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Mit dem Fahrrad von Alaska nach Feuerland Panamericana Immer Richtung Süden text: Jörg Schuster Bilder: Jörg und Andrea Schuster Jörg und Andrea Schuster klinken sich aus dem Berufsleben und ihrem sozialen Umfeld aus, um sich einen lang gehegten Lebenstraum zu erfüllen: Sie wollen die Panamericana mit dem Velo von nord nach Süd – von Alaska bis Feuerland – befahren. nach 18 Monaten, über 22 000 radkilometern, vierzehn besuchten Ländern, mal beschwingten, aber auch immer wieder beschwerlichen Zeiten, erreichen die beiden Ushuaia, die südlichste Stadt der welt. 8 GLOBETROTTER-MAGAZIN winter 2011 veloreise Auf dem Haines-Highway. Grandiose Natur, wenig Verkehr und gute Strassen – ideales Revier für Radfahrer. 9 K lack, klack. Die Gänge meines Fahrrades wechseln so leicht, als wären sie schon Jahre auf Tour, dabei beginnt das grosse Abenteuer erst heute. Während wir auf dem Glenn-Highway aus dem Stadtgebiet von Anchorage hinausradeln, frage ich mich, ob das alles Traum oder Realität ist: Wir wollen auf der Panamericana, der Traumstrasse der Welt, von Alaska nach Feuerland radeln. Beim Anflug auf Anchorage hatten wir einen ersten Eindruck von der Weite und Wildnis Alaskas bekommen, doch auf den ersten Kilometern nach dem Start kommen wir uns vor wie auf einer europäischen Autobahn. Vierspurig schlängelt sich der Highway Richtung Fairbanks. Das Alaska-Feeling will sich so nicht recht einstellen. Schon bald zweigen wir nach Osten ab, der Hauptverkehr fährt weiter Richtung Norden. Jetzt beginnt die Landschaft so auszusehen, wie wir es uns vorgestellt haben. Weite und Einsamkeit, so weit das Auge reicht. Es riecht nach Jack London. bung gut gefällt, stoppen wir einfach und suchen uns eine kleine Lichtung, wo wir unser Zelt aufbauen können. Bevorzugt sind Plätze mit weiter Aussicht und einem kleinen Flüsschen in der Nähe – etwas, was hier im hohen Norden leicht zu finden ist. Das Zelt ist schnell aufgebaut, die Handgriffe sitzen. Dann zelebrieren wir ein Ritual: Erst mal Kaffee kochen, um richtig anzukommen, und, mit der dampfenden Tasse in der Nomadenleben. Jäh werde ich aus meinem Hand, die Ruhe und Stille auf uns wirken lassen. Meist findet sich auch noch ein aufgesparTagtraum gerissen. Moskitos! Myriaden der tes Stückchen Kuchen irgendwo in den PackPlagegeister scheinen nur auf uns gewartet zu taschen. Zum Abendessen kochen wir uns haben. Sie fliegen uns während der Fahrt in Berge von Nudeln – willkommene Kalorien Nase, Mund, Ohren, sogar in die Augen. für den nächsten langen Radlertag – und sitZiemlich genau 23 Stundenkilometer schnell zen vor dem Zelt am knisternden Lagerfeuer, fliegen die Biester – zu schnell, um sie dauerwenn uns die Moskitos einigermassen in Ruhe haft abzuschütteln. Um uns einigermassen zu lassen. schützen, sitzen wir am ersten Abend bei Bei Beaver Creek, einem kleinen Ort nach hochsommerlichen Temperaturen mit Mütze, der kanadischen Grenze, erleben wir unseren Handschuhen und Gesichtsmaske vor unersten Bärenkontakt. Ein junger Grizzly steht serem Zelt und schaufeln unsere Nudelan einer abschüssigen Stelle rationen – mit kostenloser hinter einer Kurve direkt am Fleischbeilage – in uns hinein. Strassenrand, als wir an ihm Wölfe, Bären, Elche – das sind Ist der vorbeibrausen. Zeit zum ErTiere, von denen man zu HauTagesablauf schrecken bleibt keine, denn se erzählen kann. Aber von das Tier sucht sofort das Weite. Moskitos, die einem das Leam Anfang Glück für uns, ist es doch äusben vermiesen? Im nächstbesert gefährlich, einem Bärennoch ungesten Outfitter-Laden kaufen baby so nahe zu kommen, da wir alles auf, was irgendwie wohnt, so die Mutter nie besonders weit Schutz bietet – und ergeben entfernt sein kann. Bären gibt schleicht uns unserem Schicksal. Ist der Tagesablauf am Anes viele, besonders hier im sich doch fang noch neu und ungeNorden. Nachts haben wir unseren Bärenspray immer in wohnt, schleicht sich bereits bald eine nach ein paar Tagen eine vergreifbarer Nähe und verstauen vertraute traute Routine ein. Das allalles, was für Meister Petz inmorgendliche Zelt abbrechen teressant sein könnte, hoch in Routine ein. funktioniert bald wie im Schlaf einem Baum weitab von unseund ohne grosse Worte. Auch rem Zelt. weiss man schnell, wo jede Socke steckt oder Unser Weg führt uns weiter nach Haines, fingert zielsicher Streichhölzer aus einer Taeinem kleinen Ort im sogenannten «Pansche. Die Zeit unterwegs kommt uns dabei viel handle» Alaskas. Das Städtchen liegt reizvoll länger vor als im normalen Alltag. Kein Wunauf einer Halbinsel. Im nahe gelegenen GlacierBay-Nationalpark kalben Dutzende Gletscher. der, ist doch kein Tag wie der andere, seit wir Berühmt ist Haines neben seiner grandiosen rollend unterwegs sind. Wir suchen unsere Übernachtungsplätze Landschaft aber auch für die vielen Weisskopfnach der Methode «Bauchgefühl». Wenn uns seeadler, die hier ihr Zuhause haben. Wir finam späteren Nachmittag irgendwo die Umgeden einen super Beobachtungspunkt am Ufer 10 GLOBETROTTER-MAGAZIN winter 2011 Praktisch. Die Campingplätze Alaskas und Kanadas sind meist super eingerichtet (oben). Maligne Lake. Der Umweg nach Osten wird mit grandiosen Aussichten belohnt (rechts). Tunnel. Problemlos befahrbar (links unten). Highway 101. Regenreicher Start in den USA (rechts unten). des Chilkoot River. Der Fluss ist einer der wenigen Flüsse Alaskas, der im Winter nicht zufriert und so als Nahrungsquelle für Tausende Adler dient. Rummel auf dem Icefield-Parkway. Mit der Fähre lassen wir uns durch die Inside Passage nach Prince Rupert in British Columbia bringen, wo wir wieder die Räder beladen und auf dem Yellowhead-Highway in Richtung Osten fahren. Eigentlich ist unsere grobe Richtung einfach: südwärts. Hier in Kanada machen wir jedoch einen grossen Schlenker nach Osten, wir wollen unbedingt den Icefield-Parkway befahren. Die Hochgebirgsstrasse entlang des Hauptkamms der Rocky Mountains schlängelt sich als angeblich «schönste Gebirgsstrasse Kanadas» mitten durch hochalpine Landschaft. Vergletscherte Gipfel, dunkelgrüne Nadelwälder, blühende Bergwiesen, Seen in allen Blautönen – ein Traum für Naturliebhaber. Nur wird die Strasse leider von einer Heerschar begeisterter Touristen besucht und von unzähligen Fahrzeugen befahren. Abends verziehen wir uns auf abgelegene veloreise State-Campgrounds – wildes Zelten ist hier nicht erlaubt – und sind froh, wenigstens ein bisschen Ruhe vor dem Touristenrummel zu finden. Die Plackerei im Hochgebirge macht hungrig. Und gierig. Nach Schokolade zum Beispiel. Mit leuchtenden Augen steuern wir einen grossen Supermarkt an und sind wenige Minuten später stolze Besitzer einer 70-Stück-Mini- Mars-Grossfamilien-Packung. Wenige Tage später ist davon nichts mehr übrig. Radlerhunger! Unsere selber gekochten Mahlzeiten fallen meist recht üppig und kreativ aus – zu gross ist das verführerische Angebot der vielen Supermärkte entlang des Weges. Trotz gutem Campingessen: Wir freuen uns schon auf Vancouver, aufs Ausgehen, aufs Essen in einem guten Restaurant. Der West Coast entlang. Bei der Einfahrt in die Stadt sorgen wir jedoch für ein veritables Verkehrschaos: Den Radweg in die Innenstadt haben wir verpasst und sind auf einem Highway gelandet. Als sich dieser auf zwei schmale Spuren über eine Brücke verengt, ist uns der Zorn des Feierabendverkehrs sicher. Zudem setzt Regen ein. Nicht gerade die beste Voraussetzung, um in der Rushhour über die Autobahn nach Downtown-Vanvouver zu radeln. Nach ein paar Tagen in der Zivilisation und Moderne einer grossen Stadt zieht es uns wieder aufs Rad. Die lang ersehnte West Coast der USA ist nur noch wenige Tagesetappen entfernt. Wir haben uns schon so oft vorgestellt, der Westküste entlang zu cruisen: coole Beachboys und -girls, Palmen, Sandstrände und Easy-Life! Fehlanzeige. Starker Regen und Kälte empfangen uns. Noch wissen wir nicht, dass dies der letzte Regen für die nächsten elf Monate sein wird… Der Highway 101 entlang der Pacific Coast der USA ist eine der Traumstrassen für Radfahrer. Mendocino, San Francisco, Big Sur, Santa Barbara, Malibu Beach und L.A. – all diese Orte und Städte begeistern uns. Hier spü11 ren wir es tatsächlich, das lockere Leben Kaliforniens. Alles scheint problemlos zu sein: Die Versorgung und die Radinfrastruktur. Dazu grandiose Landschaften und herzliche Menschen. Wir radeln wie im Rausch, schweben auf Wolke sieben. Vielleicht liegt unser Stimmungshoch aber auch einfach daran, dass wir wirklich angekommen sind in unserem neuen Leben auf der Strasse. Wir realisieren, dass wir tatsächlich unseren Traum realisieren – und es gut läuft. Ein tolles Gefühl. Wir treffen immer wieder Radreisende und bekommen den Eindruck, dass es eine richtige «Bikecommunity» gibt. Jeder kennt jeden und weiss Neuigkeiten von anderen Radlern, mit denen man noch vor einigen Tagen den Zeltplatz geteilt hat. Mehrere Tage fahren wir zusammen mit einer jungen Schweizer Familie, dann trennen sich unsere Wege wieder. So schön Reisen auch ist – das ständige Abschiednehmen von lieb gewonnen Leuten fällt schwer. Abenteuer Zentralamerika. Himmelhoch jauchzend – zu Tode betrübt. Unsere Stimmung auf dem Rad verschlechtert sich mit jedem Kilometer, den wir näher nach Mexiko kommen. Eigentlich haben wir uns auf Lateinamerika gefreut. Aber zu viele Menschen haben unsere Idee, beim momentanen Drogenkrieg mit dem Fahrrad durch Mexiko zu fahren, für verrückt erklärt. Raubüberfälle waren noch die harmlosesten Zwischenfälle, 12 GLOBETROTTER-MAGAZIN winter 2011 sigkeit nachschütten, wie wir sie verlieren. Sechs Liter ist unser Tagessoll. Das wirklich Kräftezehrende ist jedoch nicht die Tageshitze, sondern die Temperaturen während der Nacht. 30 Grad gelten schon als erfrischend. Immer häufiger suchen wir uns abends Pensionen mit Klimaanlage. Wenn das Gerät auch meist nicht funktioniert – allein der Glaube daran versetzt Berge. So attraktiv die Länder Zentralamerikas auch sind, die Temperaturen machen diesen Abschnitt für uns zu einer echten Herausforderung. Dabei hatten wir einen ganz anderen Gegner erwartet: den Strassenverkehr. Oder besser gesagt: die Henker am Lenker. Viel hatten wir vor der Reise über halsbrecherische LKW- und betrunkene Busfahrer und über schlechte Strassen gehört und gelesen. Zwar würden jedem die sie uns in Aussicht stellten. Und hier im Sicherheitsexperten die Haare zu Berge stehen Süden Kaliforniens hält uns nun sogar die Poangesichts des schlechten Zustands der Fahrlizei an und versucht uns aufzuhalten. zeuge, der völlig abgefahrenen Reifen oder der Mit Spanischkenntnissen auf dem Niveau chronischen Überladung vieler Busse. Die Strasvon Erstklässlern und Pudding in den Beinen schleichen wir in der Grenzsen sind jedoch meist gut stadt Tecate zum mexikaniausgebaut und die Verkehrsschen Grenzbeamten. Der gedichte – sieht man mal von StädDer Grenzübte Beamte drückt schnell seiten ab – ist gering. Abgesehen nen Stempel in unsere Pässe. von der Hitze macht das Raübertritt von Willkommen in Mexiko. Die deln wieder richtig Spass. den USA Grenze zwischen den USA und Mexiko ist der grösste KulturEskorte in Guatemala. Auch nach Mexico schritt auf der ganzen Reise: wenn uns in Mexiko nichts ist der Andere Sprache, anderes Espassiert ist, ist trotzdem auch sen, andere Regeln. Wir bewegrösste in den folgenden Ländern gen uns sehr vorsichtig durch Vorsicht angebracht. Gerade Kulturdieses Land. Erst nach und über Guatemala bekommen nach tauen wir auf, wagen uns schritt der wir von anderen Radreisenmehr und mehr, gehen auf die den Warnungen. Die Touganzen Leute zu und werden überristenzentren seien zwar allerascht von der Freundlichkeit Reise. samt sicher, aber entlang der und Herzlichkeit der MexikaPanamericana gäbe es noch ner. Trotzdem – unser Zelt einige «Hot-Spots», in denen bleibt meist in den Packtaschen, wir übernachdie organisierte Kriminalität den Ton angibt. ten häufig in Pensionen oder werden eingeladen Wir gehen auf Nummer sicher und organisieund übernachten bei Einheimischen zu Hause. ren uns gemeinsam mit einer Schweizerin an Was wir schon spüren, können wir auf under Grenze von Mexiko nach Guatemala eine serem Fahrradcomputer ablesen: Die MittagsPolizeieskorte. Einige Tage fahren sie – mit hitze Zentralamerikas treibt das Quecksilber Maschinengewehren bewaffnet – dicht hinter auf über 50 schweisstreibende Grad in der uns her. Für uns ein Gefühl der Sicherheit – Sonne. Wir können gar nicht so schnell Flüsfür die Polizisten eine gelungene Abwechs- veloreise San Francisco. Golden Gate Bridge (links oben). Baja California. Mexikanische Halbinsel (oben). Schwere Jungs. Kreativ und humorvoll. Guatemala. Kinder auf dem Markt. Mini Tienda. Ein winziger Supermarkt. Tucan. Tierwelt im Naturparadies Costa Rica. (unten von links nach rechts) lung ihres Alltages. So richtig wohl ist uns mit dieser Begleitung jedoch nicht – im Gegenteil: Wir fühlen uns unserer Freiheit beraubt und auf Schritt und Tritt beobachtet. Dennoch nehmen wir die Eskorte wie geplant bis zur Grenze El Salvadors in Anspruch. Die Poli- zisten haben Spass mit uns, wir wollen ihnen diesen nicht nehmen. Erst als sie per Funk ihre Kollegen in El Salvador unterrichten und diese an der Grenze mit einem Dutzend Beamten auf uns warten, legen wir unser Veto ein. Wir möchten wieder alleine sein, unser eigenes Ding durchziehen. Fast schon im Wochenturnus wechseln wir die Länder in Zentralamerika, unsere Reisepässe sammeln fleissig Stempel. Häufig drücken sich einige schräge Personen an der Grenze herum, doch ansonsten läuft alles nach dem gleichen Schema: Beamte in Uniform mit meist riesigen Sonnenbrillen sitzen vor den Bildern ihrer Staatspräsidenten und drücken ehrfurchtsvoll und mit strenger Miene einen Stempel in den Reisepass, der mit einer kunstvoll verschnörkelten Unterschrift noch an Bedeutung gewinnt. Vor den Büros der Grenzbeamten hat uns dann das wahre Leben schnell wieder: Wir werden umzingelt von Geldwechslern. Der Wechselkurs wird feilschend festgelegt. Für uns eine praktische Sache, kommen wir doch einfach und bequem immer schnell an die Landeswährung heran – zwar nicht zu den besten Kursen, dafür aber mit einem hohen Unterhaltungswert. 13 Velotipps Panamericana Anchorage Ausrüstung / Fahrräder: Wir haben uns für wenig, dafür aber qualitativ hochwertiges Material entschieden. Unsere Räder, stabile 26-Zoll-Tourenräder mit Stahlrahmen und Nabenschaltung, haben uns auf der gesamten Tour nicht im Stich gelassen. Das A und O sind regenfeste Gepäcktaschen von Ortlieb. Wir hatten Brooks-Ledersättel, die im Laufe der Zeit fast Wohnzimmersessel-Qualitäten bekommen haben. Den Kocher MSR Whisperlite 600 haben wir gewählt, weil er auch mit Benzin funktioniert, was gerade in Gegenden wie Zentral- und Südamerika wichtig ist. Nicht fehlen sollte ein Wasserfilter. Die Campingausrüstung bestand aus einem Zelt mit zwei Eingängen, Isomatten und Daunenschlafsäcken. Weitere Infos unter www.pan-america.de/Idee und Vorbereitung – Die Packliste. Karten / Bücher: In Nordamerika findet man gutes Infomaterial in den Visitor Centers der jeweiligen Orte. Ab Zentralamerika sollte man die Karten schon zuhause organisieren und sich dann nachschicken lassen. Wenn es um Übernachtungsmöglichkeiten ging, half uns der Lonely Planet immer weiter. Versicherungen / Visa / Geld / Bürokratie: Eine Auslandskrankenversicherung ist unverzichtbar. Wichtig ist es, auf die Laufzeit und auf die Länder zu achten. Ein Visum benötigten wir nur für die USA. Es ist nötig, eine Kreditkarte (Mastercard oder Visa) dabeizuhaben, denn sie wird bei Reservierungen, Automieten etc. als Garantie gebraucht. Sehr nützlich ist eine EC/Maestro-Karte. Schon in kleineren Städten kann man damit problemlos und wie zu Hause an Geldautomaten Bargeld abheben. Wie hoch das Budget einer langen Radreise ist, hängt vom Land und den persönlichen Vorlieben ab. Wenn man regelmässig zeltet, selbst kocht und nur wenige teure Extratouren macht, kommt man mit 20 Euro pro Tag und Person gut durch. Eine unverzichtbare Hilfe bei einer langen Radreise ist der «Manager» zu Hause. Er sollte Vollmachten bei Banken haben und unterzeichnungsberechtigt sein. Auch wenn die Post spärlicher eintrifft, so gibt es doch immer noch eine Menge zu tun. Reisezeit: Die Sommermonate sind genau die richtige Jahreszeit für Alaska, Kanada und die Staaten Washington und Oregon. Angenehme Temperaturen und wenig Regen sorgen für einen guten Start. Für Zentralamerika ist die beste Jahreszeit von November bis März, dann sind die Temperaturen einigermassen erträglich, und es ist Trockenzeit. Den Norden Südamerikas sollte man von Mai bis Oktober bereisen, den Süden Südamerikas (Patagonien) im dortigen Sommer, d.h. von Oktober bis März. Gesundheit: Vor der Abreise sollte man sich beim Hausarzt über nötige Impfungen erkundigen. Zudem ist es empfehlenswert, eine gute Reiseapotheke dabeizuhaben, um unabhängig zu sein. Wichtig ist, dass man sich sowohl mit den Medikamenten als auch mit den möglichen Krankheiten ein wenig auskennt. Sicherheit: Man sollte möglichst unauffällig und zurückhaltend auftreten, beim wilden Campen darauf achten, dass man von der Strasse aus nicht zu sehen ist, auf den Rat von Einheimischen hören und – wenn man überfallen wird – möglichst keine Gegenwehr leisten. Probleme kann man auch durch Tiere bekommen. Aber weniger durch die vermeintlich «gefährlichen» Exoten wie Schlangen, Skorpione oder Spinnen. Es sind in Nordamerika die Myriaden von Moskitos und in Lateinamerika die wild umherstreunenden Hunde, die einem das Leben schwer machen. Bei Letzteren hilft meist lautes Rufen oder das Aufheben eines Steines. Um von Autofahrern – besonders bei schlechtem Wetter – besser gesehen zu werden, haben wir uns leuchtfarbene Warnwesten gekauft. Internet und wichtige Adressen: www.eda.ch und www.auswaertiges-amt.de – aktuelle Länderinformationen des Auswärtigen Amtes. www.warmshowers.org – eine Organisation von Radlern für Radler. Nach der Registrierung hat man die Möglichkeit, weltweit eine heisse Dusche oder ein warmes Bett bei Gleichgesinnten zu bekommen. www.goethe.de – Goethe-Institute – wer unterwegs mal wieder deutsche Zeitungen und Zeitschriften lesen will. 14 GLOBETROTTER-MAGAZIN winter 2011 Prince Rupert Vancouver San Francisco Los Angeles Panama City Quito Cuzco La Paz Uyuni A L A S K A – F E U E RL A N D 2 2 0 0 0 K I LO M E T E R PE R V E LO Mendoza Puerto Montt Punta Arenas Ushuaia «Puente de las Américas». Ein paar Länder und einige hundert Kilometer weiter nähern wir uns einem vermeintlichen Höhepunkt: Wir sind kurz vor Panama-City und können sie schon von Weitem sehen – die «Puente de las Americas». Diese weltberühmte Brücke überspannt den Panama-Kanal und ist für uns die Grenze zwischen Nord- und Südamerika. Sie mit dem Fahrrad zu überqueren – ein bewegender Gedanke. Wir fahren auf die Brücke zu, Gänsehautfeeling stellt sich ein, nach 13 710 Kilometern stehen wir vor der Brücke. Doch unsere Stimmung wird jäh von zwei Polizisten zerstört – sie verwehren uns die Überfahrt. Ihre Begründung: Im Irak herrsche Krieg, Osama bin Laden sei omnipräsent und überhaupt seien unsere Packtaschen ideal geeignet, um Sprengsätze zu transportieren. Alle Überredungskünste helfen nichts – unsere Räder werden auf einen LKW verladen, und wir müssen die «Puente de las Americas» unwürdig auf der Ladebrücke des Trucks überqueren. Auf Wiedersehen Zentralamerika – willkommen Südamerika. Kolumbien wollen wir nicht mit dem Fahrrad bereisen. Zu widersprüchlich sind die Nachrichten zur Sicherheitslage in den Medien. Ausserdem hängen wir unserem Zeitplan ein wenig hinterher. Um auch Südamerika ohne Hetze bereisen zu können, beschliessen wir schweren Herzens, von Panama auf dem Luftweg eine Abkürzung nach Ecuador zu nehmen. Aus dem Flugzeug erblicken wir die hohen Vulkane und die zerklüftete Landschaft der Anden. Uns rutscht das Herz in die Hose. Ein gan- veloreise sind es ein paar Vögel, mal ein Fisch und immer wieder eine grosse Schale Chicha, das Nationalgetränk. Es wird aus der Yucca-Pflanze gewonnen. Das von Frauen zerkaute Fruchtfleisch beginnt zusammen mit ihrem Speichel zu fermentieren. Nach zwei bis drei Tagen wird die klebrige Masse mit Wasser verdünnt und kann dann getrunken werden. Es schmeckt wie säuerlicher Joghurt – doch mit dem Wissen, wie das Gebräu entstanden ist, trinken wir nur ein paar wenige Schlucke. Zurück in den Radleralltag. Wie bereits Puente de las Américas. Brücke über den legendären Panamakanal (oben). Indigenas. Begegnung auf dem peruanischen Altiplano (Mitte). Im Dschungel Ecuadors. Zu Besuch bei den Huaorani-Indianern (rechts unten). sichtbar nervös, ist doch die angesteuerte Landebahn – eine Wiese – nach den starken Regenfällen aufgeweicht und mit vielen Pfützen durchsetzt. Aber die Landung verläuft gut. Als unsere Maschine zum Stehen kommt, schart sich die ganze Dorfbevölkerung darum herum. zer Kontinent liegt vor uns. Die meiste Zeit Gegenseitig beobachten wir uns neugierig. werden wir wohl über Gebirgsstrassen fahren. Die Huaorani sind eine indigene Volksgruppe, die in den Regenwäldern des AmazoDas könnte anstrengend werden. nasbeckens angesiedelt ist. Sie waren einst die Abstecher in den Dschungel. Nach ein paar gefährlichsten Indianer am Oberlauf des Amazonas. Für sie galt jeder Fremde als Feind. Tagen der Akklimatisation fahren wir in QuiHeute sind sie friedlich und freundlich, wir to los, doch will die Lust aufs Radfahren einwerden jedenfalls nicht mit Speeren empfanfach nicht richtig aufkommen. Eigentlich gen. Die Dorfbewohner leben in Pfahlbauten, sollten wir mal wieder «Strecke machen». An die mit Palmwedeln oder einem Blechdach beeiner Kreuzung – links geht es in Richtung deckt sind. Wir dürfen unser Zelt in der kleiAmazonasbecken in den Regenwald, rechts nen Küchenhütte des jungen Dorflehrers Froiweiter auf der Panamericana – entschliessen lan aufstellen. wir uns kurzerhand gegen die Panamericana. Am nächsten Tag lernen wir Dayumae kenIn Baños, einem der letzten touristischen Orte nen. Sie ist um 1930 geboren – so genau weiss vor dem Dschungel, organisieren wir einen das allerdings niemand – und ist somit nicht Guide. Wir möchten zu den Huaorani-Indianur die Dorfälteste, sondern nern, von denen wir schon viel auch weibliches Oberhaupt gehört haben. Der Guide bedes Stammes. Sie kommt mit sorgt uns die notwendigen GeAn einer ihrem Mann Komi zu Besuch. nehmigungen der Verwaltung, Komi schaut sich neugierig Kreuzung ohne die wir den Ort nicht beunser Zelt an. «Zehn Speere suchen könnten. entscheiden In Shell – einem Ort, der gebe ich euch, wenn ihr mir nur von Missionaren und der das dalässt». Wir lehnen danwir uns Ölgesellschaft genutzt wird – kend ab, schliesslich brauchen gegen die chartern wir ein Flugzeug. Am wir unser mobiles Zuhause nächsten Morgen um zehn Uhr noch eine Weile. Als GastgePanamerisoll es losgehen, doch das Wetschenke haben wir jedoch cana und ter macht uns einen Strich Brot mitgebracht. durch die Rechnung. Es regnet Nach dem Frühstück brefahren in Toñampare, unserem Zielort. chen wir mit den beiden auf Richtung Eigentlich kein Wunder, das und fahren in einem schwanDorf liegt ja mitten im Regenkenden Einbaum zu einem Amazonas. wald. Stunde um Stunde werabgelegenen kleinen Dorf. den wir vertröstet. Dann, um Von dort machen wir uns mit sechzehn Uhr, ist es plötzlich so weit. Wir steiDayumae auf, abgelegene Hütten aufzusuchen. Wir sind erstaunt, wie die alte, von Rückengen in die kleine Maschine und starten in den und Zahnschmerzen geplagte Frau durch den Dschungel. Unsere Nervosität steigt, als kurz nach dem dichten Dschungel marschiert. Sie nutzt die Start unter uns die letzten Strassen verschwinGelegenheit unseres Besuches, um Freunde, die sie lange nicht mehr gesehen hat, zu besuden und wir nichts weiter sehen als undurchdringlichen Regenwald. Auch unser Pilot ist chen. Überall bekommt sie Geschenke. Mal beim Hinflug müssen wir wieder lange auf unseren Rückflug warten. Die Landebahn steht erneut unter Wasser. Froilan, unser Gastgeber, saugt mit einem Schaumstoffschwamm mühsam das Wasser aus den Pfützen. Dann wird über Funk, der einzigen Verbindung zur Aussenwelt, der Flughafen in Shell kontaktiert und grünes Licht gegeben. Wie jedes Mal, wenn ein Flugzeug ankommt, ist die Spannung der Dorfbewohner gross, denn jede Maschine bringt dringend benötigten Nachschub. Schnell ist unser Gepäck verladen, und nach weniger als zehn Minuten hebt die kleine Maschine wieder ab und bringt uns zurück in die Zivilisation. Nun wird es aber wirklich Zeit, wieder in den Fahrradalltag zurückzukehren. Unsere Stimmung ist gemischt – so viel haben wir schon erlebt in den letzten Monaten –, wir sind satt von den vielen Eindrücken. Hoffentlich finden wir die Motivation bald wieder. Wie mechanisch setzen wir uns morgens auf unsere Bikes, doch wir kommen wegen der Topografie 15 Ecuadors kaum vorwärts. Endlich wieder vorwärtskommen, cruisen, die Unbeschwertheit des Unterwegsseins geniessen, das wärs mal wieder. Also entschliessen wir uns für die scheinbar einfachere Strecke. Wir biegen ab Richtung Pazifik, um durch die Küstenwüste Perus Richtung Süden zu fahren. Der Downhill von gut 3500 Metern bis auf Meereshöhe hinunter ist an einem Tag geschafft, die Grenze nach Peru schnell überquert. Mit jedem Kilometer wird die Gegend trockener und einsamer, doch die Ödnis und Einsamkeit reizt uns, wir fühlen uns wieder wohl auf unseren Rädern – zumindest im Moment. Denn noch spüren wir den starken Südwind nicht, der in der peruanischen Küstenwüste unentwegt nach Norden, also uns ins Gesicht bläst. Je weiter wir Richtung Süden kommen, desto stärker wird der Gegenwind. Vor Wind schützende Bäume oder Sträucher sucht man vergebens. Der Blick in unsere Karten verheisst nichts Gutes. Über tausend Kilometer Wüste liegen vor uns. 16 GLOBETROTTER-MAGAZIN winter 2011 Salar de Uyuni. Der flachste Zeltplatz (oben). Noch lassen wir uns nicht unterkriegen. Machu Picchu. Mystisches Peru (links unten). Wäre doch gelacht. Unser Plan: Vor SonnenaufIn Patagonien. Begegnung mit einem Gaucho, der perfekte Kegel des Vulkans Osorno, herzliche gang aufstehen, um vor Mittag die TageskilomeGastfreundschaft und Verkehrsstau auf Feuerland ter in den Beinen zu haben. Doch der Plan geht (rechts von oben nach unten). nicht auf. Zwar sind wir bei Tagesanbruch auf unseren Rädern, aber der Wind fängt täglich früher an zu blasen. Dann, irgendwann irDorf für Gesprächsstoff sorgten, muss man gendwo an einer gottverlassenen Stelle, habe ich hier in Cusco Einheimische schon fast suchen. genug. Ich bin fertig, mutlos, kraftlos. Der Wind Kein Wunder, liegt doch eine der grössten Seund die Aussicht auf einen langen, mühsamen henswürdigkeiten Südamerikas – Machu PicKampf haben mich zermürbt, Tränen kullern. chu – in Reichweite der Stadt. Man sagt, Machu Picchu rufe einen. Es ruft Ich habe das Gefühl, gebrochen zu werden und schäme mich vor meiner eigenen Ohnmacht. Es auch uns – und unsere Dollars. Und so stehen ist weniger die fehlende Kraft wir nach einer völlig überteuals vielmehr der Kopf. Mir fehlt erten Zugfahrt neben vielen die Perspektive, ich habe keine anderen Touristen morgens Mit neuer Motivation mehr. um sechs Uhr in der Anlage Motivation Nach einigen Tagen Ruheund bestaunen den Sonnenaufgang. Zwar hat Machu Picpause in einem schäbigen Hosteuern wir tel einer kleinen Stadt versuchu trotz der Massen an Besuchen wir es noch einmal. Wie den Altiplachern immer noch etwas Makleine Kinder belohnen wir gisches, aber uns zieht es zuno an. Die rück in die Einsamkeit, in die uns alle 50 Kilometer, fokusFreiheit des Radlerlebens. sieren nur auf die nächste Steigungen Durch das Überwinden Etappe. Tag für Tag arbeiten schaffen wir auf diese Weise die Küstenunserer Krise stellen die Steiwüste ab – und lassen sie am gungen hinauf auf den Altiwir locker. Ende hinter uns. Die bisher plano kein Problem mehr dar. Cuzco grösste Krise unserer Reise ist Schnell erreichen wir den höchsten Punkt unserer Reise, gemeistert. lockt. den 4338 Meter hohen AbraIm Hochland. Mit neuer MoLa-Raya-Pass, und rollen dann Richtung tiefblauen Titicacasee und weiter tivation wagen wir uns wieder hinauf ins nach La Paz in die Millionenmetropole BoliviHochland – Cuzco lockt. In der altehrwürens. Seit Ecuador haben unsere Räder viel ausdigen Stadt auf gut 3400 Metern Höhe beherrhalten müssen, und so gönnen wir ihnen einen schen heute nicht mehr die Inkas das StrassenRundum-Check und geniessen die Annehmbild, sondern unzählige Touristen. Während lichkeiten der Grossstadt. wir als Ausländer in der Wüste Perus in jedem veloreise Einmal auf dem Salar de Uyuni – der grösste Salzsee der Erde – radfahren, darauf freuen wir uns schon seit Wochen. Aber um dorthin zu gelangen, müssen wir erst einmal einen grossen Teil des bolivianischen Altiplanos durchqueren. Und dieses Gelände ist für Radfahrer anstrengend. Rund um grössere Ortschaften sind die Strassen gut geteert, doch ausserorts gehen sie schnell in staubige Pisten über. Trotz Rückenwind können wir teilweise nur zehn Stundenkilometer fahren. Wellblechpiste, so weit das Auge reicht. Wir müssen unsere Räder oft durch tiefen Sand schieben und zerren. Auch gibt es einige eiskalte Flüsse zu durchqueren: Schuhe und Socken ausziehen, Hosen hochkrempeln und die Bikes durchs kalte Nass schieben. Doch den Lohn für die Strapazen können wir schon aus weiter Distanz erblicken: Glitzernd weiss liegt er da, der Salar de Uyuni. Wir rollen raus auf die weisse Ebene. Bis zu 30 Meter dick ist die Salzschicht, die hart wie Beton und somit gut zu befahren ist. Ein unbeschreibliches Gefühl. Es knistert unter den Rädern. Wir sind froh, einen Kompass dabeizuhaben, denn in der Unendlichkeit des Salars kann man schnell die Orientierung verlieren. So gut wie der Kompass funktioniert auch das Thermometer. Fünf, vier, drei, zwei... kurz nach Sonnenuntergang fallen die Temperaturen schnell in eisige Tiefen. Nachts sind es minus 15 Grad. Das Würzen unseres Abendessens ist schnell erledigt: Einmal hinter uns greifen, und schon ist die Suppe versalzen. Eine Tüte Milch, die wir irgendwo in einem Laden ergattert haben, findet ihren Platz in einem unserer Schlafsäcke – ansonsten würde es zum Frühstück Milch am Stück geben. «Alles an» lautet die Devise, und so liegen wir mit allen Kleidern inklusive Regensachen in unseren Schlafsäcken. Morgens ist das Zelt innen wie aussen tiefgefroren. Am nächsten Tag erreichen wir den Ort Uyuni, eine kleine, windige Stadt am Rande des Salars. Und finden dort ein kulinarisches Paradies. Der grossen Liebe wegen ist der Amerikaner Chris nach Uyuni gezogen und backt nun die besten Pizzas Südamerikas –aber auch andere Leckereien. Schon bei der Einfahrt ins Städtchen riecht es nach Gebäck. Schokoladenkekse! Und was für welche: frisch aus dem Backofen – Bolivien ist ein schönes Land. Tagen fahren wir 70 Kilometer ohne eine einzige Kurve. Die eigentliche Magie der Pampa erleben wir nachts beim Blick aus dem Zelt. Schier unendlich viele Sterne leuchten am Firmament. Unsere Augen leuchten mit ihnen um die Wette. Es gibt Momente im Leben, in denen man denkt, alles richtig gemacht zu haben. Der Anblick des Sternenhimmels in Nordargentinien ist ein solcher Moment. All die Strapazen und Entbehrungen – vergessen. Auf der Höhe von Mendoza queren wir den Anden-Hauptkamm und radeln in den chilenischen Teil Patagoniens – die ersten 500 Kilometer davon auf der Autobahn. Hier geht dann unser Wetterglück den Bach runter. Der Süden Chiles ist eines der niederschlagsreichsten Gebiete der Erde. Schirme sind in Patagonien allerdings unbekannt – zu stark bläst der Wind. Stoisch ziehen sich die Bewohner ihre Kappen tief ins Gesicht, sie sind an Regen gewöhnt. Wir jedoch nicht. Unsere letzten Regentage auf dem Fahrrad liegen mehr als elf Monate zurück. Trotz Plastiktüten in den Schuhen und über unseren Handschuhen prüfen wir abends, ob uns keine Schwimmhäute gewachsen sind. Es ist Spätwinter, wir dürfen keine Wetterbesserung erwarten, und so entschliessen wir uns, mit einem Cargoschiff weiterzufahren, wo wir unser nasses Zelt gegen eine warme Kabine tauschen können. Vier Tage, um neue Energie zu tanken. In Puerto Natales besteigen wir wieder die Räder. Wir sind im Herzland Patagoniens angekommen, das Klima ist hier etwas gemässigter. Auf einem längeren Umweg besuchen wir die Höhepunkte Patagoniens, den Torres-delPaine-Nationalpark und den PeritoMoreno-Gletscher. Aber dann hält uns nichts mehr zurück – es zieht uns magisch Richtung Feuerland. Auch in Südamerika sind Begegnungen mit anderen Radfahrern besondere Highlights. Hier sind jedoch weniger von ihnen unterwegs als in Nordamerika. Man trifft eher Langzeitradelnde auf grosser Tour. Immer bleibt Zeit für ein Schwätzchen, egal wo man sich trifft. Evelyne aus der Schweiz haben wir in Mexiko kennengelernt und sind während der gesamten Tour regelmässig mit ihr in Kontakt geblieben – nicht nur per E-Mail, sondern auch per Radlerpost. Die funktioniert in Gegenden Patagonien und sein Wetter. Wenige Tage später erreichen wir die Grenze zu Argentinien. Gänsehaut-Feeling. Nicht nur wegen der Temperaturen knapp über null: Kurz hinter dem Grenzbaum steht zum ersten Mal ein Strassenschild «Ushuaia 5121 Kilometer». Das haut uns um. Nur noch gute 5000 Kilometer. Zwar ist es in etwa die gleiche Entfernung wie von Deutschland nach Pakistan – aber wir sehen uns trotzdem schon fast am Ziel unserer Reise. In der nordargentinischen Pampa fliegen die Kilometer nur so dahin. Kein Wunder, viel Abwechslung gibt es hier nicht. An manchen 17 veloreise 18 GLOBETROTTER-MAGAZIN winter 2011 Am Cerro Fitz Roy. Fahrräder gegen Wanderschuhe eingetauscht (links). Geschafft. Wenn die Panamericana eine Ziellinie hat, dann ist sie bei dieser Tafel am Hafen von Ushuaia (rechts). neigt sich, die Räder fangen an zu rollen. Erst langsam, dann immer schneller. Unsere Spannung steigt, die Landschaft fliegt nur so an uns vorbei. Dann, nach einer Kurve – wir können es kaum fassen –, steht das Ortsschild von Ushuaia vor uns. Einfach so, als sei es nichts Besonderes. Ein unglaubliches Gefühl. Wir halten sofort an und machen erste Fotos. Doch es zieht uns schnell weiter in die Stadt. Unten am Hafen steht die berühmte Tafel. Schon oft haben wir diese auf Bildern von anderen Reisenden gesehen, die die Panamericana per Rad, Motorrad oder Auto bereist haben. Wenn die Panamericana eine Ziellinie hat, dann hier. Aber so schnell kommen wir nicht dazu, unser Abschlussbild vor der Tafel zu schiessen. Eine grosse Reisegruppe steht herum. Wir erregen schnell ihre Aufmerksamkeit. Jemand fragt, wo wir herkommen. Wir erzählen, und das laute Staunen macht weitere Leute auf uns aufmerksam. Wir bekommen sogar Applaus. Ziemlich lange. Dann will jeder mit uns auf ein Foto. Schliesslich können wir unser Foto vor dem Schild machen – als krönenden Abschluss unserer Radreise. Auch wenn es nicht immer einfach war, wir oft geflucht und uns manchmal gefragt haben, was wir hier eigentlich machen – es war doch eine wunderschöne Zeit, als Nomade durch Nord- und Südamerika zu ziehen, sich den Wind um die Nase wehen zu lassen, den Sternenhimmel nachts zu bewundern, nach einem anstrengenden Radtag vor dem Zelt an einem knisternden Feuer zu sitzen, die Freiheit und das Gefühl, tun und lassen zu können, was wir wollten. Es gab Tränen unterwegs. Tränen des Glücks, aber auch Tränen der Verzweiflung. Und trotzdem. Wir werden es vermissen: das Einrasten der Radschuhe in die Pedale, der Geruch des Zeltes und der Geschmack eines lecker gekochten Abendessens auf dem Benzinkocher. Nach 22 064 Radkilometern macht sich ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit breit. [email protected] © Globetrotter Club, Bern mit geringer Strassendichte ganz gut. Man verliegt unser Ziel. Doch der Pass ist nicht der nimmt, dass ein anderer Radfahrer ein paar TaRede wert. Im Gegenteil: Er ist viel zu niedrig gesetappen vor oder hinter einem sein muss. und die Strecke viel zu kurz. Wie oft haben wir Dann schreibt man einen Brief und gibt diesen schon von Ushuaia geträumt, der Name klingt einem Autofahrer mit, der gerade in diese Gewie Musik in unseren Ohren. Wir sind zu Diagend fährt. In Patagonien verschicken wir so vorträgen gepilgert, haben in Reiseführern gedie Einladung zu Andreas Geburtstagsfest. Eischmökert, Bildbände gewälzt, sind mit den Fingern der Amerikakarte von nige Tage später sitzen wir geoben nach unten entlanggefahmeinsam mit Evelyne in Punta Plötzlich ren. Immer wieder sind wir in Arenas und feiern. Nach Tausenden von Kilometern auf den Gedanken an diesem Ort anbekommen Strassen Südamerikas mangelt gekommen. Ushuaia, das Ende der Welt. Jetzt, wo wir fast da wir starken es nicht an Gesprächsstoff. sind, realisieren wir, dass unRückenTierra del Fuego. Um Feuersere lange Reise bald zu Ende geht und haben es plötzlich land zu erreichen, müssen wir wind. Die nicht mehr ganz so eilig. in Punta Arenas die Fähre Räder rollen Wenige Kilometer vor der nehmen. Die Überfahrt über Stadt kommt uns eine Radfahwie von die berühmte Magellan-Strasrerin entgegen. Marijke aus se dauert nur etwa eine Stunalleine, Holland ist gerade gestartet de, dann sind wir auf der und überlegt, ob sie nach Ushuaia grössten Insel Südamerikas. Alaska rauffahren soll. Eine Die letzten Radetappen liegen entgegen. schöne Strecke hat sie da vor vor uns. sich. Wir rufen ihr «alles Gute» Immer wieder stossen wir auf riesige Schafherden. Es nach. dauert eine Weile, bis wir uns durch Tausende Plötzlich bekommen wir Rückenwind. Kräftigen Rückenwind – als ob uns eine unvon Vierbeinern durchgeklingelt haben. Jetzt im September, am Ende des Winters, haben die sichtbare Hand schieben würde. Die Strasse Tiere alle einen Termin beim Friseur, und das krause Winterfell kommt ab. Gauchos und Schafscherer, Männer mit wettergegerbten Gesichtern, haben Hochsaison und ziehen von Estancia zu Estancia. Und genau diese sind für uns eine gute Möglichkeit, an Trinkwasser heranzukommen und einen windgeschützten Übernachtungsplatz zu bekommen. So sitzen wir abends mit einigen wortkargen Gauchos rund um einen lodernden Ofen. Auf dem Tisch steht – welche Überraschung – ein grosser Teller Schaffleisch. Sind die grössten Teile von Feuerland flach PANAMERICANA wie ein platter Reifen, zeigt sich die Insel im Mit dem Fahrrad von Alaska Süden von ihrer spektakulären Seite. Gerade bis Feuerland so, als wolle sie uns auf unseren letzten 100 Kilometern noch etwas Besonderes bieten. Die Fotos von Andrea und Jörg Schuster Darwin-Kordillere, ein Ausläufer der Anden, Stürtz Verlag / Juni 2009 trennt Ushuaia vom Rest der Insel. Für uns gilt Gebunden; 128 Seiten; CHF 30.50 es, einen letzten Pass zu bezwingen, dahinter ISBN: 978-3-8003-1933-6 Weitere exklusive Reisereportagen lesen? Für 30 Franken pro Kalenderjahr liegt das Globetrotter-Magazin alle 3 Monate im Briefkasten. Mit spannenden Reise geschichten, Interviews, Essays, News, Tipps, Infos und einer Vielzahl von Privatannoncen (z.B. Reisepartnersuche, Auslandjobs etc.). Dazu gibts gratis die Globetrotter-Card mit attraktiven Rabatten aus der Welt des Reisens. 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