul Ø EPEX Erlöse Windpark LK Harz Aug Sep Okt Nov Dez Ø EPEX Erlöse Windpark BRD Abbildung 43: Monatlicher Base-Preis, Marktwert des Windstroms aus bundesweiter Einspeisung und aus der Modellregion Harz 2008 Die Reduktion der Kosten für Ausgleichsenergie durch kurzfristigen Handel wurde mit den im Projekt ermittelten Einspeise- und Prognosezeitreihen des Anlagenportfolios der Modellregion Harz untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass bei der Vermarktung nach Folgetagsprognosen (Bezugsjahr 2008) am Day-Ahead-Spotmarkt Ausgleichsenergiekosten in Höhe von 2,6 Mio. € anfallen würden. Das entspricht ca. 14 % der Einnahmen im Day-Ahead-Handel. Wenn der Intraday-Handel zur Korrektur genutzt wird, reduzieren sich die Ausgleichsenergiekosten auf 0,71 Mio. € (4 % der Einnahmen aus dem Handel). Durch eine Vergrößerung der Anzahl an Windparks mit einer starken räumlichen Verteilung können die Kosten für die Ausgleichsenergie ebenfalls gesenkt werden. Durch die Nutzung des räumlichen Ausgleichseffekts verbessert sich die Prognosegüte. Die Ausgleichsenergiekosten nach der regionalen Folgetagsprognose liegen im Vergleich zur Prognose für die Regelzone 50 Hertz (2008) um 4,7 Prozentpunkte höher. Ein weiteres Risiko stellt die Berechnungsvorschrift der Marktprämie dar, weil der Referenzertrag zur Feststellung der Höhe der Marktprämie auf der bundesdeutschen Gesamteinspeisung basiert. Der Marktwert einer Teilmenge, z.B. innerhalb einer Region, kann im Vergleich zum bundesweiten Marktwert höher oder niedriger sein. 100 In Abbildung 43 sind für das Szenariojahr 2008 die Höhe des durchschnittlichen Börsenpreises, das Verhältnis des deutschlandweiten Referenzmarktwerts der Windenergie zum durchschnittlichen Börsenpreis (obere Prozentangabe) und die Abweichung des Referenzmarktwerts der Windenergie in der Modellregion Harz vom deutschlandweiten Referenzmarktwerk dargestellt. Im Fall der Modellregion Harz im Szenario 2008 ist der Marktwert der Windstromerzeugung geringer als im bundesweiten Vergleich. Die Bezüge aus der Marktprämie ohne der Managementprämie belaufen sich auf 8.430.215 €. Zusammen mit den Markterlösen führt das zu Mindereinahmen von 3,65 % gegenüber der EEG-Einspeisevergütung. Direktvermarktung von Wind-Speicher-Kombinationen Die Vermarktung von Windenergie kann durch die Kombination mit einem Stromspeicher unterstützt werden. Ein Mehrwert kann prinzipiell auf zwei Arten entstehen: die zeitliche Verschiebung der Windstromeinspeisung in Stunden mit höheren Preisen (a) und der Ausgleich von Prognoseabweichungen (b). a) Bei der zeitlichen Verschiebung wird die Windstromeinspeisung während niedriger Preise durch das Laden des Speichers reduziert und während hoher Preise durch das Entladen des Speichers erhöht. Die Höhe der Marktprämie ändert sich aufgrund der Berechnungsvorschrift (s.o.) durch den Speicherbetrieb nicht. Der erzielte Mehrwert entspricht demnach dem Marktpreisunterschied durch Laden und Entladen. Ein Speicher kann diesen Mehrwert auch ohne Kopplung an einen Windpark generieren. Speicher und Windpark sind damit vollständig unabhängig voneinander am Markt. Wenn die Kombination von Speicher und Windpark an einem gemeinsamen Zähler stattfindet, entstehen zudem Nachteile: Der Speicher kann nur so viel Energie laden, wie gleichzeitig (Viertelstunde) im Windpark erzeugt wird. Damit kann der Speicher nicht vollständig am Markt ausgenutzt werden. Zudem reduziert sich die eingespeiste Energie mit Vergütungsanspruch durch die Wirkungsgradverluste. b) Beim Ausgleich von Prognoseabweichungen stellt der Speicher eine Leistung zur Verfügung, die im Fall von Prognosefehlern spontan abgerufen wird. Den damit erzielbaren Kostenersparnissen müssen Einnahmen durch eine anderweitige Nutzung des Speichers gegenübergestellt werden. Im Rahmen einer stochastischen Optimierung, bei der die Wahrscheinlichkeiten von Spotmarktpreisen, Ausgleichsenergiepreisen und Prognoseabweichungen einbezogen werden, können die Opportunitätskosten des Speichers am Spotmarkt bereits in der Einsatzplanung berücksichtigt werden. Ein weiterer alternativer Einsatzzweck von Speichern ist die Regelleistung. In (Hochloff, 2010) wurde für die Windenergie in der Modellregion Harz ge101 zeigt, dass in keinem Angebotszeitraum (Szenario 2008) ein finanzieller Vorteil entsteht, wenn der Speicher zum Ausgleich von Fehlern der Kurzfristprognose eingesetzt wird, anstatt zur Bereitstellung von Sekundärregelleistung. Vermarktung der Solarenergie Analog zur Direktvermarktung des Windanlagenportfolios im Landkreis Harz wurden ebenfalls Untersuchungen im Hinblick auf die anfallenden Ausgleichsenergiekosten für die Stromerzeugung aus den Photovoltaikanlagen durchgeführt. Für die Solarenergie war eine Folgetagsprognose für das Szenariojahr 2008 verfügbar. Eine Vermarktung der Solarenergie entsprechend der Folgetagsprognose am Day-AheadSpotmarkt führt zu Ausgleichsenergiekosten mit einem Anteil 0,5 % an den Börsenerlösen. Der niedrige Anteil der Ausgleichsenergiekosten liegt auch an den hohen Börsenerlösen für die Solarenergie. Insgesamt ist das Marktpreisniveau in dem Szenario 2008 sehr hoch. Hinzu kommt ein hoher relativer Marktwert der Solarenergie durch die hohe zeitliche Übereinstimmung der Spitzen der Solarenergieerzeugung und der Strompreise. In den Folgejahren nimmt der relative Marktwert der Solarenergie ab (siehe Abbildung 44). Aus der hohen installierten Leistung der Solarenergie folgt eine hohe Einspeiseleistung in den Mittagsstunden. Da der EEG-Strom preisunabhängig im Börsenhandel angeboten wird, sinken die sonst üblichen Spitzenpreise in der Mittagszeit stark ab. 102 140% 35 133% 125% 116% 114% 111% 30 109% 100% 100% 25 80% 20 60% 15 40% 10 20% 5 0% 0 Wertigkeit PV installierte Leistung installierte Leistung [GW] relativer Wert [%] 120% Linear (Wertigkeit PV) Abbildung 44: Marktwert und installierte PV Leistung von Jan. 2006 – Jul. 2012 Vermarktung von Strom aus Biogasanlagen Für die Untersuchung der steuerbaren Erzeugungsanlagen wurden Simulationen einer existierenden Biogasanlage mit einer installierten elektrischen Leistung von 526 kW durchgeführt. Die erzeugte Jahresenergiemenge von 4.230 MWh wurde mit einer EEG Festvergütung in Höhe von 16,24 ct/kWh vergütet. Hieraus resultieren Einnahmen in Höhe von 686.964 €, die als Referenz für die folgenden Vermarktungsstrategien zu Grunde gelegt wurden. Direktvermarktung mit Marktprämie Die Marktprämie ist so konzipiert, dass die Mindereinnahmen an der Strombörse sowie die erhöhten Kosten für den Mehraufwand und Handel, durch die Marktprämie (inkl. der Managementprämie) gedeckt werden. Die Marktprämie berechnet sich aus der Differenz des individuellen EEG-Vergütungssatzes und dem durchschnittlichen Börsenpreisniveau. Die Stromerzeugung der betrachteten Biogasanlage verläuft annähernd konstant (Abbildung 45) mit 500 kW elektrischer Leistung. Der Marktwert der Stromerzeugung im Day-Ahead-Handel entspricht trotz regelmäßiger, kurzfristiger Anlagenstillstände dem Phelix-Base-Preis, sodass über die Marktprämie die gleichen Einnahmen generiert werden können, wie mit der EEGVergütung. Die Managementprämie in Höhe von 0,225 ct/kWh (2015) bis 0,3 ct/kWh 103 (2012) dient primär zur Deckung der Handelskosten (Ritter, 2011). Als Anreiz zur Direktvermarktung erhalten Anlagenbetreiber 50 % bis 60 % von der Managementprämie. Das erhöht die Einnahmen für den Anlagenbetreiber um ca. 1 %. 250 Angebot von negativer Regelleistung ist eine weitere Möglichkeit Zusatzerlöse Das Spotmarktpreise zu200erzielen. Die mittleren kumulierten Leistungspreise des Jahres 2011 betrugen [€/MWh] 150 36.000 €/MW für Minutenreserve und 50.000 €/MW für negative Sekundärregelleis100 tung. Unter der Annahme, dass der Anlagenbetreiber ebenfalls 50 % bis 60 % der 50 Zusatzerlöse aus der Regelleistungsvermarktung erhält, kann der Ertrag der Anlage 0 um-50ca. 1,4 % bis 1,7 % bei Minutenreserve oder um 1,9 % bis 2,3 % bei Sekun01.Jan. 01.Feb. 01.Mar. 01.Apr. 01.May. därregelleistung erhöht werden. 01.Jun. 01.Jul. 01.Aug. 01.Sep. 01.Oct. 01.Nov. 01.Dec. Stromerzeugung [MW] 0.5 0 01.Jan. 01.Feb. 01.Mar. 01.Apr. 01.May. 01.Jun. 01.Jul. 01.Aug. 01.Sep. 01.Oct. 01.Nov. 01.Dec. Abbildung 45: Messreihe der Stromerzeugung einer Biogasanlage im Jahresverlauf Direktvermarktung mit Markt- und Flexibilitätsprämie Neben der Marktprämie wurde als zusätzlicher Bonus für die Biogasanlagen die Flexibilitätsprämie (§ 33i EEG) eingeführt. Damit wurde ein Anreiz geschaffen, in höhere bzw. zusätzliche BHKW-Leistung sowie Gas- und Wärmespeicherkapazitäten zu investieren und die Anlagen gezielt in Zeiten mit höheren Strompreisen zu betreiben. Die Flexibilitätsprämie deckt dabei nur zum Teil die Kosten für die zusätzlichen Anlagen. Der Rest der Kosten muss zusätzlich zum Referenzmarktwert durch eine flexible, preisorientierte Betriebsweise erwirtschaftet werden. Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, a) welche Erlöse durch die Optimierung der Einsatzzeiten erzielt werden können, b) inwieweit zusätzliche Erlöse durch die Teilnahme am Regelleistungsmarkt erzielt werden können und c) wie groß die zusätzliche Leistung sowie die Speicherkapazität im Optimum dimensioniert werden müssen. Der Einfluss der Punkte a) und b) wird anhand von Simulationsrechnungen mit der Beispielanlage dargestellt, deren elektrische Nennleistung mit einem zweiten BHKW 104 von 526 kW verdoppelt wird. Die Gasspeicherkapazität wird für die Untersuchung auf 15,4 MWh Speicherhub gesetzt. Die Kosten für diese Anlagenerweiterung liegen nach (Rohrig, 2011) schätzungsweise bei 2,5 ct/kWh. Die Zahlungen aus der Flexibilitätsprämie würden bei 1,6 ct/kWh liegen. Demnach müssen ca. 0,9 ct/kWh an zusätzlichen Erlösen erwirtschaftet werden um die Anlagenerweiterung zu finanzieren. Der Einfluss der zusätzlichen Kapazität in Punkt c) wird anhand der Kosten für die Anlagenerweiterung, den Einnahmen aus der Kapazitätskomponente und den optimierten Einnahmen der jeweiligen Anlagenkomposition dargestellt. a) zusätzliche Erlöse durch die Optimierung der Einsatzzeiten Die Marktprämie berechnet sich in Abhängigkeit der Differenz des EEGVergütungssatzes zum Durchschnittswert der Erzeugung. Als Durchschnittswert der Erzeugung wird der Base-Preis angesetzt. Wenn mit der Erzeugung einer Anlage ein höherer Durchschnittswert der Erzeugung erzielt wird, ergeben sich für den Anlagenbetreiber zusätzliche Erlöse. Diese müssen auch zur Finanzierung der Anlagenerweiterung beitragen. Ein höherer Durchschnittswert der Erzeugung ergibt sich, wenn die Stromerzeugung überwiegend in Zeiten hoher Strompreise erfolgt, z.B. nur in den Peak-Stunden. Bei einem konstanten 12-Stunden-Betrieb in den PeakZeiten anstatt eines konstanten 24-Stunden-Betriebs ergeben sich zusätzliche Erlöse entsprechend der Differenz zwischen Peak- und Base-Preisen (Tabelle 10). 2008 2009 2010 2011 2012* Base-PeakDifferenz 1,36 ct/kWh 0,79 ct/kWh 0,65 ct/kWh 0,60 ct/kWh 0,47 ct/kWh Optimierter Wert der Erzeugung 8,31 ct/kWh 4,95 ct/kWh 5,32 ct/kWh 5,98 ct/kWh 5,20 ct/kWh Optimierter Zusatzerlös 1,73 ct/kWh 1.06 ct/kWh 0,87 ct/kWh 0,87 ct/kWh 0,89 ct/kWh Tabelle 10 Zusatzerlöse durch optimierten Anlageneinsatz im Vergleich zur Base-PeakDifferenz * Angaben und Rechnungen bis einschließlich 20.09.2012 Die Stunden mit den 12 höchsten Preisen eines Tages liegen nicht vollständig in den Peak-Zeiten. Mit einem an den Preisverlauf angepassten Betrieb können die Zusatzerlöse gegenüber der Base-Peak-Differenz gesteigert werden. Eine Optimierung des Anlageneinsatzes kann die Betriebszeiten und den jeweiligen Lastpunkt in 105 einem Fahrplan so berechnen, dass der Erlös maximiert und die Speicherkapazität bestmöglich ausgenutzt wird. Dabei können neben dem volatilen Preisverlauf auch die Anfahrkosten und die Wirkungsgradkennlinie von Biogas-BHKW berücksichtigt werden. Die in Tabelle 10 enthaltenen optimierten Erlöse wurden mit einer gemischt-ganzzahligen Optimierung mit einem Modell nach (Hochloff, 2011) berechnet, das mit der Modellierung der Wirkungsgradkennlinie nach (Carrion, 2006) erweitert wurde. Der Wirkungsgrad der BHKW der Beispielanlage wurden mit 0,41 bei 100 % Last, 0,39 bei 75 % Last und 0,35 bei 50 % Last angenommen. Die verwendeten Strompreise für die Jahre 2008 bis 2012 sind die Day-Ahead- Spotmarktpreise der EPEX (bzw. EEX) für das Marktgebiet D/A. Es wurde eine konstante Biogasproduktion von rund 1220 kW chemische Leistung, die bei einem Wirkungsgrad von 0,41 eine konstante Verstromung mit 500 kW elektrische Leistung ermöglicht, angenommen. Der optimierte Wert der Erzeugung und der Zusatzerlös als Differenz aus optimierten Wert und dem Base-Preis sind in Tabelle 10 enthalten. Die Ergebnisse zeigen, dass mit der Einsatzoptimierung die Zusatzerlöse um 0,22 ct/kWh (2010) bis 0,42 ct/kWh (2012) gegenüber dem konstanten 12Stunden-Betrieb in Peak-Zeiten erhöht werden können. In den Jahren 2009 bis 2012, in denen die Base-Peak-Differenz deutlich unter 0,9 ct/kWh liegt, ist erst durch den optimierten Betrieb eine ausreichende Finanzierung der Anlagenerweiterung möglich. b) zusätzliche Erlöse durch die Teilnahme am Regelleistungsmarkt Mit der Teilnahme am Regelleistungsmarkt können parallel zur geplanten Energieerzeugung und -vermarktung zusätzliche Einnahmen durch die Bereitstellung von negativer und positiver Leistung erwirtschaftet werden. Die Flexibilität der Anlage kann gleichzeitig am Spotmarkt und am Regelleistungsmarkt genutzt werden. Die verfügbare Leistung und Energie einer Anlage (im Anlagenpark) kann für die jeweiligen Produkte angeboten werden und dabei die unterschiedlichen Preise der Produkte optimal ausnutzen. In einer Optimierung der Anlage am Spot- und am Regelleistungsmarkt beeinflussen damit die Preise und die Spezifikation der Produkte am Regelleistungsmarkt auch das Spotmarktangebot. Am Minutenreservemarkt haben die einzelnen Regelleistungskontrakte eine Blocklänge von vier Stunden, wodurch die Anlage am Spotmarkt flexibel betrieben werden kann (siehe Abbildung 46). 106 [€/MW] 200 150 100 50 0 [MW] 1.5 positive Minutenreserve negative Minutenreserve Erzeugung BHKW 1 Erzeugung BHKW 2 Erzeugung BHKW 1 Erzeugung BHKW 2 Spotmarkt DayAhead 1 0.5 0 [MW] 1.5 pos. Minutenreserve neg. Minutenreserve 1 0.5 0 [MWh] 20 Spotmarkt Spot- und Regelleistungsmarkt 10 0 15.Jul 16.Jul 17.Jul 18.Jul 19.Jul 20.Jul 21.Jul 22.Jul 23.Jul 24.Jul 25.Jul 26.Jul 27.Jul Abbildung 46: Ausschnitt aus dem optimierten Fahrplan einer Biogasanlage mit 2 BHKW und einem Gasspeicher: Preise am Spot- und Minutenreservemarkt (oben), optimierter Fahrplan nach Spotmarktpreisen (2. v. oben), optimierter Fahrplan nach Spot- und Minutenreservemarktpreisen (3. v. oben), vgl. des Gasspeicherfüllstands der beiden Optimierungen (unten) Die Simulation der Einsatzplanung der Biogasanlage am Spot- und Minutenreservemarkt wurde mit dem vorgestellten Energiemanagement nach (Hochloff, 2012) mit den Spotmarktpreisen des Day-Ahead-Handels und den mittleren Leistungspreisen der positiven und negativen Minutenreserve durchgeführt. In Abbildung 46 ist ein Ausschnitt vom 15. Juli bis zum 26. Juli 2011 des optimierten Fahrplans der Biogasanlage dargestellt. In der oberen Grafik sind die Preise am Day-AheadSpotmarkt in stündlicher Auflösung und die mittleren Leistungspreise der negativen und positiven Minutenreserve in vierstündiger Auflösung dargestellt. Die zweite und die dritte Grafik stellen die Fahrpläne der Stromerzeugung der BHKW dar, in der zweiten Grafik nach der Spotmarktoptimierung und in der dritten Grafik nach der Spot- und Minutenreservemarktoptimierung. In der dritten Grafik ist zudem das positive und negative Minutenreserveangebot der Anlage dargestellt. Die untere Grafik enthält für die Optimierung am Spotmarkt und für die Optimierung am Spotund Minutenreservemarkt den Füllstand des Gasspeichers als chemische Energie des Biogases. Der Vergleich der zweiten und der dritten Grafik zeigt, wie der Anlageneinsatz durch die Erlösmöglichkeiten am Minutenreservemarkt in Abhängigkeit der Preise (hier insbesondere der negativen Minutenreserve) beeinflusst wird. Es werden die Preise der drei Produkte (Energie, positive und negative Regelleistung) in 107 einer geschlossenen Optimierung berücksichtigt. Das führt zu einem optimalen Angebot für die drei Produkte. Die Zusatzerlöse aus der Optimierung am Spot- und Minutenreservemarkt (aus Tabelle 11) sind in Abbildung 47 im Vergleich zu den Zusatzerlösen aus der Optimierung am Spotmarkt (aus Tabelle 10) und der Base-Peak-Preisdifferenz der Spotmarktpreise dargestellt. Insgesamt führt die Vermarktung einer flexiblen Biogasanlage am Minutenreservemarkt nur zu geringen Zusatzerlösen, da über den täglichen Unterschied der Spotmarktpreise wesentlich höhere Erlöse zu erzielen sind. Die optimalen Minutenreserveangebote fallen in Zeiten, in denen die Minutenreservepreise sehr klein sind. Trotzdem führen die geringen Preise noch zu einer Anpassung des optimalen Fahrplans, sodass noch die kleinen Minutenreservepreise mitgenommen werden können. Aus der Aufschlüsselung der Erlöse in Tabelle 11 ist zu entnehmen, dass die Spotmarkterlöse geringer sind als in Tabelle 10, jedoch zugunsten höherer Gesamterlöse. Als Ergebnis der Optimierung stellt sich damit auch heraus, dass es lohnender ist, eine Anlage flexibel zu betreiben als sie konstant fahren zu lassen um Minutenreserve in den Zeiten mit höheren Preisen anzubieten. Spotmarkt Spotmarkt u. Minutenreserve Base-Peak-Dif f erenz Zusatzerlöse [ct/kWh] 2,5 2 1,5 1 0,5 0 2008 2009 2010 2011 2012 Abbildung 47: Zusatzerlöse aus der Optimierung am Spotmarkt bzw. der Optimierung am Spot- und Minutenreservemarkt (Angaben und Rechnungen bis einschließlich 20.09.2012) 108 2008 Spotmarkt 2009 2010 2011 2012* 8,21 ct/kWh 4.77ct/kWh 5,24 ct/kWh 5,90ct/kWh 5,14ct/kWh Positive 0,28 ct/kWh Minutenreserve 0,11ct/kWh 0,04 ct/kWh 0,02ct/kWh 0,01ct/kWh Negative 0,03 ct/kWh Minutenreserve 0,32ct/kWh 0,07 ct/kWh 0,14ct/kWh 0,09ct/kWh Summe 8,51 ct/kWh 5,20ct/kWh 5,35 ct/kWh 6,05ct/kWh 5,24ct/kWh Zusatzerlös 1,93 ct/kWh 1,32ct/kWh 0,90 ct/kWh 0,94 ct/kWh 0,93ct/kWh * Angaben und Rechnungen bis einschließlich 30.09.2012 Tabelle 11: Erlöse durch optimierten Anlageneinsatz am Spot- und Minutenreservemarkt c) optimale Dimensionierung der zusätzlichen Leistung und Speicherkapazität Die EEG-Flexibilitätsprämie ist der wesentliche finanzielle Anreiz, um die BHKWLeistung von Biogasanlagen zu erhöhen und mit Speicherkapazitäten zu ergänzen. Die Flexibilitätsprämie fördert Anlagen, deren installierte Leistung die jahresdurchschnittliche Leistung („Bemessungsleistung“) bis zu einem Faktor 5 übertrifft (Grenze der Förderung bei 20 % Bemessungsleistung zur installierten Leistung). Der Aufwand der Flexibilisierung könnte sich bei sehr großen Anlagen signifikant erhöhen, wenn z.B. aufwendigere Genehmigungsverfahren durchlaufen werden müssen, eine höhere Netzverträglichkeit geprüft werden muss und ggf. weitere Aufwendungen für die Anbindung an Strom- und Wärmenetze getragen werden. In Abbildung 48 sind die jährlichen Zahlungen aus der Flexibilitätsprämie (schwarze Linie) und eine Schätzung der jährlichen Kosten (rote Linie) für die Flexibilisierung bis zu einem Faktor 5 der installierten Leistung zur Bemessungsleistung dargestellt. Aufgrund des degressiven Kostenanstiegs der BHKW und des linearen Anstiegs der Zahlung aus der Flexibilitätsprämie könnten nur bei sehr großen Zusatzkapazitäten die Kosten bereits mit der Flexibilitätsprämie gedeckt werden. 109 200 € 150 € 100 € 50 € Tsd. - € 0 500 1000 1500 2000 Zusatz BHKW (kW) Abbildung 48: Jährliche Erlöse aus der Flexibilitätsprämie und jährliche Kosten der Anlagenerweiterung in Abhängigkeit der zusätzlichen BHKW-Kapazität für eine 500 kW-Anlage Als weitere Komponente zur Finanzierung der Anlagenerweiterung kommen die zusätzlichen Markterlöse hinzu. Aufgrund der Möglichkeit, die Anlage zeitlich flexibel zu betreiben, können gezielt die Hochpreiszeiten am Strommarkt für den Anlagenbetrieb genutzt werden. Die Markterlöse sind abhängig von der zusätzlichen BHKWLeistung und von der Speicherkapazität (Gas- und/oder Wärmespeicher), da deren Begrenzungen auch der Erzeugungsverlagerungsfähigkeit Grenzen setzt. Mögliche Zusatzerlöse anhand der Spotmarktpreise des Jahres 2011 sind in Abhängigkeit der Zusatzkapazität in Abbildung 49 dargestellt. möglicher Zusatzerlös über dem Basepreis EEX (2011) 12 €/MWh 11 10 9 8 7 6 0% 100% 200% BHKW-Größe 300% 400% Abbildung 49: Zusatzerlöse mit den Spotmarktpreisen 2011 in Abhängigkeit der Zusatzkapazität Wie die Simulationen anhand unterschiedlicher theoretischer Anlagenkonfigurationen gezeigt haben, bietet die Flexibilisierungsprämie in Verbindung mit den Zusatzerlösen am Strommarkt für Biogasanlagenbetreiber vielfach einen finanziellen Anreiz zur Investition in bedarfsorientiert einsetzbare Erzeugungskapazitäten. Es zeigt sich, dass die flexibilisierten Biogasanlagen die höchste Kosteneffizienz bei der Erzeugungsverlagerung im Tagesrhythmus bieten. Gasspeicher erzielen die beste Wirtschaftlichkeit mit Speicherzeiträumen zwischen 6 und 20 Stunden. Für die Investitionsentscheidung müssen die Anlagenbetreiber jedoch Risiko und Wirtschaftlichkeit einschätzen können. Darüber hinaus hat der Anlagenbetreiber 110 ein Interesse daran, die betriebswirtschaftlich geeignetste Anlagenkonfiguration zu nutzen. Die jeweiligen Kosten unterliegen einer großen Bandbreite und sind auch von den Standortbedingungen abhängig. Daher muss eine sorgfältige Analyse für den Einzelfall durchgeführt werden. In die Analyse müssen sämtliche Anforderungen an den Betrieb, wie z.B. ein zu lieferndes Wärmebedarfsprofil, einfließen. Um auf Basis der erfassten Daten das wirtschaftliche Potenzial einer zu flexibilisierenden Anlage zu ermitteln, sind Betriebssimulationen über eine Schar denkbarer Anlagenkonfigurationen sehr geeignet. In diesen Simulationen auf Basis einer betriebswirtschaftlichen Optimierung der Betriebsweise können technische und wirtschaftliche Restriktionen berücksichtigt werden. Am Beispiel der Biogasanlage Zilly aus der Modellregion wurde die Wirtschaftlichkeit für mehrere Erweiterungsoptionen mit unterschiedlichen Zusatzkapazitäten und unterschiedlichen Speichergrößen anhand der Spotmarktpreise des Jahres 2011 in Betriebssimulationen berechnet (siehe Abbildung 50). Die Bemessungsleistung blieb dabei unverändert. Die zu flexibilisierende Anlage mit 526 kW Leistung erhält eine EEG-Festvergütung von 17,416 ct/kWh inkl. NaWaRo-Bonus und Formaldehydbonus (Referenzwert). Die Jahresbetriebsstunden lagen aufgrund geplanter und ungeplanter Ausfälle unterhalb des theoretischen Wertes von 8.760 Stunden. Die beim BHKW-Betrieb erzeugte Wärme wird derzeit nur für die Fermenterheizung und die Heizung der betriebseigenen Gebäude genutzt. 111 Abbildung 50: Betriebssimulation der flexibilisierten Biogasanlage Zilly in der optimalen Konfiguration mit zusätzlichem BHKW von 1,4 MW und Wärmenutzung mit Wärmespeicher. Die Simulationen zeigen, dass die Biogasanlage für den flexiblen Betrieb gut geeignet ist. Dazu muss die installierte Leistung durch zusätzliche BHKW heraufgesetzt und der Biogasspeicher vergrößert werden. Es wurden verschiedene BHKW-Größen daraufhin untersucht, welcher zusätzliche Ertrag zu erzielen ist. Dieser ist mit einem zusätzlichen 1,4 MW BHKW am größten. Gesamt wird somit eine installierte Leistung von knapp 2 MW erreicht. In Abbildung 51 sind für die Anlage mit dieser BHKW-Leistung die Spotmarkterlöse nach Abzug der jährlichen Abschreibung der Investition und der Kosten für die unterschiedlich häufigen Anlagenstarts bei verschiedenen Größen des Biogasspeichers dargestellt. Mit zunehmender Speicherkapazität steigen die potenziellen NettoZusatzerlöse bis einem Maximum bei ca. 3.000 m³ Speichervolumen an. Mit größeren Speichervolumina sinken wiederum die Netto-Zusatzerlöse. 112 Nettoerlös Tsd. €/a 280 275 270 265 260 255 250 245 240 0 1.000 2.000 3.000 4.000 5.000 6.000 Biogasspeicher in m³ Abbildung 51: Markterlöse mit den Spotmarktpreisen 2011 in Abhängigkeit von Speicherkapazität und Investitionskosten. Am Beispiel der Anlage Zilly zeigt sich weiterhin, dass die Flexibilisierung eine verbesserte Betriebssicherheit mit sich bringt: Zum einen ist ein Redundanz-BHKW vorhanden, sodass das kontinuierlich produzierte Biogas weiter verstromt werden kann, wenn eines der beiden BHKW ausfällt. Zum anderen können kleine Havarien bei der Biogasproduktion besser ausgeglichen werden. Der in der ursprünglichen Konfiguration sehr kleine Biogasspeicher leerte sich in einem solchen Fall sehr schnell und die Stromproduktion musste gedrosselt werden. Sobald die Fermenterbiologie wieder verfügbar war, konnte diese verlorene Arbeit wegen der begrenzten BHKW-Leistung nicht wieder aufgeholt werden. Das ändert sich durch die Flexibilisierung. Die Mängel in der Biologie könnten durch Erhöhung der biologischen Leistung zu anderen Zeiten wieder aufgefangen werden. Es kommt nicht mehr zum Abfackeln von Biogas, wodurch eine bessere Ausnutzung des Substrats möglich ist. Auch Wärmelasten können durch die Flexibilisierung besser bedient werden, insbesondere wenn es sich um eine Biogasanlage mit mehreren BHKW an Satellitenstandorten handelt. Die zusätzlichen BHKW-Einheiten können dann vor allem an den Standorten mit dem größten Wärmebedarf errichtet werden. Um die Flexibilität zu erhöhen wird neben dem Wärmespeicher auch der Gasspeicher direkt am Satelliten-BHKW errichtet. Dadurch muss die Gaszuleitung nicht vergrößert werden. Für die dargestellte Erweiterung der Biogasanlage Zilly sind Genehmigungen einzuholen. Im Rahmen der landwirtschaftlichen Privilegierung in § 35 BauGB kann eine Vergrößerung der installierten BHKW-Leistung bis 2.000 kW Feuerungswärmeleis- 113 tung erfolgen (ca. 800-900 kWel), z.B. mit einem Zusatz-BHKW von 250 kW. Darüber hinaus ist die Aufstellung eines Bebauungsplans erforderlich. Weiterhin muss eine Genehmigung der Anlage nach BImSchG sowie eine Netzverträglichkeitsprüfung nach § 5 EEG beantragt werden. Die Kosten für den Anschluss an den Verknüpfungspunkt mit dem Stromversorgungsnetz muss der Biogasanlagenbetreiber selbst tragen. Dazu gehört auch der Transformator, der bei größeren Leistungen in der Regel nicht ausreichend dimensioniert ist. Das bei der Modellierung, Simulation und Fallstudie gewonnene Know-how lässt sich im Rahmen der Projektverwertung gezielt einsetzen, um Dienstleistungen für Anlagenbetreiber zu entwickeln. 4.5.4 Praktische Erfahrung aus der Vermarktung einer Biogasanlage Derzeit haben die meisten Biogasanlagenbetreiber in der Direktvermarktung eine ungeregelte Abnahme mit dem Händler vereinbart. Für die im LK Harz vorhandene Biogasanlage Zilly erfolgt die Direktvermarktung im Rahmen des Projekts über den Händler in.power. Der erzeugte Strom der Biogasanlage Zilly im Landkreis Harz (526 kW installierte Leistung) wird seit dem 1. Mai 2012 im Rahmen des Forschungsprojekts mit Hilfe der optionalen Marktprämie direkt vermarktet. Der Strom wird damit täglich am Day-Ahead Markt der EPEX verkauft. Die für den Handel notwendige Börsenzulassung sowie die Handelsanbindung ist bei in.power GmbH eingerichtet. Eine umfangreiche IT-Infrastruktur für den Handel wurde aufgebaut und entsprechende Prozesse zum Börsenhandel definiert. Von großer Bedeutung ist dabei die komplexe Prognostizierung von fluktuierend erzeugenden Windkraft- und Photovoltaikanlagen. Die Prognosen werden viermal täglich aktualisiert und ggf. mit Anlagenmeldungen von Betriebsführern nochmals verfeinert. Den täglichen Handel setzen dann bei in.power tätige und von der Strombörse ausgebildete Börsenhändler um. Bei einer Clearing-Bank wurden hohe Sicherheitsbeträge hinterlegt, um die Handelsgeschäfte abzusichern. in.power hat im operativen Vermarktungsprozess eine Reihe von Aufgaben, die - hier chronologisch gegliedert - zu bewältigen sind: 1. Erstellung des täglichen Handelsgebots (ggf. auf Basis von Prognosen) an der EPEX SPOT bis 12:00 Uhr für den Folgetag mit Hilfe einer von der EPEX bereitgestellten Software. 2. Auswertung der Handelsergebnisse ab ca. 12:45 Uhr für den Folgetag. 114 3. Übermittlung des Erzeugungsfahrplans bis 14:30 Uhr an den betroffenen Übertragungsnetzbetreiber für den Folgetag mit Hilfe einer von den ÜNB zur Verfügung gestellten Software. 4. Gegebenenfalls Korrektur des Handelsgebots und des Fahrplans im sogenannten Intraday-Markt, wenn die Stromproduktion unterbrochen ist. 5. Gegebenenfalls Korrektur der gehandelten Mengen im sogenannten IntradayS (AfterDay)-Markt. Sofern bekannt wird, dass die Biogasanlage nicht die zuvor angemeldete Energiemenge erbringt (z.B. auf Grund eines technisch bedingen Ausfalls), teilt der Anlagenbetreiber dies in.power umgehend mit. Wenn die Erzeugungsänderung nicht mehr im Day-Ahead Handel berücksichtigt werden kann, müssen die nicht produzierten Mengen im Intraday-Markt zurückgekauft werden. Dies kann bis 45 Minuten vor der Lieferung durchgeführt werden. Hierbei sind meist höhere Preise als im Day-Ahead Markt üblich, wodurch zusätzliche Kosten entstehen können. Gleichzeitig ist nicht zu 100 % gewährleistet, dass die benötigen Mengen für den entsprechenden Zeitraum angeboten werden, da die Liquidität des Intraday-Markts geringer ist als die des Day-Ahead Markts. Die vom Anlagenbetreiber gemeldeten Wartungsarbeiten bzw. Ausfälle sind also aus finanzieller und bilanzkreisvertraglicher Sicht für in.power von enormer Bedeutung. Deshalb wurde auch regelmäßig Kontakt zwischen dem Anlagenbetreiber und in.power gehalten. Eine definierte Informations- bzw. Eskalationskette wurde mit dem Betreiber abgesprochen, um bei Ausfällen die finanziellen Einbußen in ihrer Wirkung abzuschwächen. Als problematisch zeigte sich bereits im Day-Ahead Markt der Umstand, dass Energiemengen immer nur in 0,1 MW-Schritten gehandelt werden können. Daher konnten nicht 526 kW verkauft werden, sondern lediglich 500 kW. Für die verbleibenden 26 kW mussten von Beginn an Ausgleichsenergiekosten in Kauf genommen werden. Dieses Mengen- bzw. Strukturrisiko liegt vollständig bei in.power. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass bei der Stromproduktion der Biogasanlage Zilly trotz der Eigenschaft eines steuerbaren Erzeugers teilweise erhebliche Schwankungen aufgetreten sind (siehe Abbildung 52). 115 Abbildung 52: Stromproduktion der Biogasanlage Zilly im Juni 2012 (in kW) So waren nicht nur Abweichungen im 100 kW-Bereich fast „normal“, sondern es waren sogar mehrfach technisch bedingte mehrtätige Ausfälle mit vollständigem Produktionsstillstand aufgetreten. Im Zeitraum vom 12. bis 15.06.2012 wurde gar kein Strom produziert. Leider wurde in.power dieser Ausfall erst am späten Vormittag des 13.06. mitgeteilt. Zu diesem Zeitpunkt war die vollständige Produktionsmenge vom 12. Juni zwischen 11 und 24 Uhr (13 * 0,5 MWh = 6,5 MWh) bereits gehandelt und konnte nicht mehr korrigiert werden. Auch der Zeitraum zwischen 0 und 12 Uhr war bereits vollständig „in die Ausgleichsenergie gelaufen“. Erst am 13.06.2012 konnten dann die Mengen für diesen Tag im Intraday-Handel korrigiert werden. Es zeigte sich also, dass auch der Intraday-Markt in einzelnen Situationen nicht ausreicht, um den Auswirkungen kurzfristiger Produktionsausfälle oder -schwankungen entgegenzuwirken. Daher wurde bei in.power auch der Zugang zum IntradayS-Handel eingerichtet, um auch am Folgetag Über- bzw. Unterdeckungen des Bilanzkreises auszugleichen und damit den Anforderungen aus dem Bilanzkreisvertrag mit dem Übertragungsnetzbetreiber gerecht zu werden. Der Vertrag sieht u.a. vor, dass in.power als Bilanzkreisverantwortlicher dafür zu sorgen hat, dass Abweichungen im Bilanzkreis korrigiert werden und eine ausgeglichene Viertelstunden-Leistungsbilanz vorliegt. Im IntradayS-Markt wurden bereits mit einzelnen Händlern (sog. „Counterparts“) entsprechende Rahmenverträge geschlossen, um nachträgliche Handelskorrekturen durchführen zu können. Grundsätzlich ist die Direktvermarktung ein sehr effektiver Schritt für die Marktund Systemintegration der erneuerbaren Energien. Allerdings ist die Direktvermarktung von Biogasanlagen seitens des EEG 2012 momentan nicht sehr attraktiv. Die 116 gesetzlich festgelegte Managementprämie ist derzeit nicht ausreichend und müsste von 3 €/MWh in 2012 um ca. 1 - 2 €/MWh erhöht werden, um die Risiken bei den Händler abzuschwächen und gleichzeitig mehr Anlagenbetreiber für dieses Vermarktungsmodell zu gewinnen. Die Erfahrungen beim Handel der Biogasanlage Zilly haben gezeigt, dass - obwohl die Anlage im Vergleich zu Wind- oder Photovoltaik-Anlagen relativ gleichmäßig produziert und keinen wetterbedingten Schwankungen unterworfen ist - beim Handel stets Abweichungen zwischen gehandelten und produzierten Energiemengen bestehen. Dies hat wie beschrieben auch systemtechnische Gründe beim Handel am Spotmarkt der EPEX. Ein weiterer Ansatzpunkt ist die heute noch nicht-flexibilisierte Stromproduktion der Biogasanlage Zilly. Dies hat zur Folge, dass die Vermarktung der Strommengen an der Börse noch nicht gezielt zu Hochpreiszeiten mit großem Strombedarf geschieht. Dem könnte mit einer Flexibilisierung entgegengewirkt werden, indem z.B. durch den Zubau eines Gasspeichers an der Anlage die Stromproduktion verlagert würde. Eine dadurch bedarfsgerechtere Produktion würde nicht nur bei der Entlastung der Netze helfen, sondern es auch dem Händler ermöglichen, höhere Erlöse zu erzielen, die wiederum dem Anlagenbetreiber zu Gute kommen. Es ist daher anzustreben, zukünftig die Stromproduktion von Biogasanlagen zu flexibilisieren. Die Direktvermarktung bietet mit der Flexibilitätsprämie (§ 33 i EEG 2012) bereits heute einen gesetzlich geregelten Anreiz, bestehende Anlagen um Gasspeicher und andere Komponenten zu erweitern. Allerdings wird die Flexibilitätsprämie derzeit nur bei ca. 15-20 Biomasseanlagen in Deutschland genutzt (ISI, 2012), da die wirtschaftlichen Anreize zu gering für den technisch erheblichen Aufwand sind. Bei der Biogasanlage Zilly wäre der Einbau eines zusätzlichen Speichers grundsätzlich denkbar. Dies würde den Integrationsgrad der Anlage in den Strommarkt nochmals steigern und damit auch zur Flexibilisierung des Gesamtstrommarkts im Hinblick auf Angebot und Nachfrage beitragen. 4.6 Strategien zur dezentralen Stromversorgung Neben einer Direktvermarktung erneuerbar erzeugter Energie an Großhandelsmärkten wurden im Rahmen des Forschungsprojekts Strategien einer regionalen Vermarktung der dezentral erzeugten elektrischen Energie untersucht. In Abschnitt 4.6.1 wird betrachtet, inwiefern eine Versorgung der gesamten Modellregion Harz aus lokaler Erzeugung möglich ist. Dabei wird die technische und wirtschaftliche Machbarkeit einer Belieferung des Landkreises im Rahmen des Grünstromprivilegs untersucht und angenommen, dass ein Stromlieferant das Gesamtportfolio der Mo117 dellregion führt. Daneben werden in Kapitel 4.6.2 gesellschaftsrechtliche Bürgerbeteiligungsmodelle an erneuerbaren Erzeugungsanlagen diskutiert. Aufgrund der damit verbundenen Akzeptanzsteigerung bei der Bevölkerung wirken Bürgerbeteiliungsmodelle wie ein Motor für die Energiewende. Da es für die Endkunden attraktiv ist, den regional erzeugten Strom per Liefervertrag zu beziehen, wird eine unmittelbare Belieferung in Abschnitt 4.6.3 aus gesetzlicher und wirtschaftlicher Sicht am Beispiel des Windparks Druiberg diskutiert. Der direkte Eigenverbrauch von Strom aus eigener Produktion beim Verbraucher (Prosumer) wird abschließend in Abschnitt 4.6.4 anhand einer hauseigenen Solaranlage beleuchtet. 4.6.1 Selbstversorgung Landkreis Harz (technische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen) 4.6.2 Bürgerbeteiligung an Stromerzeugung und –vertrieb 4.6.3 Direktbelieferung von Endkunden am Beispiel des Windparks Druiberg 4.6.4 Selbstversorgung eines Haushalts mit Solarenergie 4.6.1 Selbstversorgung Landkreis Harz Der steigende Anteil der erneuerbaren Energien in der Stromerzeugung führt zu einer zunehmend dezentralen Energieversorgungsstruktur. Klein- und mittelständische Energieversorger setzen sich häufig auch in Zusammenhang mit einem hohen energiepolitischen Engagement in Städten und Regionen das Ziel, höhere Investitionen in die erneuerbare Energieerzeugung zu tätigen und sich energiewirtschaftlich unabhängiger zu machen. Der Anteil der eigenen Versorgung ist dabei eine zentrale Bezugsgröße. Eine unmittelbare Integration der erneuerbaren Energien in Portfolios von Energieversorgern wird auch mit dem Grünstromprivileg (§ 39 EEG) unterstützt. Ein hoher Anteil an Windenergie erfordert ein hohes Maß an Absicherung im Portfolio, z.B. durch Optionen. Teilweise kann diese Absicherung durch eigene Erzeuger und Speicher, die flexibel eingesetzt werden können, geleistet werden. Zudem können diese Anlagen dazu beitragen, die Auflagen des Grünstromprivilegs einzuhalten, indem sie ergänzend zur volatilen Erzeugung eingesetzt werden. Der Einfluss verschiedener flexibler Kapazitäten in Ergänzung zur volatilen Stromerzeugung wird im Folgenden aufgezeigt. Dazu wird im Rahmen der Modellregion die gesamte Erzeugung und Last im Landkreis Harz in einem Bilanzkreis untersucht. Die Residuallast, die hier die Differenz aus dem Stromverbrauch und der Stromerzeugung aus Windenergie, fester Biomasse, Photovoltaikanlagen und Laufwasserkraftwerken beschreibt, wird durch den Einsatz der flexiblen Kapazitäten geglättet. Zum 118 Vergleich einer regionalen mit einer deutschlandweiten Optimierung wird zusätzlich ein Anlageneinsatz berechnet, der die bundesweite Residuallast glättet. Der Anlageneinsatz wird mit RedSim (vgl. Abschnitt 4.5.2) berechnet. Die Glättung der Residuallast wird in einer Einsatzplanung über die Varianzminimierung der Residuallast realisiert. Dieses quadratische Optimierungsproblem wird durch ein lineares Optimierungsverfahren angenähert (Hochloff, 2012). Die Untersuchungen erfolgen anhand der drei Leitszenarien 2008, 2020 und 100 % EE (vgl. Abschnitt 4.3). Für diese Szenarien werden je vier Konfigurationen untersucht, in denen der Anlagenpark zunehmend flexibilisiert wird. Die in den Konfigurationen (Kfg.) verwendeten Anlagentypen und deren Dimensionierung sind in Tabelle 12 enthalten. Es sind jeweils die elektrische oder thermische Nennleistung PN,el bzw. PN,th oder die Speicherkapazität E vorgegeben. Die Größen sind z. T. abhängig von der durchschnittlichen Stromerzeugung PBiogas der Biogasanlagen bzw. des gesamten Szenarios ̅̅̅̅̅̅̅̅̅̅̅ und von der durchschnittlichen Wärmelast ̅ . Konfiguration 1 entspricht der Referenz ohne flexible Kapazitäten. In Konfiguration 2 werden die Biogas- und die KWK-Anlagen flexibilisiert sowie Wärmepumpen als flexible Lasten in die Wärmeversorgung eingebunden. In Konfiguration 3 wird zusätzlich das Pumpspeicherwerk Wendefurth hinzugezogen. In Konfiguration 4 wird eine Power-to-Gas-Anlage als flexibler Stromverbraucher integriert. Typ Komponente Dimension Biogas Blockheizkraftwerk PN,el = ̅̅̅̅̅̅̅̅̅ x 2 Gasspeicher E = PN,el x 6 h KWK Wärmespeicher Eingesetzt in Kfg. 2, 3, 4 E= ̅x6h 2, 3, 4 Wärmepumpe PN,th = PKWK,th, Wärmekennzahl = 3,5 2, 3, 4 Pumpe Pumpspeicherwerk Turbine Speicher PN,el = 2 x 36 MW PN,el = 2 x 40 MW E = 523 MWh, = 71 % 3, 4 Power-to-Gas* PN,el = ̅̅̅̅̅̅̅̅̅̅̅ x 0,25 4 Druckelektrolyseur Tabelle 12: Flexible Anlagen, Dimension der Komponenten und Szenarienkonfiguration * Beschreibung der technischen Parameter in (Hochloff, 2012) bzw. (Härtel, 2012) Ein zweiwöchiger Ausschnitt des berechneten Fahrplans für das Szenario 2020 ist in der dritten Konfiguration in Abbildung 53 dargestellt. Die obere Grafik zeigt den unflexiblen Stromverbrauch der Modellregion zuzüglich des Wärmepumpen- und 119 Pumpstromverbrauchs. Die mittlere Grafik zeigt die unflexible (Laufwasser, Biomasse, Photovoltaik, Wind) und die flexible Erzeugung (Biogas, KWK und PSW-Turbine). In der unteren Grafik ist die Residuallast dargestellt. Die blaue Linie ergibt sich aus der Differenz zwischen unflexiblem Stromverbrauch und unflexibler Stromerzeugung. Die Auswirkungen durch den Einsatz der flexiblen Kapazitäten sind anhand der roten Linie zu erkennen, die die Differenz der gesamten Erzeugung vom gesamten Verbrauch darstellt. 200 P Ver [MW] 300 100 unregelbarer Verbrauch PSW Pumpe Wärmepumpen 0 300 Lauf wasser Photov oltaik Wind P Erz [MW] Biomasse 200 Biogas 100 KWK PSW Gen Residuallast [MW] 0 100 0 -100 Unf lexibler Ver. - unf lexible Erz. -200 Mar-04 Mar-06 Mar-08 Mar-10 Gesamter Ver. - gesamte Erz. Mar-12 Mar-14 Mar-16 Datum Abbildung 53: Ausschnitt der Last-, Erzeugungs- und Residuallastprofile im Szenario 2020 in Konfiguration 3 des Anlagenparks Zur Auswertung der optimierten Zeitreihen wird der Anteil der Selbstversorgung am gesamten Stromverbrauch (SVA) und der Anteil des Eigenverbrauchs an der gesamten Stromerzeugung (EVA) bestimmt (Schreiber, 2012a). Verglichen werden für die verschiedenen Konfigurationen des Weiteren die maximalen und minimalen vertikalen Netzlasten, die auch als maximale Stromimporte in die Region und Stromexporte aus der Region bezeichnet werden können. Die berechneten Jahresbilanzen werden in Abbildung 54 dargestellt. 120 1 0.8 0.8 Eigenverbrauch Selbstversorgungsanteil 1 0.6 0.4 0.2 0 2008 2020 100 % EE 0.6 0.4 0.2 0 2008 2020 100 % EE 0 200 Konfiguration 1 Konfiguration 2 2008 Konfiguration 3 Konfiguration 4 Konfiguration 3, BRD 2020 100 % EE -1000 -800 -600 -400 -200 positive und negative Residuallastspitzen [MW] Abbildung 54: Residuallastspitzen, Selbstversorgungs- und Eigenverbrauchsanteil Der Selbstversorgungsanteil in Szenario 2008 beträgt rund 35 %. Der im Landkreis Harz erzeugte Strom wird dabei fast vollständig in der Region verbraucht. Das Grünstromprivileg kann in diesem Szenario nicht angewendet werden, da der geforderte Mindestanteil von 50 % erneuerbare Energien vom Verbrauch im gesamten Jahr verfehlt wird. In dem 100 % EE-Szenario, das eine vollständige Energieversorgung Deutschlands aus erneuerbaren Energien vorsieht, trägt der Landkreis Harz durch hohe Exporte zur gesamten Stromversorgung bei. Der eigene Verbrauch der im Landkreis Harz erzeugten Energie sinkt dann auf 40 % und 50 % und wird nur mit der Hinzunahme industrieller Lasten, wie z.B. einer Power-to-Gas-Anlage, signifikant erhöht. Durch solche zusätzliche Lasten können die Spitzen der Exportleistung deutlich reduziert werden. In Verbindung mit einer geringen Abregelung der Erzeugung lassen sich hohe Kapazitäten für den Netzausbau einsparen (Schreiber, 2012b). Die Reduktion der Exportspitzen ist zudem abhängig von der Betriebsweise flexibler Erzeugungskapazitäten und Speicher. Die Optimierung des Einsatzes nach der bundesweiten Residuallast in den Szenarien 2008 und 2020 zeigt, dass dadurch die Exportleistung deutlich erhöht wird. Beim Szenario 2020 beträgt der Selbstversorgungsanteil ca. 60 % im gesamten Jahr. Der im Grünstromprivileg geforderte Mindestanteil von 50 % erneuerbarer Energien wird im gesamten Jahr eingehalten. Die Einhaltung der Anforderung für 121 die einzelnen Monate (siehe Abbildung 55) hängt von der Nutzung flexibler Kapazitäten ab. In der Referenzkonfiguration ohne flexible Kapazitäten wird nur in sieben Monaten der Anteil von 50 % erreicht. Durch die Flexibilisierung der Biogasanlagen wird in acht Monaten der Anteil von 50 % erneuerbarer Energien erfüllt. Durch den Einsatz des Pumpspeicherwerks liegt der Anteil in 10 Monaten des Jahres über 50 %. Der Mindestanteil von 20 % Stromerzeugung aus Wind- und Solarenergie wird in allen Monaten eingehalten. 1 Selbstversorgungsanteil Referenz Flexible Biogasverstromung PSW und flexible Biogasverstromung 0.5 0 Jan Feb Mar Apr May Jun Jul Aug Monat im Jahr 2020 Sep Oct Nov Dec Abbildung 55: Monatlicher Selbstversorgungsanteil in Abhängigkeit des Anlagenparks Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der Versorgung des Landkreises Harz nach Grünstromprivileg Auf Basis der obigen Mengenbetrachtung wird in der folgenden Tabelle 13 die Wirtschaftlichkeit des Grünstromprivilegs im Vergleich zu einer reinen Börsenbewirtschaftung untersucht. Im ersten Block sind dabei der Marktwert und der spezifische Preis zur Börsenbewirtschaftung der Last aufgetragen. Die alternative Bewirtschaftung nach Grünstromprivileg mit den dazugehörigen Kosten ist im zweiten Block der Tabelle dargestellt. Die benötigten EEG-Strommengen (Wind, PV, Biomasse und Biogas) sind dabei mit der jeweiligen durchschnittlichen EEG-Vergütung (Leitszenario) bepreist. Die Energiekosten der Biogasanlage beinhalten bereits Zahlungen über die Flexibilitätsprämie. Zum Vergleich ist der EPEX SPOT Marktwert des EEGStroms ebenfalls in der Tabelle aufgeführt. Im dritten Block der Tabelle ist die optimale PSW-Bewirtschaftung zur Einhaltung der vorgegebenen Prozentsätze dargestellt. Da die Stromproduktion im Landkreis Harz nicht vollständig und zu jeder Zeit mit der Last übereinstimmt, sind noch Stromimporte und –exporte notwendig. Die daraus resultierenden Kosten bzw. Erlöse sind im letzten Block aufgeführt. 122 Börsenbewirtschaftung Energie [MWh] I II EPEX SPOT Marktwert [€] Ø EEG Vergütung [€/MWh] Energiekosten [€] Last 1.242.600 87.960.000 70,79 Wind 620.110 36.523.000 58,90 80,63 49.999.469 PV 96.621 7.804.700 80,78 424,80 41.044.601 Wasser 29.014 1.801.800 62,10 73,60 2.135.430 Biomasse 15.567 1.197.100 76,90 174,00 2.708.658 Biogas 82.560 5.952.100 72,09 175,30 17.046.128 Pumpen PSW 101.750 8.247.900 72.424 12.477.000 III Turbinen PSW Speicherbilanz IV EPEX SPOT spez. Preis [€/MWh] Grünstromprivileg 4.229.100 Import 541.830 40.267.000 Export 113.740 5.756.100 Gesamtkosten 151.674.287 Tabelle 13: Mengen- und Kostenanalyse zur Versorgung des Landkreises Harz nach Grünstromprivileg Aus den obigen Gesamtkosten lassen sich die in der folgenden Tabelle 14 aufgeführten Endkundenstrompreise für die Modelle mit und ohne Grünstromprivileg ableiten. Die im EEG 2013 festgeschriebene maximale Reduktion um 2 ct/kWh reicht jedoch nicht aus, um einen vergleichbaren Endkundenstrompreis zur reinen Börsenbewirtschaftung umzusetzen. 123 Endkunden-strompreis ohne GP [ct/kWh] Endkunden-strompreis mit GP gemäß EEG 2012 [ct/kWh] Energiekosten 7,079 12,206 Netznutzung 5,500 5,500 EEG-Umlage 3,592 1,592 KWK-Umlage 0,002 0,002 Stromsteuer 2,050 2,050 Sonderkundenumlage 0,151 0,151 Konzessionsabgabe 1,790 1,790 Mehrwertsteuer 3,831 4,425 Summe 23,99 27,72 Kostenbestandteile Tabelle 14: Zusammensetzung des Endkundenpreises (LK Harz typisch für 2012) bei der Versorgung nach Grünstromprivileg Zur Bewertung des Ergebnisses gilt es zu beachten, dass die zur Grunde liegenden Börsenpreise aus dem Jahr 2008 im Jahresvergleich sehr hoch waren. Des Weiteren wurden die operativen Kosten der Endkundenversorgung, des Handels (Gebühren, Einrichtung, Personal), der Prognosen und Portfoliobewirtschaftung (Ausgleichsenergie) bei der Berechnung nicht berücksichtigt. Eine Vertriebsmarge ist ebenfalls in beiden Modellen nicht berücksichtigt worden. Abschließend lässt sich festhalten, dass die Versorgung mittels Grünstromprivilegs unter den heutigen Rahmenbedingungen keine Alternative für den Landkreis Harz darstellt. 4.6.2 Bürgerbeteiligung an der Stromerzeugung Neben den ökonomischen und technischen Belangen der erneuerbaren Energien, setzt der Erfolg der Energiewende eine hohe Akzeptanz der Bürger voraus. Dies wird umso wichtiger, als EE-Anlagen in der Fläche errichtet werden und damit eine Vielzahl an Bürgern vor Ort betreffen. Zahlreiche Beispiele belegen, dass eine offene und weitreichende Einbindung der Bürger zu Beginn des Planungs-prozesses, wie z.B. bei der Standortwahl und Dimensionierung der Anlage, genauso wie die Beteiligung Betroffener an der ökonomischen Wertschöpfung der Anlage die Akzeptanz wesentlich beeinflussen. Für erfolgreiche Umsetzung der Energiewende gilt es deshalb, adäquate Beteiligungskonzepte zu entwickeln und zu praktizieren. Im Rahmen des Arbeitspakets Geschäftsmodelle wurden daher – ergänzend zur regionalen Direktvermarktung – die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmen-bedingungen einer unternehmerischen Beteiligung von Bürgern an Energieprojekten anhand ausgewählter Praxisbeispiele untersucht. 124 Abbildung 56: Bewertung von Beteiligungsmodellen Grundlage der Studie bilden die Definition und Abgrenzung von Bürgerenergieprojekten sowie Bewertungskriterien einer optimalen Bürgerbeteiligung. Die Gegenüberstellung untersuchter Beteiligungsmodelle wurde anhand von Netzdiagrammen visualisiert (vgl. Abbildung 56). Jede Netzachse zeigt unter Verwendung einer einheitlichen Skalierung die Ausprägung des analysierten Kriteriums für das jeweilige Praxisbeispiel. Grundsätzlich gilt: je größer die von den Netzlinien umschlossene Innenfläche, desto größer der Mehrwert der Beteiligungskonstruktion für die Bürger. Eine stärkere Ausprägung der Aspekte rechts der gestrichelten Linie zeugt von einer Unternehmens-struktur, die verstärkt auf eine breite, regionale Beteiligung setzt, während die Kriterien links der Linie den ökonomischen Nutzen des einzelnen Teilhabers betonen. Bürgerenergieprojekte Kennzeichnend für Bürgerenergieprojekte ist, dass betroffene Bürger mehrheitlich, unternehmerisch und wirtschaftlich beteiligt sind und die Betreibergesellschaft ihren Sitz in der Standortregion der Anlage hat. Diese Voraussetzungen können u.a. durch die Wahl einer geeigneten Rechtsform für ein Bürgerunternehmen, die Ausgestaltung demokratischer Entscheidungsstrukturen, die Anteilsausgabe mit niedriger Mindestbeteiligung und ein ausgewogenes Rendite-Risiko-Verhältnis erfüllt werden. Durch Bürgerenergieanlagen profitieren Bürger und Standortgemeinde von der ökonomischen und sozialen Wertschöpfung, die durch den Anlagenbetrieb generiert wird. Regionale Wertschöpfungs-effekte ergeben sich dabei bei Planung, Installation, Betrieb, Wartung und Finanzierung erneuerbarer Energieanlagen und den weiteren damit indizierten Werten wie der zusätzlichen Kaufkraft der regiona- 125 len Akteure. Diese entstehen durch die Nettogewinne beteiligter Unternehmen, die Nettoeinkommen beschäftigter Mitarbeiter sowie zu entrichtende Steuerabgaben. Für die Bürger ist es interessant, den vom Bürgerunternehmen produzierten Strom direkt per Liefervertrag beziehen zu können. Dies ist derzeit allerdings nur in Sonderfällen wirtschaftlich umsetzbar (s. Kapitel 4.6.3). Bürgerbeteiligungsmodelle Für die Realisierung eines Bürgerenergieprojekts bedarf es der Gründung einer Betreibergesellschaft, an der sich Bürger als Mitunternehmer beteiligen. Die Wahl der Rechtsform wirkt sich maßgeblich auf die Rahmenbedingungen der Beteiligung aus und betrifft Verwaltungsaufwand, Mitspracherechte, Haftungsübernahme, Flexibilität bei Ein- und Austritten sowie Versteuerung der Unternehmensgewinne. Die Untersuchung praktizierter Bürgerbeteiligungsmodelle hat gezeigt, dass sich als Rechtsform der Betreibergesellschaft sowohl die GmbH & Co.KG als auch die Genossenschaft eignen. Risikoarme, kleine Projekte wie z.B. PV-Anlagen lassen sich auch unter dem Dach einer GbR verwalten. a) Beteiligung als Gesellschafter einer GmbH & Co. KG Als gängigste Rechtsform für Bürgerenergieparks hat sich seit den 90´er Jahren die GmbH & Co. KG etabliert. Durch den Erwerb von Kommanditanteilen werden die Bürger Miteigentümer der Anlagen, haften aber nur beschränkt im Falle möglicher Verluste in Höhe ihrer Einlage. Üblich ist es, die finanziellen Mittel für Errichtung und Betrieb in einen geschlossenen Fonds zusammenzutragen, der innerhalb eines festgelegten Zeitraums gezeichnet werden kann. Die Einlage ist in der Regel über eine feste Laufzeit gebunden. Ein Austritt aus der Gesellschaft ist somit meist nur mit Verkauf der Anteile und notarieller Unterstützung möglich. Die Rolle des haftenden Komplementärs der Kommanditgesellschaft wird von der GmbH übernommen. Eine GmbH kann auch Komplementär mehrerer Kommanditgesellschaften sein. Meist sind die Initiatoren des Projekts auch Gesellschafter der GmbH und somit berechtigt Geschäftsführung und Vertretung der Betreibergesellschaft zu übernehmen. Auch hier kann die Haftung der GmbH-Gesellschafter auf deren Kapitaleinlage beschränkt werden. Die Mitverwaltungsrechte der Kommanditisten sind im Gesellschaftsvertrag vereinbart. Dabei wird das Stimmrecht meist in Abhängigkeit der finanziellen Einlage vergeben. Für die Ausgabe von mehr als 20 Geschäftsanteilen, unterhalb einer Beteiligungssumme von 200 Tsd. Euro, ist ein Verkaufsprospekt des Wertpapiers aufzusetzen. Dieser informiert den Anleger über die Rahmenbedingungen und Risiken seiner Beteiligung. Vor dem öffentlichen An126 gebot des Anlageprodukts muss der Prospekt bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vorgelegt und von dieser freigegeben werden. Der Herausgeber haftet dabei für die Richtigkeit des Prospektinhalts. b) Beteiligung als Mitglied einer Energiegenossenschaft Speziell wenn große Teile der regionalen Bürgerschaft flexibel an Projekten der kommunalen Energie-wende beteiligt werden sollen, ist die Genossenschaft eine geeignete Unternehmensform. Durch den Erwerb von Geschäftsanteilen werden die Bürger Mitglieder und Miteigentümer der Gesellschaft. Ein- und Austritte sind problemlos durch Beitrittserklärung bzw. Kündigung ohne notarielle Mitwirkung oder Unternehmensbewertungen möglich. Steuerrechtliche Nachteile der Genossenschaft können im Vergleich zu Personengesellschaften durch die Ausgabe einfach besteuerter Darlehen an die Mitglieder vermindert werden. Sind die Mitglieder der Genossenschaft auch zugleich deren Kunden und beziehen den gesamten oder einen Teil ihres Stroms von den Energieanlagen der Genossenschaft, kann zudem der steuerliche Vorteil einer Rückvergütung genutzt werden (vgl. § 22 KStG). Unabhängig von der Einlagenhöhe erhält jedes Mitglied nach dem Prinzip „Ein Mensch – eine Stimme“ Mitspracherechte. Dies ermöglicht die demokratische Einbindung vieler Bürger und stellt die Förderung aller Mitglieder über die Interessen Einzelner. Genossenschaftlich organisierte Energieprojekte stehen daher in einem übergreifenden Zusammenhang von Klimaschutz und kommunaler Lebensqualität. Die Einbindung eines hohen Bevölkerungsanteils der Standortregion der Energieanlagen trägt maßgeblich zur Akzeptanz der erneuerbaren Erzeugungsanlagen bei. Aus diesem Grund sind Bürgerenergie Genossenschaften für die CUBE Engineering und in.power ein entscheidendes Geschäftsmodell für den Betrieb von erneuerbaren Erzeugungsanlagen. c) Dachgesellschaften zur Finanzierung von Großprojekten Hohe Investitionsvolumina, die Beteiligung eines großen Anteils der regionalen Bevölkerung sowie verschiedener Akteure oder auch die Nutzung kommunaler Flächen mehrerer Gemeinden erfordern Geschäftsmodelle, die eine Einbindung unabhängiger juristischer Personen unter dem Dach einer Betreibergesellschaft ermöglichen. Denkbare Konstellationen sind dabei eine GmbH & Co. KG als Dach-Gesellschaft, an der sich Bürgerunternehmen als Kommanditisten beteiligen oder eine MetaGenossenschaft, deren Mitglieder einzelne Energiegenossenschaften sind. Der Unterschied der Unternehmensmodelle besteht in der steuerlichen Behandlung ihrer 127 Gewinne, ihrer verwaltungsrechtlichen Struktur und dem Stimmgewicht beteiligter Bürger. Ist die Dach-Gesellschaft eine GmbH & Co. KG, können mehrere Bürgerunternehmen über Kommanditanteile an Investition und Betrieb der Anlagen beteiligt werden. Auch Großinvestoren oder Kommunen – letztere je nach Landesrecht zur wirtschaftlichen Betätigung – können Anteile erwerben. Dabei sollte die Mehrheit in der Hand der Bürger liegen. Andernfalls profitieren die Bürger zwar finanziell, erhalten aber nur geringen Einfluss auf Entscheidungen der Dachgesellschaft. Die Meta-Genossenschaft eignet sich insbesondere für interkommunal angelegte Energieprojekte zur Einbindung mehrerer regionaler Energiegenossenschaften in einer übergreifenden Projektgesellschaft. Nach dem Genossenschaftsprinzip erhalten alle beteiligten Mitgliedsunternehmen unabhängig ihrer finanziellen Beteiligung eine Stimme bei Unternehmensentscheidungen der Generalversammlung. Grundsätzlich könnten der Meta-Genossenschaft auch nicht-genossenschaftlich organisierte Unternehmen, Privatpersonen oder Kommunen beitreten. Aus Bürger¬-Sicht ist darauf zu achten, dass die Stimmenmehrheit bei den Genossenschaften liegt, die regionale Bürger beteiligen. Aus steuerrechtlichen Gründen – aber auch wegen den schlanker gehaltenen Verfahren zur Mitbestimmung – ist in vielen Fällen die GmbH & Co. KG als DachGesellschaft einer Meta-Genossenschaft vorzuziehen. d) Bürgerbeteiligung am Risikokapital der Projektentwicklungsphase Für den Erhalt einer Baugenehmigung von erneuerbare Energieanlagen sind – insbesondere bei der Projektierung von Windenergieanlagen – umfangreiche, kostenintensive Standortuntersuchungen und Gutachten durchzuführen. Die Kosten der Planungsphase vor Genehmigungserteilung können nur bei einer positiven Bewertung des Vorhabens durch das zuständige Bauamt amortisiert werden. Im Vorfeld der Genehmigung getätigte Zahlungen sind Risikokapital, dessen Finanzierung sich in der Regel schwierig gestaltet. Es empfiehlt sich zu Beginn der Planung eine eigenständige Projektentwicklungsgesellschaft zu gründen, in die ein kleinerer Kreis an Bürgern, der sich zukünftig an den Anlagen beteiligen möchte, Risiko-¬Anteile einbringt. Als juristische Form der Gesellschaft eignet sich grundsätzlich eher die GmbH oder die GmbH & Co. KG. Bei Genossenschaften hingegen besteht die Gefahr, durch den Einsatz von Risikokapital, den gesetzlich verankerten Förderzweck der Mitglieder zu verletzen. 128 e) Zusammenfassende Ergebnisse Der Vergleich praktizierter Gesellschaftsmodelle hat gezeigt, dass Bürgerenergieprojekte sowohl ökonomischer als auch regional-sozialer Motivation sind. Dabei wurden die untersuchten Beteiligungsmodelle anhand entwickelter Bewertungskriterien hinsichtlich ihrer Eignung für eine Bürgerbeteiligung gegenübergestellt und die Ergebnisse anhand von Netzdiagrammen visualisiert Abbildung 57 und Abbildung 58 zeigen – auszugsweise – die Bewertung zweier Bürgerwindgesellschaften, die sich unter der Rechtsform der GmbH & Co. KG oder der Genossenschaft organisieren. Die Untersuchung verschiedener Praxisbeispiele zeigt, dass die GmbH & Co. KG eher die Umsetzung ökonomischer Interessen der Beteiligten (links der Linie) begünstigt, wobei die Rechtsform der Genossenschaft eine gleichberechtigte, flexible Einbindung vieler Bürger auch mit kleineren Geldbeträgen vorsieht (Erfüllung regionalsozialer Aspekte rechts der Linie). Abbildung 57: Beteiligungskonstruktion Ingersheim und Umgebung eG 129 Abbildung 58: Beteiligungskonstruktion RothaarWind GmbH & Co.KG Eine gleichberechtigte Umsetzung ökonomischer und sozial-regionaler Interessen gelingt in der Praxis nur schwer. Nur durch das Engagement und die Übernahme von Planungsrisiken einzelner Initiatoren zu Gunsten der Gesellschaft können die Potenziale eines Bürgerwindprojekts voll ausgeschöpft werden. Ehrenamt und niedrige Geschäftsführungskosten sowie zeitintensive Informationsarbeit und Transparenz sind Grundvoraussetzung eines hohen Anteils regional- bürgerschaftlicher Beteiligung. Welches Beteiligungsmodell sich am besten für die Umsetzung eines Bürgerenergieprojekts eignet, hängt daher auch von der Bereitschaft der Initiatoren und Bürger ab, Haftung für den Projekterfolg zu übernehmen und Aufwand in einen größtmöglichen Gewinn für die Region zu investieren. Professionalisierung und Standardisierung der Projektierung sowie Vernetzung aktueller und zukünftiger Akteure einer demokratisch-solidarischen Energieversorgung helfen die Verbreitung von Bürgerenergieprojekten voranzutreiben. Neben der Beteiligung der Bürger als Eigentümer an erneuerbaren Stromerzeugungsanlagen, wurden im Rahmen des Forschungsprojekts die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen einer Direktbelieferung der Teilhaber oder naheliegender Haushaltskunden durch einen Windpark untersucht. 4.6.3 Direktbelieferung von Endkunden am Beispiel des Windparks Druiberg Am Beispiel des Windparks Druiberg wurde untersucht, welche rechtlichen Möglichkeiten sich Windparkbetreibern bieten, den erzeugten Strom direkt an Haushalte oder Gewerbe in der Region zu liefern. Die Wirtschaftlichkeit der untersuchten Modelle lässt sich, unter Berücksichtigung der Opportunitätskosten der Windparkbetreiber, anhand eines marktfähigen Endkundenpreises beurteilen. 130 Dem Windparkbetreiber bieten sich neben der Direktbelieferung an den Endkunden folgende Vermarktungsoptionen: 1. Einspeisung gemäß EEG-Festvergütung 2. Direktvermarktung an der Börse durch einen Stromhändler (mit EEGMarktprämie) 3. Vermarktung an einen Stromvertrieb zur Einbindung in ein Grünstromprodukt 4. Vermarktung von Regelleistung/Regelenergie Zwischen 2008 und 2011 stellte der Bezug der EEG-Festvergütung die für den Betreiber von Windenergieanlagen wirtschaftlichste Vermarktungsoption dar. Zudem war die Nutzung des Grünstromprivilegs gemäß EEG 2009 interessant, indem die elektrische Energie an einen Anbieter eines Grünstromprodukts für Endkunden vermarktet wird. Dies galt insbesondere für Anlagen, die gemäß EEG 2009 nur eine geringe Grundvergütung erhielten. Mit der Novellierung des EEG 2012 ist die Vermarktung der Windenergie über einen Stromhändler an der Strombörse EPEX unter Inanspruchnahme der Marktprämie die wirtschaftlichste Option für Anlagenbetreiber. Für die Vermarktung von Regelenergie konnten sich Windparkbetreiber im Projektzeitraum noch nicht präqualifizieren lassen (vgl. Kapitel 4.4 und 4.5). Die Belieferung von Haushaltskunden der umliegenden Kommunen mit Windstrom aus eigenen Anlagen war im Regelfall nicht wirtschaftlicher als die genannten Optionen. Die Herausforderung besteht in der Gestaltung eines attraktiven Endkundenpreises, der dennoch die derzeit höheren Einkaufskosten des Grünstroms deckt. Es ist daher zu untersuchen, in welcher Form Einsparungen der Kostenanteile des Grünstrompreises erzielt werden können. Ein vergleichbarer Haushaltskundenpreis setzt sich 2012, wie in Abbildung 59 dargestellt, aus den Kosten der Energieerzeugung, der Netznutzung, des Energievertriebs, der EEG-Umlage, der KWK-Umlage, der Stromsteuer, der Sonderkundenumlage, der Konzessionsabgabe und der Mehrwertsteuer zusammen. 131 Abbildung 59 : Typische Zusammensetzung des Haushaltskundenstrompreises im Jahr 2012 Im Allgemeinen wird eine Mindestkundenzahl, aufgrund einer entstehenden Fixkostendegression, erforderlich sein. Unter bestimmten Voraussetzungen (s.u.) ermöglichen die gesetzlichen Rahmenbedingungen die Befreiung von Strompreisbestandteilen, wie der Stromsteuer, der EEG-Umlage und den Netznutzungsentgelten, auf Seiten der Endkunden. Der Gesetzgeber fördert hiermit die Einhaltung der geforderten Bedingungen. Grundsätzlich gilt: Wer Strom an Letztverbraucher liefert, hat die gesetzlichen Auflagen zur Energielieferung zu erfüllen, dies ist damit verbunden, Umlagen und Steuern von Letztverbrauchern zu erheben und abzuführen (vgl. § 5 EnWG 2011). Ein vollständiges Vertriebsunternehmen zu führen ist sehr prozess- und personalaufwändig und mit den erwirtschafteten Erlösen durch die Vermarktung des Stroms eines Windpark an eine vergleichsweise kleine Kundenzahl, kaum eigenständig umsetzbar. Alternativ dazu bestehen Versorgungsmodelle zur Vermarktung regionalen Windstroms in Kooperation mit Dienstleistern und Händlern. Werden Haushaltskunden ausschließlich „innerhalb einer Kundenanlage oder eines geschlossenen Verteilernetzes sowie über nicht auf Dauer angelegte Leitungen“ beliefert, unterliegen diese nach § 5 EnWG nicht den Pflichten von Energieversorgungsunternehmen bei Belieferung von Haushaltskunden. Als Kundenanlage wird eine Anlage dabei nach § 3 Nr. 24a EnWG 2011 eingestuft, wenn diese für die Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bei der Versorgung mit Elektrizität unbedeutend ist. Gemäß § 33a EEG gilt der Stromvertrieb an Dritte nicht als Direktvermarktung, wenn der EE-Strom vom Endkunden in „unmittelbarer räumlicher Nähe zur Anlage“ verbraucht und nicht durch ein Netz der allgemeinen Versorgung geleitet wird. Unter bestimmten Voraussetzungen kann daher der Endkundens- 132 trompreis angemessen niedrig gestaltet werden, indem Möglichkeiten genutzt werden, Stromsteuer, EEG-Umlage und/oder Netzentgelte einzusparen. a) Befreiung von der Stromsteuer Um von der Stromsteuer befreit zu werden muss mindestens eine der im § 9 StromStG aufgeführten Bedingungen erfüllt sein und vom zuständigen Hauptzollamt bescheinigt worden sein. Dies ist der Fall, wenn der Windparkbetreiber den Strom aus Windanlagen mit jeweils bis zu 2 MW elektrischer Nennleistung erzeugt und im „räumlichen Zusammenhang“ zu diesen entnimmt - entweder zum Selbstverbrauch oder durch Letztverbraucher. Für den „räumlichen Zusammenhang“ gibt es keine festgelegte Definition, wobei bisher Entfernungen bis 4,5 km gerichtlich anerkannt wurden (vgl. BFH, 20.04.2004 – VII R 44/03). Weitere Entfernungen bedürfen im Einzelfall der individuellen Prüfung durch das Hauptzollamt. Weiterhin besteht eine Befreiung von der Stromsteuer für Strom aus erneuerbaren Energieträgern, wenn dieser aus einem ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Energieträgern gespeisten Netz oder einer entsprechenden Leitung entnommen wird. Dabei muss dieser Tatbestand, laut einer Untersuchung durch energy consult, nur bilanziell und nicht zeitgleich erfüllt sein. Dies ist mit hohen Investitionen und Betriebskosten, sowie im Einzelfall der Prüfung durch das Hauptzollamt verbunden. b) Befreiung von der EEG-Umlage Gemäß Eigenstromerzeugerprivileg (§ 37 Abs. 3 EEG 2012) ist eine Befreiung von der EEG-Umlage möglich, sofern der Windparkbetreiber den Strom im „räumlichen Zusammenhang“ zu der Stromerzeugungsanlage selbst verbraucht und die juristische Person des Anlagenbetreibers mit der des Stromabnehmers identisch ist. Es kommt nicht darauf an, wer Eigentümer der Stromerzeugungs-anlage ist, denn nach § 3 EEG 2012 ist Anlagenbetreiber, wer unabhängig vom Eigentum die Anlagen für die Stromerzeugung nutzt. Hier gilt es im Einzelfall zu prüfen, in welchem Rahmen eine Beteiligung an der Anlage seitens der Verbraucher ausreicht um das Kriterium der Eigenerzeugung zu erfüllen. Gemäß Grünstromprivileg (§ 39 EEG 2012) kann die EEG-Umlage auf 2,0 ct/kWh reduziert werden, sofern das Stromlieferportfolio anteilig 20 Prozent fluktuierende Energieerzeuger in mindestens acht Monaten des Kalenderjahrs enthält. Derzeit lässt sich dieses Modell nur für Anlagen in einer geringen Vergütungsstufe realisieren, um wettbewerbsfähig zu sein. Die Entwicklung im Jahr 2012 hat gezeigt, dass nur eine geringe Zahl an Stromvertrieben diese Alternative nutzt. 133 c) Befreiung von den Netznutzungsentgelten Sobald Strom durch ein öffentliches Netz geleitet wird, fallen Netznutzugsentgelte beim Verbraucher an. Gemäß § 110 EnWG müssen Netznutzungsentgelte nur dann nicht entrichtet werden, wenn der Strom innerhalb eines geschlossenen Verteilernetzes, in einem geografische abgegrenzten Gebiet, an Netzeigentümer, -betreiber oder mit diesem verbundene Unternehmen verteilt wird. Ein Beispiel wäre ein Industrieunternehmen, das einen eigenen Windpark mit direktem Kabel, das nicht über öffentlichen Grund geführt wird, anschließt. Ein Anlagenbetreiber hat die Möglichkeit, beim Netzbetreiber vermiedene Netznutzungsentgelte einzufordern, falls er die Anlage nicht in Direktvermarktung hat. 4.6.4 Selbstversorgung eines Haushalts mit Solarenergie Die Vergütung der Energie aus Photovoltaikanlagen liegt in Deutschland mittlerweile unter den Stromtarifen für Privatkunden. Damit kann der Besitzer der Anlage seine Stromrechnung senken, wenn er den erzeugten Strom selbst verbraucht. Prinzipiell lässt sich der Eigenverbrauch durch den Einsatz von Speichern weiter erhöhen. Bei überschüssiger Erzeugung wird der Speicher geladen und wieder entladen sobald die Erzeugung unter den Verbrauch sinkt. Diese Art des Speicherbetriebs macht den Verbraucher bzw. Anlagenbesitzer im Bilanzkreis eines Energieversorgers schwer kalkulierbar. Für einen koordinierten Speichereinsatz, der das Stromversorgungssystem unterstützt, besteht derzeit kein Anreiz. Im Folgenden wird dieser unkoordinierte Speicherbetrieb mit einer vorausschauenden Speicherplanung verglichen. Der Anteil des selbst verbrauchten Stroms bleibt durch diese Maßnahme unverändert. Der koordinierte Speicherbetrieb sieht vor, das resultierende Stromprofil des Kunden zu glätten. Das resultierende Stromprofil ist die Differenz aus dem Stromverbrauch des Kunden und der Stromerzeugung durch die Photovoltaikanlage. Das geglättete Stromprofil ist für einen Energieversorger besser planbar. Zudem werden durch die Reduktion der Erzeugungsspitzen die Spannungsprobleme im Niederspannungsnetz reduziert (Büdenbender, 2010). Der Unterschied zwischen dem koordinierten und einem unkoordinierten Betrieb wird anhand des eines real gemessenen, viertelstündigen Verbrauchs eines Haushalts in der Region Harz aufgezeigt. Für die Stromerzeugung der Photovoltaikanlage wird eine simulierte Einspeisezeitreihe verwendet. Der Jahresertrag der Photovoltaikanlage entspricht dem Jahresverbrauch des Haushalts. Die Speicherkapazität ist so gewählt, dass die maximale Erzeugungsleistung der Photovoltaikanlage über zwei Stunden eingespeichert werden kann. Der koordinierte Speichereinsatz wird mit RedSim berechnet. Ein einwöchiger Ausschnitt der beiden Betriebsweisen des Spei134 chers ist in Abbildung 60 dargestellt. Durch den koordinierten Speicherbetrieb lassen sich die Residuallastspitzen in ihrer Leistung senken und das Last- bzw. Einspeiseprofil des Endkunden glätten. Durch die Kopplung der Photovoltaikanlage mit dem Speicher wird der Selbstversorgungsanteil des Haushaltes von 31 % auf 65 % gesteigert. Durch ein optimiertes Speichermanagement lassen sich die maximalen Stromimporte und -exporte reduzieren, was das Stromversorgungssystem unterstützt aber bisher nicht vergütet wird. Durch die momentan hohen Investitionskosten für den Speicher und die geringe Kostendifferenz zwischen dem Solarstrom und dem Stromtarif des Energieversorgers ist insgesamt der Betrieb eines Speichers noch nicht wirtschaftlich. Sobald die Nutzung eines Speichers wirtschaftlich wird, sollte der Betrieb in ein virtuelles Kraftwerk eingebunden werden. Damit kann der Speicher zusätzlich zur Funktion im Haushalt für einen weiteren Beitrag im Energiesystem optimiert werden. Residuallast [kW] 4 2 0 PV Erzeugung -2 PV Eigenv erbrauch Batterie laden Batterie entladen -4 Netzeinspeisung Netzbezug 4 Verbrauch Residuallast [kW] Residuallast 2 0 -2 -4 Jul-17 Jul-18 Jul-19 Jul-20 Jul-21 Jul-22 Jul-23 Jul-24 Datum Abbildung 60: Gekoppeltes Batterie-PV-System. oben: unkoordinierter Speicherbetrieb, unten: koordinierter Speicherbetrieb 4.7 Steuerung von Biogasanlagen Im Rahmen des Projekts wurden mit Hilfe von Simulationen der Betrieb von Biogasanlagen und die Implementierung eines Einsatzoptimierungssystems innerhalb eines virtuellen Kraftwerks untersucht. Hierbei wurden die Auswirkungen des geänderten Betriebs auf die Wirtschaftlichkeit und auf die Anlagenkomponenten be- 135 trachtet. Des Weiteren wurde die Umsetzung der theoretisch erarbeiteten Erkenntnisse innerhalb von Feldtests an realen Biogasanlagen erprobt. 4.7.1 Simulation der Steuerung einer Biogasanlage Entsprechend dem EEG 2012, mit der Möglichkeit zur Nutzung der Flexibilitätsprämie, wurde für die Simulationen eine flexibilisierte Biogasanlage betrachtet. Die Simulationen wurden anhand eines Modells für eine Biogasanlage mit einer 500 kWel äquivalenten Gasleistung und einer installierten Erzeugungskapazität von 1 MWel durchgeführt. Als Substrat wurde hierbei eine Mischung aus Rindergülle, Maissilage und Weizenschrot verwendet. Die Flexibilisierung der Anlage ermöglicht ein Verlagerungspotenzial der Erzeugung von 12 Stunden. Als Simulationsumgebung für die technischen Anlagenkomponenten wurde MatlabSimulink verwendet. Die Einsatzoptimierung bzw. das Energiemanagementsystem wurde mit energyPRO realisiert. Der Datenaustausch der Inputparameter für die Generierung des optimierten Fahrplans erfolgte über eine xml-Schnittstelle, über welche der Optimierungszeitraum, die Anlagenleistung sowie aktuelle Speicherfüllstände und –kapazitäten an das Energiemanagementsystem übermittelt wurden. Der Austausch des optimierten Anlagenfahrplans, in dem ein Zeitstempel und die dazugehörigen 1/4h Leistungswerte an den Biogassimulator übergeben wurden, erfolgte über eine csv-Datei. Für die optimierte Fahrweise der Anlage generiert das Einsatzoptimierungssystem täglich einen Fahrplan für die drei Folgetage, basierend auf Strompreisprognosen, den aktuellen Speicherfüllständen, der prognostizierten Biogaserzeugung und den Anlagenparametern. Als Optimierungshorizont wurde ein Dreitageszeitraum für die optimierte Gasspeicherausnutzung gewählt. Ein längerer Prognosehorizont ist nicht sinnvoll, da die Temperatur- und Preisprognosen, die für die Optimierung eine entscheidende Rolle spielen, über einen längeren Zeitraum keine hinreichend genaue Prognosegüte aufweisen. Für gewöhnlich ist die Prognosegüte umso höher, je geringer der Prognosehorizont ist. Wenngleich eine tägliche Optimierung erfolgt, wurde aus Gründen der Redundanz bei möglichen Störungen der Kommunikation zwischen dem Energiemanagementsystem und der Anlagensteuerung sowie den Einblick des weiteren Planungshorizonts für den Anlagenbetreiber, ein drei tägiger Fahrplan generiert. Der zyklische Ablaufplan der Optimierung kann dem folgenden Schaubild entnommen werden. Die tägliche Optimierung beginnt jeweils mit Eintreffen der erforderlichen Prognosen (oranges Feld). 136 Abbildung 61: zyklischer Ablaufplan der Optimierung für flexible Erzeugungsanlagen Täglich nach Abschluss der Börsenvermarktung erhält der Anlagenbetreiber den Fahrplan für den Folgetag ab 00:00 Uhr. Die folgende Grafik zeigt die Oberfläche des Biogassimulators mit der Modellierung der Anlagenparameter sowie im unteren Bereich die Einsatzoptimierungssoftware mit der grafischen Darstellung eines Dreitagesfahrplans in Abhängigkeit der Preisprognose. 137 Abbildung 62: Grafische Oberfläche eines Biogassimulators inkl. Energiemanagementsystem Um den realen Betrieb der flexiblen Biogasanlagen und deren Einsatz in einem virtuellen Kraftwerk zu demonstrieren, wurde in einem weiteren Schritt das Simulationsmodell der Biogasanlage über eine Informations- und Kommunikationsschnittstelle (PowerBridge) an die Leitwarte des virtuellen Kraftwerks angeschlossen. Die Simulation zeigt, dass das ausgewählte Konzept zur Steuerung der Biogasanlage theoretisch machbar ist. Es konnte dargestellt werden, dass mit Hilfe der Statusmeldungen über die Anlagenleistung, die Gaserzeugung und den Gasspeicherfüllstand sowohl die Fahrplanerstellung als auch die fahrplangetreue Steuerung der Biogasanlage realisierbar sind. Die Informationen über den aktuellen Gasspeicherfüllstand und der Gaserzeugung sind in diesem Zusammenhang für die Fahrplanerstellung wichtig, um sowohl ein Leerlaufen des Gasspeichers und dementsprechend einer ungeplanten Leistungsreduktion des BHKW, als auch ein Überlaufen des Gasspeichers zu vermeiden. Ist bei konstanter Biogasproduktion der maximale Füllstand des Gasspeichers erreicht, müsste das BHKW unplanmäßig gestartet werden. Bei nicht ausreichender BHKW Leistung muss das Biogas abgefackelt werden, um das überschüssige Biogas zu verbrauchen. 138 In der Praxis lässt sich der Energiegehalt im Gasspeicher nicht direkt messen, da die meisten Biogasanlagen über keine entsprechende Messtechnik verfügen. Der Energieinhalt im Biogas kann hierbei über den Gasspeicherfüllstand, sowie den Methangehalt (CH4) im Biogas bestimmt werden. Hierzu muss eine Umrechnung des Biogases in Norm m³ erfolgen. Häufig lässt sich die Gaserzeugung vieler Biogasanlagen nicht direkt messen, da das Biogas direkt aus dem Fermenter in die Gasspeicher ausströmt. Dieses wird im Kapitel 4.7.2 Feldtest Biogasanlage näher betrachtet. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie die wirtschaftlichen Ergebnisse der Simulationen werden im Kapitel 4.5.3 näher betrachtet. 4.7.2 Feldtest Biogasanlage Im Rahmen des Feldtests wurden mehrere Biogasanlagen an die Leitwarte des virtuellen Kraftwerks angeschlossen, um die Umsetzbarkeit der Integration der Biogasanlagen in ein virtuelles Kraftwerk zu untersuchen. Für die Kommunikationsschnittstelle zwischen den Biogasanlagen und dem virtuellen Kraftwerk, wurde die PowerBridge sowie ein Datenlogger der Firma Ewon verwendet. Der Datenlogger ist für die Kommunikation zwischen der SPS und der PowerBridge zuständig. Hierzu wandelt der Datenlogger das Datenprotokoll der Biogasanlagensteuerung (SPS) in ein Modbus TCP Protokoll um, welches von der PowerBridge gelesen werden kann. Die PowerBridge ist für die Kommunikation zwischen der Anlage und der Leitwarte des virtuellen Kraftwerks zuständig. Die PowerBridge ermöglicht sowohl die Weitergabe der Messwerte, als auch die Eingabe unterschiedlicher Konfigurationsparameter wie z.B. Anlagenleistung und Gasspeicherkapazität, welche die Leitwarte für den Optimierungsprozess benötigt. Ebenso übernimmt die PowerBridge die Steuerung der BHKW gemäß eines Fahrplans, welche sie von der Leitwarte des virtuellen Kraftwerks erhält. Die technische Funktionsweise der PowerBridge wird im Kapitel 3.2 Anlagenanbindung näher beschrieben. Bei der Steuerung der Biogasanlage werden zuerst die gespeicherte Energiemenge, die aktuelle Leistung und die erzeugte Gasmenge an den Energiemanager des virtuellen Kraftwerks übertragen. Dieser berechnet anhand der Anlagenkonfiguration, der übermittelten Messdaten, der Prognosen des Börsenpreises und der eingespeisten Energie aus Windkraft- und PV-Anlagen den Fahrplan für die Biogasanlage und leitet diesen an die PowerBridge weiter. Der Energiemanager ist im virtuellen Kraftwerk softwarebasiert und funktioniert in der Regel autonom (s. Kapitel 3.1.4). 139 Die PowerBridge liest den Fahrplan und sendet entsprechend des Fahrplans über den Datenlogger die Steuerbefehle an die Biogasanlagensteuerung. Der aktuelle Fahrplan kann über die PowerBridge angesehen werden. Die zur Fahrplanerstellung genannten Messgrößen (erhaltene Energiemenge im Gasspeicher, Speicherkapazität etc.) stehen bei den meisten Biogasanlagen nicht zur Verfügung, sodass diese berechnet werden müssen. Die dazu notwendigen Berechnungen werden in der PowerBridge durchgeführt. Die Energiespeicherkapazität des Gasspeichers wird auf Basis des maximal möglichen Gasvolumens, des Drucks, der aktuellen Temperatur und des CH4-Gehaltes des vorhandenen Biogases im Gasspeicher berechnet. Die Kalkulation der Kapazität des Gasspeichers muss hierbei fortlaufend durchgeführt werden, da diese temperaturund druckabhängig ist und sich die Temperatur des Biogases im Laufe des Jahres, aufgrund der geringen Isolierung des Biogasspeichers verändert. Beispielsweise kann das Biogas bei starkem Wind oder im Winter kälter sein als im Sommer. Ebenfalls kann sich das Biogas im Gasspeicher durch eine hohe Sonneneinstrahlung auf den Gasspeicher erwärmen. Dementsprechend schwankt die speicherbare Energiemenge im Gasspeicher. Der Gasspeicherfüllstand wird meist im Verhältnis der derzeitig gespeicherten Gasmenge zur maximal möglichen speicherbaren Gasmenge angegeben. Zur Ermittlung des Energiegehaltes des Gasspeichers wird die Gasspeicherkapazität mit diesem Verhältnis multipliziert. Die Gaserzeugung wird im Projekt anhand des Gasauslaufs aus dem Gasspeicher sowie dem Änderungsgradienten des Gasspeicherfüllstands berechnet. Die Versuche im Rahmen des Feldtests zeigen, dass eine Steuerung und Einsatzplanung der Biogasanlage mit Hilfe der ausgewählten Parameter und des Steuerungskonzeptes möglich ist. 140 5 Kunden 5.1 Vermarktungsstrategie Regionaler Haushaltskundentarif Eine Geschäftsstrategie für die regionale Vermarktung von erneuerbare Energien (EE)-Strom aus regionaler Erzeugung über einen Haushaltskundenstromtarif an Kunden der Modellregion wurde entwickelt und die Umsetzbarkeit geprüft. Herausforderung Die Bürger der Region sollen die Möglichkeit bekommen, den innerhalb der Modellregion produzierten erneuerbaren Strom per Liefervertrag zu beziehen. Dies fördert die Identifikation der Bürger mit dem in ihrer Region produzierten Strom und den Energieerzeugungsanlagen. Dazu ist eine tragfähige Handelskette vom Stromerzeuger bis zum Endkunden zu konzipieren. Die zentrale Marktrolle liegt beim Vertrieb, der den Haushaltskunden beliefert. Den Strom für die regionale Strommarke bezieht er über die neue Marktrolle des Poolkoordinators, einem Händler, der den erzeugten erneuerbaren Strom der Modellregion im Pool vermarktet (s. Kapitel 4.5). Abbildung 63: Beteiligte Marktrollen an der Stromlieferung Charakteristika der entwickelten Vermarktungsstrategie Anforderung aus Sicht der Energieeffizienz ist, dass die fluktuierende Einspeisung aus Wind- und PV-Anlagen möglichst vollständig genutzt wird, da diese elektrische Energie ohne den Einsatz von Brennstoff erzeugt wird. Die weiteren Energiemengen sollen bedarfsgerecht aus flexibler Erzeugung bzw. Speichern der Modellregion bereitgestellt werden, wobei die Stromzukäufe von außerhalb auf ein Minimum zu reduzieren sind. Ein preisbewusstes Kundenverhalten soll kongruent dazu sein, dass die Kunden vorwiegend Wind- und PV-Strom beziehen. Dies bedeutet, dass ein zeitlich dynamischer Tarif zu konzipieren ist, bei dem der Strombezug genau zu den Stunden preisgünstig ist, zu denen Wind und PV einen hohen Anteil des Stromverbrauchs 141 decken. Dementsprechend ist Strombezug in den Stunden teurer, zu denen Energiebezug aus flexiblen Anlagen und Stromspeichern erforderlich wird. Die Preisstufen werden auf Basis von Prognosen berechnet und den Haushaltskunden bereits am Vortag verbindlich übermittelt, damit sie ihren Stromverbrauch planen können. Die Prognosegüte begrenzt die Lastverlagerungsmöglichkeiten qualitativ. Prognosen sind auch in der Handelskette unumgänglich, da der Poolkoordinator an den Großhandelsmärkten agiert. Er poolt die regionalen Erzeugungsanlagen nicht ausschließlich für den regionalen Haushaltskundentarif, sondern vermarktet ebenfalls Energiemengen der regionalen erneuerbaren Stromerzeugung an Großhandelsmärkten. An diesen deckt er auch Mindermengen. Somit sind die Prozessabläufe für die Bereitstellung des Haushaltskundentarifs auch an die Handelszeiten des Großhandels, hier des Day-Ahead-Spotmarkts gebunden, bei dem am Vortag der Lieferung auf Basis von Einspeiseprognosen gehandelt wird. Umsetzungskonzept für den Vertrieb Der Vertrieb übermittelt den Haushaltskunden die Preisstufen verbindlich für jede einzelne der 24 Stunden des Folgetags. Um eine differenzierte, an den Bedarf angepasste Lastverlagerung zu erreichen, sieht die Vermarktungsstrategie neun Preisstufen vor, wobei die mittlere Preisstufe 5 (gelb) dem üblichen Vertriebspreis (der Kunden ohne preisdynamischen Tarif) entspricht. Die Preisstufen 1 bis 4 (grün) bedeuten einen in gleichgroßen Stufen vergünstigten und die Preisstufen 6 bis 9 (rot) einen in gleichgroßen Stufen verteuerten Strompreis (vgl. auch Kap 5.2). Der Vertrieb übermittelt Transparenzinformationen an eine Marktplattform, sodass jeder Haushaltskunde nachvollziehen kann, wie sich in jeder einzelnen Stunde die Preisstufe bildet und aus welchen Erzeugungsanlagen die bezogene elektrische Energie in welchen Anteilen stammt. Im Idealfall sind die Haushaltskunden jetzt aktiv in der Lage, preisbasiert Lastmanagement zu betreiben und je nach Verlauf der Preisstufen insgesamt mehr oder weniger Strom über einen bestimmten Zeitraum hinweg zu verbrauchen. Um den Strombedarf richtig abschätzen zu können, werden Strombedarfsprognosen benötigt. Bei gelingender Aktivierung der Kundenreaktion wird der Haushaltskundenstromverbrauch selbst dynamisch, denn je nach Preisstufe und Verbrauch in den vorhergehenden Stunden wird der Stromverbrauch unterschiedlich hoch sein. Der Vertrieb errechnet am Vortag der Lieferung vor Handelsbeginn den prognostizierten Strombedarf – und zwar als Matrix für jede Stunde für jede der neun möglichen Preisstufen. Mithilfe dieser preisstufenabhängigen Stromverbrauchsprognose kann der Vertrieb täglich – auf eigenes Risiko – eine Energiemengenbestellung beim 142 Poolkoordinator aufgeben. Die Preisdynamik kann prognostiziert werden, indem mehrere Eingangsdaten zu jeder Zeiteinheit zeitnah in ein Prognosemodell einfließen: 1. Tag und Uhrzeit, 2. Preisstufe, 3. Stromverbrauch der belieferten Haushaltskunden, 4. Außentemperatur und 5. Sonder-ereignisse. Diese Parameter werden für jede Stunde des Folgetags intelligent mit der Prognose der Außentemperatur verrechnet. Das Prognosetool muss dabei berücksichtigen können, dass der Stromverbrauch jeweils auch von den vorherigen Stunden abhängig ist. Je nachdem, welchen Strompreis der Poolkoordinator für die einzelne Stunde realisieren kann, ist der prognostizierte Stromverbrauch größer oder geringer. Dies hat der Poolkoordinator bei der Belieferung des Vertriebs vertraglich zu berücksichtigen. Diese Form eines Prognosemodells, das Preisdynamiken einbeziehen kann, geht über die im Rahmen von RegModHarz entwickelte Lastprognose hinaus. Für den Vertrag zwischen Vertrieb und Haushaltskunde ist eine Mindestlaufzeit von einem Jahr empfehlenswert. Dies hat den Hintergrund, dass die dynamische Abfolge der Preisstufen von der fluktuierenden Stromeinspeisung aus Wind- und PVAnlagen abhängig ist. Während im Frühjahr regelmäßig Phasen mit hoher Windeinspeisung zu beobachten sind, und eine preisgünstige Stromlieferung möglich wird, gibt es im Sommer mit hoher Wahrscheinlichkeit Flauten der Windenergieeinspeisung, was zu einem höheren Bedarf an Strom aus flexiblen Anlagen (teils mit Brennstoffbedarf, teils mit Umwandlungsverlusten) und damit einem höheren Strompreis führt. Zudem streben Anlagenbetreiber wie auch Vertrieb eine gesicherte Abnahme bzw. Lieferung über in der Regel mindestens ein Jahr an. In der beschriebenen Form ist mit dem Strombezug noch keine direkte Förderung des Ausbaus von weiteren erneuerbaren Energie-Anlagen in der Modellregion verbunden. Für den Zeitraum vor der Netzparität der unterschiedlichen EE-Anlagen wäre eine solche Ausbauförderung in der Praxis noch in den Stromtarif zu integrieren. Bei zertifizierten Ökostromanbietern ist dies derzeit Standard. Umsetzungskonzept für den Poolkoordinator Der Poolkoordinator berechnet iterativ, welche Mengen er zu welchen Preisen liefern kann und legt damit die Preisstufe fest. Eine iterative Vorgehensweise ist notwendig, da je nach Preisstufe, die der Poolkoordinator über das Erzeugungsportfolio der Modellregion realisieren kann, für eine bestimmte Stunde eine unterschiedlich hohe Nachfrage besteht. Da die 100%-EE-Stromversorgung nicht nur in der Jahresbilanz, sondern auch in der viertelstündigen Handelsbilanz erreicht werden soll, ist ein Portfolio zu bilden, 143 bei dem sich die verschiedenen Erzeugungsanlagen sinnvoll ergänzen. Wenn möglich gilt es, den – nunmehr variablen – prognostizierten Verbrauch mittels der prognostizierten Wind- und PV-Einspeisung abzudecken. Mengen der Überdeckung sind weiterzuverkaufen, entweder an Speicherbetreiber innerhalb der Region oder an den überregionalen (Grünstrom-)Spotmärkten. Mengen der Unterdeckung sind aus flexibler Erzeugung oder aus Speichern innerhalb des virtuellen Kraftwerks der Modellregion bereitzustellen oder von überregionalen (Grünstrom-) Großhandelsmärkten bzw. aus anderen Bilanzkreisen hinzuzukaufen. Da der Poolkoordinator die Liefermengen am Vortag auf Basis von Prognosen zusammenstellt, sind am Liefertag die sich aus den Prognoseabweichungen ergebenden Ausgleichsenergiemengen auf eigenes Risiko nachzuhandeln. Ein Management von Rest- und Mindermengen wird notwendig. Gegenüber dem Vortag stehen innertägig verbesserte Einspeiseprognosen (Intraday-Prognosen) zur Verfügung. Da am Vortag auf Basis der Day-Ahead-Prognosen bereits ein Handel mit Mengen der Über- und Unterdeckung stattgefunden hat, gilt es innertägig die Differenz, die sich im Portfolio zwischen Vortagsprognosen und innertägigen Prognosen ergibt, nachzuhandeln. Strombedarfsseitig kann innertägig – im Gegensatz zu den Erzeugungsprognosen – nicht mit verbesserten Prognosen gearbeitet werden. Dies liegt daran, dass der Vertrieb seinen Endkunden die Preisstufen bereits am Vortag verbindlich mitteilt und sich die Endkunden auf diese Preisstufen einstellen. Eine Teilnahme am Intradayhandel ist allerdings sehr personalaufwändig und damit kostenintensiv. Der Pool-koordinator wird prüfen, ob es sinnvoll ist, im Nachgang nach dem Liefertag am Afterday-Handel teilzunehmen, bei dem zwei Partner über eine spezielle Marktplattform Ausgleichsenergiemengen mit gegenseitigem Vorzeichen untereinander ausgleichen können. Umsetzungskonzept für den Haushaltskunden Für die Praxis gilt bei der Ausgestaltung eines dynamischen Tarifs und der dazugehörigen Soft- und Hardware bei den Haushaltskunden, dass die (Umwelt-) Psychologie als Grundlage für eine dauerhafte Motivation und Verhaltensänderung in Richtung eines umweltgerechten Stromverbrauchsverhaltens zu berücksichtigen ist. Transparente Informationen über das Stromversorgungssystem und zeitnahe Rückmeldung über das Verbrauchsverhalten sind in dem Maße erforderlich, wie dadurch die Wirkungen des eigenen Handelns auf das Gesamtsystem zeitnah bewusst werden und in den Gesamtzusammenhang eingeordnet werden können. Zudem sind Möglichkeiten zu eröffnen, die das tägliche Handeln auf einfache Weise ermöglicht. Der Tarif muss einfach und ohne hohen Zeitaufwand verständlich und handhabbar 144 sein. Der Haushaltskunde dürfte im Alltag nur wenig Aufwand für ein manuelles Management aufwenden, sofern der finanzielle Anreiz verhältnismäßig gering ist. Automatisierte Management-, Steuerungs- und Visualierungssysteme, schalten je nach Rahmenvorgabe des Kunden und aktuellem Preis eigenständig Verbrauchsgeräte im Haushalt ein und aus und ermöglichen so eine Reaktion auf den dynamischen Preis bzw. den entsprechenden Wind- und PV-Anteil der Bedarfsdeckung. Ergebnisse der Untersuchungen zur entwickelten Vermarktungsstrategie Die beschriebene Vermarktungsstrategie wurde auf ihre Umsetzbarkeit hin geprüft. Ein Geschäftsmodell entsteht dann aus der Vermarktungsstrategie, wenn ein wirtschaftlich tragfähiges Produkt besteht, das attraktiv ist und nachgefragt wird. Attraktiv ist besonders die regionale Komponente. Die Bürger der Region bekommen die Möglichkeit, den vor Ort produzierten Strom zu beziehen und werden am erzeugungskonformen Verbrauch des Wind- und PV-Stroms beteiligt. Dies fördert die Identifikation der Bürger mit dem in ihrer Region produzierten Strom und den Energieerzeugungsanlagen vor Ort. Die damit gesteigerte Akzeptanz von Energieerzeugungsanlagen unterstützt die Energiewende. Für den Feldtest wurde eine zeitweise reale Umsetzung angestrebt, bei der die gesamte Handelskette der regionalen Direktvermarktung in der Praxis vorgestellt werden sollte. Daraus hätte sich in der näheren Zukunft als Verwertung aus dem Projekt heraus eine regionale Strommarke entwickeln können. Die Prüfung der Durchführbarkeit eines Vermarktungsfeldtests erfolgte frühzeitig im Projektverlauf, um Chancen für die nähere Zukunft aufzuzeigen und eine Verwertung der Projektergebnisse mit vorzubereiten. Jedoch war die Umsetzbarkeit nicht gegeben, da zum einen mehrere Prozesse bei den Akteuren noch nicht realisierbar waren, zum anderen aber auch die Zusatzkosten im Rahmen des Forschungsprojekts nicht gedeckt gewesen wären. Basis der Prüfungen waren eine intensive Zusammenarbeit mit den verschiedenen Marktrollen innerhalb des Konsortiums, vertiefende Recherchen zu Markt und Prozessabläufen sowie Berechnungen mit einem Tabellenkalkulationsprogramm und Simulationen mit energyPRO. Wirtschaftliche Hindernisse Der Endkundenstrompreis darf den Preis für konventionelle Stromprodukte nur um einen geringen Premiumpreis für regionalen Ökostrom überschreiten, um am Markt konkurrenzfähig sein zu können. In diesem Preissegment war der Strompreis jedoch nicht kalkulierbar. Anlagenbetreiber liefern ihren EE-Strom nur dann an den Poolkoordinator, wenn dieser etwas mehr zahlen kann, als der Anlagenbetreiber auch anderweitig über die EEG-Vergütung (Festvergütung oder mit Marktprämie) 145 erzielt. Die Einnahmen aus dem Stromhandel wären dazu unter Berücksichtigung aller Kosten (Belieferung des Kundenprofils, Vermarktung von Überdeckungs- und Überschussmengen, Zukauf von Unterdeckungs- und Mindermengen, Ausgleichsenergiekosten, Marktanbindung, operatives Geschäft, zweiter Zählpunkt an den Erzeugungsanlagen, Handelsmargen) zu gering gewesen. Bei Berücksichtigung aller Kosten auf der Erzeugungsseite wäre der Strompreis derzeit für den Endkunden zu hoch, um am Markt bestehen zu können. Eine große Zahl an Haushalten wäre zu beliefern, um die notwendigen Mengeneffekte zur Deckung der operativen Kosten zu erreichen. Die beobachtete vergleichsweise geringe Nachfrage nach vergleichbaren Produkten im Landkreis Harz lässt darauf schließen, dass ein Vertrieb allein nur schwer eine solche Strommarke etablieren könnte, und dies nur im Verbund aller Vertriebe in der Modellregion möglich wäre. Voraussetzung für die Stromherkunft bei der Belieferung, nämlich der Rangfolge nach (1.) Wind- und PV-Strom, (2.) bedarfsgerechte Erzeugung aus flexiblen Anlagen der Region und (3.) hinzugekaufte Strommengen von außerhalb der Region, ist, dass auch die überregionalen Marktpreise diese Rangfolge wiederspiegeln. Der Vorrang der erneuerbaren Energien muss also dementsprechend differenziert wirtschaftlich darstellbar sein. Für Wind- und PV-Strom dürfte langfristig gelten, dass er am preisgünstigsten zu beziehen ist, denn sind die Anlagen einmal abgeschrieben, sind die Erzeugungskosten im Vergleich zu brennstoffbetriebenen Anlagen gering. Bei Windstrom zeichnet sich dies bereits jetzt ab. Damit wird die Umsetzung dieser Vermarktungsstrategie langfristig denkbar. Für die Übergangszeit wäre zu überlegen, in welcher Weise die Markt- und Handelsbedingungen angepasst werden können, damit die Wirtschaftlichkeit einer regionalen Vermarktungsstrategie für Strom aus erneuerbaren Energien besteht. Die mögliche Preisspreizung zwischen höchster und niedrigster Preisstufe des Endkundenpreises ist zu gering, um dem Endkunden einen ausreichend großen finanziellen Anreiz zum Lastmanagement im Haushalt zu bieten. Dies liegt daran, dass nur die Energiekosten, also die unterschiedlich hohen Einkaufspreise für die elektrische Energie, im Zusammenwirken mit der Umsatzsteuer die Preisspreizung bestimmen. Die Stromgestehungskosten machen derzeit weniger als ein Viertel der Stromkosten des Haushaltskunden aus und haben noch eine dem Zweck entsprechend geringe Volatilität. Die weiteren Preisbestandteile (EEG- und KWK-Umlage, Stromsteuer, Netznutzungsentgelte, Konzessionsabgabe, Messkosten, Sonderabgabe / siehe Grafik weiter unten) lassen sich nicht flexibilisieren. Soll in der Übergangszeit, bis im Stromversorgungsystem sehr hohe Anteile fluktuierender EE zu hohen Fluktuationen in den Erzeugungspreisen führen, ein dynamischer Haushaltskun146 dentarif mit ausreichendem finanziellen Anreiz umgesetzt werden, wäre zu überlegen, ob es möglich ist, die Preisspreizung anhand eines bundesweiten Flexibilisierungskontos für alle Vertriebe zu vergrößern. Aus diesem Konto würden – je nach bundesweitem Anteil von Wind- und PV-Strom am bundesweiten Stromverbrauch – je Lieferstunde für jede kWh, die an die Haushaltskunden geliefert wurde, Gelder an die Vertriebe ausgeschüttet bzw. von den Vertrieben abgerufen. Die resultierende Preisdynamik bekäme damit allerdings einen finanziellen Anreizcharakter, der sich am Gesamtsystem orientiert, nicht an der regionalen Erzeugung im Portfolio. Je nachdem, wie die Vertriebsmarge ausgestaltet ist (fest - variabel), bedeutet der dynamische Tarif, dass Vertriebe je nach Stromabsatz zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich hohe Erlöse zu verbuchen haben. Da der Grundbedarf der Haushaltskunden nur begrenzt zeitlich verlagerbar ist, dürfte sich dieses Risiko jedoch in Grenzen halten. Systemtechnische Hindernisse Die Abrechnungssysteme bei den Vertrieben entsprechen noch nicht den notwendigen Voraussetzungen für den preisdynamischen Endkundentarif. Ein spezieller Tarif, wie in RegModHarz entwickelt, lässt sich nicht in die bestehenden Abrechnungssysteme integrieren. Haushaltskunden werden vom Vertrieb mit Hilfe von Standardlastprofilen in entsprechenden Bilanzkreisen geführt. Um eine Bilanzierung entsprechend des tatsächlichen Verbrauchsprofils zu ermöglichen, müsste bei jedem Haushaltskunden eine mindestens viertelstundenscharfe Messung durchgeführt werden, was bis dato nicht der Fall ist, da die im Haushaltsbereich überwiegend installierten Zähler nur die verbrauchte Arbeit messen. Mit einer viertelstündlichen Leistungsmessung würde im zweiten Schritt die Verpflichtung für den Vertrieb einhergehen, den einzelnen Kunden bzw. Gruppen sich ähnlich verhaltender Kunden täglich zu prognostizieren und einen dementsprechenden Fahrplan an den Netzbetreiber zu senden. Dieses Vorgehen, das der Belieferung von Industriekunden ähnlich wäre, ist jedoch bei den geringen Verbräuchen der Haushaltskunden im Verhältnis zur Industrie derzeit nicht rentabel. Zwar könnte der Vertrieb durch Anreize zur Lastverlagerung durch die Endkunden möglicherweise die Energiebeschaffungskosten verringern, jedoch würde diese Einsparung nicht ausreichen, um die mit der Abwicklung verbundenen Kosten zu decken. 147 Weitere Hindernisse für eine Umsetzung im Feldtest Für die Umsetzung im Feldtest kamen weitere Hindernisse hinzu: Zum einen wären bindende Verträge zu den real zu tätigenden Stromlieferungen zwischen allen Beteiligten zu schließen gewesen (Anlagenbetreiber und Poolhändler, Poolhändler und Vertriebe, Vertriebe und Haushaltskunden), was einen hohen Aufwand bedeutet, da alle betroffenen Konsortialpartner diese hätten prüfen und umsetzen müssen. Weiterhin bestand ein Konflikt in Vertragsbindungen der akquirierten Haushaltskunden für den Feldtest hinsichtlich ihres Strombezugs. Zudem waren die regionalen Vertriebe im Konsortium des Forschungsprojekts nicht beteiligt, sondern ausschließlich die Netzbetreiber der EVU der Modellregion. Weiterhin wurden auch für einen kurzzeitigen Feldtest Handelsrisiken identifiziert, die von einzelnen Konsortialpartnern zu tragen gewesen wären und die sich für die beteiligten Akteure im Projekt als nicht verhältnismäßig herausstellten. 5.2 Netzbetriebsstrategie dynamischer Haushaltskundenvertrag Geschäftsmodell und dessen Umsetzung im Feldtest In einem zukünftigen Energiesystem kann es notwendig sein, das Flexibilitätspotenzial der Haushalte zu erschließen. Für den Feldtest wird ein preisdynamischer Tarif als Anreiz zur Verschiebung von Haushaltslasten entwickelt und bei den Feldtest-Haushaltskunden erprobt. Dazu wurden Führungsgrößen, Handhabung, Zeiträume und notwendige Anreize ermittelt und für den Feldtest festgelegt. Der Feldtesttarif orientiert sich an der Stromvertriebsstrategie „Regionaler Haushaltskundenstromtarif“ (s. Kapitel 5.1), unterscheidet sich aber hinsichtlich der zentralen Marktrolle. Die Haushaltskunden verbleiben bei ihren jeweiligen Stromlieferanten und beziehen ihren Strom nach den dort bestehenden Tarifen. Der Netzbetreiber bietet vertraglich einen zeitdynamischen Zusatztarif mit 9 Bonus-/Malusstufen an, mit dessen Hilfe er bei den Haushaltskunden Anreize zu netzentlastendem Verhalten beim Strombezug setzen kann. Ziel ist eine Verlagerung der Endverbraucherlast weg von Zeiten mit geringer prognostizierter Wind- und PV-Bedarfsdeckung hin zu prognostizierten Stromüberschusszeiten. Verhält sich der Feldtestkunde systemgerecht, so deckt sich auch im Feldtest der Strombezug zu Bonuszeiten mit einem hohen Anteil von Wind und PV in der Bedarfsdeckung der Modellregion. Die Feldtestkunden erhalten täglich um 14 Uhr verbindlich die Preisstufen für die 24 Stunden des Folgetages. Die 9 Preisstufen können stündlich wechseln. Als Führungsgröße wird beim Feldtest die Prognose der Residuallast der Modellregion verwendet, berechnet aus der Prognose der Stromverbrauchsleistung abzüglich der Prognose der Wind- und PV-Einspeiseleistung. Der Verteilnetzbetreiber schreibt den 148 Haushaltskunden zu einer „Bonus-Zeit“ (Grüne Preisstufen 1 bis 4) einen Bonus auf die verbrauchte kWh auf einem Kundenkonto gut. Bei Strombezug während einer „Malus-Zeit“ (rote Preisstufen 6 bis 9) wird ein Malusbetrag je kWh abgezogen. Die Preisstaffelung beträgt 4 ct/kWh zwischen allen Preisstufen. Die Preisspreizung des Tarifs liegt demnach bei 32ct/kWh. Die mittlere Preisstufe 5 ist neutral. Bei einem kontinuierlichen Strombezug mit gleichbleibender Leistung zu jeder Zeit gleichen sich Bonus- und Maluszeiten innerhalb eines Jahres im Mittel annähernd wieder aus, sodass ein Kontostand annähernd Null resultiert. Annähernd, da die prognostizierte Häufigkeitsverteilung bestimmter Situationen im Netz für die folgenden 12 Monate immer etwas von der späteren Beobachtung abweichen wird. Zudem erfolgt die Festlegung, welcher Wert der Residuallast zu welcher Preisstufe führt, anhand von Vergangenheitswerten der Residuallast in der Modell- bzw. Netzregion. Die im Jahresverlauf variierende Menge der Windenergieeinspeisung beeinflusst den monatlichen Anteil an Bonus- und Maluspreisstufen. Dementsprechend ist es nicht sinnvoll, den Tarif mit monatlicher Möglichkeit der Kündigung vorzusehen. Die monatlichen Unterschiede müssen sich im Jahresverlauf ausgleichen können. Ein wesentlicher Vorteil der Umsetzung des dynamischen Tarifs durch den Verteilnetzbetreiber besteht darin, dass sich die Höhe des finanziellen Anreizes an der Zielgruppe sowie am Bedarf nach Netzentlastung orientieren kann. Weiterhin muss der Anreiz nicht innerhalb der – derzeit noch – engen Grenzen eines variablen Energiebezugspreises umgesetzt werden. Für die (fernere) Zukunft kann allerdings ab einem bestimmten bundesweiten Anteil erneuerbarer Energien mit einer hohen Preisvolatilität an der Strombörse gerechnet werden, die zusammen mit der Mehrwertsteuer ggf. ausreichend hohe Anreize beim Endkunden setzen könnte. Zentrales Element des Haushaltskunden-Stromtarifs ist die Transparenz. Über die Marktplattform erfährt der Haushaltskunde zu jeder Zeit für jede aktuelle Stunde und die Vergangenheit, welche Stromeinspeisung aus welchen Anlagen und welcher Strombezug in der Modellregion vorliegt und welche Werte prognostiziert werden. Über einen persönlichen Bereich werden weiterreichende Informations- und Auswertemöglichkeiten bereitgestellt (s. Kapitel 3.4). Diese direkte Rückmeldung ist wichtig, um die Motivation der Haushaltskunden für eine kontinuierliche Verhaltensänderung zu erzielen. Da für jede Stunde die Einspeisung der EE-Anlagentypen im Netz der Modellregion transparent dokumentiert wird und der Haushaltskundenstromverbrauch mittels Smart Meter stündlich mitgeschrieben wird, können die Haushaltskunden für jede Stunde auswerten, wie hoch der Anteil der aus dem Netz bezogenen Strommenge je Erzeugertyp im Netz war. 149 Abbildung 64: Preisstufen bei der Netzbetriebsstrategie dynamischer Haushaltskundenvertrag Abbildung 65: Grafischer Überblick zur tages- und jahreszeitlichen Verteilung der Preisstufen Simulation der Feldtestpreisstufen für die RegModHarz-Leitszenarien Flexible Tarife werden mit steigendem EE-Ausbau mehr und mehr durch die EEEinspeisung bestimmt und weniger durch die Stromverbrauchslast. Diese Erkenntnis wurde bei einer Simulation der Feldtestpreisstufen über die RegModHarzLeitszenarien (vgl. Kapitel 4.3) deutlich. Einen grafischen Überblick über die tagesund jahreszeitliche Verteilung der Bonus- und Maluszeiten gibt die obige Darstellung. Es sind drei Grafiken zum Vergleich nebeneinander gestellt worden, und zwar von links nach rechts für Leitszenario 1, Leitszenario 2 und Leitszenario 3. In jeder einzelnen Grafik wurden jeweils horizontal von links nach rechts (Spalten) die 150 Stunden des Tages (Ortszeit) aufgetragen; vertikal die Tage des Jahres dargestellt (Zeilen). Da für alle Leitszenarien dieselben meteorologischen Daten als Basis genommen wurden, und sich nur die installierten Leistungen Wind und PV unterscheiden, kommen in allen drei Grafiken gleichermaßen die Starkwindphasen im Frühjahr zum Ausdruck, unterbrochen von einzelnen Tagen mit geringer Windenergieeinspeisung. Bei Leitszenario 1 sind die Preisstufen deutlich durch den Stromverbrauch bestimmt. Das Verhältnis aus prognostizierter Einspeiseleistung (Wind + PV) und prognostizierter Bruttostrombedarfsleistung ist in knapp 98 % der Viertelstunden des Jahres kleiner eins. Bonuszeiten treten vor allem durchgängig nachts auf Maluszeiten vor allem durchgängig an den Wochentagen Montag bis Freitag. Im Jahresmittel lässt sich eine Preisspitze am Vormittag zwischen sieben und zwölf Uhr und am frühen Abend zwischen 17 und 19 Uhr verzeichnen. Die mittlere Preisstufe beträgt an Wochentagen fünf, an Wochenenden/Feiertagen vier. Jede fünfte Stunde des Jahres fällt in eine anhaltende Maluszeit, die zwischen 14 und 18 Stunden lang dauert und damit kaum Verlagerungsmöglichkeiten für Haushaltskunden bietet. In Leitszenario 2 macht sich im Vergleich zu Leitszenario 1 die deutlich höhere installierte PV-Leistung bemerkbar. Das Verhältnis von Einspeise- zu Verbrauchsleistung ist noch in 84 % der Viertelstunden des Jahres kleiner eins, was im Umkehrschluss bedeutet, dass bereits in 16 % der Viertelstunden die prognostizierte Einspeiseleistung größer ist als die prognostizierte Strombedarfsleistung. Im Sommer gelten zu den Mittagsstunden vielfach Bonuspreisstufen. Malusphasen über Tag werden von mittäglichen Bonusphasen unterbrochen. Zwischen 11 und 16 Uhr ist im jahresmittleren Tagesgang Preisstufe 4 (erste Bonusstufe) zu verzeichnen. Preispeakzeiten sind weiterhin Vormittag und früher Abend, wobei die Peaks am frühen Abend tendenziell stärker ausgeprägt sind. Was die Dauer durchgängiger Bonus- und Maluszeiten in Leitszenario 2 anbetrifft, sind geringere Zeiträume häufiger als in Leitszenario 1 und die Häufigkeitsverteilungen der Bonus- und Malusstunden nähern sich aneinander an. Leitszenario 3 zeichnet sich durch besonders hohe installierte Leistungen Wind und PV und somit durch vielfach höhere Einspeiseleistungen im Verhältnis zur Verbrauchsleistung aus. Das Verhältnis von Einspeiseleistung zu Verbrauchsleistung ist in 54 % aller Viertelstunden des Jahres größer gleich eins, aber immerhin noch in 46 % aller Viertelstunden kleiner 1. Im Vergleich zu Leitszenario 1 kehrt sich im Sommerhalbjahr die Preisstufenverteilung im Tagesgang um: Während der Strahlungszeiten über den Tag sind aufgrund der hohen PV-Einspeisung vorwiegend Bo151 nuspreisstufen zu verzeichnen, in der Nacht hingegen vorwiegend Maluspreisstufen. Diese Preisstufenumkehr hat u.a. die Ursache, dass nach der Tarifgestaltung alle Preisstufen ähnlich häufig im Jahr auftreten sollen. Somit „verdrängen“ die sommerlich-mittäglichen Bonuspreisstufen die nächtlichen Bonuspreisstufen. Es gibt keine Kraftwerke im 100%-EE-Szenario, die kontinuierlich Grundlast liefern und somit nachts die Preise drücken. Die abendlichen Peakpreiszeiten sind vom Sonnenstand abhängig und treten im Sommer später am Tag auf als im Frühjahr und Herbst. In der Winterzeit können bei Windflauten ganztägig Maluspreisstufen auftreten, gleichwohl aber auch ganztägig Bonuspreisstufen bei starker Windstromeinspeisung. Die am häufigsten anzutreffenden Zeiträume von Bonus- und Maluszeiten betragen in Leitszenario 3 lediglich eine bis fünf Stunden. Bei den Bonuszeiten entsteht ein neuer Peak in der Häufigkeitsverteilung bei einer Dauer von sieben bis zehn Stunden. Dies dürfte in der Dauer der PV-Einspeisung begründet liegen, die bei sommerlichen Sonnenstunden bei der hohen installierten PVLeistung über Tag für längere Bonusphasen sorgt. Aus diesen Erkenntnissen heraus wurde im Feldtest die Anlagenleistung des Leitszenarios 2 angenommen. Damit haben die Feldtestkunden realere Möglichkeiten einer preisgetriebenen Lastverlagerung. In diesem Zusammenhang lohnt ein vergleichender Blick auf die grafische Darstellung der Residuallast der Modellregion in Leitszenario 1, 2 und 3 (siehe Abbildung 66). Die grün bis rot abgegrenzten Bereiche stellen die Grenzen der 9 Preisstufen dar. Ganz links dunkelgrün dargestellt ist Preisstufe 1, ganz rechts leuchtend rot Preisstufe 9. Die Häufigkeitsverteilung der Residuallast macht deutlich: In Leitszenario 2 treten vermehrt Ereignisse mit einer negativen Residuallast auf. Aufgrund der höheren installierten Wind- und PVLeistung bezogen auf den Strombedarf tritt bereits in knapp 22 % der Stunden eine negative Residuallast auf – dies entspricht in der Summe einer Zeit von knapp drei Monaten. Dadurch verschieben sich die Klassengrenzen für die Preisstufen im Vergleich zu Leitszenario 1, denn jede Preisstufe soll mit gleicher Häufigkeit im Jahr auftreten. Bei Leitszenario 3 reicht die Skala von -450% bis 100% der maximalen Residuallast. Die mittlere Preisstufe ragt bereits deutlich in die negative Residuallast hinein. 152 2,5% 2,0% 1,5% 1,0% 0,5% 0,0% -100% -80% -60% -40% -20% 0% 20% 40% 60% 80% 100% -80% -60% -40% -20% 0% 20% 40% 60% 80% 100% 2,5% 2,0% 1,5% 1,0% 0,5% 0,0% -100% 2,5% 2,0% 1,5% 1,0% 0,5% 0,0% -450% -400% -350% -300% -250% -200% -150% -100% -50% 0% 50% 100% Prozente der maximalen Residuallast Abbildung 66: Residuallast der Modellregion in Leitszenarien 1, 2 und 3 (von oben) mit Klassengrenzen der Preisstufen Ergebnisse aus der Durchführung des Feldtests Der hier beschriebene preisdynamische Tarif wurde in Verbindung mit den in Kapitel 3.3 vorgestellten installierten Komponenten in 39 Testhaushalten erprobt. Ziel war es, Erfahrungen mit dem Umgang des preisdynamischen Tarifs und des Lastmanagementsystems im normalen Tagesablauf zu sammeln. Dazu werden neben der Erfassung der Daten durch die installierten Komponenten auch die Teilnehmer zu ihren Eindrücken während des gesamten Feldtests befragt. Um einen Vergleich zum Verhalten der Teilnehmer mit und ohne preisdynamischem Tarif zu haben, wurde im ersten Feldtestteil nur das Stromverbrauchsverhalten der Teilnehmer erfasst. Erst im zweiten Feldtestteil wurde der preisdynamische Tarif angeboten und das Energiemanagementsystem installiert. Die Auswertung der Lastverschiebepotenziale aus den gesammelten Daten liegt zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht vor und wird im AP-Bericht zum Feldtest präsentiert. 153 Zu den Erfahrungen der Feldtestteilnehmer im Umgang mit dem preisdynamischen Tarif und der installierten Technik existieren bereits Rückmeldungen. Im Anschluss an eine Schulung zum BEMI, zur Marktplattform und zur sozialwissenschaftlichen Begleitforschung im Juli 2012 wurde ein erstes Feedback gegeben. Hinsichtlich der Einschätzung des Lastmanagement-Prinzips allgemein gab es folgende Rückmeldungen: Die Teilnehmer können sich Lastmanagement im Alltag prinzipiell vorstellen. Die erforderlichen Verhaltensänderungen dürfen nicht zu groß sein, um eine Nutzung eines Energieverwaltungssystems in Privathaushalten zu bewerkstelligen. Personen, die wenig Zeit in den eigenen Wohnräumen verbringen und tagsüber nicht manuell in die Abläufe des Gerätes eingreifen können, sehen sich mit den aktuell nur bedingt für Lastmanagement geeigneten Geräten in einer schwierigen Situation. Die Ausgestaltung der Anreize zur Nutzung eines Energieverwaltungsgerätes sollten sorgfältig durchgeführt werden, da größere verlangte Verhaltensänderungen und Komfortverluste (laut den Teilnehmern) einen finanziellen Anreiz benötigen (wie etwa tatsächliche flexible Tarife). Die Einschätzung der Feldtestteilnehmer selbst lautet, dass allein durch Motive des Umweltschutzes und nachhaltigen Denkens nur sehr geringe Verhaltensänderungen anzuregen seien. Um die langfristigen Ersparnisse, die durch Lastmanagement mit unterschiedlichen Stromtarifen erzielt werden können, attraktiv zu machen, sei eine gute Marketingstrategie entscheidend. In Kühlschränken, die bisher aus Gründen der Lebensmittelhaltbarkeit sehr kühl eingestellt waren und denen nun für Lastmanagement ein Temperaturbereich zugewiesen wird, können im Kühlschrank sehr niedrige Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt herrschen, wenn der Temperaturbereich nicht auch nach oben ausgeweitet wird. Zur zukünftigen Entwicklung wurden von den Teilnehmern folgende Fragen gestellt: 154 Soll am Ende des Feldtests aus dem virtuellen Tarif ein echter Tarif werden? Wie kann die Umsetzung von Lastmanagement im Haushalt in der Zukunft aussehen? Wie sinnvoll ist Lastmanagement für weiße Ware aufgrund der Entwicklungen zu immer sparsameren Geräten? Den Sinn des Feldtests sehen die Teilnehmer vor allem darin, ein Bewusstsein für den eigenen Stromverbrauch im Allgemeinen und für Lastmanagement im Speziellen zu schaffen. Folgende konkrete technische Anmerkungen wurden von den Teilnehmern außerdem gemacht: Das BEMI-Display wird intensiv genutzt, um einen Überblick über den Preisstufenverlauf und die Einsatzpläne angeschlossener Geräte zu erhalten. Die Nutzung des BEMI-Portals über den PC ist wegen des erforderlichen Hochfahrens des PCs aufwendig, wenn nur schnell der Einsatzplan für angeschlossene Geräte geändert werden soll. Das BEMI-Display sollte um Funktionen wie die Bearbeitung der Einsatzpläne erweitert werden. Das Umschalten der Schaltboxen vom Modus „Automatik“ in den Modus „Dauer Ein“ und wieder zurück (zum Programmieren und Starten moderner Hausgeräte erforderlich) ist sehr umständlich, vor allem bei Feuchtraumschaltboxen. Das Prinzip der Ansteuerung der Verbraucher durch Schaltboxen funktioniert nicht mit allen Geräten (programmierte Geräte starten nach Netzzuschaltung durch die Schaltbox nicht ohne einen manuellen Eingriff). Bei über Schaltboxen angesteuerten Kühl- und Gefriergeräten funktioniert das Licht beim Öffnen der Tür nur, wenn die Geräte gerade kühlen. Weitere Rückmeldungen stammen aus einem Fragebogen, der zwei Wochen nach Installation der BEMIs an die Haushalte verschickt wurde. Von den 39 angeschriebenen Haushalten haben 25 den Fragebogen beantwortet und zurückgeschickt. Unter anderem wurden die Teilnehmer zur BEMI-Nutzung befragt. Darauf antworteten 84 % der Feldtestteilnehmer, dass sie bereit wären, das BEMI auch nach dem Feldtest zu nutzen. Auf die Frage, welche jährliche Einsparung sich durch die BEMI-Nutzung einstellen müsste, antworteten die Teilnehmer wie in Abbildung 67 zu sehen (1 Harztaler = 1 Euro). 155 Was müssten die Haushalte jährlich in Euro einsparen, um das BEMI dauerhaft zu nutzen? 28% 30% 25% 20% 20% 16% 16% 10-25 € 25-50 € 16% 15% 10% 5% 0% 0-10 € 50-100 € Sonstiges Abbildung 67: Jährliche Einsparung in Harztalern, wenn das BEMI weiter genutzt werden soll Die Teilnehmer äußerten sich ebenfalls zur Startzeitverschiebung von Wasch- und Spülmaschine (siehe Abbildung 68 und Abbildung 69). Die 22 Rückmeldungen zur Waschmaschine und die 13 Rückmeldungen zur Spülmaschine lassen ein großes Lastverschiebepotenzial im Zeitraum von sieben Stunden und mehr erkennen. So kann bei zwei von vier Nutzungen der Waschmaschine und sogar bei drei von vier Nutzungen der Spülmaschine die Startzeit um mindestens sieben Stunden verschoben werden. Bereitschaft, Startzeit der Waschmaschine um die angegebene Stundenzahl zu verschieben 80% 70% 54,5% 60% 50% 40% 30% 20% 22,7% 13,6% 9,1% 10% 0% 1-2 h 3-4 h 5-6 h 7 h oder länger Abbildung 68: Bereitschaft zur Verschiebung der Startzeit der Waschmaschine 156 Bereitschaft, Startzeit der Spülmaschine um die angegebene Stundenzahl zu verschieben 76,9% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 15,4% 20% 7,7% 10% 0% 1-2 h 3-4 h 5-6 h 7 h oder länger Abbildung 69: Bereitschaft zur Verschiebung der Startzeit der Spülmaschine 5.3 Industrielles Lastmanagement Die Herausforderungen, die im Rahmen der Integration steigender Anteile fluktuierender erneuerbarer Energien (FEE) wie Windkraft und Photovoltaik entstehen, werfen die Frage auf, welchen Lösungsbeitrag industrielles Lastmanagement leisten kann. Die Zielsetzung der Universität Kassel und des Instituts dezentrale Energietechnologien im Rahmen des RegModHarz-Projekts ist es, mögliche Beiträge des industriellen Lastmanagements zum Ausgleich von erneuerbaren Energien (EE) zu untersuchen. Die Untersuchung bedarf erstens technischer Lösungsansätze mit geeigneten Prozessen, die ein sinnvolles Lastmanagementpotenzial zum Ausgleich von EE haben, zweitens einer Entscheidung bzw. eines Entscheidungsalgorithmus, der den Betrieb automatisch bestimmt, sowie drittens einer Ansteuerung der Anlagen, die von einer übergeordneten Stelle informationstechnisch erfolgt und im optimalen Fall einen Datenaustausch zwischen Anlage und Leitwarte erlaubt. Auf der organisatorischen Ebene geht es um die Integration von Prozessverschiebungen bzw. Lastmanagement in den gesamten Produktionsablauf unter der Maßgabe des Vorrangs der Erfüllung der Produktionsziele. Neben technischen und organisatorischen Aspekten ist die Wirtschaftlichkeit erfolgsbestimmend. Hier sind insbesondere monetäre Anreize für Flexibilität im Betrieb wie ein veränderlicher Arbeitspreis für Strombezug zu nennen. Auf der Ausgabenseite der Unternehmen fallen Investitionskosten für die technische Ausstattung und im Rahmen der Vorbereitung und Durchführung der Maßnahmen für den organisatorischen Aufwand an. Lastmanagement in Industriebetrieben Das untersuchte Lastmanagement bezieht sich hierbei rein auf den Teilaspekt der zeitlichen Verschiebung von bestehenden elektrischen Verbrauchern ohne die 157 elektrischen Verbräuche zu verändern. Ein Konzept zur Einbindung von Industriebetrieben muss mit dem Verständnis der Prozesse und der einzelnen Prozessschritte, d. h. der Prozessparameter wie Leistung, Energie und Energieart beginnen. Bei vielen Herstellungsprozessen gibt es unterschiedliche Prozesspfade, die an unterschiedlichen Produktionsstandorten parallel zueinander zur Anwendung kommen. Dies gilt analog für Veredelungs- und Weiterverarbeitungsschritte. Die genaue Ermittlung von Lastmanagementpotenzialen erfolgt über eine Simulation. Das Ziel ist es, existierende Lastverschiebungspotenziale zum Ausgleich von FEE zu ermitteln und Möglichkeiten zur Erhöhung zu bestimmen. Die treibende Kraft ist ein finanzieller Anreiz zur Lastverschiebung. Die im Projekt verwendeten Daten der Projektpartner werden genutzt, um die Residuallast in der Modellregion Harz in flexible Strompreise für industrielle Endkunden umzurechnen. Informationen zu Auslastung, Betriebsstunden und Leistung von Anlagen werden in der Simulation abgebildet und liefern zusammen mit der ebenfalls zeitlich aufgelösten Vorgabe von Anreizen die gesuchten Verschiebungspotenziale. Soweit wie möglich werden Investitionskosten von Prozessmitteln und Speichern recherchiert bzw. je nach Datenverfügbarkeit abgeschätzt. Zur wirtschaftlichen Bewertung werden die entstehenden Kosten und die für eine flexible Betriebsweise notwendigen Anreize ins Verhältnis gesetzt. Simulation des Lastmanagements Die Prozesse sind vielfältig und müssen unterschiedlich simuliert werden, je nachdem wie die technischen, ökonomischen und organisatorischen Randbedingungen sind. Wenn ein Prozess kontinuierlich auf Maximalleistung laufen muss, gibt es kein Lastmanagement-Potenzial. Die Leistung eines Prozesses, einer elektrischen Last oder eines Prozessschrittes muss variabel wählbar sein, um Lastmanagement (DSM) zu erlauben. Wenn der Sonderfall einer Abschaltung eingeschlossen ist, ist der Prozess als diskontinuierlich zu betrachten. Die variable Leistung kann entweder durch eine Modulation oder durch An- und Abschaltung realisiert werden. Eine weitere wesentliche Fallunterscheidung für die Modulation ist, ob die Leistung in festen Schritten oder variabel geregelt werden kann. Darüber hinaus gibt es Fälle mit Nebenbedingung wie z.B. eine Untergrenze oder die Verschiebbarkeit einer Leistungsänderung, die aus organisatorischen, technischen oder finanziellen Gründen determiniert bzw. beschränkt sein kann. Die Dauer, über die das Erbringen einer Arbeit verschoben werden kann, ist ein wesentliches Kriterium für den Einsatz. Die Verschiebbarkeit kann gelten für eine Woche oder Tage (Windenergieausgleich), einen Tag (PV-Ausgleich) oder Stunden (Regelenergie). Analog zur Länge der Verschiebbarkeit des Betriebs oder der Abschaltung ist auch die Betriebs- oder Ab158 schaltdauer wesentlich. Ein weiteres Kriterium fragt nach, inwieweit durch Erhöhung von Leistung (Überdimensionierung) und Speicherkapazität das System für Lastmanagement verändert werden kann. Die Verschiebbarkeit hängt in der Ausgangssituation von der Auslastung bzw. den Volllaststunden ab, die ihrerseits wesentlich von der Auftragslage des Unternehmens bestimmt werden. Für eine Steigerung des Lastmanagements nehmen Materiallager für Zwischenprodukte und Speicher im Kontext der Energiewandlung von Strom in thermische Energie (z.B. Kältespeicher) eine besondere Rolle ein. Lager und Speicher bewirken eine Entkopplung von Prozessschritten, d. h. anstelle einer zwingenden Abfolge zwischen aufeinanderfolgenden Produktionsschritten kann der Betrieb des einen Prozessschritts auch ohne den anderen aufrechterhalten werden. Die Pufferwirkung ergibt sich aus der Speichergröße und Entnahmemenge je Zeiteinheit. Die untersuchten Branchen umfassen neben den großen Verbrauchern Papier-, Stahl-, Aluminium- und Zementindustrie auch Brauereien. In diesen Branchen kommen unterschiedliche materielle und thermische Speicher bereits zur Anwendung. Ergebnisse Es zeigt sich gegenüber früheren Studien, auf die Bezug genommen wurde, dass durch ein Umdenken im Rahmen einer geänderten Zielsetzung Lastmanagementpotenziale für den Ausgleich von FEE durch industrielles Lastmanagement ausgebaut werden können. Die Zielsetzung hat sich hierbei mehrfach gewandelt. Während im Jahr 2012 in der Industrie ein durch Energiekosten motiviertes Lastmanagement vergleichsweise selten stattfindet, spielte noch vor zwanzig Jahren das Ziel Spitzenlasten für kurze Zeiträume von Viertelstunden bis Stunden zu reduzieren eine wesentliche Rolle. Als Teil eines „smarten Gesamtsystems“ erfordert die wachsende Leistung von Windenergie und PV in zunehmendem Maße die Nutzung industrieller Potenziale für ein- bis mehrtägige Verschiebungen in hierfür geeigneten Teilprozessen der Produktion. Die Potenziale für Lastmanagement mit einer derartigen Verschiebbarkeit liegen in den genannten Industrien mindestens in einer Größenordnung von 2 GW und 25 TWh/a. Das Verhältnis zwischen Energie und Leistung zeigt, dass neben der Finanzierung von Speichern Anreize für eine Leistungserhöhung der lastmanagementfähigen Prozessschritte sinnvoll sind. Die ökonomische Bewertung des Lastmanagements hat als wesentliche Annahme die Vorgabe eines Stromtarifansatzes mit 9 Tarifstufen, der den Einfluss der FEE auf die Restlast abbildet. Demgegenüber steht der Fall ohne Anreiz für eine flexible Betriebsweise. Auf der Ausgabenseite stehen neben betrieblichen Kosten zusätzliche Investitionskosten für thermische und materielle Speicher und Leistungserhöhun159 gen für die Prozesse an. Die Höhe der verschiebbaren Energie ergibt sich aus der Simulation auf Grundlage der verwendeten Tarifanreize. Ein weiteres Ergebnis ist die Kosteneinsparung durch die Lastverschiebung und die Amortisationsdauer für die Zusatzinvestitionen, wobei die notwendigen Anreize verändert und quantifiziert werden, bis eine akzeptable Amortisationsdauer entsteht. Die Kosten bzw. Einsparungen von Lastmanagement zum Ausgleich erneuerbarer Energien werden für die bereits untersuchten industriellen Prozesse ermittelt. Der Ausbau der Potenziale kann wirtschaftlich gestaltet werden. Im untersuchten 9 Tarifstufen-System bieten für Durchschnittsbetriebe der genannten Branchen mit einem vergleichsweise hohen Energiebedarf Preisunterschiede von unter 1 ct/kWhel je Stufe einen ausreichenden Anreiz für Zusatzinvestitionen in flexible Instrumente wie materielle Speicher. Die Preisunterschiede sind hierbei das Wesentliche für die Wirtschaftlichkeitsberechnung und nicht die Höhe des Strompreises. Der durchschnittliche Strompreis liegt in der Größenordnung von 12 ct/kWh bei kleineren Betrieben. Der Strompreis großer Betriebe liegt deutlich darunter, wird aber im verwendeten Modell nie negativ. Betriebe mit einem vergleichsweise geringen Energiebedarf wie Brauereien benötigen Preisunterschiede in der Größenordnung bis zu 2 ct/kWhel. Die Situation in der Papierindustrie führt durch hohe Speicheranforderungen zu ähnlich hohen notwendigen Anreizen. Durch Forschung und Entwicklung dürfte hier besonders hoher Spielraum für Kostensenkung bestehen. Als offensichtlich hat sich der Zusammenhang herausgestellt, dass je kleiner die Speicher sind, desto mehr Produktion in höhere Tarifstufen verlagert werden muss. Eine optimale Speichergröße nimmt in dieser Hinsicht mindestens 1/3 der Tagesproduktion in Volllast auf. Speicher mit Produktionskapazität für einen ganzen Tag haben sich gemäß den genannten Randbedingungen als sinnvoll erwiesen und noch größere Speicher scheinen in der Zementindustrie darstellbar. Zusammenfassung und Fazit Es wurden für die ausgewählten industriellen Prozesse Papier-, Stahl-, Aluminiumund Zementindustrie, Brauereien Potenziale für die Integration von FEE ermittelt. Im Vergleich zu den Leistungen erneuerbarer Energien sind nennenswerte Energiemengen mit relativ geringen Leistungen verfügbar. Technische Hindernisse spielen keine Hauptrolle. In erster Linie fehlen politische Beschlüsse, die deutlich machen, dass industrielles Lastmanagement kurz- bis mittelfristige Bedeutung bekommen wird. Um zu einer Implementierung zu gelangen, müssen die rechtlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass ausreichende Anreize gegeben werden, insbesondere für den Ausbau von Speicherkapazität und mög- 160 lichst gleichzeitig auch zur Leistungserhöhung. Das vordringliche Ziel der Industriebetriebe ist und bleibt es, die Einnahmeseite zu maximieren, d.h. die Produktionsprozesse optimal und mit maximalen Betriebsstunden laufen zu lassen. Demgegenüber bleibt das Interesse an der Senkung der Energiekosten bis auf Weiteres gering. Es hängt sowohl von der jeweiligen Branche als auch von der einzelnen Maßnahme ab, wie hoch der notwendige Anreiz sein muss, der eine tatsächliche Systemänderung und Lastverlagerung bewirken kann. Es sind nennenswerte Potenziale vorhanden und es würden wirtschaftliche Anreize in einem realistischen Rahmen ausreichen, um das vorhandene Potenzial zu aktivieren. Insofern gilt es, jetzt ausreichende Anreize und langfristig verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen. 5.4 E-Kfz Elektrofahrzeuge stellen eine Zukunftstechnologie sowohl für die individuelle Mobilität als auch für die Wirtschaftsverkehre dar. Die Batterien der Elektrofahrzeuge speichern elektrische Energie in ihren Traktionsbatterien und sind für die Zeit des Aufenthalts an Ladestationen (entweder öffentliche Ladestationen oder Ladeanschlüsse in den Nutzerhaushalten) mit dem elektrischen Versorgungsnetz verbunden. Innerhalb der Modellregion genutzte Elektrofahrzeuge speichern 20 bis 30 kWh und sind mit einer Anschlussleistung bis 11 kW an das Netz angeschlossen, sodass sie sich für den Einsatz sowohl als steuerbare Lasten/Speicher als auch zur Unterstützung des virtuellen Kraftwerkes eignen. Im Rahmen der Regenerativen Modellregion Harz wurden verschiedene technische und wirtschaftliche Untersuchungen durchgeführt sowie darauf basierende Entwicklungen für die Einbindung der Elektromobilität in das virtuelle Kraftwerk erprobt. Nutzung von Elektrofahrzeugen als Speicher im virtuellen Kraftwerk (vehicle-togrid) Elektrofahrzeuge stellen einerseits bei der Ladung einen Energiespeicher, der zu füllen ist, dar und damit eine elektrische Last. Andererseits können entsprechend ausgestattete Elektrofahrzeuge die gespeicherte Energie dem Netz kurzzeitig wieder zur Verfügung stellen (Rückspeisung). Innerhalb des Projektes wurde die Nutzung der Fahrzeugspeicher als gesteuerte Lasten, d. h. die Steuerung der Ladung der Fahrzeuge angenommen und praktisch erprobt. Zunächst wurden innerhalb des Projektes die Eigenschaften von typischen Antriebsbatterien (Bleibatterien, Lithium, Natrium/Nickelchlorid) von Elektrofahrzeugen exemplarisch mittels eines Batterieteststandes (Abbildung 70) untersucht. 161 Abbildung 70: Prinzipieller Aufbau des Batterieteststandes Den Batterietests wurden Norm-Fahrzyklen zugrunde gelegt (siehe Abbildung 71). Unter Beachtung der Fahrzeugparameter wurden die zur Erreichung der entsprechenden Geschwindigkeiten notwendigen Leistungen berechnet. Abbildung 71: links: Norm-Stadtfahrzyklus (NEFZ) nach EC 101, rechts: daraus berechneter Leistungsverlauf Unter Nutzung der aus den Fahrzyklen resultierenden Leistungsverläufe wurden die Batterien Lade-/ Entladezyklen unterzogen. Diese geben eine dem Einsatz des Fahrzeuges entsprechende Entladekurve wieder (siehe Abbildung 72). Die Batterien wurden in Langzeittest getestet und ihre Eigenschaften evaluiert. Abbildung 72: Verlauf der Batteriespannung (links) bei Entladung nach EC 101 (links) und Zeitverlauf von Batteriespannung und -strom (rechts) 162 Elektrofahrzeuge unterliegen einer stochastischen Verteilung, die von vielen Parametern abhängt. Zur Berechnung der Fahrzeugverfügbarkeit wurde auf Basis der Simulationssoftware MatlabSimulink ein Simulationstool erstellt (siehe Abbildung 73). Der Zustand des Fahrzeugs innerhalb eines Zeitraumes von 24 Stunden wurde mittels eines Fahrzeugtagesprofils definiert. Speicherkapazität, Energiebedarf und Leistungsaufnahme des Fahrzeugs können somit ermittelt werden. Abbildung 73: Simulationsschritte zur Ermittlung der Fahrzeugprofile Nach Eingabe der Fahrzeugparameter und des Tagesnutzungsplanes wurden entsprechend der Verteilung der Startzeiten (siehe Abbildung 74) die Zeiten der Verfügbarkeit der Fahrzeuge zur Ladung und die entsprechend der Fahrstrecke, des Energieverbrauchs und des Ladezustandes in den Batterien speicherbare Energie zusammengefasst und Simulationen zu Grunde gelegt. Abbildung 74: Verteilung der Startzeiten von Fahrzeiten nach Zweck der Fahrt 163 Im Ergebnis wurden daraus aggregierte Lastprofile berechnet, mit denen eine weitere Analyse bezüglich des Netzdienstes durchgeführt werden konnte. Die Lastprofile werden entsprechend des Anlasses der Fahrt in die Gruppen Freizeit, Einkauf, Ausbildung, Arbeit und Sonstige eingeteilt und stehen den energiewirtschaftlichen Berechnungen als Grundlage zur Verfügung. Im Ergebnis der Untersuchungen ergibt sich unter Annahme von 2780 für das Jahr 2020 prognostizieren E-Kfz eine Spitzenleistung von 10,7 MW für das Laden der Fahrzeuge. Die Netzverträglichkeit der Ladung der zugrunde gelegten Flotte von Elektrofahrzeugen hängt dabei von der Verteilung der Fahrzeuge im Gebiet des virtuellen Kraftwerkes ab. Kommunikationsinfrastruktur für die Elektromobilität und Anschluss an das virtuelle Kraftwerk Voraussetzung für die Anwendung gesteuerter Ladeverfahren der Elektrofahrzeuge ist das Vorhandensein einer Kommunikationsinfrastruktur zwischen Energienetz und Fahrzeug. Dabei können sowohl kabellose (Bluetooth, WLAN) als auch leitungsgebundene Übertragungswege (CAN-Bus, Home-Plug-Powerline, PLC) verwendet werden. Die unterschiedlichen Eigenschaften der Technologien sind in Tab. 1 dargelegt. Technologie Bandbreite Verfügbarkeit EMV Wirtschaftlichkeit + +++ +++ +++ +++ ++ ++ + +++ ++ PLC + ++ + ++ ++ Bluetooth + + + ++ + +++ + ++ +++ ++ CAN-BUS Home-PlugPowerline W-LAN Eignung Tabelle 15: Vergleich von Übertragungstechnologien zwischen Ladeinfrastruktur und Elektrofahrzeug Bei der Kommunikationsinfrastruktur wird davon ausgegangen, dass sie die Anforderungen der DIN EN 61851 (Deutsche Fassung der IEC 61851), die eine Signalisierung von definierten Zuständen des Fahrzeuges vorgibt, grundsätzlich erfüllt. Zusätzlich werden die Kommunikationsschnittstellen des neuen Normenentwurfs IEC 15118 berücksichtigt. Zum Anschluss von Elektrofahrzeugen an das virtuelle Kraftwerk wurde die Nutzung vorhandener Ladeinfrastruktur untersucht und unter Nutzung des BEMI realisiert. 164 Die Ladeinfrastruktur gibt zu den tarif- oder befehlsbasierten Zeiten die Ladung frei. Die Ladung der Fahrzeuge erfolgt über die fahrzeugseitige Ladetechnik. 165 6 Netz 6.1 Bestandsaufnahme 6.1.1 Erhebung von Netzdaten Dieses Arbeitspaket diente der Vorbereitung der Simulationen u. a. des elektrischen Netzes. Eine Ausrichtung der Berechnungen erforderte eine Analyse des Netzbetriebes, in der deren Randbedingungen definiert wurden. Somit wurde geklärt, welche Informationen für die Untersuchungen ermittelt und deren Größen definiert werden mussten. Einführend sind als Basis die Daten des Untersuchungsgegenstandes „elektrisches Netz“ in der Modellregion erhoben worden. Das bezog sich sowohl auf die Struktur des Netzes mit den beteiligten Komponenten, die verschiedenen Spannungsebenen, die (Summen-)Lasten und Erzeuger in den Verteilnetzen der E.ON Avacon AG, Mitnetz Strom GmbH (vormals envia Netz), Stadtwerke Quedlinburg, Halberstadtwerke, Stadtwerke Wernigerode und Stadtwerke Blankenburg. In einer Erzeugerliste sind u.a. Angaben zum Anlagenstandort mit geografischer Positionierung, installierter Leistung, Spannungsebene, Netzbetreiber, EEG-Anlagenschlüssel und erzeugter Jahresenergie enthalten. Erforderliche Verbrauchsdaten sowie relevante Informationen zu Erzeugungsanlagen wurden dem Leitszenariendokument entnommen. Die für die Simulation aufgearbeiteten Zeitreihen sind als 1/4h-Ganglinien mit UTC-Zeitstempel in ExcelTabellen im Rahmen des Leitszenariendokumentes (RegmodHarz, 2012a) verankert worden. Die Modellierung der Lasten erfolgte über Snapshot-Messungen an den relevanten Umspannwerken. Aus diesen Messprofilen wurde nach Korrektur der Erzeugungsleistung in diesen Zeitabschnitten die Anteilsverteilung der im hinterlagerten Netz befindlichen Lasten in der Unterteilung nach Standardlastprofilen vorgenommen und mit Hilfe des Simplex-Algorithmus umgesetzt. Die Zielfunktion beinhaltet den minimierten Fehler bei der Annäherung der Anteilsermittlung aus Standardlastprofilen im Bezug zur vorgegebenen Messung des Summenlastprofils. Somit wurde die Anteilsverteilung an Standardlastprofilen für jede Region eines Umspannwerkbereiches festgelegt (siehe Abbildung 75). Um die Aufteilung der Anteile zu ermöglichen, wurden die minimalen Entfernungen von Gebäuden in der Region zu den möglichen Anschlusspunkten (Sammelschienen) ermittelt. Diese Berechnungen erfolgten auf Grundlage der Koordinaten der Gebäude, welche aus GIS Daten ermittelt wurden. 166 Die Niederspannungsebene wird in dem Modell nicht betrachtet. Sie ist in den Netzebenen nur angegeben, um die sekundären Anschlusspunkte der Transformatoren zu erfassen, welche die Mittelspannungsebene mit der Niederspannungsebene verbinden. Insbesondere Lasten und Erzeugungsanlagen, welche im Niederspannungsnetz angeschlossen sind, wurden als konzentrierte Gruppe von Lasten und Erzeugern an die geografisch nächstgelegene Mittelspannungssammelschiene gekoppelt. Als Netzelemente sind in dem Simulationsmodell Leitungen, Sammelschienen, Knotenpunkte, Generatoren, Transformatoren und Netzeinspeisungen berücksichtigt. 4,3% Haushalt 30,6% Gewerbe 65,1% Straßenbeleuchtung Nachtspeicher Lastnachbildung mit Simplexmethode 1,2 1 Wirkleistung [p.u.] 0,0% Anteilsverteilung der Standardlastprofile für die Lastnachbildung 0,8 0,6 Messung Nachbildung 0,4 0,2 0 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 Zeit [h] Abbildung 75: Beispiel für die Lastprofilaufschlüsselung mit Simplex-Algorithmus Modelle aller Netzelemente wurden auf der Grundlage von Originaldaten der Netzbetreiber parametriert und im Anschluss daran anonymisiert (siehe Tabelle 16). Element Knoten/Sammelschienen Synchronmaschinen Netzeinspeisungen/Slackknoten Anzahl 1921 187 4 Lasten 1852 Leitungen 1990 Zweiwicklungstransformatoren 25 Dreiwicklungstransformatoren 3 Tabelle 16: Übersicht über vorhandene Netzelemente Im Anschluss an die Modellentwicklung wurden die Parameter entsprechend den Leitszenarien im Netzmodell eingestellt. Aus der im Rahmen der Leitszenarien (RegModHarz, 2012a) angelegten Erzeugungszeitreihen-Tabelle wurden Anteile der territorial festgelegten ¼-Stunden-Zeitreihen (Erzeugungsprofile) übernommen. Ein weiterer Anteil der Erzeugungsprofile wurde mittels gemessener Deutscher Wetter167 dienst-Profile für Wind und solare Einstrahlung in Gebieten des Harzes generiert. Entsprechende Leistungskennlinien für Windkraft- und Photovoltaikanlagen (siehe Abbildung 76), ermittelt aus Messungen an der hauseigenen PV-Anlage sowie anhand von Messdatenreihen eines Windparks, ermöglichten die Überführung in Einspeiseprofile elektrischer Wirkleistung. Abbildung 76: Leistungskennlinien für PV- und Windenergieanlagen (OvGU, 2009) (Enercon, 2012) Die Parameter für die jeweilig gekoppelte Erzeugerleistung an den einzelnen Netzknoten wurden über die Standorte der Erzeugungseinrichtungen, welche aus den vorhanden Daten der OvGU stammen, ausgewertet und den jeweiligen Netzknoten zugeordnet. Parametrierung gemäß Leitszenarien Die zu Beginn des Projektes festgelegten Leitszenarien berücksichtigen u.a. die verschiedenen Durchdringungsgrade erneuerbarer Erzeugungsanlagen. Basis ist die Situation im Referenzjahr 2008. Darauf Bezug nehmend, wurden Skalierungsgrade (Tabelle 17) ermittelt und für ein Zukunftsszenario (Leitszenario 2 -2020) fixiert, welche die Bewertung des künftigen Einflusses erneuerbarer Erzeugungsanlagen auf das Netz in den theoretischen Betrachtungen möglich machten. Leitszenario 3 wurde während der Projektlaufzeit definiert und hatte in der Teiluntersuchung „Lastflussanalyse“ aus chronologischen Gründen noch keine Relevanz. Für die Netzsimulationen wurden die gemäß der Netzstruktur relevanten Erzeugungsanlagen berücksichtigt. Im Vergleich zu den im gesamten Landkreis Harz registrierten Erzeugungsanlagen stellt dies einen geringeren Anteil dar. Daher ergeben sich für die in der Simulation angesetzten Leistungen geringere Werte, als im Leitszenariendokument erwähnt. Die restlichen Anlagenleistungen entfallen auf die Netzgebiete angrenzender Landkreise. 168 Installierte Leistung 2008 (MW) Installierte Leistung 2020 (MW) Biomasse 9,6 19,5 2,03 Photovoltaik 7,6 33,0 4,37 Wasserkraft 8,2 10,0 1,22 Windkraft 123,3 203,4 1,65 Gesamt 148,6 265,9 1,79 Energiequelle Skalierungsfaktor Tabelle 17: Installierte Leistung relevanter und erneuerbarer Erzeuger sowie deren Skalierung (RegModHarz, 2012a) Abbildung 77: Szenarienvergleich (SZ1…SZ3) hinsichtlich installierter Leistungen und erzeugbarer Energiemengen im relevanten Netzbereich (RegModHarz, 2008) 6.1.2 Analyse des Netzbetriebes Power Quality Messungen Die Untersuchung der Power Quality im Netz erforderte die Definition der wichtigen Merkmale, ausgehend von relevanten Normen, wie der DIN EN 50160 (EN 50160, 2010), die als Messkriterien für eine Messkampagne zu Grunde gelegt wurden. Ebenso ist die entsprechende Messnorm und der Abgleich geeigneter Messgeräte nach der Power Quality Messnorm IEC 61000-4-30 vorgenommen worden. Die Messungen fanden im Niederspannungsnetz statt, deren räumliche Zuordnung an den speisenden Mittelspannungsnetzen orientiert wurde. So wurde an Stationen gemessen, die an das gleiche Mittelspannungsnetz gekoppelt sind. Darüber hinaus wurden auch Stationen berücksichtigt, die über andere Mittelspannungsnetze versorgt werden und nur eine gemeinsame Kopplung durch das Hochspannungsnetz besitzen. Somit konnten gemeinsame Rückwirkungen detektiert werden, da zeitgleiche Messungen stattfanden. Gemessen wurde über einen Zeitraum von einer Woche. Zur Maximierung der Genauigkeit erfolgte die Durchführung der Messungen 169 an Ortsnetzstationen (siehe Abbildung 78) über den Rahmen der Norm DIN EN 50160 hinaus, mit Messungen höherer Auflösung von 1 min statt 10 min. Unter Einbeziehung der zeitgleichen Messung konnten Rückschlüsse auf die Entstehung und Herkunft einiger Netzrückwirkungen gezogen werden. Die Untersuchung der Spannungsqualität konnte eine stabile Situation im Niederspannungsnetz bestätigen. Sowohl Spannungshöhe, Flickerpegel und Frequenz liegen weit innerhalb der zulässigen Grenzen, wie Abbildung 79 verdeutlicht. Abbildung 78: Messanordnung bei PQ-Messungen Abbildung 79: Übersicht von PQ-Parameter an den Ortsnetzstationen 170 Virtueller Anschlusspunkt Die Betriebskoordinierung eines lokalen virtuellen Kraftwerks, das durch mehrere Anschlusspunkte mit dem übrigen Netz verbunden ist, einschließlich OnlineBilanzierung sowie Betriebsparameterüberwachung, kann durch die Einführung in das Steuerungskonzept eines virtuellen Anschlusspunktes – des sogenannten Virtual Point of Common Coupling (VPCC) verbessert werden. Es wurde hier das Konzept des virtuellen Anschlusspunktes entwickelt. Die Idee des virtuellen Anschlusspunktes – VPCC ist technisch durch den Einsatz hochpräziser und synchronisierter Messungen mit Phasor Measurement Units (PMUs) realisierbar (Powalko et al., 2010). Hinsichtlich der Kommunikationsinfrastruktur wurden folgende Eigenschaften der Kommunikationsmittel untersucht: Übertragungskapazität, Übertragungsgeschwindigkeit, vorhandene Verzögerungen, Datensicherheit, Verfügbarkeit. Abbildung 80: Prinzipielle Transformation des virtuellen Anschlusspunktes im untersuchten Netzgebiet sowie PMU-Anordnung 171 6.2 Netzsimulationen 6.2.1 Lastflussanalyse für die Leitszenarien Im Rahmen der Netzuntersuchungen wurde das Hoch- und Mittelspannungsnetz des Landkreises Harz mit Hilfe der Software PSS®SINCAL in ein Modellnetz überführt. Hierbei sind die Netzstruktur nachgebildet sowie die lokalen Verbraucher und Erzeuger an das entsprechende Netz angeschlossen worden. Für Verbraucher wurden Standardlastprofile verwendet, um somit Simulationen über einen längeren Zeitraum durchführen zu können, ohne auf eine direkte Verwendung von Messwerten angewiesen zu sein. Diese Profile wurden dann mit entsprechenden Anschlussleistungen gekoppelt und auf die Sammelschienen der relevanten Knoten im Verteilungsnetz verteilt und parametriert. Den Erzeugungsanlagen sind Einspeiseprofile zugeordnet worden. Zu diesem Zweck kamen je nach Art des Erzeugers spezielle Einspeiseprofile zum Einsatz, welche die eingespeiste Leistung in Abhängigkeit von den territorial vorherrschenden Wetter-/Klimabedingungen nachbildeten. Der Aufbau des Netzmodelles ermöglichte die im Anschluss beschriebenen Untersuchungen, wie z.B. die Implementierung des Freileitungsmonitorings oder des Netzsicherheitsmanagementsystems. Das modellierte Netz umfasst die Spannungsebenen der Mittel- und Hochspannung. Die Niederspannungsebene wird in dem vorhandenen Modell auf Grund der Komplexität nicht betrachtet. Als Ergebnis der Simulation des Leitszenarios 1 (2008) wurden sieben Leitungen identifiziert, welche eine Auslastung von über 70 % aufwiesen. Die Knotenspannungen erreichten einen minimalen Grenzwert von 0,959 p.u. sowie einen maximalen Grenzwert von 1,046 p.u., (Tabelle 18). Alle Simulationsergebnisse zeigten keine Grenzwertverletzungen im Sinne der Netzparametermerkmale, insbesondere der Spannung, gemäß DIN EN 50160 (OvGU, 2009) auf. Während der veränderten Belastungssituation des Netzes im Jahr 2020 konnten ebenfalls keine Grenzwertüberschreitungen der DIN EN 50160 ermittelt werden. Somit wäre unter diesem Kriterium bis zum Jahr 2020 unter den festgelegten Randbedingungen kein Netzausbau notwendig. Hinsichtlich der Grenze für die Leitungsauslastung von 70 %, gab es mehrere Überschreitungen (Tabelle 19). Das betraf unter anderem die Anbindung zweier Windparks an die Hochspannungsebene. Sollten diese im gleichen Maße wie die anderen Windkraftanlagen ausgebaut werden, so würde eine Verstärkung der Leitung L19 notwendig werden. Unter Berücksichtigung und Einhaltung der (n-1) – Sicherheit wäre der partielle Netzausbau notwendig. Im Szenario 2020 stellte sich in der Simulation eine minimale Knotenspannung von 0,97 p.u. und eine maximalen Knotenspannung von 1,04 p.u. ein, welche sich deutlich unter den Grenzwerten der DIN EN 50160 befindet. 172 Parameter Anzahl der Knoten, bei denen U(<97% und >104%) [pro Jahr] 2008 2020 114 273 Maximale Auslastung [%] 1,046 1,058 Minimale Auslastung [%] 0,959 0,964 4756 377311 Gesamte Anzahl der Grenzwertverletzungen (<97% und >104%) [pro Jahr] Tabelle 18: Übersicht über die Ergebnisse der Knotenspannungen von Leitszenario I und II (2008 und 2020) Parameter Maximale Überschreitungsdauer einer Leitung am Stück [h]: 2008 2020 19,25 17 7 4 Maximale Auslastung einer Leitung [%]: 89,13 83,94 Gesamte Anzahl der Überschreitungen (>70%) pro Jahr: 39180 4224 Anzahl der Leitungen die 70% Auslastung überschreiten: Tabelle 19: Übersicht über die Ergebnisse der Leitungsauslastungen von 2008 und 2020 Im gesamten Jahr 2008 standen 0,337 TWh an möglicher Energie aus erneuerbaren Energiequellen zur Verfügung. Als Exportleistung stand die dementsprechend überschüssige Leistung zur Verfügung, die aufgrund von fehlender Last generiert wurde. Somit wurden jährlich etwa 0,67 GWh/a in die übergeordnete Spannungsebene eingespeist. Dies entspricht etwa dem Anteil von 0,2 % der eingespeisten Energie erneuerbarer Erzeugungsanlagen und verdeutlicht, dass die im LKH installierten EEA im Jahr 2008 keinen großen Einfluss auf die überregionale Energieversorgung hatten. Der Energieexportbetrag von 0,67 GWh/a steht dabei einer importierten Leistung von 1.030 GWh/a gegenüber. Damit wurden etwa 76 % der vorhandenen Last durch Netzimporte ausgeglichen. Im Umkehrschluss wurden demnach ca. 24 % der Last durch EEA versorgt. Somit hat der LKH bereits im Jahr 2008 das Ziel der Europäischen Union (BMU, 2012), 20 % der Energie aus erneuerbaren Energien zu beziehen, erreicht. Im Leitszenario II für das Jahr 2020 wurden 117,5 MW zusätzliche Leistung durch EEA angenommen, sodass insgesamt 265,9 MW installiert waren. Das entspricht einer Steigerung um ca. 79 %. Auf Grund der demografischen Entwicklung (RegModHarz, 2012a) im LKH reduzierte sich die vorhandene installierte Last des LKH um 2,49 MW auf 309,49 MW (inkl. Bezugsleistung des Pumpspeicherwerkes (PSW)). Der Jahresenergieverbrauch fällt mit 1,33 TWh/a etwas geringer aus als im Leitszenario I. Bei den Angaben zur Gesamtlast ist zu berücksichtigen, dass auch das 173 Pumpspeicherwerk mit 79 MW Leistungsbezug mit einbezogen wurde. Abbildung 81 zeigt die Leistungsimport- und Exportsituation des LHK. Der maximale Wert an eingespeister Leistung lag bei 193,66 MW zum Zeitpunkt 8492 (entspricht dem 28.3.2020 11:00 Uhr). Abbildung 81: Leistungsexporte (negativ) und -importe (positiv) im Netzgebiet des LKH im simulierten Leitszenario II (2020) Davon wurden 99,74 MW durch die Lasten im LKH kompensiert und die übrige Leistung in das Übertragungsnetz exportiert (Abbildung 81, negative Peaks). Es wurden ca. 15,26 GWh von den erneuerbar erzeugten 530 GWh aus dem LKH in das vorgelagerte Netz exportiert. Das entspricht einem Anteil von 2,9 %. Demnach wurden in der Simulation des Leitszenario II 38,5 % der im LKH verbrauchten Elektroenergie in der Region erneuerbar erzeugt. 6.2.2 Freileitungsmonitoring in 110 kV –Teilnetzen Eine der im Projekt untersuchten Fragestellungen richtet sich auf die Steigerung der Übertragungskapazitäten durch Freileitungsmonitoring (FLM). Zu diesem Zweck war es erforderlich, den Einfluss von Wetterbedingungen auf die Stromtragfähigkeit von Freileitungen zu bestimmen und die daraus resultierenden Potenziale abzuschätzen. In Abbildung 82 wird veranschaulicht, dass im Fall von niedrigeren Außentemperaturen bzw. Windeinfluss eine deutliche Zunahme der Leiterseilbelastbarkeit einhergeht. Damit ist es prinzipiell möglich, zusätzliche Kapazitäten vorhandener Freileitungen für die Integration erneuerbarer Energien zu nutzen. Die maximale Strombelastbarkeit einer Freileitung wird in erster Linie durch den sicherheitsrele- 174 vanten Durchhang des Seils begrenzt. Mit steigender Strombelastung steigt auch die Temperatur des Leiters. Abbildung 82: Schematische Darstellung mit normrelevanten Einflussgrößen (links) sowie Belastungsbeispiel mit und ohne FLM am Beispiel des CIGRÉ-Benchmarknetzes (rechts) In Folge dessen dehnt sich das Material aus und der Abstand der Freileitung zum Boden verringert sich, was eine Gefährdung von Personen, Fahrzeugen und Gebäuden zur Folge haben kann. Neben der Strombelastung hängt die Leitertemperatur auch von den herrschenden Witterungsbedingungen ab. Diese Witterungsbedingungen und die maximal zulässige Leitertemperatur für Freileitungen sind in der Norm DIN EN 50182 (DIN EN 50182, 2001) definiert. Für die Berechnung der Stromtragfähigkeit des Leiterseils wurde unter anderem eine Wärmebilanzgleichung aus dem CIGRÉ-FLM-Modell (CIGRE WG, 1992) sowie gemessene Einflussgrößen wie Windgeschwindigkeit und Umgebungstemperatur zu Grunde gelegt, wie die folgenden Gleichung zeigt. Diese besteht auf der linken Seite aus den Joule`schen Stromwärmeverlusten (PJ), Erwärmung durch Magnetisierung (PM), Solareinstrahlung (PS) und Koronaverlusten (Pi) sowie der Kühlung durch Konvektion (PK), Abstrahlung (PJr) und Verdampfung (PW) auf der rechten Seite. Dazu wurde für ein Testsystem im Bereich der Verteilungsnetzebene die witterungsabhängige Ausprägung der Strombelastbarkeiten der Freileitungen der Spannungsebene 110 kV bestimmt. Die FLM-Untersuchungen berücksichtigen die (n-1)– Sicherheit. Diese sagt aus, dass 60 % der thermischen Grenzleistung eines Leiterseils beansprucht werden kann. So wird sichergestellt, dass beim Ausfall einer parallel verlaufenden Leitung die zweite Leitung kurzeitig mit bis zu 120 % Auslastung sicher betrieben werden könnte. Es folgte die Lastflussanalyse mit der Auflösung von ¼-stündigen Werten über die Zeit von einem Jahr (jeweils Leitszenario I und II) innerhalb des 110 kV –Netzes, in welche die FLM –Kriterien implementiert wurden. Da zu der Zeit der Untersuchungen noch kein 100 % -Versorgungsszenario 175 BRD offiziell vereinbart wurde, beinhaltet diese Untersuchung ein 100 % -Szenario, welches sich auf die Jahresenergiebilanz des Landkreises Harz bezieht. Beispielhaft veranschaulicht ist die Leitung 6 (Abbildung 83, links), welche zusammen mit einem weiteren Parallelsystem einen Teil der Versorgung des LKH aus dem Übertragungsnetz realisiert. Die typischen Schwankungen zwischen Stark- und Schwachlastzeiten sind in den Spitzen der oben gelagerten Kurve zu erkennen. Die höchste Strombelastung der Leitung liegt bei 0,66 p.u. der statischen Strombelastbarkeit, damit wird die Leitung bei Einhaltung des (n-1)-Kriteriums (0,6 p.u.) an der Belastungsgrenze gefahren. Die obere Funktion beschreibt die witterungsabhängige Strombelastbarkeit der Leitung. Die Minima in der unteren Kurve sind auf erhöhte Einspeisung aus erneuerbaren Energiequellen zurückzuführen. Steigt im durch die Leitung 6 versorgten Netzgebiet die Einspeisung aus Wind, muss weniger Leistung aus dem vorgelagerten Netz bereitgestellt werden. In Abbildung 83 (rechts) ist die Häufigkeitsverteilung der Strombelastung (linke Kurve) und der Strombelastbarkeit (rechte Kurve) für den gleichen Zeitraum dargestellt. Hier wird deutlich, dass der Großteil der simulierten Werte für die Strombelastungen der Leitung zwischen 0,25 und 0,6 p.u. außerhalb der Belastbarkeitsgrenze liegen. Häufigkeit der Belastung [%] 2,5 Leiterstrom [p.u.] 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 1 673 1345 2017 Zeit [1/4 h] 2689 25 20 15 10 5 0 0,0 0,3 0,6 0,9 1,2 1,5 1,8 2,1 2,4 Leiterstrom [p.u.] Abbildung 83: Strombelastung und Strombelastbarkeit der Leitung 6 (links) des Szenarios 2008 sowie deren Häufigkeitsdarstellung (rechts) Die Auswertung der Berechnungen der Übertragungspotenziale ergab: 176 Für alle untersuchten 110 kV -Leitungen ist eine Erhöhung der Strombelastbarkeit gegenüber der statischen Auslegung möglich. Die jeweilige Erhöhung der Strombelastbarkeit ist abhängig von den momentan herrschenden Witterungsbedingungen. Insbesondere eignet sich das FLM bei hohen Anteilen von Windstrom, der von einer Freileitung transportiert wird, was im Landkreis Harz häufig gegeben ist. Die Strombelastbarkeiten konnten in der Simulation um rund 50 % gegenüber der statischen Auslegung der (n-1)-Belastungsgrenze gesteigert werden. Die erreichten Potenziale sind stark von den Parametern und dem Standort der jeweiligen Freileitung abhängig. Zur technischen Umsetzung des FLM-Systems wird die indirekte Ermittlung der Seiltemperatur vorgeschlagen, bei der aus umliegenden Wetterstationen online die aktuelle Strombelastbarkeit der Freileitungen bestimmt und an die Netzführung weitergegeben wird. Die Realisierung eines FLM-Systems erfordert einen nicht unerheblichen Aufwand. Erforderlich sind: o Eine ausreichende Positionierung von Wetterstationen mit der Messung von Windgeschwindigkeit, Windrichtung, Umgebungstemperatur, Sonneneinstrahlung und Niederschlag, o eine minutenscharfe und sichere online-Übertragung der Wetterdaten zu einer Leitwarte, o eine Prüfung und die Aufbereitung der Daten und Adaption der Messung an das bestehende Netzleitsystem. Optional empfiehlt sich eine Temperaturmessung an den Leiterseilen der ermittelten Engpässe im Netz. Im weiteren Verlauf der Untersuchung wurde das betrachtete Testsystem anhand des 110 kV -Netzmodells simuliert. In drei Szenarien wurde die Erzeugung aus dezentralen Energieerzeugungsanlagen stetig gesteigert. Dabei konnte festgestellt werden, dass ohne FLM zehn Freileitungen bei dem prognostizierten Anstieg der EEA-Leistungen bis zum Jahr 2020 temporär überlastet wären. Des Weiteren ergab die Auswertung der Lastflussanalyse aus den Simulationsszenarien: Nach derzeitiger Netztopologie und steigender dezentraler Einspeisung wurden in den Simulationen partielle Überschreitungen der maximalen Leitungsbelastbarkeiten unter der Maßgabe der (n-1)-Sicherheit lokalisiert. Basis, bezüglich der Leiterseilbelastbarkeiten, ist die zugrunde gelegte DIN EN 50183. Unter Einsatz des FLM konnte in den Simulationen festgestellt werden, dass das untersuchte Verteilungsnetz bei dem bis zum Jahr 2020 erwarteten Anstieg der dezentralen Energieerzeugung (n-1)-sicher betrieben werden 177 kann, Die mittels FLM erhöhten Strombelastbarkeiten der Freileitungen führen zu keiner Verletzung der Spannungsqualität nach DIN EN 50160 im 110 kV – Netz. Im Rahmen einer Sensitivitätsanalyse wurde die Einspeisung aus erneuerbaren Energieerzeugungs-anlagen schrittweise im gesamten Netz erhöht. Das Beispiel in Abbildung 84 zeigt die anhand des angewendeten CIGRÉ-Leiterseilmodells ermittelte Belastbarkeitsgrenze (roter Verlauf). Diese wurde für eine ausgewählte Leitung in einem Zeitraum von einer Woche im Jahr 2020 (Leitszenario II) in Abhängigkeit von den Witterungseinflüssen berechnet. Die Untersuchung der lokalisierten Netzengpässe am Netzmodell ergab: Die Anwendung des FLM würde den 110 kV -Netzbetrieb mit andauernder Überschreitung der in der DIN EN 50182 festgelegten statischen Belastungsgrenze ermöglichen, wenn die klimatischen Bedingungen dafür erfüllt sind. Mit FLM könnte die Grenzbelastbarkeit der Leiterseile je nach lokalem und zeitlichem Fokus bis über 2 p.u. gesteigert werden. Während des FLM-Betriebes konnte im Leitszenario II ab einer Erhöhung der installierten Leistungen aus EEA von ca. 80 % (bezogen auf die im Leitszenario II installierten Leistungen der EEA) die (n-1)-Sicherheit nicht mehr über den gesamten Zeitraum von einem Jahr und nicht mehr im ganzen System festgestellt werden. Abbildung 84 zeigt beispielhaft die Sensitivitätsuntersuchung bei stufenweiser Leistungs-Anteilserhöhung der EEA sowie die durch DIN EN 50182 und CIGRÉ-Seilmodell gegebenen Belastungsgrenzen sowie die jeweils zugehörigen (n-1)-Grenzen. Die durchgeführten Simulationen des FLM mittels CIGRÉ – Seilmodell setzten eine homogene Erfassung der Wetterdaten und -bedingungen am entsprechenden Ort zur jeweiligen Zeit voraus. Im praktischen Einsatz können diese Voraussetzungen nicht permanent zu 100 % erfüllt werden. Die Bedingungen variieren unter Umständen durch nicht vorhersehbare Einflüsse z.B. durch nicht vermeidbare Messfehler oder durch Windverschattungseffekte bei topografische Reliefänderungen, so dass hier die empirisch Ermittlung eines Sicherheitsfaktors mit Hilfe eines Testsystems vorgeschlagen wird. 178 stufenweise Leistungserhöhung der EEA 3,0 Grenzbelastbarkeit mit FLM 2,0 (n-1)-Belastbarkeit mit FLM 1,5 < 80% Erhöhung! +180 % EEG-Leistungserhöhung +20 % ….. Strom [p.u.] 2,5 1,0 Grenzbelastbarkeit nach DIN EN 50182 0,5 Strombelastung Leitszenario II 0,0 0 24 48 72 96 120 144 168 Zeit [h] Abbildung 84: Stufenweise Erhöhung der Einspeisung installierter EEA am Beispiel der Leitung 19 unter FLM-Einfluss innerhalb einer ausgewählten Woche im Leitszenario II (Jahr 2020) Der Netzbetrieb mit Freileitungsmonitoring erfordert Überprüfungen und Anpassungsmaßnahmen im Bereich der Primär- und Sekundärtechnik. Insbesondere müssen Verbindungs-, Schutz-, und Umspannwerkstechnik auf die Belastbarkeit mit höheren Betriebsströmen ausgelegt werden. Gegebenenfalls müssen Komponenten ausgetauscht werden. 6.2.3 Netzsicherheitsmanagement Das Netzsicherheitsmanagement (NSM) wie auch das Einspeisemanagement dienen der Aufrechterhaltung der Netzsicherheit bei ungeplanten (BDEW, 2008) oder prognostizierten Netzengpässen (BMU, 2011), verursacht durch die Einspeisung erneuerbarer Energieanlagen (EEA). Die maximale Belastbarkeit, in diesem Falle der Strom Imax, ist von der individuellen Belastbarkeit der Betriebsmittel abhängig. Die simulative Umsetzung des NSM bezieht das (n-1)-Kriterium ein und sieht einen Betrieb der Erzeugungsanlagen vor, in welchem die eingespeiste Wirkleistung in Stufen von 100 %, 60 %, 30 % und 0 % beeinflusst werden kann. Die Untersuchung umfasst nicht die Berücksichtigung der Netzverluste. Für EEA müssen ab einer installierten Erzeugungsleistung von 0 kW Einrichtungen zur Reduktionsmöglichkeit der Einspeiseleistung installiert sein (BMU, 2011), wenn deren Erzeugungsleistung bis zu einer Höhe von 100 kVA (laut VDE AR-N 4105) nicht generell auf 70 % reduziert ist (CIGRE WG, 1992).Der eingesetzte NSM-Algorithmus basiert auf einem Effizienzvergleich der von den Betriebsmitteln des Netzes übertragbaren Leistung mittels Sensitivi179 tätsanalyse zum Erreichen des optimalen Leistungsflusses. Das Kriterium der höchsten Effizienz, das dem Power Transfer Distribution Factor (PTDF) sehr ähnlich ist, wurde in den Algorithmus implementiert. Demnach wird immer nur die effizienteste Leistungsbegrenzung angewendet. Ausgehend davon, dass eine Einspeisebegrenzung von einem anderen Generator ausgeglichen werden muss, um Erzeugung und Verbrauch im Gleichgewicht zu halten, werden immer jeweils 2 Generatoren des gesamten Netzes zusammen getestet. Die dafür verwendete Gleichung gestaltet sich wie folgt: ( )[ [ ] ] ( ) [ ] mitΔpll als zu reduzierende Leistung auf der Leitung und Predispatched(i,j) als geänderte Leistung an den Knoten i und j. Für jedes mögliche Paar von Generatoren lässt sich somit der PTDF nach der obigen Gleichung berechnen und es entsteht eine Matrix mit allen möglichen Kombinationen. Die Kombinationen der Generatoren, die keine Möglichkeit haben ihre Erzeugungsleistung zu erhöhen (z.B. Windparks), werden entfernt. Aus den verbleibenden Generatorkombinationen wird nun das Paar herausgesucht mit der höchsten Effizienz, also dem größten PTDF. Dieser Wert repräsentiert die kleinste zu reduzierende Leistung an einem Generator zur Behebung des Leitungsengpasses. Mit Hilfe der verwendeten Simulationstools MATLAB und PSS®NETOMAC wurde der NSM-Algorithmus in das 110 kV–Netzmodell der RegModHarz eingebettet. Im Leitszenario I sind 3,8 % der einspeisbaren Energie auf Grund von Überlastungen nicht genutzt worden, was einer Jahresenergiemenge von etwa 12,6 GWh/a entspricht. Dieser Anteil wuchs im Leitszenario II auf ca. 9,4 %, entsprechend einer Energiemenge von 54,8 GWh. Tabelle 20 zeigt die installierten Leistungen der EEA im untersuchten LKH-Netz in Abhängigkeit von den Leitszenarien. Erzeugungsart Installierte Leistung [MW] 2008 2020 100%-EE Biogas 5,58 13,38 25,17 Biomasse 3,82 6,13 174,81 PV 7,56 33,03 520,24 Wasserkraft 8,15 9,97 9,97 123,29 203,39 515,85 Windkraft Tabelle 20: Installierte Leistung der EEA im untersuchten Netz (RegModHarz, 2012a) 180 Im Hinblick auf die Windenergie sind nur am UW 18 Leistungsbegrenzungen notwendig gewesen. Die Windkraftanlagen in diesem Netzbereich können als Hauptursache für die auftretenden Überlastungen benannt werden. Im 100 % -Szenario konnte von zeitgleich maximal 891 MW zur Verfügung stehender Einspeiseleistung maximal 334 MW tatsächlicher Nutzleistung in das Netz eingespeist werden, was in Abbildung 85 zu erkennen ist. Das vorhandene Netzmodell hatte keine ausreichenden Kapazitäten, um die erzeugbare Spitzenleistung aufzunehmen. In diesem Szenario beziffert sich der abgeregelte Energieanteil auf 42 % (siehe Abbildung 86) was der Energiemenge von 1.003 GWh entspricht. Die theoretisch, durch erneuerbare Energiequellen erzeugbare Jahresenergie beläuft sich auf 2,45 TWh/a und hat damit einen mehr als viermal höheren Wert als im Leitszenario II. Abbildung 85: Summenleistung der Einspeisung installierter EEA im 100% -Szenario Abbildung 86: Vergleich der Nutzung erzeugbarer Energie im Jahr 2008 und 100 % Szenario In Zeiten der höchsten Exportleistung mussten 151,1 MW abgeregelt werden. So waren in Situationen mit hoher Einspeisung aus EEA und gleichzeitiger Leistungseinspeisung aus dem PSW die zuführenden Leitungen zum UW 11 überlastet. Dar181 über hinaus mussten in den besagten Zuständen zum Teil mehr Leistung aus EEA begrenzt werden, als das PSW zu Verfügung gestellt hatte. Im Durchschnitt wurden pro betroffenen Zeitpunkt etwa 130 MW an Leistung begrenzt. Ca. 59 % der abgeregelten Energie betrafen die Wintermonate Oktober bis März. Dies ist auf das höhere Windaufkommen in diesen Monaten zurückzuführen. Tabelle 21 zeigt die ermittelten Ergebnisse zur Erzeugungsleistung, aufgeschlüsselt nach theoretischer, nutzbarer und abgeregelter Leistung für die einzelnen Erzeugungstypen. Hier zeigt sich deutlich, dass die Windkraft als größte installierte Erzeugungsart den meisten Einfluss auf die Netzüberlastungen hatte. Abbildung 87 veranschaulicht die Situation der nutzbaren und via NSM gedrosselten Energiemengen hinsichtlich der dezentralen Erzeugung im LKH. Vergleichsgröße Szenario 1 2008 Szenario 2 2020 Szenario 3 100%-EE Installierte Leistung [MW] 148,6 265,9 1246,1 Theoretische Energie [GWh/a] 337,6 582,4 2450,9 Nutzbare Energie [GWh/a] 324,9 527,5 1419,3 Abgeregelte Energie [GWh/a] 12,7 54,9 1031,7 Reduktion abger./theor.[%] 3,8 9,4 42,1 Tabelle 21: Zusammenfassender Vergleich der Szenarien Abbildung 87: Jährlich nutzbare und durch NSM abgeregelte Energiemengen von EEA innerhalb der Leitszenarien 182 Es kann zusammengefasst werden: Für die Annahme der 100 % Versorgung der BRD aus EEA kann die in Leitszenario 3 zu erbringende Jahresenergie aufgrund von notwendigen NSMEingriffen für das bestehende Netz nicht erreicht werden, Die Photovoltaik hat aufgrund ihrer Erzeugungscharakteristik Integrationsvorteile, da Lastspitze und Erzeugungsspitze dicht zusammenfallen, Anhand der Simulationsergebnisse wäre für ein 100 % -Szenario ein umfassender Netzausbau auf der 110 kV-Ebene und eine Erweiterung der Anschlussleistung an das Übertragungsnetz notwendig. 6.2.4 Blindleistungsbereitstellung und Spannungshaltung durch Erzeuger auf der Mittelspannungsebene Die Richtlinie für Anschluss von Erzeugungsanlagen am Mittelspannungsnetz (BDEW, 2008) erlaubt eine Spannungsanhebung von +2%*UN am Netzanschlusspunkt der Erzeugungsanlage bei Einspeisung. Diese Spannungsanhebung hängt von den Netzparametern (Kurzschlussleistung SKV, Netzimpedanzwinkel ΨKV) und der eingespeisten Wirkleistung sowie der eventuell zusätzlich bezogenen Blindleistung ab. Tabelle 22 und Tabelle 23 zeigen die Spannungsänderung in Prozent der Nennspannung an unterschiedlichen Netzanschlusspunkten (charakterisiert durch SKV und ΨKV) und in Abhängigkeit der maximalen Einspeiseleistung (Pmax). Tabelle 22 zeigt die Ergebnisse für reine Wirkleistungseinspeisung (cosϕ=1) und Tabelle 23 für einen cosϕ von 0.95 untererregt. Die technische Effektivität der Spannungsstützung durch Blindleistung ist höher, wenn die Erzeugungsanlage am Anfang der Leitung bzw. direkt an Netztransformator angeschlossen ist (ΨKV=0,85°). In diesem Fall beträgt das Verhältnis ΔU/Δϕ 0,2 [%/Grad]. Ist die Erzeugungsanlage am Ende einer Leitung angeschlossen (ΨKV≈40°), reduziert sich das Verhältnis ΔU/Δϕ auf 0,12 [%/Grad]. 183 SKV/Pmax [p.u.] Netzimpedanzwinkel ΨKV [°] 40 50 60 70 80 85 10 8,66 7,40 5,93 4,28 2,48 1,55 20 4,27 3,62 2,86 2,01 1,10 0,63 30 2,84 2,40 1,88 1,31 0,70 0,39 40 2,12 1,79 1,40 0,97 0,51 0,28 50 1,70 1,43 1,12 0,77 0,41 0,22 Tabelle 22: Spannungsanhebungen in Prozent der Nennspannung am Netzanschlusspunkt der Erzeugungsanlage bei Einspeisung nur der Wirkleistung (neutrale Einspeisung) SKV/Pmax [p.u.] Netzimpedanzwinkel ΨKV [°] 40 50 60 70 80 85 10 6,34 4,58 2,68 0,68 -1,36 -2,37 20 3,05 2,15 1,18 0,17 -0,85 -1,35 30 2,01 1,40 0,75 0,08 -0,60 -0,94 40 1,50 1,04 0,55 0,04 -0,47 -0,72 50 1,19 0,83 0,43 0,03 -0,38 -0,58 Tabelle 23: Spannungsanhebungen in Prozent der Nennspannung am Netzanschlusspunkt beim Bezug einer induktiven Blindleistung cosϕ=0.95 durch die Erzeugungsanlage (untererregter Betrieb). In diesem Abschnitt werden Maßnahmen zur Begrenzung langsamer Spannungsanstiege durch dezentrale Energieerzeugungsanlagen (DEA) diskutiert. Dabei wird ausschließlich auf solche Maßnahmen zurückgegriffen, die gänzlich ohne Kommunikationstechnik auskommen (sogenannte dezentrale Maßnahmen) und bereits heute gemäß (BDEW, 2008) von neu installierten Anlagen verlangt werden können. Die vorgestellten Ergebnisse beruhen auf quasidynamischen Netzsimulationsrechnungen über den Zeitraum eines Jahres (minütige Auflösung), die anhand eines realen Verteilnetzabschnitts durchgeführt wurden. Die Netzdaten eines realen Mittelspannungsnetzabschnitts, welche von der E.ON Avacon AG für die Untersuchungen zur Verfügung gestellt wurden, bilden die Grundlage der Simulationen. Der schematische Aufbau des Netzabschnitts ist in der untersuchten Strangkonfiguration in Abbildung 88 dargestellt. Im Umspannwerk (UW) werden die Sammelschienen A und B von jeweils einem 25 MVA Transformator aus dem vorgelagerten Hochspannungsnetz versorgt. An den beiden Sammelschienen befinden sich die Abgänge S1 bis S8. Das Netz wird als offenes Ringnetz betrie184 ben. Die jeweiligen Anschlussorte der DEA sind in der Netzgrafik ebenfalls schematisch dargestellt. Unterschieden wird hierbei zwischen einzelnen Windkraftanlagen (WKA) und Blockheizkraftwerken (BHKW). WKA 8 (2 MW Nennleistung) wurde dieser Untersuchung „künstlich“ hinzugefügt, um Spannungsüberhöhungen gezielt zu provozieren. In Tabelle 24 ist die zum Zeitpunkt der Simulation lokal installierte Erzeugungsleistung pro Strang aufgeführt (ohne WKA 8). Dabei wurde auch niederspannungsseitig angeschlossene DEA berücksichtigt. Strang Abbildung 88: Schematischer Aufbau des untersuchten Mittelspannungsnetzabschnitts. Installierte Leistung [kW] PV WKA Gesamtleistung [kW] BHKW Gesamtleistung [kW] (PV = 80% Pn) 1 50,5 0 0 50,5 40,4 2 146,6 0 0 146,6 117,2 3 516,8 1410 500 2426,8 2323,5 4 39,4 0 500 539,4 531,5 5 138,5 0 0 138,5 110,8 6 9,1 0 0 9,1 7,3 7 207,8 1150 0 1357,8 1316,2 8 593,5 3230 526 4349,5 4230,8 1702,2 5790 1526 9018,2 8677,7 Σ Tabelle 24: Übersicht der installierten Erzeugungsleistung im Netzabschnitt. Während PV-Anlagen grundsätzlich immer über einen Wechselrichter an das öffentliche Netz angeschlossen sind, gibt es für Windenergieanlagen diverse Netzanschlusskonzepte. Tabelle 25 zeigt eine Übersicht der gängigsten Netzanschlusskonzepte und führt auf, welche Varianten sich zur Bereitstellung von Blindleistung eignen und somit theoretisch zur Spannungshaltung beitragen können (ASG = Asyn185 chrongenerator, SG = Synchrongenerator). Für die vorgestellte Untersuchung wurde angenommen, dass alle DEA mit einem Anschlusspunkt am Mittelspannungsnetz über ein Netzanschlusskonzept zur Blindleistungsbereitstellung gemäß Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden. verfügen, welches die Bereitstellung von Blindleistung erlaubt. DEA mit Anschluss am Niederspannungsnetz stellen keine zusätzliche Blindleistung bereit. Blindleistungsbezug Kapazitiv Induktiv Blindleistungsbezug dynamisch regelbar NEIN JA NEIN ASG mit Vollumrichter JA JA JA Doppelt gespeister ASG JA JA JA SG mit Vollumrichter JA JA JA Direkt gekoppelter SG JA JA JA Photovoltaik mit Wechselrichter JA JA JA Netzanschlusskonzept Direkt gekoppelter ASG Tabelle 25: Unterschiedliche Netzanbindungskonzepte und deren Fähigkeit zur Bereitstellung von Blindleistung zur Spannungshaltung. Zur Bereitstellung der Blindleistung wurden in jeweiligen Szenarien ein fixer Verschiebungsfaktor (cosϕfix), ein Verschiebungsfaktor in Abhängigkeit der Einspeiseleistung (cosϕ(P)) und eine spannungsabhängige Blindleistungsbereitstellung (Q(U)) untersucht. Um eine technische Bewertung der Effektivität der einzelnen Blindleistungsregelungskonzepte hinsichtlich ihrer Fähigkeit zur Reduktion der lokalen Netzspannung über den Zeitraum eines ganzen Jahres durchführen zu können, sind realistische Zeitreihen für Verbraucher und DEA zu hinterlegen. Die Einspeisezeitreihen der WKA basieren auf realen Leistungsmessdaten in der untersuchten Region. Für die Blockheizkraftwerke existieren gemessene Einspeisemessdaten in 15 minütiger Auflösung für das Jahr 2008. Zur Simulation der PV-Einspeisung wurde auf real gemessene DC-Leistungsdaten einer Referenzanlage am Standort Kassel zurückgegriffen. Die jeweiligen Ersatzlasten an den Ortsnetzstationen wurden entsprechend der von ihnen repräsentierten PV-Leistung skaliert. Anhand der zu erwartenden Jahresmaximallast und dem zugehörigen Lastverlauf am Umspannwerk wurden den einzelnen Ortsnetzstationen Standardlastprofile zugeordnet und diese so skaliert, dass 186 die Summe der Leistungsflüsse am Umspannwerk einem vorgegeben Lastverlauf entsprechen. Die Bewertung der technischen Effektivität der einzelnen Maßnahmen erfolgt anhand der Vorgaben der DIN EN 50160 für „langsame Spannungsänderungen“. Abbildung 89 zeigt die maximalen 10 Minuten-Mittelwerte der Spannung an ausgewählten Netzanschlusspunkten im Mittelspannungsnetz mit und ohne die Anwendung zusätzlicher Methoden zur Spannungshaltung. Hierbei zeigt sich, dass ohne einen Beitrag zur Spannungshaltung durch DEA, die 10 Minuten-Mittelwerte der Netzspannung teilweise einen Spannungsgrenzwert von 1.07 p.u. (1.05 p.u. am Umspannwerk + 0.02 p.u. über MS-Netz) deutlich übersteigen. Aufgrund der Möglichkeit weiterer Spannungsanstiege auf der Niederspannungsebene, kann eine Verletzung der DIN EN 50160 Vorgaben für „langsame Spannungsänderungen“ für dieses Simulationsszenario nicht ausgeschlossen werden. Um den Anschluss von WKA 8 in der Praxis realisieren zu können, wären demnach kostenintensive Netzausbaumaßnahmen eine mögliche Alternative. Es zeigt sich, dass durch die Anwendung der unterschiedlichen Maßnahmen zur Spannungshaltung die maximalen Spannungswerte im Vergleich zu den Werten ohne zusätzliche Regelung deutlich reduziert werden können. Dieser Effekt könnte in der Praxis die Notwendigkeit von Netzausbaumaßnahmen reduzieren, was bereits in (Stetz et al., 2012a) und (Stetz et al., 2012b) vertiefend untersucht wurde. Abbildung 89: Maximale 10 Minuten Mittelwerte des simulierten Jahres bei der Anwendung unterschiedlicher Methoden zur Spannungshaltung. 187 ø alle DEA WKA 8 Cosϕfix 99,85% 99,85% Cosϕ(P) 99,91% 99,93% Q(U) 99,97% 99,91% Tabelle 26: Wirkleistungseinspeisung der DEA bei Blindleistungsbereitstellung im Vergleich zum Szenario ohne Blindleistung. Methode Cosϕfix Zusätzlich bezogene induktive Blindenergie aller DEA 7.025 MVArh Cosϕ(P) 4.069 MVArh Q(U) 1.455 MVArh Tabelle 27: Zusätzliche Blindenergie im untersuchten Netzabschnitt für den Zeitraum des untersuchten Jahres. Während die durch die zusätzliche Blindleistungsbereitstellung generatorseitig anfallenden zusätzlichen Verluste vernachlässigt werden können (vgl. Tabelle 26) ist netzseitig eine Unterscheidung der einzelnen Maßnahmen erforderlich. Aus den Arbeitsweisen der einzelnen Methoden kann geschlossen werden, dass zusätzliche Netzverluste bei der Q(U)-Methode am niedrigsten ausfallen. Diese These wird durch die Werte der jeweils über das Jahr zusätzlich bezogenen Blindenergie (summiert für alle DEA) gestützt (Tabelle 27). In Stetz et al., 2011 ist eine ausführliche Beschreibung der Studie dargestellt. 6.2.5 Analyse der Netzzuverlässigkeit Ein elektrisches Verteilnetz ist dann als besonders zuverlässig anzusehen, wenn Versorgungsunterbrechungen (VU) beim Verbraucher selten auftreten und sich sein, dass e Netzbetreiber muss über die Kompetenzen und Mittel verfügen, diese bei Bedarf sowie der Auswirkungen verschiedener Ausbauszenarien auf die Zuverlässigkeit der Netze eignen sich probabilistische Methoden in besonderem Maße. Um die Zuverlässigkeit von Energienetzen beurteilen und vergleichen zu können, werden eindeutige und aussagekräftige Kennzahlen benötigt. International haben sich insbesondere drei Größen zur Beschreibung der Systemzuverlässigkeit bewährt: 188 Hu Unterbrechungshäufigkeit, Tu Unterbrechungsdauer und Qu Nichtverfügbarkeit. Der rechnerische Zusammenhang zwischen den drei DISQUAL-Größen wird in der folgenden Gleichung beschrieben: Bei Versorgungsunterbrechungen in elektrischen Netzen handelt es sich um statistisch seltene Ereignisse. Will man die Zuverlässigkeit eines Netzes anhand von empirischen Beobachtungen bestimmen, ist daher ein sehr langer Betrachtungszeitraum notwendig, um belastbare Ergebnisse zu erhalten. Neben dem großen Zeitaufwand ergibt sich dabei außerdem das Problem, dass sich Erzeugung, Verbrauch und Netztopologie während des Beobachtungszeitraums stetig weiterentwickeln und somit historisch ermittelte Daten nur in begrenztem Umfang auf die aktuelle Situation anwendbar sind. Aus den genannten Gründen ist es vorteilhaft, die Ermittlung der Zuverlässigkeit eines realen Systems mit Hilfe von Rechenmodellen durchzuführen. Hierfür werden folgende Informationen benötigt: Aufbau des zu betrachtenden Netzes, Leistungsdaten für Einspeise- und Verbrauchsknoten, Ausfallcharakteristiken und Zuverlässigkeitskennwerte der Einzelkomponenten. Für die vorliegende Untersuchung wurde im Rahmen des Projektes RegModHarz mit Hilfe der Simulationssoftware PSS®SINCAL eine Zuverlässigkeitsbetrachtung des Hoch- und Mittelspannungsnetzes der E.ON Avacon AG im LKH vorgenommen, da dort alle wesentlichen Parameter in Erfahrung gebracht werden konnten. Die Zuverlässigkeit des Netzes wurde im Ausgangszustand für das Jahr 2008 berechnet. Relevante Lastdaten sind in Tabelle 28 gelistet. Bevor Zuverlässigkeits-Kenngrößen berechnet werden konnten, war eine umfangreiche Betrachtung des Ausfall- und Störungsgeschehens im Netz notwendig. 189 Parameter 2008 Jahreshöchstlast [MW] Skalierungsfaktor [p.u.] 2020 188,96 181,40 0,96 Nettostromverbrauch [GWh/a] 1102,76 1058,65 0,96 Nettostromerzeugung [GWh/a] 414,53 583,37 1,41 Tabelle 28: Ausbauszenarien2008 und 2020 innerhalb des EAV Netzes Dabei wurden auch die Schutzkoordination und die Netzregelung berücksichtigt. Darüber hinaus sind Lastflussberechnungen durchgeführt worden, um die Versorgungslage der einzelnen Verbraucher bei Ausfällen von Netzkomponenten zu bestimmen. Die Berechnung der Gesamtzuverlässigkeit des Systems basierte auf den individuellen Zuverlässigkeitsparametern seiner Einzelkomponenten. Nach Abschluss der Zuverlässigkeitsberechnungen wurden die Zuverlässigkeitsdaten für alle Komponenten ausgewertet, die im Verlauf der Simulation von Ausfällen betroffen waren. Außerdem sind sogenannte Verbraucherergebnisse für alle Knoten mit angeschlossenen Lasten ermittelt worden. Bei der Vielzahl der Netzelemente und Lasten im untersuchten Netz ist eine solche Einzelauswertung jedoch nicht zielführend. Deshalb lassen sich auch aggregierte Werte für das gesamte Netz oder einzelne Netzbereiche anzeigen. Die Ergebnisse für die beiden Szenarien sind in Tabelle 29 dargestellt. Größe Worst-Case Schaltszenario 2008 2020 Δ [%] 2008 2020 HU (1/a) 0,336 0,392 + 16,6 0,336 TU (min) 930,1 932,1 + 0,2 QU (min/a) 312,4 365,1 +16,9 Δ [%] Best-Case 2008 2020 Δ [%] 0,333 - 0,7 0,106 0,103 - 2,3 97,1 97,5 + 0,4 307,3 316,8 + 3,1 32,6 32,5 - 0,3 32,5 32,7 + 0,7 Tabelle 29: Ergebnisse Leitszenarien I und II auf Basis unterschiedlicher Fallbetrachtungen Der Best-Case beschreibt hier den Zustand der maximal möglichen Vermaschung (alle Trennstellen im untersuchten Netz sind geschlossen), der Worst Case den Zustand der minimalsten Vermaschung (alle Trennstellen geöffnet). Im Schaltszenario wird die Verbindungskontrolle bei der Störungsauswertung angewendet, die nur die grafische Netztopologie hinsichtlich Unterbrechungen betrachtet. Je nach betrachtetem Szenario ergibt sich für 2020 ein Anstieg der Nichtverfügbarkeit von ca. 1 % bis 17 %. Mit einer Nichtverfügbarkeit von ca. 33 min/a liegt das Ergebnis des Schaltszenarios 2008 im Bereich der Gesamtwerte für Deutschland (FNN, 2010). Als Hauptgrund für die Zunahme wurde die Überlastung von Betriebsmitteln durch die höhere installierte Erzeugungsleistung identifiziert. Diese Erkenntnis bedeutet 190 auch, dass sich der momentane Stand der Zuverlässigkeit durch rechtzeitigen Netzausbau zur Beseitigung zukünftiger Engpässe erhalten ließe. Als weitere wichtige Einflussgröße auf die Zuverlässigkeit stellte sich die Möglichkeit und Geschwindigkeit der Zuschaltung von Trennstellen heraus. Hier lässt sich durch kurze Schaltzeiten eine deutliche Verbesserung der Störungsbeseitigung erreichen. In Tabelle 30 sind die veränderten Unterbrechungsindizes den jeweiligen Zuschaltzeiten der Trennstellen gegenübergestellt. Ausfall-Parameter tS = 30 min tS = 6 min HU(1/a) 0,336 0,336 TU (min) 366,5 97,1 QU(min/a) 123,1 32,6 Tabelle 30: Zuschaltung von Trennstellen 6.3 PMU-Feldtest 6.3.1 Überblick Ausgerichtet an der Topologie und mit dem Hintergrund der Messdatengenerierung von Strom- und Spannungsbeträgen, deren Phasenwinkel zur Beobachtung des 110 kV-Netzes im virtuellen Kraftwerk sowie zur Erfassung und Visualisierung der momentanen Import- und Exportsituation wurden zehn ausgewählte Installationsorte für die Phasor Measurement Units (PMU) festgelegt (Naumann et al., 2010). Ein zentraler Netzknoten umfasst die Installation von 4 PMU, während an weiteren 3 Umspannwerken jeweils 2 PMU installiert wurden. Abbildung 90 zeigt die Anordnung der PMU in einer schematischen Darstellung. 191 Abbildung 90: Schematische PMU -Messstellenanordnung im Netz 6.3.2 Aufbau der Messeinheiten Die Installation des Messsystems wurde in der Form eines modularen Konzepts umgesetzt. Dabei ist für jede PMU eine separate Peripherie zur Versorgung und Anbindung an die Messstruktur im Umspannwerk vorgesehen worden. Die in den Umspannwerken installierten Messeinheiten beinhalten: Messgerät: SIMEAS R PMU, Phasor Data Concentrator: Industrie-PC mit Netzwerkkarten, GPS-Empfänger, Kommunikationseinheit: UMTS-Router. Da die Messeinheiten und deren Peripherie unterbrechungsfrei betrieben werden müssen, um bei einem eventuellen Ausfall der 110 kV-Netzspannung weiter aufzuzeichnen, wurden die Netzteile der verwendeten Komponenten an die im Umspannwerk verwendete, batteriegepufferte Gleichspannung angepasst. 6.3.3 Installation des PMU –Messsystems im 110 kV-Netz Folgende Anschlüsse wurden für jeden PMU-Messschrank zur Anbindung der Messeinheiten benötigt: 192 Versorgungsspannung (110 VDC bzw. 220 VDC), Anbindung Spannungswandler (110 kV : 100 V) für 3 Außenleiter, Anbindung Stromwandler (600 A : 1 A bzw. 600 A : 5 A), GPS –Antennenanbindung, UMTS –Antennenanbindung. Nach erfolgreicher Installation der Messeinheit erfolgte der Testbetrieb (Zuschalten der Komponenten), die Einkopplung der Messgrößen (Messstromkreise der Spannungs- und Stromwandler) sowie die anschließende Montage und Integration des Messsystems im Umspannwerk (siehe Abbildung 91). Abbildung 91: Aufbau und Installation der PMU-Messausstattung 6.3.4 Datenübertragungskonzept Zur Erfassung der Messdaten wurde ein Übertragungskonzept erstellt (siehe Abbildung 92). Für den Abruf der gemessenen Daten wurde ein auf Matlab basierendes Tool entwickelt, welches die Daten von der PMU auf die Festplatte des entsprechend gekoppelten Phasor Data Concentrators schreibt. Diese Daten werden im 2Minuten-Takt gespeichert, welche eine Messauflösung von zehn Werten je Sekunde beinhaltet. Im binären Format sind für jeden Zeitschritt Spannung und Strom der drei Außenleiter sowie die Frequenz und deren Abweichung zur Nennfrequenz des Netzes synchron gespeichert. Die 2-minütig gespeicherten *.bin-Dateien haben eine Größe von jeweils etwa 67 kB. Aus Gründen der Zeitoptimierung bei der Datenübertragung wurde in einer Weiterentwicklung der Software die Speicherung der eintreffenden Messdatenpakete verändert. Die Auslesesoftware ist mit der Programmiersprache C# neu programmiert worden, mit Hilfe derer die Messdateien auf eine Größe von 10 MB limitiert sind. Diese Dateigröße ist ein Kompromiss zwischen Handhabbarkeit der Dateien und deren Anzahl pro Messzeitraum, da während eines Jahres Datenmengen von ca. 10 GB je PMU zu speichern sind. Das optimierte Kommunikationsschema ist in Abbildung 93 veranschaulicht. Die Speicherung der Daten erfolgt auf dem Phasor Data Concentrator vor Ort im Umspannwerk. Parallel dazu wurde die Möglichkeit eingerichtet, ausgewählte Dateien auf einer OvGU-internen Datenbank zur Visualisierung zu speichern und weiter zu verarbeiten. Die Verarbeitung bezieht sich hauptsächlich auf die Visualisierung der momentanen Messdaten. Von der OvGU-Datenbank ermöglicht eine Browser-Anwendung 193 mit Unterteilung in drei verschiedene Autorisierungsstufen den Zugang zu den Online-Messdaten der einzelnen PMU, bzw. des Verbundes der PMU. Abbildung 92: Gesamtkonzept zur Datenübertragung im PMU-Messsystem Abbildung 93: Kommunikationsschema der optimierten Datenübertragung Dies wird z.B. durch Summierung der gemessenen Leistungen zur Darstellung im relevanten Netzgebiet umgesetzt. Parallel zu dieser Methode der Darstellung wurde auf einem PC der Messeinheiten das Programm Siguard PDP installiert. Auf Grund der vier an einem Umspannwerk vorhandenen PMU konnten die jeweiligen PCs mit dem „Siguard-PC“ per LAN verbunden werden und die entsprechenden Messwerte liefern. Mit Hilfe dieses Konstrukts ist es möglich, Vergleichsmessungen vorzunehmen. Des Weiteren kann per Fernzugriff die Darstellung von autorisierter 194 Stelle aus vorgenommen werden. Die von Siguard PDP aufgezeichneten Daten werden bei Bedarf an die OvGU übertragen und zur Auswertung der Messungen genutzt. Ziel war die Erprobung, wie PMU den Betrieb eines virtuellen Kraftwerks unterstützen können. 6.3.5 Darstellung der Messdaten Das konzipierte PMU-Messsystem dient unter anderem dem Zweck der Erfassung von Messwerten, wie beispielsweise dem momentanen Lastfluss an den Koppelstellen des virtuellen Kraftwerkes zum vorgelagerten Netz. Diese Funktion soll der Online-Bilanzierung des Systems dienen. Zur Auswertung der gemessenen Daten ist es notwendig, diese zielgerichtet zu erfassen. Die Aufbereitung der erfassten Daten ermöglicht die Überwachung des Energieversorgungsnetzes durch die Darstellung von prägnanten Netzgrößen, wie Strom- und Spannungswinkel sowie den jeweiligen Betrag und den damit berechenbaren Leistungen. Des Weiteren ist die Erfassung dieser Größen eine Voraussetzung für eine Zustandsabschätzung im untersuchten Netz (Guo et al., 2012). Eine Kenngröße für das Gleichgewicht von Erzeugung und Verbrauch im Gesamtsystem ist die Netzfrequenz. Hinzu kommt die Wirkund Blindleistung des Netzes sowie Spannungs- und Stromwerte. Da es beim Ablesen einzelner Messwerte aufgrund der ständigen Aktualisierung des Graphen und der Vielzahl an Messwerten zu Schwierigkeiten kommen kann, werden aktuelle Messwerte extra angezeigt. Die Erstellung von Diagrammen erfolgt zu folgenden Messungen: Frequenz, Frequenzabweichung, Spannung und Strom, Wirk- und Blindleistung, Phasenwinkel. Drei Autorisierungsgrade können mittels Benutzer-Rollen festgelegt werden. Um den Zugriff anhand dieser Rollen einzuschränken, wurde eine Website zur Anmeldung programmiert, die dem Besucher der Website mittels Benutzerkennung und zugehörigem Passwort eine Rolle zuweist. Die Festlegung der Rollen erfolgt per Websiteverwaltungs-Tool. Die Autorisierung der Benutzer geschieht über eine Anmeldeseite, wo auch die Registrierung neuer Benutzer möglich ist. Die jeweiligen Menüs für die verschiedenen Rollen veranschaulicht Abbildung 94. 195 Abbildung 94: Menüs für unterschiedliche Benutzer-Rollen Das Design der Website zur Messdatenvisualisierung ist in Abbildung 95 dargestellt und orientiert sich an der Webpräsenz der Regenerativen Modellregion Harz. Die Client-Anwendung sowie die Webapplikation zur Visualisierung wurden in der Programmiersprache C# geschrieben. Die Speicherung der Messdaten erfolgt mittels einer zyklischen Datenübertragung auf einer Festplatte und zentral in einer SQLDatenbank nach einem speicheroptimierten Schema. Das entwickelte Programm ist nicht nur auf den Einsatz zum Netz-Monitoring in der Regenerativen Modellregion Harz beschränkt, sondern unter Berücksichtigung der benötigten Infrastruktur auch universell einsetzbar. Abbildung 95: Website zur Messdatenvisualisierung 6.4 Übertragbarkeit der Zuverlässigkeitsergebnisse 6.4.1 Simulation und Regionenvergleich Für die Untersuchung der Übertragbarkeit der Zuverlässigkeitsergebnisse auf andere Regionen, wurde die Netzzuverlässigkeit mit den Randbedingungen dieser Regionen in Verbindung mit dem CIGRÉ-Benchmarknetz bestimmt und anschließend mit den Werten der untersuchten RegModHarz verglichen. Für die Untersuchung anderer Regionen sind sensible Daten zur Netzstruktur, Schutz, Erzeugung und Lasten 196 notwendig, die schwer zugänglich sind. Um abschätzen zu können, inwieweit eine Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Netzgebiete möglich ist, wurde angenommen, dass die Netze in anderen Regionen ähnlich strukturiert sind und die Zuverlässigkeit im gleichen Maße von der Netzstruktur, Vermaschungs – und Automatisierungsgrad beeinflusst wird. Aus diesem Grund wurde für die Untersuchungen zur Übertragbarkeit das CIGRÉBenchmarknetz angepasst. Die Parameter (EEA-Anteile, Lasten usw.) für ausgewählte Regionen wurden entsprechend dieser Netzstruktur skaliert, in das Netz integriert und die Zuverlässigkeit berechnet. Damit wurde allein der Einfluss der EEA bzw. der Lasten in ausgewählten Regionen auf die Zuverlässigkeit untersucht. Die Regionen sollten den Ansprüchen der Repräsentativität genügen und dabei verschiedene Zusammensetzungen von erneuerbarer Energie und Lastintensität darstellen. Die ausgewählten Regionen und die zugehörigen Profildaten (Stand 2011) sind in Tabelle 31 dargestellt. Region RegionenProfile Elbe-Elster Traunstein Recklinghausen Mannheim ländliche Region (RegModHarzähnlich) hoher Anteil an Windenergie hoher Anteil an PV ländliche Region hoher Anteil an PV geringer Anteil an WE Industrieregion hoher Lastanteil verhältnismäßig geringer Anteil an EE Stadt geringer Anteil EE Einwohner im 113.030 170.614 626.864 Landkreis Fläche 1.890 1.533,95 760,42 [km²] Einwohner im 2.684.366 4.808.568 2.657.666 Netzgebiet Solarenergie 141,377 69,693 51,926 [MW] Windenergie 219,070 5,360 25,181 [MW] Tabelle 31: Übersicht über die Daten der Regionen für die Berechnung 303.198 144,96 325.896 16,420 0,010 197 In den Untersuchungen wurde hauptsächlich das analytische Berechnungsverfahren in Kombination mit einem Standard-Lastflussalgorithmus verwendet. Im Vergleich der Regionen werden zum einen die Ergebnisse der vier Regionen und zum anderen die des CIGRÉ-Benchmarknetzes im Ausgangszustand ohne erneuerbare Einspeisung und die Region des Harzes analysiert. Die Ergebnisse sind in Abbildung 96 dargestellt. Es wurde ermittelt, dass die Werte der betrachteten Regionen untereinander marginale Abweichungen (kleiner 1 %) aufweisen. In Bezug zum CIGRÉBenchmarknetz hingegen sind größere Differenzen bis durchschnittlich 6 % bei allen Zuverlässigkeitskenndaten auffällig, was hauptsächlich auf die zusätzlich integrierten, erneuerbaren Einspeisungen zurückzuführen ist, da das CIGRÉ- Benchmarknetz das einzige Netz ohne erneuerbare Energieeinspeisung ist. Abbildung 96: Nichtverfügbarkeit im Vergleich (auf das CIGRÉ-Benchmarknetz normierte Werte in Prozent) Der Einfluss der Netzstruktur auf die Zuverlässigkeitsergebnisse wurde anhand einer zusätzlichen Leitung untersucht. Aus den in Abbildung 97 dargestellten Ergebnissen wird deutlich, dass die Erhöhung des Vermaschungsgrads zu einer geringeren Nichtverfügbarkeit führt, wie auch bei den Zuverlässigkeitsuntersuchungen in der Modellregion Harz deutlich wurde. Mit der zusätzlichen Verbindungsleitung (Bypass) verbessert sich die Nichtverfügbarkeit in dem Maße, dass sogar im Vergleich zum ursprünglichen CIGRÉ-Benchmarknetz eine Verbesserung eintritt. Beim Vergleich der Region Harz ohne und mit Verbindungsleitung ist ein Abfall der Nichtverfügbarkeit von ca. 12 % zu verzeichnen. 198 Abbildung 97: Nichtverfügbarkeit im Vergleich (CIGRE Benchmark-Netz, Region RegModHarz mit und ohne Verbindungsleitung) In den Untersuchungen hat sich gezeigt, dass die Einbindung von erneuerbaren Energien einen direkten Einfluss auf die Zuverlässigkeit des Testnetzes hat, allerdings konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen verschieden hohen Einspeisungen festgestellt werden. Es ließ sich feststellen, dass die Strukturdaten einer Region einen wesentlichen Einfluss auf die Zuverlässigkeitsberechnungen haben. Zusammenfassend zeigen die Untersuchungen, dass die Übertragbarkeit der Zuverlässigkeitsergebnisse auf andere Regionen ohne Berücksichtigung der Netzstruktur bzw. ohne eine Einbindung der Topologie der untersuchten Netze sehr wahrscheinlich zu abweichenden Ergebnissen führen kann. Aus diesem Grund muss der Einfluss der erneuerbaren Energien auf die Zuverlässigkeit eines Netzes gesondert und unter Berücksichtigung der vorherrschenden Topologie für jedes Energienetz individuell analysiert werden. 6.4.2 Netzseitig geltende Normen und Standards für ein virtuelles Kraftwerk Die Grundlage für den Aufbau eines virtuellen Kraftwerks bilden Normen und Standards. Im Fokus stehen aus der Sicht des elektrischen Netzes Anschlussbedingungen für erneuerbare Energiequellen und Speicher sowie Standards zum intelligenten Anschluss von Verbrauchern und Elektrofahrzeugen. Für den Anschluss erneuerbarer Energien wurden folgende Richtlinien identifiziert: für die Hoch –und Höchstspannung: Transmission Code 2007, für die Mittelspannung: Distribution Code 2007, Technische Richtlinie „Erzeugungsanlagen am Mittelspannungsnetz“ 2008, für die Niederspannung: Anwendungsregel VDE-AR-N 4105: „Eigenerzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz“ 2011, 199 Individuelle Netzanschlussrichtlinien der Netzbetreiber mit definierten Anforderungen an Anlagen bzgl. des Verhaltens bzw. der Unterstützung des Netzes. In den o.g. Anschlussbedingungen ist unter anderem die Verpflichtung zu bestimmten Systemdienstleistungen verankert. Dazu gehören zum Beispiel die „Fault Ride Through“-Fähigkeit, Verpflichtung zur Bereitstellung von Blindleistung aller erneuerbarer Anlagen bis in die Niederspannungsebene sowie die Reduktion der Wirkleistung linear zur Frequenz im Falle einer Frequenz größer als 50,2 Hz. Für die intelligente Einbindung von Verbrauchern und Elektrofahrzeugen sowie deren Ladung sind neben dem Kommunikationsstandard IEC 61850 die in Tabelle 32 gelisteten Standards relevant. Standard - E-KFZ Beschreibung IEC 61980 Induktive Ladung von Elektrofahrzeugen - Normentwurf IEC 61851-1 IEC 61851-21/22 Konduktive Ladung von Elektrofahrzeugen: Anforderungen an die Ladestationen und Verbindung zur Station IEC 15118-1 Straßenfahrzeuge - Kommunikationsschnittstelle Fahrzeug zu Stromnetz - Teil 1: Allgemeine Informationen und Anwendungsfälle – Normentwurf IEC 14543 Informationstechnik - Architektur für Heim-Elektronik-Systeme IEC 62052-31 IEC 62053-22 IEC 62054-11 Wechselstrom-Elektrizitätszähler-allgemeine Anforderungen. Tarif – und Laststeuerung Tabelle 32: Beschreibung der geltenden Standards für E-Kfz 200 7 Schlussfolgerung / Ausblick / Empfehlungen 7.1 Empfehlungen Auf Grundlage der im Projekt untersuchten regionalen und überregionalen Vermarktungsstrategien soll aufgezeigt werden, welche Hemmnisse abgebaut werden sollten, um die Markt- und Systemintegration der erneuerbaren Energien voranzubringen. Die Entwicklung einer konkreten Maßnahme, beispielsweise eines neuen Anreizmodells oder einer Formulierung von Gesetzen, war nicht Inhalt dieses Arbeitspaketes. Stattdessen wurden Marktbereiche und Anreizmodelle benannt, die unter Berücksichtigung ausgewählter Punkte weiterentwickelt werden sollen. Ergänzend zur Umsetzung der im Folgenden detailliert beschriebenen Empfehlungen muss dringend eine Transformation des Marktes vorbereitet werden, um langfristig die heutigen Marktbedingungen und die Erfordernisse der erneuerbaren Energien mit der gesamtgesellschaftlich höchsten Effizienz neu zu ordnen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass der Handel mit Instrumenten flankiert wird, die eine Refinanzierung von neuen Investitionen in die Energieversorgung sicherstellen. Der Börsenhandel an der EPEX SPOT SE darf dabei nicht gegenüber anderen Handelsformen und -plattformen benachteiligt werden, muss aber gleichzeitig einen Rahmen für die Markteinführung der erneuerbaren Energien bieten. Des Weiteren muss dabei berücksichtigt werden, dass insbesondere Wind- und Solarenergie zeitweise mit hoher Leistung einen großen Anteil der Nachfrage decken werden. Zudem sollten externe Effekte in ein solches Marktsystem internalisiert werden. Insgesamt kann dadurch ein fairer Wettbewerb gewährleistet werden. Um die Energiewende möglichst effizient und volkswirtschaftlich kostengünstig zu gestalten, gilt es, die Potenziale zur Balancierung von Einspeisung und Verbrauch durch Regelenergiebeiträge der Erneuerbaren, durch angebotsorientierte Lastverschiebung, Netzmonitoring, Mitnutzung von Wärme-, Verkehrs- und Gasnetzen sowie Ausbau der Netze möglichst in der Reihenfolge der volkswirtschaftlich geringsten Kosten auszuschöpfen. Dabei sollte zusätzlich berücksichtigt werden, inwieweit Kombinationslösungen unter den vorgenannten Effizienzpozentialen auch zur gebietsweisen Vermeidung von Netzengpässen z.B. durch die Einrichtung von regionalen, virtuellen Kraftwerken (Kombikraftwerke) weitere Synergien und Kostenoptimierungen herbeiführen können. Mit Hilfe dezentral regelbarer Erzeuger sowie der Steuerung von Lasten kann ggf. auch ein großer Beitrag zur Netzstabilität geleistet werden. Die Inhalte des vorliegenden Papiers wurden mit Hilfe von schriftlichen Stellungnahmen, Workshops und Telefonkonferenzen durch die Partner erar- 201 beitet. Die Vorschläge werden von den am Ende der Unterkapitel aufgeführten Konsortialpartnern empfohlen. 7.1.1 Vermarktung an der Strombörse EPEX SPOT sowie bilaterale Lieferverträge Vermarktung mit Marktprämie Empfehlung: Es muss eine gesicherte Vergütung zusätzlich zum Marktpreis erfolgen, wie z. B mittels der zum 01. Januar 2012 eingeführten Marktprämie. Begründung: Ein wesentlicher Bestandteil für eine erfolgreiche Markteinführung der erneuerbaren Energien ist die Teilnahme am Handel und den damit verbundenen Prozessen der liberalisierten Organisationsstruktur der Energiewirtschaft. Die erzielbaren Erlöse aus der Vermarktung (z. B. im Börsenhandel) sind nicht ausreichend, um eine gesicherte Wirtschaftlichkeit der Anlagen zu gewährleisten. Unter heutigen Marktbedingungen lässt sich der Handel von Strom aus EEG-Anlagen an der Börse EPEX SPOT in der Regel nur mit Hilfe zusätzlicher Erlöse und Risikobegrenzungen umsetzen. Damit die Betreiber von erneuerbaren Energien Anlagen neben dem System der EEG-Vergütung an einer Direktvermarktung teilnehmen können, muss demnach eine gesicherte Vergütung zusätzlich zum Börsenpreis erfolgen, wie z. B. mittels der zum 01. Januar 2012 eingeführten Marktprämie. [Empfohlen von: in.power, CUBE Engineering, RKWH, Fraunhofer IWES] Physikalische Grünstromprodukte an der Börse EPEX SPOT Empfehlung: Es sollten physikalische (zeitgleiche) Grünstromprodukte für EEGStrom eingeführt werden, die die jeweilige Erzeugungsmenge mit Zeitstempel und Anlagentyp handelbar machen. Begründung: Vertriebe sollten befähigt werden, Grünstrom direkt einzukaufen, nicht nur direkt von den Anlagen, sondern auch von liquiden Großhandelsmärkten. Zu berücksichtigen ist, dass die Grünstrom-Qualität verloren geht, sobald EEGStrom an der Börse gehandelt wird. Es sollten eindeutige Grünstrom- Kennzeichnungen auch für EEG-Strom eingeführt werden, die die elektrische Energie differenziert mit Zeitstempel (z.B. in der Genauigkeit von 15-Minutenwerten) und Anlagentyp handelbar machen. [Empfohlen von: in.power, CUBE Engineering] Vermarktung in Pools Empfehlung: Die wettbewerbsfördernde Händlerstruktur (KMU) sollte erhalten bleiben und weiter ausgebaut werden. 202 Begründung: Die Vermarktung verteilter Anlagen wird erleichtert, wenn die Anlagen gebündelt werden und einzeln angesteuert werden können. Hierzu sind eine Steuerung und ggf. Kommunikationsschnittstellen notwendig, die häufig nicht durch den Anlagenhersteller vorgesehen oder nicht für den Betreiber und Dritte zugänglich sind. Das Ausgleichsenergierisiko, das sich aus fehlender Anlagenüberwachung und -steuerung ergibt, kann von großen Händlern aufgrund von Skaleneffekten mit einem geringeren Kostenaufwand je umgesetzter Energieeinheit abgedeckt werden als von kleinen- und mittelständischen Händlern (KMU). Besonders für Letztere ergibt sich mit der Überwachung und Steuerung eine entscheidende Verbesserung in der Vermarktung und damit eine Reduktion des Risikos. Ein geringeres Risiko für kleine Händler ergibt sich damit bereits, wenn die Anlagen eine technische Ausstattung zur Steuerung und Kommunikation mitbringen. Deshalb ist zu erwarten, dass besonders kleinere Händler die Überwachung und Steuerung der EE-Anlagen vorantreiben. Auch aus diesem Grund sollte darauf geachtet werden, dass diese Wettbewerb fördernde Händlerstruktur erhalten bleibt und weiter ausgebaut wird. Die ökonomischen Rahmenbedingungen für die Umsetzung dieser Informations- und Kommunikationstechnik müssen deshalb gewährleistet sein. Die Kommunikationsschnittstelle sollte des Weiteren bestehende Kommunikationsstandards (z. B. der IEC) anbieten, damit Sonderlösungen nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führen. [Empfohlen von: in.power, CUBE Engineering, Fraunhofer IWES] Vermarktung an Energieversorger (Grünstromprivileg) Empfehlung: Es sollte eine differenzierte Umlagenbefreiung eingeführt werden, die sich an den Energieträgeranteilen an der Last, insbesondere den Anteilen an fluktuierenden Erzeugern im Portfolio, orientiert. Begründung: Neben der Börsenvermarktung ist die unmittelbare Belieferung von Vertrieben, insbesondere klein- und mittelständischer Versorger, auf Basis bilateraler Stromlieferverträge ein wesentlicher Bestandteil der Energiewirtschaft. In diesem Marktsegment müssen erneuerbare Energien teilnehmen können. Auf Seiten der Versorger besteht eine hohe Nachfrage nach Strom aus erneuerbaren Energien im Portfolio. Dabei ist der Erhalt der Grünstromeigenschaft wesentlich, die allerdings bei der Vermarktung mit der derzeitigen Marktprämie verloren geht. Der direkte Vertrieb unter Beibehaltung der Grünstromeigenschaft wird derzeit nur durch das sog. Grünstromprivileg und die damit verbundene Reduzierung der EEG-Umlage gefördert. Mit dem Anstieg der EEG-Umlage im Jahr 2012 auf ca. 3,5 ct/kWh drohte in Teilbereichen eine Überförderung des Grünstromprivilegs. Dies wurde durch die 203 Neuregelung zum 01. Januar 2012 verhindert. Allerdings führt das Grünstromprivileg mit der aktuellen pauschalen Begrenzung der Umlagenbefreiung auf 2 ct/kWh jetzt nur noch ein Nischendasein, da nur eine begrenzte Zahl an EE-Anlagen mit herabgestellter Vergütungsstufe auf dem Markt zur Verfügung stehen, die für dieses Marktsegment bei der geringen Befreiung genutzt werden müssen. Es sollte eine differenzierende Umlagenbefreiung entsprechend der Energieträgeranteile an der Last, insbesondere der Anteile an fluktuierenden Erzeugern eingeführt werden, wobei die Herausforderung der viertelstundenscharfen Eindeckung mit erneuerbaren Energien berücksichtigt werden muss. Daran sind dann auch die konventionellen Akteure der Energiewirtschaft (z. B. Energieversorger, Stadtwerke) organisatorisch und finanziell beteiligt. Als paralleler Vermarktungsweg zum Spotmarkthandel kann damit eine Entwicklung von Stromprodukten aus erneuerbaren Energien und eine Integration in die Energiewirtschaft angestoßen werden. Die freiwillige Zahlungsbereitschaft von Endkunden kann dazu genutzt werden, die EEG-Umlage zu reduzieren. [Empfohlen von: in.power, CUBE Engineering, RKWH, Fraunhofer IWES] 7.1.2 Dynamische Tarife Empfehlung: Die heute geltenden Standardlastprofile müssen weiterentwickelt werden. Zudem dürfen die an eine Leistungsmessung gekoppelten Abrechnungsund Prognosevorschriften von Industriekunden nicht gleichermaßen für die Versorgung von Haushaltskunden gelten.§ 40 Abs. 3 EnWG ist dahingehend zu konkretisieren, dass alle Stromhändler mindestens einen zur Anreizung der Lastverschiebungspotenziale entsprechend der erneuerbaren Einspeisesituation ausreichend differenzierten und gespreizten dynamischen Tarif mit automatisierter Systemführung auf Basis kundenseitig bestellter Nutzungsparameter anzubieten haben. Begründung: Im Rahmen des Projekts wurde ein Stromtarif zur direkten Belieferung der Haushaltskunden mit überwiegend regional erzeugtem EE-Strom durch die Vertriebe vor Ort konzipiert. Die Bürger der Region bekommen die Möglichkeit, den vor Ort produzierten Strom mittels eines dynamischen Tarifs zu beziehen und werden damit am erzeugungskonformen Verbrauch des Wind- und PV-Stroms beteiligt. Die bei den Haushaltskunden angereizte Lastverlagerung kann zum Ausgleich der fluktuierenden Einspeisung aus Wind und PV beitragen. Dazu muss die Tarifierung allerdings auch eine ausreichende Preisspreizung nach oben und unten anbieten. Dieses Modell kann ebenfalls für eine überregionale Versorgung mit dynamischem Tarif angewandt werden. 204 Bei Berücksichtigung aller Kosten auf der Erzeugungsseite wäre der Strompreis derzeit für den Endkunden zu hoch, um am Markt bestehen zu können. Zudem ist die Preisspreizung im Endkundenpreis, welche sich aus den unterschiedlich hohen Einkaufspreisen für Strom ergibt, derzeit zu gering, um dem Endkunden einen ausreichend großen finanziellen Anreiz zum Lastmanagement im Haushalt zu bieten. Ebenfalls erfüllen die Abrechnungssysteme der Vertriebe noch nicht die notwendigen Voraussetzungen für einen preisdynamischen Endkundentarif. Haushaltskunden werden mit Hilfe von Standardlastprofilen in gesonderten Bilanzkreisen geführt. Um eine Bilanzierung entsprechend des tatsächlichen Verbrauchsprofils zu ermöglichen, müsste bei jedem Haushaltskunden eine viertelstundenscharfe Messung durchgeführt werden. Nach geltender Rechtslage würde dies jedoch mit der Verpflichtung für den Vertrieb einhergehen, den jeweiligen Kunden täglich zu prognostizieren und einen entsprechenden Fahrplan an den Netzbetreiber zu senden. Des Weiteren ist nach heutigen Rahmenbedingungen die Abrechnung der Netznutzungsentgelte bei einer Leistungsmessung um einen Leistungspreis zu ergänzen, wodurch der Endkundenpreis in Zeiten hoher Last extrem steigen würde. Soll ein dynamischer Haushaltskundentarif entsprechend der Einspeiseprognose mit ausreichendem finanziellem Anreiz umgesetzt werden, muss innerhalb der Strompreisbestandteile die Möglichkeit zur Flexibilisierung gestärkt werden. Im Rahmen einer solchen Preisdynamik muss berücksichtigt werden, dass regionale Anreize nicht deckungsgleich mit bundesweit benötigten Flexibilisierungen sein müssen. Ein gegenseitiges Aufheben flexibler Strompreisbestandteile muss entsprechend vermieden werden, um das sich aus der Lastverschiebung ergebende Potenzial zur Senkung der Kosten des Gesamtsystems zu erschließen. Damit ein Vertrieb die Lastverlagerung des Haushaltskunden in der Energiebeschaffung für sich nutzen kann, müssen die heute geltenden Standardlastprofile weiterentwickelt und ggf. durch ein Verfahren ähnlich der Zählerstandsgangmessung ersetzt werden. Zudem dürfen die heute an eine Leistungsmessung gekoppelten Abrechnungs- und Prognosevorschriften nicht gleichermaßen für die Versorgung von Haushaltskunden mittels preisdynamischem Tarif gelten. Insgesamt gesehen dürften durch ausreichend differenzierte und gespreizte dynamische Tarife bislang nicht erschlossene Lastverschiebepotenziale zur verstärkten Balancierung der fluktuierenden erneuerbaren Energien mit der ebenfalls fluktuierenden Nachfrageseite gehoben werden können. Die Vorgaben in § 40 Abs.3 EnWG, lastvariable oder tageszeitabhängige Tarife anzubieten, sollte insoweit konkretisiert werden, dass alle Stromhändler einen dynamischen, entsprechend der erneuerba- 205 ren Einspeisesituation ausreichend differenzierten und gespreizten Tarif anzubieten haben. [Empfohlen von: in.power, CUBE Engineering, RKWH, Fraunhofer IWES ] 7.1.3 Sondermodelle zur Direktbelieferung von Endkunden Empfehlung: Eine Konkretisierung der Voraussetzungen zur Befreiung von Strompreisbestandteilen muss erfolgen. Begründung: Das EEG ermöglicht den direkten Verbrauch der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Dieser Strom kann unter bestimmten Voraussetzungen von Strompreisbestandteilen (z. B. Stromsteuer, EEG-Umlage oder Netzentgelte) befreit werden. Durch die Befreiung von diesen Strompreisbestandteilen kann die Versorgung mit Grünstrom aus der unmittelbaren Region zu einem möglichen Geschäftsmodell werden, wenngleich es auch hier darauf zu achten gilt, dass das damit verbundene Stromversorgungsverhalten nicht zwingend deckungsgleich mit dem bundesweit benötigten Versorgungsprofil ist. Das damit verbundene Risiko gilt es zu bewerten und dessen energiewirtschaftliche Auswirkungen weiter zu untersuchen. Gemäß dem rechtlichen Rahmen sind je nach Einzelfall für die Inanspruchnahme der Befreiung ausschlaggebend: die unternehmerischen Beteiligungsverhältnisse an der Erzeugungsanlage der Verbrauch im räumlichen Zusammenhang die Nennleistung der Anlage sowie der Anteil an erneuerbaren Energien in dem zur Belieferung genutzten Netz. Die beschriebenen Merkmale sind im Gesetz nur unzureichend konkretisiert, weshalb die Erfüllung der Voraussetzung in jedem einzelnen Fall juristisch geprüft werden muss. Eine konkrete Definition der Voraussetzungen zur Befreiung von Strompreisbestandteilen ist daher wünschenswert: 206 Die Voraussetzungen sollten für die verschiedenen erneuerbaren Energieträger spezifisch geregelt werden. Die Definition des „direkten“ Stromverbrauchs muss klarstellen, welche Merkmale an den Verbrauch im räumlichen Zusammenhang und die Durchleitung und Entnahme aus einem Stromnetz geknüpft sind. Die auf die jeweiligen Hauptzollämter verteilte Entscheidungsgewalt muss einheitlichen Regeln unterliegen oder gebündelt werden. Es muss klargestellt werden, ob die Befreiung von Strompreisbestandteilen nur für den selbst erzeugten Strom oder für den gesamten verbrauchten Strom und welche Zeitgleichheit (Tag/Monat/Jahr) gilt. [Empfohlen von: in.power, CUBE Engineering, Fraunhofer IWES.] 7.1.4 Vermarktung am Regelenergiemarkt Empfehlung: Es muss dringend ein Verfahren festgelegt werden, wie Windkraftund Photovoltaikanlagen am Regelleistungsmarkt teilnehmen können. Begründung: Damit ein Stromsystem mit hohem Anteil fluktuierender erneuerbarer Energien effizient betrieben werden kann, müssen erneuerbare Erzeuger Systemdienstleistungen, wie die Regelleistung, bereitstellen. Von den drei Regelleistungsarten bietet sich vor allem die negative Minutenreserve für fluktuierende Erzeuger an, da es hier bereits eine größtenteils tägliche und nicht wöchentliche Ausschreibung gibt, wodurch bei der Angebotserstellung entsprechende Prognosen berücksichtigt werden können. Das größere Hindernis ist jedoch, dass es noch kein explizit für fluktuierende Erzeuger definiertes Verfahren gibt, wie diese am Regelleistungsmarkt teilnehmen können. Dies betrifft vor allem den Nachweis der Regelleistungsbereitstellung und die Angebotserstellung. Aus diesen Gründen sollte dringend ein Verfahren festgelegt werden, wie Windkraft- und Photovoltaikanlagen am Regelleistungsmarkt teilnehmen können. Auch sie müssen Systemdienstleistungen bereitstellen können, wenn ein Stromversorgungssystem mit hohen EE-Anteilen angestrebt wird. Es wird empfohlen, den Nachweis relativ zur möglichen Ist-Einspeisung durchzuführen. Die mögliche IstEinspeisung entspricht der Leistung des Windparks, wenn dieser nicht abgeregelt worden wäre. Die bereitgestellte negative Regelleistung entspricht dann der Differenz aus der möglichen Ist-Einspeisung und der realen Einspeisung. Des Weiteren muss festgelegt werden, wie die Angebotsabgabe von Windkraft- und PV-Anlagen ausgestaltet sein kann. Diese könnte beispielsweise auf probabilistischen Prognosen basieren, mit denen die Wahrscheinlichkeit für das Überschreiten einer Leistung bestimmt werden kann. Weiterhin werden im Folgenden verschiedene Maßnahmen empfohlen, die mehr Akteuren den Marktzutritt erlauben und dadurch den Wettbewerb erhöhen. Bei der Primärregelleistung sollte die symmetrische Gebotsabgabe aufgehoben werden, sodass getrennte Gebote für positive und negative Primärregelleistung abgegeben werden können. Dies ermöglicht mehr Akteuren den Marktzutritt. Weiterhin sollten die Vorlaufzeiten bei allen Regelleistungsarten auf einen Tag und die Produktlänge der Regelenergie auf Zeitscheiben von einer Stunde gekürzt werden. Zugleich sollte 207 ein Arbeitspreismarkt mit kurzen Vorlaufzeiten (circa 45 Minuten) eingerichtet werden. Die Transparenz an den Regelenergiemärkten ist deutlich zu erhöhen. Neuen Marktteilnehmern muss zur Prüfung der Geschäftsmodelle und zur Angebotsabgabe der unkomplizierte und automatisierbare Zugang zu allen benötigten Daten ermöglicht werden. Dazu zählt die Bereitstellung von niedrigsten, mittleren und höchsten Leistungs- und Arbeitspreisen auf aktuellem Stand, auch als Historie als csvdownload. [Empfohlen von: in.power, Fraunhofer IWES, CUBE Engineering, RKWH] 7.1.5 Weitere Marktbereiche Empfehlung: Die EEG-Umlagenbefreiung für priviligierte Letztverbraucher von 10 Mio. auf 1 Mio. kWh/a sollte rückgängig gemacht werden. Sie sollte zudem nur dann greifen, wenn von den Begünstigten zumutbare Energieeffizienzmaßnahmen umgesetzt werden. Begründung: Im Rahmen der EEG-Umlagenwälzung sind Letztverbraucher ab einem Verbrauch von 1 Mio. kWh/a, gestaffelt in drei Schritten (1 - 10; 10 - 100; >100 Mio. kWh/a), anteilig von der EEG-Umlage befreit. Die im Rahmen des EEG 2012 pauschal eingeführte Absenkung der Untergrenze von 10 auf 1 Mio. kWh/a sollte rückgängig gemacht und ggf. – sofern mit geringem Aufwand umsetzbar – durch eine branchenspezifische Umlagebefreiung ersetzt werden, die sich am tatsächlichen Bedarf der jeweiligen Branche im Rahmen des internationalen Wettbewerbs orientiert. Dies hätte eine direkte Absenkung der EEG-Umlage zur Folge. Die EEGUmlagebefreiung für privilegierte Letztverbraucher sollte zudem nur dann greifen, wenn wirtschaftlich zumutbare Energieeffizienzmaßnahmen umgesetzt werden. Neben baulichen/technologischen Maßnahmen ist dabei auch das Potenzial zur Lastverlagerung bzw. die Teilnahme am Regelenergiemarkt zu berücksichtigen. Der daraus resultierende positive Systembeitrag würde folglich durch die Befreiung der EEG-Umlage belohnt werden. [Empfohlen von: in.power, CUBE Engineering, RKWH, Fraunhofer IWES ] 7.1.6 Biogasanlagen Empfehlung: Erhöhung der Feuerungsleistung bei privilegierten Biogasanlagen im Außenbereich Begründung: Durch die BauGB-Novelle wurde bereits die zugelassene installierte Anlagenfeuerungswärmeleistung von privilegierten Biogasanlagen im Außenbereich auf 2.000 kW Feuerungswärmeleistung erhöht (§ 35 (1) 6.d. BauGB). Dies entspricht in etwa einer elektrischen Leistung von 800 kW. Mit dieser Erhöhung ist allerdings 208 nicht eine Erhöhung der produzierten Strommenge verbunden, diese bleibt aufgrund der festgelegten maximal zulässigen Biogasmengen im Jahr von 2,3 Mio. m³ Biogas/a am privilegierten Standort bei einer elektrischen Bemessungsleistung von ca. 500 kW/a. Die verbleibende elektrische Zusatzleistung von ca. 300 kW definiert die maximale Flexibilisierung der Anlage. Das EEG 2012 will deutlich höhere installierte Leistungen im Vergleich zur Bemessungsleistung anreizen. Im Ergebnis kann die im EEG 2012 erwünschte Flexibilisierung in den meisten privilegiert genehmigten Anlagen nicht vollständig umgesetzt werden. Durch den Wegfall dieses Limits könnten BHKW in frei gewählter Größe installiert werden, ohne dass die jährlich produzierte Biogasmenge wächst. Die politisch erwünschte Limitierung der Biogasproduktion an einem privilegierten Standort kann über die Bemessungsleistung, über die Begrenzung der Fermentervolumina oder sonstige Regelungen des Baurechts zielgerichtet erfolgen. [Empfohlen von: in.power, CUBE Engineering, RKWH, Fraunhofer IWES] Empfehlung: Erhöhung der Kapazitätskomponente verbunden mit Effizienzanforderungen für Anlagen mit einer hohen Wärmenutzung Begründung: Bei der derzeitigen Regelung der Flexibiltätsprämie für Anlagen, die Biogas zur Stromproduktion nutzen, ist die Nutzung der gleichzeitig produzierten Wärme nicht vorgeschrieben. Dementsprechend werden über die Flexibilitätsprämie eine Erweiterung des Gasspeichers sowie die Erweiterung der Erzeugungskapazität angereizt. Im Regelfall wird es nicht wirtschaftlich sein, in große Wärmespeicher zu investieren, um bei bedarfsorientierter Betriebsweise eine gleichzeitige Versorgung von Wärmesenken sicherzustellen. Es gilt zu beobachten, inwieweit sich die Regelung für die Förderung der Wärmespeicher im Rahmen des KWK-G (Novelle 2012) auswirkt. Es ist zu erwarten, dass die technischen Anforderungen für die Betreiber so hoch sind, dass es eine weitere Unterstützung für die Wärmenutzung geben sollte. Dies wäre mit einer Erhöhung der Kapazitätskomponente verbunden und mit Effizienzanforderungen für Anlagen mit einer hohen Wärmenutzung erreichbar. Betreiber von Biogasanlagen, die diesen Weg gehen, erhöhen die Treibhausgasminderung pro eingesetzter Tonne Biomasse, was umweltpolitisch sehr zu begrüßen ist. [Empfohlen von: in.power, CUBE Engineering, RKWH, Fraunhofer IWES ] Empfehlung: Für die bedarfsorientierte Stromproduktion muss eine Klarstellung des Anlagenbegriffs im EEG erfolgen 209 Begründung: Das EEG 2012 und dessen neue Regelungen zur Direktvermarktung greifen zum Teil auf alte und neue Regelungen zum Anlagenbegriff zurück. Der Anlagenbegriff ist für die Ermittlung der Vergütungshöhe von entscheidender Bedeutung. Die aktuellen Diskussionen zeigen, dass es hier erhebliche Unklarheiten gibt, in welcher Höhe der Strom aus bestimmten Anlagenkonzepten (z.B. bei einer Bestandsanlage, die mit neuen BHKW flexibel Strom erzeugen möchte) vergütet wird. Aus Sicht der Forschungsnehmer sollte insbesondere für die bedarfsorientierte Stromproduktion, die regelmäßig mit rechtlichen Unklarheiten beim Anlagenbegriff konfrontiert ist, eine Klarstellung erfolgen. [Empfohlen von: in.power, CUBE Engineering, Fraunhofer IWES] Empfehlung: Einführung einer regelmäßigen Prüfung, ob trotz der erfolgten Degression der Managementprämie Stromhändler die Direktvermarktung auf Biogasanlagen anwenden. Begründung: Für steuerbare Anlagen wird die Managementprämie von 3 €/MWh im Jahr 2012 auf 2,25 €/MWh im Jahr 2015 abgeschmolzen. Es gilt zu beobachten, ob es kleinen bis mittleren Stromhandelsunternehmen gelingen wird, die Kosten in dieser Zeit in diesem Maße zu reduzieren, oder ob die Reduzierung für diese Unternehmen geringer ausfallen muss. Eine derartige Degression unterstellt, dass ein Unternehmen innerhalb weniger Jahre ein sehr großes Portfolio aufbauen kann, was möglicherweise für neue, v.a. mittelständische Akteure auf diesem Markt wesentlich schwieriger ist als für etablierte Stromhändler. Darüber hinaus ist wiederum die für die Poolbildung zur Verfügung stehende Anzahl von Anlagenbetreiber/innen, die den produzierten EE-Strom direktvermarkten, stark von den erzielbaren Erlösen abhängig. [Empfohlen von: in.power, CUBE Engineering, RKWH, Fraunhofer IWES] 7.2 Ausblick Die E-Energy-Initiative ist angetreten, um die Entwicklung von technischen und wirtschaftlichen Lösungen für das Energiesystem der Zukunft zu fördern. Der Schwerpunkt lag dabei auf der Rolle der IKT im Energiesystem, ein Bereich der heute allgemein als „Smart Grid“ bezeichnet wird. Obwohl in den E-Energy-Projekten eine Reihe an Ergebnissen produziert und an Erkenntnissen gewonnen wurde, können bei weitem nicht alle Fragen beantwortet werden, die die Umgestaltung des Energiesystems aufwirft. Es ist daher eine wichtige Aufgabe der Projekte, eine Orientierung zu bieten, wie die weitere Entwicklung aussehen kann. Damit kann die notwendige Forschung gezielter angegangen werden. 210 Im Projekt wurde eine Vielzahl von Möglichkeiten untersucht, um Flexibilitäten im Energiesystem zu erschließen und dadurch vor allem die zunehmende Einspeisung aus Wind- und Solarenergie zu integrieren. Diese Möglichkeiten liegen in der Beeinflussung des Lastverhaltens von Speichern, Verbrauchern und Erzeugern in den Bereichen Elektrizität, Wärme und Mobilität. Darüber hinaus kann auch das Netz durch eine verbesserte Betriebsführung, aufbauend auf einer Netzbeobachtung, besser ausgenutzt werden. Forschungsbedarf besteht hierbei vor allem in zwei Bereichen. Wie kann die Interaktion zwischen diesen Flexibilisierungsmöglichkeiten ausgestaltet sein und welche Flexibilisierungsmöglichkeiten sollten in welchem Umfang erschlossen werden. Beide Fragestellungen sind hinsichtlich einer Optimierung des Gesamtsystems in Hinblick auf das energiepolitische Dreieck zu bearbeiten. Im Projekt RegModHarz wurden diese Fragestellungen untersucht und es wurden technische Lösungen entwickelt. Unsicherheiten bestehen weiterhin in den Chancen der Technologien unter den Rahmenbedingungen der Märkte und Regulierung. Im Folgenden wird der weitere Forschungsbedarf für einzelne Maßnahmen zur Erschließung von Flexibilitäten im Energiesystem beschrieben. Virtuelle Kraftwerke Im Projekt wurde ein virtuelles Kraftwerk entwickelt und erfolgreich getestet. Virtuelle Kraftwerke sind ein Instrument zur Markt- und Systemintegration dezentraler Anlagen, wodurch sich diese marktkonform verhalten und dadurch auch zum Ausgleich der fluktuierenden Erzeuger beitragen. Daher ist eine vermehrte Nutzung virtueller Kraftwerke wünschenswert. Weiterer Forschungsbedarf besteht hierbei in den folgenden Punkten: Standardisierung und Automatisierung der Vermarktung und Steuerung der Anlagen für eine möglichst breite Palette von Anwendungsfällen. Das gilt neben den Schnittstellen für die Anlagen auch für die Anbindung von Märkten und Prognosediensten (z. B. Wind-/Solarstromerzeugung, Preise, Wärmebedarf). Die Standards müssen den vollständigen Geschäftsprozessen genügen und offen sein für zukünftige Stromprodukte. Identifizierung von regulatorischen und technischen Lösungen, um den Ausbau virtueller Kraftwerke weiter voranzutreiben. Hierzu wurden bereits Arbeiten in RegModHarz durchgeführt, die jedoch weiter geführt werden sollten. Bei der technischen Weiterentwicklung von virtuellen Kraftwerken müssen die Sicherheit, die Zuverlässigkeit gegen Ausfälle einzelner Komponenten (Anlagen, Kommunikation, Prognosen etc.) und die Skalierbarkeit im Vordergrund stehen. Im Zusammenhang der Skalierbarkeit sind auch Aggregati211 onsverfahren und Optimierungsverfahren weiter zu erforschen, insbesondere für komplexe Systeme mit einer großen Anzahl von Anlagen. Verbesserung der Prognosen (Wärmelast, Preise, Last, Erzeugung) für eine genauere Einsatzplanung. Hierbei ist es auch wichtig, Prognosen mit einem möglichst langen Prognosehorizont zu haben, um z.B. die Biogaserzeugung und die Speicherkapazitäten besser betreiben zu können. Marktplattform Das Kapitel 3.4 beschreibt die Konzeption und technische Umsetzung einer interaktiven, webbasierten Marktplattform. Diese ermöglicht unter anderem den Zugang zu Transparenzinformationen zur Stromversorgung in der Modellregion und zu einem personalisierten Bereich für die BEMI-Feldtestkunden. Für Haushaltskunden sollte zukünftig die Möglichkeit geschaffen werden, eine automatisierte Analyse des Verbrauchs durchzuführen, um Effizienzpotenziale zu erkennen. Die Marktplattform sollte weiterhin so weiterentwickelt werden, dass über sie Dienstleistungen entwickelt und in Anspruch genommen werden können. Dabei handelt es sich um Dienstleistungen, die vor allem den Betreibern kleinerer Anlagen die eigenständige Steuerung ihrer Anlagen ermöglichen, da sich diese oftmals nicht über ein virtuelles Kraftwerk oder einen Händler steuern lassen wollen. Hierfür werden dezentrale Erzeugungsmanagementlösungen zur Einsatzoptimierung benötigt, die kostengünstig und standardisiert an den verschiedenen Anlagen integriert werden können. Diese dezentralen Erzeugungsmanagementlösungen, die wiederum in ein Pool von mehreren in ein virtuelles Kraftwerk verbunden werden können, bedarf es weiter zu entwickeln und praktische Beispiele umzusetzen. Dezentrale Energiesysteme Die Interaktion dezentraler Energiesysteme mit dem Gesamtsystem muss weiterhin intensiv erforscht werden. Dabei müssen die energiepolitischen Ziele berücksichtigt werden, die bislang keinen Anhaltspunkt für die zukünftige Entwicklung von Städten, Regionen und Bundesländern liefern. Die Auswertungen zu den Potenzialen für erneuerbare Energien haben gezeigt, dass im Landkreis Harz mehr elektrische Energie erzeugt werden kann, als verbraucht wird, wodurch der Landkreis Harz zum Exporteur erneuerbarer elektrischer Energie werden kann. Ein Export elektrischer Energie ist auch wünschenswert, da sich Ballungsgebiete, im Gegensatz zu einer ländlichen Region wie dem Landkreis Harz, nicht so einfach mit regional erzeugter erneuerbarer Energie versorgen können. Soll der Landkreis Exporteur werden, ist hierfür jedoch u.a. ein Ausbau der elektrischen 212 Netze zu anderen Regionen notwendig. Diese Netzausbaukosten könnten durch ein regionales Energiemanagement reduziert werden. Mit regionalem Energiemanagement ist die gezielte Beeinflussung des Leistungsverhaltens von Erzeugern, Speichern und Verbrauchern im Landkreis Harz gemeint. Untersuchungen im Projekt zeigten, dass ein regionales Energiemanagement zur Reduktion von Last- und Rückspeisespitzen an der Koppelstelle zum Übertragungsnetz führt, was langfristig zu einer wesentlichen Einsparung beim Netzausbau zur Folge hat. Insbesondere für einen Planungshorizont über 2020 hinaus, mit sehr hoher Erzeugung in der Modellregion, wird diese Möglichkeit relevant. Es muss jedoch weiterhin erforscht werden, ob dadurch tatsächlich Kosten für den Ausbau und Betrieb der elektrischen Netze gespart werden können und welche Nachteile ggf. dem gegenüberstehen. Dabei genügt nicht nur die Betrachtung einer einzelnen Modellregion. Die Möglichkeiten, die sich durch regionales Energiemanagement ergeben, müssen insgesamt mit einer bundesweiten Netzausbaustrategie betrachtet werden. Für die Umsetzung von dezentralen Versorgungsmodellen müssen alle Energiesektoren gleichermaßen berücksichtigt werden. Der Schwerpunkt des Projekts lag zunächst auf der Stromversorgung. Es wurden die Schnittstellen zur Wärmeversorgung (KWK-Anlagen, Wärmepumpen, Brennstoffzellen), zum Gasnetz (KWK-Anlagen, Brennstoffzellen, Power-to-Gas-Anlagen) und zur Mobilität (E-Kfz) betrachtet. Um das Flexibilitätspotenzial, das sich aus der Kombination dieser vier Schnittstellen ergibt, zu erforschen und später zu nutzen, müssen die Energiesektoren und -netze als gekoppeltes System ganzheitlich betrachtet werden. Dabei muss die technische Entwicklung und die Marktdurchdringung verschiedener Techniken ebenso berücksichtigt werden, wie bei den erneuerbaren Energien zur Stromerzeugung. Modelle müssen entwickelt werden, die solche Untersuchungen bewältigen können oder eine gute Näherung abbilden. Ziel der Untersuchung wären dabei u. a. die Ermittlung der Auslegung solcher dezentraler Energiesysteme einschließlich notwendiger Speicherkapazitäten, die Auswirkungen und das Potenzial von E-Kfz für das Lastmanagement und als Speicher und das Potenzial der Erzeugung und der Nutzung von gasförmigen und flüssigen synthetischen Energieträgern (z. B. aus Elektrolyse, Power-to-Gas, Power-to-Liquid) im Wärme- und Verkehrssektor. Speicher Im Projekt RegModHarz wurde gezeigt, dass Speichertechnologien einen Beitrag zur Integration und Vermarktung der erneuerbaren Energien, insbesondere der Windenergie, leisten können. Der Marktzugang für neue Technologien stellt sich unter heutigen Bedingungen nicht wirtschaftlich attraktiv dar. Mit den sehr hohen Antei- 213 len an erneuerbaren Energien in einem ländlichen Raum stellt sich zunehmend die Frage nach dezentralen Versorgungskonzepten, die die Netze entlasten und die Speicherung beinhalten. Die Rahmenbedingungen für solche Geschäftsmodelle und somit auch für Speicher im dezentralen Zusammenhang sind noch nicht gegeben. Lastmanagement Im Kapitel 5.1 wurden verschiedene Aspekte der Versorgung der Feldtesthaushalte mit einem zeitdynamischen Stromtarif aus erneuerbaren Energien und entsprechender Lastverschiebung untersucht. Weiterer Forschungsbedarf liegt in der Op- timierung des technischen Systems und der Tarifgestaltung. Auf Seiten des technischen Systems besteht Bedarf bei der Weiterentwicklung der Kommunikation sowohl zwischen den Endgeräten und der Haushaltsschnittstelle (BEMI) als auch zwischen der Haushaltsschnittstelle und dem Versorger. Dabei müssen vor allem die Zuverlässigkeit und die Bedienbarkeit im Vordergrund stehen. Es müssen weitere Erfahrungen mit dynamischen Tarifen gemacht werden, um mit noch zu entwickelnden Prognosen Flexibilitätsprodukte für die Lastverschiebung anbieten und diese Lastverschiebung gezielter steuern zu können. Es können dann mit noch zu entwickelnden Prognosen für die Lastverschiebung Flexibilitätsprodukte angeboten werden. Für das Gewerbe, den öffentlichen Bereich und die Industrie sind die Lastflexibilisierungspotenziale zu untersuchen und ggf. geeignete Anreize und Techniken zu deren Erschließung zu entwickeln. Netze Es konnte mit Simulationen gezeigt werden, dass steigende Leistungen erneuerbarer Erzeugungseinheiten im untersuchten Verteilungsnetz mit dem Anstieg der Nichtverfügbarkeit verbunden sind, wenn keine Maßnahmen zur Flexibilisierung im Landkreis Harz ergriffen werden. Dadurch ergibt sich die Motivation zur weiteren Nutzung der geschaffenen PMU-Messinfrastruktur für die Beobachtbarkeit des Verteilungsnetzes zum Zweck der Wahrung der Versorgungssicherheit. Hierfür werden Algorithmen zur sicheren und zuverlässigen Führung sowie zum Schutz von zukünftigen Verteilungsnetzen benötigt. Zu diesem Zweck ist die Implementierung und versuchsweise Integration eines synchronen Verteilnetz-Überwachung-und- Management-Systems (S-VÜMS) erforderlich. Dieses beinhaltet ein Monitoring zur Beobachtung des Netzzustandes, wodurch das Netz besser ausgenutzt werden kann, u.a. für die Integration der erneuerbaren Energien. Darüber hinaus gewinnen Systemdienstleistungen innerhalb der Verteilungsnetze an Bedeutung. Die Erbringung der Serviceleistungen wird zukünftig sowohl inner- 214 halb des Verteilnetzes als auch für das übergelagerte Übertragungsnetz erwartet und bedarf einer Konzeption und Erprobung. Daneben muss auch untersucht werden, wie verschiedene Flexibilisierungsmöglichkeiten (Lastmanagement in Haushalten, Speicher, gesteuertes Laden von E-Kfz, KWK etc.) den Netzbetrieb des Verteilungsnetzes unterstützen können. Grünstromprodukte In diesem Projekt wurden mögliche Geschäftsmodelle für Grünstromprodukte analysiert. Dabei zeigte sich, dass derzeit die Möglichkeiten für umsetzbare Modelle zur Vermarktung von Grünstromprodukten stark eingeschränkt sind und dass hier kein planbarer Rahmen für Energieversorger besteht. Daher besteht hier weiterer Forschungsbedarf. Dies gilt auch für die Fragestellung, in wie weit Versorgungsmodelle auf Basis erneuerbarer Energien mit handelbaren Grünstromprodukten abgesichert werden können. Akzeptanz Wie sich in Zusammenhang mit dem begleitenden SEC-Projekt gezeigt hat, ist die Akzeptanz der Bevölkerung ein wesentlicher Treiber bzw. die fehlende Akzeptanz eine Blockade für die Umsetzung der Energiewende. Die für die Energiewende notwendigen Installationen von neuen Anlagen und Netzen benötigen lokal die Akzeptanz der Bevölkerung. Sowohl die direkte wirtschaftliche Beteiligung der Bevölkerung und der lokalen Energieversorger an diesen Installationen, als auch die direkte eigene Nutzung der Stromerzeugung in den Regionen erhöhen die Akzeptanz und tragen zu einer höheren regionalen Wertschöpfung bei. Die zukünftige Energieversorgung auf Basis erneuerbarer Energien wird daher zunehmend dezentrale Versorgungsstrukturen aufweisen. Für diese Transformation des Energiesystems und damit auch der Marktbedingungen besteht weiterhin Forschungs- und Entwicklungsbedarf. Das betrifft sowohl die Umsetzung von dezentralen Versorgungsmodellen als auch die Interaktion mit dem Gesamtsystem. 215 8 Literatur Beyer, H.G.; Schumacher, J. (1998): Estimation of model parameters for I-V curves of PV modules from operational data, 2nd World Conference on Photovoltaic Solar Energy Conversion, Vienna, Austria Biermann et al. 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Stephan, K.-L.: „Netzsimulation von Verteilnetzen mit hohem Durchdringungsgrad erneuerbarer Energien“; Masterarbeit, 2012 Yan, W.: Netzintegration von Photovoltaik in Niederspannungsnetzen, Diplomarbeit an der TU Darmstadt und dem Fraunhofer IWES, 2010 Zilles, D. (2009): Bereitstellung von Minutenreserve durch einen E-Kfz-Pool. Masterarbeit an der Uni Kassel. 227 Anhang zu Leitszenarien Tabelle 33: Technisches Potenzial in der Modellregion und Flächenskalierung nach UBAStudie 228 Leitszenario Szenario 1 Szenario 2 2008 2020 Szenario 3 (100%-EE ) 20XX Jahr Teilszenario A Wind PV Wasser Biogas/masse Teilszenario B 151 MW 248 MW 630 MW 630 MW 10 MW 90 MW 708 MW 708 MW 7 MW 9 MW 9 MW 9 MW 10 MW 26 MW flexibilisierte (verdoppelte) Erzeugungsleistung aus Anlagen kleiner 500 kW Bemessungsleistung mit Verstromung vor Ort (Volllaststundenzahl von 20 MW ca. 4.350 h/a) 177 MW KWK-Leistung für Betrieb mit Biomethan aus Gasnetz (Volllaststundenzahl von ca. 4.000 h/a) Fossiles/EE Methan 14 MW (fossil) 23 MW (fossil) - 26 MW flexibilisierte (verdoppelte) Erzeugungsleistung aus Anlagen kleiner 500 kW Bemessungsleistung mit Verstromung vor Ort (Volllaststundenzahl von ca. 4.350 h/a) 155 MW KWK-Leistung für Betrieb mit Biomethan aus Gasnetz (Volllaststundenzahl von 2.700 h/a ) 336 MW (EE-Methan denn bei einer erforderlichen KWK-Leistung von 491 MW in der Modellregion und einem Biogas/-masse Potenzial von 155 MW muss der Rest durch EE Methan bereitgestellt werden) Tabelle 34: Installierte Leistung des Kraftwerksparks für die untersuchten Szenarien 229 Leitszenario Szenario 1 Szenario 2 2008 2020 Szenario 3 (100%-EE ) 20XX Jahr Teilszenario A Wind Teilszenario B 311 GWh 620 GWh 1.404 GWh 1.404 GWh PV 10 GWh 97 GWh 671 GWh 671 GWh Wasser 22 GWh 29 GWh 27 GWh 27 GWh Biogas/masse Fossiles/EE Methan 41 GWh 84 GWh (fossil) 99 GWh 113 GWh aus Anlagen kleiner 500 kW Bemessungsleistung mit Verstromung vor Ort 113 GWh aus Anlagen kleiner 500 kW Bemessungsleistung mit Verstromung vor Ort 704 GWh aus KWK für Betrieb mit Biomethan aus Gasnetz davon 418 GWh aus der Modellregion (Begrenzung durch Biomassepotenziale) 418 GWh aus KWK für Betrieb mit Biomethan aus Gasnetz (Begrenzung durch Biomassepotenziale) 108 GWh (fossil) - 1.030 GWh aus KWK für Betrieb mit EE-Methan aus Gasnetz Tabelle 35 Erzeugte Strommenge des Kraftwerkspark für die untersuchten Szenarien Tabelle 36: Annahmen zum Wärmebedarf und Bevölkerungszahl in den untersuchten Szenarien 230 Abbildung 98: Ergebnisübersicht der Folgetagsprognose der Windeinspeisung für den Landkreis Harz. 231 Abbildung 99: Ergebnisübersicht der Kurzfristprognosemit einer Stunde Prognosehorizont der Windeinspeisung für den Landkreis Harz. 232 Bastian Bohm [email protected] Silja Bilz [email protected] Wolfgang Bogenrieder [email protected] Dirk Filzek Lars Nicklaus [email protected] [email protected] Peter Ritter Christina Volkert [email protected] [email protected] Thomas Hunecke [email protected] Antje Klimek [email protected] André Bruschek [email protected] Hans-Joachim Nehrkorn [email protected] Martin Schneider [email protected] Bodo Weinhold [email protected] 233 Steffen Brauns [email protected] Stephan Funke [email protected] Katharina Henke [email protected] Mareike Jentsch [email protected] Patrick Hochloff [email protected] Andreas Liebelt [email protected] Manuel Wickert [email protected] Katharina Lesch [email protected] Dr. Kurt Rohrig [email protected] Thomas Stetz [email protected] Florian Schlögl [email protected] Karolin Jäger Markus Speckmann [email protected] [email protected] Wolfgang Slaby [email protected] Uwe Holzhammer [email protected] Dirk Kirchner [email protected] 234 Fritz Schmidt [email protected] Dr. Przemyslaw Komarnicki [email protected] Dr. Thoralf Winkler [email protected] Dr. Hui Guo [email protected] Bartlomiej Arendarski [email protected] Christoph Wenge [email protected] Bodo Himpel [email protected] Ralph Lautenschläger [email protected] Dr. Michael Ermrich [email protected] Martin Skiebe [email protected] 235 Dr. John Sievers [email protected] Matthias Roth [email protected] Katrin Oldenbourg [email protected] Christoph Morschett [email protected] Josef Werum [email protected] Jörg Krebs [email protected] Evelyn Stolze [email protected] 236 Heinrich Bartelt [email protected] Ulrich Narup [email protected] Ralf Voigt [email protected] Martin Winter [email protected] Dr. Jörg Heuer [email protected] Jürgen Götz [email protected] Dr. Chris Oliver Heyde [email protected] Peter Brewig [email protected] Michael Wölfer [email protected] 237 Steffen Meinecke [email protected] Detlef Nehrkorn [email protected] Ines Hauer [email protected] Christian Röhrig [email protected] Prof. Dr. Zbigniew A.Styczynski [email protected] Paul Bernstein [email protected] Dr. Krzysztof Rudion [email protected] Dr. Michal Powalko [email protected] Dr. Günter Heideck [email protected] Dr. Martin Stötzer [email protected] Dr. Cuong Nguyen Mau [email protected] 238 Anna Schütte [email protected] Prof. Dr. Petra Schweizer-Ries [email protected] Amelie Fechner [email protected] Rona Größler [email protected] Karen Biesgen [email protected] Julia Steinhorst 239 Projektkoordinator: Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES Konsortialpartner: Fraunhofer IWES | Kassel Königstor 59 34119 Kassel Tel.: 0561 7294-0 Fax: 0561 7294-100 Fraunhofer IWES | Bremerhaven Am Seedeich 45 27572 Bremerhaven Tel.: 0471 902629-0 Fax: 0471 902629-19 [email protected] www.iwes.fraunhofer.de Assoziierte Partner: