Professionelles Management von Stiftungen
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Professionelles Management von Stiftungen
Professionelles Management von Stiftungen GEMEINSCHAFTSDISSERTATION der Universität St. Gallen Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG) zur Erlangung der Würde eines Doktors der Wirtschaftswissenschaften vorgelegt von Niklas Lang aus Deutschland und Peppi Schnieper von Sempach (Luzern) Genehmigt auf Antrag der Herren Prof. Dr. Johannes Rüegg-Stürm und Prof. Dr. Peter Gomez Dissertation Nr. 3168 Difo-Druck GmbH, Bamberg 2006 II Die Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu nehmen. St. Gallen, den 17. Januar 2006 Der Rektor: Prof. Ernst Mohr, PhD Erklärung des Rektors III Erklärung des Rektors An der Universität St. Gallen besteht für Kandidaten der Wirtschaftswissenschaften unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, Gemeinschaftsdissertationen zu verfassen. Geeigneten Kandidaten soll damit die Gelegenheit geboten werden, in Teamarbeit grössere Forschungsprojekte durchzuführen, welche die Möglichkeiten eines einzelnen Forschers übersteigen. Der Beitrag jedes beteiligten Kandidaten muss dabei soweit möglich ersichtlich gemacht werden können und den Anforderungen einer Einzeldissertation entsprechen. Die Kommission für Dissertationen der Universität St. Gallen hat an ihrer Sitzung vom 17. Januar 2006 die vorliegende Arbeit von Herrn Niklas Lang und Herrn Peppi Schnieper als Gemeinschaftsdissertation gemäss Art. 14 der Promotionsordnung für das Doktorat der Wirtschaftswissenschaften vom 16. Mai 1994 angenommen. Ich erkläre hiermit, dass die obengenannten - Herr Niklas Lang und Herr Peppi Schnieper - damit die Anforderungen, welche die Universität St. Gallen bezüglich des Verfassens einer Dissertation stellt, vollumfänglich erfüllt haben und den Doktoranden mit Einzeldissertation in jeder Beziehung gleichgestellt sind. Nach erfolgter Promotion haben sie das Recht, den Titel des Doktors Wirtschaftswissenschaften der Universität St. Gallen zu führen. St. Gallen, 17. Januar 2006 UNIVERSITÄT ST. GALLEN Der Rektor: Prof. Ernst Mohr, PhD IV Erklärung des Rektors Geleitwort der Referenten V Geleitwort der Referenten Am 1.1.2006 sind in der Schweiz die neuen Bestimmungen zum revidierten Stiftungsrecht in Kraft getreten. Der Gesetzgeber versucht dabei, die Gründung von Stiftungen zu erleichtern, günstige Rahmenbedingungen für ein unternehmerisches Verhalten von Stiftungen im Sinne von „Social Entrepreneurship“ zu schaffen, aber auch Missbräuche zu unterbinden. Damit reflektiert diese Stiftungsrechtsrevision die zunehmende gesellschaftliche Bedeutung von Stiftungen. Im St. Galler Management-Ansatz bezieht sich Management traditionell nicht nur auf Unternehmungen, sondern im Sinne von Hans Ulrich generell auf zweckorientierte soziale Institutionen. Stiftungen sind solche zweckorientierten sozialen Institutionen, wobei die Festlegung des Zwecks einer Stiftung im Vergleich zu einer Unternehmung aus rechtlicher Sicht weit folgenreicher ist. Ein Blick in die Literatur zeigt allerdings, dass bis jetzt nur wenige Arbeiten zum Stiftungsmanagement vorliegen. Dies überrascht, da in einer Stiftung bisweilen sehr grosse Finanzvermögen zu bewirtschaften und für gemeinnützige Anliegen nutzbar zu machen sind. Diese stiefmütterliche Behandlung mag damit zusammenhängen, dass Stiftungen bis anhin noch weit mehr als Unternehmungen als rein private „Wertschöpfungsveranstaltungen“ betrachtet worden sind, obwohl die von der öffentlichen Hand zugestandene Steuerbegünstigung erheblich ist. Die wenigen vorliegenden Arbeiten zum Stiftungsmanagement greifen ausgewählte Einzelaspekte des Stiftungsmanagements auf. Sie sind meistens konzeptioneller Natur ohne systematischen empirischen Bezug und werden oft in Handbüchern und Kompendien publiziert, die höchstens ansatzweise eine integrierende Systematik aufweisen. Mit anderen Worten: Bis heute finden sich kaum Arbeiten, die aus einer Managementperspektive die Tätigkeit von Stiftungen umfassend untersucht haben. Diese Lücke bildet den Ausgangspunkt dieser Dissertation, die das Ziel verfolgt, einen hilfreichen Bezugsrahmen für ein wirkungsvolles integriertes Management von Stiftungen zu entwickeln. Geleitwort der Referenten VI Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine Gemeinschaftsdissertation, die von den beiden Autoren Niklas Lang und Peppi Schnieper verfasst worden ist. Die hohe Intransparenz des Stiftungssektors, die dementsprechend aufwendigen empirischen „Erschliessungsarbeiten“ zu diesem Sektor, der geringe theoretische Entwicklungsstand des Forschungsfelds, das anspruchsvolle Forschungsziel der empirisch gestützten Erarbeitung eines systematischen Bezugsrahmens für ein wirkungsvolles Stiftungsmanagement sowie die nahezu unüberwindlichen Schwierigkeiten bei einer sauberen Trennung und Zuordenbarkeit der einzelnen Forschungsaktivitäten auf die einzelnen Autoren rechtfertigen die Erstellung einer Gemeinschaftsdissertation. Die beiden Autoren Niklas Lang und Peppi Schnieper haben während des gesamten Forschungsprozesses in jeglicher Hinsicht (Systematik, Methodologie und empirische Arbeit, Literaturanalyse usw.) intensiv zusammengearbeitet. Die abschliessende Verantwortung der Autoren für die einzelnen Teile der Dissertation ist wie folgt aufgeteilt: Kapitel 1, 7 und 13: beide Autoren Kapitel 2 bis 6 und 8: Niklas Lang Kapitel 9 bis 12: Peppi Schnieper Es bleibt zu hoffen, dass die wertvollen Überlegungen der beiden Autoren vom Stiftungssektor wohlwollend aufgenommen werden und so der Stiftungspraxis viele nützliche Denkimpulse liefern können. im Februar 2006, Prof. Dr. Johannes Rüegg-Stürm Prof. Dr. Peter Gomez Danke! VII Danke! Im Laufe des Sommers 2002 wurden wir mit dem Thema "Stiftungsmanagement" konfrontiert. Wir, das sind Niklas Lang, der gerade sein erstes Doktorandensemester abschloss, und Peppi Schnieper, der damals mitten in den Prüfungsvorbereitungen für das Lizentiat stand. "Stiftungsmanagement", für drei Jahre extern finanziert durch die Gebert Rüf Stiftung, das waren die Eckdaten. Und nach gut drei Jahren, Ende 2005, konnten wir die vorliegende Dissertation einreichen. Eine Gemeinschaftsdissertation, das ist, neben dem Thema "Stiftungsmanagement", ebenfalls kein ausgesprochen "institutionalisiertes Thema" an der HSG - die zweite Besonderheit dieses Dissertationsprojekts. Beide Besonderheiten wären kaum zu bewältigen gewesen, ohne die Unterstützung zahlreicher Personen. An erster Stelle zu nennen sind unsere beiden Referenten, Prof. Dr. Johannes Rüegg-Stürm und Prof. Dr. Peter Gomez. Johannes Rüegg-Stürm hat in vorausschauender Weise das innovative Potential des Themas bereits bei der ersten Anfrage der Gebert Rüf Stiftung erkannt und die Gelegenheit "beim Schopf" gepackt. Während der gesamten Projektlaufzeit konnten wir immer auf seine Denkanstösse, seine Erfahrung bei empirischen Untersuchungen und seinen Rat in allen Forschungs- und manchen Lebenslagen zählen. Herzlichen Dank! Peter Gomez war für uns während der gesamten Zeit der Arbeit im Forschungsprojekt und an der Dissertation eine wichtige Referenz. Seine prägnanten und zielführenden Fragen haben uns immer wieder zu vertieftem Nachdenken und zur Reflexion angeregt. Er hat uns auch massgeblich unterstützt bei der Planung unseres Auslandaufenthaltes in den USA. Auch dafür ein herzliches Dankeschön. Sowohl Johannes Rüegg-Stürm als auch Peter Gomez haben uns darüber hinaus die Möglichkeit gegeben, als Assistenten am Institut für Betriebswirtschaft der Universität St. Gallen den zweiten Teil unseres Lebensunterhalts zu verdienen - sie haben uns jedoch möglichst viel Freiheit und "Freizeit" zum Forschen gelassen, was wir überaus geschätzt haben. Und beide haben uns vorbehaltlos, aber dennoch kritisch-konstruktiv unterstützt bei unserem nicht alltäglichen Vorhaben einer Gemeinschaftsdissertation. Durch die Hilfe zahlreicher weiterer Personen wurde das Gelingen der vorliegenden Gemeinschaftsdissertation ebenfalls wirksam unterstützt. Dazu zählen insbesondere unsere Interview- und Fallstudienpartner, ohne die wir den tiefen Einblick in die "black box" Stiftung als Basis unserer Ausführungen zum Stiftungsmanagement und insbesondere zur Entwicklung eines Foundation Excellence Cockpits nicht hätten erreichen können aber auch alle informellen Gespräche mit interessierten und interessanten Gesprächspartnern sind hier zu nennen. Eine weitere sehr fruchtbare Erfahrung konnten VIII Danke! wir im Frühjahr/Frühsommer 2005 machen, als wir die Gelegenheit hatten, zwei der profiliertesten US-amerikanischen Wissenschaftler zum Thema „Stiftungen und ihr Management“ zu besuchen. Auch ihnen beiden, die unseren Anliegen sehr viel Zeit gewidmet haben, gebührt unser aufrichtiger Dank: Prof. Helmut Anheier, PhD, vom Center for Civil Society der UCLA und Prof. Peter Frumkin, PhD, vom Hauser Center for Nonprofit Organizations der John F. Kennedy School of Government der Harvard University. All diese Aktivitäten wären nicht möglich gewesen ohne die bereits eingangs erwähnte grosszügige finanzielle Unterstützung der Gebert Rüf Stiftung. Daneben konnten wir auch auf die ideelle Unterstützung von Dr. Philipp Egger, Geschäftsführer der Gebert Rüf Stiftung und dem Vorstand von SwissFoundations zählen. Vielen Dank! Bedanken möchten wir uns auch bei allen Kolleginnen und Kollegen am IfB für wichtige Impulse, kritisches Feedback aber auch für Sport und Spass neben dem Forschen. Besonders hervorzuheben sind die zahlreichen Forschungskolloquien unseres Lehrstuhls, die immer wieder unser Reflexionsvermögen vor neue Herausforderungen stellten. Einen besonderen Dank verdient hat unser Kollege Harald Tuckermann, der uns diverse Berge rund um St. Gallen hoch- und runterhetzte - und uns darüber hinaus so kritisches wie hilfreiches Feedback sowohl zur Vorstudie als auch zur Dissertation gegeben hat. Der grösste Dank gebührt jedoch unseren Eltern für ihre vielseitige Unterstützung und dafür, dass Sie uns sowohl das Studium als auch die Promotion an der HSG ermöglicht haben. Herzlich danken möchten wir in diesem Zusammenhang besonders Danielle Deutsch und Angelika Lang, die sich intensiv - neben ihren beruflichen Tätigkeiten - der (Tipp- und Grammatik-) Fehlerkorrektur gewidmet haben, und Prof. Dr. Norbert Lang, der sowohl manche unserer Ideen aus sozialwissenschaftlicher Sicht kritisch hinterfragt als auch umfassendes sprachlich-stilistisches Feedback gegeben hat. Ruth und Josef Schnieper gebührt unser besonderer Dank dafür, dass sie uns für das Verfassen der Vorstudie und für das Schreiben der Dissertation ihr Ferienhaus im Tessin zur Verfügung gestellt haben. Dieses "Rückzugsgebiet" bot uns eine so entspannte wie motivierende Arbeitsatmosphäre. Vielen Dank Euch allen! Verzichten auf so manche zweisame Stunde mussten während der Dissertationszeit Kamolmanee Sawing mit Niklas Lang und Danielle Deutsch mit Peppi Schnieper. Thank you very much for your understanding and essential motivation! im Februar 2006, Niklas Lang und Peppi Schnieper Abstract IX Abstract Stiftungen als gemeinnützige Institutionen sehen sich vielfältigen Herausforderungen ausgesetzt. Spezifische organisationsinterne wie -externe Besonderheiten von Stiftungen machen das Management zu einer nicht-trivialen Aufgabe. In der vorliegenden Dissertation werden die Herausforderungen des Stiftungsmanagements identifiziert, analysiert und die zentralen, vernetzten Handlungsfelder strukturiert dargestellt und ausgestaltet. Als Ausgangspunkt dient dabei eine Analyse des Stiftungskontextes auf der Makroperspektive ("Stiftungslandschaft"). Basierend auf dem zu Grunde liegenden sozial-konstruktivistisches Wissenschaftsparadigma wird anschliessend der Mikrokontext von Stiftungen systematisch aufgearbeitet, um die Voraussetzungen, Wechselwirkungen und Zusammenhänge des Managements von Stiftungen zu erschliessen. Die umfassend angelegten qualitativen empirischen Untersuchungen umfassen dabei drei Stufen: 32 leitfadengestützten Experteninterviews und zwei explorative Fallstudien. Ein Expertenworkshop zur Diskussion und Reflexion erster Resultate bildet den Abschluss der empirischen Arbeiten. Die empirisch gewonnenen Erkenntnisse verdeutlichen, dass eine effektive und effiziente Stiftungsarbeit eine sorgfältige Kenntnis des Managementkontextes voraussetzt. Erst nach der Klärung der Beziehungen und Erwartungen aller Beteiligten ("Stakeholder") können entsprechende Schritte zur Professionalisierung des Managements unternommen werden, mit der Zielsetzung, die Prozesse und Praktiken von Stiftungen zu systematisieren und zu strukturieren. Das in dieser Arbeit entwickelte Foundation Excellence-Cockpit (FE-C) nimmt diesen Professionalisierungsgedanken auf und dient Stiftungsmanagern als Orientierungsrahmen für ein integriertes Management von Stiftungen. Das FE-C berücksichtigt dabei die spezifischen Charakteristika der Organisationsform "Stiftung" und wird damit den besonderen Managementherausforderungen von Stiftungen gerecht. In der weiteren Ausgestaltung des Cockpits wird ein detailliertes und systematisch vernetztes Aufgabenportfolio mit zahlreichen Handlungsoptionen ("best practices") angeboten. Ein umfangreicher Fragekatalog zur Selbstreflexion rundet das FE-C ab. Ziel des FE-C ist es, die Stiftungen dahingehend zu befähigen, vom zufälligen "Tue Gutes" zum strukturierten "Tue Wirksames" zu gelangen. Im Zentrum stehen dabei die Unterstützung zur systematischen Reflexion bisheriger "practices" und die Befähigung zur Formulierung geeigneter und anschlussfähiger Impulse zur professionellen Weiterentwicklung des Stiftungsmanagements. Inhaltsübersicht X Inhaltsübersicht Zur Reflexion I ........................................................................................................... 1 Teil A .......................................................................................................................... 2 1 Einleitung: Das Forschungsvorhaben - Ziele und Vorgehen ......................... 3 2 Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren ...................................... 11 3 Professionelles Stiftungsmanagement praktische und theoretische Relevanz ........................................................... 67 4 Wissenschaftstheoretische Grundannahmen ............................................. 109 5 Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden .................... 123 Teil B ...................................................................................................................... 155 6 Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen ......................................... 156 7 Management-Framework für Vergabestiftungen: Das Foundation Excellence-Cockpit (FE-C)................................................. 195 8 FE-C Grundkategorie 1: Die Umweltsphären............................................... 209 9 FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess....................................... 226 10 FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess ............................... 326 11 FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse ............................................ 382 12 FE-C Grundkategorie 5: Der Legitimierungsprozess .................................. 452 13 Fazit: Das Foundation Excellence-Cockpit (FE-C) Ready for Take-off?........................................................................................ 472 Zur Reflexion II ...................................................................................................... 483 Inhaltsverzeichnis XI Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis............................................................................................. XVI Abkürzungsverzeichnis............................................................................................ XIX Zur Reflexion I ...............................................................................................................1 Teil A ..............................................................................................................................2 1 Einleitung: Das Forschungsvorhaben - Ziele und Vorgehen .............................3 1.1 Forschungsziel und Positionierung der Dissertation ................................................................................4 1.2 Aufbau der Dissertation ..............................................................................................................................7 2 Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren ..........................................11 2.1 2.2 2.3 3 Hintergründe und Akteure im Non-Profit-Sektor..................................................................................12 2.1.1 Definition von Non-Profit-Organisationen....................................................................................14 2.1.2 Zahlen, Daten, Fakten der Non-Profit-Sektoren ausgewählter Länder..........................................17 2.1.3 Geburtsstunde der Non-Profit-Forschung......................................................................................20 2.1.4 Erklärungsansätze zur Existenz von Non-Profit-Organisationen ..................................................23 2.1.5 Non-Profit-Organisationen als Stütze der Gesellschaft .................................................................26 2.1.6 Stiftungen als zentrale Akteure im Non-Profit-Sektor...................................................................28 Überblick zu klassischen Stiftungen.........................................................................................................30 2.2.1 Definition klassischer Stiftungen...................................................................................................31 2.2.2 Historischer Hintergrund klassischer Stiftungen ...........................................................................34 2.2.3 Typologie klassischer Stiftungen...................................................................................................35 2.2.4 Stiftungssektor Schweiz.................................................................................................................41 Funktionen und Legitimationen klassischer Stiftungen.........................................................................47 2.3.1 Kritische Würdigung bestehender Funktionseinteilungen klassischer Stiftungen.........................50 2.3.2 Pluralismus und Ergänzung als Grundfunktionen und Legitimationsbasis klassischer Stiftungen ............................................54 2.3.3 Sozialer Wandel als Zielfunktion klassischer Stiftungen ..............................................................57 2.3.4 Innovation und Stabilisierung als technisch-konzeptionelle Funktionen klassischer Stiftungen...................................................59 Professionelles Stiftungsmanagement praktische und theoretische Relevanz ...............................................................67 3.1 Grundsätzliche Relevanz des Managements - das Managementverständnis .......................................69 3.2 Relevanz des Managements für Stiftungen .............................................................................................72 3.3 Herausforderungen des Stiftungsmanagements - eine erste Annäherung............................................75 3.3.1 Transparenz und Legitimierung.....................................................................................................78 3.3.2 Mission und Strategie ....................................................................................................................80 3.3.3 Effektivität und Effizienz...............................................................................................................81 3.3.4 Evaluation ......................................................................................................................................83 3.3.5 Zuständigkeitsregelungen, Verantwortlichkeiten und Aufbauorganisation...................................84 Exkurs: Aktivitäten internationaler Forschungseinrichtungen........................................................................85 XII Inhaltsverzeichnis 3.4 Ansatz 1: Durchgängigkeit durch eine General-Management-Perspektive .........................................88 3.5 Ansatz 2: Komplexitätsreduktion durch Managementmodelle.............................................................91 3.5.1 Ein Vergleich praxisorientierter Managementmodelle ..................................................................94 3.5.2 Das Freiburger Management-Modell für Nonprofit-Organisationen (FMM)................................96 3.5.3 Das Drucker Foundation Self-Assessment Tool............................................................................98 3.5.4 Das Quality Framework...............................................................................................................100 3.5.5 Der Grantmaking Tango ..............................................................................................................103 3.5.6 Das Philanthropic Prism ..............................................................................................................104 Leitfragen für die empirischen Untersuchungen ..................................................................................107 3.6 4 Wissenschaftstheoretische Grundannahmen .................................................109 4.1 Ein anwendungsorientiertes Wissenschaftsverständnis .......................................................................110 4.2 Ontologische und Epistemologische Grundannahmen.........................................................................111 4.3 Implikationen auf die Forschungsmethodologie ...................................................................................113 4.4 Organisationsverständnis........................................................................................................................116 5 Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden ........................123 5.1 Der beobachtungsleitende Bezugsrahmen von Foundation Excellence ..............................................124 5.2 Das Forschungsdesign Foundation Excellence ......................................................................................126 5.3 Experteninterviews ..................................................................................................................................129 5.3.1 Die Methode der Experteninterviews ..........................................................................................129 5.3.2 Anzahl und Auswahl der Interviewpartner..................................................................................130 5.3.3 Ablauf und Auswertung der Interviews.......................................................................................132 Explorative Fallstudien ...........................................................................................................................136 5.4.1 Die Methode der explorativen Fallstudien...................................................................................137 5.4.2 Anzahl und Auswahl der Fallstudien-Partner ..............................................................................138 5.4.3 Ablauf und Auswertung der Fallstudien......................................................................................142 Expertenworkshop...................................................................................................................................144 5.5.1 Die Methode beim Expertenworkshop ........................................................................................145 5.5.2 Anzahl und Auswahl der Experten für den Workshop ................................................................146 5.5.3 Ablauf und Auswertung des Expertenworkshops........................................................................147 Gütekriterien interpretativ-hermeneutischer Forschung ....................................................................148 5.4 5.5 5.6 Teil B ..........................................................................................................................155 6 Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen .............................................156 6.1 6.2 6.3 Organisationsspezifische Besonderheiten klassischer Stiftungen........................................................157 6.1.1 Messbarkeitsdefizit klassischer Stiftungen ..................................................................................162 6.1.2 Kontrolldefizit klassischer Stiftungen .........................................................................................165 Managementkontext in 5 Paradoxien ....................................................................................................171 6.2.1 Orientierungsparadox: Stifterzentrierung vs. Zweckorientierung ...............................................172 6.2.2 Missionsparadox: Einzelaktivitäten vs. Vernetzung....................................................................174 6.2.3 Kooperationsparadox: Einzelgänger vs. Co-Produzent ...............................................................176 6.2.4 Transparenzparadox: Privatveranstaltung vs. quasi-öffentliche Institution.................................179 6.2.5 Gestaltungsparadox: passive Verwaltung vs. aktive Gestaltung .................................................182 Stiftungstypisierung im Paradoxienradar .............................................................................................185 6.3.1 Stiftungstypus 1: "SMI-Unternehmen"........................................................................................190 6.3.2 Stiftungstypus 2: "Familienunternehmen" ...................................................................................191 6.3.3 Stiftungstypus 3: "Verein" ...........................................................................................................193 Inhaltsverzeichnis 7 XIII Management-Framework für Vergabestiftungen: Das Foundation Excellence-Cockpit (FE-C).....................................................195 7.1 Die Funktionslogik einer Vergabestiftung als Gerüst des Foundation Excellence-Cockpits (FE-C) ......................................................................200 7.2 Der Aufbau des Foundation Excellence-Cockpits (FE-C)....................................................................203 8 FE-C Grundkategorie 1: Die Umweltsphären...................................................209 8.1 Politische Faktoren ..................................................................................................................................210 8.2 Ökonomische Faktoren ...........................................................................................................................212 8.3 Sozio-kulturelle Faktoren........................................................................................................................213 8.4 Technologische Faktoren ........................................................................................................................215 8.5 Stifter ........................................................................................................................................................216 Exkurs: Gründungsleitfaden .............................................................................................................................221 9 FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess...........................................226 9.1 9.2 9.3 Stiftungspolitik .........................................................................................................................................228 9.1.1 Reflexion des Stifterwillens.........................................................................................................229 9.1.2 Entwicklung einer Mission ..........................................................................................................233 9.1.3 Spezifizierung der inhaltlichen Eckpfeiler...................................................................................239 9.1.4 Festlegungen zur Förder- und Anlagepolitik ...............................................................................247 9.1.5 Gestaltung der Aufbauorganisation .............................................................................................258 9.1.6 Festlegungen der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten .....................................................263 9.1.7 Formulierung von Arbeitsgrundsätzen und allgemeinen Werthaltungen ....................................276 9.1.8 Erarbeitung eines Code of Conducts und eines Leitbilds ............................................................285 Stiftungsstrategie .....................................................................................................................................288 9.2.1 Bestimmung zentraler Wirkungsfelder ........................................................................................290 9.2.2 Definition strategischer Gestaltungsalternativen .........................................................................299 9.2.3 Analyse notwendiger Fähigkeiten und Ressourcen .....................................................................305 9.2.4 Identifikation von Kooperationsfeldern und -partnern ................................................................310 9.2.5 Erstellung strategischer Projektportfolios und von Massnahmenplänen .....................................314 Eine illustrative Fallstudie zum Gestaltungsprozess ............................................................................319 9.3.1 Historischer Hintergrund .............................................................................................................319 9.3.2 Vorbereitungen und Ablauf des Gestaltungsprozesses................................................................320 9.3.3 Learnings .....................................................................................................................................325 10 FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess ...................................326 10.1 10.2 10.3 10.4 Projektakquisition ...................................................................................................................................330 10.1.1 Bestimmung der Akquisitionsform..............................................................................................331 10.1.2 Festlegung des Akquisitions- und Antragsbearbeitungsprozesses ..............................................335 Projektselektion .......................................................................................................................................341 10.2.1 Festlegung des Selektionsprozesses.............................................................................................342 10.2.2 Verfassung von Projektverträgen ................................................................................................352 Projektcoaching .......................................................................................................................................354 10.3.1 Bestimmung des Coachingansatzes .............................................................................................355 10.3.2 Bereitstellung benötigter Coachingressourcen ............................................................................359 Projektmonitoring ...................................................................................................................................360 10.4.1 Planung und Durchführung des finanziellen Projektmonitorings................................................363 10.4.2 Planung und Durchführung des inhaltlichen Projektmonitorings................................................365 Inhaltsverzeichnis XIV 10.5 10.6 Sicherung und Dissemination von Projektergebnissen ........................................................................372 10.5.1 Dokumentation der Projektergebnisse .........................................................................................374 10.5.2 Veröffentlichung der Projektergebnisse ......................................................................................375 Weiterführung und Replikation von Projekten ....................................................................................378 10.6.1 Prüfung von Anschlussprojekten.................................................................................................378 10.6.2 Replikation von Projekten ...........................................................................................................380 11 FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse ................................................382 11.1 11.2 11.3 11.4 11.5 Finanzmanagement..................................................................................................................................384 11.1.1 Festlegung der Vermögensausstattung und Grundsätze der Vermögensausschüttung ................385 11.1.2 Bewirtschaftung des Stiftungsvermögens....................................................................................390 11.1.3 Aufbau eines Rechnungswesens und Aufbereitung eines Jahresabschlusses..............................398 IT-Management .......................................................................................................................................409 11.2.1 Aufbau einer IT-Infrastruktur zur Unterstützung interner Abläufe .............................................409 11.2.2 Nutzung einer IT-Infrastruktur zur externen Information und Kommunikation .........................411 Kommunikationsmanagement................................................................................................................412 11.3.1 Erkennung der Bedeutung einer proaktiven Kommunikation .....................................................413 11.3.2 Konkretisierung der Anspruchs- und Zielgruppen der Kommunikation .....................................417 11.3.3 Festlegung relevanter Informationen und Identifikation geeigneter Kommunikationskanäle.....420 Kooperationsmanagement ......................................................................................................................427 11.4.1 Festlegung des Kooperationstypus ..............................................................................................428 11.4.2 Ausgestaltung der Kooperation und Sicherstellung des Funktionierens .....................................431 HR-Management......................................................................................................................................434 11.5.1 Festlegungen zur Personalgewinnung .........................................................................................435 11.5.2 Gestaltung der Personalbeurteilung .............................................................................................447 11.5.3 Festlegungen zur Personalhonorierung........................................................................................448 11.5.4 Weiterentwicklung der Stiftungsmitarbeiter................................................................................450 12 FE-C Grundkategorie 5: Der Legitimierungsprozess ......................................452 12.1 12.2 Evaluation.................................................................................................................................................455 12.1.1 Entwicklung eines Evaluationskonzepts (Stiftungsperformance)................................................457 12.1.2 Analyse der Evaluationsergebnisse (lernende Organisation).......................................................466 Accountability ..........................................................................................................................................469 13 Fazit: Das Foundation Excellence-Cockpit (FE-C) Ready for Take-off?............................................................................................472 13.1 Stiftungsmanagement im Wandel - Wandel des Stiftungsmanagements............................................475 13.2 Zukünftige Forschungsfelder - erste Annäherung an eine systematische Forschungsagenda..........476 13.2.1 Analyselevel "Organisation"........................................................................................................477 13.2.2 Analyselevel "Sektor"..................................................................................................................480 13.2.3 Analyselevel "Volkswirtschaft"...................................................................................................481 Zur Reflexion II ..........................................................................................................483 Literaturverzeichnis..................................................................................................484 Inhaltsverzeichnis XV Anhang A: Interview-Anfrage...................................................................................502 Anhang B: Interview-Übersicht................................................................................504 Anhang C: Interview-Leitfaden ................................................................................506 Anhang D: Kategorienschema zur Auswertung der Interviews............................509 Anhang E: Fallstudien-Partner ................................................................................510 Anhang F: Workshop-Anfrage .................................................................................514 Anhang G: Workshop-Konzeption ..........................................................................516 Anhang H: Workshop-Programm ............................................................................517 Anhang I: Portraits Prof. Frumkin und Prof. Anheier ............................................518 Anhang J: Musterurkunde........................................................................................520 Anhang K: Form 990 PF ...........................................................................................523 Anhang L: Bilanz-Beispiele......................................................................................539 Lebensläufe ...............................................................................................................542 XVI Abbildungsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Abbildung 1-1: Die Foundation Excellence-Brücke: "Aus der Praxis - für die Praxis" ............................................6 Abbildung 1-2: Der Aufbau der Dissertation, Teil A.................................................................................................9 Abbildung 1-3: Der Aufbau der Dissertation, Teil B...............................................................................................10 Abbildung 2-1: Wachstum der Anzahl Organisationen zwischen 1987 und 1997 (Weitzman et al. 2002).............17 Abbildung 2-2: Typologie von Non-Profit-Sektoren (angelehnt an Anheier 2005, S. 136) ....................................18 Abbildung 2-3: Forschungsagenda des NPO-Sektors (Anheier 2005a, S. 116) ......................................................23 Abbildung 2-4: Der Dritte Sektor als "Stütze" einer Gesellschaft: zwischen privatwirtschaftlichem und staatlichem Sektor....................................................................................................................27 Abbildung 2-5: Stiftungen als flankierende und treibende Kraft des Dritten Sektors .............................................30 Abbildung 2-6: Übersicht über klassische Stiftungstypen (in Anlehnung an Anheier 2001, S. 49 ff.) ...................36 Abbildung 2-7: Die Anzahl von Stiftungen in ausgewählten Ländern zum Ende der 1990er Jahre (in Anlehnung an Anheier 2000, Adloff 2002) ..............................................................................42 Abbildung 2-8: Exponentiell wachsender Stiftungssektor in der Schweiz (Rüegg-Stürm et al. 2004a, S. 87) .......44 Abbildung 2-9: Länderspezifische Grösse des Stiftungssektors (angelehnt an Anheier 2005a, S. 315) .................45 Abbildung 2-10: Ein Vergleich von Stiftungen in der Schweiz (CH), in Deutschland (DE) und in den USA..........46 Abbildung 2-11: Schweizer Stiftungen und ihre Tätigkeitsschwerpunkte (Rüegg-Stürm et al. 2004a, S. 88) ..........47 Abbildung 2-12: Die Funktionen von Stiftungen.......................................................................................................58 Abbildung 2-13: Vergabestiftungen als Innovatoren und Stabilisatoren ...................................................................64 Abbildung 3-1: Suchfelder Legitimierung und Transparenz: Leitfragen für die Empirie .......................................80 Abbildung 3-2: Suchfelder Mission und Strategie: Leitfragen für die Empirie .......................................................81 Abbildung 3-3: Suchfelder Effektivität und Effizienz: Leitfragen für die Empirie .................................................83 Abbildung 3-4: Suchfeld Evaluation: Leitfragen für die Empirie............................................................................84 Abbildung 3-5: Suchfelder Zuständigkeitsregelungen/Verantwortlichkeiten und Aufbauorganisation: Leitfragen für die Empirie ..............................................................................................................85 Abbildung 3-6: Aktivitäten internationaler Forschungseinrichtungen.....................................................................87 Abbildung 3-7: Bewertung des Freiburger Management Modell für Nonprofit-Organisationen (FMM) ...............98 Abbildung 3-8: Bewertung des Drucker Foundation Self-Assessment Tools (SAT) ............................................100 Abbildung 3-9: Eigenschaften von change-making trusts und gift-giving trust (vgl. Association of Charitable Foundations 2001, S. 11)............................................................101 Abbildung 3-10: Bewertung des Quality Frameworks (QF)....................................................................................102 Abbildungsverzeichnis XVII Abbildung 3-11: Bewertung des Grantmaking Tango (GT) ....................................................................................104 Abbildung 3-12: The Philanthropic Prism ...............................................................................................................106 Abbildung 3-13: Bewertung des Philantrhopic Prism (PP)......................................................................................106 Abbildung 3-14: Bewertung der Managementframeworks in der Übersicht ...........................................................107 Abbildung 5-1: Das Forschungsprojekt Foundation Excellence, 1. Phase ............................................................127 Abbildung 5-2: Das Forschungsprojekt Foundation Excellence, 2. Phase ............................................................128 Abbildung 5-3: Das Forschungsprojekt Foundation Excellence, 3. Phase ............................................................129 Abbildung 5-4: Auswahlkriterien für die Experteninterviews ...............................................................................131 Abbildung 5-5: Auswahlkriterien für die Fallstudien ............................................................................................141 Abbildung 5-6: Partnerstiftungen für die Fallstudien ............................................................................................142 Abbildung 5-7: Teilnehmer des Expertenworkshops.............................................................................................147 Abbildung 5-8: "Slicing up the organization" (nach Mintzberg 1979, S. 585)......................................................152 Abbildung 6-1: Unterscheidungsmerkmale von Stiftungen zu privat-, staatswirtschaftlichen und Non-Profit-Organisationen (in Erweiterung von Bumbacher 2000, S. 457 ff.) ...........................158 Abbildung 6-2: Die legalen und legitimen Aufsicht-"Organe" von Stiftungen .....................................................167 Abbildung 6-3: Stiftungskapital als Eigenkapital der Gesellschaft........................................................................170 Abbildung 6-4: Paradoxien-Radar zur Diagnose von Stiftungen und Entwicklungen von Stiftungstypen (Bewertung: höchste Ausprägung = 1, geringste Ausprägung = 6)..............................................188 Abbildung 6-5: Paradoxien-"Radar" der untersuchten Stiftungen: Gesamtdarstellung .........................................189 Abbildung 6-6: Paradoxien-"Radar" der untersuchten Stiftungen: Stiftungstyp "SMI-Unternehmen" .................191 Abbildung 6-7: Paradoxien-"Radar" der untersuchten Stiftungen: Stiftungstyp "Familienunternehmen" ............192 Abbildung 6-8: Paradoxien-"Radar" der untersuchten Stiftungen: Stiftungstyp "Verein" ....................................193 Abbildung 7-1: Stiftungsmanagement als Rekontextualisierung eines Management-Frameworks .......................198 Abbildung 7-2: Die generische Funktionslogik von Vergabestiftungen als Gerüst für das Foundation Excellence-Cockpit (FE-C).......................................................................................201 Abbildung 7-3: Das Foundation Excellence-Cockpit (FE-C)................................................................................204 Abbildung 7-4: Gerüst und Grundkategorien des Foundation Excellence-Cockpits (FE-C) ................................204 Abbildung 8-1: Die Umweltsphären einer Stiftung ...............................................................................................210 Abbildung 9-1: Der Gestaltungsprozess einer Stiftung mit den zwei Teilprozessen .............................................227 Abbildung 9-2: Zeitplan des Strategieprozesses der Northwest Area Foundation.................................................322 Abbildung 10-1: Der Wertschöpfungsprozess einer Stiftung mit den sechs Teilprozessen ....................................330 Abbildung 10-2: 4 generische Stiftung-Projektpartner-Beziehungen (nach Frumkin 2005, S. 348 ff.) ..................356 XVIII Abbildungsverzeichnis Abbildung 11-1: Die Supportprozesse einer Stiftung mit den fünf Teilprozessen ..................................................383 Abbildung 11-2: Die Bilanz und Bilanzposten einer Stiftung (in Anlehnung an Thomsen 2002) ..........................402 Abbildung 11-3: Betriebsrechnung einer Stiftung (in Anlehnung an Koeckstadt 1998) .........................................404 Abbildung 11-4: Soll-Ist-Profil notwendiger Fähigkeiten bei der Personalbedarfsermittlung einer Stiftung..........436 Abbildung 12-1: Der Legitimierungsprozess einer Stiftung basierend auf Evaluation und Accountability............454 Abbildung 12-2: Perspektiven der Stiftungsperformance und ihre Indikatoren ......................................................464 Abbildung 13-1: Skizze einer Forschungsagenda des Stiftungssektors (angelehnt an Anheier 2005a, S. 116) ......476 Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Abs. Absatz/Abschnitt ACF Association of Charitable Foundations AG Aktiengesellschaft AME Academy of Management Executive AMJ Academy of Management Journal AMR Academy of Management Review AOM Academy of Management ARNOVA Association for Research on Nonprofit and Voluntary Action Art. Artikel ASQ Administrative Science Quarterly BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGE Bundesgerichtsentscheid BSP Bruttosozialprodukt BVG Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen-und Invalidenvorsorge (SR 831.40) BWL Betriebswirtschaftslehre bzw. beziehungsweise ca. circa CEO Chief Executive Officer CH Confoederatio Helvetica CHF Schweizer Franken CMS Christoph Merian Stiftung COF Council on Foundations CV Curriculum Vitae DAX Deutscher Aktienindex DE Deutschland DeGEval Gesellschaft für Evaluation e. V. d. h. Das heisst DBW Die Betriebswirtschaft DNS Desoxyribonukleinsäure Dr. Doktor EBITDA Earnings before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization XIX Abkürzungsverzeichnis XX EDI Eidgenössisches Departement des Innern EDV Elektronische Datenverarbeitung EFC European Foundation Center e. V. eingetragener Verein et al. et alii etc. et cetera ETH Eidgenössische Technische Hochschule Zürich EU Europäische Union EUR Euro f. folgende FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung FE Foundation Excellence FE-C Foundation Excellence-Cockpit ff. fortfolgende FMM Freiburger Management Modell GB Great Britain GBP Great Britain Pound GF Geschäftsführung ggf. gegebenenfalls GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GRS Gebert Rüf Stiftung GT Grantmaking Tango HBR Harvard Business Review HR Human Resource i. d. R. in der Regel i. G. in Gründung IKT Informations- und Kommunikationstechnologien i. S. im Sinne ISPN International Strategic Philanthropy Network ISTR International Society for Third Sector Research IT Informationstechnologie Jg. Jahrgang Kap. Kapitel NYRAG New York Regional Association of Grantmakers Mio. Millionen Abkürzungsverzeichnis Mrd. Milliarden MS Management Science NGO Non-Governmental Organisation NPO Non-Profit-Organisation(en) Nr. Nummer NVSQ Nonprofit and Voluntary Sector Quarterly NZZ Neue Zürcher Zeitung No. Number OECD Organisation for Economic Co-operation and Development o. Ä. oder Ähnlich o. g. oben genannte(n) o. J. ohne Jahr OR Obligationenrecht (SR 22) OSc Organisation Science OSt Organisation Studies PF Private Foundation PP Philanthropic Prism PPP Public Private Partnership Prof. Professor QF Quality Framework RA Rechtsanwalt R&D Research & Development resp. respektive ROE Return on Equity ROI Return on Investment S. Seite(n) SAT Self Assessment Tool SMI Swiss Market Index SMJ Strategic Management Journal s. o. Siehe oben sog. sogenannte(r) SR Stiftungsrat s. u. siehe unten u. a. unter anderem/ unter anderen UCLA University of California Los Angeles XXI Abkürzungsverzeichnis XXII UNICEF United Nations International Children's Emergency Fund US United States USA United States of America USD United States Dollar usw. und so weiter u. U. unter Umständen v. a. vor allem vgl. vergleiche Vol. Volume vs. versus VWL Volkswirtschaftslehre WHO World Health Organization z. B. zum Beispiel ZGB Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 (SR 210) zit. zitiert z. T. zum Teil Zur Reflexion I 1 Zur Reflexion I Aus: Neue Zürcher Zeitung, 28. November 2003, Nr. 277, S. 43 Der Fluch der guten Tat Ein Danaergeschenk an die Dichtung? köh. Vor genau einem Jahr über- direktor Stephen Young, "und wir waren raschte die 88-jährige Ruth Lilly die darin immer gut. Jetzt ist plötzlich alles amerikanische Öffentlichkeit mit der kompliziert." Absicht, der kleinen - und bis dahin seines "Krisenmanagements" umfassen nahezu unbekannten - Literaturzeit- einen Katalog von Aktivitäten, zu denen schrift "Poetry" eine Spende in Höhe die Einstellung eines Chefredakteurs von 100 Millionen Dollar angedeihen (Jahresgehalt 65'000 Dollar), der Umzug zu lassen. Ruth Lilly ist Erbin eines vom Hinterzimmer einer Bibliothek in stattlichen Vermögens aus der pharma- eine moderne Büroetage und die Anhe- zeutischen Industrie und selbst Verfasse- bung des Zeilenhonorars von 2 Dollar rin von Gedichten. Diese waren aller- auf 6 Dollar gehört. Zudem wird an ei- dings vor Zeiten vom leitenden Redak- nem Programm gearbeitet, das der teur des Magazins abgelehnt worden. Dichtung in Büchereien, Schulen und Das hinderte die alte Dame nicht, die anderen öffentlichen Institutionen einen Zeitschrift mit ihrem Millionensegen zu festen Platz sichern soll. Indessen mel- beglücken. Seitdem kämpft das vor 90 den sich täglich Heerscharen von Not Jahren in Chicago gegründete Heft, in leidenden Dichtern, um an dem Geldse- dem so prominente Namen wie Ezra gen zu partizipieren. So haben die Her- Pound, Marianne Moore, T.S. Eliot oder ausgeber wohl manche Stunde damit John Ashberry vertreten waren, tapfer verbracht, über das geflügelte Wort gegen die Gefahr, in der Umarmung des "vom Fluch der guten Tat" nachzuden- Geldes zu ersticken. "90 Jahre lang wa- ken. ren wir Bettler", sagt der neue Stiftungs- Die Sofortmassnahmen 2 Teil A Teil A Einleitung: Das Forschungsvorhaben - Ziele und Vorgehen 3 "Meine Motivation ist die Suche nach der Perfektion, der Versuch, mich immer weiter zu verbessern, weiter zu lernen. Vielleicht kann man die absolute Perfektion nie erreichen, aber ihr so nahe wie möglich zu kommen, das ist das Ziel." Ayrton Senna da Silva, Formel-1-Rennfahrer (1960-1994) 1 Einleitung: Das Forschungsvorhaben - Ziele und Vorgehen Warum ist es überhaupt wichtig, mehr über Stiftungen zu wissen? Stiftungen - und Stifter - tun Gutes! Warum muss dann überhaupt hinterfragt werden, wie die gemeinnützige Stiftungsarbeit vollzogen wird? Ist das Forschungsprojekt Foundation Excellence lediglich eine reaktive Massnahme auf die in jüngerer Vergangenheit aufgetretenen Pressemeldungen über mehr oder weniger fragwürdige Vorfälle im Stiftungswesen? Oder sind die Motive für dieses Projekt eher in dem anerkennenswerten Anliegen zu suchen, den Stiftungssektor durch wissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema Stiftungsmanagement zur wirkungsvollen Umsetzung ihrer Funktionen in der Gesellschaft zu befähigen? Die zugrunde liegende Idee der Gebert Rüf Stiftung als Initiatorin und Financier dieses Forschungs- und Dissertationsprojekts sowie von SwissFoundations, dem Verein der Vergabestiftungen in der Schweiz als ideellem Partner, nimmt beide Aspekte auf. Durch die Thematisierung von Wirksamkeit und Professionalität der Stiftungsarbeit soll ein Selbstregulierungs- und Entwicklungsprozess innerhalb des (Schweizer) Stiftungssektors angestossen werden, um dadurch zu verhindern, dass der Gesetzgeber durch radikale Eingriffe - um die wenigen schwarzen Schafe "einzufangen" - die Gestaltungsräume von Einleitung: Das Forschungsvorhaben - Ziele und Vorgehen 4 allen Stiftungen massiv beschränkt.1 Die Stiftungen sollen dazu befähigt und dabei unterstützt werden, die sich bietenden Räume professionell auszugestalten und das den Stiftungen entgegengebrachte Vertrauen, z. B. über steuerliche Begünstigungen, anzuerkennen und sich verpflichtet fühlen, ihre gemeinnützige Mission auch wirklich zu erfüllen. "Das ist ein faires Geben und Nehmen zum Nutzen der Zivilgesellschaft" (Egger 2005, S. 9). "Die Suche nach Perfektion", wie es Senna im einleitenden Zitat ausdrückt, darf dabei nicht dahingehend missverstanden werden, die bisherige Stiftungsarbeit sei insgesamt unprofessionell oder wirkungslos. Im Zentrum stehen vielmehr die Formulierung anschlussfähiger Impulse zur Weiterentwicklung von Stiftungen und ihres Managements sowie die damit verbundene Unterstützung zur strukturierten Reflexion über bisherige "practices" des Stiftungsmanagements. Es geht darum, vom zufälligen "Tue Gutes" zum strukturierten "Tue Wirksames" zu gelangen. Doch gerade die organisationalen Besonderheiten einer Stiftung machen ihr Management zu einer nicht-trivialen Sache: Ein manifestes Messbarkeitsdefizit der Stiftungstätigkeit (z. B. Wie lässt sich "gute" Kulturförderung eindeutig messen?) sowie ein Kontrolldefizit von Stiftungen (z. B. Wer kontrolliert Stiftungen?) weisen auf zentrale Herausforderungen des Stiftungsmanagements hin. Foundation Excellence identifiziert und analysiert durch eine wissenschaftliche Vorgehensweise die Herausforderungen des Stiftungsmanagements und versucht, die zentralen, miteinander vernetzten Handlungsfelder hinsichtlich eines Managements für mehr Wirkung aufzuzeigen. 1.1 Forschungsziel und Positionierung der Dissertation Das Ziel des Forschungs- und Dissertationsprojekts Foundation Excellence ist die Entwicklung eines integrierten Managementframeworks für Stiftungen, das die spezifischen Charakteristika der Organisationsform "Stiftung" berücksichtigt und den 1 Dies wäre dem Stiftungsplatz Schweiz nicht zuträglich, denn die "Schweiz bietet Förderstiftungen ausgezeichnete Rahmenbedingungen. Zum einen ist hier eine alte Stiftungstradition lebendig, zum anderen steht spezialisiertes Fachwissen aus dem Finanzdienstleistungssektor zur Verfügung, zum dritten schliesslich erleichtert ein liberales Stiftungsrecht die Gründung und den Betrieb von Stiftungen", so Egger (2005, S. 9). Eine gegenteilige Entwicklung liess sich in den USA im Zuge des Tax Reform Acts von 1969 beobachten, als die Transparenzkriterien immens verschärft wurden, auf der anderen Seite dies aber unbeabsichtigte Folgen nach sich zog, z. B. Risikoaversion gegenüber innovativen Projekten (vgl. Frumkin 1997 und 1998). Einleitung: Das Forschungsvorhaben - Ziele und Vorgehen 5 besonderen Managementherausforderungen von Stiftungen gerecht wird. In seiner abschliessenden Aufbereitung entspricht das sog. Foundation Excellence-Cockpit (FEC) einem komplementären Teil des von SwissFoundations initiierten und soeben erschienenen Swiss Foundation Code (Hofstetter/Sprecher 2005). Das Cockpit nimmt die 22 Empfehlungen aus dem Code implizit auf und bietet ein detailliertes, systematisch vernetztes Aufgabenportfolio mit zahlreichen Handlungsoptionen (best practices) und einen umfangreichen Fragekatalog zur Selbstreflexion an. Das Ziel der Entwicklung eines Managementframeworks für Stiftungen lässt sich dabei weiter spezifizieren in die sechs Teilziele: 1. Beschreibung und Analyse des Managementkontexts von Stifungen 2. Beschreibung und Analyse der Managementherausforderungen von Stiftungen 3. Entwicklung eines generischen Managementframeworks für Stiftungen 4. Zusammenstellung eines Aufgabenportfolios des Stiftungsmanagements 5. Zusammenstellung eines Fragenkatalogs zur Selbstreflexion 6. Aufbereitung der wissenschaftlichen Ergebnisse in praxisgerechter Form Die drei erstgenannten Teilziele sind theoretischer Natur, während die Teilziele 4 - 6 in hohem Masse praxisorientiert im Sinne angewandter Wissenschaft sind und den Erwartungen der Gebert Rüf Stiftung als "Interessenvertreterin" der Praxis entsprechen.2 Als exploratives Forschungsprojekt mit stark anwendungsorientiertem Fokus liegt der Ursprung dieser Dissertation in den Handlungsanforderungen der Praxis, wie auch die Rückübertragung der Ergebnisse in die Praxis ein zentrales "Qualitätskriterium" der Arbeit darstellt (s. o. Forschungsziele). Der für die angewandte Wissenschaft charakteristische Brückenschlag zwischen Theorie und Praxis3 wird auch explizit als "Leitmotiv" ("Aus der Praxis - für die Praxis") dieses Forschungs- und Dissertationsprojekt festgelegt (vgl. Abbildung 1-1). Es werden nach Ulrich (1984, S. 171 f.) also Probleme praktisch 2 Die Gebert Rüf Stiftung finanziert in dankenswerter Weise das Forschungsprojekt Foundation Excellence am Institut für Betriebswirtschaft der Universität St. Gallen unter der Leitung von Prof. Dr. Johannes Rüegg-Stürm. Selbstverständlich gewährt die Stiftung den Wissenschaftlern jegliche Form "wissenschaftlicher Freiheit und Unabhängigkeit" und formuliert keinerlei Erwartungen inhaltlicher Art hinsichtlich der Forschungsergebnisse. 3 Oder wie Nicolai (2004) es bereits im Titel seines Beitrags formuliert: Der ‚trade-off’ zwischen ‚rigor’ und ‚relevance’ und seine Konsequenzen für die Managementwissenschaften. Einleitung: Das Forschungsvorhaben - Ziele und Vorgehen 6 handelnder Menschen ausgewählt, für deren Lösung (bisher) kein befriedigendes Wissen zur Verfügung steht. Wissenschaft ... theoretisch aufarbeiten ... 3 4 Entwicklung Managementframework Analyse Managementansätze Ausgestaltung Framework 2 6 Praxis Situationsanalyse Fragenkatalog 1 7 Inventaranalyse Praxis-Handbuch ... praxisorientiert zurückspielen Herausforderungen erfassen ... Praxis Abbildung 1-1: 5 Wissenschaft Praxis Die Foundation Excellence-Brücke: "Aus der Praxis - für die Praxis" Die Foundation Excellence-Brücke weist bereits auf die grobe "Taktung" des dreijährigen Forschungs- und Dissertationsprojektes hin (November 2002 bis November 2005), die im Forschungsdesign (vgl. Kap. 5.2) differenziert dargestellt wird. Zu Beginn erfolgt die Durchführung einer explorativen Studie zur Stiftungslandschaft Schweiz.4 Diese Inventaranalyse (1) stellt die Grundlage (Vorbereitungsphase) für die weiteren Forschungsarbeiten zur Entwicklung eines Managementframeworks für Stiftungen dar. In der Situationsanalyse (2) und der Analyse von Managementansätzen (3) werden Themen und Herausforderungen des Managements allgemein und der Stiftungsarbeit im Besonderen identifiziert. Die Resultate aus den ersten drei Schritten fliessen in die Entwicklung eines generischen Managementframeworks für Stiftungen ein (4). Im Anschluss an die grundsätzliche Entwicklungsarbeit erfolgt die Ausgestaltung des Frameworks durch die Erstellung eines Aufgabenportfolios zum Stiftungsmanagement inklusive dem Aufzeigen von Handlungsoptionen je Aufgabenfeld (5), der Zusammenstellung eines umfassenden Fragekatalogs zur Selbstreflexion (6) und Aufbereitung und Rückführung der Ergebnisse in die Praxis als Foundation Excellence-Cockpit (7), wobei 4 Auszüge daraus wurden in einem Buchbeitrag verarbeitet und auf der SwissFoundations Herbsttagung 2003 vorgestellt (vgl. Rüegg-Stürm et al. 2004a). Einleitung: Das Forschungsvorhaben - Ziele und Vorgehen 7 die Publikation dieser Arbeit in Form eines Praxis-Handbuchs als Anschlussprojekt an dieses Dissertationsprojekt erfolgt. Grundsätzlich ist das Forschungs- und Dissertationsprojekt im Bereich des General Managements positioniert. Dieses zeichnet sich u. a. durch seine Interdisziplinarität aus, d. h. durch Einbezug weiterer Forschungsdisziplinen, die daraufhin geprüft werden, welche Erkenntnisse sie zur Beantwortung aktueller und relevanter Fragen der jeweiligen Anwendungspraxis beitragen können. Da sich Stiftungen Herausforderungen stellen müssen, die in juristischen Rahmenbedingungen, im gesellschaftlichen Wertewandel, in demographischen und wirtschaftlichen Veränderungen begründet sind, meint das die Einbeziehung von Erkenntnissen z. B. aus der Ökonomie, der Rechtswissenschaft, der Soziologie oder der Psychologie. Das stark explorative Forschungsprojekt Foundation Excellence stellt das erste umfassende Projekt in der Schweiz zum Thema "Management von Stiftungen" dar. Im Rahmen dieser Dissertation kann deshalb kaum auf bereits bestehendes, strukturiertes Wissen zurückgegriffen werden, insbesondere was z. B. den Stiftungssektor Schweiz, aber auch was "Management" in Stiftungen allgemein betrifft (vgl. Kap. 3). Deshalb können die in den vergangenen drei Jahren im Projektverlauf identifizierten Fragen nicht alle in der notwendigen Tiefe analysiert und bearbeitet werden. Dies soll jedoch in Anschlussprojekten erfolgen (vgl. Kap. 13). Zudem weist bereits die o. g. Zielformulierung darauf hin, dass ein generischer Orientierungsrahmen entwickelt wird, der für nachfolgende Forschungsprojekte Ausgangs- wie Anknüpfungspunkt darstellen soll und zudem für etwaige Lehr- und Weiterbildungsangebote gleichermassen dienlich (Aus- /Weiterbildungsmodule) sein kann, vergleichbar mit dem neuen St. Galler ManagementModell (Rüegg-Stürm 2003) und seiner Verwendung in der Lehre der Universität St. Gallen (Dubs et al. 2004). 1.2 Aufbau der Dissertation Die Dissertation weist zwei Teile auf: Teil A umfasst die vorbereitenden Arbeiten wie die Analyse des Makrokontextes von Stiftungen (Sektorebene) sowie die Grundlagen für die empirischen Untersuchungen. Teil B besteht aus der Aufarbeitung des Management- 8 Einleitung: Das Forschungsvorhaben - Ziele und Vorgehen kontexts von Stiftungen sowie dem auf Basis der konzeptionellen Vorarbeiten und der empirischen Daten entwickelten Foundation Excllence-Cockpit (FE-C). Teil A: Nachdem Kapitel 1 eine kurze Übersicht der Ziele und des Aufbaus dieser Dissertation, sowie der "rationales behind" des Forschungsprojekts Foundation Excellence bietet, wird in Kapitel 2 der Makrokontext von Stiftungen analysiert und dargestellt. Ausgehend von einer allgemeinen Diskussion und der Verortung des Dritten Sektors in der Gesellschaft sowie der Diskussion über die spezifische Rolle von Stiftungen im Dritten Sektor, erfolgt eine genauere Betrachtung des Stiftungssektors (Historie, Typen) sowie der Funktionen und Legitimationen von Stiftungen. Diese Vorarbeiten sind notwendig, um das Management von Stiftungen - dem zentralen Fokus dieser Arbeit - besser verstehen zu können. Kapitel 3 thematisiert die Relevanz des Themas "Management" und "Management in Stiftungen". Dabei werden erste Ansätze des konzeptionellen Orientierungsrahmens der Durchführung und Auswertung der empirischen Untersuchungen vorgestellt und daraus abgeleitet Leitfragen für die nachfolgenden Felduntersuchungen formuliert. Kapitel 4 und 5 beschreiben den empirischen Forschungsprozess: die methodologischen Grundprämissen basierend auf den entsprechenden ontologischen und epistemologischen Grundannahmen (4) sowie der dazu entsprechenden und eingesetzten empirischen Methoden (5). Teil B: Kapitel 6 dient der Einführung in den Teil B der Dissertation dar. Nach dem Abschluss und der Auswertung der empirischen Daten bietet dieses Kapitel eine detaillierte Kontextbeschreibung des Stiftungsmanagements. Hierbei geht es nicht mehr um den Makrokontext, wie in Kapitel 2, sondern darum, detailliert und pointiert herauszuarbeiten, was beim Management von Stiftungen aufgrund organisationaler Besonderheiten und "kultureller" Paradoxien beachtet werden muss. Dieser "Zugang" zum "Phänomen Stiftungen" ist für die Reflexion und die Umsetzung der im weiteren Verlauf aufgearbeiteten Handlungsempfehlungen zur Professionalisierung des Stiftungsmanagements notwendig. In Kapitel 7 wird das entwickelte Foundation Excellence-Cockpit (FE-C) als Orientierungsrahmen (Gestaltungsmodell) zur Professionalisierung des Stiftungsmanagements vorgestellt und sein Aufbau erläutert. Entlang dieses Aufbaus sind die folgenden Kapitel 8 bis 12 strukturiert. Kapitel 8 beinhaltet die Betrachtung der Umweltsphären, derer sich das Stiftungsmanagement bewusst sein muss und auf die sich die zu treffenden Managemententscheidungen beziehen. In Kapitel 9 wird ausführlich der Gestal- Einleitung: Das Forschungsvorhaben - Ziele und Vorgehen 9 tungsprozess des Stiftungsmanagements dargelegt, nach Aufgaben gegliedert und mit zahlreichen Handlungsoptionen ausgestaltet. Ähnlich die Kapitel 10 und 11, die den Wertschöpfungsprozess (10) respektive die Supportprozesse (11) umfassen: Aufgabenbeschreibungen und Handlungsoptionen stehen im Mittelpunkt. Kapitel 12 thematisiert den Legitimierungsprozess (auf der Ebene der einzelnen Stiftung) und stellt den letzten Baustein des FE-C dar. Kapitel 13 schliesslich besteht aus einem kurzen Fazit zum FE-C sowie einem Ausblick in die zukünftige Stiftungsforschung. Die folgende Abbildung 1-2 (Teil A) und Abbildung 1-3 (Teil B) bieten einen grafisch strukturierten Überblick über den Aufbau der Dissertation. 1 Einleitung: Das Forschungsvorhaben und seine Ziele 2 Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 3 Professionelles Stiftungsmanagement – praktische und theoretische Relevanz 4 Wissenschaftstheoretische Grundannahmen 5 Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden Abbildung 1-2: Der Aufbau der Dissertation, Teil A Einleitung: Das Forschungsvorhaben - Ziele und Vorgehen 10 6 Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 7 Management-Framework für Vergabestiftungen: Das Foundation Excellence-Cockpit (FE-C) 8 FE-C Grundkategorie 1: Die Umweltsphären 9 FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 10 FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 11 FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 12 FE-C Grundkategorie 5: Der Legitimierungsprozess 13 Das Foundation Excellence-Cockpit (FE-C): Ready for Take-off? Abbildung 1-3: Der Aufbau der Dissertation, Teil B Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 11 "Es genügt nicht, nur fleissig zu sein - das sind die Ameisen. Die Frage ist vielmehr: Wofür sind wir fleissig?" Henry David Thoreau, amerik. Schriftsteller und Philosoph (1817-1882) 2 Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren Wie das Treiben "fleissiger Ameisen" erscheinen dem interessierten Beobachter die Aktivitäten im Stiftungssektor beim Lesen von Artikeln in Tageszeitungen unter Titeln wie "Deutsche Stiftungen als Stützen des Staates" (NZZ, Dienstag, 26. November 2002, Nr. 275, S. 5), "Das Aussergewöhnliche möglich machen" (FAZ, Samstag, 7. Dezember 2002, Nr. 285, S. 13) oder "Jeden Tag zwei neue Stiftungen" (FAZ, Montag, 20. Januar 2003, Nr. 13, S. 13). Die Fragen, die sich vielfach anschliessen, beziehen sich dann primär auf Themenbereiche der Funktion ("Was machen Stiftungen überhaupt?"), der Legitimation ("Wessen Geld ist das und wofür wird das Geld eingesetzt?"), der Rollen von Stiftungen ("Ist nicht Bosch auch eine Stiftung? Und Bertelsmann? Und das örtliche Museum?") sowie ganz allgemein der Transparenz ("Was erfahre ich eigentlich über die Arbeit von Stiftungen?"). Häufig wird die Vielfalt gesellschaftlicher Einrichtungen, zu der auch Stiftungen zählen, in drei Sektoren unterteilt, in einen 1.) privatwirtschaftlichen Sektor, einen 2.) staatlichen Sektor sowie in 3.) den Sektor der zivilgesellschaftlichen Organisationen (vgl. Salamon/Anheier 1997a und b, 1999; Priller/Zimmer 2001, Sachsse 2001, sowie die dort angegebene Literatur). Der sog. Dritte Sektor gewinnt dabei in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung - insbesondere durch eine immer grösser werdende "Lücke" zwi- Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 12 schen Staat und Privatwirtschaft. Diese Lücke wird hervorgerufen durch eine Konzentration der Privatwirtschaft auf Tätigkeitsbereiche mit hohen Gewinnerwartungen und den im Rahmen des "New Public Managements" formulierten Anforderungen an staatliche Organisationen. Zum bedeutender gewordenen Dritten Sektor gehören auch Stiftungen, die dafür prädestiniert sind, staatsbürgerliche Eigeninitiative zu mobilisieren. Sie verbinden Kapital mit der Wahrnehmung sozialer Verantwortung, wie Anheier (2000, S. 10 f.) betont. Er wertet das Stiften als Vertrauensbekundung in die Zukunft der Gesellschaft und betont, dass Stiftungen eine Option darstellen, "wie in den letzten Jahrzehnten angesammelte Vermögen umverteilt und an die folgenden Generationen weitergegeben werden können". Dieses Verständnis von Stiftungen soll überprüft werden durch eine Betrachtung des Non-Profit-Sektors sowie von Stiftungen als besondere Akteure in diesem Sektor. Der Aufbau des 2. Kapitels orientiert sich am Prinzip einer trichterförmigen Eingrenzung und Detaillierung des Stiftungssektors. Zuerst erfolgt eine Diskussion des Dritten Sektors im Allgemeinen und der Positionierung von Stiftungen innerhalb dieses Sektors im Besonderen. Daran schliesst sich eine detaillierte Betrachtung von klassischen Stiftungen an. Die verschiedenen Stiftungstypen zeigen die Diversität des Stiftungssektors auf. Der Fokus richtet sich dann auf "klassische Vergabestiftungen mit eigener Kapitalbasis", entsprechend der Ausrichtung dieser Arbeit.5 2.1 Hintergründe und Akteure im Non-Profit-Sektor Der Non-Profit-Sektor, bestehend aus privaten und freiwilligen Vereinigungen sowie Non-Profit-Organisationen (NPO), tritt in Form von Aktivitäten und Organisationen neben dem privatwirtschaftlichen und dem öffentlichen Sektor in Erscheinung. Obwohl man üblicherweise von drei Sektoren spricht, sind die sektoralen Abgrenzungen in praxi nicht trennscharf, sondern gehen oft fliessend ineinander über. So können Organisationen vom einen in den anderen Sektor übertreten, z. B. Spitäler, die vom Profit- in den 5 Für die Diskussion von Positionierung, Typen, Tätigkeitsbereiche und Funktionen von Stiftungen wird verstärkt auch auf eine internationale Literaturbasis Bezug genommen. Wo es angebracht erscheint bzw. die nationalen Besonderheiten stark zum Tragen kommen, wird Literatur zum Schweizer Stiftungswesen einbezogen oder es werden Primärquellen verarbeitet. So führte Foundation Excellence im Jahre 2003 eine Analyse der Stiftungslandschaft Schweiz durch. Auszüge daraus wurden in einem Buchbeitrag verarbeitet und auf der SwissFoundations Herbsttagung 2003 vorgestellt (vgl. Rüegg-Stürm et al. 2004a). Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 13 Non-Profit-Sektor wechseln und umgekehrt. NPO umfassen neben Dienstleistungsanbietern und Stiftungen z. B. auch Gewerkschaften, Berufsverbände, Konsumentenorganisationen, ethno-kulturelle Organisationen, religiöse Gemeinschaften, soziale Clubs oder Nachbarschaftsgruppen.6 Die Bedeutung des Sektors lässt sich auf lokaler, nationaler sowie internationaler Ebene verfolgen. Auf lokaler Ebene treten Non-Profit-Organisationen verstärkt ins Zentrum des öffentlichen Lebens, z. B. durch die Organisation oder Unterstützung von Selbsthilfegruppen. Die zunehmende Skepsis gegenüber dem Staat bezüglich dessen Fähigkeiten im Zusammenhang mit der allgemeinen Wohlfahrt, dem Gesundheitswesen, der Ausbildungsstruktur und der Bewältigung von Umweltproblemen haben dazu geführt, dass politische Meinungsführer Non-Profit-Organisationen - insbesondere auf nationaler Ebene - zunehmend als strategische Kraft7 und Partner zur Beschreitung eines Mittelweges zwischen reiner Marktorientierung und zentraler Staatsherrschaft sehen (vgl. Anheier 2005a, S. 38 ff.). Als weiterer Beleg für die Bedeutungszunahme des Dritten Sektors kann das grosse Wachstum von internationalen Non-Profit-Organisationen8 dienen (vgl. für den US-amerikanischen Sektor: Anheier 2005a, S.76, vergleichbare Entwicklung z. B. auch in Deutschland, vgl. Priller/Zimmer 2001). All diese Entwicklungen zeigen, dass NonProfit-Organisationen aktiv teilnehmen an der Transformation der Industriellen zur PostIndustriellen Gesellschaft. Non-Profit-Organisationen, als dritte institutionelle Kraft, vereinen somit einerseits Eigenschaften des öffentlichen Sektors, indem sie dem öffentlichen Nutzen dienen, und andererseits Eigenschaften des privatwirtschaftlichen Sektors, indem sie auf privater und freiwilliger Initiative basieren. 6 Eine ausführliche Übersicht über die grosse Varietät von Non-Profit-Entitäten bietet Anheier (2005). 7 In der Schweiz lässt sich in diesem Bereich z.B. die Stiftung Avenier Suisse (www.avenirsuisse.ch) aufführen. 8 International agierende Non-Profit-Organisationen sind auch unter der Bezeichnung Non-Governmental-Organisationen (NGO) bekannt. Sie engagieren sich v.a. im Bereich der ökonomischen und sozialen Entwicklung, typischerweise auf "grassroot" level, d. h. "vor Ort", nahe bei den eigentlich Bedürftigen und dort wo die Probleme auftauchen bzw. sich äussern (vgl. Anheier 2005, S. 39). Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 14 2.1.1 Definition von Non-Profit-Organisationen Die als "Non-Profit", "gemeinnützige", "wohltätige", "voluntary", "zivilgesellschaftliche", "philanthropische", "unabhängige" oder "Dritter Sektor" Organisationen bezeichnete Einheiten umfassen u. a. Einrichtungen wie Genossenschaften, Vereine, Verbände und Stiftungen.9 Charakteristische Gemeinsamkeiten dieser Organisationsformen sind im Sinne einer strukturell-operationalen Abgrenzung gemäss Salamon und Anheier (vgl. 1992, 1997a und b, 1999): der institutionelle Aufbau mit organisationalen Grenzen und Auftreten in der Öffentlichkeit die institutionelle Trennung vom Staat die Autonomie dieser Organisationen (Selbstverwaltung) die nicht Gewinn orientierte Steuerungslogik (es werden keine Gewinne an Eigentümer oder Manager ausbezahlt)10 die auf Freiwilligkeit beruhende Zusammenarbeit In Verbindung mit dem Begriff "Non-Profit-Organisationen" werden häufig auch Begriffe wie "civil society" (Zivilgesellschaft) und "social capital" (Sozialkapital) verwendet. Anheier et al. (2001) umschreiben civil society als die Summe von Ideen, Werten, Institutionen, Organisationen, Netzwerken und Individuen die zwischen der Familie, dem Staat und dem Markt agieren und in dem Menschen sich freiwillig vereinen, um gemeinsame Interessen zu verfolgen. Der Begriff Zivilgesellschaft wird somit definiert in Bezug auf die Rolle des Staates und des Marktes. Er bezeichnet die Selbstorganisation der Gesellschaft ausserhalb der staatlichen Einflussnahme und der Marktinteressen. Der NonProfit-Sektor stellt hierbei die organisationale Infrastruktur für die Zivilgesellschaft bereit. Das so geschaffene Sozialkapital ("social capital") und Vertrauen gelten als wichtige Voraussetzung für das Funktionieren einer modernen Gesellschaft. 9 Eine umfangreiche Abgrenzung des dritten Sektors mit den dazugehörigen Einrichtungen ist in Priller/Zimmer (2001) zu finden. 10 Non-Profit-Organisationen dürfen Überschüsse erwirtschaften, diese allerdings nicht an leitende Mitarbeiter oder allfällige "Eigner" (Gründer) auszahlen. Die Überschüsse müssen innerhalb des Zwecks der Organisation weiterverwendet werden (Reinvestitionen im Sinne des Satzungszwecks). Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 15 Unter social capital versteht Anheier eine individuelle Charakteristik, die sich auf die Summe von aktuellen und potentiellen Ressourcen bezieht, die mobilisiert werden können über die Mitgliedschaft in Organisationen und persönlichen Netzwerken. "Social capital captures the norms of reciprocity and trust that are embodied in networks of civic associations, many of them in the nonprofit field, and other form of socializing” (Anheier 2005a, S. 9). Nach Coleman (1990, S. 300 ff. - zit. in Anheier 2005a, S. 58) beruhen Wirtschaftswachstum und Demokratie auf dem Vorhandensein von Sozialkapital. Bis heute hat sich keine einheitliche Definition von Non-Profit-Organisationen durchgesetzt. Je nachdem vor welchem Hintergrund eine entsprechende Abgrenzung vorgenommen wird, unterscheiden sich die Definitionen. Die juristische (steuerrechtliche) Definition von Non-Profit-Organisationen umfasst in den USA all jene Institutionen, die unter die Tax Code Nummer 501 (c)(3)/(c)(4)11 fallen (Weitzman et al. 2002). Als Non-Profit-Organisationen in der Schweiz im Sinne von SWISS GAAP FER 2112 gelten Organisationen ungeachtet der Rechtsform, die gemeinnützige Leistungen unabhängig von einem Anspruch für Aussenstehende und/oder einer Mitgliedschaft erbringen und sich öffentlich an eine unbestimmte Zahl von Spendern wenden oder unentgeltliche Zuwendungen erhalten und/oder mit zweckbestimmten Geldern der öffentlichen Hand finanziert werden. Wichtiges Merkmal ist dabei, dass sich in aller Regel der Kreis der Leistungsempfänger vom Kreis der Leistungserbringer unterscheidet. Die funktionale Definition des Non-Profit-Sektors legt den Schwerpunkt auf den Zweck, den eine Organisation einnimmt. Non-Profit-Organisationen verfolgen ein öffentliches Interesse, das auf Gemeinwohl fokussiert ist (vgl. auch Sprecher/von Salis-Lütolf 1999, S. 104 f.). 11 "To be tax-exempt as an organization described in IRC Section 501(c)(3) of the Code, an organization must be organized and operated exclusively for one or more of the purposes set forth in IRC Section 501(c)(3) and none of the earnings of the organization may inure to any private shareholder or individual. In addition, it may not attempt to influence legislation as a substantial part of its activities and it may not participate at all in campaign activity for or against political candidates. The organizations described in IRC Section 501(c)(3) are commonly referred to under the general heading of "charitable organizations." Organizations described in IRC Section 501(c)(3), other than testing for public safety organizations, are eligible to receive tax-deductible contributions in accordance with IRC Section 170." (International Revenue Service (IRS), www. http://www.irs.gov/charities/charitable/article/0,,id=96099,00.html (12.09.2005). 12 Seit 1. Januar 2003 bestehende Rechnungslegungsnorm der Schweizer Fachkommission für Empfehlungen zur Rechnungslegung für gemeinnützige, soziale Nonprofit-Organisationen. Zielsetzung der Norm ist die Erhöhung der Aussagekraft und Vergleichbarkeit von Jahresrechung und Berichterstattung bei Nonprofit-Organisationen. Die Anwendung von SWISS GAAP FER 21 erfolgt auf freiwilliger Basis. Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 16 Für die ökonomische Definition von Non-Profit-Organisationen ist die Verwendungsstruktur das charakterisierende Element. Wichtig ist dabei, dass die Gewinne nicht an die Geldgeber ausgeschüttet werden dürfen. Basierend auf diesem Ansatz definieren die Vereinten Nationen folgendermassen: "Nonprofit institutions are legal or social entities created for the purpose of producing goods and services whose status does not permit them to be a source of income, profit, or other financial gain for the units that establish, control or finance them. In practise their productive activities are bound to generate either surpluses or deficits but any surpluses they happen to make cannot be appropriated by other institutional units.” (United Nations 1993, Paragraph 4.54) Die Vereinten Nationen (United Nations 2002, Paragraph 2.14) haben darauf aufbauend eine strukturell-operationale Definition entwickelt, die Elemente der obigen ökonomischen Definition berücksichtigt und als Arbeitsdefinition im Folgenden benutzt werden soll. Der Non-Profit-Sektor besteht somit aus Institutionen, die sich folgendermassen charakterisieren lassen: self-governing, i. S. von hoher Autonomie und Selbstkontrolle innerhalb eines vorgegebenen Rahmens not-for-profit und non-profit-distributing, i. S. eines Verbots der Ausschüttung von Überschüssen institutionally separate from government, i. S. einer strukturellen Unabhängigkeit vom Staat non-compulsory, i. S. einer Abwesenheit von z. B. Zwangsmitgliedschaften mission driven, in Erweiterung der OECD-Definition und im Sinne einer Verfolgung öffentlichen Interesses und Erbringung einer gemeinnützigen Leistung Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 2.1.2 17 Zahlen, Daten, Fakten der Non-Profit-Sektoren ausgewählter Länder Die Datenlage über den US-Non-Profit-Sektor war lange Zeit unsystematisch. Dieser Zustand änderte sich erst durch die Filer Commission13 in den siebziger Jahren. In den vergangenen Jahrzehnten hat der Non-Profit-Sektor ein signifikantes Wachstum bezüglich Anzahl, Beschäftigung und Umsatz erlebt (Weitzman et al. 2002). In der Zeitspanne von 1987 bis 1997 wuchs der Non-Profit-Sektor in den USA um 23.4% (vgl. Abbildung 2-1). Non-Profit sector 23.4 Business sector 26.4 Government sector 5.4 Total 26.2 0 5 10 15 20 25 30 sector growth in % Abbildung 2-1: Wachstum der Anzahl Organisationen zwischen 1987 und 1997 (Weitzman et al. 2002) Gemäss Anheier (2005a, S. 64) waren 1998 von den 28 Millionen existierenden Einrichtungen 93.8% privatwirtschaftliche, 0.3% staatswirtschaftliche und knapp 6% - ca. 1.6 Millionen - Non-Profit-Organisationen. Diese 1.6 Millionen Organisationen im NonProfit-Sector gliedern sich in ca. 400'000 "member serving institutions”, 96'300 "social and fraternal organizations”, 76'000 "business and professional associations”, 66'600 "labor unions”, 6'100 "political organizations”, 160'000 "mutuals and cooperatives” und 1'200'000 "public serving Institutionen” (davon 50'000 "foundations”, 352'000 "churches”, 655'000 "service providers”, 140'000 "political action agencies”) (Salamon 1999, S. 15 ff.). Das wirtschaftliche Gewicht und die zunehmende gesellschaftliche Bedeutung von NonProfit-Organisationen zeigt sich auch daran, dass dieser Sektor in den letzten Jahren eine Wachstumsdynamik aufweist, z. B. haben NPO relativ mehr Arbeitsstellen geschaffen als die Staats- und Privatwirtschaft. In den beim "The Johns Hopkins Comparative 13 Die Filer Commission war eine Kommission zur privaten Philanthropie und zu gesellschaftlichen Bedürfnissen in den USA von 1973 bis 1975 und wurde nach dessen Vorsitzenden John H. Filer benannt. Die Kommission erarbeitete die bisher aussagekräftigsten und detailliertesten Reports über die amerikanische Philanthropie. Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 18 Nonprofit Sector Project" untersuchten Ländern wuchs der NPO-Sektor in Bezug auf die Arbeitsmarktentwicklung zwischen 1990 und 1995 fast viermal schneller als die restliche Wirtschaft, wobei ein besonders starkes Wachstum in Westeuropa festzustellen ist (vgl. Salamon/Anheier 1999, Salamon 1993). Der Non-Profit-Sektor in den USA hat auch eine grosse arbeitsmarktpolitische Bedeutung: im Sektor sind rund 11 Mio. Arbeitnehmer beschäftigt - das entspricht 7.1% der totalen Beschäftigung in den USA. Die sektoralen Ausgaben inklusive Lohnkosten und operativen Ausgaben betragen Ende der 90-er Jahre gemäss Weitzman et al. (2002) annähernd USD 500 Mrd. Das entspricht 7% des gesamten nationalen Einkommens. Über die Hälfte (54%) der Einkommen von Non-Profit-Organisationen stammen von Gebühren und Verkäufen. 36% der Einkommen stammen vom Staat und nur gerade 10% - und somit der kleinste Teil - stammen von privaten Zuwendungen. Die 10% der privaten Mittel teilen sich auf in 77% von Individuen, 10% von Stiftungen, 5% von Unternehmen und 8% "bequests" (Salamon 1999, S. 15 ff.). Generell haben Studien des Johns Hopkins Projektes ergeben, dass Industrienationen tendenziell einen grösseren Non-Profit-Sektor vorweisen als Entwicklungs- und Transformationsländer (Anheier 2005a, S. 82). Gründe hierzu können folgende sein: tiefe Einkommen in den Entwicklungsländern, tiefe Ausgaben des Staates für Wohlfahrt, kleinere Mittelschichten sowie unterschiedliche Rollen von Religionen (vgl. hierzu Rose-Ackerman 1996, Anheier 2005a). Salamon und Anheier (1997a und b) haben hierzu eine Typologie von Non-Profit-Sektoren (vgl. Abbildung 2-2) nach der Höhe der staatlichen Sozialausgaben und relativen Grösse des Non-Profit-Sektors nach Beschäftigtenzahlen vorgenommen. Grösse des NonProfit-Sektors Staatliche Sozialausgaben Abbildung 2-2: Klein Gross gering hoch Etatistisches Modell Sozialdemokratisches Modell u. a. Japan, Entwicklungsländer u. a. Schweden, Norwegen, Finnland, Italien Liberales Modell Korporatistisches Modell u. a. USA, Grossbritannien u. a. Deutschland, Frankreich Typologie von Non-Profit-Sektoren (angelehnt an Anheier 2005a, S. 136) Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 19 Dabei stellt das Liberale Modell ein Zusammenwirken des Non-Profit-Sektors und des Sozialstaates dar, in dem der Staat vergleichsweise geringe Wohlfahrtsangebote bereitstellt und dadurch die Sozialausgaben niedrig sind. Der Non-Profit-Sektor dagegen ist breit gefächert und gross. Im Vergleich dazu stellt das Sozialdemokratische Modell das Gegenteil dar: hohe staatliche Sozialausgaben und staatlich bereitgestelltes Angebot treffen auf einen gering ausgebildeten Non-Profit-Sektor. Die beiden übrigen Modelle stellen einen Mittelweg dar, wobei für das Etatistische Modell sowohl ein kleiner Non-Profit-Sektor als auch gering ausgebaute soziale Sicherungssysteme des Staates zu Buche stehen, während das Korporatistische Modell einen gut ausgebauten Sozialstaat wie auch einen umfassenden Non-Profit-Sektor aufweist.14 Die quantitative Erfassung des Dritten Sektors in Deutschland ist nach wie vor relativ problematisch. Daten zu Non-Profit-Organisationen findet man nur partiell, d. h. zu einzelnen Bereichen und dazu noch verstreut in verschiedenen Statistiken und aus unterschiedlichen Quellen. Priller und Zimmer (2001) haben im Rahmen der deutschen Teilstudie des Johns Hopkins Comparative Nonprofit Sector Projects z. B. die Statistik der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, Statistiken der Bundesanstalt für Arbeit, der Berufsgenossenschaften, der Wohlfahrtsverbände, weitere spezielle Statistiken und eigene Erhebungen verarbeitet. Die Ergebnisse sind eindeutig: der "Dritte Sektor ist in Deutschland eine bedeutende Wirtschaftskraft" (Priller/Zimmer 2001, S. 15). Dies zeigt sich insbesondere auch am Anteil des Sektors im Jahre 2000 am Brutto-Inlandprodukt von 3.9% und am Beschäftigungsanteil in der Gesamtwirtschaft in Vollzeitäquivalenten im Jahre 1995 von 4.9%.15 Daraus ergibt sich auch ein beachtlicher Anteil der Bereitstellung wohlfahrtsrelevanter Güter durch den Dritten Sektor, wie Priller und Zimmer weiter ausführen und mit Zahlen belegen (2001, S. 19 f.): Insgesamt gab es im Jahre 1997 über 400´000 Organisationen im Dritten Sektor in denen gut 2.3 Mrd. Stunden (z. T. ehrenamtlich) geleistet wurden. Die Organisationen waren z. B. in den Bereichen "Kultur und Erholung", "Bildung und Forschung", "Soziale Dienste", "Bürger- und Verbraucherinteressen" und "Wirtschafts- und Berufsverbände" tätig. 14 Für eine umfassende Beschreibung der Modelle sowie Erklärungsansätze für diese oder jene Ausprägung des Non-ProfitSektors oder des Sozial- und Wohlfahrtsstaates auf Grund sozial-historischer Besonderheiten siehe Anheier (2005a, S. 135 ff.). 15 Das entspricht 1.4 Mio. Vollzeitarbeitsplätzen und einer signifikanten Steigerung des Anteils von 1.2 Prozentpunkten seit 1990. Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 20 Nach den Erhebungen im Rahmen des Johns Hopkins Comparative Nonprofit Sector Projects entspricht der Dritte Sektor in seiner Grösse etwa dem internationalen Durchschnitt, ist jedoch kleiner als in den USA und in einer Reihe europäischer Länder16 (vgl. Priller/Zimmer 2001, S. 20 f.). Für die Schweiz gibt es bisher keine umfassende Statistik zum Non-Profit-Sektor, vergleichbar mit den USA oder - in Ansätzen - in Deutschland. In dieser Arbeit wird davon ausgegangen, dass der Non-Profit-Sektor der Schweiz mit jenem von Deutschland Gemeinsamkeiten aufweist, auch wenn das Liberale Modell der USA wohl in Grundzügen ebenfalls erkennbar ist. Dennoch bietet diese kurze, vergleichende Übersicht Non-Profit-Sektoren in den USA und in Deutschland einen interessanten Einblick und eine Basis, um im Folgenden die Rollen und Funktionen des Non-Profit-Sektors allgemein und der Stiftungen im Besonderen besser verstehen zu können. 2.1.3 Geburtsstunde der Non-Profit-Forschung "The study of nonprofit or voluntary organizations is a fairly recent development in the history of the social sciences. What has become one of the most dynamic interdisciplinary fields of the social sciences today began to gather momentum less than two decades ago. At the same time, the field is rooted in different traditions and approaches that each seeks to come to terms with the complexity and vast variety of nonprofit organizations and related forms.” (Anheier 2005a, S. 3) Obwohl die Forschungsagenda von Non-Profit-Organisationen in den letzten Jahren grösseres Gewicht erlangt hat, ist das Verständnis über die Rollen und Funktionen dieser Institutionen nach wie vor stark limitiert. Wurden NPO in der Vergangenheit als "terra incognita of policymaking" (Anheier 2005a, S. 12) angesehen, rücken sie nun zusehends in den Fokus zentraler politischer Initiativen. Die politischen Debatten lösen jedoch unterschiedlichste Erwartungen aus und werden unweigerlich Einfluss haben auf die Zukunft von privaten Institutionen, die öffentliche Interessen verfolgen. Ähnlich verhält es sich mit dem Management von Non-Profit-Organisationen. Perrow (1986, S. 172 f.) beschreibt deren Management als irrelevant und deren organisationale Strukturen als trivial. Erst in letzter Zeit entwickelte sich ein gewisses Interesse daran, wie NPO geführt 16 Der Anteil der Beschäftigten des Non-Profit-Sektors an der Gesamtbeschäftigung (1995) war z. B. in den Niederlanden, Irland und Belgien mit jeweils deutlich über 10% höher als in Deutschland mit 4.9%. Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 21 und organisiert werden (sollen). Dieses Interesse wiederspiegelt sich auch in einem steigenden Informationsbedürnis nach Governance, Accountability und Impact. Die Forschungsagenda für den Non-Profit-Bereich wurde erst vor etwas mehr als zwei Jahrzehnten aufgestellt, als der in Kapitel 2.1.2 aufgezeigte Boom dieses Organisationstyps noch nicht absehbar war. Bis zu diesem Zeitpunkt zollte die sozialwissenschaftliche Forschung diesem Bereich keine grosse Beachtung. "Geburtsort" der systematischen Non-Profit-Forschung war die University of Yale in den frühen 1980-er Jahren. Eine Gruppe von Sozialwissenschaftlern begann die Rolle von NPO systematisch zu untersuchen. Ausgangspunkt dieser Forschungsbestrebungen war das Interesse an der aktuellen und zukünftigen Rolle der Philanthropie in der US-amerikanischen Gesellschaft (vgl. Anheier 2005a). Das Forschungsprogramm für Non-Profit-Organisationen in Yale war stark auf interdisziplinäre Forschung ausgerichtet, um NPO und deren spezifischen Kontext umfassend verstehen zu können. Anheier (2005a, S. 10 ff.) zeigt, dass bereits früher die Wichtigkeit von NPO und deren Erforschung von verschiedenen Autoren angedeutet wurde. So hat z. B. Alexis de Tocqueville (1985) die prominente Rolle der freiwilligen Vereinigungen bereits 1830 hervorgehoben, der Soziologe Max Weber (1924) die heute als NPO bezeichneten Institutionen als balancierende Kraft zwischen ideologischen Gedanken der religiösen und politischen Organisationen und den rationalen Ansätzen von privaten oder öffentlichen Einrichtungen erkannt oder Emile Durkheim (1933) die freiwilligen Vereinigungen als "social glue" der Gesellschaft hervorgehoben. Trotz dieser frühen Bemerkungen namhafter Sozialwissenschaftler ergab sich keine eigentliche, abgrenzbare Non-Profit-Sektor-Forschung. Die Ökonomen konzentrierten sich auf den Markt mit den privatwirtschaftlichen Akteuren, die Politikwissenschaftler auf den Staat und die öffentliche Verwaltung und die Soziologen auf soziale und ethnische Ungleichheiten wie auch auf Geschlechterforschung. Die vergleichende Sektorforschung von privatwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Organisationen wurde erst ab 1980 durch die Erforschung von zivilgesellschaftlichen Organisationen erweitert. Auslöser hierbei waren die Krise des Wohlfahrtstaates, das begrenzte Engagement des Staates für soziale Probleme, die politischen Herausforderungen des Neo-Liberalismus sowie das Ende des kalten Krieges. Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 22 Anheier (2005a, S. 12) konstatiert ein grösseres Interesse an Non-Profit-Organisationen aufgrund folgender sechs Aspekte: 1. deren wachsender ökonomischer Bedeutung in den Bereichen der sozialen Dienstleistungen, Gesundheitswesen, Ausbildung und Kultur 2. der grösseren überparteilichen und internationalen politischen Einflussnahme 3. der veränderten Rolle von NGOs als Teil der globalen Governance 4. der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien mit dem Effekt von tieferen Kommunikationskosten 5. der äusserst vorteilhaften ökonomischen Umstände in den Industrieländern 6. eines Wertewandels bezüglich Verantwortung und einer Expansion der Demokratie Bis heute haben sich die Forschungs- und Lehrprogramme stark ausgedehnt. Aktuell gibt es gemäss Anheier (2005a, S. 15 ff.) über 200 Lehrangebote im Bereich der Non-ProfitOrganisationen in den USA. Das Forschungsumfeld hat sich interdisziplinär entwickelt, obwohl die auslösenden Ansätze in den 80-er Jahren vorwiegend sozialwissenschaftlich - v. a. ökonomisch - geprägt waren. Die Forschung von Non-Profit-Organisationen wurde seit jeher sehr stark unter dem Blickwinkel der Institutionentheorie betrachtet. Dies ist insofern nicht erstaunlich, als dass Paul DiMaggio - einer der Vordenker der Institutionentheorie - eine treibende Kraft war beim Aufbau eines NPO-Forschungsprogramms an der Yale University.17 DiMaggio und Anheier (1990) haben in der Annual Review of Sociology eine Forschungslandkarte für den Non-Profit-Sektor aufgestellt und dabei drei grundlegende Fragen formuliert: 1. Wieso existieren Non-Profit-Organisationen überhaupt? 2. Wie verhalten sich Non-Profit-Organisationen und wie funktionieren sie? 3. Welchen Impact erzeugen Non-Profit-Organisationen ("making a difference")? 17 Dies wurde von Prof. Anheier in einem privaten Gespräch anlässlich des Forschungsaufenthaltes an der UCLA am 18. Mai 2005 so dargestellt. Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 23 Diese Fragen können sowohl auf organisationaler, industrieller (Branche) oder gesellschaftlicher Ebene gestellt werden (vgl. Abbildung 2-3). Level of analysis and focus Organisation Why is this organization nonprofit rather than forprofit or government? Organizational choice Field/Industry Why do we find specific compositions of nonprofit, forprofit, government firms in fields/industries? Fieldspecific division of labor Economy/Country Why do we find variations in the size and structure of the nonprofit sector cross-nationally? Sectoral division of labor How? How does this organization operate? How does it compare to other equivalent organizations? Organizational efficiency, etc.; management issues How do nonprofit organizations behave relative to other forms in the same field or industry? Comparative industry efficiency and related issues How does the nonprofit sector operate and what role does it play relative to other sectors? Comparative sector roles So what? What is the contribution of this organization relative to other forms? Distinct characteristics and impact of focal organization What is the relative contribution of nonprofit organizations in this field relative to other forms? Different contributions of forms in specific industries What does the nonprofit sector contribute relative to other sectors? Sector-specific contributions and impacts cross-nationally Basic question Why? Abbildung 2-3: Forschungsagenda des NPO-Sektors (Anheier 2005a, S. 116) Durch das verstärkte Forschungsinteresse an NPO in den letzten Jahren konnten zahlreiche Antworten auf die "why"-Fragen gegeben werden (vgl. Kap. 2.1.4). Die aktuelle Forschung konzentriert sich gemäss Anheier18 nun vor allem auf die "how" und "so what" Fragen, z. B. im Bereich "organizational behavior" und "impact". 2.1.4 Erklärungsansätze zur Existenz von Non-Profit-Organisationen Es wird versucht, die "why"-Fragen aus unterschiedlichen theoretischen Perspektiven zu beantworten - allen voran die Frage, warum manche Organisationen in einer Marktwirtschaft die Option wählen, ihr Residualeinkommen nicht als Gewinn auszuschütten. Die Grundfrage dabei ist, wieso es werthaltige Produkte gibt, die a) keinen Marktpreis haben und b) nicht über den Marktmechanismus ausgetauscht werden. Titmus (1973) sieht hierbei sechs zentrale Aspekte für dieses Marktversagen: 1. Informationsasymmetrie 2. fehlendes Vertrauen 18 Dies ist eine Einschätzung von Prof. Helmut Anheier anlässlich eines Forschungscolloquiums an der Universität St. Gallen zum Thema "Non-Profit-Forschung: Historie, Gegenwart und Zukunft" am 16. Juni 2005. Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 24 3. nicht internalisierbare Kosten 4. Transaktionskosten 5. limitierte Märkte 6. Limitationen von freiwilligen Systemen Von der Güterart her betrachtet gibt es einerseits die vollkommen privaten Güter, für die Eigentumsrechte angewendet werden können und andererseits vollkommen öffentliche Güter, die nicht mit derartigen Rechten versehen werden können. Die vollkommen öffentlichen Güter sind nicht ausschliessbar, d. h. Konsumenten können ohne aufwändige Massnahmen nicht vom Gebrauch ausgeschlossen werden (z. B. Zutritt zum öffentlichen Stadtpark) und unterliegen nicht der Rivalität, d. h. der Gebrauch der Güter reduziert nicht den Gebrauch dieses Gutes für einen anderen Nutzer (z. B. Flanieren im öffentlichen Stadtpark). Die reinen privaten Güter werden privatwirtschaftlich produziert und über den Marktpreis finanziert. Die reinen öffentlichen Güter werden vom Staat bereitgestellt und über Steuern und Abgaben finanziert. Quasi-öffentliche Güter, bei denen eine Ausschliessbarkeit möglich ist und Externalitäten bestehen, werden von NonProfit-Organisationen bereitgestellt, können in Einzelfällen allerdings auch von privatwirtschaftlichen oder staatlichen Organisationen produziert werden. Vor diesem Hintergrund lautet somit die zentrale Frage, wie die spezifischen Angebots- und Nachfragebedingungen sein müssen, damit die institutionelle Form einer Non-ProfitOrganisation gewählt wird.19 Die Public Good Theory mit dem Vordenker Burton Weisbrod (z. B. 1977, 1988) erklärt die Existenz von Non-Profit-Organisationen durch Nachfrageheterogenität und dem Median-Wähler. Hierbei versagen der Markt und der Staat nicht aufgrund von Informationsasymmetrien, sondern aufgrund der Eigenschaft des Gutes. Öffentliche resp. quasiöffentliche Güter werden nicht über den Markt gehandelt, da keine Exklusivitätsrechte einen möglichen Profit garantieren. Der Staat übernimmt nun die Erstellung solcher Güter und finanziert sie über Steuern. Bei Nachfrageheterogenität kann jedoch auch der Staat die Nachfrage nicht vollständig befriedigen, weil er sich grundsätzlich am MedianWähler orientiert (Mehrheitsprinzip). Gemäss der Public Goods Theory versuchen nun die Gewählten in einer Demokratie die Nachfrage der Median-Wähler nach öffentlichen 19 Für eine ausführliche Diskussion der verschiedenen Theorie-Ansätze zur Beantwortung der Existenz von Non-ProfitOrganisationen vgl. Anheier (2005a). Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 25 und quasi-öffentlichen Gütern zu befriedigen, um die Wiederwahlchancen zu erhöhen. Die unerfüllte Bedürfnisbefriedigung der Minderheiten kann deshalb nur durch Non-Profit-Organisationen erfolgen. Die Trust-related Theory geht ebenfalls von einer Unterversorgung von öffentlichen und quasi-öffentlichen Gütern durch den Staat für die Existenz von NPO aus. Diese Unterversorgung resultiert hier aber aus einer Informationsasymetrie. Der Staat verfügt entweder nicht über vollständige Informationen oder könnte sie nur über hohe Überwachungskosten gewinnen. For-Profit-Organisationen würden versuchen, aus einer Informationsasymmetrie einen Preisaufschlag durchzusetzen, weil sie über exklusive Informationen verfügen. Da Non-Profit-Organisationen Überschüsse nicht ausschütten dürfen und daher nicht opportunistisch handeln, sind sie nicht gezwungen, die Informationsasymmetrie auszunutzen und geniessen daher ein hohes Vertrauen. NPOs sind somit bei asymmetrischen Informationen für die Nachfrager eine vertrauenswürdige Alternative zu erwerbswirtschaftlichen Unternehmen (Hansmann 1987). Das Gewinnverteilungsverbot und der damit verbundene fehlende Leistungsanreiz kann jedoch zur Folge haben, dass Manager weniger effektiv und effizient arbeiten und die Wirkung daher geringer sein könnte. Die Entrepreneurship Theory versucht die Existenz von Non-Profit-Organisationen nicht über die Nachfrage sondern über das Angebot von Gütern zu erklären. Dahinter steht die Frage, was ein Individuum dazu motiviert, Dienstleistungen für Dritte trotz fehlenden Anreizes zur persönlichen Profitgenerierung - aufgrund des Gewinnverwendungsverbotes - anzubieten. Ein Entrepreneur - hier verstanden im Sinne von Schumpeter (1934) und Dees et al. (2001) - ist ein opportunitätsorientiertes Individuum, das eine Wertschöpfung durch innovative Kombination von Ressourcen erzielen will. Nach Dees et al. (2001) unterscheidet sich ein Social Entrepreneur von einem Entrepreneur durch das Schaffen von sozialen Werten anstatt von monetären oder ökonomischen Werten. Da bei einem Social Entrepreneur nicht das monetäre Wertschaffen im Vordergrund steht, sondern er eher missionsgetrieben ist, fördert er die Heterogenität (Pluralismus) und gilt somit als wichtiges Element in der modernen Gesellschaft. Die Supply-Theory versucht die Entstehung der Non-Profit-Organisationen ebenfalls über das Angebot von Gütern zu erklären. Hierbei werden Non-Profit-Organisationen mit dem primären Ziel gegründet, Überzeugungen, religiöse Auffassungen oder generell Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 26 normative Einstellungen zu verbreiten durch religiös, ethisch oder altruistisch motivierte Unternehmerpersönlichkeiten (Rose-Ackermann 1986, James 1990, Nährlich 1998). Der Anreiz zur Gründung einer Non-Profit-Organisation besteht somit in der individuellen Nutzenmaximierung des Initiators durch die Verbreitung seiner Ideologie, anstatt dem Anreiz nach monetärem Profit. Gegenwärtig zeichnet sich in der akademischen Diskussion kein "Favorit" ab, vielmehr werden alle Theorien und Erklärungsansätze beigezogen, um die Existenz von Non-Profit-Organisationen zu begründen. 2.1.5 Non-Profit-Organisationen als Stütze der Gesellschaft Die zentrale Rolle von Non-Profit-Organisationen lässt sich, zusätzlich zu ihrer mit Zahlen belegten Bedeutung (vgl. Kap. 2.1.2), auch durch zwei Tendenzen als Vermengung und Folge der oben dargelegten theoretisch-analytischen Überlegungen erklären: Rückzugstendenz der privatwirtschaftlichen Organisationen Rückzugstendenz der staatswirtschaftlichen Organisationen Bei den privatwirtschaftlichen Organisationen kann eine substantielle Veränderung der (Geschäfts-) Umwelt während des letzten Jahrzehntes (vgl. Makhija et al. 1997; Thomas 1996) und eine zunehmend finanzmarktorientierte Betrachtungsweise und Führung von Unternehmungen beobachtet werden. Unter der Bezeichnung "Shareholder Value" oder "Value-based Management" ist die "Messlatte" für Erfolg von Unternehmungen massiv nach oben angehoben worden. Es reicht heute nicht mehr aus, dass eine Unternehmung Gewinne ("schwarze Zahlen") ausweisen kann, sondern sie gilt erst dann als erfolgreich, wenn sie mindestens ihre gesamten Kapitalkosten verdient hat. Dies führt notwendigerweise dazu, dass Unternehmungen ihre Handlungsfelder sorgfältig(er) aussuchen müssen, und zwar auf Tätigkeitsbereiche mit hohen Gewinnerwartungen und der Möglichkeit, die gesamten Kapitalkosten zu erwirtschaften. Seitens der Unternehmungen ist also eine gewisse Rückzugstendenz aus wenig(er) rentablen Bereichen zu beobachten (Powell 2001) - oder sie treten erst gar nicht in diese ein. Eine vom Ergebnis her vergleichbare Entwicklung ist auch im staatswirtschaftlichen Sektor erkennbar. Hier haben Bestrebungen im Rahmen des New Public Management Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 27 dazu geführt, dass sich staatliche Organisationen über die Pflichten und Verantwortlichkeiten ihrer Tätigkeiten vermehrt Gedanken machen (vgl. Aucoin/Savoie 1998; Williamson et al. 2003; Saidel 1991). Die Schwierigkeiten der staatlichen Institutionen bei der Erfüllung bisheriger (z. B. Primärbildung) und neuer Bedürfnisse (z. B. Altersvorsorge) und bei der Ausgestaltung von Verantwortungsbereichen (z. B. öffentliche Sicherheit) steigen auf Grund finanzieller wie auch organisatorischer Aspekte. Als Folge werden die Grenzen staatlicher Leistungsfähigkeit neu bestimmt (vgl. Then/Timmer 2001; von König/von Loeffelholz 2001) und der Staat zieht sich verstärkt auf hoheitliche Aufgabenfelder zurück (vgl. Toepler 1996; Bertelsmann Stiftung 2001, Palmer 1998, Krull 2004). Wichtige Bereiche des "Service Public", wie etwa Elektrizität, Post und Telekommunikation, werden privatisiert. Somit vollzieht auch der Staat eine Rückzugsbewegung aus für ihn "unrentablen" Bereichen (vgl. Beauregard 1994; Guay 1997; Heeks 1999). Andere Bereiche, z. B. Integration von ausländischen Mitbürgern, werden auf Grund mangelnder Gewinnerwartungen nicht von privatwirtschaftlichen Unternehmen übernommen (Public Good Theory). Damit rückt die Tatsache ins Bewusstsein, dass auch die Privatwirtschaft nicht für alle gesellschaftlichen Probleme die richtige Antwort hat. Privatwirtschaftliche Organisationen Staatswirtschaftliche Organisationen Æ Dominanz des Gewinnstrebens Æ Dominanz mehrheitsfähiger Entscheidungen Dritte Sektor Organisationen Æ Dominanz des Sachziels Abbildung 2-4: 20 Der Dritte Sektor als "Stütze" einer Gesellschaft:20 zwischen privatwirtschaftlichem und staatlichem Sektor Grundsätzlich muss unterschieden werden zwischen einem Alltagsverständnis von Gesellschaft (z.B. 'eine Menge von Personen', oder spezieller: "in guter Gesellschaft sein", "gesellschaftlichen Anschluss suchen", "das ist mir eine feine Gesellschaft") und der Verwendung des Begriffs in der Soziologie bzw. den Sozialwissenschaften überhaupt und im Privatrecht. Sozialanthropologisch gesehen ist der Mensch 'von Natur aus' in Gesellschaft, in Aristoteles' Worten also ein zóon politikón, Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 28 Mit dem Rückzug des staatswirtschaftlichen und des privatwirtschaftlichen Sektors aus wichtigen sozialen Aufgabenfeldern der Gesellschaft ergeben sich immer mehr gesellschaftliche "Knappheiten". Diese sind weder mehrheitsfähig - und somit nicht durch den Staat aus Steuermitteln finanzierbar - noch privatwirtschaftlich rentabel (z. B. im Bildungs- oder Gesundheitssektor) und müssen vom "Dritten Sektor" bedient werden (vgl. Abbildung 2-4). Hinzu kommen wachsende Zweifel an der Fähigkeit des Staates aufgrund zahlreicher Umsetzungsdefizite, die anstehenden gesellschaftlichen Probleme meistern zu können. Zu erwähnen sind hierbei vor allem das Sozialwesen, die Wirtschaftsentwicklung und der Umweltbereich (Strachwitz 2001a). Kocka (2004, S. 4) kommt zur Schlussfolgerung, "dass unser Sozial- und Interventionsstaat an seine Grenzen gestossen und dabei ist, sich zu übernehmen" (ähnlich auch Bertelsmann 2001, S. 16). Ein genereller Vertrauensverlust gegenüber staatlichen Aktivitäten, die sichtbaren Grenzen des Wohlfahrtsstaates und umfassende Erwartungsänderungen an staatliche Aufgaben haben den Non-Profit-Sektor in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt (vgl. Priller/Zimmer 2001). Finanzielle Zwänge und gesellschaftspolitische Erwägungen bedingen daher eine Diskussion über eine neue Arbeitsteilung zwischen Staat, Wirtschaft und dem Dritten Sektor. Der Dritte Sektor - und damit auch die einzelnen Organisationen wie z. B. Stiftungen - müssen sich darüber klar werden, woraus ihre spezifischen Leistungsbeiträge zum Gemeinwohl bestehen sollen und wie stark sich gemeinnützige Organisationen engagieren können, ohne zu "Lückenbüssern staatlicher Finanzprobleme" zu werden (vgl. Then/Timmer 2001).21 2.1.6 Stiftungen als zentrale Akteure im Non-Profit-Sektor Stiftungen spielen innerhalb des Non-Profit-Sektors auf Grund spezifischer Eigenschaften eine wichtige Funktion bei der Entwicklung der Gesellschaft. (vgl. hierzu ausführlich ein auf 'Staaten- (Gemeinden-, Poleis-) Bildung angelegtes Wesen. Die Soziologie versteht allgemein unter Gesellschaft jede Form des Zusammenlebens von Menschen. Oft wird darunter ein Kollektiv, z. B. ein Volk, ein strukturierter, räumlich abgegrenztbarer Zusammenhang von Menschen (z. B. "die schwedische Gesellschaft", "die industrielle Gesellschaft") oder ein sonst durch die Dichte und Multiplexität sozialer Interaktionen abgrenzbares Cluster im Netzwerk der Menschheit verstanden. 21 Eine Studie der Johns Hopkins University (The Johns Hopkins Comparative Nonprofit Sector Project, Salamon/Anheier 1999) hat ergeben, dass der Non-Profit-Sektor eines Landes - innerhalb dessen Stiftungen eine wichtige Rolle einnehmen an Grösse und Bedeutung nur bedingt mit dem Ausmass staatlicher Sicherungssysteme (z. B. Altersvorsorge) korreliert. Vielmehr hängt, wie Salamon und Anheier (1999, S. 15) aufzeigen, die Grösse des Non-Profit-Sektors vom Wohlstand eines Landes sowie von den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedürfnissen ab. Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 29 Kap. 2.3). Als Begründung für diese "Schrittmacherrolle" werden in der Fachliteratur insbesondere folgende charakteristische Eigenschaften von Stiftungen genannt: die erhöhte Flexibilität in Bezug auf schnelle Entscheidungsfindung und Umsetzung auf Grund der meist geringen "Binnenkomplexität", d. h. kleine Entscheidungsgremien und wenig Mitarbeitende (Toepler 1996, Burens 1987) die grosse Unabhängigkeit und Freiheit von direkter externer Kontrolle (Anheier 2000, S. 13) die Fähigkeit zur Mobilisierung von Privatinitiativen für öffentliche Zwecke im Sinne von Freiwilligenarbeit oder Zustiftungen und Kooperationen (Salamon/Anheier 1999, S. 15 f. und 27) Hinzu kommt, dass wegen unterschiedlichen Rationalitäten und Steuerungslogiken der einzelnen Sektoren unterschiedliche Risikobereitschaften entstehen. Sowohl der staatliche als auch der privatwirtschaftliche Sektor meiden durch ihre oben beschriebenen Rückzugsbewegungen bestimmte Tätigkeitsfelder und Risiken (z. B. Investitionsrisiken, politische Risiken). Stiftungen können im Rahmen dieser Entwicklung auf Grund ihrer besonderen "Risikobewirtschaftung" eine zentrale Rolle spielen, indem solche Themen bearbeitet und Aktivitäten ausgeführt werden, die von den anderen Akteuren eben nicht übernommen werden (können) (Abbildung 2-5). Zusammenfassend formuliert Frumkin (1999, S. 69; ähnlich auch Toepler/Feldman 2003, S. 1 ff.): "Throwing on their tremendous resources and independence, foundations have over the years shown a willingness to attempt projects that government and businesses are either unwilling or unable to carry out for political or financial reasons. Foundations can perform a distinctive role in society because they are free from the influence of organized constituencies and shareholders." Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 30 GAP Abbildung 2-5: Stiftungen Dritter Sektor Staatswirtschaftliche Organisationen Stiftungen Privatwirtschaftliche Organisationen Stiftungen als flankierende und treibende Kraft des Dritten Sektors Die Bedeutung und Attraktivität des Stiftungssektors kann auch an der Entwicklung in verschiedenen Ländern wie den USA, Japan, Italien, Schweden, Türkei und Brasilien (Anheier 2000) aber auch der Schweiz (vgl. Rüegg-Stürm et al. 2004a, S. 83 ff.) und Deutschland (Dieckmann et al. 2000) beobachtet werden. In allen diesen Ländern erfährt der Stiftungssektor eine Phase anhaltenden Wachstums hinsichtlich der Anzahl der Stiftungen und des verfügbaren Kapitals (vgl. hierzu ausführlich Kap. 2.2.4) Diese Entwicklung ist gepaart mit kontinuierlich steigenden gesellschaftlichen Erwartungen an den Non-Profit-Sektor im Allgemeinen und Stiftungen im Besonderen (vgl. Then/Timmer 2001). Der Stiftungsgedanke wird im Rahmen des derzeitigen tiefgreifenden Wandels staatlicher Funktionen und marktlicher Entwicklungen sowie der erwarteten "neuen" Eigenverantwortlichkeit der Bürger neu interpretiert. So nennt Anheier (2000, S. 12) die jetzige Phase "spät- oder postmoderne Blütezeit des Stiftungswesens."22 2.2 Überblick zu klassischen Stiftungen Nach der im vorangegangenen Kapitel 2.1 erfolgten Analyse der einzelnen Akteure der drei Sektoren und einer detaillierteren Betrachtung des Non-Profit-Sektors mit dem für diese Arbeit zentralen "Player" Stiftungen, geht es in diesem Kapitel darum, Stiftungen 22 Die spät- oder postmoderne Blütezeit schliesst sich an die erste grosse Wachstumsperiode im Mittelalter im Zuge der Entwicklung von Handel und Finanzwesen und der zweiten Expansionszeit im späten 19. Jahrhundert im Zusammenhang mit der industriellen Revolution an. Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 31 als solche genauer zu analysieren. Eine erste Annäherung im Hinblick auf das breitere Verständnis von Stiftungen geschieht durch eine Diskussion verschiedener Definitionsversuche, die auf eine - in dieser Arbeit verwendete und zur Abgrenzung von anderen Stiftungen dienende - Definition "klassischer Stiftungen" führt. Anschliessend erfolgt eine kurze Auflistung der Motive zur Gründung von Stiftungen. Auf diesen Grundlagen werden dann die verschiedenen in der Praxis auftretenden Typen von klassischen Stiftungen vorgestellt. Als Abschluss dieses Kapitels erfolgt eine Betrachtung des Stiftungssektors Schweiz, wobei die Schweizer Stiftungen z. B. nach Tätigkeitsgebieten kategorisiert werden23. Diese Daten basieren auf einer von der Universität St. Gallen im Rahmen des Forschungsprojektes Foundation Excellence durchgeführten Studie "Stiftungslandschaft Schweiz" (Rüegg-Stürm et al. 2004a, S. 83 ff.). 2.2.1 Definition klassischer Stiftungen Definitionsversuche des Stiftungsbegriffs sind nicht trivial24, denn "what is defined as a foundation in one country may not qualify as such in another" (Anheier 2001, S. 39). Gemäss Anheier (2005a) basiert eine Stiftung in ihrer Grundform auf dem Transfer von Eigentum eines Geldgebers an eine unabhängige Institution mit der Auflage, dieses Vermögen und die daraus erwirtschafteten Erträge für einen spezifischen Zweck über einen oftmals unbegrenzten Zeitraum zu verwenden. Abgesehen von den länderspezifischen Ausgestaltungen des Rechts wird eine Stiftung aus juristischer Perspektive definiert als ausgesondertes Vermögen für einen spezifischen Zweck mit gesellschaftlicher Ausrichtung.25 Im deutschsprachigen Raum muss eine Stiftung einen oder mehrere Zwecke haben, ein zweckentsprechendes Vermögen sowie eine organisationale Struktur aufweisen. 23 Kategorisierung hier verstanden als politisch-pragmatische Einteilung von Stiftungen, z. B. Soziales, Bildung, Umwelt, im Gegensatz zu technisch-konzeptionellen Funktionen von Stiftungen und der darauf basierenden Legitimationsdiskussion in Kapitel 2.3. 24 "Nicht trivial" wird in dieser Arbeit als Gegensatz zu "trivial" verstanden und bezieht sich auf nicht-lineare, stark vernetzte, dynamische Wirkungszusammenhängen. 25 Nach Schweizer Recht wird unter einer Stiftung (ZGB 80 ff.) ein Vermögen verstanden, "das von einer Person zu einem von ihr festgesetzten dauernden Zweck in der Weise festgelegt wird, dass das Vermögen aus dem Rechtskreis des Stifter ausgeschieden und mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet wird. Man spricht auch von einem ‚personifizierten Zweckvermögen’. Die Stiftung ist eine selbständige Rechtsperson, die mit eigenem Vermögen einen bestimmten Zweck verfolgt" (Sprecher/von Salis-Lütolf 1999, S. 37). Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 32 Das in New York ansässige Foundation Center26 versucht aus der Perspektive von Vergabestiftungen (grant-making foundations) klassische Stiftungen zu definieren. Demnach können Stiftungen betrachtet werden als nicht-staatliche Non-Profit Organisationen mit eigenen Mitteln (meist aus einer einzigen Quelle, entweder als individuelles Familien- oder Firmenvermögen) und Programmen. Sie werden von ihren eigenen Treuhändern verwaltet und dienen der allgemeinen Wohlfahrt primär durch die Förderung anderer Non-Profit Organisationen (vgl. Anheier/Toepler 1998; Renz et al. 1997) insbesondere in sozialen, Bildungs- und Wohlfahrtsbereichen. Nach einem Klassifizierungssystem von Anheier27 (2001, S. 41) steht hier sowohl die "activity" ("grant-making" oder "operating") als auch die "revenue structure" ("single" oder "multiple funding sources") im Zentrum. Strachwitz (zit. in Adloff 2002, S. 23) unternimmt einen Definitionsversuch des Stiftungsbegriffs mit besonderer Betonung der zeitlichen Unbegrenztheit: "Eine Stiftung ist das Ergebnis der Übertragung von Vermögenswerten an eine mit eigener Satzung ausgestatteten Organisation, die so gestaltet ist, dass diese Satzung die Verwalter der Organisation bezüglich der Erhaltung und Verwendung des Vermögens dauerhaft bindet." Als Kernelemente einer Stiftung werden also die dauerhafte Bindung an den Erhalt und die Verwendung des Vermögens, die Bindung an den Stifterwillen und das eingeschränkte Verfügungsrecht der Organe über das Vermögen angesehen. Adloff (2002) argumentiert in eine ähnliche Richtung, denn für ihn ist das entscheidende Kriterium einer Stiftung die dauerhafte Verpflichtung zur Rückbesinnung an den ursprünglichen Stifterwillen und der damit verknüpften Interaktion zwischen Vergangenheit, Gegenwart und erwarteten Zukunftsperspektiven, die eine kreative Weiterentwicklung des Willens bewirken.28 26 Das Foundation Center ist ein in New York ansässiges unabhängiges Forschungs- und Kompetenzzentrum in den USA, das sich zum Ziel gesetzt hat, eine Welt "enriched by the effective allocation of philanthropic resources, informed public discourse about philanthropy, and broad understanding of the contributions of nonprofit activity to civil society" zu erreichen. Dafür werden Informationen über das US-Stiftungswesen erhoben und aufbereitet, Forschungsprojekte zu spezifischen, stiftungsrelevanten Themen durchgeführt und gefördert, sowie Schulungen für Stiftungsmitarbeitende angeboten (vgl. auch www.fdcenter.org). 27 Anheier (2001, S. 41) verwendet folgende Kriterien (mit den jeweiligen Ausprägungen): type of founder (private or public); purpose (charitable or other); activities (grant making or operating); revenue structure (single or multiple funding sources); asset type (own endowment or regular allocations); degree of independence (from state or business interest). 28 Zur Gründung einer Stiftung bedarf es, basierend auf dem Schweizerischen ZGB, nur die drei Voraussetzungen: Stifterwillen zur Gründung einer Stiftung; Stiftungskapital, das adäquat zum Stiftungszweck ausgestattet sein muss; Stiftungszweck (Riemer 1981). Vgl. auch Exkurs: Gründungsleitfaden. Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 33 Die wohl am weitesten verbreitete Definition ist diejenige von Anheier (2001, S. 41f.), die eine Erweiterung der Definition von Salamon und Anheier (1997a) darstellt. Hier werden eher die Konstitution ("degree of independence from either the state or business interest") und die Eignerverhältnisse ("private" oder "public") in den Vordergrund der Abgrenzung gerückt. Anheier führt ebenfalls das "non membership based"-Kriterium ein, wodurch Vereine und GmbHs ausgeschlossen werden. Die Stiftung hat also keine Mitglieder oder Eigentümer im Sinne von Genossenschaftern oder Aktionären. Die Organe selbst haben in Bezug auf den Zweck eine dienende Funktion und es besteht eine grundsätzliche Vermögens-Zweck-Bindung (personifiziertes Zweckvermögen). Eine Stiftung im Sinne Anheiers (z. B. 2001, 2005a) lässt sich demnach aus eher strukturell-organisatorischer Sichtweise definieren als: non-membership based organization: Stiftungen besitzen keine Mitglieder wie z. B. Genossenschaften oder auch Aktiengesellschaften. Eine Stiftung besteht aus einem "verselbständigten Vermögen" und ist grundsätzlich "auf Ewigkeit" angelegt. private entity: Stiftungen sind strukturell völlig unabhängig vom Staat. Zwar können sie vom Staat gegründet worden sein bzw. staatliche Zuschüsse erhalten, sie stellen jedoch kein Instrument des Staates dar im Sinne seiner "Exekutivgewalt". self-governing structure: Stiftungen kontrollieren grundsätzlich sich selbst und besitzen dadurch auch einen hohen Grad an Autonomie, die jedoch proaktiv gehandhabt werden sollte ("Legitimierung" und "Transparenz"). non profit-distributing entity: Stiftungen sind Non-Profit-Organisationen, die nicht nach Gewinn streben und keine Ausschüttungen vornehmen dürfen. serving a public purpose: Stiftungen sind private, "verselbständigte" Vermögen, die gemeinnützig agieren. Stiftungen, die diese Kriterien erfüllen, können als klassische Stiftungen bezeichnet werden - auf sie soll in dieser Arbeit Bezug genommen werden. Klassische Stiftungen zeichnen sich durch eine gemeinnützige Zweckverfolgung aus. Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 34 Den Gemeinnützigkeitsbegriff definieren Sprecher und von Salis-Lütolf (1999, S. 104 f.) folgendermassen: Verfolgung von Allgemeininteresse - als objektives Kriterium. Es wird angenommen, wenn der Kreis der Destinatäre grundsätzlich offen ist (Familienstiftungen verfolgen z. B. kein Allgemeininteresse) und die Stiftung den Zweck auch wirklich verfolgt (thesaurierende Stiftungen verfolgen z. B. kein Allgemeininteresse). Uneigennützige Verfolgung des Stiftungszwecks - als subjektives Kriterium. Dadurch wird ausgeschlossen, dass die Tätigkeit der Stiftung der Wahrnehmung eigener Interessen dient (z. B. Vereinigung zur Verfolgung von Freizeitaktivitäten) oder einer Erwerbstätigkeit zum Zwecke der Gewinnerzielung nachgeht. 2.2.2 Historischer Hintergrund klassischer Stiftungen Klassische Stiftungen werden oftmals in Verbindung gebracht mit dem Aufkommen der grossen "Grant-making"-Stiftungen (Vergabestiftungen) in den Industrieländern im 20. Jahrhundert. Die Geschichte von Stiftungen allerdings reicht weit zurück bis in die Antike und besitzt in vielen Kulturen eine lange Tradition (Coing 1981, Whitaker 1974). Historisch gesehen zählen Stiftungen somit zu den ältesten existierenden sozialen Institutionen überhaupt. Stiftungen waren und sind wichtige Einrichtungen im Christentum wie im Islam. Im Mittelalter z. B. wurden Stiftungen als religiöse Institutionen verstanden und waren hauptsächlich im Gesundheitswesen und im Bildungsbereich (Schulen) aktiv. Später wurden Stiftungen jedoch auch von der neu auftretenden Mittelklasse gegründet mit dem Zweck der Altersvorsorge von z. B. Handwerkern. Während den ersten vier Jahrzehnten im 20. Jahrhundert litten europäische Stiftungen unter politischen und ökonomischen Instabilitäten wie der Inflation, Kriegen und totalitären Regierungen. Der amerikanische Stiftungssektor entwickelte sich dagegen anders (Anheier 2005a). Während europäische Stiftungen sich hohen Unsicherheiten und Instabilitäten ausgesetzt sahen, entwickelten sich in den USA Stiftungen als Hauptträger der organisierten Philanthropie. Obwohl Stiftungen seit jeher in verschiedenen Erscheinungsformen in der US-amerikanischen Geschichte vorhanden waren, kann die Geburtsstunde der modernen Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 35 US-Stiftungsgeschichte zu Beginn des 20. Jahrhunderts verortet werden - mit der Entstehung der grossen philanthropischen Stiftungen wie der Carnegie oder Rockefeller Foundation. Diese Stiftungen verfolgten nicht mehr den traditionellen "Charity"-Ansatz29, vielmehr bestand das Ziel darin, die tatsächlichen Ursachen eines Problems systematisch zu ergründen und langfristige Lösungen zu entwickeln (Karl/Katz 1981, Bulmer 1999, McCarthy 2003). Diese Neuausrichtung der Stiftungsarbeit sowie die grossen und neu zugeflossenen finanziellen Ressourcen haben eine neue Ära der institutionellen Philanthropie ausgelöst- und dies nicht nur in den USA. Mit dieser neuen Philanthropie und der damit verbundenen Suche nach den Wurzeln ("root causes") sozialer Probleme ging die Professionalisierung der Mitarbeiter einher (z. B. Frumkin 1999). 2.2.3 Typologie klassischer Stiftungen Als Grundlage für ein breites Wissen über den Stiftungssektor sind neben den Gründen für die Errichtung einer Stiftung auch Kenntnisse über die verschiedenen in der Praxis vorkommenden Stiftungstypen von Bedeutung. Eine Typologisierung ist jedoch nicht einfach, wie Anheier (2001, S. 39) bestätigt: "Foundations in Europe reveal a great variety in form, purpose, and activity […] with a complex terminological layer of definitions, meanings, and uses, […]." Er versucht dennoch, die amorphe Masse der Stiftungen in eine generische Typenmatrix einzuordnen (vgl. Abbildung 2-6). Hierbei wird das Kriterium "type of activity" (Arbeitsweise der Stiftung) mit den Ausprägungen "grantmaking foundations" (Vergabe-/Förderstiftung), "operating foundations"30 (operative Stiftung) und "mixed foundations" (Mischtyp mit Vergabungen und operativer Arbeit) als erstes Segmentierungskriterium verwendet. Das zweite Kriterium stellt "Founder or type of endowment" (Gründer der Stiftung und Ursprung des Stiftungskapitals) dar mit den Unterarten "individual" (von Privatpersonen gegründet/alimentiert), "corporate foundations" (von Unternehmen gegründet/alimentiert), "community foundations" (von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppierungen gegründet/alimentiert) und 29 Im Gegensatz dazu ist der Begriff "charity" eher i. S. eines humanitären Geschenkes zur Befriedigung dringlicher sozialer Bedürfnisse zu verstehen. D. h. mehr Symptombekämpfung als systematische Ursachenforschung mit Charaktereigenschaften einer gesellschaftlichen Investition (vgl. hierzu auch Frumkin 2005). 30 Toepler differenziert hier zwischen Förderstiftungen, welche Mittel an Dritte vergeben und Projektstiftungen, welche eigene Projekte und Programme durchführen. Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 36 "government-sponsored or government-crated foundations" (staatlich gegründete/alimentierte Stiftungen). Type of activity Individual Grant-making foundations Operating foundations Mixed foundations Vergabestiftung, die externe Projekte fördert und durch ein Individuum oder eine Gruppe/Familie aus dem Privatvermögen gegründet wurde. Stiftung, die ihre eigenen Programme und Projekte verfolgt und die durch ein Individuum oder eine Gruppe/Familie durch Privatvermögen gegründet wurde. Stiftung, die sowohl Eigenprojekte durchführt, als auch Fremdprojekte fördert. Das Kapital stammt von Individuen oder einer Gruppe/Familie durch die Einlage von Privatvermögen. Beispiel: Inselspital Beispiel: Christoph Merian Stiftung Vergabestiftung, die externe Projekte fördert und eine durch ein Unternehmen gegründete oder dauerhaft unterstützte Stiftung ist. Stiftung, die ihre eigenen Programme durchführt und eine durch ein Unternehmen gegründete oder dauerhaft unterstützte Stiftung ist. Beispiel: UBS Optimus Foundation; Ernst Göhner Stiftung Beispiel: Allbau Stiftung Stiftung, die sowohl Eigenprojekte durchführt, als auch Fremdprojekte fördert. Eine enge Beziehung besteht zu einer Unternehmung durch Kapitaleinlagen oder dauerhafte Unterstützungen. Vergabestiftung, die externe Projekte fördert durch gepooltes Kapital unterschiedlichster Quellen zur Bereitstellung von spezifizierten lokalen Zwecken. Stiftung, die ihre eigenen Programme und Projekte im Bereich von lokalen Zwecken verfolgt und durch gepooltes Kapital unterschiedlicher Quellen gegründet wurde. Beispiel: Gebert Rüf Stiftung; Sophie & Carl Binding Stiftung Founder or type of endowment Corporate Foundations Community foundations Beispiel: SF Sammelstiftung (i. G.) Governmentsponsored or government created foundations Staatlich gegründete oder unterstützte Stiftung, die als Vergabestiftung externe Projekte fördert. Beispiel: Schweizer Nationalfonds Beispiel: UBS Kulturstiftung Beispiel: Avenir Suisse Stiftung, die ihre eigenen Programme und Projekte verfolgt und durch den Staat gegründet oder zumindest unterstützt wird. Beispiel: Stiftung Preussischer Kulturbesitz Stiftung, die sowohl Eigenprojekte durchführt, als auch Fremdprojekte fördert. Das für lokale Zwecke gepoolte Vermögen stammt aus unterschiedlichen Quellen. Beispiel: Stadtstiftung Gütersloh Stiftungen, die sowohl Eigenprojekte durchführen, als auch Fremdprojekte fördern. Eine enge Beziehung besteht zum Staat, der entweder als Gründer oder zumindest in unterstützender Funktion auftritt. Beispiel: Stiftung Warentest Abbildung 2-6: Übersicht über klassische Stiftungstypen (in Anlehnung an Anheier 2001, S. 49 ff.) 31 Hinsichtlich der Arbeitsweise einer Stiftung kann generell zwischen operativen und fördernden Stiftungen unterschieden werden, wobei es zu beachten gilt, dass auch Mischformen existieren. Das in Deutschland geltende Gemeinnützigkeitsrecht z. B. unterschei- 31 Toepler (1996) wählt eine alternative Strukturierung von Stiftungen. Er unterscheidet drei Stiftungsformen: Stiftungen, deren Kapital aus einer Institution besteht; Stiftungen mit einem Kapitalvermögen; und Stiftungen ohne eigenes Vermögen. Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 37 det sehr exakt zwischen Körperschaften, die ihren Zweck selbst verwirklichen und anderen, die finanzielle Mittel an Dritte vergeben. Die Definition für fördernde Stiftungen lautet gemäss Adloff (2002), dass sie ihre Mittel auf Antrag nach aussen bzw. an Dritte - zweckgebunden (Anheier 2001) als sog. "grantmaking foundations" - vergeben. Die "Dritten" sind ihrerseits verpflichtet, selbst gemeinnützige Zwecke zu verfolgen und zu verwirklichen. Hierbei ist allerdings noch nichts über die spezifische Förderpolitik einer einzelnen Stiftung gesagt, oder darüber, wie der Kontakt und die Zusammenarbeit zwischen Stiftung und Destinatär erfolgt, denn "die Tatsache, dass das [deutsche] Gemeinnützigkeitsrecht gewissermassen im gleichen Atemzug das Wort ‚fördern’ in einem ganz anderen Sinn gebraucht, schafft diesbezüglich zusätzlich Unklarheit" (Strachwitz 1998a, S. 684). "Förderung" bezieht sich einerseits auf das Bereitstellen von Mitteln finanzieller oder materieller Art, andererseits wird es auch zur Umschreibung des Anliegens verwendet (z. B. Förderung der rätoromanischen Sprache entweder in Form einer operativen Stiftung oder einer Vergabestiftung). Gemäss Bundesverband Deutscher Stiftungen (2000) ist das Gros der deutschen Stiftungen fördernd (im Sinne der Bereitstellung von Ressourcen) tätig (60.9%), in den USA sind von den knapp 62'000 Stiftungen gar 90% (ca. 56’000) sog. "grant-making foundations" (vgl. Anheier 2005a, S. 72). Die operativen Stiftungen, die ihre Aufgaben durch Eigenprojekte selbst erfüllen und ihre Erträge anderen nicht zur Verfügung stellen, werden mit einem Anteil von 21.8% ausgewiesen (in Deutschland); Mischformen liegen dann bei 17.3%.32 Die Bertelsmann Stiftung (1997) definiert operative Stiftungen als konzeptionell arbeitende Einrichtungen, die bei allen Projekten von der Idee bis zu deren Umsetzung gestalterisch und organisatorisch mitwirken. Die operative Stiftungsarbeit richtet sich dabei vorzugsweise auf leistungsorientierte, reformerische Lösungsstrategien für gesellschaftliche Probleme. In den USA sind operative Stiftungen, die ihr eigenes Programm betreiben, stark unterrepräsentiert (nur ca. 6%, Lenkowsky 2002). In neuerer Zeit kann jedoch in einem gewissen Sinne eine Konvergenz beobachtet werden von ursprünglich reinen Vergabestiftungen und reinen operativen Stiftungen, da eine zunehmend proaktive, unternehmerische (im Sinne von "social entrepreneurship") Ausrichtung einiger Vergabestiftungen diese 32 Für die Schweiz – bezogen auf national und international tätige Stiftungen – lassen sich ähnliche Relationen erkennen, wie Vorauswertungen der Studie "Stiftungslandschaft Schweiz" von Foundation Excellence ergeben. Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 38 durchaus als eine "Sonderform" der operativen Stiftungen erscheinen lässt. Wenn Vergabestiftungen Themen gezielt lancieren und ihre Projektpartner aufwändig identifizieren, sind die Unterschiede zu operativen Stiftungen, wie z. B. zu Avenir Suisse in der Schweiz oder zur Bertelsmann Stiftung in Deutschland, eher legaler Natur und sie betreffen vorzugsweise Anstellungsverträge, Abrechnungsmechanismen etc., was bei Vergabestiftungen jeweils im Rahmen des Fördervertrags geregelt und dadurch in gewisser Weise "ausgelagert" wird. Als eine Sonderform der operativen Stiftungen werden oft die sog. Anstaltsträgerstiftungen bezeichnet. Zur Erfüllung ihres Zweckes als Bereitsteller von Gütern und Leistungen führen diese Stiftungen Einrichtungen, die sie oftmals in Form von Vermögenswerten, wie z. B. Gebäuden, bereits mit einbringen (z. B. Spitäler, Schulen). In diesem Falle geht es weniger darum, als "Think-tank" aufzutreten, sondern einen bestehenden, oft kapitalintensiven Zweck langfristig zu erfüllen (z. B. Museum, Altenheim). Als Gründer von Stiftungen und Quelle des Stiftungskapitals treten in der Schweiz überwiegend Privatpersonen auf. So werden annähernd 95% aller Stiftungen von Privatpersonen gegründet. Dieser Anteil ist im internationalern Vergleich relativ hoch: so werden in den USA 89% (Renz et al. 1997) und in Deutschland 78% (Brummer 1996) der Stiftungen durch Privatpersonen gegründet (Anheier 2000)33. Neben den Privatpersonen treten auch Unternehmen, gesellschaftliche Gruppierungen sowie auch der Staat als Gründer von Stiftungen in Erscheinung. Bei den gemeinnützigen Unternehmensstiftungen typischerweise als "company-related" oder "company-sponsored" Stiftung gegründet (Anheier 2001, S. 49) - unter Wahrung der Selbständigkeit und Unabhängigkeit. Community Foundations fassen Vermögenswerte zusammen, die aus verschiedenen Quellen stammen können: von Privatpersonen, Unternehmen und/oder staatlichen Institutionen. Idee solcher Stiftungen ist die Bereitstellung von Stiftungsmitteln für spezifische, oftmals lokale Bedürfnisse. Vom Staat gegründete oder geförderte Stiftungen dienen hauptsächlich der Unterstützung öffentlicher (hoheitlicher) Anliegen. Z. T. werden dadurch auch ehemals staatliche Aktivitäten im Zuge der Rückbesinnung des Staates auf seine 33 Für die Schweiz liegen leider nur bedingte statistische Erhebungen vor. Das Bundesamt für Statistik erfasst keine spezifischen Angaben zum Stiftungswesen. Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 39 Grundaufgaben und hervorgerufen durch finanzielle Restriktionen auf diese Weise "ausgelagert".34 Für die Schweizer Stiftungslandschaft müssen allerdings noch vier Sonderformen von Stiftungen beschrieben werden, um einerseits den Überblick über die Stiftungslandschaft zu vervollständigen, und um andererseits auch eine notwendige Abgrenzung der verwendeten Begriffe und des Zahlenmaterials vorzunehmen. Die neben den klassischen Stiftungen im Schweizerischen Stiftungswesen auftretenden vier Sonderformen basieren aus rechtlicher Sicht grundsätzlich auch auf der klassischen Stiftung nach Artikel 80 ff. ZGB. 1. Familienstiftungen Sie dienen dazu, die akkumulierten Erträge einer Familie (zusammen) zu erhalten. Hier ist von Anfang an der Destinatärkreis abgegrenzt und bestimmt. Eine Familienstiftung erfüllt somit nicht das Kriterium der Gemeinnützigkeit (vgl. Kap. 2.2.1) und kommt deshalb auch nicht in den Genuss von steuerlichen Privilegien. Das Schweizerische Gesetz beschränkt den Stiftungszweck einer Familienstiftung gemäss Art. 355 ZGB auf "die Bestreitung der Kosten der Erziehung", "der Ausstattung oder Unterstützung von Familienangehörigen" oder "zu ähnlichen Zwecken". Diese Stiftungsform ist mangels beschränkten Rechtsverkehrs nach aussen von der Pflicht zur Eintragung in das Handelsregister befreit und untersteht nicht der staatlichen Aufsicht (Riemer 1981). 2. Unternehmensträgerstiftungen/Holdingstiftungen Diese von Unternehmen gegründeten Stiftungen halten Anteile an einem nach kaufmännischer Art geführten Unternehmen. Sie haben in letzter Zeit an Beliebtheit gewonnen (Anheier 2000). Stiftungsrechtlich wird diese Form von Stiftungen als klassische Stiftung behandelt - sie ist eine faktisch entstandene Sonderform. Der Anlass zur Gründung einer Unternehmensstiftung kann entweder rein strategischer Art sein, d. h. die Stiftung ist Teil einer umfassenden Unternehmensstrategie und dient der Reputationsbildung und der Profit-Maximierung, oder sie entstand aus normativ-ethischem Grundverständnis im Sinne einer "corporate social responsibility". Ein weiteres Motiv der Gründung dieser Art von Stiftungen liegt 34 vgl. hierzu für Deutschland z. B. Strachwitz/Then 2004. Bisher staatliche Kultureinrichtungen werden in Stiftungsform überführt - meist aus haushaltsrechtlichen Überlegungen in Zeiten knapper öffentlicher Kassen. Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 40 in der Wahrung des Besitzstandes eines Unternehmens durch die Elimination des börslichen Handels der Aktien bzw. durch das Einbringen des Kapitals in eine Stiftung. Unternehmensstiftungen kommen in zwei Ausprägungen vor (Schmid 1997): Stiftungen, die ein nach kaufmännischer Art geführtes Unternehmen leiten (Unternehmensträgerstiftung) oder Stiftungen, die (nur) Unternehmensanteile halten (Holdingstiftung). Als Stiftungszwecke bei einer Unternehmensstiftung sind gemeinnützige, rein wirtschaftliche oder eine Kombination der Zwecke möglich (Riemer 1981). Die Eidgenössische Stiftungsaufsicht beurteilt grundsätzlich die Gründung einer Unternehmensstiftung als zulässig, wenn sie hauptsächlich ideelle Ziele verfolgt (Schmid 1997). 3. Kirchliche Stiftungen Sie sind nicht durch das ZGB geregelt und müssen als notwendige Voraussetzung zu ihrer Errichtung einen kirchlichen Zweck verfolgen. Riemer (1981) umschreibt ihre zulässigen Tätigkeiten folgendermassen: Unterhalt der Inhaber kirchlicher Ämter und Funktionen; Bewahrung bzw. Fortbildung kirchlicher Lehre und des religiösen Glaubens; sowie Träger der für Gottesdienst und Kult unmittelbar bestimmten Gegenstände, Güter und Einrichtungen. Zudem bedarf die kirchliche Stiftung zur internen autonomen Aufsicht einer Verbindung mit einer Religionsgemeinschaft. Auch hier sind von Gesetzes wegen weder eine staatliche Aufsicht noch eine Eintragungspflicht in das Handelsregister vorgesehen. 4. Personalvorsorgestiftungen Sie sind von Arbeitgebern ausgegliederte Sondervermögen zugunsten der Arbeitnehmer und dienen als "Zweite Säule" der Personalvorsorge (Helbling 1989)35. Der Destinatärkreis ist auch bei dieser Sonderform beschränkt, jedoch sind die Personalvorsorgestiftungen registrierungspflichtig und unterstehen einer strengen staatlichen Aufsicht. In jüngerer Zeit sind neue Formen der Philanthropie in Erscheinung getreten (vgl. z. B. Anheier 2005a), z. B. "donor-advised funds" (Alternative für Stifter, Gelder über einen Fond zweckgerichtet einzusetzen, ohne selber eine Stiftung zu gründen), "donor-designated funds" (zur Unterstützung von spezifischen, partikulären Interessen) oder "ephilanthropy" (Zusammenbringen von Stifter und Antragssteller). Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 2.2.4 41 Stiftungssektor Schweiz Um das Bild des Stiftungssektors Schweiz auch mit Zahlen zu unterlegen, werden im Folgenden Ergebnisse bestehender und eigener Erhebungen zu klassischen Stiftungen (Vergabestiftungen und operative Stiftungen) präsentiert. Das Hauptaugenmerk liegt hierbei auf der Schweizer Stiftungslandschaft. Zur Illustration und Verdeutlichung von Relationen werden auch ausgewählte Vergleiche zu anderen Ländern, allen voran zu Deutschland und den USA, gezogen. Generell kann der Stiftungssektor Schweiz als sehr divers und relativ intransparent bezeichnet werden.36 Das vorherrschende Amtsgeheimnis von staatlichen Aufsichtsstellen37 wie der Stiftungsaufsicht oder der Steuerverwaltung sowie die mangelnde Publikationspflicht von Stiftungen38 erschweren zuverlässige und exakte Aussagen zum Stiftungssektor. Erschwerend kommt die Tatsache hinzu, dass in anderen Ländern unterschiedliche rechtliche Ausgestaltungen des Stiftungsbegriffes vorliegen. So sind beispielsweise die im angelsächsischen Raum populären "Trusts" in der Schweiz verboten39. Vergleichende Aussagen sind aufgrund der mangelnden und inkonsistenten Datenbasis erschwert. Die nachfolgende Abbildung 2-7 zeigt überblicksartig eine grobe Schätzung zur Anzahl klassischer Stiftungen in verschiedenen Ländern. 35 Helbling (1989) bietet einen guten Überblick über "Personalvorsorge und BVG". 36 Ähnliches gilt auch für Deutschland, wie Strachwitz (1998a) feststellt (vgl. auch Bundesverband Deutscher Stiftungen (2000) und Adloff (2002). 37 Gegenwärtig beeinträchtigt auch die teilweise unzulängliche technische Infrastruktur der staatlichen Aufsichtsstellen die Möglichkeit, einheitliche und exakte Zahlen zum Stiftungssektor bereitzustellen. Dies erschwert vergleichende und aussagekräftige Angaben zum Schweizer Stiftungssektor. 38 Dies steht im Gegensatz zu kotierten Unternehmen, die einen umfangreichen Jahresbericht erstellen müssen. 39 Bei Trusts handelt sich ebenfalls um verselbständigtes Kapital, jedoch mit Auflösungs- und Rückführungsmöglichkeit. Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 42 USA 60’000 Schweden 25'000 Dänemark 14'000 Japan 13500 Deutschland 11'000 Schweiz 10'000 Spanien 7'000 Italien 3'000 Norwegen 2'990 Grossbritannien 2'500 Finland 2'500 Niederlande 1'000 Kanada 850 Österreich 800 Estland 800 Frankreich 500 Griechenland 500 Australien 400 Portugal 400 Belgien 310 Luxemburg 143 Irland 100 0 Abbildung 2-7: 5'000 10'000 15'000 20'000 25'000 30'000 35'000 40'000 45'000 Die Anzahl von Stiftungen in ausgewählten Ländern zum Ende der 1990er Jahre (in Anlehnung an Anheier 2000, Adloff 2002)40 Die Übersicht verdeutlicht die ausgeprägte Stiftungskultur in den USA. Von den 1'600'000 Non-Profit-Organisationen in den USA sind 60'000 Stiftungen und diese nehmen eine bedeutende Rolle ein als unabhängige Finanzierungsquelle des Dritten Sektors. Das europäische Stiftungszentrum schätzt, dass alle europäischen Länder zusammen etwa 80'000 bis 100'000 gemeinnützige Stiftungen vereinen.41 Die Schwierigkeit, quantitative Aussagen über den Stiftungssektor zu machen, zeigt sich exemplarisch in Deutschland, für welches sowohl Anheier als auch Adloff den Stiftungssektor mit ca. 40 Die Zahlen stellen einen Näherungswert dar, da in jedem Land die Daten zu unterschiedlichen Zeitpunkten und verschieden häufig erhoben werden. Diese Tatsache stellt für internationale Vergleiche eine grosse Hürde dar. 41 Eine kurze, länderspezifische Analyse der einzelnen europäischen Stiftungssektoren ist übersichtsartig in Schlüter et al. (2001) zu finden. Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 43 11'000 Stiftungen beziffern, der deutsche Stifterverband jedoch nur mit 8’263 Stiftungen42 - jeweils ohne die etwa 100'000 kirchlichen Stiftungen mit einzubeziehen. Bisher ist auch das Schweizer Stiftungswesen eine relativ "amorphe Masse", die bis anhin nur rudimentär analysiert wurde. Eine einheitliche Datenbasis als Diskussionsgrundlage fehlt. Sie wäre jedoch zur weiteren Gestaltung und - inhaltlichen - Entwicklung der Stiftungslandschaft Schweiz hilfreich. Der Versuch einer statistischen Analyse der Schweizer Stiftungslandschaft erfolgte erstmals im Rahmen des Forschungsprojekts Foundation Excellence an der Universität St. Gallen. Ein Teil der Ergebnisse wurde in Rüegg-Stürm et al. (2004a) publiziert. Sie dienen hier als Grundlage der Beschreibung des Stiftungskontexts. Das Wachstum des Stiftungssektors und seine zunehmende Bedeutung zeigt sich u. a. auch an der Anzahl der Gründungen in den letzten Jahrzehnten: 4’400 Stiftungen wurden nach 1980 und ein Drittel aller Stiftungen in den letzten 10 Jahren errichtet (Strachwitz 1998a).43 Anheier (2000) geht sogar soweit zu behaupten, dass Stiftungen ein Produkt der letzten 20 Jahre sind. Eine vergleichbare Entwicklung lässt sich auch für die Schweiz und die USA beobachten. In der Schweiz wurden über 50% der heute aktiven national und international tätigen Stiftungen nach 1993 gegründet (Rüegg-Stürm et al. 2004a) - in den USA hat die Anzahl Stiftungen seit 1981 um 24'000 - das sind knapp 50% - zugenommen. Der aktuelle Stiftungsboom in der Schweizer Stiftungslandschaft zeigt sich auch bei der Betrachtung der exponentiell ansteigenden Stiftungsneugründungen (vgl. Abbildung 2-8). Allein bei den national und international tätigen Stiftungen ergibt sich über den Zeitraum der letzten zehn Jahre eine jährliche Neugründung von durchschnittlich 100 Stiftungen. 42 Die Intransparenz des Stiftungssektors zeigt sich in den stark divergierenden Zahlen, welche zur Anzahl der Stiftungen erhältlich sind. So spricht Anheier (2001) in einer anderen Publikation von 8’000 Stiftungen in Deutschland. Strachwitz (2001b) identifiziert für den deutschen Stiftungssektor basierend auf der Maecenata Datenbank 8’312 Stiftungen. Der Bundesverband deutscher Stiftungen geht aufgrund einer Umfrage im Jahr 2000 von 10'000 Stiftungen aus (Bundesverband Deutscher Stiftungen 2000). 43 Europa erlebte in den vergangenen Jahrzehnten ebenfalls einen wahren Stiftungsboom, die Mehrheit der geschätzten 100'000 Stiftungen wurden in den letzten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts gegründet. Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 44 Stiftungsgründungen 180 100 20 1934 1957 Zahlen beziehen sich auf nationale und internat. Stiftungen (n=2176) Abbildung 2-8: 1980 Stiftungsneugründungen brutto 2002 Stiftungsneugründungen netto Exponentiell wachsender Stiftungssektor in der Schweiz (Rüegg-Stürm et al. 2004a, S. 87) Das starke Stiftungswachstum in Deutschland und der Schweiz kann durch die grossen Vermögen erklärt werden, die seit dem 2. Weltkrieg akkumuliert werden konnten sowie der Pensionierung der Industriellengeneration (Anheier/Toepler 1999). Obwohl neun von zehn Stiftungen ausschliesslich ehrenamtlich geführt werden, ist die ökonomische Bedeutung des Stiftungssektors eindrücklich. So gehen Schätzungen davon aus, dass im Jahre 1995 in Deutschland die Vergabestiftungen zwischen 3000 und 5000 Angestellte beschäftigten, die operativen Stiftungen sogar über 90'000 (Anheier 2005a). Gemäss dem Bundesamt für Statistik (2003) arbeiteten im Jahr 2002 rund 108'000 Personen in Schweizer Stiftungen, das entspricht über 2.5% aller Beschäftigten der Schweiz (ein Zuwachs von 20% seit 1985) wobei die Wertschöpfung der gemeinnützigen Stiftungen ca. 2% des Bruttoinlandprodukts beträgt (vgl. hierzu auch Anheier/Daly 2004). Wie in der untenstehenden Abbildung 2-9 ersichtlich, verfügen die klassischen Stiftungen in der Schweiz über ein Stiftungskapital von schätzungsweise gut CHF 30 Milliarden44, in Deutschland von ca. CHF 80 Milliarden (Bundesverband Deutscher Stiftungen 44 Diese Zahl wurde von Herrn Bruno Ferrari anlässlich eines persönlichen Gesprächs in Bern genannt. Herr Ferrari ist Leiter der Eidg. Stiftungsaufsicht. Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 45 2001) und in den USA von rund CHF 600 Milliarden (Renz/Lawrence 2002, Anheier 2005a). Das Stiftungsvermögen in der Schweiz beträgt pro Einwohner über CHF 1’500, was fast dreimal mehr ist, als in Deutschland, wo das "Pro-Kopf-Vermögen" auf umgerechnet CHF 530 geschätzt wird (Purtschert 2004). Die Schweiz gehört damit zu denjenigen Ländern, mit einem vergleichsweise grossen Stiftungssektor. Grösse des Stiftungssektors Länder klein Belgien, Frankreich, Griechenland, Irland, Luxemburg, Österreich, Länder aus Zentral- und Osteuropa klein-mittel Portugal, Spanien, Türkei mittel-gross Dänemark, Deutschland, Finnland, Japan, Kanada, Niederlande, Norwegen, UK gross Italien, Liechtenstein, Schweden, Schweiz, USA Abbildung 2-9: Länderspezifische Grösse des Stiftungssektors (angelehnt an Anheier 2005a, S. 315) Einen äusserst wichtigen Faktor für einen prosperierenden Stiftungssektor ist die einschlägige Gesetzgebung. So wurden in Ländern mit einer starken Zunahme von Stiftungen, wie Spanien, Portugal und Italien, in jüngerer Zeit einschneidende Stiftungsrechtsreformen durchgeführt zur Stimulierung der Gründung von Stiftungen. Im Gegensatz dazu existieren in Ländern mit langsam wachsendem Stiftungssektor wie Frankreich oder Belgien vergleichsweise komplizierte Rechtsbestimmungen mit wenig Anreizen zur Gründung einer Stiftung. Schweizer Stiftungen schütten pro Jahr über CHF 1 Milliarde aus (vgl. Rüegg-Stürm et al. 2004a, S. 83 ff.)45, in Deutschland sind es CHF 3.7 Milliarden und in den USA CHF 38 Milliarden (Bertelsmann Stiftung 2001, Lenkowsky 2002, Anheier 2005a). Die Schweiz kennt keine Ausschüttungsquote, wie sie beispielsweise in den USA mit der Mindestausschüttungsquote von 5% des Stiftungskapitals gegeben ist, oder in Deutschland, wo mit der zeitnahen Mittelverwendung (d. h. der flexible Einsatz des Kapitalertrags) eine Ausschüttung von Stiftungsmitteln zumindest angeregt wird. Werden die jährlichen Ausschüttungen ins Verhältnis zum Stiftungskapital gesetzt, ergibt sich für die 45 Zum Vergleich ist hier die jährliche Ausschüttung der weltweit grössten Stiftung (Bill & Melinda Gates Stiftung) von CHF 1.4 Milliarden heranzuziehen, was mehr ist, als der ganze Schweizer Stiftungssektor gemeinsam ausschüttet! Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 46 Schweiz eine Ausschüttungsquote von 3.3%; im Gegensatz zu Deutschland mit einer Quote von 4.6% und den USA mit 6.3%.46 (vgl. Abbildung 2-10) CH DE USA Gesamt national und international tätig47 Gesamt Gesamt Anzahl Stiftungen ca. 10‘000 2'176 ca. 12‘000 ca. 62’000 Kapital im Stiftungssektor ca. CHF 30 Mrd. ca. CHF 13 Mrd. ca. CHF 80 Mrd. ca. CHF 600 Mrd. Ausschüttungen ca. CHF 1 Mrd. ca. 3.7 Mrd. CHF ca. 38 Mrd. CHF Ausschüttungen in % des Kapitals 3.3% 4.6% 6.3% Abbildung 2-10: Ein Vergleich von Stiftungen in der Schweiz (CH), in Deutschland (DE) und in den USA48 Zu diesen Zahlen ist anzumerken, dass es sich hierbei um bilanzierte Werte handelt, die in der Schweiz im Rahmen der jährlichen Revision der Stiftungen durch die Eidgenössische Stiftungsaufsicht aufgenommen werden. Diese Kapitalangaben unterliegen den individuellen Bewertungen der Stiftungen (analog zu den Bilanzierungsregeln für Aktiengesellschaften) und können von den aktuellen Marktwerten z. T. beträchtlich abweichen (stille Reserven). Bei einer näheren Betrachtung der national und international tätigen Stiftungen in der Schweiz hinsichtlich ihrer Tätigkeitsgebiete (vgl. absolute Zahlen in Abbildung 2-11) agieren im Bereich "Soziales" 35.4% (Vergleichszahlen Deutschland (DE)49: 35.0%), im Bereich "Gesundheit" 9.3% (DE: 3.7%), im Bereich "Religion" 3.1% (DE: 4.1%), im Bereich "Ausbildung/Wissenschaft/Forschung" 16.7% (DE: 30.8%), im Bereich "Sport/Kunst/Kultur" 19.6% (DE: 17.6%), im Bereich "Umwelt und Natur" 6.3% (DE: 46 Zu bedenken gilt es allerdings, dass starre Ausschüttungsquoten wie in den USA auch dazu verleiten können, nur noch die "richtige" Summe auszuschütten, jedoch die Stiftungsqualität dadurch nicht unbedingt erhöht wird. Eine Problematik bei der Ausschüttungsdiskussion sind allerdings die vor allem in den 90er Jahren massiv gestiegenen Stiftungsvermögen auf Grund des Börsenbooms. Dadurch kann sich eine Stiftung gezwungen sehen, plötzlich deutlich mehr Ausschüttungen tätigen zu müssen. 47 Die national und international tätigen Stiftungen unterstehen der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht in Bern. Die kantonal und kommunal tätigen Stiftungen werden von den jeweiligen Kantonen respektive Gemeinden beaufsichtigt. Gemäss der von Foundation Excellence durchgeführten Erhebung zum Schweizer Stiftungswesen verfügen die unter Eidgenössischer Aufsicht stehenden Stiftungen über rund CHF 13.6 Mrd., die kantonalen und kommunalen Stiftungen über CHF 16.4 Mrd, zusammen etwa CHF 30 Mrd. 48 Die Zahlen für Deutschland beruhen auf einer Zusammenstellung der Bertelsmann Stiftung (2001), diejenigen der Schweiz auf das Jahr 2002 (Rüegg-Stürm et al. 2004a). Die US-Zahlen basieren auf Zahlen des Foundation Centers aus dem Jahre 2003, die auch Anheier (2005, S. 73) verarbeitet hat. 49 Zahlen des Bundesverbands Deutscher Stiftungen aus dem Jahr 2000. Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 47 6.2%) und im Bereich "Internationale Kooperation/Entwicklungshilfe" 9.6% (DE: 2.6%). Betrachtet man die Kapitalverteilung nach diesen Tätigkeitsfeldern, so ergibt sich ein analoges Bild: das meiste Kapital wird im Bereich "Soziales" eingesetzt. Die grössten Vergabefelder bei US-Stiftungen sind Ausbildung, Gesundheit, soziale Dienstleistungen und Kunst/Kultur mit 75% aller Vergabungen. Kapital je Tätigkeitsschwerpunkt 6'000'000'000 5'000'000'000 4'000'000'000 3'000'000'000 1001 472 2'000'000'000 555 273 263 1'000'000'000 179 88 0 Soziales Gesundheit Verteilung bezieht sich auf nationale und internat. Stiftungen (n=2129) Religion Ausbildung, Wissenschaft und Forschung Sport,Kunst und Kultur Um w elt und Natur Intern. Kooperation und Entw icklungshilfe Abbildung 2-11: Schweizer Stiftungen und ihre Tätigkeitsschwerpunkte (Rüegg-Stürm et al. 2004a, S. 88) Generell kann festgestellt werden, dass innerhalb der oben genannten Tätigkeitsgebiete nahezu alle erdenklichen Bereiche von Stiftungen unterstützt werden. 2.3 Funktionen und Legitimationen klassischer Stiftungen Vor dem Hintergrund des in Kapitel 2.1 und 2.2 beschriebenen Kontexts in inter- und intrasektoraler, ökonomischer und historischer Hinsicht, gilt es in diesem Kapitel, die grundsätzlichen Funktionen von Stiftungen (operative Stiftungen als "Think-tanks" und Vergabestiftungen) dezidiert zu beleuchten. Die Überlegungen zu den Funktion(en) von Stiftungen in einer demokratischen Gesellschaft sollen auch eine Grundlage bieten für Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 48 eine tiefer gehende Diskussion der Legitimation von Stiftungen in diesem Kapitel, denn Nielsen z. B. schreibt über Stiftungen in den USA, dass sie "wie Giraffen eigentlich nicht existieren können, es aber trotzdem tun." Für ihn sind sie "merkwürdige Kreaturen im Dschungel der amerikanischen Demokratie" (Nielsen 1972, S. 3 - zit. in Anheier 1998, S. 25). Genau deshalb ist es aber von zentraler Bedeutung, im Folgenden Stiftungen aus einer Funktionsperspektive zu betrachten, um darauf basierend die Fragen einer kritischen Öffentlichkeit nach der Legitimation von Stiftungen im Allgemeinen, d. h. des Stiftungssektors, beantworten zu können.50 Die Frage nach den Funktionen ist nicht einfach zu beantworten, wie Frumkin folgendermassen zusammenfasst: "It would be useful to begin by acknowledging that there is no single answer to the question of what purpose philanthropy fulfils. Philanthropy is a complex and sprawling concept that has many meanings and whose significance has shifted against the broader political and social backdrop against which it has played itself out. In reality, private giving represents an at times confusing assortment of purposes, each with its own logic and rationale" (Frumkin 2005, S. 15). Dies gilt insbesondere dann, wenn der oben vorgenommene "Giraffenvergleich" von Nielsen (1972, S. 3 - zit. in Anheier 1998, S. 25) den Betrachtungskontext der Legitimation umschreibt: Stiftungen in einer Demokratie. Nielsen deutet mit seinem Vergleich an, dass Stiftungen in Demokratien eigentlich nicht existenzfähig seien, dennoch aber gerade dort zunehmend wichtige Funktionen wahrnehmen. Dies zieht auch die Frage nach sich, was hier unter Demokratie verstanden wird.51 Der Demokratiebegriff kann in mindestens zwei Dimensionen unterteilt werden52: Demokratie als Herrschaftsform (Staatsform) und Demokratie als Gesellschaftsform (Lebensform). Es wird dort auf sie Rekurs genommen, wo dadurch eine Erkenntniser- 50 Die einzelne Stiftung muss ihre Legitimation über die Darstellung ihrer spezifischen Aktivitäten und der erzielten Wirkungen immer wieder neu begründen (vgl. hierzu auch Kap. 7 ff.). 51 Im Rahmen dieser Arbeit kann keine umfangreiche, dem komplexen Thema gerecht werdende Analyse des Begriffs Demokratie erfolgen. Dennoch erscheint es den Autoren wichtig, zumindest skizzenhaft das hier zugrunde liegende Verständnis transparent zu machen. Die zitierten Quellen eröffnen einen weiten Horizont für die vertiefte Auseinandersetzung mit den entsprechenden Gesellschafts- und Politiktheorien. 52 von Alemann 1983, S. 75 ff. und die dort angegebene Literatur; Rammstedt/Klima 1994, S. 129 f.; Wasser 1976. Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 49 weiterung eröffnet oder die Argumentationsbasis - gerade auch hinsichtlich der Legitimation von Stiftungen - erweitert wird.53 1. Demokratie als Staats- oder Herrschaftsform (vgl. Alemann 1983, S. 75 ff.): - Volkssouveränität als Prinzip der Willensbildung von unten nach oben - allgemeine, freie, direkte und geheime Wahlen als Grundvoraussetzung einer Demokratie - Mehrheitsprinzip als Hilfsmittel der Entscheidungsfindung mit allerdings höchst vielfältigen Entscheidungsregeln, auch zum Minderheitenschutz - Rechtsstaat, Gewaltenteilung und Föderalismus als mehr oder weniger notwendige Hilfsmittel, deren sich existierende Demokratien aber selektiv und abgestuft bedienen können 2. Demokratie als Gesellschafts- oder Lebensform (vgl. Alemann 1983, S. 78 f.): - offene Kanäle für die Bedürfnisse der Bevölkerung - das Streben nach Pluralismus54 als Grundwert einer Demokratie, abgeleitet aus dem Freiheits- und Gleichheitspostulat (Ausgleich von Startnachteilen). Auf der Grundlage dieses kurz skizzierten Demokratieverständnisses soll im Folgenden ein tragfähiges Fundament zur Legitimierung von Stiftungen entwickelt werden. 53 Wohl wissend, dass "[d]ie Frage der Vereinbarkeit von Demokratie als Staatsform und Demokratie als Politik […] eines der Hauptprobleme der gegenwärtigen politischen Soziologie" ist (Rammstedt/Klima 1994, S. 130 – in Lexikon der Soziologie). 54 "Pluralismus (P) meint eine Vielfalt, Vielgestaltigkeit und findet seinen Gegensatz in den Begriffen Monismus, Singularismus, Totalitarismus. P im engeren Sinne bezieht sich nicht auf eine beliebige Vielfalt, sondern auf eine solche, deren einzelne Elemente in einer kennzeichnenden Beziehung zueinander stehen; Die Elemente einer ‚Einheit in Vielheit’ sind prinzipiell eigenständig (autonom), gleichberechtigt und voneinander unabhängig, sie sind nicht massgeblich der Kontrolle und Lenkung anderer unterworfen; sie stehen miteinander durchaus im Verhältnis des Wettbewerbs und Konflikts und/oder der Kooperation, nicht jedoch im Verhältnis hierarchischer Zu- und Unterordnung" (Steffani 1983, S. 344). Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 50 2.3.1 Kritische Würdigung bestehender Funktionseinteilungen klassischer Stiftungen Die Basis zur Legitimierung von Stiftungen in der Demokratie wird mit einer eingehenden Betrachtung der verschiedenen Stiftungsfunktionen gelegt. Bei der Funktionsbetrachtung wird insbesondere Bezug genommen auf die Funktionseinteilungen von Prewitt und Frumkin. Letzterer erachtet eine Unterteilung in fünf Stiftungsfunktionen als sinnvoll: "With some simplification, it is possible to isolate at least five important purposes or functions that have emerged over time as philanthropy has sought to define a distinctive place for itself in public life" (Frumkin 2005, S. 15). Er streicht als Funktionen von Stiftungen folgende fünf Punkte heraus (vgl. S. 15 ff.): 1. creating social and political change 2. locating and supporting important social innovations 3. achieving equity through redistribution 4. supporting the self-actualization of donors 5. affirmation of pluralism Frumkin bezieht sich bei seiner Unterteilung stark auf einen Beitrag von Prewitt (1999)55, der seinerseits von folgenden vier Kernfunktionen von Stiftungen ausgeht: 1. Redistribution 2. Efficiency 3. Social Change 4. Pluralism Beide Autoren benennen die Pluralismusfunktion als eine zentrale Funktion, obwohl sie sich inhaltlich weit weniger eindeutig formulieren lässt als z. B. die Innovations- oder Redistributionsfunktion56. Sowohl bei Frumkin als auch bei Prewitt ist "Pluralismus" eher eine "Sammelkategorie". Prewitt definiert die Pluralismusfunktion folgendermas55 "Here I am building on the fourfold framework advanced by Kenneth Prewitt […]" (Frumkin 2005, S. 601, Endnote 30). 56 Wobei insbesondere diese beiden Funktionen von Prewitt und anderen Autoren sehr kritisch gesehen werden. Hinsichtlich der Innovationsfunktion stellt Prewitt fest: "[T]he changes are comparatively small-scale. Foundations cannot operate at a scale that is transformative […]." Leat (1999, S. 125) formuliert in die selbe Richtung: "Foundations have cultivated the notion that they are pioneers in provision innovation even though there is little systematic evidence to support or refuse this claim."; vgl. hierzu auch Mahoney/Estes 1987. Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 51 sen: "Foundations are embedded in and help to fund the nonprofit sector. And within that larger enterprise, there are special and even unique opportunities for foundations to have a disproportional influence on features that expand the scope for a pluralism of expression and practice” (Prewitt 1999, S. 28). Pluralismus als Stiftungsfunktion wird auch von weiteren Autoren genannt (z. B. auch Anheier 2005a: Promotion of Pluralism; Nonprofit Industry Trade Association: contributions to pluralism) und gilt trotz der unscharfen Abgrenzung als offensichtlich die "unumstrittenste" Funktion: "Here, then, is a justification for the foundation sector. […] an ongoing and lasting contribution to the pluralism of practice and thought and via that contribution a deep commitment to the principles of tolerance and openess that flow from pluralism" (Prewitt 1999, S. 29)57. Auffallend ist jedoch, dass die Pluralismusfunktion von den zitierten Autoren nicht in die Begriffsdefinition von Demokratie eingebettet wird. Doch Demokratie stellt - wenn nicht explizit genannt, so doch implizit - den Rahmen für die Funktionsbetrachtung der zitierten Autoren dar.58 Nur durch die Rückbeziehung auf die Begriffsdimension der "Demokratie als Gesellschaftsform" (s. o.) entfaltet die Pluralismusfunktion von Stiftungen eine Erklärungs- und Legitimationsbasis, die auch im Rahmen des Legitimierungsprozesses wieder aufgegriffen werden wird. Die Funktionen "Redistribution", "Change" und "Innovation" werden von beiden Autoren als weitere zentrale Funktionen bezeichnet - auch hier liegen Übereinstimmungen mit weiteren Autoren vor.59 Jedoch ist zu bedenken, dass "change" auch als Zieldefinition klassifiziert werden kann, wie selbst Prewitt (1999) formuliert: ”It is clear that to try to bring about desired social change is a defining characteristic of the foundation movement" (S. 24). In diesem Sinne führt die "Gleichstellung" von z. B. "Redistribution", "Change" und "Innovation" als Funktionen nicht zu einem besseren, trennschärferen Verständnis der Funktionen von Stiftungen, sondern vermischt eher technisch-konzeptionelle Funktionen wie "Innovation" mit einer Zieldefinition "Social Change", sowie politisch-programmatischen Funktion wie z. B. "Redistribution". Als Konklusion daraus 57 ähnlich auch Frumkin 2005, S. 23 f. und S. 601 - Endnote 47; Anheier 2005, S. 318; Toepler 1996, S. 75; Karpen 1980, S. 74. 58 Toepler (1996, S. 43) erwähnt immerhin einige Quellen (Flitner 1972, Schiller 1969), die Stiftungen auch in anderen als demokratischen Gesellschafts- und Herrschaftsformen betrachten: "Es ist durchaus richtig, dass Stiftungen in totalitären Herrschaftssystemen noch weniger als in demokratischen geduldet werden (siehe Flitner 1972)." 59 z. B. Anheier 2005: "Innovation", "Social and Policy Change", "Redistribution", "Preservations of traditions and cultures"; Leat 1999, S. 124 f.: "pump priming", "innovation", "unpopular causes", "emergency funding". Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 52 wird im Folgenden die Funktion Social Change als Zieldefinition in Prewitts Sinne verstanden ("defining characteristic of the foundation movement"), während die Funktion Innovation eine der zentralen technisch-konzeptionellen Funktionen von Stiftungen darstellt. Andere Autoren differenzieren insbesondere die "nicht"-innovativen Funktionen von Stiftungen weiter aus als Prewitt und Frumkin, so z. B. Anheier (2005a, S. 318 f.), der neben der Redistributionsfunktion noch die Funktion "Preservations of traditions and cultures" aufnimmt, was sich durchaus nachvollziehen lässt, denkt man z. B. an Museen und Musikvereine, die auch von Stiftungen unterstützt werden. Auch Leat (1999, S. 124) teilt auf in "unpopular causes" im Sinne von Redistribution60 und "emergency funding", wobei letztere Funktion eine Sonderstellung einnimmt, da sie nicht im eigentlichen Sinne redistributiv ist, sondern z. B. die schnelle Hilfe (und nicht Umverteilung) bei Naturkatastrophen für alle Betroffenen im Vordergrund steht. Diese Ausdifferenzierungen sollen in dieser Arbeit unter der Funktion Stabilisierung, wiederum im Sinne einer technisch-konzeptionellen Funktion zusammengefasst werden. Die oben genannten ausdifferenzierten Funktionen stellen in der vorliegenden Arbeit eher politisch-programmatische Funktionen dar, auch im Sinne von Themen- oder Arbeitsschwerpunkten, über deren Ausformulierungen lange Diskussionen geführt werden könnten, ohne zu einer abschliessenden, einheitlichen Auffassung zu gelangen. Dies belegen auch die zahlreichen Unterschiede zwischen den zitierten Autoren. Die politisch-programmatischen Funktionen spiegeln sich daher insbesondere in der Formulierung einer Stiftungsmission bzw. der Festlegung von inhaltlichen Eckpfeilern wieder und dienen der inhaltlichen Legitimierung der einzelnen Stiftung (vgl. Kap. 12). Die hier im Vordergrund stehenden technisch-konzeptionellen Funktionen hingegen bieten die Grundlage für eine Legitimierung aller Stiftungen als "gesellschaftliche Institutionen". Einige Autoren, so auch Prewitt (1999) und Anheier (2005a), nehmen auch "Efficiency" mit in die Liste möglicher Funktionen auf, was jedoch in der vorliegenden Arbeit nicht zu eine der oben aufgelisteten Unterteilungen "passt". Effizienz ist keine Funktion, sondern ein Charakteristikum ("Diese Organisation ist sehr effizient!") oder ein Ziel ("Wir wollen die Effizienz erhöhen!"). Für diese (Nicht-) Klassifizierung des Effizienzbegriffs 60 Unpopular causes: "[…] simply groups or projects that do not currently have adequate or secure income" (S. 124). Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 53 als Funktion spricht auch z. B. die Studie von Toepler und Feldman (2003), in der das "state funding" und "foundation funding" von Forschungsprojekten untersucht wurden. Hier haben dann Begriffe wie Flexibilität, Effizienz der Entscheidungsfindung etc. als Eigenschaften bzw. Charakteristika dieser oder jener Organisation als Unterscheidungsmerkmale grosse Bedeutung. Fasst man nun die obige Diskussion und Kritik an verschiedenen Klassifikationsrastern für Funktionen von Stiftungen zusammen, bleibt als Ergebnis: Stiftungen besitzen zu allererst eine Pluralismusfunktion. Ausgehend von dieser Funktion, also der Erhaltung und Unterstützung dieses demokratisch-gesellschaftlichen Wertes schlechthin, gibt es dann technisch-konzeptionelle Funktionen: "Innovation", im Sinne von Streben nach Neuem, Unbekanntem und Risikobehaftetem; "Stabilisation", im Sinne von Bewahren, Ausgleichen und auch von Umverteilen und Unterstützen. Die Ausgestaltung dieser Funktionen im Sinne der Festlegung von bestimmten Themenbereichen, Arbeitsschwerpunkten und schliesslich Massnahmenplänen ist dann immer eine normative, politisch-programmatische Entscheidung der einzelnen Stiftung. Diese beiden Funktionen und die nachfolgenden Aktivitäten von Stiftungen erfolgen in Ergänzung zu den Aktivitäten in anderen Sektoren in Bezug auf das gemeinsame Ziel aller gesellschaftlichen Stakeholder, die Gesellschaft weiterzuentwickeln. Die Ergänzungsfunktion rekurriert in diesem Sinne auf die o. g. Pluralismusdefinition als einer "Einheit in Vielheit", wobei die einzelnen Elemente einer Gesellschaft durchaus "im Verhältnis des Wettbewerbs und Konflikts und/oder der Kooperation, nicht jedoch im Verhältnis hierarchischer Zu- oder Unterordnung" (Steffani 1983, S. 344) stehen. Ergänzung in diesem Verständnis weist übrigens auf die Notwendigkeit der eigenen, reflektierten Positionierung hin, um sich selbst die Frage zu beantworten: "Wie kann ich meine Ressourcen und Kompetenzen so einbringen, dass ein möglichst grosser Impact entsteht?". Die Autoren der vorliegenden Arbeit sprechen sich klar gegen eine lineare Aufzählung von Funktionen aus, wie sie von vielen anderen Autoren vorgeschlagen wird. Durch eine reine Aufzählung wird nicht Bezug genommen auf die Begriffsdimensionen der Demokratie (Herrschaftsform und Gesellschaftsform). Dadurch werden die vorhandenen Erklärungspotentiale der Daseinsberechtigung (Legitimation) und die Erläuterungen von Funktionen von Stiftungen in einer Demokratie nicht ausgeschöpft. So können z. B. die Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 54 technisch-konzeptionellen Funktionen und die zustande kommenden Handlungsspielräume für Stiftungen nicht zurückgeführt werden auf "Demokratie als Herrschaftssystem" (der Staat kann oder darf nach dem Grundsatz des Mehrheitsbeschlusses in bestimmten Bereichen nicht tätig werden). Zudem vermischen sich Grund- und Zielfunktionen (die sich ihrerseits in Bezug setzen lassen mit "Demokratie als Gesellschaftsform") mit technisch-konzeptionellen Funktionen (die sich demgegenüber ableiten lassen von "Demokratie als Herrschaftsform") und sogar mit politisch-programmatischen Kategorien (die eher im Bereich der Stiftungspolitik, vgl. Kap. 9.1, also im Management im engeren zu verorten sind). Der Bezug auf die politisch-programmatische Dimension erweist sich als alleinige Legitimierungsbasis im Einzelfall (Stiftung) immer angreifbar(er) als eine notwendige "erstinstanzliche" Rekursion auf die technisch-konzeptionellen Funktionen (Stiftungssektor).61 Mit dem Orientierungsraster der Stiftungsfunktionen im folgenden Kapitel wird ein Versuch unternommen, zum einen die generischen Stiftungsfunktionen herauszustellen, zum anderen eine Argumentationsgrundlage zu schaffen, auf die im Legitimierungsprozess zurückgegriffen werden kann. 2.3.2 Pluralismus und Ergänzung als Grundfunktionen und Legitimationsbasis klassischer Stiftungen Wie von vielen anderen Autoren auch, wird in dieser Arbeit die Pluralismusfunktion als zentrale Funktion von Stiftungen angesehen. Im Unterschied zu den oben aufgeführten Autoren Frumkin, Prewitt und Anheier, wird hier die Grundfunktion explizit auf "Demokratie als Gesellschaftsform" bezogen und Pluralismus als ein konstituierendes Element einer demokratischen Gesellschaft verstanden. Da die Pluralismusfunktion von allen gesellschaftlichen Gruppen und Institutionen als Legitimationsgrundlage verwendet werden kann, stellt sich weiter die Frage, warum gerade Stiftungen trotz "ihrer undemokratischen Struktur"62 (Neuhoff 1991) in einer Gesellschaft geduldet sein sollten, in der 61 Zur damit zusammenhängenden Herausforderung der Legitimierung im Sinne von "Transparenz schaffen", "Rechenschaft ablegen" und "Kommunikation wahren" vgl. hierzu Anheier/Appel (2004), insbesondere S. 13 ff., Anheier (2003) und Kapitel 12. 62 Stiftungen sind weitgehend frei von direkter externer Kontrolle und nicht unmittelbar verantwortlich gegenüber Wählern, Mitgliedern, Konsumenten, Shareholdern oder Stakeholdern. Stiftungen und deren Organe sind rein juristisch betrachtet alleine dem in der Stiftungsurkunde verfassten Stifterwillen sowie dem gesetzlichen und regulatorischen Rahmen Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 55 Demokratie "als politisches Grundprinzip ein allgemeines Strukturmerkmal" ist (Alemann 1983, S. 78). Das Pluralismus-Argument pro Stiftungen von Prewitt (1999) greift etwas zu kurz, wenn er feststellt: "Because pluralism has a moral and evolutionary weight, if foundations contribute to pluralism an explanation for the legitimacy of foundations begins to come in view." Eine interessante Fundierung bietet ein hier sinngemäss wiedergegebenes Zitat von de Tocqueville, das eine Annäherung sowohl zur weiteren Klärung der Stiftungsfunktion "Pluralismus" schafft als auch zu deren Legitimation beitragen kann: Als Gesellschaft der Gleichen übt die Demokratie einen Konformitätsdruck "der Massenseele auf den Einzelgeist" aus, führt zu einer "Tyrannei der Mehrheit" und zu einem "Triumph des Mittelmasses" (Tocqueville zit. in Spinnler 2005, S. 25). Gerade Stiftungen können auf Grund ihrer Charakteristika (u. a. schnelle Entscheidungsfindung, Flexibilität, Risikoübernahme, vgl. auch Kap. 2.1.6) unbequeme Fragen aufgreifen und neuartige Problemlösungen testen. Die Bertelsmann Stiftung (1997, S. 9) leitet daraus die Anforderung an Stiftungen ab, sich nicht auf die Kritik an den herrschenden Zuständen zu beschränken, sondern als "Modellbauer" aktiv zu sein jedoch nicht als staatliche Lückenbüsser63 - und in zentraler Rolle als Vorreiter gesellschaftlicher Veränderungen zu agieren. Weidenfeld (1997) sieht Stiftungen allgemein als einen "Grundbestandteil der civil society" und der ehemalige deutsche Bundespräsident Roman Herzog (1997, S. 36; ähnlich Borgolte 2001) geht sogar noch weiter und hält fest, dass Stiftungen "Pioniere auf dem Weg zur unmittelbaren, spontanen, dezentralen, effizienten, vielfältigen Verbindung von unternehmerischer Dynamik und dem Dienst am Gemeinwohl sind." Stiftungen werden in diesem Sinne oftmals auch als "Seismographen der Gesellschaft" verstanden (Anheier 1998, S. 52), die die aktuellen und zukünftigen Probleme aufgreifen und die Entwicklung von Lösungsansätzen ermöglichen. Die Pluralismusfunktion erbringen Stiftungen in Ergänzung zu den Aktivitäten der anderen Sektoren. Diese grundsätzliche Ergänzungsfunktion von Stiftungsaktivitäten lässt verpflichtet. Diese einzigartige Freiheit ist gleichzeitig jedoch auch eine der grössten Herausforderungen für Stiftungen. So impliziert das Fehlen der marktlichen und politischen Korrektive gleichzeitig, dass kein Stakeholder die Arbeit der Stiftungsorgane auf ihre technisch-konzeptionelle wie politisch-pragmatische Funktionserfüllung überwachen kann. 63 Diese Funktion können Stiftungen trotz steigender Vermögen (vgl. Kap. 2.2.4) auch gar nicht übernehmen, denn gemäss Anheier (2000) erhält der gemeinnützige Sektor in Deutschland seine gesamten Einnahmen zu weniger als 2 Prozent von Stiftungen, aber zu über 65 Prozent durch staatliche Zuwendungen. Stiftungen können also die Lücken eines z. B. defizitären Staatshaushaltes nicht substituieren (ähnlich auch Kocka 2004, S. 6). 56 Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren sich auch mit einer Einschätzung von Flitner belegen (1972, S. 45 ff. - zit. in Toepler 1996, S. 51). Danach können Stiftungen "ihre ergänzende Hilfe einsetzen, Risiken zu übernehmen und innovative Alternativen entwickeln, zu denen eine Gesellschaft sonst nur schwer Zugang fände, die ihre Entscheidungen in der Form der quantitativen Mehrheitsdemokratie zu fällen pflegt. […] Zugleich helfen Stiftungen aber der Gesellschaft, mit den Schwächen und Mängeln der Demokratie fertig zu werden, ohne sie selbst deswegen in Frage stellen zu müssen. Stiftungen sind dazu berufen, die Demokratie mit am Leben zu erhalten, indem sie dort eintreten, wo sie versagt, weil die erforderlichen Mehrheitsbeschlüsse nicht zustande kommen und die Entwicklung gelähmt wird […]." In diesem Zitat wird insbesondere die "Demokratie als Herrschaftssystem" mit ihrem Charakteristikum des Mehrheitsbeschlusses angesprochen. Dadurch wird die bisherige Pluralismusfunktion, die sich auf "Demokratie als Gesellschaftsform" bezieht, erweitert. Dieser Brückenschlag wird besonders dann interessant, wenn die technisch-konzeptionellen Funktionen von Stiftungen als Ausgestaltung der Pluralismusfunktion aufgefasst werden und die Ergänzungsfunktion miteinbezogen wird. Eine ergänzende Stiftungsaktivität lässt sich insbesondere durch die in Kapitel 2.1.6 beschriebene Lücke zwischen Staat und Markt erklären, und zwar einmal durch die Befriedigung einer bestehenden Nachfrage (nachfrageinduzierte Stiftungstätigkeit), die jedoch auf einer Minderheit basiert und somit vom Staat nicht befriedigt werden kann (Mehrheitsdiktat), jedoch auch für Privatunternehmen nicht lukrativ ist (geringe Menge; Charakteristika der Güter: keine Ausschlussmöglichkeit und keine Rivalität), und zum anderen durch die Produktion von meritorischen Gütern (vgl. Musgrave 1959; Nichols et al. 1971; Sandmo 1983; West/McKee 1983), d. h. von Gütern, denen ein immanenter Wert innewohnt, der jedoch vom Markt nicht ausreichend honoriert wird (werden kann), da sich der Wert (bisher) nicht in Präferenzen niederschlägt (angebotsinduzierte Stiftungstätigkeit). Auch hier können weder der Staat (ein Marktversagen im strengen Sinn liegt nicht vor) noch Privatunternehmen (es ist keine Nachfrage vorhanden) tätig werden (vgl. Toepler 1996, S. 56). Sowohl eine Befriedigung der Bedürfnisse von Minderheiten in Gesellschaften heterogener Nachfrage als auch die Präferenzbildung im Hinblick auf potentiell meritorische Güter (und damit zur Abwehr von de Tocqueville’s Sorge des "Triumphs des Mittelmasses") stehen als theoretische Konzepte hinter den beiden technisch-konzeptionellen Funktionen von Stiftungen und schlagen die Brücke vom Wert des Pluralismus "an sich" innerhalb einer demokratischen Gesellschaft hin zur Zielfunktion "sozialer Wandel". Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 2.3.3 57 Sozialer Wandel als Zielfunktion klassischer Stiftungen Sozialer Wandel als Oberbegriff umfasst alle sozialen Prozesse der Veränderung gesellschaflticher Beziehungen und Verhältnisse in quantitativer und qualitativer Hinsicht. Soziale Prozesse könne dabei "zugleich Auslöser oder Voraussetzung für einen umfassenden gesellschaftlichen Wandel" sein (Klein 1995, S. 177). Im Sinne von Elias lassen sich diese Prozesse als "dynamische Stabilität" konzipieren, gewissermassen als Dualität von Stabilität und Wandel (vgl. Klein 1995, S. 177). Ähnlich äussert sich auch der Management-Kybernetiker Asby (vgl. Rüegg-Stürm 2002, S. 80) für den Bereich des Managements. Er illustriert den Wandel als Voraussetzung für Stabilität mit dem Beispiel des Befahrens einer geraden Linie mit einem Fahrrad.64 Rüegg-Stürm formuliert darauf aufbauend für eine Unternehmensentwicklung: "Eine erfolgreiche Unternehmensentwicklung muss daher gleichermassen durch Stabilität und Veränderung, durch Verunsicherung und erneute Vergewisserung, durch Wertschätzung der Tradition und durch unerschrockenes Beschreiten neuer Wege geprägt sein" (Rüegg-Stürm 2003, S. 80). Die Rückübertragung auf die Entwicklung einer Gesellschaft lässt sich folgendermassen formulieren: eine Gesellschaft hält nur bedingt dauerhafte Veränderung und Unsicherheit aus. Neben der Suche nach Neuem, nach Innovationen65, nach "schöpferischer Zerstörung" (Schumpeter 1934) ist immer auch Stabilisation, Traditionen und die Besinnung auf Erreichtes nötig, als Orientierungen und Stabilisatoren in einem sich wandelnden Umfeld. Stiftungen nehmen daher in einer Demokratie über ihre beiden oben beschriebenen Funktionen der Innovation und Stabilisierung eine zentrale Rolle ein (vgl. Abbildung 2-12). Sie können sich also zum einen als Change Agents engagieren, somit "Labor für die Zukunft" sein (übersetzt aus Frumkin 1999, S. 69). Sie können aber zum anderen auch eine wichtige Stabilisierungsfunktion einnehmen, zur Bewahrung bewährter Lösungen, zur Abfederung von Adaptionsproblemen in neuen Sozialstrukturen und zur Verstetigung sozialer Innovationen im Sinne einer Rückführung in eine "Alltagsarena"66. Stabilität 64 "Denn würde man den Lenker eines Fahrrads fixieren, fiele man unausweichlich ziemlich rasch um, weil auf diese Weise kleinere oder grössere Störungen in Form von Schwankungen nicht ausgeglichen werden können", so zitiert Rüegg-Stürm (2003, S. 80) das Beispiel von Ashby. 65 Innovation ist "die Hervorbringung, Durchsetzung, Übernahme und Anwendung neuer Ideen und Techniken bisher unbekannter Produkte oder Rollen in einem sozialen System oder Subsystem" (Wittig 1994, S. 300). 66 Der aus dem unternehmerischen Wandel stammende Begriff bezeichnet allgemein den "Raum gelebten Verhaltens […] in der ein oder mehrere Prozesse gewohnheitsmässig vollzogen werden" und auf die Bewältigung des geschäftlichen Alltags ausgerichtet ist. Sie steht im Gegensatz zu einer Wandelarena, in der das Geschehen "im weitesten Sinne auf Veränderung Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 58 und Wandel beziehen sich aufeinander und stehen in einem komplementären Verhältnis, d. h. in einer Dualität zueinander im Hinblick auf einen sozialen Wandel im Sinne von Zielfunktion technisch--konzeptionelle technisch Funktionen Grundfunktionen Evolution, Entwicklung und Fortschritt.67 Pluralismus und Ergänzung Innovationsfunktion Stabilisierungsfunktion Dynamische Stabilität Sozialer Wandel Abbildung 2-12: Die Funktionen von Stiftungen Mit dem oben vorgestellten Verständnis von Sozialem Wandel und der Dualität von Stabilität und Dynamik bekommen die beiden Stiftungsfunktionen Innovation und Stabilisation eine belastbare Legitimationsbasis. Stiftungen sind nicht als blosse Finanzintermediäre zu verstehen, weder im Bereich von Innovation (z. B. im Sinne einer umfassenden Finanzierung von Grundlagenforschung) noch im Bereich von Stabilisation (z. B. im Sinne einer umfassenden Finanzierung von Museen). Wäre dies der Fall, müssten Stiftungen zum einen doch erheblich mehr finanzielle Mittel zur Verfügung haben, als es im Moment der Fall ist, was auch die entsprechenden Vergleichszahlen eindrucksvoll bele- und Erneuerung einer bestimmten Alltagsarena […] gerichtet ist" (Rüegg-Stürm 2002, S. 353 ff. – Begriffssammlung: Alltagsarena; Arena; Wandelarena). 67 Diese Begriffe wurden hier alle unter Sozialem Wandel subsumiert, wohl wissend, dass die Begriffe durchaus jeweils eine eigene Bedeutung haben und in der (aktuellen) Soziologie z. T deshalb auch unterschieden werden bzw. nicht immer einheitliche Definitionen vorliegen. Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 59 gen.68 Zum anderen würden sie dadurch zu "Erfüllungsgehilfen" des Staates und so geradezu das Fundament einer Demokratie beschädigen, denn Stiftungen bewegen sich, wie oben beschrieben, ausserhalb der demokratischen Willensbildung und sind gemäss ihrer Charakteristika gerade als nicht-demokratische Organisationen zu klassifizieren. Ursprüngliche Staatsaufgaben (wie auch immer diese in einer konkreten Situation abzugrenzen sind) können nicht der demokratischen Herrschaftsform entzogen und z. B. von Stiftungen erbracht werden. Stiftungen können jedoch durch das oben dargelegte Demokratieverständnis, aber auch durch ihre Charakteristika ein im Sinne de Tocqueville’s sinnvolles Korrektiv innerhalb einer Demokratie gegen einen "Triumph des Mittelmasses" sein. Als "Korrektiv des Korrektivs" wiederum lizenziert der Staat (per Mehrheitsentscheid) "eine Ergänzung, wo er selbst nicht handeln kann. Die Bereiche allerdings, die einer Ergänzung offen stehen, sind mehr oder minder scharf umrissen (vgl. Schiller 1969, 25 ff.). Der Stifter ist zwar frei, seinen Zweck selbst zu bestimmen, aber nur in den Bereichen, in denen der Staat es für richtig hält, zumindest solange er staatliche Unterstützung in Form von Steuerbefreiungen anstrebt" (Toepler 1996, S. 75 f.). Zwei generische Funktionsmodi stehen Stiftungen dabei zur Verfügung, die "lizenzierten" Bereiche in Angriff zu nehmen (z. B. im Bereich Soziales, in der Kulturförderung, im Bereich Bildung und Forschung etc.): Innovation und Stabilisation. 2.3.4 Innovation und Stabilisierung als technisch-konzeptionelle Funktionen klassischer Stiftungen Die beiden technisch-konzeptionellen Funktionsmodi von Stiftungen, die Innovationsfunktion und die Stabilisierungsfunktion, stehen in einem Wechselverhältnis zueinander. Sie bedingen sich gegenseitig - im Sinne einer Dualität, wie jene von Struktur und Handlung (vgl. Giddens 1984/1995 und Kap. 4.3). Als analytische Kategorien - die durchaus in Mischformen vorkommen oder beide sogar innerhalb einer Stiftung zu finden sein können - sollen die beiden Funktionen im Folgenden erläutert werden. Als weitere Unterteilung werden schlagwortartig drei "Stiftungstypen" oder "grant making cultures" (Leat 1999, S. 126 ff.) eingeführt, die die beiden Funktionsmodi veranschaulichen. 68 In den USA betragen die Staatsausgaben pro Tag rund USD 6 Mrd. (bezogen auf 2004). Der gesamte US-Stiftungssektor schüttet pro Jahr USD 30 Mrd. aus, d. h. die Ausschüttungen der Stiftungen würden gerade fünf Tage reichen, um die Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 60 Zur Bereitstellung philanthropischen Risikokapitals (Anheier 2000, S. 12 f.) in Bereichen, in denen sich Markt und Staat "schwer tun", eignen sich Stiftungen im Besonderen, um Innovationen zu ermöglichen, Risiken zu tragen und kontroverse Bereiche zu erkunden. Feddersen (2000, S. 17 ff.) plädiert für den Staat als Innovator lediglich bei konkret vorhandenen und gesellschaftlich (an)erkannten Problemfeldern in Bereichen wie z. B, in Deutschland gegenwärtig das Thema "Elite-Universitäten". Oftmals entstehen soziale Innovationen gerade nicht aus politischen Prozessen heraus, sondern im privatwirtschaftlichen Bereich oder initiiert und teilweise auch umgesetzt von "Think-tanks", die häufig in Stiftungsform auftreten. Diese "Incubators" (Sharp 2002)69 gesellschaftlicher Innovationen beeinflussen signifikant die Weiterentwicklung und Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft.70 Ähnlich definiert auch Frumkin die Rolle von Stiftungen (1999, S. 69): "Foundations can serve as laboratories for experimentation where new and controversial ideas can be put to the test.” Die hier angesprochene Bedeutung von Stiftungen hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Innovationsfunktion kommt einer katalytischen Wirkung beim Sozialen Wandel in Gesellschaften gleich. Das Zustandekommen eines "social ventures" oder eines Experiments, wie Frumkin formuliert, hängt wesentlich von einer unternehmerischen Kultur der Gesellschaft ab - analog dem klassischen Entrepreneurship. Dazu bedarf es einer entsprechenden Stifter- und Stiftungskultur, die die Innovations- und Transferprozesse fördert (vgl. Rüegg-Stürm et al. 2004a). Aufgrund der im Vergleich zum staatlichen Gesamthaushalt oder auch zu privatwirtschaftlichen Forschungs- und Entwicklungsausgaben grosser Konzerne oftmals geringen finanziellen Ausstattung einer Stiftung muss sie auf das Prinzip der Hebelwirkung bauen: sie muss die "philanthropische Nische" entdecken und darin katalytisch wirkende Projekte initiieren und finanzieren. "While foundations have the capacity to play a critical role in providing venture capital for social experimentation" (Frumkin 1999, S. 69), orientieren sich, wie oben beschrieben, Regierungen an dem was mehrheitsfähig, Unternehmen an dem was profitabel ist. Staatsausgaben zu bestreiten. 69 Interessanterweise gibt es inzwischen sogar Initiativen, die sich als Incubatoren für Stiftungen bezeichnen, z. B. The Foundationincubator (www.foundationincubator.org). 70 z. B. Stiftung Avenir Suisse, die als "Think-tanks" von führenden Schweizer Unternehmen gegründet wurde: www.avenirsuisse.ch (23.08.2005). Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 61 Bei der Innovationsfunktion der Stiftungen kommt insbesondere die bereits oben eingeführte Kategorie der meriotrischen Güter zur Geltung (angebotsinduzierte Stiftungstätigkeit). Die Klassifizierung eines Gutes als meritorisches basiert auf den Präferenzen einer (auch kleinen) Gruppe und der Beurteilung von Experten, die "besser" über die möglichen (zukünftigen) Bedürfnisse informiert sind, als die eigentlichen konsumierenden Individuen. Der meritorische Charakter eines Gutes wird zudem von verschiedenen historischen, ökonomischen und sozialen Bedingungen beeinflusst (vgl. Toepler 1996). Visionäre versuchen in diesem Fall, die latente Bedürfnislücke sofort zu schliessen und in einer schöpferischen Art und Weise Lösungen bereit zu stellen. Oftmals sind die Erfolgschancen klein und schwer abschätzbar, so dass keine profitorientierte Organisation es wagt, in die Erstellung solcher Güter zu investieren. Gerade dann kann ein Visionär oder eine Gruppe von Visionären eine andere Einschätzung der Situation haben und Investitionen wagen im Sinne einer "opportunity creation through visionary thinkers" (ähnlich auch Schumpeter 1934/1942; Shane/Venkataraman 2000). Stiftungen können und sollen der Gesellschaft dabei aber auch nichts aufzwingen (vgl. Schmidt 1998), denn eine Stiftung kann sich im Gegensatz zum Staat oder grossen Unternehmen (meist) nicht auf eine Machtgrundlage stützen und kann daher nur durch Überzeugungskraft und Vorbildwirkung Veränderungen bewirken (vgl. Weidenfeld 1997). Auch Mohn (1997), Gründer der Bertelsmann Stiftung, ist überzeugt, dass Stiftungen aufgrund ihres Vorteils der Freiheit von Vorschriften verpflichtet sind, Kritik zu üben, kreativ zu handeln und innovative Lösungen aufzuzeigen. Dazu bedarf es einer Kultur der Fehlertoleranz in der Gesellschaft als entscheidende Voraussetzung für die Bereitschaft zur Kreativität und Innovation - und eine entsprechende Risikobereitschaft im Stiftungssektor. Die Stiftung "Lilly Endowment" kommt dem Idealtypus einer Stiftung mit Innovationsfunktion sehr nahe. So verpflichtet sie sich selbst (wie im Jahresbericht 1990, S. 3, verdeutlicht) der Mission einer Stiftung, die "should strive to be a center for learning - a place that uses its assets to test new ideas, to look at problems from a variety of angles, and to take some risks” (zit. in Toepler 1996, S. 82). Ein innovatives Selbstverständnis von Stiftungen lässt sich übrigens nicht erst in den letzten Jahren beobachten, sondern wurde - wie das Beispiel der Carnegie Stiftung zeigt - auch bereits Anfang des letzten Jahrhunderts formuliert. Die von Andrew Carnegie 1911 gegründete Stiftung wurde mit Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 62 dem allgemeinen Ziel der Förderung und Verbreitung von Wissen und Verständnis im Volk der Vereinigten Staaten und der Britischen Dominions und Kolonien ins Leben gerufen. So förderte diese Stiftung im medizinischen Bereich u. a. die Entdeckung des Insulins, die Entwicklung des Impfstoffes gegen die Kinderlähmung und die Forschung zur DNS (vgl. Borgolte 2001). Als weiteres Beispiel für eine Stiftung, die die Innovationsfunktion als ihre Hauptfunktion definiert hat, kann die Gebert Rüf Stiftung genannt werden. "Die Gebert Rüf Stiftung beruht auf einer privaten Initiative. Mit ihrer spezifischen Projektförderung an Universitäten und Fachhochschulen will sie die Innovation, den Transfer und die Wirksamkeit von Wissenschaft unterstützen."71 Auch im Sozialbereich lassen sich viele Beispiele zitieren, wie bereits vor Jahrhunderten innovative Wege bei der Bewältigung sozialer Missstände beschritten wurden. Der Augsburger Händler Jakob Fugger hat z. B. Wohnraum für bedürftige (katholische) Mitbürger errichten lassen. Die Zwei-Zimmer-Wohnungen der historischen Fuggerei (Fuggersche Stiftung) gelten als die älteste (1521) Sozialsiedlung der Welt. Fugger hat in der damaligen Zeit ein Thema lanciert, das auch Jahrhunderte später noch nichts an seiner Relevanz eingebüsst hat, jedoch damals ausgesprochen revolutionär war und innovativ umgesetzt wurde. Neues kann aber nur ent- und bestehen, wenn auch Stabilität vorhanden ist. Stiftungen können gerade diese wichtige Stabilisierungsfunktion einnehmen, indem sie diejenigen fördern, die insbesondere unter den Bedingungen von Nachfrageheterogenität und Knappheit an öffentlichen Mitteln leiden (Anheier 2000). Mit einem Wandel geht auch immer ein Festhalten an den identitätsstiftenden, bewährten Routinen und Strukturen einher, das auf Grund der oft ungewissen Zukunft durchaus nachvollziehbar erscheint.72 Die Unterstützung von z. B. Museen, Kunst- und Kulturschaffenden, Sport- und Freizeitvereinen scheint in ihrer Vielfältigkeit dazu geeignet, als vergangenheits- und zukunftsbezogene Aktivität die notwendige Grundlage für Innovationen zu schaffen. Innovationen als Alternative zu etwas Bestehendem brauchen ja gerade das "Alte" als Reso- 71 Profilbeschreibung der Gebert Rüf Stiftung auf deren Website: www.grstiftung.ch (23.08.2003). 72 vgl. Schumacher (2003, S. 23) für den Bereich des unternehmerischen Wandels, was aber auch auf gesellschaftlichen Wandel übertragen werden kann. "So wird beispielsweise der Gegensatz zwischen der Stabilität und dem Wandel der existierenden Identität im Rahmen einer übersummativen Verbindung nicht mehr länger als Gegensatz gesehen (z. B.: Um die Stabilität in einem geänderten Umfeld zu erhalten, braucht es Veränderung; um die Marktposition zu halten braucht es einen Produktwechsel)" (S. 24). Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 63 nanzboden für das "Neue". Als Beispiel können hierfür dienen: die Beyeler-Stiftung73 (einerseits Sammlung von Kunstgütern der klassischen Moderne, andererseits der Dialog mit der Gegenwart, in dem das Museum nicht einfach einen wertvollen Schatz hüten möchte, sondern sich auch als ein öffentlicher Ort der Innovation versteht); die Stiftung Preussischer Kulturbesitz74 (die Stiftung zählt zu den größten Kultureinrichtungen weltweit mit 16 Museen, der Staatsbibliothek, dem Geheimen Staatsarchiv und einer Reihe von Forschungseinrichtungen); die Deutsche Hygiene-Stiftung75 (als Trägerin des Deutschen Hygiene-Museums). Gerade die letzten beiden Beispiele, der Deutschen HygieneStiftung und von "Stiftungen gegen Drogen", weisen auf eine weitere Besonderheit hin. Dort ist durchaus - wie bei vielen anderen Stiftungen der Stabilisationsfunktion - auch ein unternehmerischer, innovativer Aspekt zu beobachten - ganz im Sinne von Drucker (2002)76. Die Deutsche Hygiene-Stiftung führt z. B. Weiterbildungsmassnahmen durch, die insbesondere Kindern und Jugendlichen das Thema Zahnhygiene näher bringen sollen. Es werden z. B. neue didaktische Wege gegangen und der Kontakt zur Zielgruppe erfolgt anders als früher. Auch die Jacobs Foundation beschreitet mit einem ihrer Projekte neue Wege eines altbekannten Problems: Regionalplanung in der Schweiz in abgelegenen Alpentäler (Projekt "Moving Alps"). Hier wird auch die Grenze der analytischen Trennschärfe der Kategorien "Innovation" und "Stabilisation" deutlich, denn das eigentliche Thema "Regionalplanung" ist ohne Zweifel gerade für die Schweiz ein sehr wichtiges Thema der Stabilität. Der innovative Ansatz der Jacobs Foundation geht doch über eine reine Prozessinnvoation hinaus, wie sie die Deutsche Hygiene-Stiftung beim Thema "Zahnhygiene" (vgl. Kap. 10.5 Dissemination, resp. 10.6 Replikation) eingeführt hat. Dennoch wird den in dieser Arbeit verwendeten und stark komplexitätsreduzierenden technisch-konzeptionellen Kategorien, "Innovationsfunktion" und "Stabilisierungsfunktion", eine tragfähige Erklärungsba73 www.beyeler.com/fondation/index_language.html (17.07.2005). 74 www.hv.spk-berlin.de (17.07.2005). 75 www.dhmd.de/neu/index.php?id=15 (17.07.2005). 76 Drucker stellte einmal fest – im Anschluss an die pointierte Aussage, dass "das Konzept der ‚Revolution’ eine Täuschung" sei: "Doch wir wissen auch, dass Theorien und Werte, dass all die Schöpfungen des menschlichen Geistes sowie die von Menschenhand geschaffenen Dinge früher oder später veralten, unbrauchbar werden und sich in eine ‚Plage’ verwandeln. Daher ist die Gesellschaft ebenso wie die Wirtschaft auf Innovation und auf unternehmerisches Handeln angewiesen. Eben weil Innovation und Unternehmertum nicht auf der radikalen Zerstörung, sondern auf dem schrittweisen Aufbau – ein Produkt hier, ein Verfahren dort – beruhen, […] weil sie mit anderen Worten nicht dogmatisch, sondern pragmatisch, nicht grandios, sondern bescheiden sind, sind sie geeignet, die Flexibilität und die Regenerationsfähigkeit einer Gesellschaft, einer Volkswirtschaft oder einer Industrie, eines öffentlichen Dienstes oder eines Unternehmens zu erhalten" (Drucker 2002, S. 371). Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 64 sis unterstellt - auch und gerade im Hinblick auf die sich in Zukunft wohl noch verstärkende Legitimationsdiksussion von Stiftungen als Bereitstellung "privater Mittel für öffentliche Zwecke" (Kocka 2004, S. 5; ähnlich auch Anheier 2003: "selbstlose Übergabe von Privatvermögen für öffentliche Zwecke"). Die folgende Abbildung 2-13 stellt die beiden generischen, technisch-konzeptionellen Stiftungsfunktionen in den Zusammenhang mit drei Stiftungstypen, die vornehmlich auf Vergabestiftungen zutreffen und im Rahmen des in Kapitel 7 - 12 vorgestellten Frameworks für Vergabestiftungen wieder aufgegriffen werden. Auf der Y-Achse sind die beiden grundlegenden Konzepte jeglicher Stiftungsaktivitäten abgebildet, die wie oben dargelegt, auch als Erklärungsgrundlage für die Innovations- und Stabilisierungsfunktion dienen. Die Ansätze der Stiftungsarbeit auf der X-Achse (responsive und proaktive Stiftungsarbeit), definieren hingegen die Stiftungstypen. Pl ur al ism us Gift Givers responsiv W an de l Dynamische Stabilität In no va to re n St ab ili sa to re n orientieren sich an … Social Investors l zia So bestehender Nachfrage Dritter Sektor Social EntreEntrepreneurs r le zia So neuem Angebot Vergabestiftungen proaktiv arbeiten … StaatsStaatswirtschaftlicher Sektor Freiheit – Gleichheit abgestimmte Ergänzung an de l W abgestimmte Ergänzung abgestimmte Ergänzung er Demokratische Gesellschaft PrivatPrivatwirtschaftlicher Sektor Abbildung 2-13: Vergabestiftungen als Innovatoren und Stabilisatoren Gift Givers finden sich dabei überwiegend im Bereich der Stabilisatoren. Sie entsprechen den Erfordernissen, die sich aus einer heterogenen Nachfrage in einer Demokratie erge- Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren 65 ben und arbeiten daher meist sehr responsiv (reaktiv), d. h. sie erwarten Anträge, deren Themengebiet sie mehr oder weniger vorgeben, und treffen auf der Grundlage der eingegangenen Anträge ihre Entscheidungen für oder gegen eine Finanzierung (nachfrageindizierte Stiftungstätigkeit). Im Gegensatz dazu investieren Social Investors normalerweise sehr viel Zeit, um ihr Tätigkeitsgebiet zu spezifizieren und ihre Projektpartner auszuwählen. Je nach Riskiopräferenz suchen sie ein eher "sicheres, solides" Tätigkeitsfeld, "to produce steady, if unexiting, results" (Leat 1999, S. 128) oder ein "unbekanntes, neues" Tätigkeitsfeld "because this is where the future lies" (Leat 1999, S. 128). Social Investors können nicht klar einer Stiftungsfunktion zugeordnet werden, es kommt hier sehr stark auf die einzelne, spezifische Stiftungskultur an. So kann eine solche Stiftung z. B. zwar eher responsiv agieren, in dem sie sich bei der Auswahl von Projekten ausschliesslich auf die eingegangenen Anträge beschränkt, aber inhaltlich die Auswahl nach Innovationskriterien im jeweiligen Themengebiet fällt. Sie reagiert somit in einem gewissen Sinn auf eine bestehende heterogene Nachfrage, kann aber durchaus inhaltlich den Innovatoren zugerechnet werden. Die Social Entrepreneurs dagegen kreieren proaktiv eigene Themenfelder und lancieren entsprechende Projekte. Immer häufiger werden dafür sogar die Projektpartner gezielt ausgesucht. Diese Arbeitsweise folgt dem Konzept der meritorischen Güter. Gerade nach de Tocqueville’s Argument besteht in einer demokratischen Gesellschaft ein Bedürfnis nach Social Entrepreneurs, die meritorische Güter und deren Potentiale unter sich verändernden Grundbedingungen erkennen und in einem "weak signals environment" nach Neuem suchen. Proaktives, unternehmerisches Stiftungsmanagement verstanden als "social entrepreneurship" (vgl. Dees 1998)77 setzt somit einen hohen Grad an Sachkenntnis voraus, der wiederum einen höheren Personal- und Administrationsaufwand nach sich zieht (vgl. Anheier 2005a, S. 317 f.; Leat 1999, S. 128 f.). "Social entrepreneurship"-Organisationen findet man aber nicht nur bei grossen Stiftungen, auch wenn z. B. Anheier (2005a, S. 318) eher der Meinung ist, dass "the majority of foundations are limited in their ability to adopt proactive strategies seeking out innovative, high-impact funding 77 Dees (1998, S.4) definiert "social entrepreneurs" als Personen, die "play the role of change agents in the social sector, by: Adopting a mission to create and sustain social value (not just private value); Recognizing and relentlessly pursuing new opportunities to serve that mission; Engaging in a process of continuous innovation, adaptation, and learning; Acting boldly without being limited by resources currently in hand; Exhibiting a heightened sense of accountability to the constituencies served and for the outcomes created.” Social value seinerseits ist definiert "as an effort not primarly economical beneficial but beneficial for the society in general and/or small parts of it. This highlights the relevance these goods still have for a specific consumer group, a human entity (Tool 1977, Platow 1993). 66 Stiftungen im Kontext gesellschaftlicher Sektoren ventures. […] This implies that the "venture capital paradigm" might apply to only a small number of well-endowed, professional foundations and cannot reasonably be generalized across the whole foundation field."78 Auch kleinere Stiftungen können durchaus innovationsfördernde Anschubfinanzierungen leisten und dadurch den Ideen-Pluralismus in der Gesellschaft erhöhen (ähnlich Letts et al. 1997).79 78 Petry (1999) sieht einen Weg aus dem Kompetenzdilemma bei kleineren Stiftungen z. B. im Eingehen von Kooperationen. Dies führt z. T. auch zur Entstehung neuer Stiftungsformen, z. B. Sammelstiftungen. 79 Ein Spannungsfeld kann sich hier allerdings ergeben zwischen dem auf Ewigkeit festgelegten Stiftungszweck und den entsprechend der gesellschaftlichen Dynamik sich verändernden Bedürfnisse oder gesellschaftlichen Knappheiten, die die Stiftung im Sinne eines social entrepreneurs lösen möchte. Eine wohlüberlegte Formulierung des Stiftungszwecks scheint somit angebracht. Bei allen Anstrengungen kann es jedoch Situationen geben, bei denen sich der Stifterwillen nicht gegen den historischen Wandel immunisieren lässt. Ein Beleg hierfür ist die Hundefängerstiftung im 16. Jahrhunderts in Nürnberg, die den Zweck verfolgte, die Anzahl streunender Hunde in der Stadt und den Kirchen einzudämmen. Aufgrund fehlender streunender Hunde (materieller Wegfall des Stiftungszwecks) wurde das Stiftungskapital zugunsten eines Spitals umgewidmet (vgl. Borgolte 2001). Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz 67 "The prize of greatness is responsibility." Winston Churchill, brit. Politiker und Nobelpreisträger (1874-1965) 3 Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz Im vorangehenden Kapitel steht der Non-Profit-Sektor (Kap. 2.1) und der Stiftungssektor (Kap. 2.2) im Zentrum der Betrachtung, mit besonderem Fokus auf den gegebenen und zukünftigen Gestaltungsspielräumen von Stiftungen (vgl. Kap. 2.1.6), unter Einschluss der Diskussion ihrer Legitimation (vgl. 2.3). Dabei wird festgestellt, dass durch die dort genannten Veränderungen im privatwirtschaftlichen wie auch im staatlichen Sektor die Existenz eines vitalen und wachsenden Stiftungssektors nicht länger als Luxus, sondern vielmehr als Notwendigkeit zur Weiterentwicklung der Gesellschaft (sozialer Wandel) gesehen werden muss. Gleichzeitig soll aber auch auf die Verantwortung von Stiftungen in dieser Situation hingewiesen werden - und damit das einführende Zitat von Churchill als grundlegender Hinweis verstanden werden - sich dieser Gestaltungsspielräume professionell anzunehmen: "Foundations are private bodies acting for the common good and they should show results to justify the public’s trust and their special tax status” (Berresford 1999). Anheier und Toepler (1998) haben bereits im Jahre 1998 festgestellt, dass der aktuelle Forschungs- und Wissensstand über Stiftungen auf Makro-Ebene (Sektor) äusserst be- 68 Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz schränkt ist (vgl. Kap. 2.2). Anheier stellt selbst im Jahre 2001 noch fest, dass "comparative research on foundations remains rare and usually involves country-specific comparisons, or takes on specific issues such as governance and accountability. Even work that explored the role of non-profit organizations more generally, most prominently the Johns Hopkins Comparative Non-profit Sector Project, did not focus on foundations explicitly". Die Begründung hierzu ist gemäss Anheier, dass "rather, the sheer complexity and richness of the phenomenon, historically, legally, politically as well as culturally, seems to preclude any systematic attempt to compare foundations cross-nationally" (Anheier 2001, S. 35). Der Wissensstand auf Mikro-Ebene, d. h. auf der Ebene des Managements von Stiftungen, ist jedoch noch weit geringer und insofern stellen Stiftungen eine "black box" dar: "There is no systematic description, analysis or understanding of foundation behaviour that would be parallel to the deep bodies of knowledge about the behaviour of government agencies or profit-corporations" (Diaz 1997, S. 1). Daraus kann eine praktische und theoretische Relevanz des Themas "Stiftungsmanagement” abgeleitet werden. Praktiker erkennen zunehmend die Notwendigkeit, sich mit dem Thema "Management" auseinanderzusetzen. Gleichzeitig besteht ein Defizit wissenschaftlich-reflektierter und theoretisch-konzeptionell begründeter stiftungsspezifischer Managementansätze und deren anwendungsorientierter Aufbereitung. Im Folgenden wird mit der Vorstellung des hier vertretenen Managementverständnisses zuerst die grundsätzliche Relevanz von "Management" aufgezeigt (Kap. 3.1), bevor auf die Relevanz des Managements für Stiftungen eingegangen wird (Kap. 3.2). Eine Zusammenstellung erster Themenfelder praktischer Herausforderungen des Stiftungsmanagements rundet die Begründung der Relevanz des hier bearbeiteten Themas ab (vgl. Kap. 3.3) und dient gleichzeitig auch als Grundlage für die empirische Untersuchung (vgl. Kap. 5). Die in Kapitel 3.4 und 3.5 skizzierten theoretischen Ansätze stellen Entwicklungsgrundlagen zur Reduktion des Theoriedefizits für das Management von Stiftungen dar. Eine General-Management-Persepktive bietet den konzeptionellen Rahmen eines Managements für Stiftungen (vgl. Kap. 3.4). Ein Managementframework auf Grundlage dieser General-Management-Perspektive stellt darüber hinaus einen notwendigen Orientierungsrahmen dar, um varietätserzeugende oder -vermindernde Massnahmen ergreifen zu können (vgl. Kap. 3.5). Beide Bausteine unterstützen die Handhabung Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz 69 der Komplexität - darin liegt eine zentrale Aufgabe des Stiftungsmanagements. Kapitel 3.6 schliesslich fasst die aufgezeigte Relevanz und die vorgestellten Ansätze für die Entwicklung eines integrierten Managementframeworks für Stiftungen zusammen. Darauf aufbauend werden detaillierte Leitfragen (Forschungsfragen) für die empirischen Untersuchungen entwickelt. 3.1 Grundsätzliche Relevanz des Managements - das Managementverständnis Management wird in dieser Arbeit als komplexe Funktion verstanden, d. h. als ein "System von Aufgaben" (Rüegg-Stürm 2003, S. 22), die sich unter den Begriffen "Gestaltung, Lenkung (Steuerung) und Entwicklung einer zweckorientierten, soziotechnischen Organisation" subsumieren lassen (Ulrich 1984). Dabei ist das Management nicht nur "die bewegende, sondern auch die einigende Kraft im Unternehmungsgeschehen", wie Ulrich (2001, S. 13) für Unternehmen konstatiert. Der Begriff "Management" war im Übrigen lange Zeit untrennbar mit Unternehmen verbunden, "denn grosse Unternehmen rückten als erste unter den neuen Organisationen ins Blickfeld" (Drucker 2002, S. 360). Doch Drucker, wie auch Ulrich mit seinem Organisationsbegriff, fassen den Begriff weiter: Im "vergangenen halben Jahrhundert haben wir gelernt, dass das Management das wesentliche Organ aller Organisationen ist. Unabhängig davon, ob sie den Begriff verwenden oder nicht, sind sie alle auf Management angewiesen"80 (Drucker 2002, S. 360, ähnlich auch Ulrich 2001, S. 13 f.). "Management" ist aber keinesfalls gleichbedeutend mit "Person" oder "Macher". Deshalb gilt auch, dass ein "personaler Ansatz" nicht geeignet ist, das Phänomen Management angemessen zu erfassen. Management bedeutet Führung zweckgerichteter sozialer Systeme, "und diese Aufgabe kann, selbst in Bezug auf eine kleine, nur wenige Personen umfassende Institution, nicht von einem einzigen Manager erfüllt werden" (Ulrich/Probst 1988, S. 232). Lenken, wie das Gestalten oder das Entwickeln, alle Teilfunktionen des Managements bedürfen jedoch mehr als der Anwendung von Managementwerkzeugen, denn in "allen Organisationen müssen die Manager sowohl mit dem Management als Arbeit und als 80 Davon geht auch Murray (1975, S. 364) aus, der von einer Konvergenz der Managementprozesse in öffentlichen, Non-Profit und Profit-Organisationen spricht und ein "generic model of general management" sieht. 70 Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz Disziplin als auch mit der Organisation, deren Vorhaben und Werten, deren Umwelt und Märkten sowie deren Kernkompetenzen vertraut sein. Das Management unterscheidet sich somit nicht primär in den Werkzeugen, die anzuwenden sind, wohl aber im Anwendungszusammenhang" (Drucker 2002, S. 360 f.). Daraus folgt, dass ein "gutes" Management, das den besonderen Kontext der jeweiligen Institution kennt und einschätzen kann, zu einer "Qualifizierung" der Institution in ihrem spezifischen Milieu führt. Qualifizierung in diesem Sinne heisst: Aufbau einer Beurteilungs- und Problemlösungsfähigkeit hinsichtlich der spezifischen Herausforderungen einer Organisation und das Entwickeln möglicher Lösungen für einen langfristigen gesellschaftlichen Nutzenzuwachs. So verstanden, wird das Management zu einer "freien Kunst" (Drucker 2002, S. 361). Ebenso wie die "Harnanalyse" nicht das Wesen der Medizin ausmacht, stellen weder Gruppendiskussionen noch die doppelte Buchführung den Kern des Managements dar.81 Vielmehr erweist es sich in den entsprechenden Entscheidungssituationen als ausgesprochen anspruchsvoll, "die richtigen Dinge richtig zu tun". Hier helfen weder abstrakte Regeln noch anerkannte Werkzeuge weiter, denn die "Zusammenhänge in modernen Gesellschaften sind dermassen komplex geworden, dass es für praktisch alle gesellschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Probleme keine richtigen oder falschen Lösungen mehr gibt, sondern aus einer Mehrzahl möglicher Lösungen diejenige auszuwählen ist, die am meisten Vorteile und am wenigsten Nachteile hat" (Dubs 2001, S. 45). Gerade aus einer ungenügenden Beachtung der Komplexität einer Problemsituation resultieren oft "Insellösungen", die zwar auf der einen Seite ein Teilproblem des Managements entschärfen (z. B. Anlageentscheide hinsichtlich rein finanzieller Rendite-Krite81 "An den meisten Wirtschaftsuniversitäten wird das Management noch heute als Bündel von Techniken, wie beispielsweise der Budgetierung, gelehrt. Selbstverständlich weist das Management, wie jede andere Tätigkeit, seine eigenen Werkzeuge und Techniken auf. Doch so wie die Harnanalyse, trotz ihrer unzweifelhaften Bedeutung, nicht die wesentlichen Funktionen der Medizin darstellt, machen die Techniken und die Verfahren nicht das Wesen des Managements aus. Die wesentliche Funktion des Managements besteht darin, Wissen produktiv zu machen. Mit anderen Worten: Das Management ist eine soziale Funktion. Und in seiner Praxis ist das Management tatsächlich eine ‚freie Kunst’." (Drucker 2002, S. 361) Ähnlich auch Drucker (2001, S. 12 f.): "Thirty years ago the English scientist and novelist C. P. Snow talked of the two cultures of contemporary society. Management, however, fits neither Snow’s ‚humanist’ nor his ‚scientist’. It deals with action and application; and its test is results. This makes it a technology. But management also deals with people, their values, their growth and development – and this makes it a humanity. […] Management is thus what tradition used to call a liberal art – "liberal" because it deals with the fundamentals of knowledge, self-knowledge, wisdom, and leadership; ‚art’ because it is also concerned with practice and application. Managers draw on all the knowledges and insights of the humanities and the social sciences – on psychology and philosophy, on economics and history, on ethics – as well as on the physical sciences. But they have to focus this knowledge on effectiveness and results – on healing a sick patient, teaching a student, building a bridge, designing and selling a ‚user-friendly’ software program. For these reasons, management will increasingly be the discipline and the practice through which the ‚humanities’ will again acquire recognition, impact, and relevance.” Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz 71 rien = "gutes" Finanzmanagement, oder Sanierungsentscheidungen bei einem Baudenkmal nach finanziellen Kriterien der Investitionsrechung = "gutes" Investitionsmanagement), auf der anderen Seite jedoch neue Problemfelder schaffen (z. B. Nicht-Beachtung eines Widerspruchs von Anlagepolitik und Stiftungszweck oder Nicht-Beachtung kunstgeschichtlicher Kriterien bei der Restaurierung eines Gebäudes und somit Vernachlässigung der normativen Zwecksetzung der Trägereinrichtung "Historisches Museum der Stadt XY"). Jede Form von Management ("managen" i. S. von "entscheiden") muss also vielfältigen Einflussfaktoren, widersprüchlichen Rationalitäten, Ambivalenzen und schwer definierbaren Wertmassstäben gerecht werden - und existiert schliesslich "for the sake of the institution’s results. It has to start with the intended results and has to organize the resources of the institution to attain these results. It is the organ to make the institution, whether business, church, university, hospital, or a battered women’s shelter, capable of producing results outside of itself” (Drucker 2001, S. 93). Erst wenn sich das Management den spezifischen Kontext, in den die jeweilige Organisation eingebunden ist, bewusst gemacht und die sich daraus ergebenden Herausforderungen identifiziert und in ihrer Vernetztheit und Wechselwirkung verdeutlicht hat, kommen Managementwerkzeuge optimal zum Einsatz.82 Diese Position vertreten auch Ulrich und Probst: "Wichtig ist, dass Management nie etwas Isolierbares ist, sondern immer bezogen ist auf eine Institution, welche das Objekt der Führung darstellt. ‚Managen an sich’ ohne ein solches Objekt wäre eine sinnlose Tätigkeit im luftleeren Raum. Es ist deshalb zwingend notwendig, zunächst das Wesen oder die Charakteristik der zu führenden Institution zu verstehen, denn nur daraus kann man Anforderungen an ihre Führungskräfte ableiten, die Arbeitsteilung und Zusammenarbeit unter den Führungskräften organisieren, Hilfsmittel für ihre Tätigkeiten entwerfen usw." (Ulrich/Probst 1988, S. 232). Das Ergebnis reicht dann weit über kurzfristig wirksame "Patentlösungen" hinaus 82 Fottler hat bereits 1981 einen Versuch unternommen, das Management von "private for-profit, private non-profit, private quasi public, and public" Organisationen zu differenzieren. Fottler machte die Besonderheiten in der Funktion Management an unterschiedlichen Abhängigkeiten dieser Organisationen fest, die wiederum unterschiedliche Werte hervorbringen: "The most fundamental reason why the four organization prototypes differ in terms of their management functions is that they receive their support (economic and non-economic) from different sub sector(s) of the society and must be responsive to these sub sectors. Because these sub sectors have different goals, responding to them creates different incentives and constraints for management in each type of organization. […] My specific hypothesis is that the four organization prototypes are dependent on different individuals, and organizations in the external environment. This variability in the nature of environmental dependence creates different values, incentives, and constraints in terms of how environmental dependence and internal operations are managed” (Fottler 1981, S. 3). 72 Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz (vgl. auch Salamon/Anheier 1999, die sich gegen eine "kritiklose Übernahme von Managementtechniken" aus der "Profit-Welt" in andere Kontexte aussprechen). Um in den Kapiteln 7-12, im Rahmen des Foundation Excellence-Frameworks, die Besonderheiten des Stiftungsmanagements systematisch aufbereiten, verorten und deren Implikationen auf das Management aufzeigen zu können, ist es notwendig, die spezielle Charakteristik der "zu managenden" Institution zu verstehen. Dies erfolgt in vier Schritten. Erstens im folgenden Kapitel (Kap. 3.2) über Aufarbeitung der praktischen Relevanz auf Grund der Betrachtung allgemeiner Charakteristika des Stiftungsmanagements, zweitens im Kapitel 3.3 mit einer ersten Annäherung an die Herausforderungen des Stiftungsmanagements, drittens im Rahmen der empirischen Untersuchungen zur Erfassung der Herausforderungen und Aufgaben des Stiftungsmanagements (Kap. 5) und viertens mit der Aufbereitung des Managementkontextes (Kap. 6) als Grundlage zur Entwicklung des Management-Frameworks (Kap. 7-12) 3.2 Relevanz des Managements für Stiftungen Die "Qualifizierung im spezifischen Milieu" oder die "Vergegenwärtigung des spezifischen Kontexts" weisen auf die praktische Relevanz des Managements von Stiftungen hin. Stiftungen sind grundsätzlich anders als andere Organisationen. Diese These wird zuerst mit Hilfe allgemeiner Kriterien untersucht, bevor dann in Kapitel 6, auch auf Basis der empirischen Resultate, organisationsspezifische Besonderheiten im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Die praktische Relevanz des Stiftungsmanagements lässt sich mit der folgenden Frage verdeutlichen: "Wie kann man eine Stiftung als dynamisches, vernetztes und offenes System erfolgreich auf die Erfüllung von Zwecken und die Erreichung von Zielen hin gestalten, lenken und entwickeln?" Will man diese Frage beantworten, bedarf es zuerst einer Betrachtung der "Vernetzung" und "Offenheit" von Stiftungen, die zu Unsicherheiten und daraus folgend zu einer herausfordernden Komplexität des Managements führen. Stiftungen müssen hinsichtlich ihres Managements als komplex in die Gesellschaft eingebettete Organisationen anerkannt werden. Es gilt zu berücksichtigen, dass Stiftungen Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz 73 keine reinen "Wertsteigerungsveranstaltungen" sind, sondern dass unterschiedliche "Rationalitäten" (Vielfalt von Wertevorstellungen) - z. B. ökonomische und gemeinnützigideelle - aufeinander treffen und durch ihre zirkuläre Vernetzung zahlreiche Wechselwirkungen entstehen. Die ökonomische Rationalität z. B. beruht strikt auf der Optimierung von Kosten-Nutzen-Relationen mit dem Ziel der Wertsteigerung für einen Investor, welchem der geschaffene Mehrwert aus der unternehmerischen Tätigkeit primär zukommt. Eine Stiftung hat, im Vergleich zu einer typischen Unternehmung, eine andere normative Konstitution. Hier können ideelle, d. h. sozio-kulturelle und ästhetische Werte wie Ausgleich, Solidarität, Schönheit, Tradition usw., eine wichtige Rolle spielen. Das Management von Stiftungen hängt deshalb in zentraler Weise von einem konstruktiven Umgang mit diesen verschiedenen, auch dynamischen "Referenzsystemen" ab. Die Unterschiede der Rationalitäten in einer Kulturstiftung und somit auch die Auswirkungen auf eine wie auch immer definierte Effektivität im Sinne von "doing the right things" werden besonders deutlich, wenn z. B. der Begriff "Kultur" im Zusammenhang mit dem Erfordernis einer "Nutzenstiftung" näher betrachtet wird. Aus ökonomischer Perspektive ist es selbstverständlich, eine überlegene Nutzenstiftung für die relevanten Anspruchsgruppen anzustreben (Effektivitätsziel) und diese Nutzenstiftung möglichst kostengünstig zu erbringen (Effizienzziel). Was hier aus Sicht der ökonomischen Rationalität unproblematisch mit "Nutzenstiftung" ausgedrückt wird, bedarf gerade im Bereich der Kultur einer wesentlich differenzierteren Betrachtung: Was gilt hier überhaupt als "Kultur"? Wie äussert sich der Nutzen von Kulturbetrieben? Nutzen für wen? Wer darf "den" Nutzen definieren - und wie wird eine Nutzen-Evaluation durchgeführt? Entscheidungen müssen bewusst im Spannungsfeld von ökonomischen Kriterien, wie optimale Finanzanlage, Effizienz und Effektivitätskriterien, erfolgen, gleichzeitig jedoch subjektive, nicht-quantifizierbare Eigenschaften, z. B. eine Priorisierung von Wissenschaft, Kunst oder sozialen Anliegen ermöglichen. Bei dieser Betrachtung der unterschiedlichen Rationalitäten ist bereits der Aspekt der Offenheit deutlich geworden. Stiftungen sind, da sie per definitionem in der Gesellschaft wirken, auch "mindestens" quasi-öffentliche Organisationen. Diese Umweltoffenheit erhöht die durch die Wechselwirkungen entstehende Komplexität weiter, z. B. durch nicht "stabile" Wertvorstellungen und Referenzsysteme der Gesellschaft. Um sich in der Umwelt sinnvoll einpassen zu können, muss von der betreffenden Stiftung selbst eine Ab- 74 Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz grenzung und Analyse der für sie jeweils relevanten Umwelt vorgenommen werden (vgl. Ulrich/Probst 1988, S. 239). Dies führt auf eine der Schlüsselherausforderungen für das Management von Stiftungen hin - den Umgang mit Unsicherheiten nämlich. Auf gesellschaftlicher Ebene müssen Stiftungen dabei, wie bereits angesprochen, auf Veränderungen der Werthaltungen und weiteren Veränderungen ihrer relevanten Umwelt achten (vgl. Kap. 8). Auf der anderen Seite stellen die Aktivitäten von Stiftungen für die Gesellschaft eine "Dienstleistung" dar zur Handhabung der gesellschaftlichen Unsicherheiten. Stabile gesellschaftliche Verhältnisse können nur dann erreicht und bewahrt werden, wenn sich Stiftungen (zusammen mit anderen Organisationen und Institutionen) innovationsfreudig zeigen. Innovationen werden nur dann realisiert werden können, wenn sich die beteiligten Menschen auf bestimmte Inseln der Stabilität verlassen können, weil sie nur begrenzt Unsicherheit ertragen können. Diese zwei auf gesellschaftlicher Ebene notwendigen Funktionen "Innovation" und "Stabilisation" können insbesondere Stiftungen übernehmen, wie in Kapitel 2.3 ausführlich dargelegt wird. Auf organisationaler Ebene gilt es jedoch ebenso Unsicherheiten zu bewältigen. Spezifische Defizite der Organisationsform Stiftungen (vgl. Kap. 6.1) rufen Unsicherheiten hervor, die durch stabile Prozesse und Strukturen handhabbar werden und die Handlungsfähigkeit von Stiftungen sicherstellen. Aus der Forschung zu strategischen Veränderungsprozessen in Unternehmen ist bekannt, dass die zunehmende inhaltliche Offenheit ("Worin wird übermorgen unsere Geschäftstätigkeit überhaupt noch bestehen?") durch organisatorische Stabilität aufgefangen werden kann und muss (Wimmer 1999). Der Weg der Verfertigung einer neuen Vision, einer neuen Strategie, eines neuen Geschäftsmodells, neuer Arbeitsinhalte oder eines neuen Führungsselbstverständnisses in einem Unternehmen muss durch Berechenbarkeit, Verlässlichkeit und Transparenz und auch durch Wertschätzung der Tradition gekennzeichnet sein. Einfluss- und Feedbackmöglichkeiten, Informationsformen und Orientierungsforen, Spielregeln der Zusammenarbeit und Führung sowie weitere Rahmenbedingungen der Verfertigung einer neuen Arbeitsrealität müssen mit hoher Sensibilität geklärt werden, bevor die eigentliche inhaltliche "Verhandlung" der weiteren Handlungs- und Entscheidungsfelder ansteht. Genau diesen Eckwerten muss sich ein Stiftungsmanagement bewusst sein, um der Verpflichtung zur verantwortungsvollen und professionellen Arbeit nachzukommen, denn Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz 75 gerade "unübersichtliche" Vernetzungen und Wechselwirkungen von Einflussfaktoren, Offenheit und Unsicherheiten kennzeichnen Stiftungen. Und genau hier, wo das Management nicht mehr (alles) quantifizieren kann (vgl. auch Kap. 6.1), ist Management überhaupt erst nötig und wichtig (vgl. Malik 2005, S. 26). 3.3 Herausforderungen des Stiftungsmanagements - eine erste Annäherung Vor der Diskussion der beiden theoretischen Ansätze zur Entwicklung eines integrierten Managementframeworks für Stiftungen, werden in einer ersten Annäherung die PraxisHerausforderungen des Stiftungsmanagements vorgestellt. Diese stellen in diesem Stadium eine Bestätigung der theoretischen und praktischen Relevanz dar und zeigen die vielfältigen Einflussfaktoren und deren Vernetzung des Stiftungsmanagements auf. Diese aktuellen, stiftungsspezifischen Managementthemen wurden an Hand von Literatur- und Konferenzauswertungen83 sowie durch informelle Expertengespräche identifiziert. Sie stellen zugleich auch eine Grundlage für die empirischen Untersuchungen dar. Mit der folgenden Zusammenstellung wird die Basis geschaffen zur Entwicklung eines Interview- und Themenleitfadens für die jeweiligen empirischen Arbeiten. Dort werden die identifizierten Themen auf ihre Relevanz für das heutige und zukünftige Stiftungsmanagement überprüft und ggf. neue Themen im Sinne von Handlungsfeldern aufgenommen. Ein interessantes Detail der analysierten spezifischen Stiftungsliteratur ist, dass sich bisher nur ein geringer Anteil mit Managementthemen auseinandersetzt84 und diese Literatur meist nicht im "wissenschaftlichen" Kontext erstellt wurde - wissenschaftlich hier im Sinne einer methodisch-systematischen Entwicklung von Konzepten zur Gewinnung von Handlungssicherheit bei komplexen Aufgabenstellungen, für die auch auf 83 ARNOVA 2003 Conference, European Foundation Center Annual General Assembly (AGA) and Conference 2003, The Academy of Management Annual Meeting 2004. 84 Es überwiegt insgesamt juristische und steuerrechtliche Literatur. Eine Eingabe von Suchbegriffen in die Internetsuchmaschine GOOGLE.DE (www.google.de) ergibt für den – nicht sehr trennscharfen – Begriff "Stiftungsmanagement" 902 Treffer; die Eingabe des Suchbegriffs "Stiftungsrecht" erzeugt dagegen 45.000 Treffer. Anzumerken ist hier zweierlei: a) Der Begriff "Management" wird oft auf die juristischen Notwendigkeiten reduziert, also z. B. den Gründungsprozess mit der Eintragung der Stiftung und dem Aufsetzen eines Stiftungszwecks oder das Einsetzen der notwendigen Organe etc. b) bei beiden Begriffen erscheinen sowohl Treffer auf Institutionen als auch auf Publikationen (Suchdatum: 23.04.2005). Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz 76 erfahrungswissenschaftliche Erkenntnisse zurückgegriffen wird.85 In vielen Beiträgen, Artikeln und Büchern wird professionelles Praktikerwissen verarbeitet86, das - obwohl durch die Praxis "plausibilisiert" - nur bedingt wissenschaftlichen Ansprüchen genügt, denn teils fehlen entsprechende Kontextangaben, teils die wissenschaftliche Arbeiten auszeichnende Reflexionsdistanz. Dennoch können und sollen auch aus solchen praxisnahen Publikationen Anregungen und Bedürfnisse aufgegriffen und entsprechend dem Leitgedanken von Foundation Excellence "Aus der Praxis für die Praxis" reflektiert verarbeitet werden.87 Die Forschungsaktivitäten im Stiftungsbereich können als ein "Produkt" der letzten 20 Jahre bezeichnet werden (vgl. unten: Exkurs Forschungseinrichtungen) und sind stark gesellschaftspolitisch und soziologisch geprägt.88 Daraus folgt, dass der vorherrschende "body of literature" dominiert wird von theoretisch-konzeptionellen Schriften. Diese können jedoch nicht allein als Management-Framework oder als Orientierungsraster für Themen des Stiftungsmanagements dienen, da sie meist von Überlegungen zu den Funktionen von Stiftungen in der Gesellschaft ausgehen (z. B. Toepler 1996). Dennoch stellen diese Werke notwendige Betrachtungen insbesondere zum Managementkontext dar, beleuchten jedoch nicht oder nur rudimentär die Implikationen auf das Stiftungsmanagement im engeren Sinne (z. B. Frumkin 1997). Die existierende Literatur auf sektoraler Ebene (z. B. die länderspezifischen Abschnitte in der Studie "Roles and Visions of Foundations in Europe" (Anheier/Daly 2004) ist im Vergleich dazu etwas ausführlicher, wenn auch keineswegs umfassend (vgl. Kap. 2.2). 85 Ausnahmen sind z. B. Toepler (1996) mit seiner theoretischen Dissertation "Das gemeinnützige Stiftungswesen in der modernen demokratischen Gesellschaft" oder Frumkin (1997), ebenfalls in einer Dissertation, zu "Conflict and the construction of an organizational field: the transformation of American philanthropic foundations". Beide Autoren sind heute Professoren an amerikanischen Universitäten (Prof. Frumkin an der Harvard University, Prof. Toepler an der George Mason University) und ihre Forschungsinteressen liegen nach wie vor überwiegend im Stiftungsbereich. 86 Dies wurde auch von Prof. Frumkin in einem persönlichen Gespräch im Rahmen des Forschungsaufenthalts der Autoren an der Harvard University (John F. Kennedy School, Hauser Center) im April und Mai 2005 bestätigt. Als Beispiel wurde von ihm auch seine Kollegin Dr. Letts genannt, die als "Lecture of Practice" an der Harvard University (John F. Kennedy School of Government) lehrt und publiziert. 87 Vgl. hierzu auch das dieser Arbeit zu Grunde liegende anwendungsorientierte Wissenschaftsverständnis (vgl. Kap. 4.1) 88 So sind z. B. zwei der bekanntesten Stiftungsexperten, Prof. Frumkin an der Harvard University und Prof. Anheier an der UCLA, Soziologen. Die Gruppe der Forscher, die in den 1970er Jahren in Yale die Forschungsagenda der Non-Profit-Forschung aufgestellt haben, waren mehrheitlich Volkswirtschaftler und Soziologen (z. B. DiMaggio). Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz 77 Die Auseinandersetzung mit Stiftungen - oder genauer mit dem Stiftungsmanagement basierend auf überwiegend quantitativ-empirisch89 erhobenen Daten nimmt erst in jüngerer Zeit zu, was sich durch entsprechende Publikationen in den für diesen Sektor zentralen Organen belegen lässt, wie z. B. Voluntas - International Journal of Voluntary and Nonprofit Organizations (u. a. Leat 1995), NVSQ (u. a. Marx 1999) und Nonprofit Management and Leadership (Carman 2001). Beachtenswert ist, dass in den klassischen, wissenschaftlich angesehenen Management-Journals, wie z. B. AMJ, AMR, AME, SMJ, ASQ, MS, OSc, OSt, DBW, Die Unternehmung etc. nur ein Artikel von Bumbacher (2000) zum Stiftungsmanagement publiziert wurde. In der praxisorientierten HBR wurden bislang zwei Artikel von Porter und Kramer (1999, 2002) veröffentlicht. Insgesamt findet der Diskurs über Management-Themen von Stiftungen nur begrenzt in wissenschaftlichen Journalen statt. Die häufigsten Publikationsquellen sind Praxishandbücher und Herausgeberbände (z. B. Bertelsmann Stiftung 1998, 2003; Strachwitz/Then 2004, Strachwitz/Mercker 2005). Hierbei werden oftmals ideologisch geprägte Positionierungsartikel über die Funktion von Stiftungen in der Gesellschaft, über ihre Wichtigkeit oder über einzelne Managementfunktionen (z. B. Öffentlichkeitsarbeit, Rechnungslegung, Personalmanagement) zusammengestellt und veröffentlicht. Als Beispiel einer umfangreichen empirischen Arbeit hingegen ist vor kurzem bei der Bertelsmann Stiftung die "StifterStudie" zu Motiven von Stiftern entstanden (Timmer 2005). Alle diese Publikationen oder Beiträge in Praxishandbüchern greifen jedoch meist nur einzelne, spezifische Managementthemen heraus, ohne diese angemessen zu vernetzen (Insellösungen). Die aus der analysierten Literatur gewonnenen Herausforderungen und inhaltlichen Schwerpunkte lassen sich grob in die folgenden fünf Themenbereiche einordnen - und dienen als "Suchfelder" bzw. als Grundlage für den Interview-/Themenleitfaden bei den empirischen Untersuchungen (vgl. Kap. 5): 1. Transparenz und Legitimierung 2. Mission und Strategie 89 Als theoretische Grundlage wird meist die Institutionentheorie (Intritutional Theory) verwendet (z. B. Frumkin 1997, Anheier 2005a). Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz 78 3. Effektivität und Effizienz 4. Evaluation 5. Zuständigkeitsregelungen/Verantwortlichkeiten und Aufbauorganisation 3.3.1 Transparenz und Legitimierung Ein grosses Thema, das derzeit in der Stiftungswelt diskutiert wird, sind Fragen der Transparenz und Legitimierung von Stiftungen. Die Pflicht zur Transparenz der stiftungseigenen Tätigkeit gegenüber einer interessierten Öffentlichkeit wird einerseits begründet mit dem Wachstum des Sektors und dem dadurch zunehmenden Bewusstsein in der Öffentlichkeit über die Funktion der Stiftungen. Diese Herausforderung besteht selbst in den USA, wo der Stiftungssektor seit seiner Gründung vor ungefähr 100 Jahren einer intensiven und oft kritischen öffentlichen Debatte ausgesetzt ist (Anheier/Toepler 1998, Frumkin 1997). Andererseits wird immer wieder auf die Steuerprivilegien hingewiesen, die Stiftungen als gemeinnützige Organisationen erhalten und die eine Pflicht zur Transparenz begründen, da sie durch diese eine "quasi-öffentliche Institution" darstellen (Ulrich 1977). Die Steuerprivilegien mögen zwar von Land zu Land unterschiedlich ausgestaltet sein, jedoch bestehen grundsätzlich in vielen Ländern, insbesondere in den hier zum Vergleich herangezogenen Ländern Schweiz, Deutschland und USA, Steuerprivilegien für gemeinnützige Organisationen, und damit auch für klassische Stiftungen. Diese "Pflicht zur Transparenz" wird jedoch meist nicht als Ruf nach einer starken staatlichen Beaufsichtigung formuliert, denn, so Strachwitz: "Staatliche Aufsicht ist auf ein Minimum zu reduzieren, Prüfungen vor der Gründung sind auf die Einhaltung formaler Voraussetzungen zu beschränken. Denn jede Kontrolle hemmt tendenziell die Kreativität" (Strachwitz 2001a, S. 3 f.; ähnlich auch Anheier 2003, S. 2). "Zum anderen müssen allerdings die Informationspflichten der Stiftungen gegenüber der Öffentlichkeit wesentlich ausgedehnt werden. Dass zurzeit mehr als zwei Drittel aller Stiftungen über die finanziellen Verhältnisse schweigen und jede zehnte überhaupt keine Auskünfte erteilt, kann nicht mehr hingenommen werden. Ebenso wenig genügt eine Informationsverpflichtung nur gegenüber Behörden" (Strachwitz 2001a, S. 3 f.). Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz 79 Eng gekoppelt an " Transparenz" ist die "Legitimierung". "Increased public attention on the roles and responsibilities of philanthropy in our current turbulent context has led many to ask: How can foundations be more agile in response to calls from the field to increase both accountability and the value of philanthropy?" (Orosz et al. 2003, S. 1). Legitimierung wird gemäss der Bertelsmann Stiftung durch einen "hausgemachten" Grund zum Thema für Stiftungen, denn gelegentlich wird den Stiftungen von der Aussenwelt vorgeworfen, "sie seien elitär, weil nicht klar ist, in wessen Auftrag sie sprechen. Vor diesem Hintergrund wird mit dem Vorwurf die Legitimierung durch demokratische Entscheidung angesprochen, der Stiftungen im Gegensatz zu gewählten Regierungen nicht unterstehen" (Bertelsmann Stiftung 1997, S. 115, vgl auch Kap. 2.3, Kap. 6.1). Diesem Vorwurf versucht das Stiftungswesen gemeinsam zu begegnen. Das European Foundation Center (EFC 2001) verabschiedete in seiner "Prager Deklaration" 1993, dass EFCMitglieder eine Vorreiterrolle einnehmen "bei den Bemühungen von Stiftungen zur Förderung von Offenheit, Transparenz, Integrität und Verantwortlichkeit, guter Verwaltung sowie optimaler Nutzung von Ressourcen und der Weiterentwicklung ihrer Arbeit." Auch die EU-Kommission (Wirtschafts- und Sozialausschuss der EU-Kommission 1998, S. 99) empfiehlt Schritte in dieselbe Richtung: "Die Vereine und Stiftungen sollten offener und zugänglicher sein, damit die Bürger und die Behörden mehr über die Ziele und Arbeitsmethoden erfahren können." Es geht also bei all diesen Bestrebungen darum, Vertrauen aufzubauen, denn "Vertrauen bildet das Öl einer sittlichen Welt", wie das u. a. in einem Zeitungsartikel der Neuen Zürcher Zeitung treffend formuliert worden ist.90 Dennoch scheinen noch nicht alle Stiftungen diesem Aufruf zu folgen, denn die "grosse Mehrzahl der bestehenden Stiftungen entspricht den definierten Kriterien der Bürgergesellschaft zwischen Staat, Markt und Familie. Es sind selbständige Institutionen, die private Mittel für öffentliche Zwecke bereitstellen, die als gemeinnützig anerkannt und meist sehr individuell sind, aber überindividuelle Absichten und Wirkungen verfolgen. Allerdings - und das begrenzt ihren bürgergesellschaftlichen Charakter - agieren die meisten nicht öffentlich, ihre Transparenz ist begrenzt, da ist man in den USA weiter" (Kocka, 2004, S. 5 f.). 90 NZZ, Montag, 13. Oktober 1997, Nr. 237, S. 25: "Zeitzeichen: Das Öl der sittlichen Welt. Vertrauen - viel gepriesen, doch philosophisch unterbelichtet." Der Titel greift auf Überlegungen von Prof. Henning Ottmann zurück (Lehrstuhl für Politische Theorie und Philosophie, LMU München). Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz 80 Diese Aussage weist auch auf die Verbindung zu den Themenbereichen "Mission und Strategie” sowie "Effizienz und Effektivität” hin. Durch "doing the right things” fällt es Stiftungen leichter, sich gegenüber der Öffentlichkeit zu präsentieren und ihr, überspitzt formuliert, "gesellschaftlich kostspieliges" Dasein zu legitimieren. Suchfelder Legitimierung Transparenz Leitfragen Warum und wem gegenüber muss sich eine Stiftung legitimieren? Was muss eine Stiftung der Öffentlichkeit mitteilen? Was sind die Ziele einer aktiven Legitimierung? Wie erfolgt der "Nachweis" des Wertes der Stiftungsarbeit? Abbildung 3-1: 3.3.2 Suchfelder Legitimierung und Transparenz: Leitfragen für die Empirie Mission und Strategie Sowohl im beginnenden wissenschaftlichen Diskurs (Anheier/Leat 2005, Frumkin 2005) als auch in der bisherigen Praxisdiskussion wird die Auffassung vertreten, dass die Stiftungsarbeit ohne Strategie nur schwer umzusetzen ist. Dabei wird meistens mit den knappen Mitteln des Stiftungsbereichs im Vergleich zu den grösseren Budgets des Staates und der Privatwirtschaft argumentiert, was eine gezielte "Investition" der Stiftungsgelder verlangt (vgl. Kocka 2004, S. 5). In jüngerer Literatur wird dabei oftmals von "strategic philanthropy" gesprochen, ein Begriff, der stark durch die wissenschaftlichen Arbeiten von Frumkin (2005) und den durch die Bertelsmann Stiftung mitinitiierte internationale Praktikervereinigung ISPN91 geprägt wurde. Um deutlich zu machen, wie eine Strategie nicht entwickelt werden kann, formuliert Kramer: "A strategy cannot be ’reverse engineered‘ by investing heavily in after-the-fact evaluation, just as a recipe cannot be derived from the chemical analysis of a meal” (Kramer 2001, S. 42). Vor diesem Hintergrund kann sich nun dem, was eine Strategie beinhaltet und wie sie entwickelt wird, angenähert werden. Kramer führt dabei weiter aus und definiert, dass eine "fully developed strategy enables a foundation to determine where it can make its greatest contribution by creating value above and beyond the purchasing power of its grant dollars. It means making a unique set of internally consistent and mutually reinforcing choices that zeroes in on where and how each foundation can 91 www.ispn.org (17.07.2005). Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz 81 make its greatest impact. To be effective, such a strategy must accurately assess both the foundation’s internal capabilities and the external opportunities for impact in the field.” (Kramer 2001, S. 44). Es wird hier deutlich, dass sich Stiftungen notwendigerweise mit dem beschäftigen müssen, was und wie sie es tun - und jegliches Weiterentwickeln einer Strategie untrennbar mit der zuvor erfolgten Festlegung der Stiftungsziele und damit der Fähigkeit zur Effektivität(smessung) verbunden ist. Anzumerken ist hier: das verwendete und in der Stiftungslandschaft weit verankerte Verständnis von Strategie beschränkt sich oftmals auf den Inhalt ("strategy content"). Suchfelder Mission Strategie Leitfragen Wie lautet die Mission der Stiftung? Wie lautet die Strategie der Stiftung? Welche Funktion erfüllt die Mission? Wie hängen Mission und Strategie zusammen? Wie wird die Mission entwickelt? Wie wird die Strategie entwickelt? Abbildung 3-2: 3.3.3 Suchfelder Mission und Strategie: Leitfragen für die Empirie Effektivität und Effizienz Die "Effektivität" der Stiftungsarbeit ist ebenso wie die "Evaluation" im Stiftungsbereich ein sehr intensiv diskutiertes Thema in letzter Zeit. Nahezu auf jeder Konferenz werden Workshops und Vorträge hierzu angeboten, so z. B. auf der ARNOVA 2003 Annual Conference in Denver: "High Impact Capacity Building"; "Factors for Success in Foundations"; "Examining Effectiveness of International Programs". Oder auf der ARNOVA 2004 ("Issues on Nonprofit Operations and Effectiveness"). Dies bestätigt auch Bryan in ihrer Rede auf dem Annual Meeting der NYRAG im Jahr 2000: "In preparing for today, I have been observing philanthropy! And one very popular theme I have recently noted being linked to philanthropy is "effectiveness”. It seems that just about every other conference title is about effectiveness" (Bryan 2000). Auch Orosz et al. (2003, S. 3) bestätigen diese Beobachtung und erkennen einen hohen Mitteleinsatz der Stiftungen, um in diesem Bereich Fortschritte zu erzielen: "There is tremendous interest in Foundation Effectiveness across the philanthropic sector. Leading foundations are making Foundation Effectiveness a learning priority and are supporting it with a significant funding stream.” 82 Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz Die Bertelsmann Stiftung (1997, S. 114) sieht einen starken Zusammenhang zwischen der Effektivität und der Legitimation. Gleichzeitig weist sie auf die Schwierigkeiten hin, diese Begriffe zu "operationalisieren", denn sowohl "Effektivität als auch Legitimation sind sehr komplexe Themenbereiche, die noch dazu in engem Zusammenhang miteinander stehen. Stiftungen müssen sich täglich damit auseinandersetzen. Eine Herausforderung besteht darin, dass Stiftungen gewöhnlich in einem Umfeld arbeiten, in dem einzelne Gruppen z. T. gegensätzliche Erwartungen an die Arbeit der Stiftungen richten", was auf die oben beschriebenen unterschiedlichen Rationalitäten und die dadurch entstehende Komplexität zurückzuführen ist. Die unterschiedlichen Rationalitäten z. B. in einer Kulturstiftung (vgl. Kap. 3.2) und somit auch die Auswirkungen auf eine wie auch immer definierte Effektivität im Sinne von "doing the right things" werden besonders deutlich, wenn z. B. der Begriff "Kultur" im Zusammenhang mit dem Erfordernis einer "Nutzenstiftung" oder in Bezug auf die Zielfunktion einer Stiftung, sozialer Wandel, näher betrachtet wird. Aus ökonomischer Perspektive ist es selbstverständlich, eine überlegene Nutzenstiftung für die relevanten Anspruchsgruppen anzustreben (Effektivitätsziel) und diese Nutzenstiftung möglichst kostengünstig zu erbringen (Effizienzziel). Was hier aus Sicht der ökonomischen Rationalität unproblematisch mit "Nutzenstiftung" ausgedrückt wird, bedarf gerade im Bereich der Kultur einer wesentlich differenzierteren Betrachtung: Was ist überhaupt Kultur? Wie äussert sich der Nutzen von Kulturbetrieben? Nutzen für wen? Wer darf "den" Nutzen definieren - und wie wird eine Nutzen-Evaluation durchgeführt? "Während Effizienz vor allem an qualifiziertem Management von finanziellen und personellen Ressourcen zu messen ist, also am Mitteleinsatz im Verhältnis zum erreichten Ergebnis, bezieht sich Effektivität auf dieses Ergebnis selbst, also auf die Frage, welche gesellschaftliche Wirkung die Stiftungsarbeit tatsächlich erzielt" (Bertelsmann Stiftung 1997, S. 118). Oder eine Umschreibung von Sawhill/Williamson (2001, S. 101): "While efficiency improvements increase the dollars available for social investment, effectiveness improvements increase the social benefit delivered for each dollar spent. But effectiveness is the hardest gap to measure.” Die Effizienzdiskussion in Stiftungen nimmt einen eher kleinen Raum ein, obwohl viele Werkzeuge sich mit Effizienz befassen. Aber Drucker (zit. in Orosz et al. 2003, S. 5) bemerkt treffend "that most tools focus on efficiency, while more compelling need is Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz 83 usually identifying those areas in which significant results are feasible, i.e. being more effective, and then following through with efficient execution.” Dennoch lohnt es sich, die Definitionen von Effizienz genauer anzuschauen. Eigentlich ist Effizienz "einfach" zu bestimmen, wie Porter und Kramer (1999, S. 125) darlegen: "Input fewer dollars or create greater social impact for comparable costs”. Jedoch weist eben diese Definition auch Schwächen im Bezug auf deren Operationalisierung auf, denn allein der Vergleich mit "comparable cost" dürfte nur im Ausnahmefall funktionieren. Woher kann eine Stiftung wissen, ob sie das mit einem bestimmten Betrag unterstützte Projekt von einem anderen Projektnehmer hätte in gleicher Qualität "günstiger beziehen" können? Suchfelder Effektivität Effizienz Leitfragen Wie wird die Effektivität der Stiftungsarbeit definiert und operationalisiert? Wie wird die Effizienz der Stiftungsarbeit definiert und operationalisiert? Abbildung 3-3: 3.3.4 Suchfelder Effektivität und Effizienz: Leitfragen für die Empirie Evaluation Das Thema der Evaluation, im Sinne einer systematischen Reflexion und Bewertung der Zweckerreichung (Mission) der Stiftungstätigkeit, gewinnt zunehmend an Wichtigkeit für die Stiftungsarbeit. Noch sind es wenige Stiftungen, und wenn, dann vor allem über ein grosses Fördervolumen verfügende Stiftungen, die Evaluation als ein hilfreiches und notwendiges Management-Instrument ansehen. Doch auch kleinere und mittlere Stiftungen werden sich vor Evaluationsfragen nicht "verstecken" können, denn "nicht nur verzichten Stiftungen selbst durch diese Haltung [keine Durchführung von Evaluationen] auf ein qualitativ herausragendes Instrument der Innensteuerung (z. B. über Vergleiche) und des vielfach eben doch notwendigen Marketing, zumal für die Sache der Stiftungen. Auch die Öffentlichkeit hat entgegen dem alten Grundsatz, über gute Taten solle man nicht reden, einen Anspruch darauf zu erfahren, wie mit steuerlichen Privilegien ausgestattete Organisationen arbeiten" (Strachwitz 1998b, S. 37). Zahlreiche Autoren (z. B. Saidel 1991, Plantz et al. 1997, Letts et al. 1999) sind sich einig, dass ein zunehmendes Interesse einer kritischen Öffentlichkeit über die Zurechenbarkeit der Leistungen von Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz 84 Stiftungen ein steigendes Bedürfnis nach Evaluation der eigenen Stiftungstätigkeit nach sich ziehen wird (lernende Organisation). Kramer (2001, S. 40) verdeutlicht die Vernetzung des Evaluationsgedankens: "At the same time, foundation are becoming increasingly concerned about evaluation. Millions of dollars and hundreds of consultants are devoted to the issue with an even greater sense of urgency - but with very little sense that anything useful is being achieved. The evaluation problem seems intractable - and as presently formulated, it is. Not because of any inherent problem in the tools of evaluation, but because the very concept of evaluation is nonsensical without realistic goals and a fully developed strategy.” Es wird hier also deutlich, dass ein Evaluationskonzept nicht "verbindungslos” in einer Stiftung eingeführt werden kann, sondern dieser Ansatz im Gesamtzusammenhang mit der Diskussion um Effektivität und Effizienz, Mission und Strategie gesehen werden muss. Nur so kann sinnvoll erfasst werden, was eine Stiftung leistet. Suchfeld Evaluation Leitfragen Wie wird die Stiftungsarbeit evaluiert? Wie werden die Evaluationsergebnisse weiter verwendet? Abbildung 3-4: 3.3.5 Suchfeld Evaluation: Leitfragen für die Empirie Zuständigkeitsregelungen, Verantwortlichkeiten und Aufbauorganisation Obwohl Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten in Stiftungen bis jetzt in der Literatur kaum thematisiert wurden, so wird dieser Themenbereich stark an Wichtigkeit zunehmen, wie in vielen informellen Gesprächen festgestellt wurde, wenn auch z. T. unter dem erweiterten Aspekt der "Governance". Allgemein kann festgestellt werden, dass insbesondere wachsende Stiftungen "einen immer umfangreicheren Informationsfluss bewältigen, so dass mit einer intensiveren Arbeitsteilung ein enormer Bedarf an Koordination entsteht. Unabhängig von den gewählten Projektschwerpunkten wird die Arbeit zunehmend davon abhängen, die kontinuierliche Kommunikation zwischen unterschiedlichen Projektabteilungen und - falls die Stiftung eine ausreichende Grösse erreicht hat - ihren Stabsabteilungen zu sichern. Damit sind die zwei wichtigsten Aspekte der Koordination innerhalb einer Stiftungsorganisa- Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz 85 tion angesprochen: die Koordination zwischen Stabs- und Projektabteilungen sowie die Koordination der Projektabteilungen untereinander" (Kennedy et al. 1998, S. 457). Kennedy et al. (1998, S. 435) sprechen indirekt eine klare Zuständigkeitsregelung an und im Umkehrschluss das Zusammenstellen der personellen Ressourcen nach bestimmten, von den Stiftungszielen und den damit verbundenen Anforderungen abgeleiteten Kriterien. Dies gilt sowohl für den Stiftungsrat (oder Vorstand), als auch für die gesamte Stiftung als arbeitsteilige Organisation. Dennoch muss beachtet werden, "dass Stiftungsstrukturen sehr unterschiedliche Formen annehmen können. Dies sollte als Stärke betrachtet werden, da Stiftungen eine spezifische Rolle in der Gesellschaft einzunehmen haben" (Bertelsmann Stiftung 1997, S. 100). Allgemein und als zusammenfassenden Abschluss bringt es Wolfe (1999, S. 21) auf den Punkt: "Because of the significant role managers play in achieving high performance in organizations, non-profit scholars and practitioners need to develop a more comprehensive understanding of the roles, competencies, and skills of managers in non-profit organizations.” Dies insbesondere um der latenten "Gefahr" entgegen zu treten, dass durch den Eingriff staatlicher Hoheit starre Richtlinien zur Foundation Governance definiert werden, die z. T. auch unbeabsichtigte Wirkungen zeigen, wie Frumkin in seiner Analyse der Auswirkungen des Tax Reform Acts von 1969 und den damit verbundenen Auflagen für Stiftungen in den USA darlegt (Frumkin 1997). Suchfelder Zuständigkeitsregelungen/Verantwortlichkeiten Aufbauorganisation Leitfragen Wie sind die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten innerhalb der Stiftung geregelt? Wie ist die Stiftung organisiert - auch in Abhängigkeit der Mission und der Stiftungsziele? Welches Anforderungsprofil ergibt sich daraus für die einzelne Stelle? Abbildung 3-5: Suchfelder Zuständigkeitsregelungen/Verantwortlichkeiten und Aufbauorganisation: Leitfragen für die Empirie Exkurs: Aktivitäten internationaler Forschungseinrichtungen Um einen Überblick über die unterschiedlichen Forschungsaktivitäten im Non-Profitund Stiftungssektor zu erreichen, werden im Folgenden US-amerikanische, australische 86 Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz und europäische Einrichtungen näher betrachtet.92 Die Auswahl der betrachteten Institutionen erfolgt aufgrund der institutionellen Zugehörigkeit der Autoren von zentralen Büchern und Buchartikeln, Beiträgen an renommierten Konferenzen (z. B. ARNOVA, AOM, ISTR) sowie basierend auf Gesprächen mit Forschern und Praktikern. Die Forschungseinrichtungen werden wegen ihrer jeweiligen historischen Wurzeln und den aktuellen Forschungsschwerpunkten in vier Cluster - gesellschaftspolitische/volkswirtschaftliche, betriebswirtschaftliche, rechtliche und soziologische Fragestellungen - eingeteilt. Die Einordnung in das jeweilige Cluster dokumentiert die grundsätzlichen Arbeitsschwerpunkte der entsprechenden Institution. Der Abstand zu den jeweils anderen drei Clustern weist auf die Intensität der Bearbeitung jener Themenfelder hin. Institutionen, die sich generell mit NPO befassen, werden mit einem Kreis markiert, Einrichtungen die sich schwerpunktmässig mit Stiftungen auseinander setzen, werden mit einem Stern gekennzeichnet. Dabei stehen blaue Signaturen für Europa, rote für die USA und grüne für Australien (vgl. Abbildung 3-6). 92 Dieser skizzenhafte Überblick über die Forschungslandschaft im Bereich der Non-Profit- und Stiftungsforschung stellt eine erste, qualitative Annäherung dar. Sie soll nicht als abgeschlossene Einteilung verstanden werden, sondern einen ersten Eindruck der Vielfalt bieten und die grundsätzliche Ausrichtung der einzelnen Institutionen aufzeigen – auch, um evtl. eigene Bestrebungen hinsichtlich eines Forschungs- und Kompetenzzentrums "Stiftungsmanagement" besser einordnen zu können (Profilbildung). Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz g esells chaftspolitis che/volks wirts chaftliche F rag es tellung en 87 betriebs wirts chaftliche F rag es tellungen Georg Mas on (US A) Trinity Colle ge, Dublin (IR L) U. Muens ter (D) U. P aris 1 (F ) Maecenata Ins titut (D) LS E (UK ) S tockholms U. (S ) Catholic U. of Milan (I) Georgetown U. (US A) US C (US A) City U. of NY (US A) Yale S c hool of Ma nag eme nt (UK ) Grand Valley S tate-U. (US A) VMI (CH) F oundation Mngt S toc kholm S chool of E conomics (S Ins) t. in S an Diego (US A) B ertels mann S tiftung (D) Urban Ins titute (US A) Cas e Wes tern R es erve U. (US A) F ounda ti on Ex ce l l e nce (CH) F HTW B erlin (RW+Controlli ng ) (D) J ohns Hopkins U. (US A) Indi ana U. (US A)tol B us ines s S chool (UK ) Ariz ona S tate U. (US A) B ris Harva rd (US A) Duke (US A) S tanford (US A) Glas gow Cal edonian U. (IRL ) UCLA (US A) Georg Was hington U. (US A) WU Wien (A) U. of B olgona (I) Vrije U. (NL) K ellogg (US A) NYU (US A) S winburne U. (AUS ) F riedrich-S chille r-U. J e na (D) Quee ns land U. of Technology (AUS ) B os ton Colleg e (US A) U. E s s en (D) U. Os nabrück (D) Humboldt U. (D) Ins titut für S tiftungs recht e. V. (D) U. B remen (D) B ucerius La w S chool (D) rechtliche F rages tellung en Abbildung 3-6: s oziolog ische/ps ycholog is che F rages tellungen Aktivitäten internationaler Forschungseinrichtungen Auffallend bei der Betrachtung der Aktivitäten internationaler Forschungseinrichtungen ist, dass sich die englische Forschung im Gegensatz zur europäischen das Gebiet der NPO und der Stiftungen eher aus einer betriebswirtschaftlichen Perspektive eröffnet. Es bleibt hierbei zu erwähnen, dass einige amerikanische NPO-Forschungsinstitutionen aufgrund ihrer Grösse auch Arbeitsschwerpunkte mit Stiftungsforschung aufweisen. In Europa werden Stiftungen primär aus juristischer, seltener aus gesellschaftspolitischer oder volkswirtschaftlicher Perspektive betrachtet. Stiftungsmanagement wird kaum nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten erforscht, sieht man ab von einigen "Themeninseln", z. B. Forschung zu Fundraising, wo auch spendensammelnde Stiftungen mitbetrachtet werden. Das Thema "Stiftungsmanagement" ist in den USA am weitesten entwickelt. Sowohl die Wissenschaft (z. B. Harvard University, UCLA, Stanford University, Johns Hopkins University, Indiana University) als auch Praktikervereinigungen (NYRAG, Council on Foundations) und auf Stiftungen spezialisierte Beratungsunternehmen (z. B. Rockefeller Philanthropy Advisors) nehmen Fragen zum Stiftungsmanagement auf. In England be- Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz 88 schäftigen sich hauptsächlich der englische Stiftungsverband und verschiedene Think Tanks (z. B. The Future Foundation) sowie einige kleinere Beratungsunternehmen (z. B. Actionplanning) mit der Thematik "Stiftungsmanagement". In Deutschland existieren einige Organisationen (z. B. Maecenata Institut, BertelsmannStiftung) und Publikationsorgane (z. B. Stiftung und Sponsoring), die eine Weiterentwicklung des Stiftungssektors unterstützen. Daneben entstanden in letzter Zeit verschiedene Buchpublikationen und Artikel (z. B. Bertelsmann Stiftung 1998 und 2003; Schick et al. 2001; Priller/Zimmer 2001, Schlüter et al. 2001, und die neuesten: Strachwitz/Mercker 2005, Richter/Wachter 2006). Weiterbildungsangebote für Mitarbeitende von Stiftungen und kleine, auf Stiftungen spezialisierte Beratungsfirmen (z. B. Institut für Stiftungsberatung - Dr. H.-D Weger & Partner GmbH; Maecenata Management) runden das Angebot ab. Insgesamt kann konstatiert werden, dass im Gegensatz zur wachsenden Bedeutung von Stiftungen der aktuelle Forschungs- und Wissensstand über Stiftungen weiterhin und vor allem in Europa relativ gering ist - trotz des Vorhandenseins einiger Beratungs- und Weiterbildungsangebote. All diesen Aktivitäten fehlt jedoch eine universitäre Rückbindung und daran anschliessend einen wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Auseinandersetzung mit dem Thema "Stiftungsmanagement", wie sie für das Forschungsprojekt Foundation Excellence am Institut für Betriebswirtschaft der Universität St. Gallen kennzeichnend ist. 3.4 Ansatz 1: Durchgängigkeit durch eine General-ManagementPerspektive Jede Form von Management muss, wie bereits dargelegt, vielfältigen Einflussfaktoren, widersprüchlichen Rationalitäten und schwer zu definierenden Wertmassstäben gerecht werden. Der stiftungsspezifische Kontext (vgl. Kap. 6) wie auch die stiftungsspezifischen Handlungsfelder (vgl. Kap. 3.3 und Kap. 7 ff.) lösen hohe Anforderungen an das Stiftungsmanagement aus. Statt einer Trivialisierung dieser Probleme durch (zu) einfache (Insel)-Lösungen ist das Streben nach einer integrierten Sichtweise gefordert, die der Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz 89 hochkomplexen gesellschaftlichen Wirkungssphäre Rechnung trägt, denen sich eine Stiftung ausgesetzt sieht. Deshalb ist es sinnvoll, dass gerade das Management einer Stiftung auf der Grundlage eines "General Management-Ansatzes" basiert, das den Entscheidungsträgern Orientierung hinsichtlich notwendiger - aber immer kontingenter93 - Entscheidungen bietet. General Management nach Ulrich (1984) zeichnet sich durch eine konzeptionelle und prozedurale Durchgängigkeit aus, unter Beachtung des Managementkontexts. Eine konzeptionelle Durchgängigkeit ist dann gegeben, wenn auf den drei ManagementEbenen des normativen, strategischen und operativen Managements aufeinander abgestimmte, notwendige Festlegungen getroffen werden, die sich aus dem spezifischen Kontext wie aus den charakteristischen Herausforderungen des Managements ergeben. In der Privatwirtschaft werden grundsätzlich drei Managementebenen unterschieden, die aufeinander abzustimmen sind: 1. Auf der normativen Ebene geht es um Fragen der normativen Positionierung gegenüber den Anspruchsgruppen. Es wird untersucht, nach welchen Grundsätzen kontroverse Anliegen und Interessen der Anspruchsgruppen behandelt und Konflikte mit Anspruchsgruppen ausgetragen werden sollen. Dies kann beispielsweise nach Massgabe der verfügbaren Macht zur Durchsetzung der eigenen Interessen oder verständigungsorientiert, d. h. nach Prinzipien einer allparteilichen Fairness, erfolgen. Auf der normativen Ebene wird auch die grundsätzliche Legitimation des Zwecks der unternehmerischen Tätigkeit erarbeitet. Ein Charakteristikum der Entscheidungen auf dieser Ebene ist der im Allgemeinen langfristige, sachliche und zeitliche Wirkungshorizont. Entscheidungen auf normativer Ebene werden nicht im kurz- oder mittelfristigen Tagesgeschäft laufend neu getroffen, sondern dienen als "Leitplanke" und Bezugsrahmen für Entscheidungen auf den nachfolgenden Ebenen. Auch die Begründungsbasis der Entscheidungen ist unterschiedlich zu den Entscheidungen auf der strategischen oder operativen Ebene, die sich jeweils auf jene der normativen Ebene beziehen. Die normativen Entscheidungen stellen demgemäss originäre Entscheidungen dar, die nicht aus "höherwertigen" Entscheidungen ableitbar sind. Gemäss Ulrich (1987, 93 "Mit Kontingenz ist die Möglichkeit des Andersseins von Vorfindlichem ausgedrückt. Kontingent ist etwas, was weder notwendig noch unmöglich ist; was also so, wie es ist, sein kann, aber auch anders möglich ist" (Rüegg-Stürm 2001, S.359). Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz 90 S. 18) handelt es sich um Entscheidungen "mit dem grösstmöglichen Freiheitsgrad, der im Rahmen der durch Umweltfaktoren aller Art eingeschränkten Unternehmungsautonomie überhaupt besteht." Diese besitzen deshalb oft einen geringen Konkretisierungsgrad und sind nicht direkt "operationell, d. h. nicht unmittelbar in ausführende Handlungen umsetzbar." (Ulrich 1987, S. 18) Vielmehr müssen sie konkretisiert werden in bestimmten Gestaltungs- und Handlungsfeldern auf nachfolgender Ebene. 2. Die strategische Ebene befasst sich mit der Bewältigung der Ungewissheit bezüglich der Marktbedingungen und vor allem mit dem Aufbau nachhaltiger Wettbewerbsvorteile. Konkurrenzdenken spielt hier eine zentrale Rolle. Dabei geht es um die Spezifikation von Zielmärkten, Marktleistungen, Fähigkeiten, Technologien und generellen Vorgehensweisen, die langfristig Erfolg versprechend sind. 3. Weniger die langfristige Zukunftssicherung als vielmehr die Gewährleistung effizienter Abläufe und Problemlösungsroutinen, d. h. die professionelle Abwicklung des Alltagsgeschäfts steht auf der operativen Ebene im Mittelpunkt. Professionelles Stiftungsmanagement im Sinne eines integrierten Managements bedeutet nun, diese drei o. g. Ebenen analog für Stiftungen in einem konzeptionellen Sinne kohärent miteinander zu verknüpfen, d. h. zentrale Festlegungen auf allen drei Ebenen müssen nicht nur widerspruchsfrei sein, sondern sich wechselseitig stützen und verstärken. Eine prozedurale Durchgängigkeit als komplementärer Teil eines General ManagementAnsatzes zeichnet sich durch die sequentielle und zeitliche Abstimmung der notwendigen Klärungsprozesse und Festlegungen auf den drei Management-Ebenen aus. Es geht dabei nicht nur um Entscheidungen und Festlegungen, die konzeptionell zueinander passen müssen, sondern bereits die Entwicklungsprozesse jener müssen so angelegt sein, dass ein kohärenter Rahmen für eine wirkungsvolle Stiftungstätigkeit geschaffen werden kann. Im Vordergrund steht demzufolge eine Organisation der hierzu erforderlichen, zeitlich aufeinander abgestimmten Klärungs- und Definitionsprozesse auf allen drei Management-Ebenen. Sämtliche Entwicklungsimpulse und Veränderungsinitiativen müssen anschlussfähig sein. Anschlussfähigkeit bedeutet, dass Entwicklungsimpulse sinnhaft in die bisherige Geschichte und Stiftungspraxis eingeordnet (verstanden) und von der gewachsenen Fähigkeitsbasis her auch tatsächlich umgesetzt werden können (vgl. Rüegg- Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz 91 Stürm 2002). Simultan mit der Einführung von Neuerungen sind ein solides Grundverständnis (einschliesslich Legitimationsbasis) und die zukünftig geforderten Fähigkeiten aufzubauen (z. B. bedarf die Einführung einer Finanzplanung eines "neuen" Grundverständnisses, was die Notwendigkeit und die Konzeption einer finanziellen Führung betrifft). Durch die Wahrung der konzeptionellen und prozeduralen Durchgängigkeit vor dem Hintergrund des spezifischen Organisationskontexts wird eine ganzheitliche Betrachtung der Herausforderungen und der Auswirkungen von Entscheidungen unterstützt. Dadurch wird genau dort angesetzt wo Mohn die Problematik des Stiftungsmanagements lokalisiert: "Es gibt, einfach ausgedrückt, viel zu viel zu tun, um mit den vorhandenen Kräften und Ressourcen allen Wünschen und Notwendigkeiten der Menschen gerecht zu werden. Dazu scheint es mir notwendig festzustellen, dass der Mangel an Kompetenz zur Aufgabenbewältigung wesentlich hinderlicher ist als das Fehlen ausreichender finanzieller Mittel." (Mohn 1998, S. XIV) Und das gilt deshalb besonders im Stiftungswesen, bei dem im Vergleich zum ersten und zweiten Sektor relativ geringe Geldmittel vorhanden sind. Das erfordert zum einen die bewusste Auseinandersetzung mit den Herausforderungen, mit denen eine Stiftung konfrontiert ist, und zum anderen ihre kompetente Handhabung, hinsichtlich der wirkungsvollen Erfüllung ihrer gesellschaftlichen Funktion (vgl. auch Strachwitz 1998b, Kocka 2004). 3.5 Ansatz 2: Komplexitätsreduktion durch Managementmodelle Eine Stiftung wird dem dieser Arbeit zu Grunde liegenden Verständnis nach als komplexes System verstanden, das in einen spezifischen Kontext eingebettet ist (vgl. Kap. 3.2 und Kap. 6) und Herausforderungen aufweist, die für die Stiftungsarbeit charakteristisch sind (vgl. Kap. 3.3 und Kap. 7 ff.). Wie oben beschrieben ist das System "Stiftung" deshalb komplex, weil zwischen den einzelnen Elementen des Systems zahlreiche Beziehungen, Wechselwirkungen und Zielkonflikte bestehen, die in ihrem dynamischen Zusammenwirken begrenzt vorhersehbare Entwicklungen hervorbringen und meist auch nur in Ausschnitten betrachtet werden (können) je nach individueller, kontext- und erfahrungsgeprägter Sichtweise (vgl. z. B. Gomez/Probst 1997; Ulrich/Probst 1988). Die Auswirkungen des Managements, also von Entscheidungen hinsichtlich der Gestaltung, 92 Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz Lenkung und Entwicklung einer Stiftung, sind daher nur eingeschränkt simulier- und voraussagbar. Darauf weist auch die folgende Definition eines Systems von Ulrich und Probst hin: "Ein System ist ein dynamisches Ganzes, das als solches bestimmte Eigenschaften und Verhaltensweisen besitzt. Es besteht aus Teilen, die so miteinander verknüpft sind, dass kein Teil unabhängig ist von anderen Teilen und das Verhalten des Ganzen beeinflusst wird vom Zusammenwirken aller Teile" (1988, S. 30). Um diese Komplexität der Entscheidungssituation zu handhaben, bedarf es einer angemessenen "Reduktion der Wirklichkeit". So bedarf es im Sinne von Ashby (z. B. 1956)94 einer Balance zwischen der situativen Komplexität auf der einen Seite und der Generierung von Handlungsoptionen zur Erhöhung der Managementvarietät andererseits. Zur Herstellung dieser Balance kann ein sinnvoll konstruiertes Modell oder Framework95 einen hilfreichen Beitrag leisten. Ähnlich auch Conant und Ashby (1970, S. 89): "Every good regulator of a system must be a model of that system." Modelle werden in dieser Arbeit verstanden als Gestaltungsmodelle (Leerstellengerüste), bei denen die praktische Anwendbarkeit des Modells im Vordergrund steht und es "nicht um die Wahrheit von allgemeinen Aussagen, sondern um Nutzen und Schaden von potentiellen realen Gestaltungen" geht (Ulrich 1984, S. 172). Im allgemeinen Sprachgebrauch werden Modelle als (vereinfachtes) Muster oder Abbild der "Wirklichkeit" gesehen. Für bestimmte Zwecke handhabbar gemacht werden Modelle durch ihre adäquate Vereinfachung mittels Abstraktion, Reduktion oder Verallgemeinerung (Schwaninger 94 Das von Ross Ashby (1956) formulierte Ashby´s Law besagt verkürzt, dass auf Seiten des Management eine Varietätsgenerierung erfolgen muss, um (allzu) einfachen Lösungen entgegenzutreten. Andererseits bedarf es einer Varietätsreduktion auf Seiten der Entscheidungssituation im Sinne einer zulässigen Vereinfachung. Ziel ist das Angleichen der Komplexitäten, um die Situation "handhabbar" zu machen. 95 Modelle und Frameworks werden in der vorliegenden Arbeit als Synonym verwendet. Der Modell-Begriff ist in der (Stiftungs-) Praxis häufig nicht anschlussfähig und kann missverstanden werden. Im englischen Kontext werden unter Modellen (lineare) wenn-dann-Kausalitäten verstanden, was dem vorliegenden Modell-Verständnis gerade diametral entgegengesetzt ist. Aus diesem Grund wird in der Ausgestaltung des Stiftungsmanagement-Ansatzes in Kap. 7 ff. der Begriff "Framework" verwendet. Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz 93 2004).96 Ein Modell im o. g. Sinn (Gestaltungsmodell) bietet als "Landkarte" für das Stiftungsmanagement eine hilfreiche Unterstützung beim Treffen von Entscheidungen, da Wirkungszusammenhänge aufgezeigt und komplizierte Zusammenhänge veranschaulicht werden können. Als "sprachliche Konstruktion" und/oder graphische Darstellung befähigt es Führungskräfte, schnell "Wichtiges von weniger Wichtigem" zu unterscheiden (vgl. Rüegg-Stürm 2003, S. 13 f.). Es zeigt weiterhin alle relevanten Dimensionen und Wirkungszusammenhänge auf, die beim Management von Organisationen berücksichtigt werden müssen. Damit ist es eine begründete und hilfreiche Reduktion der Komplexität von Wirklichkeit. Ein Managementmodell kann diesem Verständnis nach nicht als allgemeingültiges "Rezept-Buch" dienen. Es entfaltet seine Wirkung jedoch bei der reflektierten, gezielten Ausgestaltung der einzelnen Dimensionen durch die Führungskräfte im Hinblick auf den situativen Kontext der Organisation. Die Festlegungen z. B. auf normativer, strategischer und operativer Ebene müssen im Sinne einer "Routenwahl" also selbst getroffen und verantwortet werden. Die jeweiligen Dimensionen des Managementmodells für Stiftungen gilt es sowohl einzeln als auch in Interaktion mit den übrigen Dimensionen zu beachten und zu balancieren. Die Ausgestaltung und Konkretisierung eines Modells im situations-spezifischen Kontext und unter Berücksichtigung verschiedener Rationalitäten ist eine permanente Führungsaufgabe. Das Modell erlaubt im Idealfall eine Vollständigkeitskontrolle im Hinblick auf die zentralen, kontingenten Festlegungen, die in einer Organisation getroffen werden müssen. Es dient somit dazu, die "richtigen" Fragen zu stellen, "richtige" Handlungsoptionen zu entwickeln, Auswirkungen von kontingenten Entscheidungen zu verstehen und so das Stiftungsmanagement dazu zu befähigen, "die richtigen Dinge richtig zu tun". 96 Als ein Beispiel einer möglichen – und in bestimmten Situationen zulässigen – Vereinfachung ("Komplexitätsreduktion") der Wirklichkeit kann ein Flugzeugmodell dienen, das in einem kleineren Massstab gebaut wurde und keine Bordelektronik besitzt, um z. B. daran Strömungsmessungen durchzuführen. Es wäre mit immensen Kosten verbunden, einen genügend grossen Windkanal zu bauen, und überflüssig, auch die Bordelektronik zu installieren, um am Originalobjekt aerodynamische Eigenschaften zu testen. Ebenso leisten Modelle wertvolle Hilfe beim Hausbau. Um sich den Hausbau vorstellen zu können, z. B. das Zusammenspiel von Formen und Farben, werden oftmals Hausmodelle in vereinfachter und verkleinerter Weise nachgebaut. Auch stellt eine Landkarte in einem gewissen Sinne ein Modell dar, denn sie modelliert z. B. die Fläche der USA von 9.629.091 km² , das ist etwa doppelt so gross wie die EU, auf die Grösse eines Tisches. Dabei erfolgt eine Vereinfachung durch Verkleinerung und Reduktion auf zwei Dimensionen. Je nach Karte wird zudem ein grösserer oder kleinerer Detaillierungsgrad mit unterschiedlichen Angaben und Signaturen gewählt. Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz 94 Zusammengefasst dient ein Modell zum (angelehnt an Rüegg-Stürm 2003, S. 13 ff.): Beschreiben: relevante Handlungs- und Entscheidungsfelder der Organisation werden in ihrem Gesamtzusammenhang thematisiert Erklären: die zentralen Fragen, Themen, Handlungsfelder werden in ihren Wirkungszusammenhängen aufgezeigt Verstehen: die gemeinsame Sprache dient einem gemeinsamen Verständnis der Management-Herausforderungen Gestalten: das Angebot hilfreicher Handlungsparameter fördert die Entwicklung möglicher und sinnvoller Handlungsoptionen Entscheiden: die integrale Sichtweise befähigt Führungskräfte, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden und die Implikationen ihrer Entscheidungen abzuschätzen Ein Modell gilt dann als valide, wenn es das abbildet, was es abbilden soll, wobei es immer nur als Hilfskonstruktion angesehen werden darf. Zentral ist, dass ein Modell die essenziellen Grössen und deren Beziehungen beinhaltet. Gerade im Stiftungskontext darf ein Modell nicht nur wirtschaftliche Dimensionen berücksichtigen, sondern muss im Sinne eines interdisziplinären Bezugsrahmens auch ökonomische, technologische, soziale, kulturelle, politische, ökologische, psychologische, ethische und ästhetische Aspekte zu einem Gesamtbild verknüpfen. Dieser Ansatz ist auch bei Managementmodellen für Unternehmen zu beobachten, z. B. beim St. Galler Managementmodell (Ulrich/Krieg 1974) und der Weiterentwicklung von Rüegg-Stürm (2003). 3.5.1 Ein Vergleich praxisorientierter Managementmodelle Ein Modell des Stiftungsmanagements muss vor dem Hintergrund des vorgestellten General-Management-Ansatzes und des dargelegten Modellverständnisses folgenden fünf allgemeinen Anforderungen gerecht werden: Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz 95 1. angemessene Komplexitätsreduktion des Systems "Stiftung" bei gleichzeitiger "fehlerfreier" Darstellung deren Funktionsweise97 2. Berücksichtigung des stiftungsspezifischen Kontextes 3. Darstellung der zentralen Herausforderungen und Aufgaben des Stiftungsmanagements 4. Aufzeigen der Zusammenhänge und Wechselwirkungen von Entscheidungen, zur Wahrung der konzeptionellen und prozeduralen Durchgängigkeit, analog des General Management-Ansatzes nach Ulrich (1984) 5. Wahrung der ästhetischen Qualität (Daft 1983, Weick 1989) und der begrifflichen Anschlussfähigkeit Unter Berücksichtigung dieser Anforderungen, die auch dem entwickelten Foundation Excellence-Cockpit zu Grunde liegen, werden die Folgenden ausgewählten, konzeptionellen Ansätze von Managementmodellen (oder noch allgemeiner: Vorstellungen von Management) diskutiert: 1. das Freiburger Management-Modell für Nonprofit-Organisationen (FMM) 2. das Drucker Foundation Self-Assessment Tool (SAT) 3. das Quality Framework (QF) 4. der Grantmaking Tango (GT) 5. das Philanthropic Prism (PP) Hierbei gilt es zu erwähnen, dass wissenschaftlich basierte und elaborierte Ansätze für Stiftungsmanagement selten sind (vgl. theoretische Relevanz von Foundation Excellence). Auch werden diese Ansätze von den Autoren z. T. (noch) nicht als Modell oder Framework bezeichnet. An dieser Stelle soll betont werden, dass die Kürze der hier vorgenommenen Würdigung der ausgewählten Ansätze nicht dem grossen und verdienstsvollen Aufwand der Autoren vollständig gerecht werden kann und nicht alle Facetten, z. B. des Entstehungskontextes und ihrer Entwicklungslinien oder auch wertenden Positionen, detailliert beleuchtet werden können. Dennoch werden die Ansätze mit Hilfe der o. g. Kriterien kurz analysiert und kritisch gewürdigt, um einen Referenzmassstab für die Entwicklung eines Managementframeworks für Stiftungen zu erhalten. 97 Wohl wissend, dass eine Stiftung keine "triviale Maschine" darstellt. 96 Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz Für alle in den Vergleich einbezogenen Ansätze ist eine gewisse Vergleichbarkeit gegeben. Zwar lässt sich nicht an alle das Ideal der Ganzheitlichkeit anlegen, aber die fünf Ansätze greifen doch weit mehr als nur einen Teilaspekt von (Stiftungs-) Management auf (vergleichbares Erkenntnisobjekt). Trotzdem sind die verglichenen Ansätze durchaus auf unterschiedlichem Abstraktionsniveau angesiedelt und weisen einen unterschiedlichen Detaillierungsgrad auf. Ein weiterer Aspekt, warum gerade diese fünf Ansätze ausgewählt wurden, liegt in der relativen Bekanntheit dieser in der Fachcommunity. Diese Community wurde insofern auf NPO-Managementmodelle ausgeweitet, als es einen "Mangel" an spezifischen Managementmodellen für Stiftungen gibt. Insbesondere im Falle des FMM wird jedoch von den Autoren darauf hingewiesen, dass auch Stiftungen zur Anwendergruppe des Modells zählen. Alle Ansätze weisen darüber hinaus eine sehr stark praxisorientierte Aufbereitung auf, die die "direkte" Anwendbarkeit durch die Praxiscommunity erleichtern soll, die zum Grossteil von "Nicht-BWLern" geprägt ist. Aus Gründen der Handhabbarkeit innerhalb dieser Arbeit muss sich auf eine kleine Anzahl an zu vergleichenden Ansätzen beschränkt werden, wohl wissend, dass dadurch auch die "empirische" Aussagekraft der Vergleichsresultate abnimmt. Auf der anderen Seite stellt dieser kurze, qualitative Vergleich trotzdem einen Zugang zu den relevanten Managementansätzen dar, der im weiteren Entwicklungsverlauf des Foundation Excellence Managementframeworks wichtige Hinweise und Orientierungspunkte bietet. 3.5.2 Das Freiburger Management-Modell für Nonprofit-Organisationen (FMM) Das Freiburger Management Modell für Nonprofit-Organisationen (FMM) wurde am Verbandsmanagement Institut der Universität Freiburg (Schweiz) entwickelt und seither bis zur heutigen 4. Auflage stetig verbessert ("Unser Management-Modell bezeichnen wir als ‚permanente Baustelle’." Schwarz et al. 2002, S. 7). Die dem Modell zugrunde liegende Perspektive versteht NPO als zweck- und zielgerichtetes, umfeldabhängiges, Leistungen produzierendes und soziales (Human-) System. Der Auftrag von NPO erfüllt sich im Zweck der kollektiven Selbsthilfe für Mitglieder, der Unterstützung und Förderung an Dritte, der Interessenvertretung nach aussen und der Erfüllung übertragener Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz 97 (para-staatlicher) Aufgaben. Somit sind auch namentlich Stiftungen miteinbezogen und Adressat des Freiburger NPO-Modells (vgl. Schwarz et al 2002, S. 7 und S. 19). Die Konzeption des Modells umfasst die drei Bereiche System-, Marketing- und Ressourcen-Management und versucht damit das Denken in spezifischen Teilgebieten des Managements zu fördern ("Lehrgebäude" und "Leitfaden", Schwarz et al. 2002, S. 34). Das System-Management dient dabei der Festlegung grundsätzlicher Verständnisse und Wertvorstellungen.98 Hier werden die Management-Philosophie festgelegt, Strukturen und Prozesse gestaltet sowie Führungsinstrumente entwickelt. Das Marketing-Management umfasst Aufgaben der Beschaffung, im "Innenbereich" und in der Leistungsabgabe. Im Ressourcen-Management schliesslich geht es um die für die Leistungserbringung notwendigen Mittel (Mitglieder, Mitarbeitende, Finanz- und Sachmittel). Diese Komponenten korrespondieren jeweils mit der Grundauffassung der NPOs (vgl. Schwarz et al. 2002, S. 64). Gerade hier wird jedoch auch deutlich, dass es sich beim Freiburger Management Modell um einen Ansatz für Non-Profit-Organisationen handelt, der aus der hier vertretenen, "kontextsensitiven" Sichtweise eben nicht spezifisch auf Stiftungen ausgerichtet ist. So werden z. B. die grundlegenden Annahmen der Zweckerfüllung, wie "Selbsthilfe für Mitglieder", den organisationsspezifischen Besonderheiten einer Stiftung und insbesondere einer Vergabestiftung, nicht gerecht (vgl. Schwarz et al. 2002, S. 43 und S. 65). Prinzipiell ist das Freiburger Management Modell ein offenes Modell, indem es zwar den Rahmen für die Beschreibung und Gestaltung einer Non-Profit-Organisation vorgibt, deren kontextspezifische inhaltliche Ausgestaltung jedoch im Verantwortungsbereich des Managements belässt (vgl. Schwarz et al. 2002, S. 42). Das Modell ist als durchaus strukturierte Aufzählung und sinnvolle Aneinanderreihung von NPO-relevanten Themen und Herausforderungen zu verstehen und stellt nicht die Funktionsweise einer Stiftung dar. Zudem werden die zum Führen einer Organisation zentralen Zusammenhänge und Wechselwirkungen von Entscheidungen im linear aufgebauten Modell nur rudimentär verdeutlicht, etwa durch die Aufbauschemata der Instrumente in den einzelnen Komponenten (z. B. Schwarz et al. 2002, S. 116: System-Management: Aufbauschema der Instrumente). Diese Zusammenhänge verbleiben aber auf der 98 Im Verständnis der St. Galler Managementlehre entsprechen diese Entscheidungen Festlegungen auf normativer und strategischer Ebene. Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz 98 Ebene der strukturellen Zusammenhänge, inhaltliche Folgen einer Entscheidung auf andere Bereiche (Durchgängigkeit) werden nicht thematisiert. Vielmehr dient das FMM als Check-Liste zum "Abarbeiten" aller in der Management-Lehre zentralen Aspekte des Führens von NPOs. Abschliessende Würdigung ("+" = "gut erfüllt"; "o" = "erfüllt"; "-" = "schlecht erfüllt"): Kriterien Modell Angemessene Komplexitätsreduktion FMM o Abbildung 3-7: 3.5.3 Stiftungsspezifischer Kontext - Stiftungsspezifische Herausforderungen - Zusammenhänge und Wechselwirkungen o Ästhetische Qualität o Begriffliche Anschlussfähigkeit o Bewertung des Freiburger Management Modell für Nonprofit-Organisationen (FMM) Das Drucker Foundation Self-Assessment Tool Der renommierte Management-Forscher und -Vordenker Peter Drucker hat in seinem Buch "The Drucker Foundation Self-Assessment Tool: Participant Workbook" (1999) ein Selbstevaluationstool für Non-Profit Organisationen entwickelt. Ausgangspunkt ist die Überzeugung, dass Dritte Sektor Organisationen in einer Welt turbulenten Wandels und einschneidenden Transformationen umso mehr und dringender aufgrund der wachsenden Bedürfnisse im sozialen Sektor gebraucht werden. Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, stellen sich neue Fragen an Non-Profit Organisationen, inkl. sog. "Philanthropic Organisations", also Stiftungen. Diese kumulieren in der Überzeugung, dass die wichtigste Management-Ressource eine Strukturierungsmethode ist. Diese hilft zu reflektieren: Was tun wir? Warum tun wir dies? Was müssen wir tun? Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz 99 Vor diesem Hintergrund wurde das Self-Assessment Tool (SAT) entwickelt. Es werden dabei fünf zentrale Fragen an eine Non-Profit Organisation gerichtet: 1. What is our mission? Why you do what you do; the organization's reason for being, its purpose. Says what, in the end, you want to be remembered for. 2. Who is our customer? Those who must be satisfied in order for the organization to achieve results. The primary customer is the person whose life is changed through the organization's work. Supporting customers are volunteers, members, partners, funders, referral sources, employees, and others who must be satisfied. 3. What does the customer value? That which satisfies customers' needs (physical and psychological well-being), wants (where, when, and how service is provided), and aspirations (desired longterm results). 4. What are our results? The organization's bottom line. Defined in changed lives - people's behaviour, circumstances, health, hopes, competence, or capacity. Results are always outside the organization. 5. What is our plan? Defines the particular place you want to be and how you intend to get there. Encompasses mission, vision, goals, objectives, action steps, a budget, and appraisal. Das zur Selbstevaluation entwickelte Framework dient vor allem als Reflexionshilfe für die Führungsaufgaben einer Non-Profit Organisation. Die Fragen beziehen sich dabei teilweise auf normativ-ethische Entscheidungen, v. a. jedoch stark auf strategische Herausforderungen des Managements. Operative Fragen und detaillierte Hilfestellungen zur Wertschöpfung werden dabei nicht betrachtet. So werden z. B. detailliert die einzelnen Schritte und Phasen zur Findung einer Mission beschrieben. Der ganze Entwicklungsprozess wird dabei durch zahlreiche Check- und Prinzipienlisten unterstützt. Hierbei fällt auf, dass relativ viele Vorgehensweisen aus der traditionellen BWL übernommen wurden. Da das SAT von Drucker für Non-Profit Organisationen konzipiert wurde, berück- Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz 100 sichtigt es ausserdem z. T. nicht die spezifischen Eigenschaften und den besonderen Kontext von Stiftungen - auch die Beispiele nicht allgemein und nicht stiftungsspezifisch. Das Self-Assessment Tool ist weniger ein Framework, das die Funktionsweise einer Stiftung abbildet und dabei die Zusammenhänge zwischen den jeweiligen Entscheidungen aufzeigt und in ihrer Interaktion berücksichtigt, als vielmehr eine punktuelle Unterstützung bei einzelnen Managementaufgaben, z. B. bei der Erarbeitung einer Mission - hier werden aber dann die Zusammenhänge herausgestrichen. Die begriffliche Anschlussfähigkeit ist sehr hoch - ein Merkmal, dass auch für die zweite US-amerikanische Arbeit, den Philanthropic Prism, gilt. Abschliessende Würdigung ("+" = "gut erfüllt"; "o" = "erfüllt"; "-" = "schlecht erfüllt"): Kriterien Modell Angemessene Komplexitätsreduktion SAT o Abbildung 3-8: 3.5.4 Stiftungsspezifischer Kontext - Stiftungsspezifische Herausforderungen - Zusammenhänge und Wechselwirkungen o Ästhetische Qualität - Begriffliche Anschlussfähigkeit + Bewertung des Drucker Foundation Self-Assessment Tools (SAT) Das Quality Framework Die Association of Charitable Foundations (ACF) hat "Good grant-making practices” in Form eines Quality Frameworks (QF) herausgegeben (2002). Die ACF ist mit über 300 Mitgliedern und einem Ausschüttungsvolumen von mehr als GBP 1 Mrd. die grösste Vereinigung von Vergabestiftungen in Grossbritannien. Das Framework basiert auf der Klassifizierung von Stiftungen zwischen zwei Polen mit unterschiedlichen Eigenschaften: auf der einen Seite die "change-making trusts”, auf der anderen Seite die "giftgiving trusts”. Abbildung 3-9 bietet eine Übersicht über die Eigenschaften beider Typen: Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz change-making trusts Abbildung 3-9: gift-givig trusts risk takers Low risk long-term commitment Short-term high administration costs low administration costs high levels of monitoring and evaluation low levels of monitoring and evaluation specialist staff and trustees committed to the cause generalist staff and trustees • large or small grants reactive • reactive large or small grants partnerships to achieve objectives fast turn around of applications rigorous application process proactive seekers of projects radical agenda Eigenschaften von change-making trusts und gift-giving trust (vgl. Association of Charitable Foundations 2001, S. 11) Das Quality Framework strukturiert sich in die neun Sektionen 1. Governance 2. Strategy 3. Assessment 4. Monitoring 5. Communication 6. Administration 7. Personnel 8. Finance 9. Evaluation 101 Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz 102 Das Framework ist als Antwort auf die aufkommende Diskussion von Qualitätsstandards im Stiftungsbereich als Self-Assessment Tool konzipiert. Die neun Themenblöcke werden auf drei Ebenen betrachtet: 1. Practices, die alle Stiftungen erfüllen sollten (Level 1) 2. Practices, die ein Grossteil der Stiftungen beachten sollten (Level 2) 3. Themen, die Stiftungen für ein fortgeschrittene Practice-Ebene berücksichtigen sollten (Level 3) Die neun Sektionen bestehen ausschliesslich aus Fragen zur Selbstbeurteilung gemäss den drei Ebenen. Die nach Checklisten konzipierte Selbstbeurteilung ist ein eher statisches Framework im Sinne eines Orientierungsrahmens, das sehr gut zentrale Handlungsfelder von Stiftungen aufzeigt, jedoch nur indirekt - durch die blosse Nennung der Herausforderungen - die Funktionsweise einer Stiftung beschreibt. Der Grundgedanke des Frameworks ist nicht das Aufzeigen von dynamischen Zusammenhängen im Hinblick auf ein integriertes Management, sondern das sequentielle Aufgreifen relevanter Themen, über die sich ein Stiftungsmanager Gedanken machen sollte. Hierbei erfolgt allerdings weder eine Beschreibung der unterschiedlichen Herausforderungen einer Stiftung noch eine Illustration von verschiedenen Handlungsoptionen, wie z. B. beim Grantmaking Tango (s. u.). Ein entscheidender Nachteil des Quality Frameworks ist sicherlich die fehlende Verknüpfung der einzelnen Themen. Das Bewusstwerden der Durchgängigkeit von getroffenen Entscheidungen wird nicht unterstützt und die Zusammenhänge der Einflussfaktoren nicht aufgezeigt. Die begriffliche Anschlussfähigkeit ist sehr hoch, was auch auf die Urheberschaft zurückzuführen ist: dem Verband der britischen Vergabestiftungen. Abschliessende Würdigung ("+" = "gut erfüllt"; "o" = "erfüllt"; "-" = "schlecht erfüllt"): Kriterien Modell QF Angemessene Komplexitätsreduktion o Stiftungsspezifischer Kontext + Stiftungsspezifische Herausforderungen + Abbildung 3-10: Bewertung des Quality Frameworks (QF) Zusammenhänge und Wechselwirkungen - Ästhetische Qualität - Begriffliche Anschlussfähigkeit + Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz 3.5.5 103 Der Grantmaking Tango Julia Unwin, eine ausgewiesene und erfahrene Expertin im Dritten Sektor, hat zusammen mit der Baring Foundation, dem Bridge House Trust, der Joseph Rowntree Foundation sowie den Lloyds TSB Foundations die Publikation "The Grantmaking Tango: Issues for Funders" (Unwin 2004) herausgegeben. Der Grantmaking Tango (GT) richtet sich nicht ausschliesslich an Stiftungen, sondern auch an Trustees und Führungskräfte von Dritte-Sektor Organisationen, die Vergabungen tätigen (im weitesten Sinne also als "materielle" Vergabestiftungen" bezeichnet werden können). Das Framework über gutes "grant-making" eignet sich sowohl als Einführung in die Thematik als auch zum Überdenken der bisherig verfolgten Praktiken zur Mittelvergabe. Es betrachtet als Ausgangspunkt die unterschiedlichen Arten des "grant-makings" und des "fundings" und analysiert verschiedenen Ansätze und die dadurch entstehenden Auswirkungen. Die Ausführungen basieren auf drei grundlegenden Annahmen: 1. Eine starke Zivilgesellschaft fördert das Wachstum und die Entwicklung von unabhängigen Organisationen durch ihre jeweiligen Fördersysteme. 2. Die grant-making Organisationen vollziehen ihre Vergabungen möglichst effektiv. 3. Die Beziehung zwischen Förderer und Gefördertem hat eine Auswirkung auf die Effektivität beider Organisationen. Der GT konzentriert sich auf die Input-Output-Betrachtung der Vergabeorganisation. Unwin unterscheidet beim Output zwischen drei geplanten Wirkungen oder gesellschaftlichen Funktionen, die die Vergabeorganisationen verfolgen können, z. B. die "Erhaltung von Dienstleistungen und Aktivitäten" (vgl. hierzu auch Kap. 2.3 "Stabilisierungsfunktion"). Um die Durchgängigkeit zwischen Input und Output bei diesen Funktionen zu verdeutlichen, wird dabei folgenden Fragen nachgegangen: Was bedeutet dieser Ansatz? Was sind die Vorteile und Rückwirkungen? Welche Förderart passt am besten zur gewählten Wirkung? Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz 104 Weitere Ansätze, die entsprechend abgehandelt werden sind "Aufbau von Organisationen" und "Veränderung des Systems" (vgl. hierzu Kap. 2.3 "Innovationsfunktion"). Der geplanten Wirkung steht im GT die Förderart (Input) gegenüber, die es auf die Wirkung abzustimmen gilt. Hierbei wird unterschieden zwischen "Giving", "Shopping" und "Investing". Die Autorin versucht mit ihrem Orientierungsrahmen komplexe Verknüpfungen der Vergabeorganisationen aufzuzeigen und bezieht dabei auch verwandte Themenbereiche wie Ethik von Vergabungen, unterschiedliche Erfahrungen und Hintergründe des Stifters und der Geförderten sowie die Veränderungen des Förderumfeldes mit ein. Die unterschiedlichen Ausprägungen der einzelnen Dimensionen werden gut aufbereitet in kleinen Fallstudien illustriert. Der GT ist im Gegensatz zum Quality Framework (s. o.) weniger ein Selbstassessmenttool mit Fragen zur Reflexion, sondern eher eine Beschreibung unterschiedlicher Themen und Situationen, denen eine Grant-makingOrganisation ausgesetzt ist. Diese zentralen Herausforderungen werden z. T. allerdings stark auf einzelne Themen reduziert, was "Insellösungen" provozieren kann - eine übergeordnete Verortung aller Handlungsfelder erfolgt nicht. Teilweise wird auf die Folgen von Entscheidungen und die dadurch eingeschränkten Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten in nachfolgenden Bereichen hingewiesen. Dies verdeutlicht dann die notwendige Durchgängigkeit der Entscheidungen. Wie beim Quality Framework ist die begriffliche Anschlussfähigkeit gegeben. Abschliessende Würdigung ("+" = "gut erfüllt"; "o" = "erfüllt"; "-" = "schlecht erfüllt"): Kriterien Modell GT Angemessene Komplexitätsreduktion o Stiftungsspezifischer Kontext + Stiftungsspezifische Herausforderungen o Zusammenhänge und Wechselwirkungen o Ästhetische Qualität - Begriffliche Anschlussfähigkeit + Abbildung 3-11: Bewertung des Grantmaking Tango (GT) 3.5.6 Das Philanthropic Prism Peter Frumkin (2000/2005) entwickelte das "Philanthropic Prism" vor dem Hintergrund einer zentralen Lücke in der Philanthropie: Mission und Strategie. Im Gegensatz zur Unternehmenswelt, in der zahlreiche Literatur zu "Strategie" vorhanden ist, existieren Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz 105 für Stiftungen nur wenige wissenschaftliche Publikationen, die sich den grundlegenden strategischen Herausforderungen der Philanthropie annehmen. Hinsichtlich strategischen Stiftens soll das Prisma als Framework dienen, sowohl als Analyse- als auch als Informationstool für philanthropische Handlungsalternativen (vgl. Abbildung 3-12). Im Spannungsfeld zwischen dem partikulären Förderinteresse und den öffentlichen Bedürfnissen soll das Philanthropie-Prisma die Entwicklung einer kohärenten Förderstrategie unterstützen. Das Framework soll keinesfalls institutionsspezifische Varietät und Fähigkeiten durch ein (zu) kleines Set an akzeptierten Praktiken und Prinzipien schmälern.99 Es werden dabei fünf zentrale Fragen gestellt, die sich Stiftungen zu Beginn der philanthropischen Arbeit vergegenwärtigen müssen, um sich dann bewusst für bestimmte Handlungsoptionen zu entscheiden. 1. Ausgangspunkt ist, dass sich die Verantwortlichen klar werden müssen über den (Mehr-) Wert, den sie über ihre Förderungen erreichen wollen. Es muss dabei folgende Frage beantwortet werden: "Was ist wertvoll, sowohl für die Gemeinschaft, als auch für mich als Stifter?" 2. Es muss die Art und Weise der Förderprogramme definiert werden, durch die Beantwortung der Frage: "Welche Art und welcher Ort von Aktivitäten greifen am besten?" 3. Die Verantwortlichen müssen sowohl das Vehikel für die Förderungen bestimmen als auch die passende Struktur dazu festlegen: "Mit welcher Organisationsform können meine Ziele am besten erreicht werden?" 4. Es sollte Klarheit geschaffen werden über die Art des Förderns und die Ebene des Engagements mit folgender Leitfrage: "Welchen Grad des Mitwirkens in der Stiftungsarbeit und der Visibilität nach innen und aussen möchte ich als Stifter erreichen?" 5. Es muss die Lebensdauer des Fördervehikels bestimmt werden. "Wie lange soll die Stiftung bestehen?" 99 Dieser Denkansatz fusst auf Frumkins theoretischer Basis, der Institutional Theory. Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz 106 Value produced through giving Vehicle or institution for giving Logic model supporting giving Identity and style of giver Time frame guiding giving Abbildung 3-12: The Philanthropic Prism Frumkins Modell schränkt das Wirken von Stiftungen nicht durch ein Repertoire an restriktiven Regeln ein, sondern zeigt die vielfältigen Herausforderungen und deren komplexe Zusammenhänge auf. Es wird verdeutlicht, dass eine optimale Wirkung nicht durch die isolierte Betrachtung der einzelnen stiftungsspezifischen Themen erreicht werden kann, sondern dass strategisches Fördern eine klare Durchgängigkeit der Festlegungen über alle von ihm identifizierten fünf Fragen beinhaltet. Die grosse Stärke des Philanthropic Prism ist gleichzeitig seine grösste Schwäche: es wird eine starke Komplexitätsreduktion des Systems "Stiftung" vorgenommen auf fünf zentrale Handlungsfelder. Dies bewirkt zwar eine Vereinfachung des komplexen Systems "Stiftung" auf eben diese fünf Handlungsfelder, die prozedurale Funktionsweise von Stiftungen wird dabei aber ausgeblendet. Als einziger Ansatz, mit Abstrichen auch das FMM, präsentiert Frumkin seinen Orientierungsrahmen auch grafisch in der einprägsamen Form eines Prismas, das daneben auch als Begriff noch interessante Assoziationen bereit hält (z. B. Vielfältigkeit der Stiftungssektors: "jede Stiftung ist einmalig"). Abschliessende Würdigung ("+" = "gut erfüllt"; "o" = "erfüllt"; "-" = "schlecht erfüllt"): Kriterien Modell PP Angemessene Komplexitätsreduktion o Stiftungsspezifischer Kontext + Stiftungsspezifische Herausforderungen o Abbildung 3-13: Bewertung des Philantrhopic Prism (PP) Zusammenhänge und Wechselwirkungen o Ästhetische Qualität + Begriffliche Anschlussfähigkeit + Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz 3.6 107 Leitfragen für die empirischen Untersuchungen Die Untersuchung der fünf Managementframeworks, oder besser: Orientierungsrahmen für das Management, lässt sich, wie in Abbildung 3-14 dargestellt, zusammenfassen: Kriterien Modell Angemessene Komplexitätsreduktion Stiftungsspezifischer Kontext Stiftungsspezifische Herausforderungen Zusammenhänge und Wechselwirkungen Ästhetische Qualität Begriffliche Anschlussfähigkeit FMM o - - o o o SAT o - - o - + QF o + + - - + GT o + o o - + PP o + o o + + Abbildung 3-14: Bewertung der Managementframeworks in der Übersicht Auf der Basis dieser Relevanz eines Managementframeworks für Stiftungen sowie der dargelegten praktischen und theoretischen Relevanz des Themas Stiftungsmanagement können vier Leitfragen für die empirische Forschung zusammengestellt werden (vgl. hierzu auch die Teilziele des Forschungsprojekts in 1.1): 1. Wie funktioniert eine (Vergabe-) Stiftung? Æ Grundlage 2. Was typisiert den Kontext einer Stiftung? Æ vgl. Teilziel 1 3. Wie lauten die spezifischen Herausforderungen von (Vergabe-) Stiftungen? Æ vgl. Teilziel 2 4. Wie wird die konzeptionelle und prozedurale Durchgängigkeit in der Praxis sichergestellt? Æ vgl. Teilziel 3 Ein weiteres wichtiges Ziel von Foundation Excellence, neben der Entwicklung eines integrierten Managementframeworks für Stiftungen (vgl. Kap. 1.1), ist die Analyse der Handhabung (Entscheidungen) der Herausforderungen. Professionelles Stiftungsmanagement - praktische und theoretische Relevanz 108 Für die empirischen Untersuchungen lässt sich daher die folgende, fünfte Leitfrage formulieren: 5. Welche tragfähigen Lösungen ("Handlungsoptionen", auch im Sinne von "best practices") im Hinblick auf einen langfristigen gesellschaftlichen Nutzenzuwachs werden in den jeweiligen spezifischen Entscheidungssituationen entwickelt, um "die richtigen Dinge richtig zu tun?" Æ vgl. Teilziel 4 und 5 Diese fünf Leitfragen dienen als Entwicklungsgrundlage für die Leit- und Themenfäden in den verschiedenen empirischen Untersuchungen, z. B. bei den Experteninterviews oder den teilnehmenden Beobachtungen. Sie lassen sich aber auch umformulieren in Zielsetzungen für das zu entwickelnde Foundation Excellence-Managementframework und dienen so im gesamten Entwicklungsprozess als Orientierung. Ein weiteres zentrales Entwicklungsziel (Teilziel 6), das von Anfang an konsequent beachtet werden muss, stellt die praxisgerechte Aufbereitung dar, sowohl was die verwendeten Begriffe als auch was die ästhetische Aufbereitung des Managementframeworks betrifft (vgl. Kap. 1.1). Wissenschaftstheoretische Grundannahmen 109 "Mich beschäftigt nicht irgendeine Epistemologie, sondern meine gesamte Erkenntnistheorie ist eigentlich, wenn man so will, eine Neugierologie." Heinz von Foerster in "Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners" (von Foerster/Pörksen 1998, S. 43) 4 Wissenschaftstheoretische Grundannahmen In diesem Kapitel werden die der Arbeit zu Grunde liegenden erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Grundüberlegungen skizzenhaft dargestellt, die auch für die Entwicklung des Managementframeworks in Kapitel 7 - 12 als Grundlage dienen. Trotz der Kürze der Ausführungen wird bewusst darauf Wert gelegt, das grundlegende Verständnis der Forscher hinsichtlich der hier vertretenen wissenschaftlichen Praxis (kontextualisierte Wissenschaft) offen zu legen, d. h. Stellung zu nehmen zur Art der wissenschaftlichen Aussagen und den dazu passenden und verwendeten empirischen Methoden (vgl. Kap. 5), die zu diesen Aussagen führen. Um das Ziel der Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Forschungsresultate zu erreichen, müssen die ontologischen und epistemologischen Grundannahmen dargelegt werden. Diese Grundannahmen im Sinne von "Transformationsregeln" (von Foerster 1993, S. 102) definieren, wie Forscher Kenntnis von "der Wahrheit" erlangen - oder umfassender, "wie Wirklichkeit und Wissen im Prozess des Erkennens verfertigt werden" (RüeggStürm 2001, S. 15). Davon ausgehend lässt sich das hier vertretene Wissenschaftsparadigma ableiten und die Wahl der Forschungsmethodologie sowie der Methoden begründen. Zu den erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Grundüberlegungen gehören 110 Wissenschaftstheoretische Grundannahmen auch die organisationstheoretischen Grundannahmen, die die "empirische" Brille "einfärben" ("Was wird beobachtet oder als beobachtenswert anerkannt?"). 4.1 Ein anwendungsorientiertes Wissenschaftsverständnis Im Zusammenhang mit der Vorstellung der Zielformulierung des Forschungsprojekts Foundation Excellence (vgl. Kap. 1.1) sowie der detaillierteren Leitfragen in Kapitel 3.6 stellt sich die berechtigte Frage, was von einem Forschungsprojekt überhaupt erwartet werden kann über die Formulierung von wohlklingenden Forschungsfragen und Zielen hinaus. Einen zentralen Aspekt nimmt hierbei das der Forschungsarbeit zu Grunde liegende Wissenschaftsverständnis ein, also die Frage, wie das sog. pragmatische Wissenschaftsziel (vgl. Kubicek 1977, S. 7) verstanden und umgesetzt wird und was dann der Beitrag dieser Arbeit zur "anwendungsorientierten Managementlehre" im Sinne von Ulrich (1984, S. 131 ff. und 168 ff.) und Lawler et al. (1985, S. IX) sein wird. Angewandte Forschung wird hier verstanden als Wissenschaft, deren Probleme im Praxiszusammenhang entstehen. Im Gegensatz zur Grundlagenwissenschaft geht es nicht darum, unter bestimmten Annahmen generell gültige Aussagen zu machen, die in "allen" Kontexten und für "alle" Probleme direkt ableitbare Lösungen anbieten, sondern darum, "dem Praktiker verständnisfördernde Perspektiven [im Sinne von Beschreibungen und Analysen] zur Definition von Problemen sowie Fragen und Interpretationsmuster [im Sinne von "sanften" Empfehlungen] zu ihrer Lösung an die Hand zu geben" (Kubicek 1977, S. 29, vgl. auch Kap. 7 Zielsetzungen des FE-C). Die angewandte Sozialwissenschaft "Betriebslehre" (oder "Managementlehre") ist so verstanden keine "Heilslehre", die die Probleme - stellvertretend und letztinstanzlich - für den Praktiker löst, sondern ihr Ziel ist vielmehr "die Stimulation einer Reflexion eigener Erfahrungen und zwar in einer Weise, die es den Lesenden ermöglicht, eigene Erfahrungen aus neuen Blickwinkeln interpretieren zu lernen." (Rüegg-Stürm 2002, S. 4). Es werden dadurch "Voraussetzungen für eine Ausdifferenzierung und Weiterentwicklung bereits vorhandenen Orientierungswissens" geschaffen, die im konkreten Anwendungsfall in der Praxis den Praktiker dazu befähigen, neue Handlungsoptionen zu erkennen und diese einschätzen zu können (Rüegg-Stürm 2002, S. 5, vgl. auch Kap. 3.5). Damit verbunden ist jedoch immer auch die Wissenschaftstheoretische Grundannahmen 111 Vorgabe an die Forscher, eine relative Autonomie und Allparteilichkeit aufrecht zu erhalten.100 4.2 Ontologische und Epistemologische Grundannahmen Wie "schafft" man Handlungsoptionen für Praktiker und gelangt zu den oben geforderten Gestaltungsmodellen für die Praxis? Entscheidender Ausgangspunkt für die Beantwortung dieser Frage sind die der Forschung zu Grunde liegenden ontologischen und epistemologischen Grundannahmen.101 Es wird der Erfordernis Rechung getragen, dass sich alle Forschungsansätze (Forschungsdesigns) ableiten (herleiten) lassen müssen von dem der Forschung zu Grunde liegenden Verständnis von Wissen, Erkennen und Wirklichkeit, denn "a preoccupation with methods on their own account obscures the link between the assumptions that the researcher holds and the overall research effort, giving the illusion that it is the methods themselves, rather the orientations of the human researcher, that generate particular forms of knowledge” (Morgan/Smircich 1980, S. 499; ähnlich auch Mayntz et al. 1969, S. 171 f). Dieser Arbeit liegt ein sozial-konstruktivistisches Wissenschaftsparadigma zu Grunde, im Gegensatz zum in der Wissenschaft überwiegenden abbildtheoretischen Paradigma102 (Macpherson et al. 2000, S. 50; Rüegg-Stürm 2001, S. 15). Gemäss der Terminologie von Burell/Morgan (1979) und Morgan/Smircich (1980) verfolgen die Forscher im vorliegenden Projekt einen interpretativen Ansatz103, der auf einem Kontinuum von objektiven zu subjektiven sozialwissenschaftlichen Ansätzen im Bereich der letzteren verortet werden kann (Morgan/Smircich 1980). Damit verbunden sind bestimmte Annahmen über Ontologie und Epistemologie, sowie ein mit diesen Annahmen konsistentes Forschungsdesign und die Verwendung "passender" (angemessener) Forschungsmethoden. 100 "Als ‚differenzerzeugendes Programm’ (Luhmann 1994, S. 645) ermöglicht die managementwissenschaftliche Betrachtung eine nicht-willkürliche, komplexe Beschreibung der Praxissituation, die nicht von den vordefinierten Problemen und Lösungsalternativen mit den dahinter liegenden Annahmen abhängt. Wissenschaft läuft dann eher im Hintergrund mit und schützt den praxisorientierten Forscher davor, von den sozialen Systemen der Praxis absorbiert zu werden" (Nicolai 2004, S. 110). 101 Für einen vertieften Einblick bietet sich Rüegg-Stürm 2001, S. 15 ff. und die dort angegebene Literatur an. 102 von Krogh/Roos (1995, S. 12 ff.) setzen "abbildtheoretisches Paradigma" und "Kognitivismus" gleich. 103 Gemäss dem von Burell/Morgan (1979) entwickelten Framework von "Paradigmen" der Entwicklung Sozialer Theorien: Radical humanism; radical structuralism; interpretive paradigm; functionalism. 112 Wissenschaftstheoretische Grundannahmen Das sozial-konstruktivistische Paradigma stützt sich auf ein ontologisches Verständnis, in dem es keine vom beobachteten Subjekt unabhängige Welt gibt (vgl. Rüegg-Stürm 2001, S. 23). Die Welt ist ein sozial konstruiertes "Produkt" von Sprache, Diskursen, Beziehungs- und Kommunikationsprozessen, das laufend von den sozialen Akteuren gemäss ihren Normen, Werten und Erfahrungen interpretiert und verändert wird. Das epistemologische Ziel lautet somit folgendermassen: Entscheidend bei der Sichtweise der Realität als soziale Konstruktion ist der Prozess, wie Realität "produziert" wird (vgl. Rüegg-Stürm 2001, S. 20 ff.; Dachler/Hosking 1995, S. 1). Im Vorgriff auf die Ausführungen zur Auswahl der empirischen Methoden (Experteninterviews, Fallstudien, Expertenworkshop, vgl. hierzu Kapitel 5) sei hier angemerkt, dass das Beobachten von Prozessen der Verfertigung von Wirklichkeit und Wissen (Struktur als Wirklichkeitsordnung und lokale Theorie), sowie die in diesen "Verfertigungsprozessen" (Handlung als Prozesse der Wirklichkeitskonstruktion) zur Anwendung kommenden sozialen Praktiken von zentraler Bedeutung sind, im Hinblick auf die Entwicklung eines Managementframeworks für Stiftungen.104 Diese Positionierung erfolgt auch mit dem Verweis auf Kuhn (1976, S. 211), nach welchem über die Richtigkeit von wissenschaftlichen Methoden und Theorien nicht mit Hilfe allgemeingültiger (letztinstanzlicher) Beweisregeln - im Sinne eines "neutralen Algorithmus" oder "systematischer Entscheidungsverfahren" - geurteilt werden kann. Solche "Entscheidungen" für oder gegen eine Position implizieren jedoch nicht eine Geringschätzung anderer Forschungsarbeiten, die abweichende Theorien und Methoden ihrer Tätigkeit zu Grunde legen. Denn es gilt einerseits: "Jede Argumentation und jede Beobachtung beginnt mit einer Unterscheidung, die irgendeinmal nicht mehr auf weitere Unterscheidung (und damit Gründe) zurückgeführt werden kann" (Rüegg-Stürm 2001, S. 16 f.)105. Zum Anderen sind Forschende auch durch die Wahl der Gemeinschaft, in der 104 Aus systemtheoretischer Sicht lässt sich bestätigend ergänzen, dass Systeme (z. B. Stiftungen) nicht als Gegebenheiten betrachtet werden, sondern vor allem aus den Perspektiven "Erkenntnisgewinnung", "Wissen" und "Sprache untersucht werden. Entscheidend für die Forscher ist dann, alles was z. B. in Interviews gesagt wurde, in den Aussagenzusammenhang zu stellen ("Wie ist die Aussage zustande gekommen?"). Ein System ist so nicht mehr die Summe aus zeitüberdauernden Entitäten (z. B. Personen, Abteilungen, Handbücher), sondern besteht aus "in den Fluss der Zeit eingebetteten" Ereignissen", wie Kommunikationen, Entscheidungen oder Handlungen (Aktivitäten). (vgl. Rüegg-Stürm 2001, S. 81 und die dort angegebene Literatur). 105 Ähnlich beschreiben Biedermann/Müller (1988) diese Grenze hin zum "Nicht-Mehr-Hinterfragbaren" für den Bereich der Rationalitäten in der Führung, wo die "reine", analytische Rationalität nicht ausreicht, um bestimmte Führungsphänomena (also Entscheidungen und Handlungen von Führungskräften) zu verstehen und zu erklären. Bardmann (1994) spricht im Zusammenhang mit dem Beobachten von einer notwendigen "Leitdifferenz", die getroffen werden muss, aber nicht mehr begründet werden kann. Wissenschaftstheoretische Grundannahmen 113 sie sich bewegen, "vorgeprägt" hinsichtlich der Wahl des Wissenschaftsparadigmas und in der Verwendung bestimmter Methoden (Rüegg-Stürm 2001, S. 17) - und in dem "what we choose to study, how we choose to study it, what literature we do or do not read, how and with whom we develop relationships in research sites, what we are capable of seeing and making sense of, how we make connections between concepts and data, our capacities for intuition, insight, persistence, craftiness, and courage in getting into and out of research situations, and the extent to which our research is useful for theoretical development and practice” (Pettigrew 1985, S. 223, der diese Grundentscheide als "root assumptions” bezeichnet). 4.3 Implikationen auf die Forschungsmethodologie Wenn nun der Prozess der empirischen Forschung in den Mittelpunkt gerückt wird, also die systematische Erkenntnisgewinnung106, steht an dessen Ende der Wunsch, "brauchbares Wissen über ‚die’ Wirklichkeit" (Rüegg-Stürm 2001, S. 21) zu erlangen. Anders formuliert sind empirische Ergebnisse Aussagenzusammenhänge, die sich auf Erfahrung(en) beziehen (Hug 2001) und sich an ihnen plausibilisieren lassen (Wienold 1994; S. 165). Die zentralen Begriffe sind gemäss den oben dargelegten Positionen hinsichtlich Ontologie und Epistemologie somit Wissen, Erkennen und Wirklichkeit. Wie wird nun bei einem Forschungs-"Problem" wie der Entwicklung eines Managementframeworks für Stiftungen vorgegangen, das sich auszeichnet durch hohe Komplexität, begründet durch eine Vielzahl sich z. T. konkurrierenden Rationalitäten, durch sektorale und organisationale Defizite und sich daraus ergebenden Paradoxien und durch eine starke Kontextabhängigkeit (vgl. Kap. 6). Als Konsequenz der oben dargelegten Position folgt, dass "die" Wirklichkeit nur durch direkten Zugang zu den in einem sozialen System(verstanden als "Ordnung sozialer Beziehungen über Raum und Zeit hinweg") involvierten Personen erfahrbar wird. Es geht mithin darum, "to understand phenomena through accessing their meanings that participants assign to them" (Orlikowski/Baroudi 1991, S. 5). Erkennen und verstehen ist somit ein gemeinsames Ergebnis der Forschenden und der in das Forschungsvorhaben invol106 Hier verstanden als planvolles, regelgeleitetes, intersubjektiv nachvollziehbares Vorgehen im Gegensatz zu einem naiven und unsystematischen, auf Zufällen beruhenden Vorgehen. 114 Wissenschaftstheoretische Grundannahmen vierten Personen ("Ko-Produktion von Wissen", vgl. Rüegg-Stürm 2001, S. 23; Dachler 1992). Demnach wird deutlich, dass "[…] participants as well as researchers possess critical knowledge and possess self-reflective attributes” (Small 1995, S. 945). Eine enge Lernpartnerschaft zwischen Forschern und Praktikern entsteht, denn: "our practitioner communities help us to ground our ideas in the real world, a place where our "data” originated and where our future phenomenological questions will emerge. Together, all our communities provide inspiration, emotional support and intellectual challenge. Without them, our work would be unsustainable” (Hoffman 2004, S. 217). Aus den oben dargelegten Punkten folgt eine hermeneutisch-interpretative Forschungsmethodologie107 als die in diesem spezifischen Fall - für diese spezifische Forschungsfrage und auf Grundlage der oben beschriebenen ontologischen und epistemologischen Positionen - angemessene Methodologie (vgl. Morgan/Smircich 1980, S. 492; Darke et al. 1998, S. 276; Rüegg-Stürm 2001, S. 23). Dies impliziert im Weiteren die Verwendung "feldnaher, kontextsensitiver Forschungsmethoden, die in der Lage sind, der Komplexität und Kontextbezogenheit sozialer Prozesse durch Erarbeitung reichhaltiger, ‚dichter’ Beschreibungen möglichst gerecht zu werden" (Rüegg-Stürm 2001, S. 67). "Dichte Beschreibungen" (vgl. Geertz 1983) werden hier verstanden als Gegensatz zu "dünnen Beschreibungen", d. h. der reinen Fülle von Daten und Beobachtungen. Mit Hilfe hermeneutischer Rekonstruktionen wird mit einer dichten Beschreibung versucht, "die intendierten Bedeutungen und den sozialen Sinn herauszuarbeiten und in einer Weise darzustellen, die die Leser mitten hinein versetzt in das Geschehen, ihnen einen Zugang zur Gedankenwelt und Alltagserfahrungen der untersuchten Subjekte eröffnet und dabei den kulturellen Gesamtkontext erschliesst" (Friebertshäuser 2003, S. 33). Nur dann ist es wohl möglich, die von den Forschern identifizierten und beschriebenen Herausforderungen zu verstehen und einordnen zu können, sowie die davon abgeleiteten 107 Manche Autoren benennen die methodologische Position der interpretativen hermeneutischen Vorgehensweise auch mit dem "generellen" Begriff der "qualitative research" (z. B. Morgan/Smircich 1980, S. 497 ff.; Miles/Huberman 1984, S. 10 ff.; Bryman/Burgess 1999, S. IX ff.), wobei die Autoren dieser Arbeit den Begriff "qualitativ" nach der hier zu Grunde liegenden Logik auf den Bereich der Forschungsmethoden beschränken, da die Methodologie als "Metaebene" nicht auf die Simplifizierung quantitativ-qualitativ beschränkt werden kann – und der Zusatz "research" zuwenig Unterscheidung aufweist zu "method". Zur Verdeutlichung hierzu Morgan/Smircich (1980, S. 499): "The range of possible approaches to qualitative research indicates clearly that the dichotomization between qualitative and quantitative methods is a rough and oversimplified one. Qualitative research stands for an approach rather than a particular set of techniques, and its appropriateness – like that of quantitative research – is contingent on the nature of the phenomena to be studied.” Silverman (2000, S. 11) sieht das ähnlich: "[…] I view most of such dichotonomies or polarities [also die Einteilung in entweder quantitativ oder qualitativ orientierte Forscher] in social science for highly dangerous." Deshalb wird hier für "research” der Begriff der – in diesem Falle hermeneutisch-interpretativen – Forschungsmethodologie verwendet. Wissenschaftstheoretische Grundannahmen 115 Analysen und Konklusionen in Form von Praktiken und Tools bewerten und anwenden zu können. Dies spricht für eine Verwendung von Methoden wie z. B. Experteninterviews, Fallstudien oder Expertenworkshop, wie sie in diesem Forschungsprojekt verwendet werden (vgl. hierzu auch Kap. 5). Die Entscheidung für einen hermeneutisch-interpretativen Ansatz wird zusätzlich unterstützt durch Hollis (1994, S. 151 ff.), nach dem in einem interpretativen Ansatz die Forscher Daten über die Akteure im "Feld" sammeln, um so in der Lage zu sein, die gelebten Praktiken im spezifischen Kontext zu analysieren. Oder einfach gesagt: "It [ein hermeneutisch-interpretativer Ansatz] simply stands for the business of interpretation" (Addison 1992, S. 110). Ein hermeneutisch-interpretatives Vorgehen, das eine aktive Zusammenarbeit zwischen Forschenden und Praktikern anstrebt ("entering into an active dialogue with research participants", Addison 1992, S. 113), um auf diese Weise in ein Stadium zu gelangen, in dem Werte und Normen, die den sozialen Strukturen und Prozessen zu Grunde liegen, erkennbar werden, führt zu partnerschaftlich entwickelten "Rekonstruktionen" der Wirklichkeit (vgl. hierzu auch Sayer 1992, S. 43; Rüegg-Stürm 2001, S. 64 ff.). Hier schliesst sich auch der Kreis zur oben zitierten Beschreibung der angewandten Wissenschaft von Hans Ulrich, nach der eines der Ziele angewandter Wissenschaft die Entwicklung von Gestaltungsmodellen ist "für eine erst zu schaffende Realität" (Ulrich 1984, S. 172). Durch diese Involvierung in den Forschungsprozess kann ein Objektivitätsanspruch, wie er häufig für das abbildtheoretische Paradigma geltend gemacht wird (vgl. Strodtholz/Kühl 2002), nicht aufrechterhalten werden.108 Demgegenüber steht ein handlungsleitendes Forschungsinteresse, das nicht darauf ausgerichtet ist, "wie die Wirklichkeit im Forschungsfeld objektiv aussieht", sondern ein Bestreben darstellt, "die Kontingenz der fraglos gültigen Wirklichkeitsordnung sichtbar zu machen und dabei mit den Betroffenen Optionen für alternative Konstruktionen zu erfinden" (Rüegg-Stürm 2001, S. 63). Auch gilt die subjektive Wahrnehmung der Forschenden nicht als Störquelle, "sondern als selbstverständlicher Bestandteil des Forschungsprozesses. Der Wissenschaftler ist […] selbst in die Deutungs- und Interaktionsprozesse der Organisation eingebunden. Da seine Forschungsergebnisse beständig neue Wirklichkeitskonstruktionen 108 Für eine kritische Betrachtung des im abbildtheoretischen Paradigma vorherrschenden Objektivitätsanspruches – und schliesslich die Widerlegung dessen – siehe Rüegg-Stürm (2001, S. 61 ff.) und die dort angegebene Literatur. Wissenschaftstheoretische Grundannahmen 116 und Bedeutungszusammenhänge kreieren, nimmt er unweigerlich an der Konstituierung seines Forschungsgegenstandes teil" (Strodtholz/Kühl 2002, ähnlich auch Rüegg-Stürm 1998 und Bryman 1999, S. 39, der dieses Vorgehen mit dem Begriff "going native" umschreibt). 4.4 Organisationsverständnis Neben dem oben dargestellten wissenschaftstheoretischen Verständnis ist eine weitere notwendige Grundvoraussetzung für eine wissenschaftliche, d. h. strukturierte und reflektierte Aufarbeitung des "Forschungsgegenstands" einen entsprechenden organisationstheoretischen Bezugsrahmen zu explizieren, da das Management von Stiftungen nicht im "luftleeren Raum" stattfindet. Wie werden Stiftungen in dieser Arbeit aus organisationstheoretischer Perspektive gesehen? Welches sind konstituierende Merkmale von Organisationen, so wie sie von Wissenschaftlern in ihrer Funktion als "Beobachter" wahrgenommen, beschrieben und analysiert werden, so dass schliesslich Schlussfolgerungen daraus gezogen werden können? Denn: "Wenn immer Menschen beobachten, starten sie diesen Prozess stets mit einem bestimmten biographischen Wissensvorrat, der es ihnen erlaubt, beim Beobachten sinnvolle Unterscheidungen zu treffen und hilfreiche Kategorisierungen vorzunehmen. Die resultierenden Beobachtungen können ihrerseits zur Entwicklung neuer Kategorien führen, die das Treffen differenzierterer oder neuartiger Unterscheidungen ermöglichen usw." (Rüegg-Stürm 2001, S. 73, und die dort angegebene Literatur). Stiftungen werden in dieser Arbeit von einer "interpretativ-hermeneutischen, prozessorientierten und polykontexturalen Sichtweise her" interpretiert (Rüegg-Stürm 2001, S. 117 und die dort angegebene Literatur). Dieser Sichtweise liegt die Strukturationstheorie von Giddens (1984; 1995)109 zu Grunde, die auch das hier verwendete Organisationsverständnis kennzeichnet. 109 "Giddens’ Theorie der Strukturierung ist (als Meta-Theorie) – wie Luhmanns Theorie sozialer Systeme (1994) – nicht unmittelbar auf organisationstheoretische, sondern primär auf soziologische Fragestellungen ausgerichtet. Nichtsdestoweniger vermag auch sie der Organisationstheorie und der Managementlehre wertvolle Einsichten und Impulse zu vermitteln" (Rüegg-Stürm 2001, S. 90f. und die dort angegebene Literatur). Zur Strukturationstheorie von Giddens als Meta-Theorie bieten sich die Werke von Rüegg-Stürm (2001) und Schumacher (2003) als Lektüre an. Beide diskutieren vertieft konstruktiv- Wissenschaftstheoretische Grundannahmen 117 In der Organisationstheorie hat in den vergangenen Jahren die Strukturationstheorie von Giddens (1984; 1995) eine grosse Bedeutung erlangt.110 An dieser Stelle kann und soll jedoch nicht die gesamte Theorie dargestellt werden, sondern nur diejenigen Konzepte und Theoreme hervorgehoben werden, die für die in diesem Forschungsprojekt verfolgten organisations- und managementspezifischen Fragestellungen notwendig und hilfreich sind.111 Für eine umfassende Betrachtung und Diskussion der Strukturationstheorie von Giddens sei verwiesen auf die Beiträge von Schumacher (2003), Rüegg-Stürm (2001), aber auch auf frühere Werke, z. B. von Craib (1992), Bryant/Jary (1991), Clark/Modgil/Modgil (1990) oder Held/Thompson (1989) - und natürlich auf Giddens (z. B. 1984, 1995). Im Mittelpunkt der Strukturationstheorie steht das Verhältnis von Struktur und Handlung. Die organisationalen Strukturen, die dem Prozess der Strukturierung zu Grunde liegen, werden durch die organisationalen Handlungen hervorgebracht. Beide Aspekte, Struktur und Handlung, sind also zwei Seiten ein und derselben Medaille: der Strukturierung oder des Organisierens. "Entscheidend für den Begriff der Strukturierung ist das Theorem der Dualität von Struktur. […] Die Konstitution von Handelnden und Strukturen betrifft nicht zwei unabhängig voneinander gegebene Menge von Phänomenen - einen Dualismus - sondern beide Momente stellen eine Dualität dar. Gemäss dem Begriff der Dualität von Struktur sind die Strukturmomente sozialer Systeme sowohl Medium wie Ergebnis der Praktiken, die sie rekursiv organisieren", so Giddens 1995, S. 77). Folgende Situation kann als erläuterndes Beispiel für den Prozess der Strukturierung dienen: Durch das Einhalten von z. B. thematischen Zuständigkeitsbereichen in einer Stiftung im Rahmen des "alltäglichen" Arbeitsprozesses der Sichtung von Anträgen wird diese istische Zugänge (Systemtheorie und Strukturationstheorie) zu Organisation (und Wandel) sowie die zu Grunde liegenden erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Grundüberlegungen. 110 "Autoren wie Ortmann, Sydow, Windeler und Türk sehen hier ein geeignetes Theorieraster, um verschiedene organisationstheoretische Ansätze zu systematisieren, aneinander anzuschliessen (Ortmann 1995; Ortmann/Sydow/Türk 1997) und so zunächst Machtprozessen in Organisationen (Ortmann/Windeler/Becker/Schulz 1990), dann aber auch den wechselseitigen Konstitutionsverhältnissen und Re/Produktionsprozessen zwischen Organisationen, Institutionen und der Gesellschaft insgesamt auf die Spur zu kommen (Ortmann/Sydow/Windeler 1997)", so Holtgrewe (2000, S. 42) in ihrer umfangreichen Analyse der Strukturationstheorie von Giddens. 111 Giddens legt im Übrigen auf die Bezeichnung "social theory" statt "sociological theory" oder gar "organizational theory" grossen Wert. Denn "es geht in der Strukturationstheorie darum, Themen aufzugreifen, die das Anliegen aller Sozialwissenschaften (und nicht nur der Soziologie) sind und sogar in die Philosophie ausgreifen" (Behr 1997, S. 5f). Giddens selbst fasst dies folgendermassen zusammen: Structuration theory "is the label I attach to my concern to develop an ontological framework for the study of human social activities. By ‘ontology’ here, I mean a conceptual investigation of the nature of human action, social institutions and the interrelations between action and institutions” (Giddens 1991, S. 201). Die Strukturationstheorie kann daher als Meta-Theorie bezeichnet werden, wie auch Rüegg-Stürm (2001, S. 90) feststellt. 118 Wissenschaftstheoretische Grundannahmen Grenzziehung (Zuständigkeitsgrenzen) kontinuierlich als "Struktur" reproduziert und bestätigt (angelehnt an Schumacher 2003, S. 106). Es entsteht also eine soziale Struktur oder Strukturiertheit, generiert durch Handlungen von kompetenten, reflektierenden Akteuren, die wissen und erklären können, was sie tun - soziales Handeln als diskursive und interpretative Beziehungs- und Kommunikationsprozesse. Die Akteure können ihre Handlungen aufgrund ihres Handlungsvermögens (capability) grundsätzlich beeinflussen und beständig über die handlungsrelevanten Wissensbestände (knowledgeability) steuern. Dabei zeichnet sich menschliches Handeln durch eine Kontingenz aus, d. h. "dass es immer auch anders sein könnte; menschliches Handeln ist nie ein von Strukturen determiniertes Geschehen, sondern Menschen verfügen grundsätzlich stets über Handlungsvermögen" (Rüegg-Stürm 2001, S. 94). Die Prozesse der Strukturation erfolgen reflexiv, wie Ortmann et al. anmerken, denn "die Formulierung und Etablierung von Regeln und die Bereitstellung von Ressourcen erfolgt reflektiert, das heisst, die Strukturation ist im Falle von Organisationen - gleichwohl nur partiell intendiertes - Resultat einer um Zweckmässigkeit bemühten Reflexion" (Ortmann/Sydow/Windeler 1997, S. 317 - zit. in Holtgrewe 2000, S. 38). Die Zweckmässigkeit drückt sich dabei durch ausgewählte Zwecksetzungen aus, wobei zum einen die zu Grunde liegende Rationalität grundsätzlich begrenzt ist (vgl. March/Olsen 1976), zum anderen jegliche Zweckrationalität Resultat vorangegangener Strukturationsprozesse ist. Es ergeben sich so keine Handlungserfordernisse und konkrete Anleitungen, sondern ein "Handlungskorridor", in dem Probleme als Probleme erkannt und verarbeitet werden sowie entsprechende Lösungen entwickelt und bewertet werden können.112 Diese Problemlösungen werden "den in der Organisation Handelnden qua Mitgliedsrolle und Zuständigkeit Probleme und Lösungswege vorgeben. Damit werden nicht nur die Freiheitsgrade ihres Handelns beschränkt, vielmehr ermöglicht das organisierte Handeln auch Entlastung und Leistungssteigerung. Organisation bedeutet demnach eine bestimmte Verfasstheit des Handelns", so Holtgrewe (2000, S. 38). 112 Zur Verdeutlichung eine interessante Metapher von Behr (1997, S. 11): "Ein Flussbett stellt die Begrenzungen für das darin fliessende Wasser dar, welches (durch Stromschnellen, Wasserstrudel etc.) eine innere Dynamik aufweist und sowohl das Ufer des Flusses bestimmt (welches eine gewisse Kontinuität aufweist und den Fluss erst als Fluss definiert), als auch dessen Verlauf mehr oder weniger schnell verändern kann (Überschwemmungen). Unter einem Fluss (Strukturation) versteht man also sowohl das Flussbett (Struktur) als auch das Wasser (Akteure), welches ständig in Bewegung ist. Den Flussströmungen entsprechen "soziale Praktiken", die Ausdruck des dynamischen Wechselspiels zwischen Handlung und Struktur sind. Wissenschaftstheoretische Grundannahmen 119 Auf der anderen Seite stellen die Strukturen (oder besser: Strukturmomente) "Regeln" und "Ressourcen" dem Handeln erst "Material” zur Verfügung. Dabei können Strukturen sowohl ermöglichend als auch einschränkend wirken. Die Prozesse der Strukturation (des Organisierens) sind also rekursiv, d. h. zirkulär aufeinander bezogen. Denn: "In und durch Handlungen reproduzieren die Handelnden die Bedingungen, die ihr Handeln ermöglichen." (Giddens 1995, S. 52). Die Rekursion umfasst dabei auch, "dass es nicht intendierte Handlungsfolgen und undurchschaute Handlungsvoraussetzungen gibt, und auch, dass Strukturbildungen in Zeit und Raum weit über die Reichweite der Handlungen einzelner Akteure hinausweisen" (Holtgrewe 2000, S. 37). Zum weiteren Verständnis und zur zielführenden "Nutzung" der Strukturationstheorie von Giddens als "Brille" der empirischen Forschung sollen neben dem kurz thematisierten Handlungsbegriff von Giddens noch die Begriffe "Struktur(en)" und "Soziale Praktiken" erläutert werden. Zur Einleitung ein Zitat von Schumacher (2003, S. 111), das noch einmal den Zusammenhang von Strukturen, Handlung und sozialen Praktiken aufzeigt: "Für Giddens sind Strukturen […] keine eigenständigen virtuellen Entitäten, sondern verwirklichen sich in einem "immer währenden Prozess" der "rekursiven Reproduktionen von Praktiken" im Handeln. Es sind typisierte Handlungen, die auch in anderen Situationen eine Art Mustervorlagen darstellen und auch von anderen Akteuren erkannt und benutzt werden können. Dadurch werden die sozialen Praktiken über Raum und Zeit hinweg identisch reproduziert und bleiben erhalten. Systeme haben somit nur insofern Strukturen, als diese Strukturmomente sich in Praktiken realisieren und in Erinnerungsspuren erhalten bleiben. […] Handeln wird in diesem Zusammenhang verstanden nicht als eine Reihe diskreter, intentionaler einzelner Akte, sondern als eine kontinuierliche Sequenz sozialer und aufeinander bezogener Praktiken. Die Akteure sozialer Systeme reproduzieren die Strukturen durch ihre Handlungen." Was jedoch sind Strukturen, hier verstanden als die Strukturmomente "Regeln" und "Ressourcen"? Man kann sich einer Antwort nähern, indem man darstellt, was Giddens wohl nicht unter Strukturen versteht (vgl. Craib 1992, 40 f.). Ein Verständnisproblem beim Begriff "Struktur(en)" ist, dass Giddens einen in der Praktikerwelt durchaus gängigen Begriff verwendet, ihn aber mit einer relativ neuen (anderen) Bedeutung versieht. Wissenschaftstheoretische Grundannahmen 120 Angelehnt an Behr (1997, S. 15 f.) kann festgehalten werden, dass Strukturen keine objektive Existenz ausserhalb der Akteure haben, sondern sie werden immer durch Akteure reproduziert. Technologie, verstanden als Struktur, ist z. B. nicht unabhängig von Akteuren in Organisationen zu verstehen, da sie durch Akteure interpretiert, eingeführt und als Ressource für deren Handeln genutzt wird. Gleichzeitig setzt sie jedoch durchaus bestimmte Grenzen für das Handeln der Akteure. keine gesetzesartigen Regelmässigkeiten aufweisen. Strukturen haben sowohl ermöglichenden als auch begrenzenden Charakter für das Handeln von Akteuren und werden von diesen rekursiv reproduziert, wie oben bereits dargelegt wurde. Durch diesen Zusammenhang ist es jedoch immer möglich, dass Akteure "anders handeln", als es der "Logik" einer Struktur entsprechen würde (Kontingenz menschlichen Handelns). keine sichtbaren (also empirisch direkt beobachtbaren) Muster oder sozialen Handelns sind. Diese Muster sind für Giddens vielmehr Merkmale von Systemen: Soziale Systeme sind "reproduzierte Beziehungen zwischen Akteuren oder Kollektiven, organisiert als regelmässige soziale Praktiken" (Giddens 1995, S. 77). Strukturen im Sinne Giddens sind also nicht mit dem zu verwechseln, was allgemein unter "Organisationsstruktur" verstanden wird. Auch Behr (1997, S. 15 f.) hält fest: "Giddens’ Strukturverständnis entspricht damit nicht dem in der Organisationstheorie verbreiteten (Loose/Sydow 1994, S. 173; Kieser 1993; Türk 1989), sondern es orientiert sich eher an der poststrukturalistischen Idee, dass Strukturen ‚Schnittpunkte von Gegenwärtigem und Abwesendem’ darstellen, deren zu Grunde liegende Codes aus Oberflächenerscheinungen erst abgeleitet werden müssen (Giddens 1995, S. 68). Strukturen sind daher im Sinne einer virtuellen Ordnung zu verstehen. Sie sind als ‚Erinnerungsspuren’ im Bewusstsein der Akteure vorhanden und orientieren als Regeln und Ressourcen deren Handeln. Erst durch die Bezugnahme von Akteuren auf solche Regeln und Ressourcen werden Strukturen in soziale Praktiken umgesetzt und erhalten auf diese Weise systemischen, d. h. empirisch beobachtbaren Charakter" (Neuberger 1995, S. 320). Doch gibt es neben diesen Erinnerungsspuren auch "materialisierte Strukturen", "die physisch greifbar, zeitüberdauernd und personenunabhängig, z. B. in schriftlichen Festlegungen, in Artefakten, in einer bestimmten Gestaltung des Arbeitsplatzes und in einer bestimmten Wissenschaftstheoretische Grundannahmen 121 Infrastruktur ganz allgemein (Informationstechnologie, Produktionslayout, Maschinenpark usw.) verkörpert werden" (Rüegg-Strüm 2001, S. 362). Strukturen werden bei Giddens durch Regeln und Ressourcen definiert. Beide Begriffe bedürfen ebenfalls einer kurzen Erläuterung (wiederum angelehnt an Behr 1997, S. 17 f.). Regeln sind methodische Verfahrensweisen sozialer Interaktion, die bei der Ausführung und Reproduktion sozialer Praktiken angewendet werden und auf die sich der Akteur primär über sein praktisches Bewusstsein in seinem Handeln bezieht (Giddens 1995, S. 73, ähnlich auch Rüegg-Stürm 2001, S.100 ff.). Sie werden von Akteuren interpretiert und sind nur in deren Handeln erkennbar. Die Regeln geben "den Handelnden somit ein praktisches Wissen an die Hand, wie sie sich in einem entsprechenden Kontext angemessen und kompetent verhalten können. […] Die Regeln werden als Handlungsmuster beständig sozial reproduziert, entziehen sich aber andererseits dem direkten bewussten Zugriff und somit einer allzu simplen intentionalen Veränderung durch die Beteiligten", so Schumacher (2003, S. 112) zusammenfassend. Giddens teilt schliesslich Regeln in zwei Gruppen ein (vgl. Behr 1997, S. 17), in Regeln der Signifikation und Regeln der Legitimation: Signifikationsregeln ermöglichen als "interpretative Schemata" die "Verstehbarkeit" von Informationen. Sie tragen zur Konstituierung von Sinn in sozialen Systemen bei. Legitimationsregeln dagegen begründen die normative Ordnung eines Systems und damit die routinemässige moralische Beurteilung sozialer Phänomene und Situationen. Regeln sind zudem nicht ohne die Bezugnahme auf Ressourcen zu konzeptionalisieren, denn soziale Praktiken beziehen sich zwar auf Regeln, die die Kontinuität sozialer Praktiken definieren, können aber nur durch handelnde Akteure sichtbar gemacht werden, was immer den Bezug auf Ressourcen bedeutet. Wissenschaftstheoretische Grundannahmen 122 Diese teilt Giddens auf in allokative und autoritative Ressourcen (vgl. Behr 1997, S. 17 f.): Allokative Ressourcen ermöglichen (wenn man sie zur Verfügung hat) oder begrenzen (wenn sie einem fehlen) die (immer begrenzte) Kontrolle über materielle Merkmale der Umwelt, insbesondere Produktionsmittel, Rohstoffe, Güter oder Geld. Autoritative Ressourcen beziehen sich dagegen auf Macht über Personen, gespeicherte Daten, bürokratische Prozeduren, Leitbilder, Informationen, verbreitete Managementideologien oder Belohnungs- und Beurteilungssysteme. Wie sehen nun die Auswirkungen auf das empirische Vorgehen aus, auf der Grundlage des oben dargestellten Verständnisses von Organisationen? Nach Giddens werden soziale Praktiken zwar durch bewusst und intentional handelnde Akteure hervorgebracht, diese handeln jedoch immer in einem strukturell-kulturellen Kontext, der sie allerdings wiederum nicht determiniert, sondern sowohl ermöglichenden (enabling) als auch begrenzenden (constraining) Charakter hat. Die Struktur (Organisiertheit) existiert erst durch das Handeln und in der Handlung der Akteure, d. h. in der Anwendung sozialer Praktiken. Das Handeln wiederum wird auch erst durch die Existenz von Struktur (Verfügbarkeit von Regeln und Zugriff auf Ressourcen) und in der Bezugnahme auf diese ermöglicht. Um die zeitresistenten Strukturen (Wirklichkeitsordnung) sozialer Systeme zu untersuchen, muss man erheben, auf welche Art und Weise das System durch zeitkontingente Handlungen (Wirklichkeitskonstruktionen), also über die Anwendung von Regeln und Ressourcen in sozialen Praktiken, produziert und reproduziert wird.113 Dieses Verständnis weist im Übrigen wiederum auf die Verwendung von feldnahen, kontextsensitiven Forschungsmethoden hin, wie Experteninterviews, Fallstudien und Expertenworkshops (vgl. hierzu ausführlich Kap. 5). 113 Giddens bezeichnet diese Art der Analyse der Strukturierung als Strukturanalyse, im Gegensatz zur Handlungsanalyse, die die Welt der Akteure zu rekonstruieren versucht. Es geht, so Schumacher (2003, S. 113), um interpretatives Verstehen der Handlungen "durch die Rekonstruktion von Handlungssteuerung, -gründen und -motiven" der Akteure, was für die Verwendung von ethnographischen Methoden spricht. Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden 123 "Das Festhalten an der subjektiven Perspektive ist die einzige, freilich auch hinreichende Garantie dafür, dass die soziale Wirklichkeit nicht durch eine fiktive, nicht existierende Welt ersetzt wird, die irgendein wissenschaftlicher Beobachter konstruiert hat." Alfred Schütz in "Zur Theorie sozialen Handelns" (Schütz/Parsons 1977, S. 65) 5 Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden Dem explorativen Charakter des Forschungsprojekts wird insbesondere durch die bereits oben erwähnte Verwendung "feldnaher, kontextsensitiver Forschungsmethoden, die in der Lage sind, der Komplexität und Kontextbezogenheit sozialer Prozesse durch Erarbeitung reichhaltiger, "dichter" Beschreibungen möglichst gerecht zu werden" (RüeggStürm 2001, S. 67), Rechnung getragen. Diese Art von Methoden, die oft auch mit dem Begriff der qualitativen Forschungsmethoden zusammengefasst werden, eigenen sich besonders für die Erschliessung von komplexen Themenfeldern und von Ambiguität geprägten, bisher wenig erforschten Gebieten (allgemein hierzu: Brown/Eisenhardt 1997, S. 2, spezifische Begründung für die hier vorliegende Arbeit: vgl. Kap. 3). Dies gilt sowohl für Experteninterviews (Strodtholz/Kühl 2002) und Workshops, als auch im Zusammenhang mit Fallstudien: "In these situations, when there is little known about a phenomenon, theory building from case study research is particularly appropriate because theory building from case studies does not rely on previous literature or prior empirical evidence. […] In sum, building theory from case study research is most appropriate in the early stages of research on a topic" (Eisenhardt 1989, S. 548). Wie bereits beschrieben, stellt das Forschungsprojekt Foundation Excellence den Eintritt in ein bisher Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden 124 wenig erforschtes und auf Grund der unterschiedlichen Handlungs- und Entscheidungsrationalitäten des Stiftungsmanagements komplexes Gebiet dar. Demzufolge stehen bei Foundation Excellence die explorativen "Forschungstechniken" des leitfadengestützten Experteninterviews, der explorativen Fallstudien sowie des Expertenworkshops im Mittelpunkt des Forschungsdesigns, denn: "direct involvement114 in organizations and the use of human senses to interpret organization phenomena are necessary for discovering new knowledge" (Daft 1983, S. 539). Insbesondere zur Plausibilisierung, Evaluation und Einführung der Forschungsergebnisse werden Aktionsforschungsansätze (vgl. z. B. Gummesson 2000; Whyte et al. 1991) in Form eines Expertenworkshops mit Praktikern eingesetzt. Als Überblick des Forschungsprojekts - in der "forschungs-alltäglichen" Konkretisierung - wird zuerst der beobachtungsleitende Bezugsrahmen zusammenfassend dargestellt und insbesondere auf die Erarbeitung des Interviewleitfadens eingegangen. Den zweiten Schritt stellt die Erarbeitung eines zeitlich kohärenten Forschungsdesigns dar, der das "Zusammenspiel" der einzelnen verwendeten empirischen Methoden aufzeigt. Dieser Überblick ist auch als Erwartung der Forscher an sich selbst zu verstehen und deshalb mit einem "Zeitstrahl" hinterlegt. Eine ausführliche Darlegung der verwendeten empirischen Methoden und Gütekriterien qualitativer Forschung runden dieses Kapitel ab. 5.1 Der beobachtungsleitende Bezugsrahmen von Foundation Excellence Die Thematisierung des beobachtungsleitenden Bezugsrahmens beim vorliegenden Forschungsprojekt verfolgt zwei Ziele. Erstens soll transparent gemacht werden, mit welchem Verständnis und mit welcher Themensensibilität die Forscher sowohl bei der Durchführung der empirischen Untersuchungen als auch bei der Auswertung der Daten vorgehen. Zweitens werden dadurch auch "blinde Flecken" und Limitationen der Forschung expliziert - sowohl für die Forscher selbst als auch im Sinne einer nachvollziehbaren Aufbereitung des empirischen Materials im Rahmen von Beschreibungen, Interpretationen 114 und Konklusionen. Die in Kapitel 3.6 formulierten Z. B. durch teilnehmende Beobachtungen, "Beratungsmandate" im Rahmen der Fallstudien. Leitfragen Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden 125 (Forschungsfragen) erfahren dadurch eine systematische Einbindung in die empirischen Untersuchungen. Der beobachtungsleitende Bezugsrahmen der empirischen Datenerhebung für das Forschungsprojekt ist geprägt durch das Wissenschaftsverständnis (vgl. Kap. 4.1) und die ontologischen und epistemologischen Grundannahmen (vgl. Kap. 4.2) sowie den daraus folgenden Implikationen hinsichtlich der Forschungsmethodologie (vgl. Kap. 4.3). Des Weiteren setzt er sich aus folgenden fünf Bausteinen zusammen: 1. der in den Kapiteln 3.1 und 3.2 erläuterten Relevanz des Managements, das auf den Säulen Gestalten, Lenken und Entwickeln beruht und zur Qualifizierung der jeweiligen Organisation in ihrem spezifischen Milieu beiträgt. 2. den in Kapitel 3.3 identifizierten, allgemeinen Managementthemen der Stiftungsliteratur im Sinne von "Suchfeldern" für die Empirie. 3. den in den Kapiteln 3.4 und 3.5 vorgestellten konzeptionellen Ansätzen zur theoretischen Aufarbeitung des Managements von Stiftungen: eine General-Management-Perspektive, mit ihrer konzeptionellen und prozeduralen Durchgängigkeit, sowie der Verwendung von Managementmodellen zur Komplexitätsreduktion. 4. dem in Kapitel 4.4 erläuterten Verständnis von und über Organisationen, das die Dualität von Struktur und Handlung in den Vordergrund stellt. 5. der Unit of Analysis des Forschungsprojekts. Auf Basis der in Kapitel 1.1 dargestellten Zielsetzung des Forschungsprojekts Foundation Excellence (Managementframework für Stiftungen) ergibt sich als sinnvolle und notwendige "Unit of Analysis", d. h. als empirisch zu untersuchende Einheit, die einzelne Stiftung. Entscheidend für die Entwicklung eines Managementframeworks für Stiftungen ist die Beschreibung und Analyse der Funktions- und Arbeitsweise, der alltäglichen gelebten Praktiken und der kommunikativen Diskurse in den einzelnen Stiftungen, mithin das Öffnen und Analysieren der "black box Stiftungen". Daran anschliessend können sinnvolle, kontextsensitive Konklusionen für das Stiftungsmanagement gezogen werden. Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden 126 In der jeweiligen Projektphase und unter Anwendung der entsprechenden Methode dienen diese Bezugspunkte als beobachtungsleitender Rahmen z. B. zur Erstellung des Interviewleitfadens bei den Experteninterviews (vgl. 5.3), von Analyserastern für die Fallstudien, insbesondere bei den teilnehmenden Beobachtungen (vgl. Kap. 5.4) und des Workshopprogramms des Expertenworkshops (vgl. 5.5). Der beobachtungsleitende Bezugsrahmen wird so in gewisser Weise operationalisiert und konkretisiert in Abhängigkeit der jeweiligen Ziele der empirischen Phase. Er hat entscheidenden Einfluss auf das, was beobachtet, als Datenmaterial gesammelt und anschliessend analysiert wird. Denn: "We cannot obtain knowledge independent of our own judgment and social construction" (Daft 1983, S. 543). 5.2 Das Forschungsdesign Foundation Excellence Der im Folgenden vorgestellte Zeitablauf diente dem Forschungsteam als Orientierung während des gesamten Projekts. Er berücksichtigt einerseits die Implikationen aus forschungsmethodologischer Hinsicht und stellt eine sachlogische "Taktung" in Bezug auf die ontologischen und epistemologischen Grundannahmen, den beobachtungsleitenden Bezugsrahmen und die Problemstellung dar. Andererseits werden zeitliche Ziele (Meilensteine) gesetzt. Zudem wurde eine gewisse zeitliche "Taktung" des Projekts auch durch den Projekt-"Sponsor", die Gebert Rüf Stiftung, eingebracht, da die Finanzierung jeweils in Jahrestranchen überwiesen wird und das Projekt eine Gesamtlaufzeit von 3 Jahren aufweist. Jeweils am Ende eines (Projekt-) Jahres (Ende Oktober) wird ein Jahresbericht (Rechenschaftsbericht) verfasst. Das in den folgenden Abbildungen vorgestellte Forschungsdesign visualisiert die Abfolge und das Zusammenspiel der einzelnen Projektschritte und dem dazugehörigen empirischen Vorgehen. Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden 127 Die erste Phase (Makrokontext) fokussiert auf die Gewinnung von Daten über den Schweizer Stiftungssektor, um dadurch die prekäre Datenlage etwas abzumildern. Die Kenntnis des sektoralen Umfeldes von Stiftungen ist auch eine Grundvoraussetzung für das Verstehen des einzelnen, spezifischen Kontexts von Stiftungen, die als "Unit of Analysis" im Zentrum der empirischen Untersuchungen stehen. Neben der Erhebung der Primärdaten zur Stiftungslandschaft Schweiz steht auch die Einarbeitung in die Stiftungsliteratur und das Knüpfen erster Kontakte zu anderen Forschungsinstitutionen, Verbänden und einzelnen Stiftungen im Vordergrund (vgl. Abbildung 5-1). 1. Phase: Übersicht Makrokontext Inhaltsanalyse Stiftungszwecke (ca. 2.200 Stiftungen) Stiftungen) Î Zugang zum Sektor und Kenntnis über Stiftungstypen SektorSektordaten Desk Research/ Literatur Review Okt 2002 Abbildung 5-1: Nov Dec Jan 2003 Feb Mar Apr May Jun Jul Aug Sep Das Forschungsprojekt Foundation Excellence, 1. Phase Die zweite Phase (Analyse und Interpretation) ist gekennzeichnet durch Experteninterviews (5.3) und explorative Fallstudien (vgl. Kap. 5.4) zur Gewinnung empirischer Daten als Grundlage für die Entwicklung eines Managementframeworks für Stiftungen. In dieser Phase steht das "Eintauchen" in den Forschungskontext im Vordergrund (vgl. Abbildung 5-2). Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden 128 2. Phase: Analyse und Interpretation ExpertenExperten-Interviews (33) Î Handlungsfelder des Stiftungsmanagements What Do Managers Do? TestTestModell I Explorative Fallstudien (2 Stiftungen) Stiftungen) Î LebensweltLebenswelt-Analyse Desk Research/ Literatur Review Finalisierung und Abgabe der Vorstudie Okt 2003 Abbildung 5-2: Nov Dec Jan 2004 Feb Mar Apr May Jun Jul Aug Sep Das Forschungsprojekt Foundation Excellence, 2. Phase Die dritte Phase (Konklusion) steht im Zeichen der Ausgestaltung des Managementframeworks und der Plausibilisierung ("Ist das Managementframework und seine Ausgestaltung umfassend, praxisrelevant und -verständlich?") In einem ersten Schritt wird ein Expertenworkshop durchgeführt (vgl. Kap. 5.5), in denen die Resultate vorgestellt und kritisch-konstruktiv diskutiert werden, um schliesslich im weiteren Entwicklungsprozess des Modells Eingang zu finden. Daneben diente auch der Forschungsaufenthalt in den USA (drei Monate, je Universität sechs Wochen, vgl. Kap.5.5), an der Harvard University (bei Prof. Frumkin) und der UCLA (Prof. Anheier) einer intensiven Auseinandersetzung mit dem bisherigen Forschungsresultat (vgl. Abbildung 5-3). Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden 129 3. Phase: Konklusion und Plausibilisierung TestTestModell II Explorative Fallstudien (2 Stiftungen) Stiftungen) Î LebensweltLebenswelt-Analyse Expertenworkshop Forschungsaufenthalt Î Feedback Finales Modell Desk Research/ Literatur Review Finalisierung und Abgabe der Dissertation Okt 2004 Abbildung 5-3: 5.3 Nov Dec Jan 2005 Feb Mar Apr May Jun Jul Aug Sep Das Forschungsprojekt Foundation Excellence, 3. Phase Experteninterviews Zu Beginn der empirischen Forschungsarbeit wurden Interviews mit Expertinnen und Experten aus dem Stiftungsbereich durchgeführt. Diese Interviews dienten der explorativen Felderschliessung und der ersten Annäherung an das Thema "Management in Stiftungen". Ziel war es, dem beobachtungsleitenden Bezugsrahmen entsprechend (vgl. Kap. 5.1) in den identifizierten Themenfeldern (vgl. Kap. 3.3) nach zentralen Herausforderungen des Managements von Stiftungen zu suchen. 5.3.1 Die Methode der Experteninterviews Mit Interviews werden Daten erhoben, die das Produkt verbaler Kommunikation sind. Grundsätzlich kommt dabei dem Interviewten (Stiftungsexperten) die Aufgabe zu, aktiv Ereignisse, Erfahrungen, Handlungen und Praktiken oder zusammengefasst die "Wirklichkeit" zu rekonstruieren (Bergmann 1985). Die Experteninterviews, eingesetzt in einer explorativ-felderschliessenden Phase, stellen somit eine sinnvolle Möglichkeit dar, exklusive Einblicke in Strukturzusammenhänge und Entscheidungsprozesse von Hand- Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden 130 lungssystemen (Stiftungen) im Sinne von "systematic knowledge about subjective experience" (Bryman 1999, S. 55) zu bekommen. Als angemessenes Erhebungsinstrument beim Experteninterview hat sich ein leitfadengestütztes offenes Interview bewährt, denn: "Auf jegliche thematische Vorstrukturierung zu verzichten, wie dies für biografisch-narrative Interviews kennzeichnend ist, brächte einerseits die Gefahr mit sich, sich dem Experten als inkompetenten Gesprächspartner darzustellen, und würde andererseits dem auf funktionsbezogenes Sonderwissen gerichteten, mithin thematisch begrenzten Erkenntnisinteresse nicht gerecht" (Meuser/Nagel 2003, S. 58). Das Ziel der Interviews war dabei neben der Bestätigung erster literaturgestützter Hypothesen die "Entdeckung des Unbekannten" (Liebold/Trinczek 2002) - im Sinne von Aufgaben des Stiftungsmanagements. In einem Interview wird zudem gemeinsam Wissen geschaffen, (Bryman 1999, S. 55; vgl. hierzu auch Kap. 4.3: "Ko-Produktion von Wissen", Rüegg-Stürm 2001, S. 23; Dachler 1992). Das Verständnis bei einem Interview ist oft das eines einseitigen Frage-Antwort-Schemas. Dies gilt es jedoch aufzubrechen, insbesondere im Zusammenhang mit nicht-standardisierten Interviewformen, wie es hier der Fall war. Die Interviewer mussten dem Interviewpartner bewusst machen, dass auch persönliche Erfahrungen oder das, was dem/der Interviewten "von sich aus" als interessant und erwähnenswert erscheint, den Forschenden neue Einblicke bieten kann (vgl. Honer 2003, S. 95 ff.). Auf diese Besonderheit wurde auch bei den Anfragen zu den Interviews hingewiesen (vgl. Anhang A). Es kommt also auch auf die soziale und kommunikative Kompetenz der Interviewer an, eine offene und entspannte Atmosphäre für das Gespräch zu schaffen, ohne dabei die thematische Fokussierung und die Erkenntnischance im Rahmen des Interviews ausser Acht zu lassen. 5.3.2 Anzahl und Auswahl der Interviewpartner Beim Verfahren des Experteninterviews ist die Auswahl der Expertinnen/Experten von zentraler Bedeutung. Typischerweise werden die Interviewpartnerinnen und -partner nicht nach statistischen Regeln der Repräsentanz ausgewählt, sondern "im Hinblick auf Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden 131 ihre - zunächst unterstellte, im Untersuchungsverlauf dann theoretisch begründete bzw. zu begründende - perspektivische Typik. [...] z. B. im Hinblick auf Kompetenz-Kriterien (etwa aufgrund von Ausbildung, Funktion, Position usw.), oder aufgrund der (stets bis auf weiteres gemachten, also prinzipiell reversiblen) Annahme, dass sie über direkte, persönliche, ‚spezielle‘ Erfahrungen zu einem in Frage stehenden Thema verfügen" (Honer 2003, S. 95). Experten sind also Personen, die "in irgendeiner Weise Verantwortung für den Entwurf, die Implementierung oder die Kontrolle einer Problemlösung tragen oder über einen privilegierten Zugang zu Informationen über Personengruppen oder Entscheidungsprozesse verfügen" (Meuser/Nagel 1991). Die Experten, die im Rahmen von Foundation Excellence befragt wurden, zeichnen sich alle durch eine hohe Affinität zum Stiftungswesen und -management aus. Es interessierte vor allem das Praxiswissen und die Problemwahrnehmung von Personen, die unmittelbar (Geschäftsführung, Stiftungsrat) oder mittelbar (Stiftungsexperten: Beratung, Aufsicht, Politik) im Stiftungsbereich tätig sind. Die Befragung verschiedener Expertinnen/Experten derselben Organisation (Stiftung) sollte alternative Wahrnehmungen, Interessenpositionen und Sichtweisen kontrastieren (Mehr-Perspektiven-Ansatz). So wurden möglichst die Geschäftsführerin/der Geschäftsführer der jeweiligen Stiftung als auch Mitglieder des Stiftungsrates interviewt (vgl. Abbildung 5-4). Eine Gesamtübersicht mit der Einordnung der interviewten Personen nach Position und Funktion ist im Anhang B abgelegt. Kriterium Ausprägung Perspektivische Typik Geschäftsführung (inkl. Geschäftsführer, leitender Angestellter) Stiftungsrat (inkl. Fachbeirat, Präsident, Stifter) Stiftungsexperte (inkl. Aufsicht, Politik, Beratung, Wissenschaft) Stiftungsgrösse Klein Æ Ausschüttungen < CHF 500.000 Mittel Æ Ausschüttungen < CHF 2.5 Millionen Gross Æ Ausschüttungen > CHF 2.5 Millionen Abbildung 5-4: Auswahlkriterien für die Experteninterviews Der Umfang der Interviewreihe wurde auf eine realisierbare Anzahl an Interviews beschränkt, da der Vorbereitungs- und Auswertungsprozess je Interview nicht zu unterschätzen ist. So müssen je Interview und Person mindestens zwei Stunden Vorbereitungszeit kalkuliert werden (z. B. Anpassung des Leitfadens; Informationen zur befragten Person und der Institution), die eigentliche Interviewdauer betrug 90 Minuten, doch mit An- und Abreise wurde ein halber Tag eingerechnet. Das Transkribieren und die Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden 132 Auswertung unmittelbar nach dem Interview sowie systematisch nach dem Transkribieren haben zusammengenommen rund einen Tag beansprucht. Eine den Anforderungen an statistische Auswertungen genügende Anzahl von Interviews ist nicht erforderlich, da die Durchführung von Experteninterviews nicht auf Repräsentativität, sondern auf "Typisches" abzielt, das durchaus schon in wenigen Interviews ersichtlich werden kann. Deshalb wurden die 32 durchgeführten Interviews als ausreichend angesehen, da die Interviewpartner kriterienbasiert (Geschäftsführung, Stiftungsrat, Stiftungsexperten) ausgewählt wurden und somit die zentralen Perspektiven abgedeckt sind. 5.3.3 Ablauf und Auswertung der Interviews Ein Interviewleitfaden mit den aus der Literaturanalyse identifizierten Managementthemen (Suchfelder, vgl. Kap. 3.3) diente als Gedächtnisstütze und Orientierungsrahmen zur Sicherung der Vergleichbarkeit der Interviews. Zu jedem Thema wurden hierbei sog. "Trigger-Fragen" formuliert (vgl.Anhang C). Der Leitfaden für die Interviews umfasste die drei Hauptbereiche "Einleitung: Kontext der Forschung und des Interviews"; "Hauptteil: spezifische Fragen zum Stiftungsmanagement"; "Abschluss: Carte Blanche" ("Möchten Sie uns noch etwas mitteilen, das für Sie im Zusammenhang mit ‚Stiftungsmanagement‘ wichtig ist?") Die Interviews waren auf 90 Minuten angelegt. Es galt hierbei, die mit jedem Interview verbundene zeitliche Belastung für die Interviewpartnerin/den Interviewpartner zu minimieren (Rüegg-Stürm 2002, S. 40). Die Rollenverteilung zwischen den beiden Forschern im Verlauf des Interviews war nicht fest zugeteilt, d. h. wenn einer der Forscher das Interview führte, nahm der andere vor allem eine beobachtende Rollen ein (Distanzrolle) und umgekehrt. Die Interviews wurden grundsätzlich am (Arbeits-/Wohn-) Ort der Interviewpartnerin/des Interviewpartners geführt, um einerseits deren zeitliche Belastung gering zu halten und um andererseits das Gespräch in einer vertrauten Umgebung durchzuführen (vgl. Lamnek 1995, S. 121 f.). Ausserdem wurden die Interviews in der Muttersprache der Interviewpartnerin/des Interviewpartners geführt, also in Schweizerdeutsch, Deutsch oder Englisch, um von Sprachbarrieren möglichst unverfälschte Informationen zu erlangen. Ziel war es, ein angenehmes Gesprächsklima zu schaffen, also eine "Veralltäglichung der Situation des Miteinander-Redens" zu bewirken (vgl. Honer 2003, S. 96). Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden 133 Die Interviews wurden auf Tonband aufgenommen. Dies erlaubt im Gegensatz zu Gesprächsprotokollen die authentische und präzise Erfassung des Kommunikationsprozesses. Die Interviewer konnten sich so auch auf das Gespräch sowie auf Beobachtungen situativer Bedingungen und nonverbaler Äusserungen konzentrieren. Alle Interviews wurden anschliessend vollständig transkribiert. Die Transkribierung erfolgte auf Deutsch oder Englisch - eine Transkribierung ins Schweizerdeutsche wurde als zu aufwändig eingeschätzt und für die Interpretationsarbeit als nicht notwendig erachtet, da es um Themenfelder (Aufgaben des Stiftungsmanagements) ging und nicht um semantische "Feinheiten" wie z. B. bei einer Diskursanalyse. Als Ergänzung zu den Tonbandaufnahmen wurden unmittelbar nach den Gesprächen Postskripte erstellt: eine Skizze zu den Gesprächsinhalten mit Anmerkungen zu den o. g. situativen und nonverbalen Aspekten sowie zu Schwerpunktsetzungen der Interviewpartner in Bezug auf die Handlungsfelder des Managements von Stiftungen. Ausserdem wurden thematische Auffälligkeiten und Interpretationsideen notiert, die auch Anregungen für die Auswertung gegeben haben (Entstehung "induktiver Codes"). Die Auswertung der Interviews dauerte von Oktober 2004 bis März 2005. In diesem genuin kreativen, hermeneutischen Prozess ging es darum, das Datenmaterial auf der einen Seite unter reduktiven Gesichtspunkten durchzugehen, im Sinne einer Kategorisierung nach verschiedenen (inhaltlichen) Kriterien. Auf der anderen Seite standen die individuellen Handlungsfiguren in ihrer spezifischen Gesamtheit und singulären Komplexität im Vordergrund, im Sinne eines Explizierens der beobachteten und beobachtbaren sozialen Praktiken und deren Interpretation im Gesamtkontext. Die Auswertung erfolgte mit Hilfe der Software "atlas.ti". Für atlas.ti (oder vergleichbare Programme) sprachen die - im Vergleich zu einfachen Textverarbeitungsprogrammen wie MS Word - zahlreichen und sophistizierten Möglichkeiten hinsichtlich der Zuordnung von Kategorien zu Textsegmenten (=Kodierung) und die Suche nach Textsegmenten, die derselben Kategorie zugeordnet werden (=Retrieval) (vgl. Kelle 1997). Dies unterstützt die systematische Analyse der Interviewdaten.115 Weitere Funktionen dieses Programms werden nicht genutzt - es stand das Text-/Datenmanagement (inkl. Suchfunktion) der insgesamt rund 1000 DIN A4 Seiten Interviewtranskripte (29 einzelne 115 Zudem besitzt atlas.ti eine Suchfunktion, die alle verknüpften Dokumente ("Transkripte") einbezieht, d. h. man muss nicht wie z. B. in MS Word jedes Dokument öffnen und den gewünschten Suchbegriff eingeben (in der vorliegenden Arbeit wären das 29 Text-Dokumente), sondern eine einmalige Eingabe genügt. Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden 134 Textdokumente) im Vordergrund. Daneben wurde MS Excel benutzt, insbesondere für die Erstellung des Aufgabenportfolios, da mit Hilfe dieser Software übersichtliche Datenblätter angelegt und "Verschiebungen" bzw. "Sortierungen" übersichtlich dargestellt werden konnten. Das Auswertungsverfahren umfasste überblicksartig folgende drei Schritte: 1. Systematisieren der Aussagen nach den Kategorien des Interviewleitfadens (theoriegeleitete Codes) und ggf. neuen Kategorien (induktive Codes). o Ziel: Themen- und Beziehungsanalyse o Vorgehen: Im Zentrum stand das Kategorisieren der Transkripte mit Hilfe von Codes (theoriegeleitete: diese entsprachen den Fragen aus dem Interviewleitfaden; induktive: diese wurden eingeführt, wenn neue Themen auftauchten, die mit den bisherigen Codes nur unzureichend abgedeckt werden konnten) (vgl. Anhang D). Die ersten Transkripte (7) wurden gemeinsam kategorisiert, um ein einheitliches Verständnis zu entwickeln. Anschliessend übernahm jeder der beiden Forscher die Hälfte der verbleibenden Transkripte (je 11). Laufender Austausch garantierte eine Einheitlichkeit. Der Austausch wurde gefördert, indem die Auswertungen an einem gemeinsamen Ort durchgeführt wurden und so bei Unsicherheiten welcher Kategorie diese oder jene Aussage zuzuordnen ist, direkt kommuniziert werden konnte. Die Kategorisierung erfolgte in der Form, dass jeweils Textfragmente "markiert" und diesen ein oder mehrere Codes zugeordnet wurden. Somit wurde erreicht, dass alle Codes (Themen) auch mit einem Kontextausschnitt verknüpft waren, der vor allem in den folgenden Auswertungsschritten eine iterative Interpretation ermöglichte. Zudem konnte so von Anfang an eine "Zitatensammlung" erstellt werden, die dazu dienen sollte, die in Kapitel 7 im Rahmen des FE-Frameworks aufgearbeiteten Handlungsoptionen illustrativ und "lebendig" zu formulieren116. 116 Atlas.ti zeigte sich beim Verfassen der Kapitel 6-12 ebenfalls als ausgezeichnete Hilfe zur Identifikation illustrativer Zitate über die bereits erfassten Textfragmente hinaus. Denn durch die Suchfunktion konnte gezielt nach einzelnen Begriffen über alle erfassten Dokumente gesucht werden. Dieses nochmalige "Eintauchen" in die empirischen Daten trug darüber hinaus vereinzelt dazu bei, dass bisher noch nicht so prägnant formulierte Aspekte "ans Licht" gelangten und in die Handlungsoptionen eingearbeitet werden konnten. Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden 135 2. Analysieren und Interpretieren der kategorisierten Textfragmente. o Ziel: "Vom Deskriptiven zum Normativen". o Vorgehen: Im zweiten Auswertungsschritt stand die Analyse und Interpretation notwendiger und sinnvoller Aufgaben des Stiftungsmanagements im Fokus. Insbesondere in diesem Schritt fand der kreative Deutungsprozess statt, den Lamnek (1995, S. 124) wie folgt beschreibt: "In der Auswertung geschieht eine Deutung oder Interpretation der vorhandenen Texte. Der Prozess der Interpretation ist durch die persönliche Deutungskompetenz des Forschers und durch seine Eindrücke von den jeweiligen Interviews beeinflusst." Nach der vollständigen Kategorisierung der Interviewtranskripte wurden die den jeweiligen Kategorien zugeordneten Textfragmente mittels der atlas.ti-Funktion "Report erstellen" in ein neues Dokument überführt. So entstand z. B. für die Kategorie "Kommunikationsmanagement" ein neues Dokument mit allen Textfragmenten zu diesem Thema. Diese insgesamt 31 Report-Dokumente wurden gemeinsam (zu zweit) durchgelesen. Die Leitfrage bei diesem Analyseschritt war: "Wird in diesem Textfragment eine Aufgabe des Stiftungsmanagements genannt?" Die "Testformulierung" beim Auftauchen einer potentiellen Aufgabe lautete demgemäss: "Als Stiftungsmanager muss ich ‚dies’ oder ‚jenes’ machen." Gleichzeitig wurde ein Excel-Datenblatt angelegt, in dem in der ersten Spalte eine schlagwortartige Formulierung der identifizierten Aufgabe erfasst und in den folgenden Spalten die jeweilige Fundstelle(n) notiert wurden. Ausserdem erfolgte eine kurze Bemerkung zu jeder Aufgabe z. B. hinsichtlich Verknüpfung mit anderen Aufgaben oder kurzen inhaltlichen Aspekten, die für die Formulierung der Handlungsoptionen in Kapitel 7ff. wertvolle Dienste leisteten. Das ExcelDatenblatt war somit eine stark in den empirischen Daten verankerte erste Annäherung an das zu erstellende Aufgabenportfolio. Es umfasst 164 Aufgaben. Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden 136 3. Aggregieren der Aufgabensammlung o Ziel: "Kondensation" eines Aufgabenportfolios. o Vorgehen: Der dritte Auswertungsschritt schliesslich führte zur Zusammenstellung eines Aufgabenportfolios, das als Grundlage zur Ausgestaltung des FE-Frameworks (vgl. Kapitel 7ff.) diente. Mit dem Ziel ein in etwa vergleichbares Aggregations- und Abstraktionsniveau der zentralen und charakteristischen Aufgaben des Stiftungsmanagements zu erreichen, wurde das Excel-Datenblatt mit seinen 164 Aufgaben sorgfältig durchgearbeitet - zuerst individuell und dann gemeinsam - und Vorschläge zur Zusammenfassung von Aufgaben und deren Bezeichnung gemacht. Dieser stark iterative Prozess zog sich zudem auch in die Entwicklungs- und Ausgestaltungsphase des FE-Frameworks hinein, da Abgrenzungsfragen untrennbar auch mit der Gestaltung des FE-Frameworks zusammenhängen. So ergab es sich z. B. erst bei der Ausformulierung der konkreten Fragen und der Gestaltung einzelner Handlungsoptionen, dass bestimmte Aspekte des Kommunikationsmanagements bereits im Gestaltungsprozess "Stiftungspolitik" festgelegt werden müssen. Andere wiederum, die bisher eher in der Stiftungspolitik verankert waren, sind besser im Bereich des Supportprozesses Kommunikationsmanagement aufgehoben. Das aggregierte Aufgabenportfolio umfasst in seiner endgültigen Fassung 42 Aufgaben, die eindeutig den jeweiligen Grundkategorien und aufgeführten Handlungsfeldern des FE-Frameworks zugeordnet werden konnten. 5.4 Explorative Fallstudien Parallel zu den Experteninterviews und daran anschliessend erfolgte eine LebensweltAnalyse von Stiftungen. Die Fallstudien dienen dem Beschreiben und der Analyse von Praktiken vor dem Hintergrund der in den Interviews identifizierten Aufgaben des Stiftungsmanagements. Es soll die Frage beantwortet werden, warum tägliche Routinen und Praktiken so ablaufen, wie sie ablaufen. Die Ergebnisse der Fallstudien bilden zusammen mit den Interviews die Grundlage für die Entwicklung des Managementframeworks für Stiftungen (Analyse- und Interpretationsphase). Ausserdem Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden 137 stehen die "alltäglichen" Wirkungen dieser Praktiken im Fokus der Beobachtungen, um daraus geeignete Schlussfolgerungen und Handlungsoptionen für die Stiftungspraxis entwickeln zu können (Konklusionsphase). 5.4.1 Die Methode der explorativen Fallstudien Yin (1994, S. 13) definiert eine "Case Study" als eine empirische Untersuchung, die ein Phänomen in seinem "real-life” Kontext untersucht. Sie ist insbesondere dann vorteilhaft, wenn die Grenzen zwischen dem Phänomen und dem Kontext nicht eindeutig sind und darüber hinaus, wenn mehrere Evidenzquellen verwendet werden. Fallstudien-Forschung eignet sich im Gegensatz zu anderen empirischen Forschungsmethoden wie dem Experiment oder der Beobachtung vor allem bei Forschungsfragen, die nach einem "wie" und "warum" bei einem Phänomen fragen und bei denen der Forschende wenig Kontrolle und Einfluss auf das Ereignis hat (Yin 1994, S. 3 ff., ähnlich auch Schwandt 1997, S. 13). Im Falle von Foundation Excellence steht dieses Ziel der Beantwortung der "Wie- und Warum-Fragen" im Vordergrund, da über die Analyseergebnisse der Fragen "Wie funktioniert eine Stiftung" und "Wie erfolgt professionelles Stiftungsmanagement", sowie der Frage "Warum wird Stiftungsmanagement so umgesetzt, wie es umgesetzt wird" das Managementframework entwickelt wird. Der Fokus einer Fallstudie ist demzufolge gerichtet auf ein vertieftes Verständnis eines Phänomens und dessen Kontext (vgl. Macpherson et al. 2000, S. 51, ähnlich auch Denzin/Lincoln 2003, S. 3). Pettigrew (1985, S. 242 f.) fasst zusammen: "Clearly, case-study approaches cannot offer generalizability in the statistical sense […]. But before I get carried away projecting generalizability as the sole outcome of research, it is important to counterbalance that argument with the contextualist’s desire for descriptive understanding. Systematic description of the properties and patterned relationships of any process […] is a critical form of knowledge for theoretical development and, as I shall shortly argue, for practice. […]. Incorporating such a broad treatment of context into our analyses will release organizational analysis from much of the misdirected and in many cases impotent managerialism that informs the ‘theories’ guiding management practice.” Mit Hilfe der 138 Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden Fallstudien wird die Realität in ihrer Vielfalt analysiert und die Situation durch Modelle und Konzepte so strukturiert, dass praktisches Handeln und Entscheiden möglich wird (vgl. Osterloh/Grand 1994, S. 290). Dieses programmatische Ziel einer in diesem Sinne geführten Fallstudienforschung entspricht dem von Foundation Excellence formulierten Anliegen, ein Managementframework für Stiftungen zu entwickeln, das als Landkarte und "Leerstellengerüst für Nützliches" zentrale Handlungsfelder - und ihre Vernetztheit untereinander - für das Stiftungsmanagement darstellt im Sinne einer Konklusion aus Beschreibungen, Analysen und Interpretationen. Diese skizzenhafte, grundlegende Einführung in die Fallstudienforschung zeigt bereits, dass bei dieser nicht die Erhebungstechnik(en), sondern die Erkenntnissuche im Vordergrund steht. Mit anderen Worten wird der Schwerpunkt nicht auf die Erhebung, sondern auf die Interpretation und die Darstellung der Ergebnisse gelegt. Die Fallstudien-Forschung "passt" deshalb zum Forschungsprojekt Foundation Excellence und dem zu Grunde liegenden Wissenschaftsparadigma der hermeneutisch-interpretativen, kontextualistischen Forschung. Die Offenheit der Fallstudien-Forschung im Bezug auf die eingesetzten Erhebungsmethoden erlaubt den Forschern im Sinne der Triangulation verschiedene Erhebungstechniken und unterschiedliche Zugangskanäle zum organisationalen Alltag einzusetzen. In diesem Sinne werden im Rahmen der bei Foundation Excellence durchgeführten Fallstudien folgende Erhebungsmethoden eingesetzt: Interviews; teilnehmende Beobachtungen; Dokumentenanalysen. 5.4.2 Anzahl und Auswahl der Fallstudien-Partner Die Anzahl und Auswahl der Fälle ist ein zentraler Aspekt bezüglich Transferierbarkeit der Resultate. Aus Gründen der notwendigen "Robustheit" (Sinnhaftigkeit und Plausibilität, vgl. "Gütekriterien", Kap. 5.6) der abgeleiteten Theorie bzw. des entwickelten Modells und um eine Überprüfbarkeit der Aussagen sicherzustellen, werden zwei Stiftungen vertieft untersucht (sog. Mehrfallstudie - vgl. Eisenhardt 1991, S. 620 ff.). Statt nach allgemeingültigen, generellen Aussagen zu streben, werden kontextualistische, illustrative Beschreibungen und Analysen durchgeführt. Auf deren Grundlage erfolgt die Zusammenstellung einer Auswahl an Handlungsoptionen (Konklusionen), die sich durch eine "gewisse" Transferierbarkeit auszeichnen. "Diese sollten vom Leser nachvollzogen wer- Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden 139 den und ein Sensemaking- und Plausibilitätserlebnis stimulieren und ermöglichen" (Schumacher 2003, S. 91). Die Auswahl der Fallstudienpartner erfolgte nicht anhand klassischer Stichprobentheorie, sondern aufgrund theoretischer Überlegungen (vgl. unten), also einem "theoretical and purposive sampling" im Sinne von Silverman (2000, S. 104 f.; ähnlich auch Denzin/Lincoln 2003, S. 202): "Purposive sampling allows us to choose a case because it illustrates some feature or process in which we are interested. [...] Theoretical and purposive sampling are often treated as synonyms. Indeed, the only difference between the two procedures applies when the ‚purpose‘ behind ‚purposive‘ sampling is not theoretically defined." Im Forschungsprojekt Foundation Excellence ist der "purpose”, also der zielgerichtete Zweck, Handlungsoptionen hinsichtlich eines zukunftsfähigen Stiftungsmanagements zu entwickeln. Dieser Zweck erfordert die Beachtung spezifischer Kontextkriterien, die massgeblichen Einfluss auf das "wie" des Managements von Stiftungen haben (vgl. unten). Zum oben genannten Gesichtspunkt des "purposive sampling" kommt ein weiteres Kriterium hinzu, denn für empirische Forschung im Verständnis dieser Forschungsarbeit ist der Zugang zu den Forschungspartnern, der Aufbau einer Lernpartnerschaft und von Vertrauens- und Verständigungspotentialen von entscheidender Bedeutung. Ohne einen nach diesen Kriterien optimalen Zugang zum Forschungspartner besteht die Gefahr, dass die Fallstudie mehr zu einer Pflichtübung - auf beiden Seiten - verkommt und die gemeinsamen Chancen einer solchen Lernpartnerschaft nicht gesehen werden. Insofern ist ein "planned opportunism" (Pettigrew 1990, S. 274; Eisenhardt 1989, S. 593: "controlled opportunism", ähnlich auch Stake 1998) in Bezug auf den Zugang ein mögliches Kriterium, um Forschungspartner auszuwählen. Ähnlich sieht das auch Stake (2003, S. 153): "Even for collective case studies, selection by sampling of attributes should not be the highest priority. Balance and variety are important; opportunity to learn is of primary importance". Die Grundpopulation, aus der die Fallstudienpartner ausgewählt werden konnten, beträgt ca. 30.000 Stiftungen. Aus dieser Grundpopulation konnte durch eine einfache Abgrenzung u. a. mit Hilfe des rechtlichen und steuerrechtlichen Begriffs (gemeinnützige Stiftung) die Anzahl der möglichen Partner auf etwa 10.000 Stiftungen begrenzt werden. Diese Subpopulation von 10.000 Stiftungen musste nun durch weitere Kriterien sinnvoll Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden 140 segmentiert werden. Der gewählte Ansatz zur Segmentierung im Rahmen dieses Forschungsprojekts ist die Betrachtung der externen Komplexität möglicher Partnerstiftungen. Es geht also darum, durch geeignete Kriterien diese Komplexität zu operationalisieren: 1. Arbeitsfokus einer Stiftung Der geographische Fokus - lokale, nationale oder internationale Tätigkeit - einer Stiftung kann durchaus als ein entscheidendes Kriterium hinsichtlich der Komplexität der Stiftungstätigkeit angesehen werden (Prewitt 2001), da es z. B. bei internationalen Projekten schwierig sein kann, den laufenden Projektfortschritt zu dokumentieren und zu evaluieren. Bei nationalen Projekten sind die Projektpartner meist bekannt bzw. es können leichter Informationen über sie eingeholt werden. Das Risiko ungleicher Erwartungen auf Grund kultureller Unterschiede (z. B. Zeit- und Qualitätsverständnis) ist ebenso beeinflusst durch den geographischen Tätigkeitsschwerpunkt der Stiftung. 2. Projektinvolvement Ein hohes Projektinvolvement stellt einen Komplexitätsverstärker dar, da verschiedenste Ressourcen (z. B. Zeit, Netzwerk) und Kompetenzen (z. B. Feedback, inhaltliche Kompetenzen) eingesetzt werden müssen. Besonders stark kommt dieser Faktor sicherlich bei sog. operativen Stiftungen zum Tragen, die selbst Projekte durchführen und nicht Drittpersonen oder -institutionen unterstützen. Für das Sample wurden deshalb bei Foundation Excellence nur Vergabestiftungen in Betracht gezogen. Diese können wiederum unterschieden werden in Stiftungen, die eine proaktive Projektidentifikation durchführen, und solche, die in reaktiver Weise Gesuche annehmen; wobei die proaktive Identifikation von Projekten komplexere Anforderungen an eine Stiftung stellt. 3. Finanzielle Ausstattung Die Grösse des Stiftungskapitals, und damit auch die potentielle Höhe der jährlichen Ausschüttungen, kann ebenfalls als Komplexitätsverstärker mit Implikationen auf das Stiftungsmanagement angesehen werden. Durch eine "obligation to create value", begründet insbesondere durch die Steuerprivilegien (vgl. Strachwitz 1998b, S. 34 und Porter/Kramer 1999, S. 123), erhöht sich so durchaus die Kom- Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden 141 plexität für das Stiftungsmanagement, da es schwieriger ist, CHF 10 Millionen in sinnvolle Projekte zu investieren als CHF 10.000. 4. Stiftungsfunktion Die drei Funktionen (Substitutions-, Ergänzungs- und Innovationsfunktion), die Stiftungen durch die Zwecksetzung und bei der Umsetzung ihrer Tätigkeiten einnehmen können, weisen je spezifische Herausforderungen für das Stiftungsmanagement auf. Die Übernahme einer Substitutionsfunktion erfordert eine dezidierte Begründung für die Notwendigkeit der Übernahme dieser Tätigkeit und zur Abgrenzung gegenüber staatlichen und privatwirtschaftlichen Aktivitäten. Auf der anderen Seite muss nicht nach Aufgaben und Tätigkeitsfeldern "gesucht" werden, da diese bereits vorhanden sind, jedoch von den bisherigen gesellschaftlichen Akteuren nicht (mehr) bereitgestellt werden. Demgegenüber stehen Stiftungen, die eine Innovationsfunktion im Sinne eines "change agents" innehaben und ihre Aktivitätsfelder selbst identifizieren und begründen müssen. Die in der Abbildung 5-5 aufgeführten Kriterien mit den jeweiligen Ausprägungen leitete die Auswahl der Partnerstiftungen: Kriterium Ausprägung geographischer Fokus lokal Æ lokale Partner national Æ Partner in der Schweiz international Æ Partner weltweit Involvement Gering Æ "Finanzintermediär" Mittel Æ teilweises Coaching Hoch Æ Coaching bzw. eigene Projekte Kapitalausstattung Klein Æ Ausschüttungen < CHF 500.000 Mittel Æ Ausschüttungen < CHF 5 Millionen Gross Æ Ausschüttungen > CHF 5 Millionen Stiftungsfunktion Substitution Ergänzung Innovation Abbildung 5-5: Auswahlkriterien für die Fallstudien Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden 142 Anhand des oben dargelegten Prozesses für ein sinnvolles und zielführendes Sampling der Fallstudien ergaben sich folgende beiden Stiftungen als Fallstudienpartner - auch auf Grund eines optimalen Zugangs zu den Forschungspartnern und einer von Anfang an angebotenen und sich im Verlauf der Fallstudien bewahrheitenden vertrauensvollen und interessierten Zusammenarbeit (vgl. Abbildung 5-6): Stiftung geographischer Fokus (Arbeitsfokus) Involvement (Aktivitätsniveau) Kapitalausstattung Stiftungsfunktion Jacobs Stiftung national/international (Programmstiftung) mittel (proaktiv) Gross (Endowment) Innovation Oikos Stiftung Lokal (Programmstiftung) hoch (proaktiv) Klein (aus Spenden) Innovation Abbildung 5-6: Partnerstiftungen für die Fallstudien Ein wichtiger Unterschied, der nicht über die Selektionskriterien abgebildet wurde, fand bei der Auswahl ebenfalls Beachtung: die Rolle des Stifters. Bei der Jacobs Stiftung lebt der Stifter noch und ist ein wichtiger Bezugspunkt für die Stiftungsarbeit. Die Oikos Stiftung "kennt" keine einzelne Stifterperson, sondern wurde gegründet von einer Reihe von interessierten Personen und weist zudem nur ein kleines Stiftungskapital, aufgebaut aus Spenden, auf. 5.4.3 Ablauf und Auswertung der Fallstudien Die Durchführung einer Fallstudie ist nicht einfach, denn grundsätzlich gilt: "The data collection procedures are not routinized" (Yin 1994, S. 55). Yin (1994, S. 56 ff.) listet für die Datenerhebung auch einige unverzichtbare Kompetenzen der Forschenden auf, so z. B. die Fähigkeiten, "gute" Fragen zu stellen und ein "guter" Zuhörer zu sein. Zudem sind ein klares Verständnis und genügend Hintergrundinformationen zum Forschungsthema und dem Forschungspartner entscheidend - wie dies auch für Experteninterviews gilt (vgl. Kap. 5.3). Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden 143 Entsprechend dem Prinzip der Triangulation (vgl. Jick, zit. in Eisenhardt 1989, S. 534) wurden mittels unterschiedlicher Erhebungsmethoden verschiedene Zugangsmöglichkeiten zur Organisation genutzt (Begriffe in Klammern von Pettigrew 1990, S. 277 f.): 1. Interviews ("in-depth interview") Datenquellen: Tonbandaufnahmen/Transkripte; Bemerkungen zu verbaler und nonverbaler Kommunikation 2. Teilnehmende Beobachtungen ("observational and ethnographical material") Datenquellen: Mitschriften (z. B. von Sitzungen); Bemerkungen zu verbaler und nonverbaler Kommunikation (z. B. "Augenkontakte"); Sitzpläne bei Sitzungen (zu den Daten der teilnehmenden Beobachtungen vgl. Anhang E) 3. Dokumentenanalyse ("documentary and archive data") Datenquellen: Stiftungsurkunden; Strategie-Papiere; Stiftungs-Reglemente; Prozess-Beschreibungen; Protokolle von Stiftungsratssitzungen/Teamsitzungen/Projekt-Sitzungen; Berichte zur Projektauswahl/zur Projektevaluation/zum Projektabschluss; externe Berichte über die jeweiligen Stiftungen (Pressespiegel); Jahres-/Tätigkeitsberichte der jeweiligen Stiftung. Jeder der oben genannten Zugänge kann neue Einsichten über den Fallstudienpartner ermöglichen, die sich schliesslich zu einem ganzen "Bild" zusammenfügen. Jedoch birgt die intensive Nutzung des i. d. R. umfangreichen empirischen Materials auch die Gefahr, dass unübersichtliche und schwer verständliche theoretischen Aussagen formuliert werden und versucht wird jeden einzelnen Aspekt zu fassen (Pettigrew 1988, zit. in Eisenhardt 1989, S. 540: "death by data asphyxiation"). Diese Detailgenauigkeit verdeckt unter Umständen die einfachen und grundlegenden Zusammenhänge, das Erkennen des Typischen, so dass der Gehalt der grundsätzlichen Aussagen für die Allgemeinheit kaum ersichtlich ist (vgl. Eisenhardt 1989, S. 547). Doch gerade das "Typische" im Spezifischen ist das, was im Rahmen dieses Forschungsprojektes und unter den oben dargelegten Basisprämissen interessiert - eingebettet in "thick descriptions", die den wichtigen Kontext mitliefern. "Analyzing is at the heart of building theory from case studies, but it is both the most difficult and the least codified”, wie Eisenhardt (1989, S. 539) anmerkt. Miles und Huberman (1984, S. 16) fügen an: "One cannot ordinarily follow how a researcher got from 3.600 pages of field notes to the final conclusions, sprinkled with vivid Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden 144 quotes though they may be.” Durch eine konsequente und systematisierte Erfassung der Daten (vgl. Yin 1994, S. 54 ff. oder Miles/Huberman 1984) kann das empirische Material aus den Interviews gezielt "angereichert" und ergänzt werden, ganz im Sinne von Daft (1983, S. 541): "The why, not the data, is the contribution to knowledge". 5.5 Expertenworkshop Die Plausibilisierung der Forschungsresultate erfolgte in workshopartigen Gruppendiskussionen mit Experten aus dem Stiftungsbereich. Dadurch konnte erreicht werden, dass die Ergebnisse nicht "an den Praxisbedürfnissen und -herausforderungen vorbei gehen", jedoch Foundation Excellence auch nicht zu einem Beratungsprojekt für einzelne Stiftungen degeneriert wurde. Auf Grund dieser Zielsetzung erschien es sinnvoll, die empirischen Daten aus den Interviews und Fallstudien an der Praxis "zu spiegeln" sowie in einem anderen (Forschungs-) Kontext zu diskutieren. Zu diesem Zweck wurde einerseits ein Expertenworkshop durchgeführt und andererseits verbrachten die Forscher einen dreimonatigen Forschungsaufenthalt in den USA. Im Folgenden wird auf die Konzeption des Expertenworkshops eingegangen, da dieser als "formale" empirische Methode klassifiziert werden kann. Zum Einstieg ein Zitat von Krüger (1983, S. 910), das insbesondere im Kontext dieses Forschungsprojekts von hoher Bedeutung erscheint: "Es ist nicht zu leugnen, dass die Gruppendiskussionen ein personal- und zeitintensives Verfahren sind, dessen Auswertungsproblematik zudem bis heute noch nicht befriedigend gelöst werden konnte." Diese Aussage erstaunt insofern, als dass der Ansatz im angelsächsischen Raum genau aus dem entgegengesetzten Grund eingeführt wurde - jedoch damals mit der Zielsetzung, ein Meinungsbild einer Gruppe zu erlangen: "Der Ansatz bot sich damals [in den fünfziger Jahren des vorangegangenen Jahrhunderts] vor allem auf Grund von zeitlichen und forschungsökonomischen Überlegungen an" (Häder 2002, S. 53). Für das Forschungsprojekt und seinem Ziel der Plausibilisierung von Forschungsresultaten und deren Spiegelung an der Praxis, erschien trotz der Befürchtung von Krüger das Vorgehen mittels Expertenworkshops sinnvoll, da in komprimierter Weise Meinungen und Erfahrungen, Kritik und Hinweise zur Optimierung der Forschungsresultate entgegengenommen werden konnten, denn "in lockerer, entspannter Atmosphäre lässt die Gruppendiskussion [oder in diesem Fall der Experten- Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden 145 workshop] spontane und freie Äusserungen zu, die die Teilnehmer gegenseitig stimulieren und zu einer gewünschten Breite von Aussagen führen soll" (Krüger 1983, S. 93). 5.5.1 Die Methode beim Expertenworkshop Da die Methode der Expertenworkshops nicht eine "fertige" Methode ist - schon gar nicht unter diesem Namen - wird bei der kurzen Einführung in diese Methode mehrheitlich auf die methodische Diskussion zu den sog. Gruppendiskussionen zurückgegriffen. Diese Sozialforschungsmethode kann für den deutschsprachigen Raum bis in die fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurückverfolgt werden. Im englischsprachigen Raum sind Gruppengespräch und -diskussion sogar noch früher nachweisbar (vgl. Krüger 1983, S. 92, ähnlich Loos/Schäffer 2001; Merton/Kendell 1946, zit. in Häder 2002, S. 53). Die in Deutschland vom Frankfurter Institut für Sozialforschung eingeführten Gruppendiskussionen interessierten vor allem hinsichtlich des sachlichen Ergebnisses der Diskussion117. Eine entsprechende Zielsetzung wurde im Expertenworkshop von Foundation Excellence verfolgt: Ist das, was von den Forschern entwickelt wurde, sinnvoll und anschlussfähig in der Praxis? Entgegen der "traditionellen" Einsatzweise von Gruppendiskussionen im Sinne von explorativen Erhebungsinstrumenten zur Erfassung "eines komplexen Geflechts differenzierter Variablen des sozialen und organisatorischen Kontexts des Alttages, um Bewusstsein und Handlungsweisen erhellen zu können" (Krüger 1983, S. 98), stand der Expertenworkshop bei Foundation Excellence im Dienste der Überprüfung der Forschungsresultate. Es ging jedoch nicht um eine reine Bestätigung wohlklingender Merksätze und anschaulicher Grafiken, sondern um eine mögliche Erweiterung und Verbesserung z. B. des Managementframeworks. Die Entwicklung des Modells war zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen, sondern trat in eine Phase ein, die der Stabilisierung und Erhöhung der praktischen Brauchbarkeit des Modells diente. Ziel des Workshops war es, im Zuge eines gruppendynamischen Prozesses "tieferliegenden Meinungen zur Artikulation zu verhelfen" (Bohnsack 2003, S. 106), in dem der Ein117 Im Gegensatz zu den Gruppendiskussionen in der Marktforschung – hier jedoch mit der Zielsetzung der schnellen Erfassung von Meinungen in Abhängigkeit von zeitökonomischen und finanziellen Erwägungen: es sollen "mehrere Interviewte […] zugleich erreicht werden (Bohnsack 2003, S. 105). In diesem Zusammenhang spricht man insbesondere in den USA auch von "focus groups". 146 Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden zelne "gezwungen" wird, seinen Standpunkt deutlich zu formulieren und ggf. zu verteidigen (vgl. Pollock 1955, S. 32). Allerdings hält Mangold (1988, S. 17) dem entgegen, "dass - von rein explorativen Zwecken abgesehen - das Gruppendiskussionsverfahren prinzipiell nicht geeignet ist, Einzelmeinungen zu untersuchen, d. h. das Einzelinterview zu ersetzen, jedoch als eigenständiges Instrument für die systematische und kontrollierte Untersuchung von ‚informellen Gruppenmeinungen’ genutzt werden kann." Der Workshop in dieser zweiten, konkludierenden Phase des Forschungsprojekts bezog sich in erster Linie auf den zuletzt genannten Aspekt, im Sinne des Testens der Anschlussfähigkeit der Forschungsresultate "an der Praxis". Darüber hinaus werden auch Einzelmeinungen im Gruppenkontext berücksichtigt.118 Um auch die Anschlussfähigkeit der Forschungsresultate "in der Wissenschaft" und in einem anderen kulturellen (Praxis-) Kontext zu testen, verbrachten die Autoren ausserdem einen mehrmonatigen Forschungsaufenthalt in den USA an zwei bekannten Forschungsinstituten als Graduate Research Fellows der renommierten Professoren Peter Frumkin (Hauser Center for Nonprofit Organizations an der John F. Kennedy School for Public Administration der Harvard University) und Helmut K. Anheier (Center for Civil Society an der School of Public Affairs der UCLA) (vgl. Anhang I). 5.5.2 Anzahl und Auswahl der Experten für den Workshop Eine entscheidende Rolle für den Nutzen von Workshops spielt die Auswahl der Expertinnen und Experten. Welche Experten sind nun aber die "Richtigen"? Wie bei den Experteninterviews wurden die Teilnehmer für die Workshops von Foundation Excellence nicht nach statistischen Regeln der Repräsentanz ausgewählt, sondern im Hinblick auf Kompetenz-Kriterien und hinsichtlich der im Vorfeld bekundeten Bereitschaft und Bereitwilligkeit (bei informellen Treffen, auf Konferenzen, bei den Experteninterviews), sich zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort einzufinden und sich in die Diskussion einzubringen. Dies war wichtig, denn "die Diskussionsleiter haben kaum eine Möglichkeit, Verweigerungen zu beeinflussen. […] Weitgehend bleibt es den einzelnen Teilnehmern überlassen, ob, wann und in welchem Umfang sie sich zu einem thematischen Sachverhalt äussern wollen" (Mangold 1973, S. 232). 118 Für eine tiefergehende Betrachtung der Methode und eine äusserst interessante Diskussion verschiedenster methodologischer Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden 147 Insofern bietet es sich an, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Expertenworkshops primär aus der Liste der Experteninterviews zu rekrutieren - ergänzt durch Personen, die in persönlichen Gesprächen ihr Interesse bekundet haben und die notwendige Fachexpertise mitbringen (vgl. Anhang F und G). Als optimale Grösse für einen intensiven Workshops wurden 6-8 Personen angesehen, was für eine effektive und effiziente, aber gleichsam angenehme Arbeitsatmosphäre die obere Grenze darstellt (vgl. Mangold 1973, S. 247). Die Teilnehmenden (vgl. Abbildung 5-7) wurden aus folgenden Gruppen ausgewählt (vgl. auch Auswahlkriterien bei den Experteninterviews, Kap. 5.3.2): Geschäftsführung (inkl. Vereinsmitglieder SwissFoundations) Rechtsberatung Managementberatung Person Gruppe(n) 1 Dr. Philipp Egger Geschäftsführung (Geschäftsführer Gebert Rüf Stiftung; Vorstandsmitglied SwissFoundations) 2 Dr. Frank Hinrichs Managementberatung (Gründer und Geschäftsführer der Vivatus) 3 RA Florian Mercker Rechts- und Managementberatung (Vorsitzender des Privaten Instituts für Stiftungsrecht e. V.) 4 Dr. Thomas Kärcher Geschäftsführung (Geschäftsführer Volkart Stiftung; Vorstandsmitglied SwissFoundations) 5 Dr. Benno Schubiger Geschäftsführung (Geschäftsführer Sophie und Karl Binding-Stiftung; Präsident SwissFoundations) 6 Dr. Thomas Sprecher Rechtsberatung (Rechtsanwalt Niederer, Kraft & Frey; Redaktionelle Leitung der Arbeitsgruppe "SwissFoundation Code") 7 Dr. Volker Then Stiftungsforschung und -beratung (Leiter "Stiftungswesen" bei der Bertelsmann Stiftung) 8 Prof. Dr. Dieter Wolke Geschäftsführung (Direktor Jacobs Foundation) Abbildung 5-7: 5.5.3 Teilnehmer des Expertenworkshops Ablauf und Auswertung des Expertenworkshops Der Expertenworkshop fand am 23. März 2005 in den Räumlichkeiten der Jacobs Foundation in Zürich statt. Um die zeitliche Belastung der Teilnehmer möglichst gering zu Grundannahmen bietet sich Bohnsack (2003) an, mit vielen Verweisen auf Original-Literatur. Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden 148 halten, wurde ein eintägiger Workshop durchgeführt. Die Ortswahl Zürich bot sich ebenfalls an, um den Anreiseaufwand zu minimieren (Verkehrsanbindung von Zürich: Autobahn, Bahnhof und Flughafen). Der Workshop wies ein strukturiertes Programm auf, das vorab den Workshop-Teilnehmern zugestellt worden war (vgl. Anhang H). Die Auswertung erfolgte als qualitative Analyse der einzelnen Diskussionsprotokolle (Wort/Tonbandprotokolle; Flipcharts etc.). Die bearbeiteten thematischen Sachverhalte wurden einzeln analysiert und neue Erkenntnisse aufgelistet - in Ergänzung zu den Resultaten aus den Interviews und den Fallstudien sowie konkret zu einzelnen (Zwischen-) Ergebnissen des Projekts. 5.6 Gütekriterien interpretativ-hermeneutischer Forschung Bei der Diskussion von Gütekriterien geht es um Qualitätskriterien in "komplexen Systemen", die die Forschungs- (Forscher-/Beforschten-) Systeme darstellen. Diese Gütekriterien gilt es insbesondere für kontextualistische Sozialforschung in Pettigrews Verständnis (z. B. 1985) in der Beziehung mit den jeweiligen "Anschlussstellen" des Forschungsprojekts (Praxis und Wissenschaft) konkret in einem diskursiven Konstruktionsund Rekonstruktionsprozess auszuhandeln. Im Folgenden werden generische Gütekriterien vorgestellt, wie sie dem Forschungsprojekt als Grundlage für eine weitere Konkretisierung und Ausdifferenzierung in spezifischen Forschungskontext Foundation Excellence dienten. Die Konkretisierung erfolgte im Sinne von Erwartungsklärungen auf beiden Seiten der Lernpartnerschaften, also auf Seiten der Praktiker und der Forschenden, als auch in Bezug auf die "scientific community". Die Gütekriterien 1 bis 5 beziehen sich auf den Ausgangspunkt der Forschung und den Forschungsprozess, während die Kriterien 6 bis 8 auch das Endresultat in Betracht ziehen119: 119 Die Aufstellung der Gütekriterien wurde, zusätzlich zu den angegebenen Quellen, inspiriert durch die Arbeit von Schumacher (2003) und persönlichen Äusserungen von Prof. Rüegg-Stürm. Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden 149 1. Aufbaulogik des Forschungsprozesses Der Forschungsprozess kann unterteilt werden in die Etappen der Beschreibung, der Analyse und Interpretation sowie der Konklusion. Insbesondere in der Beschreibung geht es darum, das Typische - aber vor allem auch das "Entscheidende” deutlich heraus zu arbeiten. In den nachfolgenden, klar zu trennenden Phasen der Analyse und Interpretation (Aufbereiten der Deutungsvielfalt) und schliesslich der Konklusion (Darstellen von Handlungsoptionen) fliessen diese Eindrücke ein. Foundation Excellence folgte diesem generischen Aufbau eines Forschungsprozesses und trennte die einzelnen Etappen deutlich von einander, um der Leserschaft einen klar gegliederten Aufbau anzubieten und nicht Beschreibungen mit Interpretationen und Konklusionen zu vermischen. 2. Kohärenz des Forschungsprozesses Unabdingbare Voraussetzung für "gute" interpretativ-hermeneutische Forschung ist die Kohärenz zwischen der Problemstellung im Sinne von Basisprämissen konzeptioneller Art und den epistemologisch-methodologischen Prämissen für den Vollzug der Forschung. Aus diesen Voraussetzungen ergeben sich auch bestimmte Eigenschaftskriterien für die Forschungsresultate, wie z. B. insbesondere die praktische Anwendbarkeit der entwickelten Interpretationshilfen und Handlungsoptionen. 3. Kontextsensitivität der Forschung Als ein spezifisch-methodologisches Kohärenz-Kriterium kann im Falle von Foundation Excellence und der zu Grunde liegenden konzeptionellen und methodologischen Basisprämissen die Kontextsensitivität aufgefasst werden, die von Fine et al. (2003, S. 199) skizziert wird mit den Fragen: "Have I connected the ‘voices’ and ‘stories’ of individuals back to the set of historic, structural, and economic relations in which they are situated?” und "Have I described the mundane but typical?” Das Forscherteam war sich der Herausforderung dieser Kontextsensitivität bewusst und setzte diese Anforderung bestmöglich um - auch und gerade im Zusammenhang mit Restriktionen hinsichtlich zeitlicher und finanzieller Ressour- Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden 150 cen, die einer (aufwändigeren) Kontextsensitivität möglicherweise entgegentreten könnten. Durch intensiven Austausch mit der Praktiker-Community in formellen (z. B. beim Expertenworkshop) und informellen Gesprächen (z. B. auf Konferenzen; durch die Partnerschaft mit SwissFoundations) sowie den "Lebensweltanalysen" im Rahmen der Fallstudien wurde diesem Erfordernis Rechnung getragen. 4. Methoden-Triangulation Das Konzept der Methoden-Triangulation nach Denzin (1978)120 besagt, dass bei Untersuchungen des gleichen Forschungsgegenstandes durch unterschiedliche Methoden die Qualität der Erfassung der Forschungssituation erhöht werden könnte mit Hilfe von kongruenten Ergebnissen dieser Untersuchungen. " […] the sociologist should examine his problem from as many methodological perspectives as possible”, so Denzin (1978; S. 297). Etwaige "Messartefakte" sollen so ausgeschlossen werden können. Diese Sichtweise blieb nicht unwidersprochen. Vor allem Lamnek (1995, S. 236 f.) fasst die Methoden-Triangulation als Strategie zur adäquateren Erfassung des Untersuchungs-"Gegenstandes" auf. Lamnek widerspricht so also dem Verständnis der Triangulation als additivem Prozess, bei dem die Ergebnisse in einem kongruenten Verhältnis stehen (müssen), sondern er sieht darin vielmehr einen Prozess, der Resultate generiert, die in einem komplementären Verhältnis zueinander stehen. Aus dieser Perspektive ist es nun sogar möglich, dass Ergebnisse in einem divergenten Verhältnis stehen können - sich also widersprechen können. Das führt nicht automatisch zu einem völligen Verwerfen der Forschungshypothesen, sondern kann auch die Erstellung von Alternativerklärungen fördern durch das umfassendere Verständnis des (komplexen) Forschungs-"Gegenstandes" und des Kontexts. Dadurch, so Lamnek (1995; S. 237) wird es möglich, Divergenz in Komplementarität zu verwandeln. Durch das Forschungsdesign, das diesem Forschungsprojekt zu Grunde lag, wurde das Verständnis von Lamnek aufgegriffen und durch die Anwendung verschiedener empirischer und kontextsensitiver Forschungsmethoden umgesetzt. 120 Denzin (1978) unterscheidet grundsätzlich zwischen: Daten-Triangulation (mehrere Datenquellen); Beobachter-Triangulation (mehrere Beobachter); theoretische Triangulation (unterschiedliche Theorien) und eben Methoden-Triangulation. Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden 151 5. Glaubwürdigkeit der Forschung Ein weiteres Qualitätsmerkmal "guter" empirischer Forschung ist die Glaubwürdigkeit der Forschungsaktivitäten und der Resultate, sowohl in der Praxis als auch in der Wissenschaft (vgl. auch Weick 1989: "credibility of the investigation") Um dieses Ziel zu erreichen, musste zweigleisig vorgegangen werden, da die Glaubwürdigkeit von den beiden Parteien Praxis und Wissenschaft nach unterschiedlichen Kriterien beurteilt wird. Im Bereich der Wissenschaft sind Transparenz hinsichtlich der Grundprämissen konzeptioneller und methodologischer Art (vgl. auch oben: Kohärenz) neben einer klaren Aufbaulogik (vgl. oben "Aufbaulogik") erforderlich. Weiter im Blickpunkt der Transparenz stehen die Auswahl der Forschungspartner, die Anwendung der Methoden und die Verwendung des empirischen Materials. Doch wird hier nicht der Möglichkeit eines "planned opportunism" (Pettigrew 1990, S. 274; Eisenhardt 1989, S. 593: "controlled opportunism") widersprochen, die - wie bereits oben angesprochen - nötig sein kann, um tragfähige Lernpartnerschaften durch Wahrnehmung von "exzellenten" Zugängen zum Forschungsfeld aufzubauen, die für kontextspezifische Forschung unabdingbar sind. Solche Entscheidungen wurden jedoch offen gelegt. In Bezug auf die Methodenauswahl und in Wechselwirkung mit dem Kriterium der Triangulation formuliert Silverman (2000, S. 284) die Frage: "To what extent do our preferred research methods reflect careful weighing of the alternatives or simple responses to time and resource constraints or even an unthinking adoption of the current fashions?” Im Projekt Foundation Excellence wurden die Methoden jedoch nach offen gelegten Kriterien und abgestimmt auf die ontologischen, epistemologischen und methodologischen Grundannahmen abgestimmt (vgl. Kap. 4.2). Auch an einem weiteren Kriterium lässt sich Foundation Excellence messen: der Rückführbarkeit der Resultate auf das vorhandene empirische Material, das nach den Massgaben des wissenschaftlichen Arbeitens und der wissenschaftlichen Redlichkeit gesammelt wurde (vgl. auch Silverman 2000, S. 175: "truth”). Mit der "Hinterlegung" des Modells mit Zitaten aus den Interviews und Praxissituationen aus den Fallstudien wird klar aufgezeigt, wie die Resultate in den Daten "verankert" sind. Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden 152 In der Praxis hingegen kommt es auf eine absolute Unabhängigkeit der Forschenden im Sinne einer Allparteilichkeit an. Die Forschungsergebnisse dürfen nicht in einem Licht erscheinen, das sie anfällig macht für Befürchtungen wie: "Die sind ja bezahlt worden von Projektpartner XY. Klar, dass dann die Ergebnisse so aussehen.” Foundation Excellence verpflichtete sich von Anfang an der Allparteilichkeit nach bestem Wissen und Gewissen als auch der Transparenz des Forschungsprozesses und der Basisprämissen konzeptioneller und methodologischer Art. Die Rückmeldungen von den Forschungspartnern waren ausnahmslos sehr positiv und von hohem Vertrauen geprägt, was sich z. B. auch in der Zusagequote für die Interviews widerspiegelt: von 35 angefragten Interviews wurden 33 zugesagt, eines wegen Zeitrestriktionen und eines wegen Desinteresse abgesagt. 6. Übertragbarkeit der Forschungsresultate Die Übertragbarkeit ("practical usefulness") der Forschungsergebnisse in die Praxis ist - auch gemäss dem Leitmotiv von Foundation Excellence: aus der Praxis für die Praxis - ein zentrales Erfolgskriterium, an dem sich die Forscher messen lassen. Auch Mintzberg (1979, S. 585 f, vgl. Abbildung 5-8) sieht die Übertragbarkeit in die Praxis als ein zentrales Gütekriterium an: "Probably the greatest impediment to theory building in the study of organizations has been research that violates the organization, that forces it into abstract categories that have nothing to do with how it functions. My favourite analogy is of an organization rich in flows and processes, as implied in the figure [a)], kind of like a marble cake. Then along comes a researcher with a machine much like those used to slice bread. In goes the organization and out come the cross-sectional slices. The researcher then holds up one of them, shown to the right in the figure [b)] figure out what he or she is seeing.” a) Abbildung 5-8: "Slicing up the organization" (nach Mintzberg 1979, S. 585) b) Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden 153 Durch eine laufend stattfindende Plausibilisierung der Forschungsergebnisse, z. B. während des Feedback-Workshops, aber auch in zahlreichen informellen Gesprächen mit Praktikern und Wissenschaftlern sowie z. B. durch Präsentationen und Diskussionen auf Konferenzen, wurde die praktische Relevanz und Übertragbarkeit ständig überprüft (immer in Abhängigkeit von der wissenschaftlich notwendigen Fundierung ("rigor"), vgl. hierzu auch Nicolai 2004). Plausibilisierung kann so umgesetzt sogar als ein Substitut für Validität angesehen werden, wie Weick (1989, S. 525) beurteilt. Zur Selbstüberprüfung verwendeten die Forscher eine Frage von Fine et al. (2003, S. 199) "Have some informants, constituencies or participants reviewed the material with me and interpreted, dissented, challenged my interpretations?”. Diese kann nach erfolgtem Expertenworkshop, zahlreichen Gesprächen und dem Forschungsaufenthalt in den USA bejaht werden. 7. Anschlussfähigkeit der Forschungsresultate Gewissermassen als weitere Ausdifferenzierung der Übertragbarkeit der Forschungsresultate kann das Kriterium der Anschlussfähigkeit gesehen werden. Anschlussfähigkeit im Sinne von von Weizsäckers Verständnis von Erstmaligkeit und Redundanz in Bezug auf pragmatische Information ist entscheidend für den "Erfolg" der Resultate. D. h. das Resultat muss neu sein (Neuartigkeit und Erstmaligkeit), es muss aber auch eine Anschlussfähigkeit an z. B. vorangegangener Praktiken möglich sein (Bestätigung). Kurz gesagt: es muss eine "Akzeptanz” vorherrschen, die Daft (1983, S. 543) wie folgt umschreibt: "Ultimate proof of an idea or theory is its acceptability to common sense. An important test of validity is liking an idea, feeling right about it, being able to use it to throw light on a previously hidden aspect of organization.". Dieses Streben nach Akzeptanz darf jedoch nicht dazu führen, jeglicher konstruktiven Irritation aus dem Weg zu gehen, denn nur durch Irritationen (in Form von Kommunikationsbeiträgen) können Veränderungen hervorgerufen werden. Für autopoietische Sozialsysteme formuliert Wollnik (1994, S. 144): "Intervention in autopoietische Systeme bedeutet also streng genommen, geeignete "Störungen" zu finden, die im System erwünschte strukturelle Veränderungen hervorrufen, ohne seine Identität zu vernichten." Es ist so gesehen eine "Gratwanderung” zwischen "zu neu" und "alles altbekannt" bzw. zu viel Irritation (und es passiert nichts) und zu wenig Irritation (und es passiert auch nichts), die auch Foundation Excellence bewältigen muss(te). Ziel war Empirisches Design und verwendete Forschungsmethoden 154 es, einen ständigen diskursiven Kommunikationsprozess zwischen den Forschenden und der Praxis aufrecht zu erhalten. Die durch die Vorstellung von Forschungsresultaten wie auch durch den Forschungsprozess selbst ausgelösten Irritationen erhöhen auch die Reflexionskompetenz und -bereitschaft auf beiden Seiten im Hinblick einer optimal funktionierenden Lernpartnerschaft. Die Reaktionen (Irritationen) der Praxis wurden von den Forschenden wiederum aufgenommen und verarbeitet (vgl. hierzu jeweils Ablauf und Auswertung der verwendeten Forschungsmethoden, Kap. 5.3, Kap. 5.4, Kap. 5.5). 8. Ästhetische Qualität der Forschungsresultate Das Endresultat der Forschung sollte - neben der notwendigen Übertragbarkeit und der Anschlussfähigkeit - auch einen gewissen Grad an ästhetischer Qualität (Schönheit) aufweisen, um zu überzeugen, wie Kaplan (in Daft 1983, S. 542:) beschreibt: "Esthetic quality is one way of validating a theory". Mintzberg wird von Daft ähnlich zitiert (1983, S. 542): "If an idea is not beautiful, then perhaps it will not be useful either." Interessanterweise wird dieses Ideal der Schönheit auch von Weick (1989, S. 527) in Bezug auf Theorien und Modelle nochmals aufgenommen. Foundation Excellence stellte an sich selbst den Anspruch, neben der Praxisrelevanz auch eine hohe ästhetische Qualität der Forschungsresultate anzustreben. Das Erreichen dieses Kriteriums kann (noch) nicht abschliessend beurteilt werden. Erste Feedbacks erlangten die Forscher bei der Vorstellung der Resultate auf Konferenzen, beim Expertenworkshop und während des Forschungsaufenthalts in den USA. Die Rückmeldungen waren nicht nur positiv, was jeweils zu einer Adaption (Verbesserung) des Modells und der Ausgestaltung führte, die sich aber erst im "Praxistest" z. B. in Weiterbildungsveranstaltungen voll bewahrheitet. Diese acht vorgestellten Kriterien dienten dem Forschungsteam von Anfang an dazu, die Güte der Forschungsarbeit zu erhöhen, ganz nach dem Motto von Engel und Carlsson (2002): "Evaluation has always been about learning, about how to be accountable, how to be transparent, how to learn from experience". Teil B 155 Teil B Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 156 "Alle Wahrheiten erscheinen bei ihrem Auftreten paradox" Arthur Schopenhauer, dt. Philosoph (1788-1860) 6 Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen Dieses Kapitel markiert den Eintritt in die Analyse- und Interpretationsphase des Forschungsprojekts Foundation Excellence. Im Folgenden wird zuerst der Managementkontext von Stiftungen ausführlich beschrieben und interpretiert, bevor in den Kapiteln 7 ff. das Management Framework vorgestellt wird, gewissermassen als Konklusionen des Forschungsprojekts. Kapitel 6.1 stellt die organisationsspezifischen Besonderheiten von Stiftungen vor im Sinne von theoretisch hergeleiteten, für alle Stiftungen zutreffenden Defiziten, derer sich Stiftungsmanager bewusst sein müssen. Grundlage hierfür ist eine Gegenüberstellung von privatwirtschaftlichen, staatswirtschaftlichen und Non-Profit-Organisationen, mit ihrer "Sonderform" Stiftungen. Die Unterschiede werden in fünf Kategorien herausgearbeitet. Sie dienen als Grundlage der Formulierung zweier grundsätzlicher Defizite von Stiftungen, die in ihrer Organisation begründet sind. Anschliessend wird die Stiftungslandschaft beschrieben (Kap. 6.2), so wie sie sich im Verlauf des Forschungsprojekts Foundation Excellence dargestellt hat. Die gesammelten Eindrücke kumulieren in den fünf Paradoxien des Stiftungsmanagements. Diese werden mit Zitaten illustriert, um so einen nachvollziehbaren Kontext des Stiftungsmanagements Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 157 aufzuzeigen. Die durch die Paradoxien erfolgte Kontextbeschreibung dient auch dazu, die Limitationen von "Management" besser einschätzen zu können. Auf der Basis der Paradoxien wird in Kapitel 6.3 ein "Radar" entwickelt, mit dem sich aus 18 analysierten Stiftungen drei Stiftungstypen identifiziert lassen. Die drei Stiftungstypen in Kombination mit den zwei Defiziten und den fünf Paradoxien ermöglichen so einen multiplen Zugang zum Managementkontext von Stiftungen. 6.1 Organisationsspezifische Besonderheiten klassischer Stiftungen Die organisationsspezifischen Besonderheiten von Stiftungen führen zu bestimmten Defiziten, deren Kenntnis unabdingbar ist, da sie grundsätzlich für alle Stiftungen zutreffen. Die Defizite stellen auch gewissermassen das auslösende Moment für die im folgenden Kapitel identifizierten Paradoxien des Stiftungsmanagements dar. Bei der Führung von Stiftungen müssen die organisationsspezifischen Besonderheiten berücksichtigt werden, die im Gegensatz zu Profit-Unternehmen, Staat und anderen Non-Profit-Organisationen bestehen. Diese entstehen aus der gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung des Organisationstypus "Stiftung". Die Besonderheiten der Organisation "Stiftung" werden in Abbildung 6-1 dargestellt. Die sich daraus ergebenden organisationsspezifischen Defizite werden im Folgenden ausführlich diskutiert. Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 158 1 2 3 4 5 Stiftungen Privatwirtschafl. Organisationen Staatswirtschaftl. Organisationen Non-ProfitOrganisationen Güterart Private Güter (teilweise auch Klubgüter) (reine) öffentliche Güter (teilweise auch Klub- und Verstopfungsgüter) Private Güter oder Klubgüter Meritorische, quasiöffentliche oder öffentliche Güter Leistungsempfänger Leistungsvergüter Steuerzahler Leistungsvergüter oder Mitglieder Destinatäre Preissetzungsmechanismus Markt (Angebot und Nachfrage) Gesetz Angebot (Preis = Herstellungskosten Nachfrage ("soviel wie nötig") Steuerungslogik Gewinnstreben Legalitätswahrung Mission Zweck Wertmassstäbe EBITDA, ROI, ROE Qualitäts-/ Effizienzkriterien "harte" und "weiche" Wertmassstäbe kaum "harte" Wertmassstäbe; langfristige Ziele Eigentümer Shareholder Bürger/ Gesellschaft Mitglieder Keine (Gesellschaft) Aufsichtsorgan Verwaltungsrat Parlament Vorstand Stiftungsrat Wahlvorgang Demokratisch Demokratisch Demokratisch Selbstbestimmt Subventionen (normalerweise) Keine Steuerempfänger Subventionierung in Form von Steuerprivilegien Subventionierung in Form von Steuerprivilegien Abbildung 6-1: (operative und Vergabestiftungen) Unterscheidungsmerkmale von Stiftungen zu privat-, staatswirtschaftlichen und Non-Profit-Organisationen (in Erweiterung von Bumbacher 2000, S. 457 ff.) 1. Güterart: Ein erster Unterschied zwischen den aufgezeigten Organisationstypen betrifft die - selbst oder durch Dritte - produzierte Güterart und die damit einhergehende Abweichung von klassischen Preissetzungsmechanismen (vgl. Punkt 2). Die durch Stiftungen bereitgestellten Güter sind überwiegend meritorische Güter (z. B. Projekt "Moving Alps - Neue Ansätze in der Regionalplanung" der Jacobs Stiftung), quasi- oder reine öffentliche Güter (z. B. Badeanstalt der Christoph Merian Stiftung; Forschungsprojekte der Gebert Rüf Stiftung), für die Rivalität und Ausschliessbarkeit nicht oder zumindest nur teilweise gelten121. Ausschliessbarkeit bedeutet, dass ein Gut, das eine Person nutzt, nicht gleichzeitig von einer anderen Person genutzt werden kann. Dies ist aber der Fall für sog. Privatgüter, die überwiegend aufgrund beschränkbarer Eigentumsrechte durch Profit- (z. B. Autos) und Non-Profit-Unternehmen (z. B. Genossenschaftsprodukte) mit je unterschiedlicher Steuerungslogik bereitgestellt werden (vgl. Punkt 3). Wer private Güter erwirbt, bezahlt vollumfänglich für das, was er bekommt. Für den Erwerber 121 Vgl. hierzu auch die unterschiedlichen gesellschaftlichen Funktionen von Stiftungen in Kapitel 2.3. Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 159 entspricht der eigene Nutzen dabei gerade den Kosten für dieses Gut. Der Erwerber des privaten Gutes verschafft sich die ausschliessliche Verfügungsgewalt über dieses Gut, d. h. er kann es für sich allein nutzen und alle anderen von der Nutzung ausschliessen. Öffentliche Güter werden hingegen "verteilt" (bereitgestellt) und nicht verkauft. Per Definitionem können verschiedene Gruppen von öffentlichen Gütern profitieren - und gewöhnlich werden diese vom Staat hergestellt (auf Grund des inhärenten Marktversagens bei diesen Gütern). Somit lassen sich Abgrenzungen ziehen: a) zu Profit- und Non-Profit Organisationen, denn Stiftungen stellen keine Privatgüter her, und b) zum Staat, denn die Bereitstellung von meritorischen oder (quasi-)öffentlichen Gütern erfolgt durch Stiftungen, und damit auf private Initiative hin (Stifterwille). 2. Leistungsempfänger und Preissetzungsmechanismus: Die Leistungsempfänger bei Stiftungen (Destinatäre) sind nicht mit den Leistungsvergütern (bei Unternehmen) oder Mitgliedern (bei Non-Profit Organisationen) identisch. Bei Stiftungen entfällt der Mechanismus, dass die empfangene Leistung wie bei Profit- und Non-Profit-Organisationen durch eine - oftmals - monetäre Gegenleistung abgegolten wird. Der Preissetzungsmechanismus folgt insofern anderen Regeln, als dies bei Stiftungen der Fall ist. Dort setzen die Nachfrager in gewissem Sinne den "Preis" für das zu erstellende Gut, denn eine (Vergabe-) Stiftung prüft ein eingereichtes Projekt nach bestimmten Kriterien und bewilligt dann ggf. die vom Antragsteller benötigte (geforderte) Geldsumme. Bei Schlechterfüllung oder Budgetunterschreitung im Rahmen von Förderprojekten ist es nicht üblich, dass Stiftungen ihren Förderbeitrag zurück verlangen. Ein anderer Preissetzungsmechanismus herrscht beim Staat vor. Hier setzten Gesetze die Preise fest, bei Profit-Organisationen erfolgt die Preisbildung durch Angebot und Nachfrage. Bei Non-Profit-Organisationen schliesslich ergibt sich der Preis aus den Herstellungskosten: Das Angebot bestimmt somit den Preis. Typisch für Stiftungen ist, dass sie nicht in einem Kostenwettbewerb, wohl aber in einem Leistungswettbewerb stehen. Die Folgen sind die Bedienung von gesellschaftlichen Knappheiten, Leistungs- statt Kostenführerschaft und Konzentration auf Leistungsoptimierung statt auf Kostensenkung. Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 160 3. Wertmassstäbe und Steuerungslogik: Light beschreibt das Umfeld, in dem Stiftungen "gesellschaftliche" Leistung erbringen sollen, wie folgt: "Performance, not promises, is the currency of public trust, which means that organizational effectiveness has never been more important" (Light 2002, S. 34). Der oben genannte Zwang zur organisationalen Effektivität im Rahmen der Leistungserbringung findet statt in einem Spannungsfeld, das Voswinckel folgendermassen charakterisiert: "Bei aller Rationalität, Effizienz und Profilorientierung braucht sie [die Stiftung] unverzichtbar das Bewusstsein einer kulturellen Verpflichtung - Kultur hier verstanden im Sinne des Gemeinwohls. Mir scheint, ein solches Denken ist angesichts unserer gegenwärtigen politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung aktueller denn je" (Voswinckel 1998, S. 71). Es wird hier deutlich, dass verschiedene Rationalitäten in Stiftungen aufeinander prallen - zumindest eine wirtschaftliche und eine im weitesten Sinne kulturelle oder ideell-gemeinnützige, die noch dazu stark geprägt ist z. B. durch den Stifter und das Selbstverständnis der Stiftung, beispielsweise Ausgleich, Solidarität, Motor des Fortschritts, Wahrung der Tradition usw. Im Gegensatz dazu herrscht bei Unternehmen und staatlichen Institutionen i. d. R. nur eine Rationalität im Vordergrund (z. B. in Unternehmen: Orientierung an den grundsätzlich legitimen Verzinsungsansprüchen des Finanzmarkts - Value Based Management; in Verwaltungen: Legalitätswahrung einerseits und effizienz- und wirkungsorientierte Verwaltungsführung andererseits - New Public Management). Die Komplexität des Stiftungsmanagements wird aber nicht nur durch die verschiedenen Rationalitäten oder Steuerungslogiken erhöht, sondern in besonderem Masse auch durch fehlende Wertmassstäbe oder schwer erfassbare Wertschöpfung. In Unternehmen (z. B. EBITDA, ROI, ROE) oder öffentliche Verwaltungen (z. B. Qualitäts- oder Effizienzkriterien) existieren dagegen entsprechende, anerkannte Wertmassstäbe. Non-Profit-Organisationen und insbesondere Stiftungen haben auf Grund der Sachzieldominanz (Mission) und des fehlenden Profitstrebens kaum die Möglichkeit, "harte" Wertmassstäbe einzuführen. Deswegen müssen hier "weiche" und auf Langfristigkeit ausgelegte Massstäbe eingesetzt werden. Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 161 4. Eigentümerstruktur: Im Gegensatz zu anderen Organisationstypen wie einer privatwirtschaftlichen Organisation, die das Eigentum von Shareholdern ist, den staatswirtschaftlichen Einheiten (öffentliches Eigentum), oder den Non-Profit-Organisationen, die grösstenteils mitgliedschaftlich organisiert sind, gehören Stiftungen niemandem - oder in letzter Konsequenz der Gesellschaft. Die Stiftung stellt ein verselbstständigtes Kapital dar, deshalb kann kein Profit-Rückfluss an Eigentümer erfolgen. Die Interessen der Eigner werden bei allen Organisationen von einem Aufsichtsorgan wahrgenommen, das sich jeweils unterscheidet: Verwaltungsrat bei Unternehmen, Parlament bei staatswirtschaftlichen Organisationen oder Vorstand bei Non-Profit-Organisationen.122 Durch die rechtliche Konstitution einer Stiftung als verselbständigtes Kapital entfällt hier diese Art von Eigentümerschaft. Der Stiftungsrat wird - zumindest in der erstmaligen Besetzung - vom Stifter eingesetzt. Der Stiftungsrat führt die Kontrolle treuhänderisch für die Gesellschaft durch. Eng mit dem Aufsichtsorgan verbunden sind auch die entsprechenden Konstitutionsregeln für die Wahlvorgänge zu den Aufsichtsorganen sowie die generellen Entscheidungsregeln. Bei staatlichen Einrichtungen werden Entscheidungen auf der Basis eines demokratisch zustande gekommenen Mehrheitsbeschlusses (Abstimmungen) getroffen. Bei Unternehmen wird das Aufsichtsgremium von Shareholdern gewählt, die somit ebenfalls auf die Entscheidungsfindung Einfluss nehmen oder zumindest eine Kontrollfunktion ausüben. Stiftungen haben im Gegensatz dazu auch im Gegensatz zu Non-Profit-Organisationen - keine Mitglieder oder Shareholder, die in die Entscheidungsprozesse eingreifen können. Stiftungen stellen somit für die interessierte Öffentlichkeit immer noch, zumindest im Gegensatz zu börsenkotierten Unternehmen, eine "black box" dar (Diaz 1997), deren "accountability, operations, and descision making" mehr und mehr hinterfragt werden, insbesondere da Stiftungen bisher "eher als Produkt eines Bürgerrechts denn als Mitwirkende an einem gesellschaftlichen Prozess" gesehen werden (Strachwitz 1998b, S. 34). 122 Eine Sonderstellung innerhalb der privatwirtschaftlichen Organisationen nehmen die Einzelunternehmen ein, hier verfügen die Eigentümer über keine Aktien, besitzen jedoch die gesamte Unternehmung. Ebenfalls führen sie ihre Eigentumsverhältnisse direkt und nicht über einen Verwaltungsrat aus. Allerdings sind Einzelunternehmen in der vorgenommenen Unterscheidung (v.a. aufgrund klarer Eigentumsverhältnisse) vergleichbar mit den übrigen privatwirtschaftlichen Organisationen. Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 162 5. Subventionen: Subventionen werden von den Steuerbehörden zugesprochen, wenn die unter Kapitel 2.2.1 erforderlichen Bedingungen der Gemeinnützigkeit (Allgemeininteresse und Uneigennützigkeit) gegeben sind. Die gesellschaftlich, mehrheitsdemokratisch akzeptierte Subvention von Stiftungen in Form von Steuerprivilegien stellt gegenüber anderen Produzenten von Gütern wie insbesondere den privatwirtschaftlichen Unternehmen eine Besserstellung dar, die durchaus kritisch gesehen werden kann. Strachwitz geht z. B. davon aus, dass "zumindest die Dienstleister unter den Stiftungen […] mit Sicherheit in absehbarer Zeit über ihre Vorteile gegenüber gewerblichen Wettbewerbern zu reden gezwungen werden" (Strachwitz 1998b, S. 34). Dies gelte aber auch für die sog. Vergabestiftungen, denn "auch die Öffentlichkeit hat entgegen dem alten Grundsatz, über gute Taten solle man nicht reden, einen Anspruch darauf zu erfahren, wie mit steuerlichen Privilegien ausgestattete Organisationen arbeiten" (Strachwitz 1998b, S. 37). Diese steigenden Erwartungen der kritischen Öffentlichkeit an die Tätigkeit von Stiftungen (Transparenzbedürfnis und Legitimitationspflicht) werden begründet mit dem "Vertrauenskredit" durch Steuererleichterungen und öffentlichen Zuwendungen für gemeinnützige Organisationen. Durch die hierbei beschriebenen organisationsspezifischen Charakteristika unterscheiden sich Stiftungen massgeblich von anderen Organisationsformen. Ihre Grundkonstitution führt zu den im Folgenden beschriebenen Messbarkeitsdefizit sowie Kontrolldefizit. 6.1.1 Messbarkeitsdefizit klassischer Stiftungen Die von Stiftungen produzierten meritorischen, quasi-öffentlichen und öffentlichen Güter sind von ihrer Wesensart her grundsätzlich schwierig auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen. So tritt zwischen dem Input und dem Output einer Stiftung oftmals ein sog. "Währungsunterschied" auf. Die Währung des Inputs besteht überwiegend aus monetären Mitteln, neben z. T. anderen Ressourcen, z. B. Wissen und Zeit. Das durch die Stiftungsarbeit erstellte Produkt ist jedoch ein gesellschaftlicher Nutzen. Dieser fällt nur in den seltensten Fällen in monetärer Form an. Die Bestimmung des langfristigen Impacts einer Stiftung ist oftmals diffus und kann nicht über die Bestimmung klassischer ökono- Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 163 mischer Kennzahlen erfolgen. Dieser Währungsunterschied erschwert eine Evaluation und Nachvollziehbarkeit der erzielten Wirkung der Stiftungsarbeit. Der Grad der in der Mission einer Stiftung gefassten gesellschaftlichen Knappheit lässt sich, im Unterschied zu den "marktlichen" Knappheiten in der Unternehmenswelt, nicht an einem eindeutigen Preis messen. Es gibt kein allgemein akzeptiertes Kriterienraster oder einen "objektiven" Vergleichsmassstab, der aufzeigt, ob in einer bestimmten Situation die Förderung, z. B. einer neuartigen Kunstrichtung oder die Förderung der Volksgesundheit, gesellschaftlich knapper und damit "wertvoller" ist. Der in Kapitel 6.1 unter Punkt 2 beschriebene fehlende Preissetzungsmechanismus durch Angebot und Nachfrage fällt damit bei der Lösung dieses Dilemmas ebenfalls aus, was die Unsicherheit bezüglich der eigenen Leistungsfähigkeit, mit der sich eine Stiftung ständig auseinandersetzen muss, verstärkt. Die hier beschriebenen Eigenschaften von Stiftungen resultieren in einem Messbarkeitsdefizit. Das Messbarkeitsdefizit führt zu einem fehlenden Feedbackmechanismus für die Stiftung im Hinblick auf ihre Tätigkeit. Es gibt keine kundenähnliche Instanz, die einen Effizienz- und Effektivitätsdruck, basierend z. B. auf ihrer Käufermacht, ausüben kann, um so dem Stiftungsmanagement signalisieren können, ob die "richtigen" Ziele erfolgreich verfolgt werden oder nicht. Im Gegensatz zu sich in einer Marktsituation befindenden Unternehmen existiert bei Stiftungen kein adäquates Informationssystem, das sowohl die "richtige" Menge als auch die "richtige" Qualität des produzierten Gutes aufzeigt. Im Vergleich zu staatlichen Organisationen sind Stiftungen nicht einem Wahlprozess ausgesetzt, der ebenfalls einen Feedbackmechanismus darstellt, durch die Möglichkeit, periodisch über die erzielte Performance zu urteilen. Aufgrund dieses Defizits ist es daher schwer, der Gesellschaft, den Mitarbeitern oder dem Stifter in nachvollziehbarer Art und Weise die Tätigkeit einer Stiftung und den dadurch generierten gesellschaftlichen Nutzen aufzuzeigen. Das schwer erfassbare Feedback zur Tätigkeit der Stiftung beeinträchtigt die Stiftungsarbeit z. B. dahingehend, dass der Impact einer Stiftung oftmals erst mit grosser Zeitverzögerung sichtbar wird. Die Incentivestrukturen und die z. B. darauf basierende finanzielle Honorierung der Mitarbeiter sind dagegen kurzfristig ausgerichtet, wie es in der Unternehmenswelt durchaus üblich ist. In den USA ist z. B. die sog. "Hire-and-Fire"-Kultur auch gegenüber Mitarbeitern in Stiftungen weit verbreitet. US-Stiftungen haben z. B. 164 Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen teilweise zeitlich befristete Arbeitsverträge mit ihren Mitarbeitern geschlossen. Die Ford Foundation geht sogar soweit, das maximale Arbeitsverhältnis von Mitarbeitern auf 8 Jahren zu limitieren. Diese Tatsache kann somit das Stiftungsmanagement dahingehend verleiten, schnelle Ergebnisse (sog. "quick wins") zu generieren, die u. U. der Erreichung der langfristigen Mission nicht zuträglich sind, ihr sogar zuwiderlaufen können (z. B. "Abtransport" von Drogenabhängigen und damit "Säuberung" des Strassenbildes (Symptombekämpfung), aber keine Auseinandersetzung mit den Ursachen der Drogenabhängigkeit. Das Messbarkeitsdefizit erschwert des Weiteren die Zurechenbarkeit von Geleistetem im Sinne von Causal-Effects ("Hat das, was wir gemacht haben, wirklich eine Wirkung erzielt?" und "Entspricht diese Wirkung auch wirklich dem, was wir erreichen wollten?"), was einer allgemeinen Legitimation von Stiftungen entgegen wirkt. Diese Auswirkung des Messbarkeitsdefizits stellt spezifische Herausforderungen an das Management einer Stiftung dar, indem sie trotz fehlendem allgemeinen Vergleichsmassstabs aufzeigen muss, was durch den Einsatz der - immer knappen - zeitlichen, finanziellen und Kompetenz-Ressourcen geleistet wurde (Evaluation). Mit dieser Schwierigkeit gilt es auf Stiftungs- als auch auf sektoraler Ebene konstruktiv umzugehen. Mit der Rekonstruktion der Zurechenbarkeit (Accountability) bestimmter Aktivitäten und Projekte legitimiert sich die Stiftung innerhalb des Stiftungssektors sowie dieser als Kraft im Dritten Sektor und gegenüber staats- und privatwirtschaftlichen Akteuren. Das Aufzeigen einer effizienten und effektiven Stiftungstätigkeit durch die Rückverfolgung von Erreichtem in Relation zur Mission gilt als zentrale Herausforderung bei der Legitimierung von Stiftungen. Auf der anderen Seite führt das Messbarkeitsdefizit zu einem fehlenden extrinsischen Anreiz zur Professionalisierung der Stiftungsarbeit. Ein Unternehmen, das nicht stets Bemühungen im Bereich des normativen Managements (z. B. durch Regelungen zum Umgang mit Interessenkonflikten), des strategischen Managements (z. B. durch Positionierung gegenüber der Konkurrenz) und des operativen Managements (z. B. durch die effiziente Auslieferung von Produkten) vornimmt, ist nicht überlebensfähig und verschwindet über kurz oder lang vom Markt. Stiftungen unterliegen diesem Druck nicht und laufen nicht Gefahr, aufgrund suboptimaler Arbeitsweise ihre Existenz zu verlieren. Unterlassungen bei der Einhaltung einheitlicher Rollenteilung zwischen Stifter, Stiftungsrat und Geschäftsführung, die Suche neuer Wirkungsfelder oder Kompetenzaufbau Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 165 und Personalentwicklung von Stiftungsmitarbeitern führen nicht zwingendermassen zum "Konkurs" einer Stiftung. Dies kann zu einem fehlenden Anreiz zur Reflexion der Aktivitäten einer Stiftung durch das Stiftungsmanagement führen. Stiftungen sehen sich nicht zur Optimierung und Weiterentwicklung gezwungen und geraten deshalb in Gefahr, in Trägheit zu erstarren (Hannan/Freeman 1977, 1984, Gresov et al. 1993). Die bei Stiftungen unvollständigen und oftmals gänzlich fehlenden Performance-Signale (z. B. eines Marktes, von Wählern oder von Destinatären) müssen durch ein transparent arbeitendes und proaktiv agierendes Managements ausgeglichen werden (Anheier 2005a). 6.1.2 Kontrolldefizit klassischer Stiftungen Die einzigartige Konstitution einer Stiftung bezüglich der in Kapitel 6.1 unter Punkt 4 besprochenen Eigenschaften der Eigentümerverhältnisse, ihres Aufsichtsorgans sowie des Wahlvorganges zur Bestimmung des Aufsichtsorgans führt zu einem organisationsspezifischen Kontrolldefizit. Bei privatwirtschaftlichen Organisationen dominieren in der Gesamtzielerreichung die Eignerinteressen, bei staatswirtschaftlichen Organisationen die per Mehrheitsentscheid zum Ausdruck gebrachte gesellschaftliche Präferenz. In den übrigen Non-Profit-Organisationen werden die Eigentümerinteressen durch Mitgliederoder Spenderinteressen wirksam. Demgegenüber sieht sich das Kontrollorgan bei Stiftungen, also der sich selbst konstituierende Stiftungsrat123, keiner eigentlichen Eigentümerschaft gegenüber gezwungen, Rechenschaft über Aktivitäten abzulegen (vgl. Abbildung 6-2). Eine direkte Kontrollmöglichkeit z. B. einer Aktionärsgruppe oder der Gesellschaft als "letztinstanzlicher Eignerin" fehlt. Selbst der Stifter kann auf Grund des Status der Stiftung als verselbständigtes Kapital i. d. R. keine "ausserordentliche" Kontrollmacht ausüben. Er hat nicht mehr Möglichkeiten als die übrige Öffentlichkeit. Durch die fehlende externe Kontrolle nimmt der Stiftungsrat, als Aufsichtsgremium der Stiftung, eine zentrale Rolle ein. Er gilt gegenüber der Öffentlichkeit als Mandatsträger und soll in treuhänderischer Weise die Stiftung im Sinne der Gemeinnützigkeit führen. Diese Balance zu halten zwischen gesellschaftlicher Treuhandschaft, privatem Stiftungswillen und erfolgreicher 123 Wobei hier Ausnahmen möglich sind. So wird der Stiftungsrat (Stiftungskommission) der Christoph Merian Stiftung, Basel, von der politischen Gemeinde Basel gewählt. 166 Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen Vermögensverwaltung birgt das Risiko von Interessenkonflikten durch eine Verlagerung von Eigner- zu Eigeninteressen. Die Selbstkontrolle und die Kooptation des Stiftungsrates bergen zudem die Gefahr einer hermetisch abgeriegelten Organisation. Eine Stiftung ist dadurch weder gezwungen die Umwelttrends und ihre gesellschaftlichen Bedürfnisse aufzuspüren noch eine förderliche Kooperationsbereitschaft und -kompetenz aufzubauen. Diese Elemente liegen in der Eigenverantwortung des Stiftungsmanagements. Die fehlende direkte Kontrolle durch die Eigentümer wird bei Stiftungen durch eine staatliche Kontrolle teilweise ersetzt. Sprecher und von Salis-Lütolf (2002) sehen zwei Gründe für eine zwingende staatliche Aufsicht, wie sie z. B. durch die Steuerbehörde und die Stiftungsaufsicht in der Schweiz erfolgt und neu durch die Pflicht zur Beauftragung einer Revisionsstelle ergänzt wird. Einerseits besteht die Notwendigkeit, das Fehlen von Mitgliedern auszugleichen. Stiftungen gehören wie oben aufgezeigt sich selbst, d. h. niemandem oder der Gesellschaft insgesamt. Andererseits sind Stiftungen für das Gemeinwohl aktiv und somit eine gestalterische "Macht" in der Zivilgesellschaft. Dem Staat als Hüter des Gemeinwohls und als treuhänderischer Verwalter der Eigentümerinteressen der Gesellschaft kommt somit die Zuständigkeit für die Aufsicht zu. Jedoch kann die Kontrolle nur in begrenztem Masse von staatlichen Aufsichtsstellen wahrgenommen werden. Neben der staatlichen Kontrolle erfolgt zunehmend aber auch eine Kontrolle durch die kritische Öffentlichkeit (z. B. Interessenvertreter, Medien). Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 167 Gesellschaft Kritische Öffentlichkeit Steuerbehörden Revisionsstelle Geschäftsführung Stiftungsrat Revisionsstelle Stiftungsaufsicht Abbildung 6-2: Die legalen und legitimen Aufsichts-"Organe" von Stiftungen Die Steuerbehörde prüft bei der Beantragung der Steuerbefreiung einer Stiftung deren Gemeinnützigkeit. Befindet sie - meistens aufgrund der Zweckformulierung und nicht aufgrund der tatsächlichen Aktivitäten - die Tätigkeit der Stiftung als gemeinnützig, erfolgt die Gewährung von Steuerprivilegien. Durch die im Jahre 2005 verabschiedete Revisionspflicht in der Schweiz wird eine zusätzliche Kontrollinstanz der Stiftungsaktivitäten eingeführt. Neu ist die Aufgabe der Revisionsgesellschaft, den Jahresabschluss auf Übereinstimmung mit den Belegen zu prüfen. Was bei Unternehmen bisher bereits üblich oder gar rechtlich vorgeschrieben war, ist nun auch bei Stiftungen als notwendig erkannt worden, weil hier die Aufsicht des Eigners oder der Mitglieder fehlt und es nicht in den Aufgabenkatalog der Stiftungsaufsicht fällt. Die Stiftungsaufsicht prüft dagegen jährlich den Rechenschaftsbericht einer Stiftung. Eine solche Prüfung beinhaltet die summarische Durchsicht der Bilanz und Erfolgsrechnung, der Kongruenz von Ausschüttungen und Stiftungszweck, der Einhaltung des in der Stiftungsurkunde festgelegten Zwecks, die Anwendung allfälliger Reglemente sowie die Vermeidung der Thesaurierung des Vermögens. Des Weiteren fällt die Anlage des Stiftungsvermögens in den Prüfbereich. Die Aufsichtsbehörden lassen den Stiftungen bezüglich Vermögensanlagen jedoch weitestgehende Freiheit, solange die allgemeinen Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 168 Grundsätze der Sorgfaltspflicht der Verwaltung eingehalten werden124. Nur in Ausnahmefällen kann die Stiftungsaufsicht direkt in die Tätigkeiten der Stiftung eingreifen und z. B. Mitglieder eines Stiftungsorgans ersetzen. In einem Bundesgerichtsentscheid wurde ausdrücklich festgehalten, dass sich die Stiftungsaufsicht nicht in den Ermessensspielraum einzumischen hat. Sie kann nur bei Rechtswidrigkeit oder Ermessensüberschreitung eingreifen (BGE 111 II 99, 112 II 99 und 471). Die Stiftungsaufsicht könnte erst dann eingreifen, wenn in einer Stiftung übermässig hohe Verwaltungskosten im Verhältnis zu den Ausschüttungen anfallen (z. B. überhöhtes Gehalt des Geschäftsführers der gleichzeitig Sohn des Stiftungsgründers ist). Hierzu existieren allerdings keine Richtgrössen; die Aufsicht kann nur extreme Verfehlungen ahnden.125 Nicht berücksichtigt werden bei der Kontrolle einer Stiftung durch die Stiftungsaufsichten z. B. die gesellschaftliche Bedeutung des Stiftungszweckes, das Auswahlverfahren und die Wirksamkeit der Förderaktivitäten sowie die internen Prozesse. In zunehmender Weise ist eine Tendenz spürbar, die vor ungefähr einem Vierteljahrhundert in die Unternehmenswelt Einzug gehalten hat: ein steigendes Informations- und Kontrollbedürfnis von Seiten der Öffentlichkeit (vgl. Schindler 2003, S. 277). Dies lässt sich dadurch begründen, dass die Gesellschaft in zweierlei Hinsicht von der stifterlichen Privatinitiative "betroffen" ist: 1. durch die Zielfunktion von Stiftungen, einen Sozialen Wandel anzustreben (vgl. Kap. 2.3), denn durch die Bearbeitung der identifizierten gesellschaftlichen Knappheiten durch Stiftungen ergeben sich unmittelbar oder mittelbar Auswirkungen auf die Gesellschaft. Von Stiftungen lancierte oder unterstütze Aktivitäten z. B. für ein Beschäftigungsprogramm für ältere Arbeitnehmer kann positive Auswirkungen besitzen hinsichtlich der Sozial- und Pensionskassen, der volkswirtschaftlichen Produktivität, des "Generationenvertrags", des psychischen Wohlbefindens älterer Menschen usw. Auch im "Kleinen" werden z. T. unterschiedliche gesellschaftliche Interessen tangiert. Die Christoph Merian Stiftung hat z. B. in Basel das "Rheinbad St. Johann" renoviert (vgl. Jahresbericht der Christoph Merian Stiftung 2002, S. 20). Dieser Förderentscheid betraf verschie124 Dies im Gegensatz zu den Personalvorsorgestiftungen in der Schweiz ("BVG-Stiftungen"), für die es umfangreiche, z. T. gesetzlich verfasste Regelungen zur Vermögensanlage gibt. 125 Bei operativen Stiftungen ist diese Schwierigkeit aufgrund der höheren internen Personalkosten und der unklar bestimmbaren Wirkung noch höher. Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 169 dene Stakeholdergruppen mit unterschiedlichen Ansprüchen in unterschiedlichem Masse (z. B. Badegäste, Naturschützer, Anwohner, Fischer). 2. durch die Einräumung von Steuerprivilegien. Die Öffentlichkeit wird sich in Zukunft aufgrund des entgangenen Steuersubstrats durch die Steuerbefreiung von Stiftungen mehr und mehr als Miteigentümerin der "quasi-öffentlichen" Organisation "Stiftung" sehen und deshalb eine Kontrollfunktion über die Stiftungsaktivitäten wahrnehmen wollen. In ihrem Appell zur Professionalisierung des Stiftungsmanagements verdeutlichen Porter und Kramer (1999) die Bedeutung der Steuerprivilegien. Sie zeigen an einem Rechenbeispiel bezogen auf die USA, dass bei einem Beitrag von USD 100 an eine Stiftung USD 40 an Steuereinnahmen der Gesellschaft durch die Steuerbefreiung entgehen. Wenn nun davon ausgegangen wird, dass Stiftungen im Schnitt 5.5% des Kapitals126 jährlich ausschütten, ergibt sich rechnerisch ein jährlicher Nutzen für die Gesellschaft von USD 5.50. Werden nun die jährlichen Ausschüttungen aus der ursprünglichen Zuwendung von USD 100 auf den heutigen Wert abdiskontiert, ergibt sich nach 5 Jahren eine Ausschüttung von lediglich USD 21, d. h. also nur 50% der entgangenen Steuereinnahmen und selbst nach 100 Jahren (!) wurden USD 55 ausgeschüttet - und somit lediglich etwas mehr als das ursprünglich der Gesellschaft entgangene Steuersubstrat.127 Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass nicht nur ein Stifter, sondern auch die Steuerzahler einen beachtlichen Beitrag für einen erwarteten sozialen Nutzen im Voraus an Stiftungen leisten.128 Analog zu einer Unternehmung kann somit ein gewisser Teil des Stiftungsvermögens wie in als Eigenkapital der Gesellschaft gesehen werden (vgl. Abbildung 6-3). Dieses Beispiel verdeutlicht, dass Stiftungen auch einen materiell berechenbaren Vertrauensvorschuss seitens der Gesellschaft haben. Stiftungen sind somit nicht gerade "billige" Instrumente, um private Mittel für einen öffentlichen Zweck zu allozieren. 126 Die Ausschüttungspflicht für US-Stiftungen beträgt 5% des Kapitals pro Jahr. Der langjährige Durchschnitt der Ausschüttungen der Stiftungen in den USA beläuft sich auf 5.5% (2005). 127 Noch deutlicher werden die Ausmasse der Steuerbefreiung, wenn die Entgangenen Steuereinnahmen betrachtet werden. So betragen in den USA die "Lost Government Revenues" (wegen der Steuermindereinnahmen) für den gesamten Nonprofit Sektor USD 166 Milliarden (1999). Diese setzen sich zusammen u. a. aus Steuererleichterungen und Steuerabzugsfähigkeiten für Spenden (Lee 2004, S. 172). 128 Ferner muss beachtet werden, dass zusätzliche Kosten für administrative Aufwendungen der Stiftungen sowie Antrags- und Reportingkosten auf Seiten der Destinatäre anfallen. Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 170 Bilanz Aktive Umlaufvermögen Passive Verbindlichkeiten Stiftungskapital Anlagevermögen Steuersubstrat = EK der Gesellschaft Total Aktive Abbildung 6-3: Total Passive Stiftungskapital als Eigenkapital der Gesellschaft Sobald nun die Gesellschaft durch die Stiftungsarbeit tangiert und in diese gar miteinbezogen wird durch den initiierten gesellschaftsbezogenen Wandel sowie das beanspruchte Steuersubstrat, ergibt sich ein kommunikativer Legitimierungsbedarf der stifterlichen Aktivitäten. Stiftungen verpflichten sich bei der Beantragung der Steuerprivilegien freiwillig, mit dem dadurch in Anspruch genommenen Vertrauensvorschuss der Gesellschaft angemessen umzugehen und den kommunikativen Legitimierungsbedarf der kritischen Öffentlichkeit anzuerkennen und zu befriedigen - wie dies Unternehmer gegenüber ihren Kapitalgebern und der Staat gegenüber seinen Wählern zu leisten haben: "In accepting the privilege of tax exemption and the right to solicit tax-deductible contributions, the public benefit agencies and philanthropic organizations also accept an obligation to be ready to answer not only to their membership but to the broader public as well, for the way they use resources that would otherwise have gone into the public treasury" (Jeavons 1994, S. 197 - zit. in Lee 2004, S. 172). Dies führt einerseits zu gewissen Leistungserwartungen gegenüber dem Stiftungsmanagement (Druck zur Gestaltung und Wirkungserzielung), hat andererseits aber auch Auswirkungen auf das Informations- und Kommunikationsverhalten von Stiftungen (Druck zur Transparenz und Verlässlichkeit). Mit anderen Worten wird hier ein Anspruch an ein professionelles Stiftungsmanagement formuliert, im Sinne eines reflektierten, konsequenten und authentischen Handelns aller Beteiligten. Die in Kapitel 6.3 präsentierten Basisprämissen "guten" Stiftungsmanagements sind richtungweisend für einen konstruktiven Umgang mit dem von der Gesellschaft gewährten Vertrauensvorschuss gegenüber Stiftungen. Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 6.2 171 Managementkontext in 5 Paradoxien Die folgenden Ausführungen geben einen Überblick über die Stiftungslandschaft und das Management von Stiftungen. Sie entstammen aus verschiedenen empirischen Untersuchungen, die im Laufe des Forschungsprojekts durchgeführt wurden, namentlich aus den 32 Interviews, den teilnehmenden Beobachtungen und Dokumentenanalysen der Fallstudien sowie aus der Analyse von informellen Gesprächen mit Vertretern von Stiftungen oder Stiftungsexperten aus Wissenschaft und Praxis. Die zu Paradoxien129 zusammengefassten Eindrücke im Sinne von "dichten Beschreibungen" werden unterlegt mit Zitaten aus den Interviews. Charakteristisch für Paradoxien ist die tatsächliche oder scheinbare "Unlösbarkeit" des Widerspruchs. Dieses Verständnis wird aufgegriffen im Sinne von "eigentlich sollten Stiftungen … aber sie tun es nicht". Zur Handhabung der Paradoxien wird auf die Kapitel 7 ff. verwiesen, in denen das entwickelte ManagementFramework für Stiftungen die vernetzten Handlungsfelder des Stiftungsmanagements aufzeigt und Handlungsoptionen vorstellt, um diese Paradoxien zu handhaben und zu reduzieren. Die folgenden fünf Paradoxien charakterisieren in dieser Arbeit die Stiftungslandschaft so, wie sie sich derzeit darstellt. Es wird dadurch insbesondere der Managementkontext beschrieben, jenseits der in Kapitel 3.3 identifizierten Managementthemen, nach denen mehr oder weniger explizit gefragt oder gesucht wurde (vgl. Anhang C: Interview-Leitfaden). Dieses Kontexts, in dem sich auch die im vorangegangenen Kapitel 6.1 beschriebenen Defizite als "Ursprung" der Paradoxien wieder finden, muss man sich bei jeglichen Veränderungs- und Professionalisierungsbestrebungen bewusst sein. Denn ohne eine umfassende Kenntnis und Analyse des Kontexts laufen solche Bestrebungen Gefahr, zu "Lippenbekenntnissen" zu verkommen oder reflexartig vorgetragene Abwehrhaltungen bei den Betroffenen hervorzurufen (vgl. Kap. 13.1 Stiftungsmanagement im Wandel, S. 475). Die folgenden Ausführungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, noch soll damit ausgedrückt werden, dass alle Stiftungen gleichermassen unter diesen Paradoxien "leiden". 129 Das Paradoxon oder das Paradox ([alt]griechisch παράδοξο[ν], von παρα~, para~ - gegen~ und δόξα, dóxa - im Sinne von die Meinung, Ansicht), auch eine Paradoxie (παραδοξία) genannt, ist ein Widerspruch, auch das scheinbar Widersinnige. In der Logik ist ein Paradoxon eine zunächst nicht einleuchtende Aussage, die jedoch – wider Erwarten – eine Wahrheit beinhaltet. Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 172 6.2.1 Orientierungsparadox: Stifterzentrierung vs. Zweckorientierung Bereits bei der Gründung werden durch formale Akte wie z. B. das Reglement, aber auch durch das Vorleben bestimmter Werte und Traditionen durch den Stifter wichtige Bestandteile der Stiftungskultur präjudiziert, die in der Organisation auch nach dem Ausscheiden oder Ableben des Stifters weiter bestehen, wie ein Stiftungsrat einer grossen Stiftung bestätigt: "Die Devise ‚People not Programs’ ist auch ein Stück der guten Tradition der Stiftung, die durch die Stifterin hineingekommen ist und von ihr selbst gelebt wurde." (P8) Allerdings stellt die Rolle des Stifters, der z. T. in "Personalunion" auch als Präsident des Stiftungsrates amtet, einen Managementkontext dar, den es in der Diskussion um "Management in Stiftungen" zu reflektieren gilt. Es kann eine geradezu paradoxe Situation dadurch entstehen, dass eine Stiftung rechtlich gesehen zwar ein verselbständigtes Vermögen ist, das im Auftrag der Gesellschaft treuhänderisch zu betreuen und wirksam einzusetzen ist, andererseits kann man aber z. B. Überschriften im Wirtschaftsmagazin "Bilanz" finden, in der Stifter bewusst oder unbewusst von "meiner Stiftung" sprechen und diese gewissermassen als ihre "Spielwiese" sehen. Eine Bestätigung dieser Erscheinung wird durch die Aussage eines Geschäftsführers einer mittelgrossen Stiftung geliefert: "Wenn man in dieser Stiftung im Management ist oder als Geschäftsführer tätig ist, dann ist man so ein wenig im Sandwich zwischen den Destinatären und den Vorstellungen des Präsidenten." (P16) Diese Personenzentrierung, gerade während der Gründungsphase von Stiftungen, wird auch im folgenden Zitat eines Stiftungsratspräsidenten einer mittelgrossen Stiftung deutlich, der die Aufbauphase jener Stiftung miterlebt hat: "Ich habe ja noch eine gute Zeit lang mitgewirkt im Stiftungsrat, noch nicht als Präsident, sondern als Mitglied, als der eine der Stifter noch lebte, und deswegen auch ein bisschen seine Konzeption miterlebt. Das war noch stark personenbezogen, sehr willkürlich, wenn man es negativ sagen will. Bis heute sind im Übrigen alle Mitglieder des Stiftungsrates, auch ich, auf Grund einer persönlichen Beziehung mit dem Stifterehepaar in diesen Stiftungsrat gekommen. Sie stammen noch Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 173 aus dessen unternehmerischem Umfeld, also Berater und Angestellte aus der Firma." (P3) Sicherlich stellt der Stifter bzw. der formulierte Stifterwille (und der daraus abgeleitete Stiftungszweck) eine sehr wichtige Orientierungshilfe dar, vor allem in der Gründungsphase, aber auch dann, wenn der Stifter aus der Stiftung ausscheidet, von Todes wegen oder aus freien Stücken, was die folgende Aussage eines Stiftungsexperten belegt: "Und nachher, wenn die Stiftung lebt, ist die grösste Herausforderung die Erfüllung des Stiftungszweckes. Es geht darum, jedes Jahr dem Stifter gegenüber ausweisen zu können - denn das ist für mich die erste Öffentlichkeit, ob er jetzt noch drin sitzt im Stiftungsrat oder draussen ist -, dass seine Idee auch umgesetzt wird zum Wohle der Allgemeinheit." (P4) In diesem Zitat wird aber auch deutlich, dass die Zweckorientierung die letztlich einzige Verpflichtung des Stiftungsmanagements darstellt, ganz im Sinne der Definition einer Stiftung als "personifiziertes Zweckvermögen", ohne Mitglieder oder Eigentümer im Sinne von Genossenschaftern oder Aktionären. Ein Geschäftsführer einer grossen Stiftung bringt es auf den Punkt, indem er formuliert, dass "jede Stiftung eine Dienstleistung erbringt. Und zwar eine Dienstleistung letztlich im Interesse oder im Willen des Stifters oder der Stifterin und in gemeinnütziger Art und Weise für die davon profitierende Gesellschaft." (P10) Die Vermengung von zu starker Personenzentrierung führt auch immer wieder zu instabilen Kompetenzabgrenzungen innerhalb einer Stiftung, die ein wirksames und zukunftsfähiges Management einer Stiftung verhindern, wie ein Geschäftsführer einer mittelgrossen Stiftung ausführt: "Unser Präsident, der direkter Nachfahre vom ursprünglichen Stifter ist, ist ein sehr aktiver Präsident, der sehr stark auch Einfluss nimmt auf das tägliche Geschäft und auf die operative Ebene. Eigentlich sind die Prozesse klar definiert. Es gibt jedoch trotz allem immer wieder Anfragen oder Projekte, bei denen man irgendwie feststellt, dass es unterschiedliche Vorstellungen gibt und da meine ich schon speziell von Seiten unseres Präsidenten und dann von mir als Geschäftsführer. Zum Teil liegt es an persönlichen Kontakten, die er hat, oder persönlichen Vorlieben. Dort müssten die Entscheidungsprozesse eigentlich anders lau- Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 174 fen. Aber das ist bei einer starken Persönlichkeit als Präsident wahrscheinlich schwierig." (P16) Im Verlauf des Forschungsprojekts konnte eine grosse Varietät bezüglich Führungsstruktur und -gremien bei Stiftungen identifiziert werden. Faktische Ein-Personen-Stiftungen, in der alle Entscheidungen in Personalunion getroffen werden, sind ebenso vertreten wie Stiftungen mit nach wohl überlegten Kompetenzkriterien zusammengesetzten Organen (Geschäftsführung und Stiftungsrat, allenfalls unterstützende Gremien wie z. B. wissenschaftlicher Beirat). Auf der einen Seite colorieren "feudalistisch herrschende" Stifter das Bild, auf der anderen Seite existieren aus dem Stiftungsmanagement zurückgezogen Stifter, die die Geschicke der von ihnen ins Leben gerufenen Stiftung in andere Hände gegeben haben. Es wird hier einer Schwarz-Weiss-Klassifizierung von Stiftungen widersprochen, nicht jedoch ohne auf die möglichen Probleme aufmerksam zu machen, die durch eine (zu) starke Personenzentrierung auftreten und oft Auslöser instabiler Führungs- und Entscheidungsprozesse sind. Diese Personenzentrierung kann nicht nur am Stifter festgemacht werden, sondern setzt sich teilweise fort über mehrere Generationen oder durch vom Stifter eingesetzte Personen. Ebenso kann auch ein Übergewicht der Geschäftsführung gegenüber dem Stiftungsrat entstehen. Diese Personenzentrierung kann sich negativ auf die Wirksamkeit der Stiftungsarbeit insgesamt auswirken und das Vertrauen sowie die Verlässlichkeit in die Institution Stiftung beeinträchtigen. 6.2.2 Missionsparadox: Einzelaktivitäten vs. Vernetzung Neben den oben beschriebenen Paradoxien steht auch die Mission im Mittelpunkt der Beschreibungen des Managementkontexts. Das ist insofern nicht überraschend, da sich eine Stiftung als "missionsgetriebene" Organisation (vgl. Kap. 7.1, S. 200) auch in der alltäglichen Arbeit sehr stark an dieser Zielformulierung orientiert. Dennoch trat im Verlauf der Erhebung der Eindruck auf, dass die Mission auch zu einer gegenteiligen Wirkung führen kann, nämlich nicht der Zielorientierung oder zur Schaffung eines gemeinsamen Verständnisses aller Stiftungsmitarbeiter, sondern zu einer diffusen, oftmals nur impliziten Vorstellung über das, was mit der Stiftung erreicht werden soll. Ein Geschäftsführer einer "jungen" grossen Stiftung formuliert es folgendermassen: Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 175 "Oft spürt man irgendwo eine Stifterpersönlichkeit, die vermutlich einfach an all dem leidet, was in dieser Welt schief läuft. Also das ist jetzt überspitzt gesagt. Und mit diesem Leiden ist sie zu einem Anwalt gegangen, und der Anwalt, der arme Cheib, musste irgendetwas aufsetzen, zu dem dann diese Person ‚Ja’ sagt." (P5) Bestätigt wird diese Charakterisierung vieler Stifter von einem Geschäftsführer einer ebenfalls jungen, im Aufbau befindlichen grossen Stiftung: "Ja, ich glaube es ist ein Gemisch einer intellektuellen, latent militanten, missionarischen, Welt verbessernden Illusion. Trotz einer oft mangelhaften Vernetzung einzelner Aktivitäten oder Projekte wird daran geglaubt, dass man etwas ändern kann mit den kleinen, kleinen Teilen, die man macht." (P24) Beide Aussagen weisen auf ein Paradox hin, das hier als "Missionsparadox" bezeichnet wird - wohl wissend, dass Stiftungen "missionsgetriebene" Organisationen sind. Einerseits ist die Funktion der Mission Klarheit und Einigkeit darüber zu schaffen, was erreicht werden soll. Als Zielformulierung dient sie dazu, eine Vernetzung einzelner Aktivitäten und Projekte zu gewährleisten, die das Wesen einer Vergabestiftung ausmachen. Andererseits wird diese Funktion aber oft durch eine zu breite oder diffus formulierte Zweckbestimmung blockiert, wie folgende Zitate belegen: "Ja was machen wir eigentlich, was wollen wir? Man muss ja auch dem Stifterwillen entsprechen. Der Stifter, der will was erreichen. Das ist aber oft auch diffus." (P4) "Wenn der Zweck extrem breit formuliert ist, ist das sehr angenehm. Man kann dann eigentlich machen, was man will. Ich diskutiere ein wenig mit den Töchtern und frage: Hey, haben wir lustige Projekte? Das ist so die Arbeitsweise - vor allem aber eigentlich der Wunsch, dass man ein wenig probiert und an Projekte heran geht, zu denen man ein wenig Bezug hat oder bei dem man spürt, dass etwas läuft." (P28) Der Autor des letzten Zitats, Stiftungsrat einer kleinen Stiftung, bestätigt indirekt die fehlende Orientierung wegen eines breit formulierten Zwecks, unabhängig von der Funktion der Stiftung als "Innovator" oder "Stabilisator" (vgl. Kap. 2.3) in einer weiteren Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 176 Aussage. Das Gefühl "Gutes zu tun" überlagert die Notwendigkeit, Einzelaktivitäten auch in ihrer Vernetzung zu betrachten: "Ja, wie treffe ich die Auswahl für Projekte, die wir fördern? Das ist einfach ‚Pi mal Handgelenk’, also mit einem grösseren Teil weiss man ja schon ungefähr, was man machen will. Und wenn jetzt Gesuche kommen, überlegt man mal, ob es in unseren Rahmen hinein passt. Meist sind es dann soziale Sachen, aber auch kulturelle Sachen und so ungefähr. Also es geht ungeordnet. Also sozusagen, es ist kein ‚Business Plan’ vorhanden bei uns oder es gibt keine klare Zielsetzung oder solche Dinge. Das ist nicht vorhanden." (P28) Der bereits oben zitierte Stiftungsratspräsident einer mittelgrossen Stiftung formuliert einen Gegenentwurf dazu, der auf die Notwendigkeit einer Vernetzung der Aktivitäten im Hinblick auf die Erfüllung der mitunter sehr komplexen Mission hinweist: "Die zentrale Herausforderung ist die, dass man eben nicht willkürlich arbeitet und nicht den Weg des geringsten Widerstands folgt, sondern dass man versucht, immer wieder die Arbeit so zu strukturieren und zu verbessern, dass wirklich dort gewirkt wird, wo vernünftige und wertvolle Aufgaben geleistet werden können und die dann wiederum zur Erreichung der Zielsetzung der Stiftung insgesamt beitragen. Und das ist nicht einfach. Ein Projekt braucht nicht unbedingt Ruhm zu bringen, damit die Wirkung vernünftig ist, sondern es muss langfristig, zusammen mit allen anderen Aktivitäten der Stiftung, zur Erfüllung des Zwecks beitragen." (P3) Ein Grund zur Entstehung dieses Paradoxes ist sicher auch im Messbarkeitsdefizit begründet (vgl.Kap. 6.1.1), indem der zusätzliche Nutzen durch eine Vernetzung der Aktivitäten und einer einheitlichen Mission nur schwer aufzuzeigen ist. Dies wurde in vielen weiteren Meinungsäusserungen im Verlauf des Forschungsprojekts immer wieder hervorgehoben. 6.2.3 Kooperationsparadox: Einzelgänger vs. Co-Produzent Auch wenn viele Stiftungsmitarbeiter "ihre" Stiftung nicht als Einzelgängerin beschreiben würden, kommt doch in vielen Aussagen zum Vorschein, dass die Notwendigkeit und der Nutzen von Kooperationen mit anderen Stiftungen aber auch weiteren Organisa- Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 177 tionen und Einrichtungen bisher nur rudimentär erkannt werden. Doch gerade Stiftungen, als Teil des Dritten Sektors, müssten eigentlich nach Kooperationen streben, denn der Dritte Sektor unterscheidet sich vom Privatwirtschaftlichen Sektor gerade dadurch, dass hier Kooperation (allenfalls Koopetition) statt Wettbewerb im Vordergrund steht. Besonders im Bereich der klassischen Vergabestiftungen geht es noch weniger um Wettbewerb als bei Non-Profit-Unternehmen, da die Stiftungen auf ein Vermögen zurückgreifen können. Deshalb ist es erstaunlich, wie stark die Kooperationsaversion im Stiftungsbereich verbreitet ist. Im Gegensatz dazu sind viele Themen, die sich in den Zwecken der Stiftungen wieder finden, sehr komplexer Natur und stark vernetzt, z. B. "Kampf gegen Aids" - sowohl auf Forschungsseite als auch im Bereich der Aufklärung. Beide Aspekte wären sicher grundsätzlich für Kooperationen geeignet. Dennoch ist ein sich aus den empirischen Untersuchungen ergebendes Charakteristikum der Stiftungslandschaft das Kooperationsparadox: Stiftungen treten bewusst oder unbewusst als Einzelgängerinnen auf, obwohl Kooperationen der Funktion von Stiftungen wie auch den Aufgaben, denen sich Stiftungen verschreiben, sehr viel besser entsprechen würden. Interessanterweise geben insbesondere kleinere Stiftungen dem gegenseitigen Erfahrungsaustausch und den Kooperationsmöglichkeiten kaum eine Chance, trotz geringerer finanzieller Möglichkeiten und fehlender Vernetzung, wie eine Aussage eines ehrenamtlichen und gleichzeitig geschäftsführenden Stiftungsratspräsidenten einer kleinen Stiftung bestätigt: "Also ich muss ehrlich sagen, ich habe mir nie überlegt, wie sich unsere Stiftung differenzieren kann zu anderen Stiftungen oder wie wir zusammenarbeiten könnten mit anderen. Ich habe eigentlich mit anderen Stiftungen gar keinen Kontakt." (P28) Ein Grund für eine geringe Kooperationsbereitschaft könnte im besonderen Verständnis des Stifters für seine Rolle liegen. Diese Vermutung äussert der Geschäftsführer einer grossen Stiftung: "Das Entscheidende ist, dass der Stifter selber nicht allzu viel Glamour für sich abzweigen will. Also wenn da egoistische, narzisstische Motive sind beim Stifter, da gibt’s ja viele Beispiele, dann wird es schwierig mit Kooperationen. Denn worum geht’s bei denen? Was sind da die Motive dahinter? Das sind dann z. T. Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 178 ziemlich krasse, persönliche Reputationsfragen, die in die Kategorie von Eitelkeit und Grössenwahn fallen. Solchen Stiftern geht es mehr um die eigene Grösse, als um das grosse Ganze." (P7) Dieses letzte Zitat ist sicherlich überspitzt formuliert und nur bedingt zutreffend für das Gros der Stiftungen, auch wenn überwiegend (noch) nicht die Vorteile von Kooperationen erkannt werden. Gegen eine übersteigerte Eitelkeit bei Stiftern spricht auch das Ergebnis der jüngsten StifterStudie für Deutschland (Timmer 2005, S. 31), wo die Erwartungen "erhöhtes gesellschaftliches Ansehen" und "Anerkennung bei Freunden und Bekannten" bei der Gründung von Stiftungen eher eine geringe Rolle spielen (1.6 bzw. 1.7 auf einer 5er-Skala, 1 = unbedeutend). In jüngerer Zeit tritt jedoch eine vermehrte Offenheit gegenüber mehr Kooperation und Vernetzung ins Bewusstsein des Managements, wie ein Stiftungsratspräsident einer mittelgrossen Stiftung betont: "Ich würde sagen, für Vergabestiftungen könnte es sehr nützlich sein, wenn sie sich untereinander irgendwie vernetzen würden. Sie könnten sich damit auch ein bisschen die Arbeit aufteilen und sich z. B. die Gesuche, die nicht zu ihnen passen, an andere Stiftungen weiterleiten. Solche Mechanismen hielte ich für sinnvoll." (P3) Bei einigen Stiftungen steht auch ganz bewusst eine gemeinsame "Produktion" im Vordergrund, so ein Geschäftsführer einer grossen Stiftung: "Kooperationen mit anderen Stiftungen sind ein konstantes Thema bei uns. In allen Gebieten. Also wir suchen aktiv überall Zusammenarbeit. Zum einen ist da die Vernetzung für einen Gedankenaustausch, um überhaupt mit neuen Ideen konfrontiert zu werden. Das geht nur über Vernetzung, über Kontakte innerhalb dieser Branche. Zum anderen verfolgen wir Kooperationen aber auch im ganz nüchternen ökonomischen Sinn." (P7) Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 179 Noch pointierter formuliert es ein Geschäftsführer einer anderen grossen Stiftung - und bezieht sich dabei auf seine Erfahrungen aus der Wissenschaft: "Eine zentrale Frage, um Wirksamkeit zu erzielen, ist doch: welches sind die anderen Stiftungen, die etwas Ähnliches machen? Da kann man noch viel lernen aus der Wissenschaft, also im Sinne von: ’Kooperiere, wenn du kannst, anstelle dich dagegen zu stemmen‚, denn das ist eigentlich Blödsinn. Wir sind ja alle im gleichen Spiel. Es gibt welche, die immer gegeneinander arbeiten. Man kann aber doch so viel zusammen erreichen. Wir machen doch oft ähnliche Sachen, nicht das Gleiche zwar. Aber trotzdem könnte man ein Stück weit zusammen arbeiten. Alle können Kleines bewirken, aber gerade zusammen könnten wir auch vielleicht mal etwas Grösseres machen. Dieses Verständnis ist aber in der Stiftungswelt noch nicht sehr verbreitet." (P29) 6.2.4 Transparenzparadox: Privatveranstaltung vs. quasi-öffentliche Institution Eine weitere paradoxe Situation lässt sich als Transparenzparadox abgrenzen. Innerhalb der Stiftungslandschaft haben sich zwei mehr oder weniger konträre Standpunkte herausgebildet. Die eine Seite beruft sich auf die - minimalen - legalen Publizitätsvorschriften für private Stiftungen und versteht dabei "privat" als "Privatsache". Dies widerspricht der Definition der Stiftung als verselbständigtes Vermögen, das zwar nicht "vergesellschaftet" ist, jedoch insbesondere bei gemeinnützigen und somit steuerbefreiten Stiftungen vom Management der Stiftung treuhänderisch im Auftrag der Gesellschaft betreut wird. Stiftungspraktiker sehen allerdings immer noch eine Gefahr in einer zu starken öffentlichen Präsenz von Stiftungen bzw. gestehen klassischen, gemeinnützigen Vergabestiftungen das Recht zu, diese Öffentlichkeit zu meiden, wie folgendes Zitat zusammenfasst: "Von einer Stiftung, die bewusst im Verborgenen wirken will, von der kann man diese Rechenschaftsablage gegenüber einer breiten Öffentlichkeit nicht verlangen. Ihre Rechenschaftsablage besteht in einer gewissenhaften und ordentlichen Verwaltung des Stiftungsvermögens, respektive ihres Stiftungszwecks. Und darüber legt sie der Aufsichtsbehörde Rechenschaft ab. Wenn die Anlass hat zu Zweifeln, dass der Stiftungszweck richtig umgesetzt wird, dann ist es an ihr, die Interessen der Öffentlichkeit wahr zu nehmen. Und ich glaube diese Rollenver- Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 180 teilung darf nicht verändert werden, dass plötzlich die Öffentlichkeit oder die Presse über die Stiftung zu Urteilen beginnt. Sonst wird die private Stiftungstätigkeit unattraktiv und führt zu einer Vergesellschaftung der Stiftung. Dann werden die Quellen für Stiftungen schlagartig versiegen." (P3) Von einem juristischen Standpunkt aus ist dieses Verhalten korrekt. Allerdings erfährt es aus der Stiftungslandschaft vermehrt Korrektur: "Es gibt eine breitere Öffentlichkeit, der man sich präsentieren muss, mit der man kommunizieren muss. Und das, finde ich, muss an Bedeutung zunehmen. Das ist dann nicht eine formalrechtliche Sache, aber es baut darauf auf. Es gibt z. B. grosse Firmen, die mit der Öffentlichkeit überhaupt nicht kommunizieren. Das ist nachteilig mit der Zeit, nicht sofort, aber mit der Zeit ist es nachteilig. Das gehört einfach zu unserer Gesellschaft heute dazu, dass man kommuniziert. Gebilde, die etwas für die Gesellschaft machen oder auf der anderen Seite von der Gesellschaft profitieren, sind auf ein gutes Kommunikationsverhalten angewiesen, weil sie sonst plötzlich als bedrohlich oder fremd oder als Machtgebilde betrachtet werden." (P4) Heute wird in diesem Zusammenhang immer häufiger "jenseits" von rechtlichen Notwendigkeiten diskutiert und dabei auf die Entwicklung im Bereich der Privatwirtschaft hingewiesen. Dort war es bis vor etwa 30 Jahren keine Seltenheit, dass börsenkotierte Aktiengesellschaften nur die notwendigsten Informationen der Öffentlichkeit preisgaben. Heute ist es jedoch üblich, dass selbst Öko- oder Sozialberichte in den ohnehin detaillierten umfangreichen Jahresberichten nicht fehlen und sogar Familienunternehmen sich zunehmend in der Öffentlichkeit präsentieren, um so einen neuen Weg zu gehen, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachzukommen. Darüber hinaus geht es aber nicht nur um "abstrakte" Bedürfnisse einer Gesellschaft oder um "moralische" Notwendigkeiten der Stiftungstätigkeit, sondern auch darum, wie wirksame Stiftungstätigkeit erreicht werden kann. Genau hier entfaltet das Transparenzparadox seine Wirkung, denn eigentlich sollten Stiftungen von sich aus darauf bedacht sein, möglichst offen zu kommunizieren, um evtl. restriktive(re)n Bestrebungen hinsichtlich der Gesetzgebung proaktiv entgegenzuwirken, wie ein Stiftungsexperte feststellt: Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 181 "Einer der wichtigsten Punkte für Vergabestiftungen ist das Vertrauen der Öffentlichkeit zu haben. Denn, dass man einer solchen Einrichtung vertraut und diese nicht als kriminell oder undurchschaubaren Geheimbund oder Geldwäschereianlage oder so anschaut, also das ist eines der grössten Güter, übrigens aller Stiftungen eigentlich." (P18) Das Vertrauen ist in der Tat ein zentraler Faktor, wie das Beispiel der USA aufzeigt. Der sog. Tax Reform Act von 1969, der den Stiftungen enorme Vorschriften hinsichtlich Publizität, insbesondere im finanziellen Bereich, auferlegte, geht auf das verlorene Vertrauen in die Institution "Stiftung" zurück. Das bestätigen auch Autoren wie Hall (2003), der unter dem Schlagwort "Foundations under Fire, 1953-1969" (S. 4) die Entstehung des Tax Reform Acts ausführlich beschreibt (ähnlich auch Frumkin 1997 und 1998). Daneben entsteht aber auch eine weitere paradoxe Auswirkung einer zu stark eingeschränkten Öffentlichkeitspräsenz einer Stiftung, auf die ein Stiftungsexperte hinweist: "Speziell die Vergabestiftungen müssen aber an die Öffentlichkeit treten, denn sonst können die ja ihren Zweck gar nicht erfüllen, wenn die nicht in die Öffentlichkeit gehen und sagen, was sie machen und auffordern: Melden Sie sich bitte. Voraussetzungen für Vergabungen sind etwa die und die. Wenn man doch das nicht macht über Jahre, nützt doch diese Million nichts, die dort liegt. Also eine gewisse Transparenz und Öffentlichkeit braucht eine solche Stiftung, auch wenn sie sagt, ja das ist doch eher privat. Es ist ein Spannungsfeld, aber es braucht eine gewisse Öffentlichkeit und das wird oft nicht verstanden." (P18) Es geht hier also nicht mehr nur um einige schöne Worte, die der Öffentlichkeit präsentiert werden oder auch nicht, sondern um den Kern der eigentlichen Stiftungsarbeit, die ohne ein hohes Mass an Transparenz, oder ohne die Öffnung nach aussen und die Kommunikation mit potentiellen Destinatären oder Nutzniessern der Aktivitäten, überhaupt nicht umgesetzt werden kann. Dennoch spielt die Kommunikation mit der Öffentlichkeit nach wie vor eine eher untergeordnete Rolle im Bewusstsein vieler Stiftungsmanager: "Ich glaube, wenn man etwas erreichen möchte, muss man ab und zu auch gegen aussen kommunizieren. Ich finde aber nicht, dass man dies systematisch machen muss, sondern ich denke dort, wo man was zu sagen hat und wo man etwas aufzeigen kann, dort absolut. Wir sind schon dran uns zu überlegen, ob wir uns noch Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 182 ein wenig stärker öffnen wollen und auch noch stärker gegen aussen aufzeigen wollen, was wir unterstützen und weshalb wir das unterstützen und was wir damit erreicht haben. Aber ich glaube, Kommunikation ist kein Schlüsselprozess." (P16) Immerhin ist, wie auch beim oben zitierten Geschäftsführer, eine zunehmende Reflexion über Fragen der Kommunikation nach aussen zu erkennen. Dennoch ist es erstaunlich, dass ein transparenter Austausch, z. B. von potentiellen Kooperationsmöglichkeiten bis hin zu Erfahrungen der operativen Stiftungsarbeit, nicht einmal informell zwischen den Stiftungen typisch ist, was ein Geschäftsführer einer grossen Stiftung drastisch so beschreibt: "Und dann habe ich gesagt: ’Ja, lasst uns einmal versuchen, Benchmarks für Stiftungen zu erstellen, ein Vergleich von Kennzahlen zwischen Stiftungen durchführen. Lasst uns versuchen, uns untereinander zu vergleichen. Das muss ja nicht gleich öffentlich publiziert werden.’ - Aber das war das blanke Unverständnis! Warum sollte sich eine Stiftung freiwillig sozusagen dem Vergleich stellen?" (P10) Während der empirischen Untersuchungen wurde das Thema Transparenz immer wieder kontrovers angesprochen, was auf eine zunehmende Bedeutung dieses Themas hinweist. 6.2.5 Gestaltungsparadox: passive Verwaltung vs. aktive Gestaltung Eine interessante Feststellung, die im Verlauf der Forschungsarbeiten gemacht werden konnte, ist die immer noch verbreitete Verwaltermentalität bei Stiftungen. Der Wille, "Gutes zu tun" ist, wie oben beschrieben, vorhanden, doch aus vielfältigen Gründen bleibt es beim blossen "Willen". Daraus entsteht wiederum eine paradoxe Situation, denn eigentlich sind Stiftungen, wie in Kapitel 2.3 beschrieben, dazu prädestiniert, eine gestalterische Funktion zu übernehmen. Eine thesaurierende, passive Stiftung, die kaum Fördermittel vergibt, entspricht nicht den Vorstellungen einer gemeinnützigen Vergabestiftung, wie auch ein Stiftungsexperte bestätigt: "Ich bin der Meinung, dass eine Stiftung eine moralische Verpflichtung hat, das zu machen, was im Zweck vorgegeben ist. Es ist doch nicht in Ordnung, wenn die Stiftung mit 5 Millionen errichtet wurde und steuerbefreit ist für das und das. Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 183 Und dann macht sie nie etwas. So wird sie ad absurdum geführt. Das ist auch rechtswidrig, da sie verpflichtet ist, etwas zu unternehmen. Man muss es ja an diesen Extrembeispielen zeigen." (P18) Dieser Experte lokalisiert einen wesentlichen Grund für diese Passivität u. a. im Stiftungsrat: "Etwas, das ich immer wieder feststelle, ist die Lethargie, manchmal, in diesen Stiftungsräten. Sie warten einfach. Sie haben zwar irgendwie 3 Millionen aber sie warten. Eine Stiftung muss nicht 500 Millionen haben, wie die XY Stiftung. Sie können auch mit 1 Million etwas Gescheites tun oder auch sogar mit 500'000 Franken. Aber sie warten und tun nichts." (P18) Provokant formuliert der Geschäftsführer einer grossen Stiftung seine Erklärung für diese z. T. "lethargischen" Stiftungsräte: "Das hängt vielleicht auch ein wenig damit zusammen, dass man für Stiftungen tendenziell gerne Juristen nimmt. Und das ist dann einfach zum Teil schwierig, weil die Juristen ein bisschen zum Verwalten neigen. Wobei es auch Juristen gibt, die sich Wissen aneignen können und dann auch mehr gestalterisch wirken." (P5) Ohne den Berufsstand der Juristen allgemein als Auslöser dieses Paradoxes auszumachen, bestätigt selbst ein Jurist zum einen die hohe Anzahl von Juristen in der Stiftungslandschaft: "Mein eigener professioneller Hintergrund ist, dass ich Rechtsanwalt und Notar bin und in meiner Praxis hat sich einfach ein gewisser Schwerpunkt auch bei privater Klientel ergeben. Vor meinem Engagement bei der XY Stiftung beispielsweise war ich der persönliche juristische Berater des Stifterehepaars. Und das ist oft so, dass aus einer persönlichen Beratung zu einem Klienten oder einer Klientin, die dann später eine Stiftung errichten, sich diese Beziehung ergibt. Das ist auch bei zwei anderen Stiftungen, die ich verwaltete, so geschehen. Einmal hat eine Klientin ihr Testament errichtete und eine Stiftung vorgesehen und mich dann als Testamentsvollstrecker Stiftungsratspräsidenten berufen." (P3) auch gleich als ersten Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 184 Zum anderen charakterisiert er selbst sich und seine Berufskollegen mit folgenden Worten: "Nun, wir Juristen, wir denken nicht so sehr in Visionen, sondern wir nehmen den Stifterwillen, der in der Stiftungsurkunde verbrieft ist. Das ist der Auftrag, den die Stiftung hat und das ist das Gesetz, unter dem sie angetreten ist. Und dieses Gesetz gilt es umzusetzen." (P3) Trotz allem braucht es einen guten Mix unterschiedlicher Persönlichkeiten mit jeweils wichtigen Fähigkeiten, wie ein Stiftungsexperte und ebenfalls Jurist ausführt: "Also wichtig ist, wer im Stiftungsrat ist. Sind es mehr Verwalter-Typen oder sind es Leute mit Visionen. Da muss ein guter Mix im Stiftungsrat sein. Das ist das A und O. Man muss immer Leute haben mit Visionen, die auch grössere Schritte machen, und dann braucht es auch ein, zwei Buchhalter, oder Juristen, die immer auf die Rahmenbedingungen aufmerksam machen." (P4) Grundsätzlich geht es also darum, das Gestalterparadox zu handhaben, ohne die "Schuld" eindimensional bei einzelnen Personen zu suchen. Im Zusammenwirken mit der Handhabung der anderen oben beschriebenen Paradoxien, insbesondere dem Kooperationsparadox, dem Missionsparadox und dem Transparenzparadox, lassen sich Ansatzpunkte entdecken, wie Stiftungen ihre Funktion als Gestalter nachkommen können. Die, empirisch noch nicht überprüfte, grosse Dichte an Juristen im Stiftungsumfeld kann damit begründet werden, dass potentielle Stifter beim Wunsch der Stiftungserrichtung eine Vertrauensperson mit der Gründung und langfristigen Verwaltung beauftragen. Hierbei kommen oftmals die persönlichen Banker, Treuhänder oder eben die Hausjuristen zum Zuge. Durch das Beibehalten der Vertrauensperson im Stiftungsrat sichert sich der Stifter in gewisser Weise seinen Einflussfaktor, da der Banker, Jurist oder Treuhänder üblicherweise im Sinne des Stifters handelt. Für die genannten Personengruppen sind Stiftungen, neben der ideellen Komponente, oftmals eine interessante Einnahmequelle, einerseits wegen der Gründungsgebühren, andererseits wegen der Verwaltungshonorare oder weiterer Geschäfte mit dem Stifterumfeld. Diese Zusammenstellung von Paradoxien des Stiftungsmanagements darf nicht missverstanden werden als "Anklage" gegenüber schlecht geführten Stiftungen, sondern soll Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 185 vielmehr zur Reflexion anregen und dazu dienen, Möglichkeiten zu erkennen, die eigene Tätigkeit weiter zu verbessern, denn "Stillstand ist Rückschritt", oder anders formuliert: "Und wenn einmal die Aufsichtsbehörde sagt: ‚Aber hört mal zu, ihr könnt das gar nicht so machen! Das ist doch nicht optimal! Was wollt ihr überhaupt damit erreichen?’ Dann heisst es oft: ‚Das machen wir schon fünfzehn Jahre so […]’." (P18) 6.3 Stiftungstypisierung im Paradoxienradar In diesem Kapitel steht das klassische sozialwissenschaftliche Instrument der Entwicklung von "Idealtypen" im Vordergrund. Auf Basis der oben eingeführten und beschriebenen fünf Paradoxien werden Stiftungstypen benannt, die sich aus einer Klassifizierung von insgesamt 18 Stiftungen ergeben. Die Typen, wie die Paradoxien, sollen dazu beitragen, dem Stiftungsmanagement zu helfen, den einmaligen Kontext der jeweiligen Stiftung erschliessen und reflektieren zu können. Darauf aufbauend können die entsprechenden Konklusionen gezogen werden, im Hinblick auf ein professionelles und wirkungsvolles Stiftungsmanagement. Wie bereits mehrfach erwähnt, beeinflusst der Managementkontext stark das Management einer Stiftung. Die 18 untersuchten Stiftungen werden in einem sog. "Paradoxien-Radar" abgebildet, um so typische Ausprägungen aufzuzeigen. Um die Stiftungen zu "diagnostizieren", wurden Informationen auf verschiedenen Wegen gewonnen. Eine besonders wichtige Rolle spielten zunächst die durchgeführten 32 Experteninterviews (vgl. Kap. 5.3). Daneben wurden weitere Informationsquellen erschlossen, z. B. durch: teilnehmende Beobachtungen bei den Fallstudienpartnern (Datenquellen: u. a. Mitschriften; Bemerkungen zu verbaler und nonverbaler Kommunikation; Sitzpläne bei Sitzungen) Dokumentenanalyse (Datenquellen: u. a. Stiftungsurkunden; Stiftungsreglemente; Prozessbeschreibungen; Protokolle von Stiftungsratssitzungen; Berichte zur Pro- Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 186 jektauswahl und -evaluation; externe Berichte über die jeweiligen Stiftungen (Pressespiegel); Jahres-/Tätigkeitsberichte der jeweiligen Stiftung Nicht alle 18 aufgeführten Stiftungen konnten mit der gleichen Intensität untersucht werden, wegen verschiedenster Restriktionen, z. B. des teilweise nicht gegebenen Zugangs zu internen Dokumenten oder der fehlenden Publikation von Jahresberichten. Die Datenlage erlaubt die hier vorgenommene Typisierung der Stiftungen und die Illustration des Managementkontexts. Dabei wird nicht der Anspruch an eine auch statistischen Auswertungen standhaltende quantitative Untersuchung130 erhoben - es wird vielmehr eine qualitativ entwickelte, praxistaugliche und nützliche Aufarbeitung des Stiftungsumfelds geleistet. Zur Klassifizierung der Stiftungen wurden die in Kapitel 6.2 beschriebenen fünf Paradoxien verwendet und operationalisiert (vgl. Abbildung 6-4): 1. Orientierungsparadox mit den Dipolen stifterzentriert und zweckorientiert. Eine starke Stifter- oder Personenzentrierung ist der Indikator für eine hohe Ausprägung des Orientierungsparadoxes. Eine starke Zweckorientierung (= Basisprämisse131) zeigt eine schwache Ausprägung an. Die Bewertung der Stiftungen erfolgte für dieses Paradox in erster Linie aus den Daten der Interviews und aus Protokollen von Sitzungen. Externe Berichte (z. B. Zeitungsartikel) wurden fallweise hinzugezogen. 2. Missionsparadox mit den Dipolen Einzelaktivitäten und Vernetzung der Aktivitäten. Das Missionsparadox ist stark ausgeprägt, wenn überwiegend einzelne, unzusammenhängende Projekte finanziert werden. Das Missionsparadox ist dann schwach ausgeprägt, wenn eine hohe, systematische, inhaltliche Vernetzung der Aktivitäten (= Basisprämisse) von Projekten der Stiftung angestrebt wird und diese an der in der Stiftung gelebten Mission ausgerichtet werden. Datenquellen zur Bewertung dieses 130 Dies gelingt z. B. auch nicht durch den in der "Stichprobe" auftretenden "Bias" auf Grund der Partnerschaft mit SwissFoundations. Diese Stiftungen, die an sich selbst hohe Anforderungen stellen, sind in dieser Auswahl überrepräsentiert. Ebenso weisen die Ausprägungen ("Kategorien") und die Operationalisierung ("Dimensionen") des Radaras eine für eine hochwertige quantitative Studie zu geringe Trennschärfe aus. Und nicht zuletzt ist die Anzahl untersuchter Stiftungen bei weitem zu gering, um statistische Auswertungen vornehmen zu können. 131 Die jeweiligen Basisprämissen stellen die anzustrebenden Ausprägungen eines "guten" Stiftungsmanagements dar, die auch als Grundlage zur Entwicklung des Foundation Excellence Management-Frameworks dienen (vgl. Kap.7). Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 187 Paradoxes waren vornehmlich Jahresberichte und Erläuterungen zur grundsätzlichen Arbeitsweise in den Interviews. 3. Kooperationsparadox mit den Dipolen Einzelgänger und Co-Produzent. Das Kooperationsparadox ist stark ausgeprägt bei Stiftungen, die kaum Kooperationen eingehen. Das Kooperationsparadox ist dann schwach ausgeprägt, wenn eine grundsätzliche Bereitschaft zur Kooperation besteht und so die Rolle als Co-Produzent (= Basisprämisse) wirkungsvoll ausgefüllt werden kann. Zur Bewertung dieses Paradoxes dienten hauptsächlich Jahresberichte und Stellungnahmen in den Interviews als Quelle, sowie Berichte über Kooperationen zwischen Stiftungen oder Stiftungen und Partnern aus anderen Sektoren (z. B. PPPs). 4. Transparenzparadox mit den Dipolen Privatveranstaltung und quasi-öffentliche Institution. Das Transparenzparadox ist stark ausgeprägt bei Stiftungen, die sich als Privatveranstaltungen verstehen. Das Transparenzparadox ist schwach ausgeprägt, wenn Stiftungen im Sinne einer quasi-öffentlichen Institution (= Basisprämisse) umfassend und proaktiv mit allen Stakeholdern kommunizieren. Die Bewertung der Stiftungen erfolgte für dieses Paradox überwiegend anhand von Jahresberichten und der Websites der Stiftungen. Sie stellen die Hauptkanäle der Kommunikation von Stiftungen mit ihren Anspruchsgruppen dar. Angaben aus den Interviews ergänzten die Grundlagen zur Bewertung. 5. Gestalterparadox mit den Dipolen passive Verwaltung und aktive Gestaltung. Das Gestaltungsparadox ist stark ausgeprägt bei Stiftungen, die eine rein passive (thesaurierende) oder überwiegend reaktive Haltung einnehmen. Das Gestaltungsparadox ist schwach ausgeprägt, wenn das Bestreben zur aktiven Gestaltung (= Basisprämisse) vorherrscht. Die Bewertung der Stiftungen erfolgte für dieses Paradox in erster Linie aus den Daten der Interviews zur Arbeitsweise der jeweiligen Stiftung sowie aus den Jahresberichten. Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 188 Instit ution Priv atve rans taltu ng e Einz et Vern laktiv zung n itäte elg nz Ei ro -P ak tiv eG Co es tal tun g r ge än pa ss ive Ve rw alt un g Tra nsp öffe ntlic he ox rad spa sion Qua si- Stifterzentrierung Mis aren zp a rad o x Zweckorientierung Stifterparadox Orientierungsparadox du Ge st alt er pa nt ze ra do x Abbildung 6-4: Ko op io at er ns d ra pa ox Paradoxien-Radar zur Diagnose von Stiftungen und Entwicklungen von Stiftungstypen (Bewertung: höchste Ausprägung = 1, geringste Ausprägung = 6) Nach Bewertung aller 18 untersuchten Stiftungen ergibt sich ein "buntes" Bild im Radar, weil Stiftungen und der jeweilige Stiftungskontext einmalig sind (vgl. Abbildung 6-5). Dennoch zeichnen sich drei Stiftungstypen deutlich ab. Ein Stiftungstyp ist dadurch gekennzeichnet, dass die Ausprägungen aller Paradoxie bei vier bis fünf der untersuchten 18 Stiftungen ähnlich sind. Innerhalb der Typen gibt es eine gewisse Bandbreite der Ausprägungen. Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 189 Die drei Stiftungstypen werden bezeichnet als: SMI132-Unternehmen (vgl. Abbildung 6-6) Familienunternehmen (vgl. Abbildung 6-7) Vereine (vgl. Abbildung 6-8) Die Typenbezeichnungen sind Analogien zu den gesellschaftsrechtlichen Organisationsbezeichnungen. Stiftungstätigkeit wird hier vorwiegend verstanden als Social Entrepreneurship, was diese Analogiebildung als sinnvoll erscheinen lässt, weil bereits durch die Bezeichnungen bestimmte Charakteristika (z. B. Handlungsmuster, Managementstrukturen) des jeweiligen Stiftungstypus herausgestellt werden. Diese weisen z. T. typische Ähnlichkeiten mit den begrifflich korrespondierenden Organisationstypen auf. Orientierungsparadox Stifterparadox Stiftung 1 Stiftung 2 Stiftung 3 Stiftung 5 sio Mis spa ren zpa rad ox Stiftung 4 x Tra n o arad nsp Stiftung 6 Stiftung 7 Stiftung 8 Stiftung 9 Stiftung 10 Stiftung 11 Stiftung 12 Stiftung 13 Stiftung 14 Stiftung 15 Ge st alt er pa ra do x Abbildung 6-5: 132 er op Ko a x do ra a p ns tio Stiftung 16 Stiftung 17 Stiftung 18 Paradoxien-"Radar" der untersuchten Stiftungen: Gesamtdarstellung SMI = Swiss Market Index. Damit sind Unternehmen gemeint, die an der Schweizer Börse kotiert und im "Leit"-Index zusammengefasst sind, also als die aktuell 27 wichtigsten (grössten) Unternehmen klassifiziert sind. Als börsenkotierte Unternehmen müssen sie besondere Richtlinien z. B. im Bereich Transparenz, Governance etc.erfüllen. Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 190 Die drei Stiftungstypen decken ein weites Feld der Stiftungslandschaft ab, zwar holzschnittartig, komplexitätsreduzierend und z. T. provokant. Auch lassen sich einige Stiftungen nicht eindeutig diesen Typen zuordnen. Die Typisierung erlaubt jedoch eine Illustration des Managementkontexts von Stiftungen, die eine Hilfestellung bieten kann, um den eigenen spezifischen Managementkontext zu erschliessen. Das ManagementFramework in den Kapiteln 7 ff. bietet Handlungsoptionen an und zeigt Verbesserungspotentiale auf, um mit den in den Paradoxien thematisierten Herausforderungen konstruktiv umzugehen. Der mit dem Framework aufgespannte unternehmerische Gestaltungsraum sollte von den Stiftungen proaktiv ausgefüllt werden. Ansonsten läuft der gesamte Sektor Gefahr, dass der Staat mit Hilfe bürokratischer Regelungen Stiftungen zu Transparenz, Berechenbarkeit und "Professionalität" zwingt, wie dies in den USA durch den Tax Reform Act von 1969 bei Stiftungen oder durch die kürzlich eingeführten Sarbanes-Oxley-Gesetze bei Unternehmen angestrebt wurde. 6.3.1 Stiftungstypus 1: "SMI-Unternehmen" Der erste Stiftungstypus umfasst Stiftungen, die sich im Radar im Vergleich zu den anderen untersuchten Stiftungen abheben, da sie die geringsten Ausprägungen der Paradoxien aufweisen. Weil sie den Basisprämissen am ehesten entsprechen, können sie als "Best-in-Class" bezeichnet werden. Charakteristisch für diese Stiftungen sind eine geringe Ausprägung des "Orientierungsparadox", "Transparenzparadox", "Gestalterparadox" und "Missionsparadox". Einzig das "Kooperationsparadox" ist absolut gesehen deutlich ausgeprägt, was aber auf alle Stiftungen zutrifft. Stiftungen sehen sich selbst ob bewusst oder unbewusst - weder in einem kompetitiven Umfeld, wie es für den Profit-Sektor charakteristisch ist, noch in einem Bereich, der sich durch ausgeprägte Kooperationsfähigkeit und -willigkeit auszeichnet. Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 191 Stifterparadox Orientierungsparadox Stiftung 1 Stiftung 7 ox rad spa sion Mis Tra nsp aren zpa rad ox Stiftung 10 Ge st alt er pa ra do x Abbildung 6-6: at er op o K n io Stiftung 13 ox ad ar p s Paradoxien-"Radar" der untersuchten Stiftungen: Stiftungstyp "SMI-Unternehmen" Die Analogie zu SMI-Unternehmen lässt sich gut begründen. Zwar sind diese ProfitUnternehmen aufgrund ihrer Eignerstruktur und von Gesetzes wegen z. B. zur Transparenz und zu eindeutigen Führungs- und Kontrollstrukturen angehalten, was in diesem Masse nicht für den Stiftungsbereich zutrifft, wie in den Defiziten aufgezeigt wurde. Dennoch kann festgehalten werden, dass sich die Stiftungen des Typus "SMI-Unternehmen" ihrer öffentlichen Verantwortung bewusst sind und die Handlungsmuster und Managementstrukturen der Stiftung dieser Verantwortung anpassen. Zu dieser Verantwortung gehört z. B. auch eine offene Kommunikation mit der kritischen Öffentlichkeit. Die vier Stiftungen dieses Typs wirken auch sehr gestalterisch, was ebenso für einen Grossteil der SMI-Unternehmen gilt - zumindest prägen diese durch ihre Geschäftstätigkeit den Marktsektor, in dem sie tätig sind. In diesem Zusammenhang muss aber auch darauf hingewiesen werden, dass sog. "disruptiv innovations" (Christensen 1997) häufig auch von kleineren Unternehmen bewirkt werden können. 6.3.2 Stiftungstypus 2: "Familienunternehmen" Für diese sehr stark durch einen Stifter, dessen Nachkommen oder Vertrauenspersonen geprägte Stiftungen ist das Stifter- und Transparenzparadox besonders charakteristisch. In den jeweils anderen Paradoxien unterscheiden sie sich nur graduell vom Stiftungstyp Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 192 "SMI-Unternehmen". Das entspricht auch den Familien- oder Privatfirmen in ProfitSektor; man denke hierbei nur an Unternehmen wie Hilti, die frühere (und möglicherweise zukünftige) EMS-Chemie usw. Stifterparadox Orientierungsparadox Stiftung 2 Stiftung 3 si Mis par ado x Stiftung 9 Tra nsp aren z x ado par ons Ge st alt er pa ra do x Abbildung 6-7: Stiftung 15 K pe oo n tio ra Stiftung 16 ox ad ar p s Paradoxien-"Radar" der untersuchten Stiftungen: Stiftungstyp "Familienunternehmen" Bei den fünf hier unter dem Typus "Familienunternehmen" zusammengefassten Stiftungen ist besonders die Ausprägung in Richtung "Privatveranstaltung" (Transparenzparadox) und "Stifterzentrierung" (Orientierungsparadox) stark ausgeprägt. Interessanterweise sind diese Stiftungen dennoch "wirksam", was eigentlich einem Verständnis einer "Privatveranstaltung" und damit verbunden einer geringen Öffnung nach aussen vorderhand widerspricht, doch gelang es diesen Stiftungen über verschiedene Zugänge trotzdem, kompetente Projektpartner zu gewinnen. Dennoch muss kritisch angemerkt werden, dass insbesondere das Vertrauen der Öffentlichkeit in solche Organisationen schnell schwinden kann. Zudem ist das Potential einer Wirksamkeitssteigerung durch Öffentlichkeitsarbeit nicht Projektergebnissen, Motivierung Initiativbewerbung). voll ausgeschöpft von (z. potentiellen B. Dissemination von Projektpartnern zur Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen 6.3.3 193 Stiftungstypus 3: "Verein" Ein interessanter Stiftungstyp wird als dritter Typus identifiziert: der Stiftungstypus "Verein". Stiftungen, die eher der "Vereinskultur" zuzuordnen sind, weisen eine vergleichsweise starke Ausprägung aller Paradoxien auf. Insbesondere das "Missionsparadox" scheint, auch im Vergleich zu den hier untersuchten Stiftungen, eine charakteristische Rolle zu spielen. Diese Feststellung entspricht auch der Vereinsanalogie, denn Vereine sind wie Stiftungen sehr stark "missionsgetrieben". Dennoch kann eine Situation auftreten, bei der zwar die Mission im Hintergrund vorhanden ist ("Warum ist der Verein entstanden?"; "Was sind seine Ziele?"), diese aber im Alltagsgeschäft sehr von Einzelaktivitäten überlagert wird und so die orientierende Kraft verliert. Es wird zwar "Gutes getan", jedoch ohne die notwendige Vernetzung oder Orientierung an der Mission. Diese Situation tritt in den Stiftungen des Typs "Verein" besonders deutlich auf. Stifterparadox Orientierungsparadox Stiftung 4 Stiftung 6 Stiftung 11 si Mis Tra nsp aren zpa rad o x Stiftung 17 x ado par ons Ge st alt er pa ra do x Abbildung 6-8: er op Ko i at Stiftung 18 x do ra pa s on Paradoxien-"Radar" der untersuchten Stiftungen: Stiftungstyp "Verein" 194 Defizite und Paradoxien klassischer Stiftungen Ähnlich wie das Missionsparadox ist auch das Transparenzparadox in "Vereinsstiftungen" stark ausgeprägt, vergleichbar zur Vereinswelt, die rechtlich gesehen wenigen Transparenzvorschriften unterliegt. Ebenso entspricht das Orientierungsparadox mit seiner relativ starken Ausprägung der Personenzentrierung dem Vereinstypus. So kann z. B. bei Vereinen ein "Bruch" von einer Vereinsgeneration zur nächsten auftreten, oder die Vereinsführung verbleibt weitgehend in einer "In-Groupe", was zu einer Ausgrenzung anderer Gruppen innerhalb des Vereins führen kann. Management-Framework für Vergabestiftungen: Das Foundation Excellence-Cockpit (FE-C) 195 "Wichtig sind nicht die Antworten, wichtig sind die Fragen." Rainer Maria Rilke, dt. Dichter (1875-1926) 7 Management-Framework für Vergabestiftungen: Das Foundation Excellence-Cockpit (FE-C) Ziel des Forschungsprojekts Foundation Excellence ist die Entwicklung eines integrierten Managementframeworks für Stiftungen, das den spezifischen Charakteristika der Organisationsform "Stiftung" Rechnung trägt und den besonderen Managementherausforderungen von Stiftungen gerecht wird (vgl. Kap. 3.1). In diesem Kapitel wird das Managementframework präsentiert; in den folgenden Kapiteln werden dann die einzelnen Bausteine detailliert vorgestellt. Das Framework wurde auf der Basis folgender sechs Grundlagen entwickelt: 1. Managementverständnis (vgl. Kap. 3.1 und 3.2): "Stiftungsmanagement" greift den besonderen Kontext der jeweiligen Stiftung auf und führt so zur "Qualifizierung" der Stiftung in ihrem spezifischen Milieu. Diese Qualifizierung umfasst dabei vor allem den Aufbau einer Beurteilungs- und Problemlösungsfähigkeit hinsichtlich der spezifischen Herausforderungen einer Organisation und das Entwickeln möglicher Lösungen für einen langfristigen gesellschaftlichen Nutzenzuwachs. 196 Management-Framework für Vergabestiftungen: Das Foundation Excellence-Cockpit (FE-C) 2. General-Management-Ansatz (vgl. Kap. 3.4): Die zu entwickelnden Lösungen müssen dem vorgestellten General-Management-Ansatz entsprechend so gestaltet werden, dass die konzeptionelle und prozedurale Durchgängigkeit gewährleistet ist. Die konzeptionelle Durchgängigkeit ist dann gegeben, wenn auf den drei Management-Ebenen des normativen, strategischen und operativen Managements die notwendigen Festlegungen aufeinander abgestimmt getroffen werden, die sich sowohl aus dem spezifischen Kontext von Stiftungen, als auch aus den charakteristischen Herausforderungen des Stiftungsmanagements ergeben. Die prozedurale Durchgängigkeit als komplementärer Teil eines General Management-Ansatzes zeichnet sich durch die sequentielle und zeitliche Abstimmung der notwendigen Klärungsprozesse und Festlegungen auf den drei Management-Ebenen aus. 3. Modellverständnis (vgl. Kap. 3.5): Modelle werden in dieser Arbeit verstanden als Gestaltungsmodelle (Leerstellengerüste), bei denen die praktische Anwendbarkeit des Modells im Vordergrund steht und es "nicht um die Wahrheit von allgemeinen Aussagen, sondern um Nutzen und Schaden von potentiellen realen Gestaltungen" geht (Ulrich 1984, S. 172). Sie ermöglichen die Handhabung komplexer Entscheidungssituationen durch eine angemessene "Reduktion der Wirklichkeit". So kann eine Balance hergestellt werden zwischen der situativen Komplexität auf der einen und der Generierung von Handlungsoptionen zur Erhöhung der Managementvarietät auf der anderen Seite. 4. Herausforderungen des Stiftungsmanagements (vgl. Kap. 3.3): Neben den fünf bei der Erarbeitung des Interviewleitfadens identifizierten thematischen Schwerpunkten des Stiftungsmanagements werden weitere Aspekte eines umfassenden Managements im Framework verarbeitet, die in den Interviews genannt wurden bzw. in den teilnehmenden Beobachtungen auftauchten. 5. Basisprämissen des "guten" Stiftungsmanagements (vgl. Kap. 6.2): Die aus den Paradoxien herausgearbeiteten Basisprämissen stellen die grundsätzlichen normativen Leitplanken für die im Managementframework aufgezeigten Handlungsfelder und den dazugehörigen Aufgaben und kontingenten Handlungsoptionen dar. Management-Framework für Vergabestiftungen: Das Foundation Excellence-Cockpit (FE-C) 197 6. Prozessorientierung: Das entwickelte Managementframework orientiert sich an der generischen Ablauforganisation, wie sie für Vergabestiftungen typisch ist. Im Gegensatz zu Zuständigkeits-, Verantwortungs- und Informationsregelungen bei der Aufbauorganisation dient die Ablauforganisation einer systematischen sachlichen und zeitlichen Verknüpfung von Aufgaben.133 Bei der Prozessorientierung steht aus Sicht der Nutzniesser der Wertschöpfung die effektive und aus Sicht der Organisation die effiziente Aufgabenerfüllung im Vordergrund des Interesses: die richtigen Dinge richtig und auch zum richtigen Zeitpunkt tun.134 Prozessorientierung bedeutet also, dass alle beteiligten Akteure ein detailliertes, gemeinsames Verständnis über das Zustandekommen der Wertschöpfung bei den Anspruchsgruppen erlangen und dass für diese Akteure die Abhängigkeiten und Wirkungen ihres eigenen Handelns transparent werden (vgl. auch Organisationsverständnis, Kap. 4.4). Diese Transparenz ist unabdingbare Voraussetzung für eine zielgerichtete, zeitgerechte und koordinierte Einflussnahme aller Akteure zum Zweck der Optimierung der zu erbringenden Leistungen im Wertschöpfungsprozess (vgl. auch die genannten Basisprämissen in Kap. 6.2). Eine so verstandene Prozessorientierung bezweckt in erster Linie eine kontinuierliche Optimierung der Prozessqualität. Sie manifestiert sich vor allem in der Zuverlässigkeit, d. h. in der verbindlichen Klärung und Einlösung der Erwartungen der internen und externen Nutzniesser (Destinatäre und Gesellschaft) einer Leistung. Zuverlässigkeit schafft auf diese Weise Vertrauen. Zuverlässigkeit ermöglicht auch schnellere Abläufe (z. B. Zeit zwischen Antragseingang und Förderbescheid). Durch diesen Gewinn an Geschwindigkeit kann sich auch eine Flexibilitätssteigerung ergeben (z. B. Reaktionsfähigkeit auf veränderte gesellschaftliche Bedürfnisse). Zur Gewinnung von Transparenz über die einzelnen Wertschöpfungsaktivitäten und zur Dokumentation ihrer wechselseitigen 133 Die Bedeutung der Ablauforganisation hat seit Anfang der neunziger Jahre stark an Bedeutung gewonnen. Unternehmungen, Spitäler und öffentliche Verwaltungen werden zunehmend systematisch als prozessorientierte Organisationen gestaltet (Pettigrew/Fenton 2001). Zwei zentrale Gründe können für diesen Wandel geltend gemacht werden: Erstens haben moderne Informations- und auch Transporttechnologien zu einem veränderten Umgang mit der Zeit geführt, was Geschwindigkeit und Pünktlichkeit zu kritischen Erfolgsfaktoren im Wettbewerb macht. Zweitens wird die Arbeitsteilung immer feiner und damit verbunden entsteht immer mehr Spezialistenwissen, doch für die Erfüllung der Kundenbedürfnisse bedarf es der Ermöglichung und Förderung abteilungsübergreifender Kommunikation zur Ausschöpfung von Expertise und zur Erzielung maximaler Kundenzufriedenheit. Im Fokus der Anstrengungen steht eine konsequente Lösungs- und Wirkungsorientierung aller Aktivitäten. 134 Ein Prozess wird dabei verstanden als ein System von Aktivitäten, zwischen denen sachlogische und zeitliche Abhängigkeiten bestehen. Gewisse Dinge können dabei sequentiell, andere müssen parallel vollzogen werden. 198 Management-Framework für Vergabestiftungen: Das Foundation Excellence-Cockpit (FE-C) Abhängigkeiten können z. B. Prozessbeschreibungen, Checklisten und Aufgabendiagramme dienen (Materialisierungen der Handlungen). Die Prozessorientierung trifft damit exakt das Anliegen einer Professionalisierung der Stiftungstätigkeit: Management für mehr Wirkung. Den o. g. Grundlagen nach kann es nicht Anspruch eines Managementframeworks für Stiftungen sein, allgemeingültige Lösungen in Form von rezepthaft anzuwendenden Handlungsanweisungen anzubieten.135 Das vorliegende Framework mit seinen Ausgestaltungen beinhaltet also weder Soll-Vorschriften noch konkrete Gestaltungsregeln, die in jeder Stiftungen unmittelbar ("1:1") angewendet werden können. Die mit wissenschaftlichen Methoden analysierten Handlungsfelder und formulierten Optionen in Stiftungen müssen rekontextualisiert, d. h. in den eigenen Anwendungskontext transferiert werden: die Landkarte, also das komplexitätsreduzierende Modell der Wirklichkeit, darf nicht mit der realen "Landschaft" verwechselt werden. generisch Welches sind die Einflussfaktoren? Wie sind die Zusammenhänge? Framework Wie ist vorzugehen? Best Practices Die richtigen Dinge tun Die Dinge richtig tun Abbildung 7-1: Kontextspezifisch Stiftungsmanagement Stiftungskontext Identifikation spezifischer Elemente und Einflussfaktoren der jeweiligen Stiftung Selektion von Best Practices und deren Adaption im spezifischen Stiftungskontext Stiftungsmanagement als Rekontextualisierung eines Management-Frameworks Aufgabe des Stiftungsmanagements ist es, wie in Abbildung 7-1 dargestellt, die generischen, konzeptionellen "Antworten" zu den Fragen der Zusammenhänge und des Vorgehens so in den spezifischen Kontext zu übertragen, dass dem Postulat der "Qualifizierung einer Organisation in ihrem Milieu" entsprochen werden kann. Kenntnisse der generischen Herausforderungen, möglicher Ansätze und Instrumente, des 135 Auch wenn eine solche Erwartungshaltung in der Stiftungspraxis durchaus verbreitet ist. Management-Framework für Vergabestiftungen: Das Foundation Excellence-Cockpit (FE-C) 199 spezifischen Kontexts und entsprechender Einflussfaktoren wie auch Kenntnis über die eigenen Wahrnehmungs- und Handlungsmuster sind hierfür notwendig. Nur dann können die zu treffenden kontingenten Entscheidungen auf ein solides Fundament gestellt werden und erst dann wird das Management zu der von Ulrich geforderten "bewegenden" und "einigenden" Kraft (2001, S. 13). Dies spiegelt sich auch in den fünf Zielsetzungen des Managementframeworks wider - dem Stiftungsmanagement soll damit: 1. ein Orientierungsrahmen als "Themenübersicht" und "Leitfaden zur Reflexion" zur Verfügung gestellt werden 2. ein "Hilfsmittel" zur Verfügung gestellt werden, die eigenen Erfahrungen aus neuen Blickwinkeln interpretieren zu können 3. ermöglicht werden, die zentralen Herausforderungen im spezifischen Kontext ihrer Stiftung strukturiert durchdenken und in ihrer Gesamtheit überblicken zu können. 4. die Möglichkeit geboten werden, durch die vorgestellten Handlungsoptionen und deren Implikationen ihr bereits vorhandenes Orientierungswissen weiterzuentwickeln 5. zur Befähigung verholfen werden, bei den zu treffenden kontingenten Entscheidungen die notwendige und geforderte konzeptionelle und prozedurale Durchgängigkeit zu wahren Das FE-C dient dabei nicht nur als periodisch anzuwendendes Reflexionsinstrument, sondern analog zum Flugzeug-Cockpit der ständigen Zustandserfassung und Anleitung zur systematischen Abstimmung und Optimierung aller relevanten Einflussfaktoren. Bevor das komplette FE-C in Kap. 7.1 vorgestellt wird, erfolgt im anschliessenden Kapitel 7.1 die Vorstellung des "Gerüsts" des Cockpits: die Funktionslogik einer Vergabestiftung. Diese dem Cockpit zu Grunde liegende Funktionslogik soll das Verständnis für das FE-C erleichtern und das Bewusstsein und die Sensibilität für die Wirkungszusammenhänge der weiteren Bausteine (Grundkategorien) des Cockpits erhöhen. 200 7.1 Management-Framework für Vergabestiftungen: Das Foundation Excellence-Cockpit (FE-C) Die Funktionslogik einer Vergabestiftung als Gerüst des Foundation Excellence-Cockpits (FE-C) Die hier verwendete generische Funktionslogik einer Vergabestiftung als zulässige Vereinfachung der "Wirklichkeit" (Komplexitätsreduktion) besteht aus fünf Elementen (vgl. Abbildung 7-2): 1. Mission 2. Input 3. Projekte/Aktivitäten 4. Output 5. Impact Vergabestiftungen sind nicht blosse Finanzintermediäre, Kapitalgeber oder Umverteiler finanzieller Mittel, auch wenn der Umverteilungsgedanke durchaus seine Berechtigung hat und immer wieder zitiert wird (Prewitt 1999 und die dort angegebene Literatur). Sie haben aber auch mit dem "Handicap" des "creating value through others" (Porter/ Kramer 1999, S. 123) zu kämpfen, was es durchaus erschwert, sich mehr als Katalysator einer gesellschaftlichen Entwicklung und weniger als Finanzintermediär zu positionieren. Es gilt, "dass moderne Stiftungen keine Intermediäre zwischen den Handelnden im gemeinnützigen Sektor und ihren Förderern, sondern selbst Handelnde in der Arena [der gesellschaftlichen Weiterentwicklung] sind - oder zumindest sein sollten" (Strachwitz 1998b, S. 25; ähnlich auch Anheier 2000). Dieses Handlungsfeld wird bereits in Kapitel 2 beleuchtet - mit dem Aufzeigen der sich vergrössernden Lücke zwischen Aktivitäten privatwirtschaftlicher und staatswirtschaftlicher Organisationen und den beiden generischen Stiftungsfunktionen, Innovation und Stabilisierung. Management-Framework für Vergabestiftungen: Das Foundation Excellence-Cockpit (FE-C) 201 Mission Mission Input Input Aktivitäten Aktivitäten Projekte Projekte Stiftung Output Output Impact Impact Abbildung 7-2: Die generische Funktionslogik von Vergabestiftungen als Gerüst für das Foundation Excellence-Cockpit (FE-C) Die im Laufe der Stiftungstätigkeit von der Stiftung in Zusammenarbeit mit externen Partnern hergestellten "Produkte", wie z. B. Anwaltschaft für Themen, Dienstleistung für die Allgemeinheit und organisierte Selbsthilfe, oder allgemein: "soziales Kapital" (vgl. Strachwitz 2001a, S. 3), weisen auf das Management von Projekten und Aktivitäten als zentralen Wertschöpfungsprozess einer Stiftung hin. Ohne diesen Prozess könnte eine Vergabestiftung nicht existieren, weil sie ihren Stiftungszweck nicht erfüllen kann. Deshalb auch die sinnbildliche Darstellung dieses Elements des Cockpits als "Pfeilspitze" des Stiftungsmanagements. Durch die Besonderheit des "creating value through others" (Porter/Kramer 1999, S. 123) weist der Prozess eine hohe Komplexität mit vielen Einflussfaktoren und Unsicherheiten auf. Neben der grundsätzlichen Unsicherheit bei der Stiftungstätigkeit z. B. auf Grund des Messbarkeitsdefizits oder andauernder Umweltentwicklungen (z. B. Hundefängerstiftung136, Säkularisierung137), besteht insbesondere bei Vergabestiftungen wegen 136 Die Hundefängerstiftung im 16. Jahrhunderts in Nürnberg verfolgte den Zweck, die Anzahl streunender Hunde in der Stadt und den Kirchen einzudämmen. Aufgrund fehlender streunender Hunde (materieller Wegfall des Stiftungszwecks) wurde das Stiftungskapital zugunsten eines Spitals umgewidmet (vgl. Borgolte 2001). 137 Mit Säkularisierung wird der Übergang von Begriffen und Vorstellungen aus einem primär religiösen in einen allgemeineren Kontext von Philosophie und Zeitgeist bezeichnet. Dies bewirkt z. B. im Stiftungsbereich ein zunehmendes Transparenzund Informationsbedürfnis einer allgemeinen, zunehmend kritischen, Öffentlichkeit als "Nutzniesserin" und "Trägerin" einer Stiftung. 202 Management-Framework für Vergabestiftungen: Das Foundation Excellence-Cockpit (FE-C) der Zusammenarbeit mit externen Personen oder Institutionen eine Principal-AgentProblematik. Diese Problematik bezieht sich auf die Schwierigkeiten, die bei unvollständiger und asymmetrischer Information zwischen der Stiftung (Principal) und dem Destinatär (Agent) entstehen können. Die Stiftung braucht qualifizierte Destinatäre um den Stiftungszweck realisieren zu können. Die Schwierigkeit besteht darin, dass die Stiftung das Engagement und/oder die Qualitäten eines Destinatärs nur mit Einschränkungen erkennen kann. Gegenseitiges Vertrauen und angemessene Verfahren bei der Projektakquisition und -selektion, aber auch im weiteren Verlauf bei der Projektbegleitung und schliesslich im Rahmen der Dissemination und ggf. Replikation, sind somit unverzichtbar. Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Wertschöpfung werden jedoch in der Mission gelegt, denn Stiftungen sind "missionsgetriebene" Organisationen, in denen eine Sachzieldominanz vorherrscht (vgl. Bumbacher 2000, S. 457). Durch das Messbarkeitsdefizit (vgl. Kap. 6.1.1) wird ihnen besonders die Beurteilung ihrer Wirkung erschwert, was ein Steuerungsproblem und eine gewisse "Orientierungslosigkeit" zur Folge haben kann. Genau hier greift eine Mission, die, so Drucker, "should fit on a T-shirt, yet a mission statement is not a slogan. It is a precise statement of purpose. Words should be chosen for their meaning rather than beauty, for clarity over cleverness" (Drucker 1999, S. 39). Die Mission versucht das Steuerungsproblem durch eine eindeutig formulierte Zieldefinition zu mildern. Sie stellt so den Ausgangspunkt der Wertschöpfung und die Referenzpunkte für die Wirkungsbeurteilung der Stiftungstätigkeit dar. Obwohl klassische Stiftungen kaum finanzielle Ressourcenknappheit fürchten müssen, da sie einerseits (meist) auf einen Kapitalstock zurückgreifen können, andererseits als typische Vergabestiftungen geringe Fixkosten aufweisen, stellt der Input einen weiteren Pfeiler des Gerüsts des FE-C dar. Der Input beschränkt sich dabei nicht auf Geld, sondern umfasst auch weitere Ressourcen, z. B. Zugang zu Netzwerken, Erfahrung im spezifischen Wirkungsfeld, Ressourcen zur Projektbegleitung sowie die sorgfältige Strukturierung des Wertschöpfungsprozesses und der Supportprozesse, verstanden als Festlegung von Grunddesign und Führungskenngrössen dieser Prozesse. Der Input wird insbesondere im Zusammenhang mit dem Output als weiterer Baustein des Gerüsts von Bedeutung. Nur durch diese beiden Grössen, die jedoch operationalisiert werden müssen (vgl. Kap. 12.1.1), kann eine Effizienzbeurteilung, d. h. eine Abschät- Management-Framework für Vergabestiftungen: Das Foundation Excellence-Cockpit (FE-C) 203 zung, ob die Mittel wirtschaftlich eingesetzt wurden, erfolgen. Der Output von Projekten (und der Stiftungstätigkeit insgesamt) stellt jedoch nur einen Übergang dar in Richtung einer Wirkungsbeurteilung der einzelnen Projekte wie der gesamten Stiftungstätigkeit. Der Impact der Stiftungstätigkeit ist das letzte Element in der Funktionslogik. Der gesamte Wertschöpfungsprozess ist auf gesellschaftlichen Mehrwert ausgerichtet, der an dieser Stelle als "Summe" aller Aktivitäten und Projekte entsteht. Hier ergibt sich auch die Möglichkeit, den Grad der Erreichung des Sachziels zu bestimmen und eine Effektivitäts- oder Performancebeurteilung vorzunehmen, wobei die Performancedefinition aus bereits genannten Gründen nicht trivial ist (vgl. Messbarkeitsdefizit, Kap. 6.1.1). An dieser Stelle soll eine stark vereinfachte Performancedefinition genügen: "Foundation performance can - broadly - be defined as social benefit created in relation to resources invested and dependent on foundation objectives” (Sawhill/Williamson 2001, S. 101). Doch weist gerade diese Definition nochmals auf die typische Funktionslogik von Vergabestiftungen hin, wie sie hier als Gerüst des FE-C vorgestellt wird: Mission (Zielformulierung); Input (Ressourcenallokation); Projekte (Selektion geeigneter Partner); Output (unmittelbare Resultate); Impact (langfristige soziale Wertschöpfung und Beitrag zum sozialen Wandel). 7.2 Der Aufbau des Foundation Excellence-Cockpits (FE-C) Auf Grundlage der o. g. fünf Ziele und der Funktionslogik von Vergabestiftungen sowie unter Berücksichtigung der Gütekriterien eines Managementmodells (vgl. Kap. 3.5.1) wurde das Foundation Excellence-Cockpit (FE-C) entwickelt (vgl. Abbildung 7-3). Der Prozess bestand aus mehreren, iterativen Stufen und aus einem wiederholten "Eintauchen" in die empirischen Daten. Begleitend dazu wurden mehrere Feedbackzyklen durchgeführt - "aus der Praxis in die Praxis" (z. B. Expertenworkshop, Feedback des "fertigen" Cockpits inkl. Handlungsoptionen durch einen Geschäftsführer einer Stiftung138), um das FE-C zu optimieren. 138 Der ausgewählte Geschäftsführer weist keine "BWL-Ausbildung" auf, sondern ist Kunsthistoriker und eignete sich sein Managementwissen "learning by doing" an. Selbstverständlich soll diese Einzelmeinung zum Foundation Excellence-Cockpit nicht einer abschliessenden "Validierung" dienen, dennoch stellte sie ein äusserst wichtiges Feedback dar, um sicherzustellen, dass das Cockpit auch sprachlich "anschlussfähig" und die Aufbaulogik für Praktiker nachvollziehbar ist. Management-Framework für Vergabestiftungen: Das Foundation Excellence-Cockpit (FE-C) 204 Politische Faktoren Mission Mission Ökonomische Faktoren Acco untab ility Evalu ation Stift ungs Stift poli ung sstr tik ateg ie Input Input Finanzmanagement Kommunikationsmanagement Kooperationsmanagement HRManagement Impact Impact Akq uis Sele ition ktion Effizienz Stifter Effektivität ITManagement Projektmanagement g chin Coa ng itori Mon Output Output on inati m e s Dis ion likat p e R ation Evalu itty ntabil i u o c c A Technologische Faktoren SozioSozio-Kulturelle Faktoren Abbildung 7-3: Aktivitäten Aktivitäten Projekte Projekte Das Foundation Excellence-Cockpit (FE-C) Mission Mission Das Gerüst: Grundkategorie 3: Funktionslogik Wertschöpfungsprozess Grundkategorie 1: Grundkategorie 4: Umweltsphären Supportprozesse Grundkategorie 2: Grundkategorie 5: Gestaltungsprozess Legitimierungsprozess Input Input Aktivitäten Aktivitäten Projekte Projekte Output Output Abbildung 7-4: Stifter Impact Impact Gerüst und Grundkategorien des Foundation Excellence-Cockpits (FE-C)139 Das Gerüst des FE-C richtet sich nach der im vorangegangenen Kapitel 7.1 (S. 200) beschriebene Funktionslogik von Vergabestiftungen. Neben dem Charakteristikum der 139 Die schwarz unterlegten Elemente signalisieren den jeweiligen Baustein. Management-Framework für Vergabestiftungen: Das Foundation Excellence-Cockpit (FE-C) 205 Mission (missionsgetriebene Organisation) stellen durch Dritte (Destinatäre) umgesetzte Projekte das zentrale Element dar, denn Vergabestiftungen arbeiten typischerweise "hands-off". Das "Produkt" der Stiftungsarbeit ist der Impact, der sich an den Zielsetzungen aus der Mission messen lassen muss. Die weiteren Bausteine des FE-C lassen sich in die folgenden fünf, modulartigen Grundkategorien unterteilen (vgl. Abbildung 7-4): 1. Umweltsphären (Kapitel 8, S. 209): Die Umweltsphären, im Einzelnen die Politik, die Ökonomie, sozio-kulturelle Faktoren und Technologie sowie der Stifter, beschreiben die Stiftungsumwelt im Sinne des relevanten Managementkontexts. Eine Stiftung muss sich stets mit den verändernden Umweltbedingungen und Trends befassen und die möglicherweise sich daraus ergebenden gesellschaftlichen Knappheiten identifizieren. Auf der anderen Seite entstehen im Bereich der Umweltsphären auch beschränkende oder unterstützende Faktoren des Managements von Stiftungen (z. B. Transparenzvorschriften; "Stiftungskultur"). 2. Gestaltungsprozess (Kapitel 9, S. 226): Der Gestaltungsprozess, mit den Teilprozessen "Stiftungspolitik" und "Stiftungsstrategie", ist das Scharnier zwischen der Mission und dem Input in den Wertschöpfungsprozess. Für eine professionelle, d. h. zielführende und wirkungsvolle, Vorgehensweise ist es unerlässlich, die gestalterischen Optionen gemäss den Zielen der Stiftung zu entwickeln. Diese Festlegungen prägen die Stiftungsarbeit insbesondere im Bereich der vollziehenden Tätigkeiten des Wertschöpfungsprozesses und der Supportprozesse. 3. Wertschöpfungsprozess (Kapitel 10, S. 326): Der Wertschöpfungsprozess einer Stiftung, aufgeteilt in die Prozesse (Projekt-) Akquisition, Selektion, (Projekt-) Coachings, Monitorings, Ergebnissicherung/Dissemination (von Projektergebnissen) sowie Weiterführung/Replikation (von Projekten), ist unmittelbar auf die Realisation der Stiftungsziele (abgeleitet aus dem Stiftungszweck und der Stiftungsmission) gerichtet. Er umfasst diejenigen Aktivitäten, die für die eigentliche Wertschöpfung, also die Entstehung einer gesellschaftlichen Wirkung ("making a difference") verantwortlich sind. 4. Supportprozesse (Kapitel 11, S. 382): Supportprozesse, im Einzelnen das Finanz, IT-, Kooperations-, Kommunikations- und HR-Management, dienen der Bereit- 206 Management-Framework für Vergabestiftungen: Das Foundation Excellence-Cockpit (FE-C) stellung der Infrastruktur und Erbringung interner Dienstleistungen. Sie umfassen alle Aktivitäten, die der Schaffung geeigneter Voraussetzungen für den Vollzug eines effektiven und effizienten Wertschöpfungsprozesses gewidmet sind. 5. Legitimierungsprozess (Kapitel 12, S. 452): Der Legitimierungsprozess, bestehend aus den Teilprozessen der Evaluation und der Legitimierung, fasst diejenigen Aktivitäten zusammen, die auf die gesellschaftliche Anerkennung der Tätigkeiten einer Stiftung gerichtet sind. Beginnend mit der umfassenden nach innen und aussen gerichteten Evaluation der Stiftungstätigkeit und der Bereitschaft, sich verbessern zu wollen, geht es schliesslich um die Frage der Zurechenbarkeit von Wirkungen und um den Aufbau von Vertrauen in die Stiftungsaktivitäten. In den folgenden Kapiteln werden diese fünf Grundkategorien des FE-C im Einzelnen vorgestellt. Dabei sind die Grundkategorien 2 bis 5 als "ein System von Aktivitäten" aufgebaut, d. h. die Ausgestaltung der einzelnen Prozesse erfolgt als Bündel von Aufgaben, zu denen jeweils Festlegungen zu treffen sind. Eine Ausnahme stellt die erste Grundkategorie dar, die Umweltsphären. Sie sind als "unmittelbarer" Kontext in Form von Beschreibungen verfasst, in denen jeweils wichtige Aspekte und Reflexionsanstösse formuliert sind. Die Umweltsphäre "Stifter" umfasst darüber hinaus einen skizzenhaften Gründungsleitfaden für Stiftungen, um potentiellen Gründern eine Hilfestellung zu leisten und eine Übersicht zu bieten über die ersten Managemententscheidungen im Lebenszyklus einer Stiftung. Die Kapitel sind nach einem einheitlichen Schema aufgebaut. Die einzelnen Kategorien werden kurz eingeführt und ihre wichtigsten Aspekte skizziert. Anschliessend werden die zentralen Aufgaben der Grundkategorien vorgestellt. Innerhalb der Aufgabenbeschreibungen werden einzelne Teilaufgaben thematisiert, diskutiert und mögliche Handlungsoptionen aufgezeigt. Diese werden aus den Experteninterviews herausgearbeitet und meist mit entsprechenden Zitaten hinterlegt. Dadurch werden Ausschnitte desjenigen Kontexts sichtbar, in dem sich diese Handlungsoptionen als zielführend und sinnvoll erwiesen haben, also sog. "best practices" darstellen. Bei Bedarf werden zur Unterstützung einer umfassenderen Beschreibung Mini-Fallstudien eingearbeitet (blaue Textboxen), die eine etwas weitere Kontextperspektive eröffnen als die Expertenzitate. Zur besseren Übersicht werden die einzelnen Teilaufgaben bzw. deren zentrale in- Management-Framework für Vergabestiftungen: Das Foundation Excellence-Cockpit (FE-C) 207 haltliche Aspekte mit Schlagwörtern versehen ("Marginalien" in blauer Schrift gesetzt), die am rechten Seitenrand eine schnelle Orientierung ermöglichen. Zum Abschluss jeder Aufgabe wird ein Fragekatalog zusammengestellt (grüne Textboxen), der im Sinne eines Self-Assessments zur Selbstreflexion anregen und zur Selbsteinschätzung des jeweiligen Stiftungsmanagements befähigen soll: "Selfassessment is the first action requirement of leadership: the constant resharpening, constant refocusing, never being really satisfied (vgl. Zitat Senna, Kap. 1, S. 3). And the time to do this is when you are successful. If you wait until things start to go down, then it's very difficult. […] Self-assessment can and should convert good intentions and knowledge into effective action” (Drucker 1999, S. 125). Die Zuordnung der Aufgaben zu den generischen Handlungsfeldern soll dem Stiftungsmanagement und den darin Handelnden helfen, die vorhandene knappe "Management Attention" richtig zu priorisieren und die sachlogischen und zeitlichen Wirkungszusammenhänge beim Management einer Stiftung besser berücksichtigen zu können. So sind z. B. die Festlegungen der Stiftungspolitik sachlich und zeitlich den strategischen Festlegungen vorgelagert, und genauso strategische Festlegungen den operativen. Diese Hierarchisierung ist jedoch keine "Einbahnstrasse", sondern ein durchgängiges, aufeinander aufbauendes, iterativ zu handhabendes Geflecht an Entscheidungen, Eingrenzungen und Ermöglichungen. Dazu sind eine Vielzahl von Querverweisen im Text eingearbeitet (Vernetztheit), die dem Stiftungsmanagement aufzeigen, welche Auswirkungen die einzelnen Festlegungen aufweisen bzw. wo Folgefestlegungen notwendig sind, die sich notwendigerweise auf die vorangegangene Festlegung beziehen und die konzeptionelle und prozedurale Durchgängigkeit gewährleisten. Denn: Nicht alle Entscheidungen einer Stiftung haben einen sachlich und zeitlich identischen Wirkungshorizont. Es gibt Entscheidungen wie die Festlegung des Stiftungszwecks, die eine Stiftung trotz allfälligem Zweckänderungsvorbehalt sehr lange binden. Andere Entscheidungen, wie die Annahme oder Ablehnung eines kleineren Förderungsgesuchs, haben ungleich weniger Einfluss auf die zukünftigen Wirkungsmöglichkeiten einer Stiftung. Ebenso unterschiedlich kann die Begründungsbasis von Entscheidungen sein. So ist es sinnvoll, dass ein Stifter bei der Festlegung und Begründung des Stiftungszwecks - gerade im Kontext eines liberalen Stiftungsumfelds - sorgfältig Bezug auf unbefriedigte, gesellschaftlich relevante Anliegen, Bedürfnisse und attraktive Entwicklungsoptionen 208 Management-Framework für Vergabestiftungen: Das Foundation Excellence-Cockpit (FE-C) nimmt, die weder politisch mehrheitsfähig noch ökonomisch lukrativ sind und die einem bestimmten gesellschaftlichen Fortschrittsethos entsprechen (gesellschaftliche Knappheiten). "Wenn wir diesen Stiftungszweck realisieren können, dann verbessert sich … bzw. dann wird es möglich, dass …" Bei der Begründung der Annahme oder Ablehnung eines kleineren Förderungsgesuchs dagegen kann auf bestimmte, zeitlich begrenzte Förderschwerpunkte im Rahmen eines Förderungsprogramms oder sogar auf die aktuellen finanziellen Möglichkeiten der Stiftung Bezug genommen werden. Die an Beispielen skizzierten allgemeinen Kriterien "Wirkungshorizont von Entscheidungen" und "Begründungsbasis von Entscheidungen" dienen einer möglichst klaren Zuordnung von Aufgaben der Stiftungstätigkeit zu den einzelnen prozessualen Grundkategorien, dem Gestaltungsprozess (normative und strategische Aufgaben), dem Wertschöpfungsprozess, den Unterstützungsprozessen (operative und vollziehende Aufgaben) und dem Legitimierungsprozess (prüfende und entwicklungsbezogene Aufgaben). FE-C Grundkategorie 1: Die Umweltsphären 209 "Der Mensch hat dreierlei Wege, klug zu handeln: erstens durch Nachdenken, das ist der edelste, zweitens durch Nachahmen, das ist der leichteste und drittens durch Erfahrung, das ist der bitterste. Konfuzius, chin. Philosoph (551-479 v. Chr.) 8 FE-C Grundkategorie 1: Die Umweltsphären Die Umweltsphären und die dort entstehenden Einflüsse auf Organisationen bilden einen komplexen Kontext für das Stiftungsmanagement. Die Einflussfaktoren der organisationalen Umwelt sind jedoch nicht einfach gegeben. Vielmehr hängt es "von den laufenden gesellschaftlichen Diskursen ab" (Rüegg-Stürm 2002, S. 25), wie diese Faktoren wahrgenommen werden und welchen Einfluss sie auf die jeweilige Stiftung ausüben. Die Einflüsse sind stark länder- und kulturspezifisch geprägt. Für jede Stiftung gilt es daher, die für sie relevanten Faktoren, Situationen und Entwicklungschancen frühzeitig zu identifizieren, zu analysieren und zu interpretieren. Es ist jedoch nicht möglich, die Einflussgrössen und die von ihnen möglicherweise bewirkten Entwicklungstendenzen sicher vorhersagen zu können. Das Stiftungsmanagement muss also in der Lage sein, trotz eines gewissen Masses an Unsicherheit handlungsfähig zu bleiben. Die Umweltsphäre von Stiftungen wird von fünf Faktorengruppen gebildet (vgl. Abbildung 8-1): 1. Politische Faktoren 2. Ökonomische Faktoren FE-C Grundkategorie 1: Die Umweltsphären 210 3. Sozio-kulturelle Faktoren 4. Technologische Faktoren 5. Stifter Stifter Politische Faktoren Ökonomische Faktoren Stiftung SozioSozio-Kulturelle Faktoren Abbildung 8-1: Technologische Faktoren Die Umweltsphären einer Stiftung Die Analyse dieser fünf Faktorengruppen dient als Zugang zum Verständnis für die jeweils spezifische Umwelt einer Stiftung, die das Management systematisch analysieren muss, um davon ausgehende mögliche gesellschaftliche Trends besser verstehen zu können. Generell gilt, dass Veränderungen im gesellschaftlichen Umfeld den Stiftungen immer wieder neue Chancen eröffnen, ihre Tätigkeiten nachjustieren und dadurch für die Weiterentwicklung der Gesellschaft optimieren zu können. (vgl. Kap. 2.3). 8.1 Politische Faktoren Stiftungsmanagement wird durch politische Entwicklungen z. T. entscheidend beeinflusst. Es gilt deshalb, Trends in und Entscheidungen aus diesem Bereich sorgfältig zu beobachten und die daraus notwendigen Schlüsse für das Stiftungsmanagement zu ziehen. Politische Entwicklungen und Einflussfaktoren beinhalten Aspekte des Herrschaftsund regulatorischen Umfeldes, in dem eine Stiftung agiert. FE-C Grundkategorie 1: Die Umweltsphären 211 Die folgenden zentralen Aspekte bieten Einblicke in diesen Bereich und sensibilisieren für Trends, die eine gestalterische Stiftungstätigkeit ermöglichen (in Anlehnung an Anheier (2005b): politische Stabilität, staatliche Normen und Rahmenbedingungen gesetzliches Umfeld, neue Gesetze, die die Stiftungsarbeit beeinflussen könnten, wie z. B. steuerliche Rahmenbedingungen oder Änderungen im Gemeinnützigkeitsrecht Veränderungen in den öffentlichen Haushalten, v. a. in sozialen Bereichen politische Einflussnahme und Programme von Interessenvereinigungen wie Wirtschaftsverbänden, Umweltverbänden, Stiftungsinteressengruppen Rolle des Staates, Staatsverständnis, Formen der politischen Meinungsbildung Diese Einflussgrössen und die von ihnen ausgelösten Entwicklungen können sich sowohl auf die Tätigkeitsschwerpunkte von Stiftungen auswirken, z. B. durch ein auch in Kap. 2.1.6 beschriebenes verändertes Staatsverständnis mit der Beschränkung auf die Erfüllung der Grundbedürfnisse oder eine Mittelverknappung in gewissen öffentlichen Bereichen. Sie können aber auch die internen Abläufe von Stiftungen beeinflussen und tief greifende Änderungen der traditionellen Stiftungsarbeit nach sich ziehen, z. B. durch Publizitätsvorschriften oder Steuerabzugsmöglichkeiten. Diese Neuerungen haben dann sowohl Einfluss auf die Gestaltungsprozesse einer Stiftung, z. B. Wandlung von einer Stiftungskultur der Verschwiegenheit hin zu einer offenen, proaktiven Kommunikationskultur (Æ Kap. 9.1 Stiftungspolitik, S. 228). Andererseits bedingen solche Veränderungen auch operative Umstellungen, wie etwa Adaption der Abzugssätze bei den Steuern. Im Bereich der internationalen Philanthropie gilt es zudem, bestehende, sich verändernde Marktzutrittsschranken und weitere Restriktionen zu berücksichtigen, und zwar zusätzlich zu den jeweiligen länderspezifischen kulturellen Ausprägungen und Gegebenheiten. Ein Beispiel für die Wirkung der Veränderung der regulatorischen Bedingungen beschreibt Hansmann (1990) für die USA. Dort führten die (selbst-) regulatorischen Vorkehrungen der US-Bankenindustrie im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert zu einer Abnahme der Kreditausfälle ("default rate") der Profit-Banken, wodurch sich das Vertrauen in diesen Bankensektor erhöhte. Das Resultat war ein sog. "crowding-out"-Effekt FE-C Grundkategorie 1: Die Umweltsphären 212 zulasten der Non-Profit-Anbieter - deshalb wohl spielen heute Non-Profit-Banken nur noch eine marginale Rolle in der US-Bankindustrie. Regulatorische Vorgaben können sowohl zu erwünschten wie unerwünschten Auswirkungen führen. Im Zusammenhang mit dem stark regulatorischen Tax Reform Act von 1969 in den USA weist z. B. Frumkin (1997, 1998) auf eine dadurch entstandene Risikoaversion der Stiftungen hin. Stiftungen fördern seither überwiegend "sichere" Projekte, damit sie überhaupt nicht Gefahr laufen, sich rechtfertigen zu müssen. Auch in der Schweiz wurde im Verlauf der vergangenen fünf Jahren eine Revision des Stiftungsrechts durchgeführt (parlamentarische Verabschiedung zum 08.10.2005). Die Initiative hatte zum Ziel, das schweizerische Stiftungsrecht so abzuändern, dass die Rechtsgrundlagen für gemeinnützige Stiftungen attraktiver werden, bei gleichzeitiger Förderung des Vertrauens in Stiftungen. Die wichtigsten Änderungen in diesem Zusammenhang sind: Änderungsmöglichkeit des Stiftungszwecks Erhöhung des steuerlich abzugsfähigen Höchstbetrags auf 20% Einführung einer obligatorischen Revisionsstelle Buchführungspflicht für Stiftungen Wegfall der Mehrwertsteuer bei Leistungen ohne überwiegende Werbewirkung Inwieweit diese Revision des Stiftungsrechts Veränderungen sowohl auf den Stiftungssektor als auch auf das Management einer Stiftung hervorrufen wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt schwer abzuschätzen. Auf jeden Fall aber sollte das Stiftungsmanagement mögliche Auswirkungen und Trends aufmerksam registrieren. 8.2 Ökonomische Faktoren Das Management von Stiftungen darf nicht losgelöst von Veränderungen in der Wirtschaft betrachtet werden. Die fortschreitende Globalisierung der Märkte führt zu einer stärkeren Vernetzung der einzelnen Staaten. Auftretende wirtschaftliche oder auch soziale Probleme verlangen somit auch zunehmend nach globalen Problemlösungen, und zwar nicht bloss als Symptombekämpfung, sondern durch Identifikation der Ursachen FE-C Grundkategorie 1: Die Umweltsphären 213 ("root causes"). Für Stiftungen kann dies z. B. heissen, dass das Waldsterben nicht lokal, sondern im globalen Kontext betrachtet werden müsste. Auch die Konzentration der Unternehmen auf ihre Kernkompetenzen oder die Konzentration auf eine kurzfristige und finanzmarktorientierte Führung und die daraus resultierende wachsende Lücke zwischen dem privat- und staatswirtschaftlichen Sektor (vgl. Kap. 2.1.6) können Auswirkungen auf das Management von Stiftungen haben. Weiter gilt es zu überlegen, welche Chancen und Herausforderungen sich für Stiftungen aufgrund der Schlüsselressource "Wissen" und dem Trend zur lebenslangen Weiterbildung ergeben. Veränderungen der ökonomischen Faktoren beziehen sich auf langfristige Entwicklungen im Aktivitätsfeld der Stiftung. Zentrale Aspekte sind: Volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen, z. B. Zinsniveau, Einkommenshöhe, Preisniveau, Arbeitslosenrate Nachfrage- und Angebotsseite nach Produkten und Dienstleistungen Qualität der Infrastruktur, Sozial- und Bildungssysteme und deren Angebote 8.3 Sozio-kulturelle Faktoren Sozio-kulturelle Veränderungen können durch verschiedene Einflussfaktoren auftreten. Es gilt dabei abzuschätzen, welche gesellschaftlichen Gegebenheiten Auswirkungen auf das Stiftungswesen haben. Folgende Fragen sollen dem Stiftungsmanagement als Orientierung dienen, die sozio-kulturellen Veränderungen und die damit verbundenen Implikationen für die Stiftungsarbeit abschätzen zu können: Besteht die Gefahr, dass es zu einer breiten Ablehnung gegenüber Stiftungen kommt? Werden sich Stiftungen mit ausweitenden Aktivitätsfeldern und einem Anwachsen der Projektanträge konfrontiert sehen? Nimmt die Bereitschaft zur Freiwilligenarbeit zu oder entwickelt sich eine IchGesellschaft mit dem Drang von immer mehr Menschen zur Selbstverwirklichung (vgl. hierzu Gross 1994, 1999)? Wie können sich soziale Krisen, Katastrophen oder politische Instabilitäten auf das Stiftungsumfeld und die Stiftungsarbeit auswirken? FE-C Grundkategorie 1: Die Umweltsphären 214 Wird die gesellschaftliche Entwicklung in Richtung ökonomisch prosperierende Gesellschaft tendieren, mit z. B. einem erhöhten Bedürfnis nach Kunst und Kultur, nach Erholung, guter Ausbildung und hohem sozialem Wohlstand oder zu einer ökonomisch stagnierenden, möglicherweise rückläufigen Gesellschaft, bei der die Sicherung der Existenzbedürfnisse im Vordergrund steht? Neben diesen generellen Fragen zum sozio-kulturellen Stiftungsumfeld gilt es, weitere Entwicklungsströmungen zu beachten. Säkularisierungstendenzen in Form von steigendem Informationsbedürfnis sind bei der Entwicklung der Jahresberichte von Unternehmen, bei der Bekanntgabe der Spitzensaläre als auch bei Unternehmensaktivitäten erkennbar (z. B. Shell/Brent-Spar). So wurde vor kurzem im schweizerischen Parlament beschlossen, die Saläre der Führungsgremien von Unternehmen einer Publikationspflicht zu unterwerfen. Könnte diese Forderung auch im Stiftungssektor Einzug halten? Wenn ja, was wären die Folgen? Mit welchen neuen Anforderungen sähe sich das Stiftungsmanagement konfrontiert? Implikationen für das Stiftungsmanagement ergeben sich auch aus dem ständigen Einstellungs- und Wertewandel der Menschen und in der Gesellschaft. In jüngerer Zeit wurden z. B. Tendenzen identifiziert, etwa zur Erlebnisgesellschaft (Schulze 1992), flexiblen Gesellschaft (Rimscha 2000), beschleunigten Gesellschaft (Glotz 1999), Risikogesellschaft (Beck 1986) oder zur Multioptionsgesellschaft (Gross 1994). Nach Drucker (2001) wird im Jahr 2030 beinahe die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung Deutschlands über 65 Jahre als sein - ein ähnliches Bild bietet sich auch in meisten anderen entwickelten Ländern, so auch in der Schweiz. Heute macht dieser Bevölkerungsanteil nur ein Fünftel aus. Die Zahl der Bürger im arbeitsfähigen Alter wird um ein Viertel sinken. Diese demographischen Veränderungen haben Einflüsse sowohl auf die Entwicklung von Stiftungen auf Sektorebene, z. B. sich verändernde Einkommens- und Vermögensverteilung mit zunehmender Erbmasse als potentieller Geldquelle für Stiftungen, als auch auf Organisationsebene, z. B. Senioren als Arbeits- und Wirtschaftskraft, verstärkte Zuwanderung und dadurch entstehende Probleme der gesellschaftlichen Integration140 oder ähnliche soziale Probleme und Konfliktpotentiale. 140 Drucker (2001) geht davon aus, dass ab dem Jahr 2020 jährlich eine Million Zuwanderer in Deutschland gebraucht werden, um den Bestand an Arbeitskräften zu erhalten. FE-C Grundkategorie 1: Die Umweltsphären 215 Bei der Reflexion über die sozio-kulturellen Faktoren gilt es, die Entwicklungen insbesondere in folgenden Bereichen zu beobachten: demographische Entwicklungen der Gesellschaft mit Bevölkerungsentwicklung strukturelle Veränderungen in der Gesellschaft (Bildung, Einkommen, Alter etc.) Migrationsmuster Werthaltungen und Wertewandel in der Gesellschaft soziale Problemfelder und Konfliktpotentiale 8.4 Technologische Faktoren Schliesslich bedingen auch Fortschritte im technologischen Bereich Veränderungen der Stiftungsarbeit. Auf der Makro-Ebene können neue Technologien gesamtgesellschaftliche Strukturen verändern. So haben z. B. die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien gesellschaftliche Abläufe beschleunigt und globalisiert, was wiederum neue Rahmenbedingungen des Stiftungssektors nach sich zieht, z. B. schneller "Themenwechsel" ("agenda setting"), neu auftauchende Bedürfnisse und gesellschaftliche Knappheiten. Technologische Innovationen führen auf inhaltlicher Ebene von Stiftungen zu neuen Themenfeldern wie z. B. "IT in Entwicklungsländern" oder "Älterwerden in einer hoch technologisierten Welt". Auf prozessualer Ebene können das Projektmanagement oder auch das Finanzmanagement dank des technologischen Fortschritts Ressourcen schonender gestaltet werden. FE-C Grundkategorie 1: Die Umweltsphären 216 Im Rahmen der Analyse der technologischen Trends und deren Auswirkungen auf die Stiftungsarbeit sind folgende Aspekte zu beachten: Kenntnis über technologische Entwicklungen, wie Bio- und Gentechnologie, alternative Energien (neue Themenfelder) Analyse der Auswirkungen der IKT auf operative Abläufe der Stiftungsarbeit Beachtung von Veränderungen bei den Finanzanlagen (Aufwände und Erträge) und den Projekten Beachtung von Veränderungen im Kommunikationsverhalten sowohl innerhalb der Stiftung als auch mit den Stakeholdern 8.5 Stifter Der Stifter nimmt im System "Stiftung" eine besondere Rolle ein. Aus juristischer Perspektive ist er als Stakeholder der Stiftung den übrigen Anspruchsgruppen, wie z. B. Destinatären oder der allgemeinen Öffentlichkeit gleichzusetzen. Der Stifter befindet sich somit in seiner Funktion als Stifter ausserhalb der Stiftung und kann als ein weiterer Bestandteil der Umweltsphären bezeichnet werden. Auf der anderen Seite hat der Stifter eine gesellschaftliche Knappheit identifiziert, formuliert und die Stiftung zur Beseitigung dieser Knappheit errichtet. Der Stifter ist somit zumindest in der Gründungs- und Konstitutionsphase einer Stiftung das Verbindungsglied zwischen den Umweltsphären und der Stiftung, indem er das von ihm identifizierte gesellschaftliche Bedürfnis in die Stiftung einbringt. Um geeignete Festlegungen in den weiteren Grundkategorien zu treffen (Kap. 9 ff.), muss er als Orientierungs- und Referenzpunkt miteinbezogen werden - unabhängig davon, ob er in der Stiftung aktiv ist. Die Reflexion über das System "Stifter" beinhaltet Kenntnis z. B. über die Historie des Stifters, dessen familiäre und berufliche Gegebenheiten, dessen bisherige Erfolge, vorherrschende Wertesysteme sowie dessen Motive zur Gründung einer Stiftung. Die Bereitschaft zur Philanthropie in einer Gesellschaft ist grundsätzlich als anerkennenswert zu bezeichnen. Die Leistung eines Stifters resultiert dabei aber nicht nur aus dem Akt der Vermögensübertragung, sondern liegt auch in der Wahrnehmung einer gesellschaftlichen Knappheit, eines sozialen Bedürfnisses. Ein Stifter unterstützt mit dem FE-C Grundkategorie 1: Die Umweltsphären 217 Aufgreifen einer gesellschaftlichen Knappheit und der Gründung einer Stiftung die gesellschaftliche Pluralität. Hinter seiner Identifikation der Knappheit steckt die persönliche Wahrnehmung und Priorisierung von gesellschaftlichen Problemen. Für das wirkungsvolle Fortbestehen der Stiftung gilt es in diesem Zusammenhang, die Vorstellungen des Stifters über "gute" Stiftungsarbeit lebendig zu erhalten. Ein Stifter muss versuchen, seine Ideen und Vorstellungen in der Organisation zu verankern. Er muss sich dabei vergegenwärtigen, dass er nach seinem Ausscheiden aus der Stiftung keinen Einfluss mehr geltend machen kann. Das Mitgestalten der Stiftung durch den Stifter in der Konstitutionsphase ermöglicht ein Vorleben der Ideen, Werte und Normen und deren Implementierung in die Organisation. Zudem bringt ein Stifter oftmals detailliertes Wissen über die aufgegriffene Knappheit oder ein für die Bewältigung dieser Knappheit hilfreiches Netzwerk persönlicher Kontakte in die Stiftung ein (Ressourcen). Beim Verfassen der Stiftungsstatuten, bestehend aus Stiftungsurkunde und Stiftungsreglementen (vgl. Exkurs: Gründungsleitfaden), sollten durch den Stifter einerseits genaue Vorgaben zur Erfüllung des Stiftungszwecks, zur Arbeitsweise sowie zur Organisation gemacht werden, um die Stiftung entsprechend seinem Willen dauerhaft zu prägen und vor Willkür zu schützen. Andererseits kann der Stifter durch Freiräume ein flexibles Agieren der Stiftungsorgane bei sich ändernden Umweltbedingungen schaffen, ohne dass gleich die Stiftungsurkunde einer Änderung bedarf. Die Motive zur Gründung einer Stiftung verdienen eine vertiefte Betrachtung, um den Stifter "besser verstehen" zu können.141 Die Beweggründe dafür, dass Stiftungen überhaupt gegründet werden, sind hinsichtlich des Rollenverständnisses einer Stiftung i. S. von "they provide a vehicle for philanthropic values and needs that is a circuit for longterm and large-scale donations" (Anheier 2001, S. 68) von hoher Relevanz. Die Errichtung einer Stiftung basiert auf verschiedenen Motiven, wobei i. d. R. Kombinationen mehrerer Motive wirksam sind. Interessanterweise gibt es nicht den "typischen" Stifter. "Dies ist das zentrale Ergebnis der StifterStudie. Reiche und weniger Vermögende, Prominente und Unbekannte, Junge und Alte, Frauen und Männer, Ost- und West, Nord- und Süddeutsche - sie alle gründen Stiftungen", so Timmer in der neuesten Studie der Bertelsmann Stiftung (Timmer 2005, S. 11). 141 Dies vor dem Hintergrund, dass in Deutschland umgerechnet CHF 4 Billionen privates Geldvermögen existieren und jedes Jahr CHF 200 Milliarden vererbt werden (vgl. Bertelsmann Stiftung 2001). FE-C Grundkategorie 1: Die Umweltsphären 218 Empirische Untersuchungen im amerikanischen Kontext identifizieren vier spezifische Kategorien, mit denen sich die Vielfalt der Gründungsmotive zusammenfassen lässt (Anheier/Appel 2004, ähnlich auch Ostrander/Schervish 1990, Ostrower 1995): Wertorientierung i. S. der sozialen Verantwortung, der Überzeugung und Verbundenheit mit etwas und der Wunsch, der Gesellschaft etwas zurückzugeben Nützlichkeit in spezifischen Situationen als präferierte Organisationsform, als Steuervergünstigungsmechanismus sowie als Instrument zur systematischen Mittelvergabe gesellschaftlicher Druck aus dem sozialen Umfeld Egoismus zur Aufrechterhaltung der "Kontrolle" über das Vermögen, der Denkmalsetzung und der persönlichen Befriedigung Die neueste empirische Studie - und gleichzeitig die erste über "Stiften in Deutschland"142,143 (Timmer 2005) - geht differenziertere Wege in der Kategorisierung von Faktoren bei der Gründung von Stiftungen. Hier wird unterschieden zwischen "Motive(n) für die Stiftungsgründung" (S. 28 ff.), "Erwartungen bei der Stiftungsgründung" (vgl. S. 31 ff.) und "Gründe(n) für die Errichtung einer Stiftung" (S. 63 ff.). Letzteres bezieht sich auf die Besonderheiten der Organisationsform "Stiftung", während die ersten beiden Kategorien auf die individuellen Beweggründe der Stifter hinweisen. Bei den Motiven stehen wenig überraschend die allgemein formulierten Motive "Wunsch, etwas zu bewegen" (68%) und das "Verantwortungsbewusstsein gegenüber Mitmenschen" (66%) an der Spitze der Nennungen, während z. B. das "Andenken an nahe stehende Personen wahren" und "Mitleid mit Notleidenden" mit je rund 35% der Nennungen im Mittelfeld liegen. Interessanterweise spielt ein Motiv wie "Im Interesse der Familientradition handeln" (16%) eine eher untergeordnete Rolle. 142 "Die mit Methoden der quantitativen und qualitativen Sozialforschung durchgeführte Studie verfolgt mehrere Ziele: Einmal soll die Studie der Öffentlichkeit ein besseres Bild über die Motive und Ziele von Stiftern vermitteln. Zum anderen möchten wir mit diesen Informationen potenzielle Stifter ansprechen und für den Stiftungsgedanken gewinnen." (Timmer 2005, S. 8 f.) Im Rahmen der StifterStudie wurden zu Beginn 22 Interviews mit Stiftern geführt, die die Grundlage bildeten für die Erarbeitung eines quantitativen Fragebogens, der an 1360 Stifter geschickt wurde (Grundgesamtheit: lebende Stifter, die seit 1990 eine Stiftung errichtet haben). Die Rücklaufquote betrug 46% (629 zurückgesendete Fragebögen). Vgl. zu den Ergebnissen, Schlussfolgerungen und Erhebungsmethoden die StifterStudie der Bertelsmann Stiftung (Timmer 2005). 143 Für die Schweiz gibt es bis anhin keine empirische Erhebung zu den Gründen für die Errichtung einer Stiftung. Es wird in dieser Arbeit aber davon ausgegangen, dass sich die Gründe nicht wesentlich von jenen in der StifterStudie für Deutschland genannten abweichen. Diese Annahme wird auch durch die vielen informellen Gespräche mit Stiftungsexperten in der Schweiz vorläufig bestätigt. FE-C Grundkategorie 1: Die Umweltsphären 219 Frühere Untersuchungen, z. B. die Studie des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft, auf die sich Petry (1999) bezieht, weisen auf ähnliche Motive der Stiftungsgründung hin wie die StifterStudie von Bertelsmann, allerdings ohne eine Rangfolge. Zusammenfassend lassen sich folgende Motive identifizieren (Timmer 2005, S. 28 ff.): Wunsch, etwas zu bewegen (68%)144 Verantwortungsbewusstsein gegenüber Menschen (66%) konkrete Probleme bekämpfen (49%)145 bestimmte Einrichtungen langfristig unterstützen (49%) der Gesellschaft etwas zurückgeben (41%)146 Mitleid mit Notleidenden (37%) Andenken an nahe stehende Person wahren (33%)147 religiöse Überzeugung verwirklichen (27%) Aktivitäten des Berufslebens durch Stiftung fortführen (26%)148 im Sinne der Familientradition handeln (16%) Rolle der Frau in der Gesellschaft stärken (8%) Imagegewinn für das Unternehmen erzielen (4%)149 Bei den Erwartungen, die mit einem gemeinnützigen Engagement und der Gründung einer Stiftung verbunden werden, stehen "Schaffung einer erfüllenden Aufgabe" (75%) und Steigerung der persönlichen Zufriedenheit" (55%) an oberster Stelle (Timmer 2005, S. 31 f.). Beides sind eher selbstbezogene Erwartungen, die jedoch mit selbstlosen Er144 ähnlich auch Petry (1999, S. 43): "persönliche Neigungen und Interessen (z. B. die Nannen Stiftung als Trägerin eines Museums in Emden)" und Toepler (1996, S. 25): "persönliche Neigungen". 145 ähnlich auch Petry (1999, S. 43): "persönliche Betroffenheit (Bekämpfung der Krankheit, an der ein Familienmitglied gestorben ist)" und Toepler (1996, S. 25): "persönliche Betroffenheit". 146 ähnlich auch Petry (1999, S. 43): "Dankbarkeit (z. B. Carl-Zeiss-Stiftung)", und Toepler (1996, S. 25): "Rückzahlung an die Gesellschaft". 147 ähnlich auch Petry (1999, S. 43): "Gedenken (z. B. Fritz Thyssen-Stiftung)", "Jubiläen (RWE-Stiftung)" und Toepler (1996, S. 25): "Wahrung des Andenkens an den Stifter" 148 ähnlich auch Petry (1999, S. 43): "Lebenswerk erhalten (Robert Bosch Stiftung)" und Toepler (1996, S. 25): "Erhaltung des eigenen Lebenswerkes". 149 Bei Stiftungsgründungen durch Unternehmen können die positiven Imagewirkungen durchaus im Vordergrund stehen (Toepler 1996, S. 25; Porter/Kramer 2002, S. 56 ff.), die Stichprobe der StifterStudie umfasste jedoch nur Stiftungsgründungen von natürlichen Personen (Timmer 2005, S. 175). 220 FE-C Grundkategorie 1: Die Umweltsphären wartungen "eine fast unauflösliche Mischung" ergeben (Timmer 2005, S. 31). Diese selbstbezogenen Erwartungen weist aber auch Frumkin als durchaus legitim aus: Stiftungen "support the self-actualization of donors by helping givers translate their values into action. […] Make no mistake: Philanthropy can and should be about producing public benefits. However, it can and should also be about presenting the giver the chance to enjoy the fruits of philanthropy in the form of psychic satisfaction" (Frumkin 2005, S. 25). Eher nachrangig sind laut StifterStudie Erwartungen wie "Erhöhtes gesellschaftliches Ansehen" oder "Anerkennung bei Freunden und Bekannten" (Timmer 2005, S. 31 f.). Neben diesen Motiven und Erwartungen bei der Stiftungsgründung sind auch die Antworten auf die Frage, warum gerade die Organisationsform "Stiftung" für die Gründer so vorteilhaft erscheint, sehr interessant, da hier zum einen die grundsätzlich langfristige Orientierung einer Stiftung zum Vorschein kommt (auf Ewigkeit), zum anderen aber auch das Prinzip der "private activities for public benefit" (Timmer 2005, S. 63 ff.). So verwundert es nicht, dass 71% der Befragten in der StifterStudie als einen entscheidenden Grund für die Stiftungsgründung angeben: "Weil ich sicherstellen wollte, dass das Geld für sehr lange Zeit dem von mir gewählten Zweck zugute kommt." Die Antwort "weil ich durch eine Stiftung selbst entscheiden kann, wie mein Geld verwendet wird", folgte mit 53% an zweiter Stelle, noch weit vor steuerlichen Gründen (24%). Die Funktion eines Stifters mit dem potentiellen Einfluss - und dies wird durch die beiden meistgenannten Antworten von Stiftern zur Wahl der Organisationsform der Stiftung verdeutlicht - kann eine bedeutsame Ambivalenz in sich tragen. So wertvoll es für eine Stiftung sein mag, die Ideen und die vermögensmässige Ausstattung von einem Stifter zu übernehmen, so gross können andererseits auch die stifterinduzierte Macht und Willkür sein. Ein Stifter hat, sofern er überhaupt in der Stiftung aktiv ist, jedoch dieselben Rechte und Pflichten wie jedes andere Organmitglied (Æ Kap. 9.1 Stiftungspolitik, S. 228). Für eine Stiftung gilt es daher, bei der Regelung der Zuständigkeiten eindeutige und verpflichtende Festlegungen zu treffen. Dies verhindert eine durch den Stifter geprägte patriarchalische Entscheidungsstruktur. FE-C Grundkategorie 1: Die Umweltsphären 221 Exkurs: Gründungsleitfaden Die folgenden kurzen Ausführungen sollen einem potentiellen Stifter die rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Gründung einer Stiftung verdeutlichen.150 Weil die Stiftungsgründung der erste Management-Entscheid ist, sind bereits im Gründungsstadium entsprechende Überlegungen zu einem langfristigen und beständigen Stiftungsmanagement erforderlich. Um den Gestaltungsprozess, den Wertschöpfungsprozess, den Unterstützungsprozessen und den Legitimierungsprozess angemessen auszugestalten und umzusetzen, sind insbesondere die im Folgenden genannten Aspekte zu beachten. Die Stiftung als juristische Person basiert in der Schweiz auf den Artikeln 80-89bis des ZGB (in Deutschland auf den §§ 80 ff. BGB). Grundsätzlich bedarf es zur Errichtung einer Stiftung eines Stifters (natürliche oder juristische Person) mit einem Willen zur Stiftungserrichtung, eines Stiftungsvermögens sowie eines Stiftungszwecks. Zur Gründung einer Stiftung ist jedoch keine Genehmigung bestimmter Behörden, wie Stiftungsaufsicht oder Finanzverwaltung, notwendig. 1. Stifterwille Der Stifter besitzt grundsätzlich die Freiheit, im Rahmen des zwingenden Rechts, nach eigenem Willen eine Stiftung zu errichten und diese bezüglich Zweck, Vermögen und Organisation auszugestalten. Die Errichtung einer Stiftung kann dabei durch eine einzelne Person erfolgen. Das Vorgehen zur Errichtung einer Stiftung umfasst folgende Teilschritte: Entwurf der Stiftungsurkunde Vorprüfung der Stiftungsurkunde durch o das Handelsregisteramt o die Stiftungsaufsicht o die Steuerbehörde Erbringung des Vermögensnachweises 150 Einen guten Überblick über die Errichtung einer Stiftung geben für die Schweiz Sprecher/von Salis-Lütolf (2002), Sprecher/von Salis-Lütolf (1999), Eidgenössische Stiftungsaufsicht (o.J.). Für den deutschen Stiftungssektor sind Hof (2004), Schick et al. (2001) oder Bertelsmann Stiftung (2003) empfehlenswert. FE-C Grundkategorie 1: Die Umweltsphären 222 Öffentliche Beurkundung beim Notar Anmeldung beim Handelsregisteramt 2. Stiftungsurkunde und Stiftungsreglement Zur Errichtung einer Stiftung bedarf es einer Stiftungsurkunde, die in Form einer öffentlichen Urkunde oder einer testamentarischen Verfügung verfasst werden kann. Die Stiftungsurkunde ist die juristische Grundlage der Stiftung und darf nur in Ausnahmefällen abgeändert werden. Die Stiftungsurkunde muss zwingend umfassen (vgl. Anhang J): den Willen des Stifters zur Errichtung einer Stiftung die Umschreibung des Zwecks die Umschreibung des (Anfangs-)Vermögens Nur in der Stiftungsurkunde können zudem Festlegungen über die Aufhebung der Stiftung, Voraussetzungen für eine Abänderung der Stiftungsurkunde und die Regelung über die Verwendung des Stiftungsvermögens bei einer allfälligen Auflösung der Stiftung vorgesehen werden. Zu empfehlen sind Vorgaben über die Regelung der Berechtigung der Wahl des Stiftungsrats sowie die Regelung darüber, wer welche Stiftungsreglemente in welchem Verfahren erlassen und abändern darf. Die Stiftungsreglemente sind der Urkunde untergeordnet. Alles, was nicht notwendigerweise in der Stiftungsurkunde geregelt werden muss, kann in Reglementen festgehalten werden. Ein Stiftungsreglement ist weniger starr als die Stiftungsurkunde und kann falls es in der Stiftungsurkunde vorgesehen ist - jederzeit vom ermächtigten Organ erlassen und abgeändert werden. Neu erlassene Reglemente sind der Aufsichtsbehörde zuzustellen, die die Übereinstimmung mit dem Gesetz und der Stiftungsurkunde prüft. In einem Reglement sollten folgende Elemente geregelt werden: Name der Stiftung Sitz der Stiftung Verfahren für den Entscheid über die Verwendung des Stiftungsvermögens Grundsätze über die Bewirtschaftung und Veräusserung des Stiftungsvermögens Organisatorische Festlegungen FE-C Grundkategorie 1: Die Umweltsphären 223 Der Stifter kann sich in der Urkunde oder im Reglement nach Sprecher und von SalisLütolf (1999, S. 115) folgende Rechte selbst einräumen: "den Stiftungsrat, die Revisionsstelle oder andere Organe zu wählen oder abzuberufen; selbst im Stiftungsrat Einsitz zu nehmen oder einen ihm kraft eines fiduziarischen Vertrags verpflichteten Dritten, etwa einen Anwalt, Einsitz nehmen zu lassen; für bestimmte oder alle Beschlüsse des Stiftungsrats Weisungen zu erteilen oder sie unter seinen Genehmigungsvorbehalt zu stellen; Stiftungsreglemente zu erlassen oder abzuändern oder, wenn sie durch den Stiftungsrat erlassen werden, ihre Gültigkeit von seiner Genehmigung abhängig zu machen; über gewisse Leistungen der Stiftung zu entscheiden; die Stiftungsurkunde abzuändern (sehr begrenzt)." 3. Stiftungsvermögen Das Stiftungsvermögen ist ein vom Stifter ausgesondertes Vermögen und dient ausschliesslich der Verfolgung des Stiftungszwecks. Im Rahmen der Stiftungsgründung wird der Stifter verpflichtet, das gewidmete Vermögen auf die Stiftung zu übertragen. Das Vermögen muss dabei objektiv erkennbar und genügend gross sein, um eine zweckentsprechende Tätigkeit der Stiftung zu ermöglichen. Ein angemessenes Verhältnis zwischen Stiftungsvermögen und Stiftungszweck muss somit bestehen. Die Eidgenössische Stiftungsaufsicht (EDI) verlangt dabei ein Anfangskapital von mindestens CHF 50'000. Der Nachweis über das Stiftungsvermögen muss der Aufsichtsbehörde vorgelegt werden. Als Vermögenswerte sind sowohl dingliche Rechte (z. B. Barvermögen, Wertpapiere, Kunstgegenstände, Grundstücke) als auch persönliche Rechte (z. B. Forderungen) möglich. 224 FE-C Grundkategorie 1: Die Umweltsphären 4. Stiftungszweck Der Zweck als Kern einer Stiftung umfasst die Aufgaben und das Ziel der Stiftungsarbeit. Er kann dabei frei bestimmt und spezifiziert werden - es gilt der Grundsatz der Privatautonomie. Einschränkungen bestehen nur insofern, als dass ein Zweck möglich und ideell sein muss i. S. von nicht-wirtschaftlich (keine Erzielung eines geldwerten Vorteils) und nicht rechtswidrig oder unsittlich sein darf. Um den Status der Gemeinnützigkeit zu erlangen, bedarf es der Ausrichtung des Zwecks auf ein Allgemeininteresse, gepaart mit dem Element der Uneigennützigkeit. Die Zweckumschreibung muss klar und genau, jedoch nicht ausführlich und detailliert sein. Ein umfassender Zweck ermöglicht eine spätere Adaption an veränderte Umweltsphären, was jedoch die Gefahr birgt, von den ursprünglichen Absichten des Stifters abzuweichen. Idealerweise umfasst die Zweckumschreibung eine Definition des Destinatärenkreises. Ein Zweck sollte dabei die Ideen, Vorstellungen, Motive und Ziele des Stifters umfassen, auf Dauer angelegt sein, Umweltveränderungen berücksichtigen sowie Anhaltspunkte über die Art und Weise der Zweckverfolgung geben. Die Ausgestaltung des Stiftungszwecks wird in der Æ Stiftungspolitik (Kap. 9.1, S. 228) vorgenommen. Um die Idee des Stifters auch über dessen Tod hinaus zu gestalten, gilt es, die Vorstellungen des Stifters möglichst genau zu dokumentieren. 5. Stiftungsname Die Namensgebung für eine Stiftung untersteht in der Schweiz dem Namensrecht des Zivilgesetzbuches (ZGB 29) (in Deutschland: § 12 BGB). Der Stiftungsname muss wahr sein, darf nicht täuschen und nicht zu Verwechslungen führen. Grundsätzlich kann er aus Personen-, Sach- oder Fantasiebezeichnungen bestehen. 6. Sitz Grundsätzlich kann eine Stiftung ihren Sitz frei wählen. Hierzu besteht für den Stifter die Möglichkeit, den Sitz in der Stiftungsurkunde oder in einem Reglement festzulegen. Sitzverlegungen sind dabei sowohl dem Handelsregisteramt als auch der Aufsichtsbehörde mitzuteilen. FE-C Grundkategorie 1: Die Umweltsphären 225 7. Handelsregistereintrag Die durch eine öffentliche Urkunde errichtete klassische Stiftung entsteht erst mit dem Eintrag in das Handelsregister. Die Anmeldung erfolgt durch die zukünftigen Organe der Stiftung beim zuständigen Handelsregisteramt des Sitzkantons der Stiftung. 8. Stiftungsaufsichtsbehörde Der Stiftungsaufsicht ist eine jährliche Berichterstattung abzugeben mit folgendem Inhalt: Tätigkeitsbericht Jahresrechnung Bericht der Revisionsstelle Genehmigung der Rechenschaftsablage durch den Stiftungsrat Liste der Stiftungsräte Im Rahmen einer Stiftungsgründung gilt es, möglichst früh den Kontakt zu den Aufsichtsbehörden zu suchen, um in einem konstruktiven Dialog das optimale Fundament für die Stiftung zu legen. Der hier vorgestellte und skizzenhaft beschriebene Leitfaden zur Gründung einer Stiftung bildet lediglich den äussersten Rahmen einer Stiftung. Um diesen Rahmen auszugestalten, sind vielfältige, kontingente, aber durchgängige Entscheidungen zu treffen. Mögliche Ausgestaltungen in Form von Handlungsoptionen sind Inhalt der folgenden Kapitel. FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 226 "Der Langsamste, der sein Ziel nicht aus den Augen verliert, geht noch immer geschwinder, als der ohne Ziel herumirrt." Gotthold Ephraim Lessing, dt. Dichter (1729-1781) 9 FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess Der Gestaltungsprozess einer Stiftung ist die zweite Grundkategorie des FE-C. Er umfasst alle Aktivitäten, die grundlegende Festlegungen zur Stiftungstätigkeit und Voraussetzungen zur Umsetzung dieser in der Alltagspraxis bewirken. Somit wird der Gestaltungsraum zwischen den Gerüstbausteinen "Mission" und "Input" systematisch ausgefüllt. Der Gestaltungsprozess kann unterteilt werden in zwei Teilprozesse (vgl. Abbildung 9-1): Stiftungspolitik Stiftungsstrategie FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess Mission Mission Stift ung s Stift ung politik sstr ateg ie 227 Input Input Aktivitäten Aktivitäten Projekte Projekte Stiftung Output Output Impact Impact Abbildung 9-1: Der Gestaltungsprozess einer Stiftung mit den zwei Teilprozessen Die politischen Festlegungen einer Stiftung vermitteln dabei Orientierung ("Was?") für die folgenden strategischen Aufgaben. Bei diesen geht es um die Entwicklung von Voraussetzungen für eine möglichst wirkungsvolle und auch effiziente Umsetzung des Stiftungspolitik Stiftungszwecks und der ("Wie?"). Stiftungsstrategie Insbesondere besteht eine zwischen der Vielzahl an Wechselwirkungen, so dass der Prozess nur analytisch klar abgegrenzt werden kann. In der Praxis ist eine gewisse Parallelbearbeitung unter Beachtung zirkulärer Rückbezüge beider Teilprozesse unvermeidlich - und entspricht auch der Komplexität des Stiftungsmanagements. Trotzdem ist eine systematische Abarbeitung aller in diesen beiden Teilprozessen notwendigen Festlegungen hilfreich - auch im Sinne einer Vollständigkeitskontrolle. Der Gestaltungsprozess bietet darüber hinaus einen direkten Einstieg in diejenigen Handlungsfelder, die ein Stiftungsmanagement für "seine" Stiftung nach der Verortung im Paradoxien-Radar und der Typisierung der Stiftung als "SMI-Unternehmen", "Familien-Unternehmen" oder "Verein" als besonders notwendig zur Optimierung der Stiftungstätigkeit erkennt. Mit Hilfe der Querverweise im Text können die in den beiden Teilprozessen der Stiftungspolitik und -strategie thematisierten Aspekte und vorgeschlagenen Handlungsoptionen zur Handhabung der Paradoxien weiter vertieft FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 228 (z. B. in den Supportprozessen) sowie die Implikationen auf das gesamte Stiftungsmanagement erfasst werden (Durchgängigkeit). 9.1 Stiftungspolitik Die Stiftungspolitik umfasst alle Aktivitäten, bei denen es um grundlegende Festlegungen und Begründungen der Stiftungstätigkeit geht. Zentrale Fragen sind dabei: Was macht eine Stiftung? Warum macht sie es? Welche Ziele setzt sie sich? Wie geht sie dabei grundlegend vor? Charakteristisch für die Festlegungen im Bereich der Stiftungspolitik sind der sachlich und zeitlich weit reichende Wirkungshorizont vieler Entscheidungen und die breite Begründungsbasis, auf die sich diese Festlegungen stützen. So kann z. B. die Mission nicht im Jahresrhythmus neu formuliert werden, denn sonst verliert sie ihre nach innen und aussen orientierende Kraft. Auch ist die Begründungsbasis der Mission "breit", denn sie nimmt sorgfältig Bezug auf unbefriedigte, gesellschaftlich relevante Anliegen und Bedürfnisse, die weder politisch mehrheitsfähig noch ökonomisch lukrativ sind und die einem bestimmten gesellschaftlichen Fortschrittsethos entsprechen (gesellschaftliche Knappheiten). Anders dagegen z. B. temporäre Programmschwerpunkte, die sich an kurzfristigeren Machbarkeiten orientieren ("Welche finanziellen Ressourcen stehen in diesem Jahr noch zur Verfügung?"). Die Festlegungen der Stiftungspolitik wirken ermöglichend im Sinne einer Grundorientierung, aber auch einschränkend im Sinne eines Ausschliessens bestimmter Optionen in den nachfolgenden Grundkategorien. Deshalb sollten diese Entscheidungen mit grosser Sorgfalt getroffen werden. Oder in den Worten des Managementvordenkers Peter Drucker: "As you begin, consider this wonderful sentence from a sermon of that great poet and religious philosopher of the seventeenth century, John Donne: ‘Never start with tomorrow to reach eternity. Eternity is not being reached by small FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 229 steps. We start with the long range and then feed back and say, ‘What do we do today?’” (Drucker 1999, S. 17) Die Entwicklung einer konsistenten Stiftungspolitik setzt sich aus acht Aufgaben zusammen: 1. Reflexion des Stifterwillens 2. Entwicklung einer Mission 3. Spezifizierung der inhaltlichen Eckpfeiler 4. Festlegungen zur Förder- und Anlagepolitik 5. Gestaltung der Aufbauorganisation 6. Festlegungen der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten 7. Formulierung von Arbeitsgrundsätzen und allgemeinen Werthaltungen 8. Erarbeitung eines Code of Conducts und eines Leitbilds Alle Aufgaben bestehen ihrerseits wiederum aus Teilaufgaben, zu denen Handlungsoptionen zur Ausgestaltung des "Möglichkeitenraums" des Stiftungsmanagements aufgezeigt werden. 9.1.1 Reflexion des Stifterwillens Die zentrale Aufgabe der Stiftungspolitik umfasst die Entwicklung einer orientierenden Mission, die die Basis für die weitere Stiftungstätigkeit bildet. Diese gestalterische Arbeit beginnt mit der intensiven Auseinandersetzung des vom Stifter verfassten Stiftungszwecks. Eine sorgfältige Kenntnis und Interpretation des persönlichen Hintergrundes des Stifters ist dabei von besonderer Bedeutung, um den oftmals weit, abstrakt und in "juristischer" oder "bildungsbürgerlicher” Sprache formulierten Stiftungszweck (Æ Exkurs Gründungsleitfaden, S. 221) zu verstehen. Nur mit dieser umfassenden Interpretation kann der Zweck als sinnstiftende Grundlage und Begrenzung für die Entwicklung einer tragfähigen Mission verwendet werden. Die Notwendigkeit der Reflexion und das Potential des ursprünglichen Stifterwillens unterstreicht auch Frumkin (2005, S. 174): "The transition from appeal to action is often based on the basis of the strength of the donor’s private values, commitments, and Stifterwillen interpretieren FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 230 beliefs and how they relate or do not relate to the appeal being made. Rather than seek to sublimate the personal connection and passion of donors, it may be best to simply acknowledge it and seek to capture its capacity to mobilize giving.” Doch meist ist es nicht so einfach, dem Willen "auf die Spur" zu kommen, wie ein Geschäftsführer einer mittelgrossen Stiftung bemerkt: "Bei der Stiftungsgründung 1963 wurde ein Zweck formuliert und in die Stiftungsurkunde aufgenommen. Der war eigentlich nicht so fokussiert. Es wurden ein bisschen die Interessen des Stifterehepaares genannt, und man hat ihnen vielleicht auch ein bisschen etwas ‚untergejubelt’. Er ist sehr breit formuliert, so allgemein bildungsbürgerlich, das macht es noch schwierig, eine Mission direkt aus dem Zweck abzuleiten." (P26) Es besteht also ein Gestaltungsfreiraum, der zwar begrenzt wird von zwei für das Wesen von Stiftungen charakteristischen Polen, den gesellschaftlichen Bedürfnissen (Gemeinwohl) auf der einen Seite und den privaten Vorstellungen (Stifterwillen) auf der anderen (vgl. Frumkin 2005, S. 173). Herausfordernd wird die konzeptionelle Ausgestaltung dieses Freiraums dann, wenn der Stifter bewusst "tolerant” seinen Auftrag an die Stiftungsmanager weitergibt. Rockefeller liess z. B. "seinen" Stiftungsmanagern bewusst viel Gestaltungsraum: "Die Wohlfahrtseinrichtungen des 14. Jahrhunderts sind nicht mit denen des 20. Jahrhunderts zu vergleichen. Die gemeinnützigen Institutionen des 20. Jahrhunderts sind anders als die des 21. Jahrhunderts sein werden, und es ist auch zu wünschen […], dass die Macht zu befinden, welche spezifischen Zwecken sie gewidmet werden sollen, lebenden Menschen übertragen bleibt, welche die Erfordernisse und Bedürfnisse im Lichte des Wissens beurteilen können, über das sie als Zeitgenossen verfügen, und dass ihre Hände nicht gebunden sein sollen durch den Willen eines Menschen, der vor vielen Jahren verstarb. Die Weisheit der Lebenden wird immer die Weisheit jedes vor langer Zeit verstorbenen Menschen übertreffen, so weise dieser auch gewesen sein mag." (Prewitt 1998, S. 336)151 151 Ähnlich formulierte es auch Kurt A. Körber und übertrug damit der von ihm ins Leben gerufenen Stiftung und den zukünftigen Stiftungsverantwortlichen die Möglichkeit, dass sich die Stiftungstätigkeit an verändernde gesellschaftliche und wirtschaftliche Wirklichkeiten anpassen kann und muss: "Mit meinen testamentarischen unternehmens- und stiftungsrechtlichen Verfügungen habe ich deshalb Vorsorge getroffen, dass mein Lebenswerk auch nach mir, wie bisher, den kommenden gesellschaftlichen Veränderungen angepasst werden kann." (Voswinckel 1998, S. 71) Gestaltungsgrenzen erkennen FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 231 Doch gerade bei solchen grundsätzlich zu begrüssenden Freiräumen, die sich auch in einer breiten Formulierung des Stiftungszwecks widerspiegeln (z. B. Rockefeller Foundation: "Betterment of Mankind"), bedarf es einer sorgfältigen Analyse der Motive und Erwartungen, der persönlichen Werte und Vorstellungen des Stifters. Nur so kann dem Wesen einer Stiftung entsprochen werden: einer "privaten" Vision eines gemeinnützigen Zwecks - und auch nur so kann sich die Pluralismus erhöhende Kraft einer Stiftung entfalten (vgl. Kap. 2.3). Wie könnte sich sonst die Rockefeller Foundation heute in Projekten engagieren, die eine Verringerung der Abhängigkeit der Welt von fossilen Brennstoffen zum Ziel haben, wo doch die Rockefeller Foundation nur durch Rockefellers Unternehmen, der Standard Oil Company, also gerade durch fossile Brennstoffe, entstehen konnte?152 Wie jedoch kommt man den Motiven zur Stiftungsgründung und den durch den Stifter dabei implizit oder explizit verfassten Erwartungen an das Wirken der durch ihn Informationsquellen erschliessen ins Leben gerufenen Stiftung näher? Am Anfang kann der Stifter selbst seine Absichten und Ideen "unverfälscht" in die Stifter Diskussionen einbringen. In langfristiger Sicht wird jedoch der Einfluss des Stifters unvermeidlich ab- und der durch Nachkommen oder unabhängige Dritte auszufüllende Freiraum zunehmen. Insbesondere dann, wenn der Stifter nicht mehr lebt oder Angehörige/ Freunde sich sehr stark aus der Stiftung zurückgezogen hat, muss ggf. auf Belege zurückgegriffen werden, die die Motive und Erwartungen des Stifters dokumentieren. Ein Beispiel nennt ein Geschäftsführer einer mittelgrossen Stiftung: "Der Stifterwille ist für uns im Stiftungszweck inhaltlich nicht scharf fassbar. Aber wir wissen ungefähr, in welche Richtung sie gehen wollten. Und dann gibt es im Stiftungsrat noch einige, die das Stifterehepaar gekannt haben und so kommen wir dem Stifterwillen schon näher." (P26) Andere Stiftungen gehen noch einen Schritt weiter, wie z. B. die Ewing Marion Kauffmann Foundation. Der Stifter, der die ersten zehn Jahre bis zu seinem Tode die 152 Im Fall von Rockefeller wäre zwar durch die breite Mission auch das Unterstützen von Projekten wie dem o. g. möglich, dennoch gehen dieses und ähnliche Engagements auf die Zielsetzungen der Rockefeller Foundation des späten 20. Jahrhunderts zurück und nicht auf die ersten Formulierungen einer Mission zu Gründungszeiten im frühen 20. Jahrhundert (vgl. Prewitt 1998, S. 341). Die derzeitige Mission lautet: "The Rockefeller Foundation is committet to fostering knowledge and innovation to enrich and sustain the lives and livelihoods of poor and excluded people throughout the world." Vgl. hierzu: www. rockfound.org (23.08.2005). Aufzeichnungen (Video/ Biographien) FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 232 Stiftungsgeschicke mit verantwortet hat, liess während dieser Zeit ein Video aufnehmen, in dem er seine "private" Vision darlegt. Diese Bänder gehören heute sogar zum Einführungsmaterial aller neuen Mitarbeiter der Stiftung, um ihnen die Werte und Überzeugungen des Stifters zu vermitteln. (vgl. Prewitt 1998, S. 338). Am Beispiel der Körber-Stiftung in Deutschland lässt sich Ähnliches aufzeigen. Besonders wichtig für den Vorstandsvorsitzenden der Körber-Stiftung, Ulrich Voswinckel, ist das Bewahren des auslösenden Impulses des Unternehmers und Erfinders Körber, zum Stifter zu werden: das Inferno zum Ende des Zweiten Weltkrieges in Dresden, das der junge Körber in seiner damaligen Heimatstadt miterlebt hat. So bestätigt auch Körber in seinen aufbewahrten Notizen: "Dieses Dresdner Inferno war ein Schlüsselerlebnis für mich, das mein ganzes weiteres Leben entscheidend geprägt hat, und der wesentliche Grund dafür war, dass ich mich später mit meinen Stiftungsaktivitäten nachhaltig für die Völkerverständigung eingesetzt habe." (Voswinckel 1998, S. 64) Neben diesen inhaltlichen Orientierungspunkten in Körbers Notizen (in anderen Situationen können z. B. Biographien des Stifters oder des von ihm geführten Unternehmens wertvolle Informationsquellen darstellen, um Werte und Maximen zu erfahren) beruft sich die Körber Stiftung bei der Ausgestaltung der Mission und der inhaltlichen Ausgestaltung ihrer Tätigkeiten gezielt auf drei von Körber formulierte Leitmaximen seines unternehmerischen Wirkens (vgl. Voswinckel 1998 S. 67): das Aufspüren von Marktlücken, resultierend aus intensiver Marktbeobachtung und intuitivem Erfassen von Entwicklungen die Risikobereitschaft zu Produktinvestitionen, um bereits bestehende oder sich abzeichnende Marktlücken zu besetzen und die sich dort bietenden Gewinnchancen zu nutzen die Strategie, den Markt, wenn er nach einem neuen Produkt verlangt, schnellstmöglich abzudecken, bevor die Konkurrenz nachziehen konnte Diese von Körber zitierten Erfolgsfaktoren "Lücken aufspüren", "Risiken eingehen" und "Schnelligkeit ausspielen" dienen auch der Stiftung als Arbeitsgrundsätzen ihrer gesamten Tätigkeit. Das Beispiel der Körber-Stiftung beschreibt auch umfassend das in dieser Arbeit zugrunde liegende Ideal philanthropischen Wirkens, das an Frumkin (2005, S. 554) FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 233 angelehnt ist: "Only when philanthropy is centered on the personal interests and commitments of donors will philanthropy fulfill its calling to breathe pluralism and innovation into society." Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich der Reflexion des Stifterwillens: 1. Wie lässt sich der im Stiftungszweck teilweise nur unzureichend spezifizierte Stifterwillen interpretieren? 2. Wo liegen die Grenzen des Gestaltungsfreiraums, die durch den Stifterwillen und den Stiftungszweck vorgegeben sind? 3. Welche Informationsquellen können zur Interpretation des Stifterwillens erschlossen werden? 4. Wie werden diese Informationsquellen langfristig verfügbar gemacht? 9.1.2 Entwicklung einer Mission Mit der Vergegenwärtigung des Stifterwillens (Æ Kap. 9.1.1 Reflexion des Stifterwillens, S. 229) und der Kenntnis über die formalrechtlich und inhaltlich begrenzende Wirkung des mehr oder weniger weit gefassten Stiftungszwecks (Æ Exkurs Gründungsleitfaden, S. 221) geht es nun darum, eine aussagekräftige Mission der Stiftung zu entwickeln, deren orientierende Kraft den alltäglichen Stiftungsbetrieb im Hinblick auf gesellschaftliche Wertschöpfung erst ermöglicht. Insbesondere in den Anfangsjahren ist die Person des Stifters ein wichtiger Bezugspunkt zur Entwicklung einer Mission, wie bereits in der ersten Aufgabe aufgezeigt wurde. Dennoch muss sich eine Mission "weit über die notwendigerweise zeitlich begrenzte Vision ihrer ursprünglichen Stifter hinaus erstrecken" (Prewitt 1998, S. 341). So muss sie sich an den aktuellen Gegebenheiten und Bedürfnissen der Gesellschaft orientieren (Æ Kap. 8 Umweltsphären, S. 209), um neue, durch veränderte Bedingungen sich ergebende Möglichkeiten aktiv aufzugreifen. Dieser gestalterische Akt der Entwicklung einer Mission kann durchaus als "Art of Philanthropy", also als Kunst, beschrieben werden im Gegensatz zur "Science of Philanthropy" (beide Begriffe: Frumkin 2005), also der "technischen" Umsetzung. Diese ist zwar nicht minder wichtig und findet auch im vorliegenden FE-Cockpit genügend FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 234 Beachtung, dennoch geht es bei der Entwicklung der Mission um mehr als "Technik", wie auch ein 3-Sterne-Koch mehr macht als nur ein Rezept "abzuarbeiten". In ähnlichen Worten beschreibt diese "Kunst" des Stiftungsmanagements auch der im Folgenden zitierte Geschäftsführer einer grossen Stiftung: "Ich denke, dass man den Zweckartikel nicht sklavisch umsetzten kann und dass man auch durch eine reine Textauslegung nicht weiterkommt. Der Zweckartikel ist ja kein ‚Betty Bossi Rezept’. Also ich bin der Überzeugung, dass es gerade die Aufgabe des Stiftungsrats ist, zu verstehen, was der eigentlich Stifterwille war oder ist. Man muss das Potential für eine wegweisende Mission erkennen, die im Stifterwillen und in der Zweckformulierung steckt." (P5) Doch was genau wird hier unter Mission verstanden? In der Unternehmenswelt wird die Mission gemeinhin als eine abstrakte Formulierung des Unternehmenszwecks de- Funktionen einer Mission verstehen finiert, die beschreibt, wofür ein Unternehmen existiert und wie sich die Unternehmung von anderen unterscheidet (Wettbewerbsposition und Kernkompetenzen). Nicht grundsätzlich anders lässt sich die Mission im Non-Profit-Bereich beschreiben. Angelehnt an Oster erfüllt eine Mission hier drei Zielsetzungen (1995, S. 22): 1. Orientierungsfunktion: "serve boundary function” 2. Motivationsfunktion: "act to motivate staff and partners” 3. Legitimationsfunktion: "help in the process of evaluation of the organization” Vor allem die erstgenannte Orientierungsfunktion scheint im Bereich der "missions- Orientierung getriebenen" Non-Profit-Organisationen und damit auch der Stiftungen sehr zentral zu sein. Dies trifft insbesondere wegen der bereits beschriebenen Mehrdeutigkeit im Bereich der Erfolgsmessung zu (vgl. Berman 2003, auch Kap. 6.1.1 Messbarkeitsdefizit, S. 162). Gerade deshalb ist das erste Erfolgskriterium in Stiftungen die Übereinstimmung der Stiftungstätigkeit mit der Mission - auch, um mit Fragen der Legitimation und Ansprüchen verschiedener Stakeholder angemessen umgehen zu können (Æ Kap. 12.2 Legitimation, S. 469). Hier wird zudem die Verknüpfung zur dritten Funktion deutlich, der Unterstützung bei der Evaluation der Stiftungsarbeit. Die Mission stellt demzufolge den notwendigen Ausgangspunkt jeglicher Evaluationsbestrebungen dar und formuliert die "obersten" Zielsetzungen der Stif- Legitimierung FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 235 tungsarbeit, aus denen sich die Messkriterien der Stiftungsperformance ableiten (Æ Kap. 12.1 Evaluation, S. 455). Daneben spielt die Motivationsfunktion eine entschei- Motivation dende Rolle: Sinn zu stiften für die Mitarbeiter und Partner der Stiftung und dabei alle Anspruchsgruppen zu motivieren, am Gesamtziel der Weiterentwicklung der Gesellschaft mitzuarbeiten (sozialer Wandel). Alle drei Funktionen zusammen gewährleisten, dass die Stiftung auch ein erkennbares Profil gewinnt, wie auch der Stiftungsratspräsident einer mittelgrossen Stiftung bestätigt: "Unsere Aufgabe ist es, aus diesem sehr weit gefassten Stiftungszweck eine gewisse Linie herauszukristallisieren, die für eine gewisse Zeit auch eine gewisse Geltung haben sollte, um damit der Stiftung auch ein gewisses Profil zu geben und Orientierung zu bieten. So können auch die richtigen Gesuche den Weg zur Stiftung finden." (P3) Die Ziele Orientierung, Motivation und Legitimierung werden jedoch nur dann erreicht, wenn die Mission entsprechend aussagekräftig ist und begründet wird. Was genau umfasst jedoch eine aussagekräftige, begründete Mission von Stiftungen? Im Vergleich zum Stiftungszweck erscheint in der Mission eine gewisse Fokussierung der Tätigkeiten sinnvoll. Damit verbunden ist aber auch eine zeitweilige Aus- Stiftungszweck fokussieren grenzung anderer Tätigkeiten. Die Herausforderung für das Stiftungsmanagement besteht darin, "aus dem Stiftungszweck eine für die Stiftung orientierende Mission zu formulieren. Manchmal ist das ja so, dass der Stifter oder die Stifterin sagt: ‚Ja, ich habe jetzt ein grosses Vermögen und ich möchte das irgendwie der Medizin zukommen lassen’. So etwas steht dann auch mal in der Satzung drin, etwa: ‚Förderung medizinischer Zwecke’. Und dann ist es zunächst einmal schwierig, überhaupt eine Mission zu formulieren. Bei uns zum Beispiel ist die Stifterin verstorben und der Stiftungszweck lautet nur: ‚Die Förderung der Wissenschaft’. Und jetzt muss man sich natürlich schon einmal die Frage stellen: ‚Wofür steht eigentlich die Stiftung?’" (P10) Eine "gute" Mission adressiert also das grundlegende "Was (wollen wir machen)?" einer Stiftung im Sinne einer Nennung von gesellschaftlichen Knappheiten. In ihrer Mission benennt sie somit diejenigen gesellschaftlichen Knappheiten, die sie mit Ih- Gesellschaftliche Knappheiten benennen FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 236 ren Aktivitäten aufgreifen und die durch ihre Tätigkeiten vermindert werden sollen (vgl. auch Porter/Kramer 1999, S. 126 f.). So lautet das illustrative Beispiel der Mission der Wallace Foundation (USA) im Jahr 2003 (zit. in Anheier/Leat 2005, Chapter 5.1, S. 1 ff.): "Support and share effective ideas and practices that enable institutions to expand learning and enrichment opportunities for all people." Das "Was?” in diesem Beispiel greift die gesellschaftliche Knappheit effektiver Bildungslösungen für alle (auch für bildungsferne) Schichten auf. Es wird konkretisiert durch eine grundlegende, inhaltliche Wegbeschreibung, des Wie? (In welcher Rolle wollen wir unsere Mission umsetzen?) und abgeschlossen durch die Benennung des Ziels ("Welchen Unterschied wollen wir erreichen?”): "In everything we do, we want to be a resource dedicated to helping create, support and share insights, tools and effective practices ["Wie?”], that can have a transformative effect on major public systems and, ultimately, on people’s lives ["Ziel”].” Neben einer zwingenden inhaltlichen kann die Mission dabei auch eine geographische Limitierung der Stiftungstätigkeiten enthalten.153 Legt man die in Kapitel 2.2.4 genannten Tätigkeitsbereiche für Stiftungen als Raster zugrunde (z. B. Soziales, Bildung und Forschung), wird jedoch deutlich, dass viele Stiftungen, ob grosse oder kleine, in mehreren Bereichen tätig sind. Sie können eigentlich nur als "Stiftungen mit mehreren Missionen" beschrieben werden. (vgl. Prewitt 1998, S. 342) Entgegen der intuitiven Annahme, kleinere Stiftungen (bis ca. CHF 5 Mio. Stiftungsvermögen) würden sich auf einen bestimmten Tätigkeitsbereich konzentrieren, sind diese überwiegend ebenfalls in mehreren Bereichen tätig. Der Grund hierfür ist der meist lokale Bezugsrahmen. In der Gemeinde oder Region, in der sie ansässig sind, ist es oftmals so, dass diese Stiftungen ein breites Spektrum fördern (können). Die Art von Stiftung, die sich auf einen Bereich konzentriert und die am ehesten als "Nischenanbieterin" bezeichnet werden kann, findet man vor allem im Grössenbereich zwischen CHF 50 und 250 Mio. Stiftungsvermögen (z. B. Gerda Henkel Stiftung: historische Geisteswissenschaften). Rollen-/ Zielbeschreibung vornehmen FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 237 Die Auswahl derjenigen gesellschaftlichen Knappheiten, die bearbeitet werden sollen, bedarf einer tragfähigen Begründung. Obwohl die Mission in ihrem Ursprung Mission begründen privater Natur ist und somit die Präferenzen des Stifters umsetzt (Æ Kap. 9.1.1 Reflexion des Stifterwillens, S. 229), ist sie doch öffentlich wirksam, indem sie Signale der Gesamtgesellschaft oder einzelner Gruppen aufgreift oder diese sogar antizipiert (Æ Kap. 2.3.4 Innovation und Stabilisierung, S. 59). Häufig wird argumentiert, Stifter hätten weder Wähler noch Aktionäre und somit stünde es ihnen frei, ihre Mission so festzulegen und ihre Ziele so zu verfolgen, wie es ihnen angemessen erscheint. "In dieser Aussage steckt ein Körnchen Wahrheit, aber eben nicht die ganze Wahrheit", bringt es Prewitt (1998, S. 356) auf den Punkt. Stiftungen sind gesellschaftliche Institutionen ("quasi-öffentliche Institutionen", Ulrich 1977). Sie müssen sich bewusst sein, dass sie die steuerfreien Geldmittel, die sie "investieren", nur so lange zur Verfügung haben, wie die Öffentlichkeit (durch den Staat) diese bevorzugte Behandlung gewährt. Mit der materiellen Steuerbefreiung erhalten die Stiftungen aber auch einen immateriellen Vertrauensvorsprung von der Gesellschaft. Mit diesem "Vertrauensvorsprung" muss angemessen umgegangen und der kommunikative "Legitimierungsbedarf" der Öffentlichkeit anerkannt werden (Æ Kap. 11.3 Kommunikationsmanagement, S. 412). Der "Legitimierungsbedarf" wiederum deutet auf ein bestimmtes Mass an Rechenschaftspflicht gegenüber den Gruppen und Interessen hin, die unmittelbar (Projektpartner und Zielgruppen der Stiftung) und mittelbar (die gesamte Gesellschaft) von der Stiftungstätigkeit profitieren (Æ Kap. 2.3 Funktionen und Legitimationen, S. 47). Insofern bedarf es der Begründung der Mission und der darin aufgegriffenen gesellschaftlichen Knappheiten (vgl. hierzu auch Kap. 6.1). Zunehmend verbreiten sich das Verständnis und die Bereitschaft, eine proaktive Begründung durchzuführen - proaktiv im Gegensatz zu passiv insofern, als die Stiftung nicht nur transparent z. B. in Jahresberichten Auskunft darüber gibt, was sie gemacht hat, sondern dass sie ihre Mission aktiv begründet, indem die beiden folgenden Fragen beantwortet werden: 1. Inwiefern entsprechen die formulierten Aktivitäten der Gemeinnützigkeit? 153 Vgl. auch die Mission der Rockefeller Foundation in Fussnote 152. proaktive Begründung FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 238 2. Warum engagiert sich eine Stiftung z. B. im Bildungsbereich oder im Sozialbereich, nicht aber im Kulturbereich? Passiv wäre hingegen eine Begründung, bei der zwar transparent die vergangenen Aktivitäten aufgezeigt werden. So lange kein Einspruch gegenüber diesen erhoben passive Begründung wird, in erster Linie von der Stiftungsaufsicht und dann natürlich durch Interessensverbände der kritischen Öffentlichkeit, gilt diese "nachträgliche" Begründung als akzeptiert (Æ Kap. 11.3 Kommunikationsmanagement, S. 412). Ein Geschäftsführer einer grossen Stiftung bestätigt die seiner Meinung nach notwendige proaktive Begründung der Mission: "Ich würde sagen, eine Stiftung sucht in der Mission eine Ausrichtung und begründet hierbei, weshalb sie das macht oder das. Sie hat ihre Argumente, vielleicht gab es zu Beginn noch verschiedene mögliche Themengebiete, aber dann wurde ausgewählt, wurden Schwerpunkte gesetzt. Hier sehe ich die Notwendigkeit einer transparenten Argumentation: ‚Weshalb machen wir das?’ Die Stiftung wählt, weil sie z. B. feststellt: ‚Hier hat ein Franken mehr Wert’ oder ‚Wir gehen dorthin, wo nicht bereits alle hingehen’. Für mich ist es ein Aufzeigen und Liefern einiger Argumente, weshalb fällt jemand welche Wahl. Man muss das tun, insbesondere wenn man Sachen macht, die eine grosse Mehrheit der Leute nicht sofort versteht." (P24) Der gleiche Interviewpartner beschreibt im Folgenden das Vorgehen bei der (Weiter) Entwicklung der Mission "seiner" Stiftung und schildert die entscheidenden Begründungsschritte bei der Auswahl der aufzugreifenden gesellschaftlichen Knappheit: "Also da muss ich sagen, dass wir in den letzten vier Jahren eine Fokussierung gemacht haben in der Mission. Früher war es so eine richtig juristische Mission. Da hat irgendein Anwalt einen Stiftungszweck formuliert von ‚Kraut und Rüben’, alles zusammen. Und die Mission klang dann ähnlich. Um dieser Stiftung Leben zu geben, hat man jetzt letztes Jahr, 2003, also nach drei Jahren Stiftungstätigkeit, hat man die Mission pointierter verfasst. Die Mission sieht heute in etwa so aus: "Wir wollen, dass Kinder in einem Umfeld frei von Gewalt, im Schutz einer Gemeinschaft eine Ausbildung geniessen können. Begründungsschritte FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 239 Früher war es offener: ‚Das Wohlbefinden der Menschen’ oder so ähnlich. Man hat nun zum einen die Priorität dem Schutz der Kinder und der Ausbildung dieser gegeben. Zum zweiten will man die medizinische Forschung unterstützen, damit auch wieder insbesondere Kinder nicht wegen Krankheiten die ersten zwei Sachen, Schutz und Ausbildung, nicht erleben können." (P24) Im Rahmen der Spezifizierung inhaltlicher Eckpfeiler wird das o. g. Zitat nochmals aufgegriffen und die inhaltlichen Konsequenzen der Mission für die Stiftungstätigkeit werden aufgezeigt. (Æ 9.1.3 Spezifizierung der inhaltlichen Eckpfeiler, S. 239). Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich der Entwicklung einer Mission: 5. Welche Funktionen erfüllt eine sorgfältig entwickelte und formulierte Mission? 6. In wie weit wird der Stiftungszweck, ausgehend von der Reflexion des Stifterwillens, konkretisiert? 7. Welche gesellschaftlichen Knappheiten werden durch die Stiftungstätigkeit aufgegriffen? 8. Welche Rolle füllt die Stiftung aus bei der Bearbeitung der gesellschaftlichen Knappheiten? 9. Wie lautet die Zielformulierung der Stiftung? 10. Welche "guten" (nachvollziehbaren) Gründe können für die Festlegungen der Mission, also die identifizierten gesellschaftlichen Knappheiten, die Rolle der Stiftung und die Zielformulierung, genannt werden? 11. Wie erfolgt die Begründung der Stiftungstätigkeit? 12. Welches sind die einzelnen, notwendigen Begründungsschritte für eine erfolgreiche Arbeit der Stiftung? 9.1.3 Spezifizierung der inhaltlichen Eckpfeiler Nachdem die Grundsätze zur Entwicklung einer Mission thematisiert wurden, geht es in dieser Aufgabe um die Bestimmung der inhaltlichen Eckpfeiler als weitere Ausgestaltung der Mission. Die Mission soll emotional berühren und mobilisieren, sie soll eine tragende Identität stiften und Sinn in der Aufgabenerfüllung vermitteln (Heintel 1993). Sie bedarf jedoch der inhaltlichen Konkretisierung, um ihre volle Wirkungskraft im Sinne der o. g. drei Funktionen (Abgrenzung und Orientierung; Mission konkretisieren FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 240 Motivation; Ausgangspunkt zur Evaluation) zu erfüllen und um nicht als "wohlklingende" Absichtserklärung zu enden. Die bereits oben zitierte Mission der Wallace Foundation ist auch für die Festlegung der inhaltlichen Eckpfeiler ein gutes Beispiel. Zur Rekapitulation nochmals die zentralen Aussagen der Mission: "Was?”: "Support and share effective ideas and practices that enable institutions to expand learning and enrichment opportunities for all people." "Wie?”: "We want to be a resource dedicated to helping, create, support and share insights, tools and effective practices." Ziel: "Having a transformative effect on major public systems and, ultimately, on people’s lives." Diese Formulierungen bedürfen einer thematisch-inhaltlichen Ausgestaltung, eines Bindeglieds zwischen den abstrakten Festlegungen des "Was?" in der Mission und den folgenden Spezifizierungen der konkreten Wirkungsfelder ("Wie?"), um ihre Orientierungskraft für die weitere, umsetzungsorientierte Stiftungsarbeit zu gewährleisten. Dieses Bindeglied stellen die inhaltlichen Eckpfeiler der Stiftungstätigkeit dar. Zur Entwicklung dieser greift z. B. die Wallace Foundation die ursprünglichen Interessen der beiden Stifter, DeWitt und Lila Acheson Wallace, auf. Diese spiegeln sich in den inhaltlichen Eckpfeilern der Stiftung wider (vgl. Anheier/Leat 2005, Chapter 5.1, S. 1ff.): Bildung: "Strengthening education leadership to improve student achievement” Bildung: "Improving after-school learning opportunities” Kultur: "Expanding participation in arts and cultures” Die ersten beiden Eckpfeiler gehen auf DeWitt zurück, dessen Interessen im Bereich der Bildung und der Jugendarbeit lagen, während der dritte Punkt Lilas Interesse der Kulturförderung aufgreift. Den beiden strategischen Fragen "Mit welchen Massnahmen (erreichen wir das)?" und "Welche Ziele (setzen wir uns in den einzelnen Wirkungsfeldern)? wird dabei noch nicht weiter nachgegangen - dies erfolgt im strategischen Gestaltungsprozess (Æ Kap. 9.2 Stiftungsstrategie, S. 288). FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 241 Die einzelnen Phasen der Entwicklung und Ausgestaltung der Mission einer Stiftung im Sinne eines "Leitsterns" der Stiftungstätigkeit können auch am Beispiel der folgenden Stiftung mittels der Äußerung des Geschäftsführers zusammenfassend verdeutlicht werden: "Wir haben ein programmatisches Gebäude [= inhaltliche Eckpfeiler]. Und über diesem gibt es ein Dach. Und dieses Dach heisst "Stopp der Ausgrenzung, Werte schaffen" [= Mission]. Heute in der Welt gibt es die, die etwas haben und die, die nichts haben. Es gibt jene, die Zugang haben und jene, die keinen Zugang haben usw. Und diese Ausgrenzungen wollen wir mit unseren Programmen überbrücken und Werte schaffen. Das Thema ist für uns zur Grossbaustelle geworden." (P2) Weiter führt er aus, dass sich die Stiftung seit seinem Amtsantritt 1995 geändert hat. Die Mission wurde thematisch fokussierter definiert. Auch wurde die Zielgruppe schärfer umrissen und eine umfangreiche Begründung der inhaltlichen Eckpfeiler vorgenommen: "Thematisch wurde die Mission prägnanter definiert. Heute haben wir eine viel klarere Positionierung der Stiftung. Nach aussen wird deutlich: Die Stiftung widmet sich Jugendfragen, das Grundanliegen ist, das Wohlergehen der Jugend zu fördern. Und man hat auch die Zielgruppe schärfer definiert: Altersgruppe 10-18. Das war so vorher nicht der Fall. Dann die Inhalte: Zuerst kommen die grundlegenden Kompetenzen, die bei den Jugendlichen gefördert werden sollen, das nennen wir "Life-Skills". Das sind alle Fähigkeiten, die die Jugendlichen haben sollten, um sich im Leben konstruktiv und dauerhaft behaupten zu können. Das zweite ist dann eine "Natur- und Umweltkompetenz", und das war 1996 neu. Ohne das geht es aber nicht. Ich meine, das sind die ganzen Fragen von Umwelt usw., bei denen wir sagen, das sind heutzutage in unserer Gesellschaft grundlegende Kompetenzen, die die jungen Leute heute haben müssen. Und drittens, das haben wir auch hinzugefügt, gibt es die ‚Computerkompetenz’. Das war natürlich zu der Zeit, als wir das eingeführt haben, als inhaltlicher Eckpfeiler ganz neu. Dort haben wir angefangen mit dem Thema des ‚digitalen Grabens’, mit einem Akzent auf be- Zielgruppen eingrenzen FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 242 nachteiligten Jugendlichen. Und alles dient zur Erreichung unserer Mission: ‚Stopp der Ausgrenzung, Werte schaffen’." (P2) Ein ähnlich illustratives Beispiel bietet folgende Stiftung, deren Geschäftsführer den Fokussierungs- und Entwicklungsprozess von Mission und inhaltlichen Eckpfeilern folgendermassen beschreibt: "Die Mission sieht heute in etwa so aus: ‚Wir wollen, dass Kinder in einem Umfeld frei von Gewalt, im Schutz einer Gemeinschaft eine Ausbildung geniessen können.’ Früher war es offener: ‚Das Wohlbefinden der Menschen’ oder so ähnlich. Man hat nun zum einen die Priorität dem Schutz der Kinder und der Ausbildung dieser gegeben. Zum zweiten will man die medizinische Forschung unterstützen, damit auch wieder insbesondere Kinder nicht wegen Krankheiten die ersten zwei Sachen, Schutz und Ausbildung, nicht erleben können." (P24) Neben einer thematischen Konkretisierung der Stiftungstätigkeit und einer damit verbundenen Auswahl der Zielgruppe(n) gehört zu den Festlegungen der inhaltlichen Eckpfeiler auch die Festlegung eines oder mehrerer Interventionslevel. Diese können als eine Art Wegdefinition verstanden werden, nicht im Sinne einer konkreten, detaillierten Wegbeschreibung, wie sie in der Æ Stiftungsstrategie (Kap. 9.2, S. 288) vorgenommen wird, aber doch als bewusste Richtungswahl auf einer "Wegkreuzung". Ziel ist es, den Weg einzuschlagen, der für die Umsetzung der Mission am zweckmässigsten erscheint und der für die Stiftung machbar ist. Ein Geschäftsführer einer mittelgrossen Stiftung zeigt die Notwendigkeit der Bestimmung des Interventionslevels am Beispiel der Geschlechterfrage auf: "If you’re a foundation, what you should do is to actually invest in finding a way to change the actual gender bias in the equation.” (P11) Um diese Wegmöglichkeiten illustrativ vorzustellen, wird im Folgenden auf einen Text von Frumkin (2005, S. 209 ff.) zurückgegriffen, der zusammengefasst und in deutscher Übersetzung die verschiedenen Interventionslevels vorstellt, im Sinne von grundsätzlich "begehbaren" Wegen zur Verwirklichung der Mission. Frumkin unterscheidet dabei fünf Interventionslevels, die zwar analytisch unterschieden werden Interventionslevel festlegen FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 243 können, jedoch in der Praxis durchaus Überschneidungen oder richtig kombiniert auch Synergiepotentiale aufweisen können: 1. Individuen 2. Organisationen 3. Netzwerke 4. Politik 5. Forschung Die Interventionslevels werden bei Frumkin am Beispiel "Wandel der öffentlichen Schulbildung" ("public education") vorgestellt. Die Beschreibung des ersten Interventionslevels Individuen erfolgt anhand des Pro- Individuen jekts "Broad Residency". Diese Ausbildungseinrichtung bereitet junge, talentierte Führungskräfte, die derzeit nicht im Schulbereich arbeiten, für eine Leitungsfunktion in städtischen Schulbezirken vor. Als Begründung formuliert die Broad Foundation als Initiatorin der "Broad Residency", dass genau diese talentierten Führungskräfte "von aussen" fehlen, um notwendige Reformen im Schulbereich anzustossen und auch umzusetzen. Das dahinter liegende Ziel ist klar: Diese Führungskräfte sollen als "change agents" wirken, um die Reformen im Sinne der Broad Foundation durchzusetzen. In diesem Fall wird also direkt auf Individuen fokussiert. Die Ausbildung von Führungskräften bewirkt einen Wandel "Person für Person", die dann ihrerseits den Wandel des Schulsystems selbstständig weiter vorantreiben. Dieser "Wandel" des Systems ist zwar das - mittelbare - Ziel der Stiftung, sie selbst sorgt unmittelbar jedoch nur für den "Wandel" von Individuen. Der Ansatz des New School Venture Funds fokussiert sich im Gegensatz zur Broad Foundation nicht auf Individuen, sondern auf Organisationen. Die Rolle des Funds besteht dabei darin, entsprechenden Organisationen neben Geld- auch Managementunterstützung zu bieten, z. B. indem ein Mitglied der Stiftung im Board (Verwaltungs-/Aufsichtsrat) Einsitz nimmt, oder z. B. als Delegierter die weitere personelle Entwicklung unterstützt (Profilerstellung von Mitarbeitern, Leitung von Auswahlverfahren etc.). Ebenso wird das Management unterstützt bei der Strategieentwicklung und beim weiteren Fundraising. Dem New School Venture Fund geht es darum, mehr Organisationen 244 FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess als nur einen Scheck auszustellen. Er will die organisationale Kapazität der Partnerorganisation mitentwickeln. Eine Sonderform dieses Interventionslevels, der Unterstützung von Organisationen, ist die - auch "notfallmässige" - Sicherstellung von Aktivitäten oder Serviceleistungen. Es geht dabei weniger um ein Entwickeln der Organisation, sondern um ein "keeping good things going" (Unwin 2004, S. 21). Diese Unterstützung kann z. B. auch Sportvereinen, Gesangsvereinen oder dem Roten Kreuz zugute kommen. Die Annenberg Foundation geht einen dritten Weg. Um den Wandel des Schulsys- Netzwerke tems voranzutreiben, baut sie die "Coalition of Essential Schools" auf. Das ist ein Netzwerk von Schulen und Zentren, die zusammenarbeiten mit dem Ziel "to create schools where each child is known well and learns to use his or her mind as well." Zentraler Baustein des Netzwerks ist der Aufbau einer Community von Lehrern, Eltern, Schülern und Politikern, die "best practices" austauschen und sich gegenseitig Rat geben. Der Netzwerkgedanke entspricht der Vorstellung der Stiftung, dass Wandel nur dann stattfinden kann, wenn Koordinierungskräfte vorhanden sind, die eine Zusammenarbeit und einen Austausch ermöglichen. Eine vierte Möglichkeit, Wandel zu erreichen, ergreift der Unternehmer und Stifter Politik Tim Draper. Er engagiert sich stark in einer Wahlkampagne für einen Bildungsgutschein für Jugendliche in Kalifornien. Er setzt seine Zeit und sein Geld für diesen einen Abstimmungskampf ein, und falls er gewinnen würde, wäre das gesamte Bildungssystem durch eine einzige Intervention auf politischer Ebene geändert worden. Die Thomas B. Fordham Foundation schliesslich fokussiert ihr Engagement weder auf die Ausbildung von Individuen, noch auf die Entwicklung von Organisationen oder Netzwerken. Auch direkte politische Eingriffe werden nicht gewählt, sondern im Fokus stehen die Förderung von Forschung, in diesem Fall zur Evaluation und Performancemessung der Qualität von Bildungseinrichtungen. So sollen neue Einsichten und innovative Lösungen im Bildungsbereich lanciert werden. Die Forschungsergebnisse werden zudem über das stiftungseigene Medium des landesweit vertriebenen Magazins "Education Next" verbreitet, um so die Wirkung zu potenzieren (Æ Kap. 10.5 Dissemination, S. 372, Æ Kap. 10.6 Replikation, S. 378). Forschung FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 245 Die Entscheidung für ein bestimmtes Interventionslevel ist für eine Stiftung von grosser Bedeutung, da sie die Æ Stiftungsstrategie (Kap. 9.2, S. 288) in den einzelnen Auswirkungen beachten Wirkungsfeldern und die Auswahl der Projektpartner prägt (Æ Kap. 10.2 Projektselektion, S. 341). Ausserdem bringt eine Änderung des Levels Schwierigkeiten mit sich, da mit der Spezifikation des Interventionslevels auch ein Kompetenzaufbau einhergeht, der eine gewisse "path dependency" nach sich zieht. Bei den Überlegungen zum Interventionslevel stellt sich immer auch die Frage, ob es nicht möglich oder sinnvoll ist, auf mehreren Levels tätig zu sein. Grundsätzlich können mehrere Interventionslevel verfolgt und eine weitere Spezifikation erst auf strategischer Ebene (je Wirkungsfeld, Schwerpunkt oder gar je Projekt) vorgenommen werden (ÆKap. 9.2 Stiftungsstrategie, S. 288). Insbesondere Stiftungen mit mehreren inhaltlichen Schwerpunkten (die, wie oben erwähnt, die Mehrzahl der Stiftungen aufweisen im Sinne von "Stiftungen mit mehreren Missionen") können je Eckpfeiler jenes Interventionslevel identifizieren, auf dem sie am ehesten die gewünschte Wirkung entfalten können. Durch die Notwendigkeit bestimmter Kompetenzen je Interventionslevel ist ein solches Vorgehen jedoch eher für finanziell gut dotierte Stiftungen sinnvoll, da sie die entsprechenden Kompetenzen vorhalten bzw. aufbauen können (ähnlich auch Frumkin 2005, S. 213). Eine Stiftung kann jedoch z. B. den Weg verfolgen, über mehrere Jahre hinweg die einzelnen Levels "innerhalb" eines bestimmten thematischen Rahmens nacheinander abzuarbeiten. Anfangs kann die "Produktion neuer Ideen" im Vordergrund stehen, die dann versucht werden, in die Politik einzuspeisen. In einer nächsten Phase könnte dann die Bildung von Netzwerken zur Dissemination der Ansätze und zum Austausch von Erfahrungen unterstützt werden. Parallel dazu könnten Organisationen gefördert werden, die diese Ideen im Rahmen von Modellversuchen umsetzen oder bei denen Trainingsangebote auf individueller Ebene im Zentrum der Stiftungsaktivitäten stehen (vgl. Frumkin 2005, S. 209 ff.). Eng mit diesen Fragen verbunden ist auch eine Abstimmung der Stiftungstätigkeit mit den Aktivitäten anderer Stiftungen oder Organisationen. Eine Stiftung konzentriert sich z. B. auf ein Interventionslevel und baut dort umfangreiche Kompetenzen auf. Dazu passende ergänzende Aktivitäten auf weiteren Interventionslevels werden von anderen Organisationen erbracht. Hierbei kann eine passive ("Welches Interventions- Stiftungstätigkeit abstimmen FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 246 level ist noch unbearbeitet?") oder aktive ("Wer bearbeitet ein Themenfeld gemeinsam mit uns?") Abstimmung vorgenommen werden. Damit wird gemeinsam eine höhere Wirksamkeit bei der Bearbeitung der identifizierten gesellschaftlichen Knappheit verfolgt (vgl. Then 2004, S. 14 ff). Fragen nach Æ Kooperationen (Kap. 11.4, S. 427) oder Æ Replikation (Kap. 10.6, S. 378) bisheriger Projekte schliessen sich hier an. Durch die inhaltliche Ausgestaltung und Abstimmung der Stiftungstätigkeit wird auch ein eigenständiges Profil einer Stiftung formiert, das in der Æ Stiftungsstrategie Profil erarbeiten (Kap. 9.2, S. 288) weiter ausgearbeitet wird. Im Rahmen der Profilentwicklung (durch Auswahl der inhaltlichen Eckpfeiler und entsprechender Wirkungsfelder) steht zwar nicht ein (Verdrängungs-) Wettbewerbsgedanke im Vordergrund, wie etwa bei Privatunternehmen, dennoch darf nicht jeglicher Wettbewerb "per se" ausgeschlossen werden (z. B. um gute Projektpartner, um innovative Ansätze, um gesellschaftliches Ansehen). Diese Sichtweise wird auch im Stiftungsbereich bestätigt, so z. B. der hier zu Wort kommende Geschäftsführer einer grossen Stiftung: "Also, es gibt wenige Stiftungen, die sich so konzentriert auf die Geisteswissenschaften beziehen, wie wir das machen. Und dann sind wir noch einmal eine Ausnahme, weil wir die historischen Geisteswissenschaften im Programm haben. Also insofern haben wir da schon eine Nische besetzt oder uns ein einmaliges Profil erarbeitet. Das soll auch dazu führen, dass wir in unserem Bereich bekannt sind und die besten Projekte und Personen anziehen. Es ist uns schon ein Anliegen - und man hört es gerne - wenn einem ein Geisteswissenschaftler erzählt: ‚Wer ein Stipendium unserer Stiftung hat, ist erste Wahl’. Das ist für uns in dem Fächerspektrum, in dem wir tätig sind, schon ein Ziel und eine Bestätigung unserer Arbeit, wenn wir so etwas hören." (P10) Die bisher angesprochenen inhaltlichen Aspekte sind zentrale Bausteine der sog. Theory of Change (Anheier/Leat 2005, Frumkin 2005, Kramer 2001), also der Spezifizierung von Zielen und erwarteten Wirkungen sowie der Schaffung von Voraussetzungen, diese einzulösen. Eine "Theory of Change", mit der Entwicklung einer orientierenden und begründeten Mission, den konkretisierenden Festlegungen inhaltlicher Art, z. B. Zielgruppen oder Interventionslevel, stellt zusammen mit den auf diesen Theory of Change entwickeln FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 247 grundlegenden Festlegungen basierenden strategischen Entscheidungen (Æ Kap. 9.2 Stiftungsstrategie, S. 288) die Grundlage für jegliche Stiftungstätigkeit dar. Dies gilt unabhängig davon, ob die Stiftung sich den Innovatoren oder Stabilisatoren zurechnet (vgl. Kap. 2.3 Funktionen und Legitimationen, S 47), ob sie den Männergesangverein Wittenbach für den Kauf neuer Noten oder das Institut für Betriebswirtschaft der Universität St. Gallen zur wissenschaftlichen Aufbereitung von Ansätzen im Stiftungsmanagement unterstützt. Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich der Spezifizierung der inhaltlichen Eckpfeiler: 13. Welche grundlegenden inhaltlichen Stossrichtungen und Zielgruppen lassen sich aus der Mission ableiten? 14. Auf welchem Interventionslevel gesellschaftlichen Knappheiten? 15. In wie weit werden bei der Festlegung der inhaltlichen Eckpfeiler die Aus- und Wechselwirkungen beachtet (z. B. Stiftungsstrategie, Ressourcenbedarf) und Vorgaben berücksichtigt (z. B. Stiftungsurkunde) 16. Wie sind die Stiftungstätigkeit und die Aktivitäten anderer Institutionen mit ähnlichen Grundanliegen oder der Fokussierung auf ähnliche gesellschaftliche Knappheiten abgestimmt, um gemeinsam einen möglichst grosse Wirkung zu erzielen? 17. Wie unterscheidet sich durch die in den o. g. Fragen thematisierten Entscheidungen das Profil der Stiftung von anderen Institutionen mit ähnlichen Aktivitäten? 18. Wie lauten die ersten Bausteine einer umfassenden Theory of Change, an der sich die Stiftung orientiert? 9.1.4 erfolgt die Bearbeitung der identifizierten Festlegungen zur Förder- und Anlagepolitik Die Festlegungen im Bereich der Förderpolitik haben Richtliniencharakter für die sich daran anschließenden Handlungsfelder. Ausserdem beziehen sie sich auf vorangegangene Entscheidungen wie z. B. die Æ Spezifizierung der inhaltlichen Eckpfeiler (Kap. 9.1.3, S. 239), aber auch auf den Æ Stifterwillen (Kap. 9.1.1, S. 229) und dessen Interpretation. Den Förderansatz, den die Stiftung verfolgen kann und möchte, sowie damit verbunden das jeweilige Engagement der Stiftung gilt es ehrlich (z. B. auf Basis vorhandener Ressourcen) und systematisch (z. B. im Hinblick auf Implikationen für Förderansatz und -engagement festlegen FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 248 die tägliche Arbeit) zu durchdenken. Bereits bei der Diskussion der Stiftungsfunktionen (vgl. Kap. 2.3) wurden drei generische Stiftungstypen vorgestellt, die hier nochmals kurz genannt werden sollen. Anhand dieser können illustrativ Förderansätze und -engagements beschrieben werden: 1. Gift Givers 2. Social Investors 3. Social Entrepreneurs Gift Givers arbeiten meist responsiv (reaktiv), d. h. sie warten auf Anträge, deren Gift Giver Themengebiet sie mehr oder weniger vorgegeben haben durch die Kommunikation des Stiftungszwecks, der Mission und ggf. der inhaltlichen Eckpfeiler. Auf der Grundlage der eingegangenen Anträge treffen sie ihre Entscheidungen für oder gegen die Finanzierung des Projekts (nachfrageinduzierte Stiftungstätigkeit). Sie verfolgen meist einen ausgeprägten "Hands-off-Ansatz", da sie sich eher als Finanzintermediäre verstehen, die wenig mehr tun, als einen Scheck auszustellen (Æ Kap. 10.3 Projektcoaching, S. 354). Im Gegensatz zu den Gift Givers investieren Social Investors meist viel Zeit, um ihr Wirkungsfeld zu spezifizieren und ihre Projektpartner auszuwählen (Æ Kap. 10.2 Projektselektion, S. 341). Je nach Risikopräferenz suchen sie ein eher "sicheres, solides" Tätigkeitsfeld ("to produce steady, if unexiting, results") oder ein "unbekanntes, neues" Tätigkeitsfeld ("because this is where the future lies", beide Zitate Leat 1999, S. 128). So arbeitet ein "Social Investor" zwar möglicherweise auch responsiv, indem er sich bei der Auswahl von Projekten ausschliesslich auf die eingegangenen Anträge beschränkt, aber die Auswahl wird nach sehr differenzierten Kriterien getroffen und z. T. mit grossem Aufwand durchgeführt. Er reagiert somit in einem gewissen Sinn auf eine bestehende heterogene Nachfrage, kann aber durchaus inhaltlich eine Innovationsfunktion übernehmen. Durch gezielte Ausschreibungen können sogar Themen proaktiv lanciert werden. "Social Investors" arbeiten nicht mit einem typischen "Hands-off-Ansatz", sondern bemühen sich, ihre "Investition" auch bis zum Ende zu begleiten und versuchen, durch Æ Dissemination (Kap. 10.5, S. 372) und Æ Replikation (Kap. 10.6, S. 378) das Wirkungspotential weiter auszuschöpfen. Social Investor FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 249 Social Entrepreneurs greifen die Idee der Social Investors auf und führen sie konsequent weiter. Ihrer Tätigkeit liegt die proaktive Lancierung eigener Themen und Pro- Social Entrepreneur jekte zugrunde. Immer häufiger werden gar die Projektpartner ganz gezielt ausgesucht (Æ Kap. 10.1 Projektakquisition, S. 330). Diese Arbeitsweise folgt dem Konzept der meritorischen Güter. Proaktives, unternehmerisches Stiftungsmanagement verstanden als "Social Entrepreneurship" (vgl. Kap. 2.3) setzt dabei ein intensives Engagement (Hands-on) bei der Projektbegleitung voraus (z. B. Unterstützung beim Projektdesign, zur Verfügung stellen von Kontakten, aktives Coaching). Das erfordert einen hohen Grad an Sachkenntnis der Mitarbeiter, was wiederum höhere Personal- und Administrationsaufwände nach sich ziehen kann (vgl. Anheier 2005a, S. 317 f.; Leat 1999, S. 128 f.) und auch entsprechender organisatorischer Rahmenbedingungen bedarf (Æ Kap. 9.1.5 Gestaltung der Aufbauorganisation, S. 258). Ein Stiftungsratspräsident bestätigt die mit einer proaktiven Arbeitsweise zusammenhängenden Herausforderungen: "Dies impliziert eine personellen Veränderungen, denn weil die Anforderungen dieser selbst initiierten, proaktiv in die Wege geleiteten Projekte nun derart anspruchsvoll geworden sind, müssen wir auch personell aufstocken. Es ist wirklich eine Art Übung, bei der wir darauf geachtet haben, dass wir das Pferd vor dem Wagen hatten und nicht umgekehrt. Wir haben bewusst gesagt, dass wir statt einer rein passiven Stiftung - man bekam Anträge, man hat sie angeschaut, man hat darüber befunden, man hat sie abgelegt, man hat sie verfolgt, man wartete wieder auf neue usw.- zu einer proaktiveren Art der Stiftungsarbeit übergehen." (P3) Die Social Entrepreneurs unter den Stiftungen beschränken sich allerdings nicht nur auf grosse Stiftungen, auch kleinere Stiftungen können durchaus innovationsfördernde Anschubfinanzierungen und hilfreiche Projektbegleitung leisten (ähnlich Letts et al. 1997). Diese drei Stiftungstypen und ihre Eigenschaften bezüglich Förderansatz und Engagement kommen selbstverständlich in der Praxis selten in "Reinform" vor. Mischformen können auch sehr innovative Ansätze aufweisen, indem z. B. Stiftungen auf Antrag Teile ihrer Projektmittel vergeben, jedoch die Anträge gleichzeitig in ein umfassendes Themenscreening einfliessen lassen. Dieses Screening ist Vorstufe zur Ent- Mischformen FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 250 wicklung eigener Themen, die sehr "eng" bei den Bedürfnissen der Gesellschaft liegen. Weitere Möglichkeiten sind z. B. eine Beschränkung auf wenige proaktive, unternehmerische Projekte aufgrund der geringen Ressourcenausstattung der Stiftung, trotzdem muss nicht gänzlich auf diese verzichtet werden. Die zu den einzelnen Stiftungstypen und -engagements passenden Förderinstrumente, z. B. Preise, Stipendien, Infrastrukturbeiträge oder "matching grants", sind Bestandteil der Æ Stiftungsstrategie (Kap. 9.2, S. 288). Eine Stiftung kann jedoch Grundsätze zu Förderinstrumenten festlegen grundsätzlich in der Förderpolitik beschliessen, einzelne Förderinstrumente auszuschliessen oder nur ein bestimmtes Förderinstrument einzusetzen (z. B. Preise). Dies kann auch bereits vom Stifter bestimmt sein (Æ Kap. 9.1.1 Stifterwille, S. 229; Æ Exkurs: Gründungsleitfaden, S.221). Ein Vorwurf an Stiftungen, der in der Literatur häufig genannt wird, ist das häufige Festhalten an sog. "funding rules" (vgl. Anheier/Leat 2005, Kapitel 2, S. 6). Die Autoren kritisieren, dass im Bereich der Förderpolitik beschlossene Richtlinien es nicht Grundsätze zur Förderhöhe festlegen erlauben, die Förderhöhe an den Bedürfnissen der Projekte auszurichten (z. B. man macht "aus Prinzip" nur Grossprojekte oder Kleinstvergabungen). Je nach Vorgaben des Stifters sollten die Richtlinien in der Stiftungspolitik möglichst flexibel gestaltet werden, damit in der Æ Stiftungsstrategie (Kap. 9.2, S. 288) die Ressourcenallokation bedarfsgerecht erfolgen kann. Eine Möglichkeit im Bereich der Förderpolitik diese Flexibilität zu gewährleisten, kann z. B. die Einführung eines jährlichen Budget sein, das für Kleinstprojekte zur Verfügung steht, während mit dem anderen Teil proaktive und grössere Projekte verfolgt werden. Grundsätzlich sollte die Förderhöhe ein Bestandteil der Æ Stiftungsstrategie (Kap. 9.2, S. 288) sein, im Zusammenspiel mit dem Æ Selektionsprozess (Kap. 10.2, S. 341) für Projekte. Bei relativ vielen und relativ kleinen Vergabungen - und dazu noch in einem weiten Feld - wird vom Giesskannenprinzip gesprochen: "Also eben, dem einen geben sie neue Musikuniformen, und dem nächsten geben sie ein Beachvolleyballfeld […] das ist keine Kritik, aber es ist einfach so, dass eine Vergabestiftung schon zum Giesskannenprinzip neigt, und oft keine Projektraster hat. Der Beitrag hängt dann von Zufälligkeiten ab, z. B. wer zu welchem Zeitpunkt kommt und ein Gesuch stellt." (P20) Gieskanne vs. Strategic Philanthropy FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 251 Zwar wird vor allem in der älteren amerikanischen Literatur dieses Giesskannenprinzip, oder das "spray and pray" (Frumkin 2005, S. 21), als urdemokratisch und responsiv auf die Bedürfnisse der Gesellschaft bezeichnet. In der neueren Literatur jedoch wird es eher kritisch gesehen: "Whilst some might argue that this ‘let 1000 flowers bloom’ approach is inherently democratic, normal and typically American, I suggest it is autocratic, ineffective and willful - and typically American" (Skloot 2001, S. 3). Doch auch in der Schweiz ist das Giesskannenprinzip durchaus be- und anerkannt, "weil wir finden, dass es auch Zugangsmöglichkeiten für das kreative Potential der Gesellschaft braucht. Das sagt z. B. die XY-Stiftung ganz bewusst: wir finden die Gesellschaft hat genügend Ideen, wir müssen nicht auch noch eigene bringen. Das wiederum ist eigentlich ein ehrliches Bekenntnis, wenn man sagt, Kreativität ist da - wir müssen uns nicht auch noch da auf die Gesellschaft loslassen." (P26) Das Giesskannenprinzip kann auch eine besondere Form des Risikomanagements sein. Viele Stiftungen versuchen durch Klein- und Kleinstvergabungen ihr Risiko zu minimieren. Risiko154 darf zwar niemals ein Ziel "an sich" sein. Aber Stiftungen müssen und sollen auch Risiken eingehen. Beim Risikomanagement geht es nicht darum, Risiken auszuschliessen, sondern darum, Risiken richtig einschätzen zu können. Beim Giesskannenprinzip steht das Ausschliessen von jeglichem Risiko im Zentrum, was aber zu Lasten wirkungsvoller und messbarer Resultate geht. Meist werden sog. dringliche Bedürfnisse "abgearbeitet", bei denen Bedürftigen Ressourcen in Form von finanziellen Beiträgen, Nahrung, Wohnraum etc. zur Verfügung gestellt werden. Diese haben meist auch den Vorteil, dass ein sichtbarer und quantitativ messbarer Output aus den Tätigkeiten resultiert. Im Gegensatz dazu stehen bei der Strategic Philanthropy Veränderungen des "Systems" oder das Anpacken der "root causes" im Vordergrund, die jedoch schwerer messbar sind und gemäss Prager (in Anheier/Leat 2005, Chapter 2, S. 11) von Stiftungen ein systematisches und strategisches Vorgehen erfordern: "To make a difference foundations should act systematically to strategically deploy all available resources." Diese Meinung ist zunehmend anerkannt, wie ein Geschäftsführer einer grossen Stiftung bestätigt: 154 Gemäss Kramer (2002) ist ein Risiko z. B. "when a foundation decides to focus all its grant making on a single area, declares that it will give away 12 percent of its assets every year, or devotes half of its grants budget to one project." FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 252 "Man kann das Stiftungsgeschäft auf zwei Arten machen. Entweder man ist reiner Beitragsgeber, und dann sind das wichtigste tiefe administrative Kosten. Man reagiert nur auf Gesuche, man gibt einfach Beiträge, ist ‚Giftgiver’, man ist sehr breit tätig, man will, ich sage das jetzt ein wenig überspitzt, Geld loswerden. Das ist die eine Art, wie es sehr verbreitet ist, auch weil man absolut risikoavers ist. Das ist die eine Haltung. Und die andere Haltung ist, dass man eine Veränderung herbeiführen will. Der Veränderungswunsch hat dann eine grosse Bedeutung. Und das bedeutet, dass wir Risiken auf uns nehmen müssen, Risiken nicht bei den Anlagen, sondern bei den Projekten. Bei den Projekten, die wir machen, wissen wir nicht immer von Anfang an, dass sie ‚gut’ rauskommen. Für uns geht es dann um die Frage: Welches sind die Methoden, wo sind die Gebiete, wo können wir anpacken und mit unseren bescheidenen Mittel etwas zu erreichen?" (P7) Im Bereich der Förderpolitik bedarf es deshalb Richtlinien zur Handhabung von Risiken - und damit verbunden die "Sicherheit", sich vom Giesskannenprinzip etwas entfernen zu können in Richtung zielorientierter und strategischer Projektarbeit. Doch wie kann das Risiko "bewirtschaftet" werden? Ein Geschäftsführer einer grossen Stiftung nimmt dazu Stellung: "Das Risiko liegt in der Natur der Sache. Es liegt in der wissenschaftlichen Arbeit selbst. Sie kennen das Exempel, wo Leute ein Leben lang geforscht haben für nichts und aber nichts. Und dort würde ich sagen: Das Bindeglied in diesem Spannungsfeld ist, dass man wirklich seine besten Fähigkeiten und unter Einbezug der bestmöglichen Fachkräfte das Projekt mit der notwendigen Professionalität angeht, um eben die bestmöglichen Voraussetzungen fürs Gelingen zu schaffen. Das ist das Einzige, das man machen kann. Aber das heisst auch, dass man nicht gleichgültig einfach hineinlatscht und sagt: ‚Ja, das finde ich eine tolle Idee’. Das geht natürlich nicht." (P2) Grundsätze des Risikomanagements festlegen FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 253 Drei von Kramer (2000) identifizierte Risikofaktoren werden im Folgenden detailliert vorgestellt und als Möglichkeiten der Operationalisierung des Risikobegriffs vorge- Risikofaktoren identifizieren schlagen: Ideen Menschen Orte Unter Ideen als Risikofaktor versteht Kramer Projekte, die für die Stiftung nicht nur Ideen neu sind, sondern z. B. eine hohe Komplexität aufweisen oder eine geringe Popularität in der Öffentlichkeit besitzen und so inhaltliche Risiken aufweisen. Demgegenüber sinkt das Risiko z. T. beträchtlich, wenn Projekte "kopiert" oder durchgeführte Projekte einfach wiederholt werden. Menschen stellen ebenfalls einen Risikofaktor dar, wenn der Projektpartner nicht die Menschen notwendige Kompetenz oder Erfahrung zur Durchführung besitzt. Auf der anderen Seite können gerade Stiftungen auch unbekannteren, unerfahreneren Personen Möglichkeiten bieten, Projekte zu übernehmen und so Erfahrung zu sammeln, neue Perspektiven einzubringen und kreative Ansätze zu finden. Bei Vergabestiftungen kommt als Risikofaktor noch die "Principal-Agent"-Problematik hinzu, denn die Projektnehmer haben immer einen Informationsvorsprung vor der Stiftung, die auf der Basis unvollständiger Informationen ihre Selektion für diesen oder jenen Projektpartner treffen muss. Neben den Ideen und den Menschen stellen auch Orte einen Risikofaktor dar, denn Orte Projekte in einem bekannten Umfeld sind einfacher durchzuführen als in einem unbekannten Umfeld. Unterschiede in der Sprache, in der Kultur oder auch unterschiedliche Managementtraditionen, unterschiedliches Zeitgefühl u. a. erschweren die Durchführung von Projekten "in der Fremde". Auf der anderen Seite kann es die Mission erfordern, Projekte in einem der Stiftung nicht selbstverständlich bekannten Umfeld durchzuführen. In der Stiftungspolitik müssen Stellungnahmen zu den genannten drei und ggf. weiteren Faktoren erfolgen, die sich wiederum bei der Spezifikation der Wirkungsfelder (Æ Kap. 9.2 Stiftungsstrategie, S. 288) und in den stiftungsspezifischen Risikofaktoren und Selektionskriterien verknüpfen FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 254 Selektionskriterien wiederfinden müssen (Æ Kap. 10.2 Projektselektion, S. 341). Der Faktor "Ort" kann z. B. durchaus von der Mission bereits eingeschränkt sein, so dass dieser Risikofaktor nicht näher bestimmt werden muss. Eine allgemeine Einstellung zum Risiko kann ebenfalls bereits aus der Mission entstammen oder vom Stifterwillen ableitbar sein. Grundsätzlich gilt, dass das identische Projekt für die eine Stiftung ein sehr hohes Risiko aufweist, für die andere jedoch nicht (vgl. Kramer 2000). Die o. g. grundsätzlichen Einstellungen zum Risiko nehmen neben früheren Erfahrungen aus Projekten, bestehenden Ressourcen etc. Einfluss. Als Grundlage aller Festlegungen gilt dabei, dass Stiftungen nicht "followers of fashion" (Anheier/Leat 2005, Chapter 2, S. 6)155 sein sollten, sondern dass sie "Projekte verfolgen dürfen, die Risiken beinhalten. Nur so kommt man zu neuen Erkenntnissen." (P20) Ähnlich hierzu aus der Literatur ein Zitat von Anheier und Leat (2005, Chapter 6, S. 10): "Creativity requires space and freedom. Flexibility is also necessary to take advantage of unforeseen opportunities, new points of access and leverage for change” (ähnlich auch Kramer 2002a; Toepler/Feldman 2003, S. 2). Implizit angesprochen und kritisiert wird damit auch das weit verbreitete sog. "Silo Funding", bei dem in immer gleichartige Projekte "investiert” wird, ohne Chance (und Interesse?) auf Neues (vgl. Anheier/Leat 2005, Chapter 2, S. 8). Neben diesen grundsätzlichen Festlegungen im Bereich der Förderpolitik (Mittelverwendung) müssen in der Stiftungspolitik auch Richtlinien zur Anlagepolitik (Mittelherkunft und -generierung) formuliert werden. Die gesamte Anlagepolitik kann als eine Hauptaufgabe des Stiftungsmanagements bezeichnet werden (Æ Kap. 9.1.6 Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten, S. 263), denn "wenn das ganze Vermögen in einer Aktie investiert ist, und es passiert etwas, dann kann man sich ausrechnen, dass die Verantwortlichkeit relativ rasch festgestellt ist. Bei grossen Vermögen hat man meist entsprechende Vermögensverwalter eingeschaltet, um sich so auch abzusichern. Aber gerade bei einer mittleren Stiftung ist das nicht so ohne weiteres möglich." (P22) 155 Anheier (2005, Chapter 2, S. 6) fast zusammen, unter Bezugnahme auf McIlnay (1998), dass "foundations follow, rather than starting things. For example, the civil tights movement began in 1955 with the Montgomery bus boycott, but foundation grants were not significant until 1962.” Ähnlich argumentiert auch Prewitt (1999). Richtlinien zur Anlagepolitik festlegen FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 255 Das Thema Anlagepolitik bedarf also einer intensiven Auseinandersetzung und der Verabschiedung verpflichtender Grundsatzentscheide und Richtlinien. Doch ist Vorgaben beachten dieses Themenfeld sehr eng verzahnt mit der Æ Stiftungsstrategie (Kap. 9.2, S. 288) einer Stiftung und darüber hinaus gilt es, die Festlegungen zur Anlagepolitik im Supportprozess (Æ Kap. 11.1 Finanzmanagement, S. 384) umzusetzen. Einige Vorgaben stammen zudem bereits aus der Æ Stiftungsurkunde (Exkurs: Gründungsleitfaden, S. 221), so z. B. die Festlegung der Lebensdauer der Stiftung und der damit verbundenen Implikationen hinsichtlich der Anlagerendite. Richtlinien können neben dem Grundsatz der sicheren und Ertrag bringenden Vermögensanlage auch weitere Grundsätze zu den Anlagezielen enthalten. Ein Ziel kann z. B. sein, bereits durch die Vermögensanlage einen Beitrag zur Umsetzung der Mission zu leisten. In diesem Zusammenhang gibt es Stiftungszwecke und Formulierungen von Missionen, die es kaum sinnvoll erscheinen lassen, die Vermögensanlage an reinen Performance-Kriterien auszurichten. Jedoch ist Jed Emerson (2003) überzeugt, dass viele Stiftungsmanager überrascht wären, wie wenig sie durch die Vermögensanlage die Mission ihrer Stiftung unterstützen, sondern ihr sogar entgegen arbeiten. Ein eindrückliches Beispiel stammt aus dem Bereich des Empfängers von Stiftungsgeldern, der die Unterstützung einer Stiftung abgelehnt hat mit der Begründung, dass nicht auf der einen (Output-) Seite "gute" Projekte unterstützt werden können, während auf der anderen (Input-) Seite dieses Geld ja erst dazu führt, dass es überhaupt solche Projekte braucht. So beschreibt ein Geschäftsführer einer mittelgrossen Stiftung: "When I was at WHO, I was running the tobacco pre-initiative. Rockefeller wanted to give us a huge amount of money from their foundation and I basically said: ‘Hang on guys, you are totally invested in British & American Tobacco.’ They wanted to give us a grant out of their 5% to combat tobacco diseases! But we had to say: ‘No, unless you divest your tobacco stocks.’” (P11) Dieses Beispiel verdeutlicht die Anforderung an eine durchgängige Vermögenspolitik in zweierlei Hinsicht. Einerseits ist es im obigen Beispiel für die WHO nicht vereinbar, Fördermittel entgegenzunehmen, die aus Quellen stammen, die ihrer Mission entgegengesetzt sind. Andererseits war es der Rockefeller Foundation nicht bewusst, dass ihre Anlageentscheide fundamental mit potentiellen Projekten konfligieren. Anlageziele spezifizieren Mission FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 256 Eine Stiftung muss sich die Frage stellen, ob und mit welcher Begründung sie Chan- Rendite cen zur Umsetzung des Stiftungszwecks auf der Anlageseite auslässt und die Vermögensanlage und Zweckumsetzung vollständig trennt. Sicherlich bestehen legitime Renditeansprüche, da eine Stiftung, die von Vermögenserträgen lebt, auch die Ertragssituation optimieren muss, wie auch ein Geschäftsführer einer grossen Stiftung bestätigt, denn "wir müssen das Vermögen so anlegen, dass es jährliche Erträge gibt. Also es könnte mal ein Jahr aussetzen, aber eigentlich sind die Erträge ja das, aus dem wir dann die Fördermittel bestreiten. Wenn wir das Vermögen so anlegen, dass wir erst in zehn Jahren wieder einen Gewinn machen, z. B. durch Verkauf von Immobilen, dann können wir den Förderzweck nicht erfüllen." (P10) Eine andere Meinung aus den Reihen der Stiftungspraktiker besagt, dass eine Verbindung zwischen Anlage und Zweck grundsätzlich nicht notwendig und auch nicht machbar ist: "Eine Stiftung muss die Anlage und die Projekte trennen, da die Grenzen nicht erkennbar sind. Die Leute betrügen sich selbst, denn in jedem Panzer ist z. B. ein Siemens-Produkt. Eine Stiftung kann nicht kontrollieren, was eine Firma, in die investiert wurde, alles macht. Alles, was Finanzanlagen betrifft, soll nach einer Maximierungslogik betrieben werden. Eine Vermischung zwischen Zweck und Rendite ist scheinheilig und darf somit kein Thema für Stiftungen sein, da die Grenze gar nicht sichtbar ist. Der Stiftungszweck kann nicht über Anlagen vollzogen werden, solche Anlagen sind purer Marketingtrick." (P6) Dennoch gibt es Meinungen in der Stiftungslandschaft, die dieses Spannungsfeld offensiv thematisieren und die Potentiale zur Zweckumsetzung bei der Vermögensanlage erkennen - auch unter Renditegesichtspunkten. Notwendig dabei ist eine Priorisierung der unterschiedlichen Anlageziele. So bestätigt ein Geschäftsführer, dass "man fragen kann: Was ist denn eigentlich entscheidend? Ich habe diese Diskussion vorher schon einmal in einer anderen Stiftung gehabt, die im Bereich Umwelt tätig war. Da wurde ständig die Frage gestellt, ob man in grüne In- Anlageziele priorisieren und prüfen FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 257 vestments geht und damit sozusagen bereits etwas für die Umwelt getan hat […] aber möglicherweise keine Erträge generiert hat. Oder ist es umgekehrt völlig egal, wie man investiert, Hauptsache die Rendite stimmt? Im Moment käme für mich alles, was börsengelistet ist, als Investment in Frage. Wichtig wäre, aus meiner Sicht, eine möglichst hohe Rendite, um den Auftrag eben richtig umsetzen zu können, ohne dass ich den direkten inhaltlichen Zusammenhang zu der Tätigkeit der Stiftung sehen muss. Also wie gesagt, bei einer Umweltstiftung oder bei einer Stiftung, die sich im Gesundheitswesen engagiert, da ist es vielleicht nahe liegender. Bei uns müssten wir ja dann versuchen, wenn man das ernst nimmt, Investments zu finden, die im weitesten Sinne den Geisteswissenschaften zugute kommen. Aber interessanterweise haben wir gerade ganz aktuell einen Fall, der von uns geprüft wird, ob wir in einen Bildungsfonds investieren sollen. Also, es geht letztendlich einfach darum, Studien finanziell zu unterstützen, aus einem Fonds, in der Erwartung, dass die berufstätigen Absolventen die Mittel, die in ihre Ausbildung investiert wurden, wieder zurückzahlen. Das scheint mir persönlich ein ganz interessanter Anlagefonds zu sein, der dann allerdings auch ganz nah an unserem Stiftungszweck wäre. Also wenn ich darüber nachdenke, haben Sie vielleicht doch mehr Recht als ich. Wie gesagt, als Stiftung, die den wissenschaftlichen Nachwuchs unterstützt, in Bildungsfonds zu investieren, da könnte man, ein bisschen konstruiert, da könnte man sagen, gut, das deckt sich mit dem Stiftungszweck." (P10) Die Möglichkeiten, direkt durch die Vermögensanlage die Mission zu verfolgen, bleiben eher Einzelfälle, sollten aber situativ geprüft werden. Das Spannungsfeld Anlagerisiko, Rendite und "ethische Investments" ist ein dauerhaftes Thema im Stiftungsbereich, das im Bereich der Stiftungspolitik eine eindeutige Stellungnahme im Sinne von Richtlinien für die Ausgestaltung des Æ Finanzmanagements (Kap. 11.1, S. 384) notwendig macht. Wenigstens sollte eine Stiftung gewährleisten, dass die Anlageentscheide die Mission nicht konkurrenzieren. Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich der Festlegungen zur Förder- und Anlagepolitik: 258 FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 19. Welcher Förderansatz ist der am besten geeignete, um die in der Mission spezifizierten Ziele zu erreichen, unter Beachtung von Wechselwirkungen (z. B. Stiftungsstrategie, Ressourcenbedarf) und Vorgaben (z. B. Stiftungsurkunde)? 20. Welche Auswirkungen hat der gewählte Förderansatz auf das Förderengagement der Stiftung - und auf nachfolgende Entscheidungen (z. B. Ressourcen)? 21. Wie lautet die grundsätzlichen Festlegungen zu den Förderinstrumenten und der Förderhöhe für die inhaltlichen Eckpfeiler oder einzelne Projekte? 22. Wie lauten die grundsätzlichen Festlegungen zum Risikomanagement und erste, generische Risikofaktoren, die sich auch in den Selektionskriterien widerspiegeln? 23. Wie lauten die Richtlinien der Anlagepolitik unter Beachtung von Vorgaben durch den Stiftungszweck und die Stiftungsurkunde? 24. Welche Anlageziele können formuliert werden, die dem Finanzmanagement geeignete Vorgaben bieten? 25. Wie erfolgt die Priorisierung von sich teilweise konkurrierenden Anlagezielen? 9.1.5 Gestaltung der Aufbauorganisation Neben einer orientierenden Mission und der Festlegung inhaltlicher Eckpfeiler bedarf es für eine effektive und effiziente Umsetzung des Stiftungszwecks auch einer auf die Erfordernisse der Stiftungstätigkeit abgestimmten Aufbauorganisation der Stiftung. Denn für eine wirkungsvolle Erfüllung des Stiftungszwecks muss eine Vielzahl von Aufgaben professionell bearbeitet werden. Nach Chandler (1962) gilt grundsätzlich: "Structure follows Strategy", d. h. obwohl gewisse Strukturentscheidungen sehr früh, z. T. bereits bei der Gründung getroffen werden (müssen), ist der gesamte Strukturierungsprozess ein iterativer Vorgang. Insofern ist die hier vorgestellte Aufgabe mit deren einmaliger Bearbeitung keineswegs abgeschlossen, was im Übrigen für alle im FE-Cockpit verorteten Aufgaben und Handlungsfelder gilt (Lernende Organisation). Die "ersten" Strukturentscheidungen werden jedoch sinnvollerweise nach den richtungsweisenden Festlegungen hinsichtlich der Mission und den inhaltlichen Eckpfeilern sowie den Entscheidungen der Förderpolitik getroffen. In Erweiterung von Chandler kann demnach gesagt werden, dass insbesondere die Identität (identitätsstiftende Mission) einer Organisation sehr starken Einfluss hat auf Strategie, Umsetzung und letztlich die Struktur. FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 259 Das Ziel der hier beschriebenen Aufgabe einer Gestaltung der Aufbauorganisation liegt darin, die Integration (Synthese) der Aufgaben durch Bildung von Stellen und Aufbauorganisation festlegen Organisationsbereichen vorzunehmen. Es werden sachlich zusammenhängende Aufgaben gebündelt und führungsmässig einzelnen Stellen (Personen) und Organisationsbereichen (Gremien und Organen) zugeordnet. Mit den Instrumenten Stellenbeschreibung, Funktionendiagramm und Organigramm können diese Festlegungen, die Aufschluss über die Zuständigkeits-, Verantwortungs- und Informationsregelungen innerhalb einer Organisation geben, visualisiert werden. Durch die Aufbauorganisation erfolgt auch eine Strukturierung der Kommunikations- und Führungsbeziehungen (Weisungs- und Berichtslinien). Für das Schweizer Stiftungsrecht gilt, wie auch für die meisten anderen wichtigen "Stiftungsländer" (z. B. DE, USA, GB), dass der Grundsatz der privatautonomen Stiftungsorganisation herrscht (z. B. Sprecher/von Salis-Lütolf 1999, S. 113). In praxi Rechtliche Rahmenbedingungen beachten bedeutet dies, dass z. B. in der Schweiz lediglich ein Organ156 rechtlich verlangt wird, das die Geschäftsführung der Stiftung innehat und für diese handelt. Wenn notwendig, wird eine ausdifferenzierte Aufbauorganisation im sog. Organisationsreglement festgelegt. Der Stifter kann zwar bei der Gründung (Æ Exkurs: Gründungsleitfaden, S.221) bereits die Organisationseinheiten vorgeben, er sollte dies jedoch nicht in der Stiftungsurkunde, sondern in der Form eines Reglements formulieren, um damit den Organen in Zukunft die Möglichkeiten zu geben, die Organisationsstruktur den sich ändernden Erfordernissen anzupassen. Denn es dürfen von den Stiftungsorganen nur diejenigen aufbauorganisatorischen Freiheiten ausgenutzt werden, die dem jeweiligen Organ auch vom Stifter zugebilligt worden sind (durch die Urkunde bzw. durch das Reglement). Das Gesetz sieht in der Schweiz keine spezifischen Organe der Stiftung vor. Notwendig ist nur eines: "Die Organisation der Stiftung muss tatsächlich funktionieren" (Sprecher/von Salis-Lütolf 1999, S. 114). Überwiegend und für die meisten Stiftungen ausreichend weist eine Stiftung zwei Organe auf: einen Stiftungsrat und eine Revisionsstelle (verpflichtend seit der letzten Revision des Stiftungsrechts in der 156 Organe sind Organisationseinheiten, die bestimmte Aufgaben erfüllen. Dabei kann ein Organ aus einer oder mehreren Personen bestehen. "Entscheide oder Handlungen der Personen, die Mitglied eines Organs sind, gelten – sofern der Entscheid oder die Handlung im Zuständigkeitsbereich des Organs erfolgt – direkt als solche der Stiftung." (Sprecher/von Salis-Lütolf 1999, S. 115) 2 Organe: Stiftungsrat und Revisionsstelle 260 FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess Schweiz, bis anhin empfohlen und Bedingung für eine Übernahme der Aufsicht durch das EDI157). Wie bereits erwähnt, wird die Geschäftsführung vom Stiftungsrat (oder auch: Kuratorium, Vorstand, Präsidium - im Gesetz: "Verwaltung") besorgt. Der Stiftungsrat führt die Geschäfte und ist nach diesem Wortlaut auch "operativ", d. h. im Tagesgeschäft, tätig. Bei kleineren Stiftungen, bei denen die operativen Tätigkeiten (Sichtung von Gesuchen, Formulierung von Zu-/Absagen etc.) mit geringem Zeitaufwand verbunden sind, genügt dieses eine Organ, ggf. mit Unterstützung eines (Teilzeit-) Sekretariats. Bei grösseren Stiftungen empfiehlt sich jedoch, angelehnt an die Gesetzgebung der Aktiengesellschaft (vgl. OR 620 ff.), eine Aufteilung zwischen "Gestaltung und interner Aufsicht" (= Stiftungsrat) sowie "Leitung des täglichen Geschäfts" (= Geschäftsführung) vorzunehmen. Allenfalls können weitere Ausschüsse oder Beiräte, je nach Grösse der Stiftung, Stiftungszweck, Mission und Wirkungsfeld erforderlich sein. Grosse, teilweise operativ tätige Stiftungen strukturieren ihre Geschäftsführung z. B. nach Tätigkeitsschwerpunkten (z. B. Robert Bosch Stiftung, Bertelsmann Stiftung) oder nach geographischen Aktivitätsfeldern. Im Verlauf der empirischen Untersuchungen konnten die verschiedensten Ausgestaltungen der Aufbauorganisation identifiziert werden. Es überwiegt, auch aufgrund der Grösse der Stiftungen mit vorwiegend Klein- und Kleinststiftungen, die Stiftung mit nur einem geschäftsführenden Organ. Dennoch kann als Orientierung festgehalten werden, dass sich eine vom Stiftungsrat delegierte, nicht-ehrenamtliche, teil- oder vollzeitliche Geschäftsführung ab Ausschüttungen158 von jährlich durchschnittlich ca. CHF 1 Mio. lohnen kann, immer unter Beachtung der spezifischen Tätigkeitsfelder und des Stiftungstyps, dem sich die Stiftung verpflichtet hat. Legt eine Stiftung z. B. grossen Wert auf Æ Coaching (Kap. 10.3, S. 354) und Æ Dissemination (Kap. 10.5, S. 372) von Projektergebnissen oder auf eine proaktive Æ Projektakquisition (Kap. 10.1, S. 330), muss sich intensive Gedanken darüber gemacht werden, wer diese 157 Beim Eidgenössischen Departement des Inneren ist die Stiftungsaufsicht des Bundes angegliedert. National und international tätige Stiftungen werden hier beaufsichtigt. 158 Diese grobe Richtlinie beruht auf dem Zugrundelegen einer zumindest in der Schweiz fiktiven festgesetzten Ausschüttungsquote von 5% des Vermögens. Daraus ergibt sich dann, dass eine Stiftung mit etwa CHF 20 Mio. Vermögen rund CHF 1 Mio. Ausschüttungen pro Jahr tätigen kann. In den USA, wo die Ausschüttungsquote von 5% verbindlich ist und die administrativen Kosten in diese 5% eingerechnet werden dürfen, folgt daraus, dass als Richtlinie rund 10% der möglichen Ausschüttungen für die Administration verwendet werden sollten. Doch dieser Wert stellt lediglich eine Orientierung dar, von der aufgrund vielfältiger Gegebenheiten abgewichen werden kann, z. B. durch eine sehr proaktive Ausrichtung der Tätigkeit der Stiftung oder durch teilweise selbst durchgeführte Projekte. Dieser Prozentsatz kann selbstverständlich auch geringer sein, ohne dass darunter notwendigerweise die Arbeitsqualität der Stiftung leiden muss. Geschäftsführung FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 261 Aufgaben übernehmen soll: a) fallweise herbeigezogenen externe Personen, b) Mitglieder des Stiftungsrates, oder c) eine personell entsprechend ausgestattete Geschäftsstelle, an die der Stiftungsrat solche Aufgaben delegiert? Ein Stiftungsratspräsident einer mittelgrossen Stiftung verweist auf die Anfangszeit "seiner" Stiftung und begründet die heutige Notwendigkeit einer Geschäftsstelle mit der zugenommenen Korrespondenz: "Dazu gehörte zunächst einmal auch der Aufbau einer entsprechenden Geschäftsstelle, die in der Lage war, diesen schon zu meiner Zeit, als ich noch als Präsident auch die Geschäftsführung mit übernommen habe, stark angeschwollenen Korrespondenzstrom zu bewältigen. Die XY-Stiftung war auch zu der Zeit schon bekannt genug, dass der Ansturm schon sehr beträchtlich war, und da musste irgendwie eine gewisse Ordnung reingebracht werden." (P3) Insbesondere im Bereich der Æ Projektselektion (Kap. 10.2, S. 341) als auch für das Æ Projektmonitoring (Kap. 10.4, S. 360) werden zusätzliche Gremien gebildet oder externe Experten bei gezogen. Dabei gibt es kein "Patentrezept", ab welcher Grösse entweder die institutionalisierte Variante eines Fachbeirats zur Selektion oder Evaluation oder aber die Arbeit mit Externen sinnvoller erscheint. Beide Varianten sind grundsätzlich möglich und richten sich vielmehr nach dem Tätigkeitsgebiet einer Stiftung sowie nach der Zusammensetzung und den zeitlichen Möglichkeiten des Stiftungsrates. Ein Geschäftsführer einer grossen Stiftung berichtet: "Also wir haben den Stiftungsrat und ‚darunter’ ist die Geschäftsstelle, und jetzt könnte man da einen wissenschaftlichen Beirat noch dazwischen ziehen. Das ist bei uns jedoch ‚gemerged’ mit dem Stiftungsrat. Wir ziehen nur fallweise Beiräte als Fachgutachter heran, z. B. bei Grossvergabungen." (P5) Ein Geschäftsführer einer anderen Stiftung, die in etwa als gleich gross bezeichnet werden kann wie diejenige, dessen Vertreter im vorangegangenen Zitat zu Wort kam, arbeitet jedoch mit einem institutionalisierten Fachbeirat: "Bei uns hat der wissenschaftliche Beirat die Aufgabe, die Beurteilung der Projekte auf wissenschaftlicher Basis durchzuführen. Die Geschäftsstelle steht da irgendwo ein bisschen zwischen den Antragsstellern und den Ent- zusätzliche Gremien FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 262 scheidungsgremien, als ‚erstinstanzlich’ der Fachbeirat und dann natürlich das Kuratorium." (P10) Insgesamt soll eine Einschätzung eines Stiftungsexperten als Richtlinie für die Höhe der Verwaltungskosten gelten, die massgeblich durch die aufbauorganisatorischen Festlegungen (Personalkosten) beeinflusst werden: "Also wenn die Verwaltungskosten mehr als zehn Prozent der jährlichen Ausschüttungen betragen, dann ist für mich der Wurm drin. Also kann man sich, wenn man im Jahr eine Million ausschüttet, eine Geschäftsführung von 100.000 leisten, aber nicht mehr. Das ist meine Meinung." (P4) Andererseits kann dieser Einschätzung entgegengehalten werden, dass zwar einige der so genannten Overheadkosten nicht sinnvoll sind, aber: "Others are simply the cost of making good grants and of achieving sustainable change, and more like investments and R&D expenditures than overhead costs proper. Nonetheless, too many foundations are overly apologetic about overhead costs instead of robustly defending these as essential for knowledge management and effectiveness. The cost of pennypinching on overhead is often the cost of a less than fully effective grant.” (Anheier/Leat 2005, Chapter 2, S. 9) Als Schlussfolgerung daraus kann formuliert werden, dass es eben etwas kostet, Gutes und Wirksames zu tun - allerdings ohne den Umkehrschluss zuzulassen, nachdem etwas, was nichts kostet, auch nichts taugt. Somit fällt es schwer, eine exakte Empfehlung zu formulieren, wie hoch die Overheadkosten sein dürfen. Je nach Ausgestaltung der Stiftungstätigkeit, z. B. auch im Zusammenhang mit teilweise operativen Projekten, ergibt sich eine grosse Spanne an möglichen Verwaltungskosten. Grosse Stiftungen kommen teilweise bei den administrativen Ausgaben in den Genuss von sog. Skaleneffekten. Mit anderen Worten: Ab einer bestimmten Grösse lohnt sich eine gewisse Infrastruktur, die z. B. sowohl 1000 wie 2000 Gesuche pro Jahr "verkraftet", jedoch eine Sockelinvestition erfordert (z. B. Sekretariat, Sachbearbeiter, IT-Infrastruktur). Nach einer Erhebung in den USA betragen (bezogen auf das Stiftungsvermögen) die Verwaltungsaufwände im Schnitt aller Stiftungen 0,35% des Vermögens. Grosse Stiftungen weisen dabei einen kleineren Anteil auf und die sog. mittleren Stiftungen (in dieser Untersuchung jene zwischen USD 10 und 50 Mio. Vermögen) einen typischerweise höheren Anteil. Die Studie nimmt auch Stellung zu zusätzliche Kosten FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 263 den kleinen Stiftungen: "However, in smaller foundations with few or no staff, the donor or donor’s family may absorb most or all of the overhead costs." (Freeman 1991, S. 102) Die obigen Ausführungen zu den Overheadkosten haben bisher nicht das Gehaltsgefüge an sich thematisiert. Dieser Bereich wird ausführlich im Supportprozess Æ HRManagement (Kap. 11.5, S. 434) besprochen. In der Stiftungspolitik müssen jedoch Richtlinien zur Entschädigung festlegen die grundlegenden Entscheidungen zur Entschädigung gefällt werden - auch im Spannungsfeld von Ehrenamtlichkeit und Mandatskultur. Bei der Diskussion der Aufbauorganisation, zusätzlicher Gremien oder Ausschüssen muss auch das Thema Outsourcing oder gemeinsame Nutzung (Pooling) genannt werden. Insbesondere z. B. die Vermögensverwaltung wird in den allermeisten Stiftungen an Drittanbieter vergeben, aber auch z. T. die Personalgewinnung, die Betreuung der IT-Infrastruktur oder die Immobilienbewirtschaftung. Die in diesen Zusammenhängen auftauchenden Fragen werden bei der Diskussion der Æ Supportprozesse (Kap. 11, S. 382) wieder aufgegriffen. Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich der Gestaltung der Aufbauorganisation: 26. Wie werden die rechtlichen Vorgaben und Einschränkungen aus der Stiftungsurkunde oder des Stiftungsreglements in Bezug auf die Organisationsstruktur umgesetzt? 27. Aus welchen Organen besteht die Aufbauorganisation der Stiftung, damit geeignete Voraussetzungen zur Umsetzung der Mission geschaffen werden und eine verantwortungsvolle Relation von administrativen Kosten und Ausschüttungen besteht? 28. Wie lauten die Richtlinien zur Entschädigung der Stiftungsmitarbeiter, ggf. auch fallweise beigezogener Experten, unter Beachtung des jeweiligen Aufwands der Personen, ihrer Kompetenzen, Erfahrungen und Leistung sowie der Mittel der Stiftung? 29. Welche Aufgaben können allenfalls "outgesourced" oder mit anderen Stiftungen "gepoolt" werden? 9.1.6 Festlegungen der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten Neben den Überlegungen, welche Organe als notwendig und hinreichend für eine wirkungsvolle Stiftungsarbeit erachtet werden, sind vor allem Regeln der Zusammenarbeit und Zuständigkeiten zwischen Stifter, Stiftungsrat und der Geschäftsführung Möglichkeiten des Outsourcings oder Poolings eruieren 264 FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess (und allenfalls weiterer Gremien, z. B. wissenschaftlicher Beirat) von zentraler Bedeutung. Eine sorgfältige und ehrliche Erwartungsklärung zwischen diesen "Organen" mit einer entsprechenden Ausdifferenzierung und Zuordnung von Aufgaben, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten im Sinne einer professionellen "Foundation Governance" ist konstitutiv für ein effektives und effizientes Stiftungsmanagement. Mit anderen Worten geht es darum, eine eher von "technischen" oder "finanziellen" Überlegungen geleitete Grundstruktur der Aufbauorganisation so "zum Leben zu erwecken", dass die folgende Frage positiv beantwortet werden kann: "Are foundations more innovative and responsive than government bureaucracies? As with other sectors of our society, it is hard to generalize. Certainly, opportunities exist for foundations, regardless of size, to manage their affairs in ways that enable them to respond quickly to new challenges and to seek new approaches to unsolved problems” (Freeman 1991, S. 91). Um die oben angesprochenen Möglichkeiten zu ergreifen, ist die Schaffung von Voraussetzungen zur guten Zusammenarbeit innerhalb einer Stiftung unumgänglich. Dies kann erreicht werden durch eine Atmosphäre gegenseitigen Respekts, Offenheit gegenüber Verbesserungen (Æ Kap. 9.1.7 Arbeitsgrundsätze und Werthaltungen, S. 276) und besonders durch klar definierte und abgegrenzte Verantwortlichkeits- und Zuständigkeitsbereiche (vgl. Freeman 1991, S. 99). Die Notwendigkeit von klaren Zuständigkeitsregeln besteht im Übrigen auch in kleineren Stiftungen, denn "even in foundations with one professional staff member, it is vital that the board defines what that person’s functions are and respect that role” (Freeman 1991, S. 99). Die im Folgenden vorgestellten Handlungsoptionen basieren ebenso wie die vorangegangenen Optionen der Aufbauorganisation auf Interviews, aber in besonderer Weise auch auf Eindrücken aus den teilnehmenden Beobachtungen, denn die tatsächlichen "Strukturen" (vgl. Kap. 4.4) werden erst erkennbar durch die Handlungen der Akteure, die aber wiederum von Strukturen (Regeln und Ressourcen) beeinflusst werden.159 159 Durch das Einhalten von Abteilungs- und Zuständigkeitsgrenzen im Rahmen alltäglicher Geschäftsprozesse wird eine Grenzziehung (Abteilungsgrenzen) kontinuierlich als "Struktur" reproduziert und bestätigt – und somit erst erkennbar (vgl. hierzu auch Kap. 4.4). FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 265 Als Einstieg in die Diskussion der Zuständigkeiten werden drei Typen vorgestellt, die sich auf Ausführungen von Freeman (1991, S. 98 f.) beziehen. Diese werden um Zi- Führungstypus erkennen tate aus den Interviews mit kommentierten Handlungsoptionen ergänzt: das "Administrator Model" das "Director Model" das "Presidential Model" Freeman (1991, S. 98) bezeichnet die erste Gestaltungsoption der Zusammenarbeit innerhalb einer Stiftung als Administrator model. Dabei übernimmt die Geschäftsstelle lediglich administrative Aufgaben, z. B. Beantwortung von Anfragen, (administrative) Vorbereitung von Stiftungsratssitzungen oder Erledigung der allgemeinen Korrespondenz. Der Stiftungsrat hingegen übernimmt die gesamte Führung der Stiftung - er delegiert keinerlei Geschäftsführungsaufgaben, z. B. Betreuung des Anlageportfolio oder (Vor-) Selektion der Projektanträge. Der Stiftungsrat oder einzelne Mitglieder übernehmen dabei auch klassische Alltagsgeschäfte, z. B. Sichtung und Aufbereitung der Anträge für Stiftungsratssitzungen (die Vervielfältigung und Versendung wird ggf. von der Geschäftsstelle übernommen). Die Stiftungsziele an sich reflektieren sehr stark den Willen des aktiv in die Stiftungsarbeit involvierten Stifters. Dieses Modell ist besonders verbreitet bei kleineren Familienstiftungen, bei denen Familienmitglieder oder enge Bekannte des Stifters im Stiftungsrat Einsitz haben und die o. g. operativen Funktionen untereinander aufteilen. Ein aktiver Stiftungsratspräsident und Nachkomme des Stifters einer kleinen Stiftung ohne Geschäftsstelle beschreibt die Vorgänge in "seiner" Stiftung folgendermassen: "Also was ich mache ist Folgendes: Ich schaue mir die Anträge an und wenn ich das Gefühl habe, es könnte von Interesse sein und jemand anders im Stiftungsrat sich in dieser Richtung ein wenig auskennt, dann gebe ich es dieser Person einmal zu lesen. Eine unserer Töchter arbeitet z. B. in einem Kindergarten und wenn jetzt aus diesem Bereich ein Antrag kommt, dann gebe ich ihr den Antrag und gemeinsam entscheiden wir dann, ob wir das unterstützen oder nicht. Aber es gibt auch andere Anträge, bei denen ich vorher schon sehe, nein, das kann man nicht machen, das passt nicht in den Stiftungszweck. Aber ein Raster ist ehrlich gesagt nur in meinem Kopf drin, das ist nicht niedergeschrieben." (P28) Administrator Model FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 266 In einer anderen Stiftung, ebenfalls mit einem aktiven Präsidenten, der selbst Stifter und Nachkomme des Stiftungsgründers ist, übernimmt ebenfalls der Stiftungsrat Alltagsaufgaben, obwohl eine Geschäftsstelle besteht. Ein Mitglied des Stiftungsrates beschreibt: "Wir haben seit einem Jahr einen Geschäftsführer angestellt. Wir haben jetzt einen Geschäftsführer und wir haben noch eine Frau, die die ganze Administration macht. Und dann haben wir den Stiftungsrat mit drei Mitgliedern. Wir haben, das muss ich sagen, nicht ein klares Modell, in dem Sinn, dass der Geschäftsführer Projekte aussucht, dem Stiftungsrat unterbreitet und der Stiftungsrat sagt ‚Ja’ oder ‚Nein’, sondern gerade jetzt im Fall von XY gehe ich persönlich die Projekte besuchen, evaluiere diese, bringe neue Projekte mit zurück, die ich dann dem Gesamtstiftungsrat unterbreite. Und dasselbe ist eigentlich auch in XY der Fall. Und auch unser Präsident ist ein sehr aktiver Stiftungsrat. Das ist vielleicht ein wenig ein ungewöhnliches Modell im Vergleich zu anderen Stiftungen, in denen der Stiftungsrat eigentlich nur genehmigt und der Geschäftsführer die Projekte unterbreitet. Das ist bei uns nicht der Fall." (P17) Der zweite Typus, der hier vorgestellt werden soll, ist das Director Model. Dabei stellt die Stiftung einen hauptamtlichen Geschäftsführer an und baut eine mehr oder weniger umfangreiche Geschäftsstelle auf. Der Geschäftsführer wird auch in die Entwicklung von Stiftungszielen und die Stiftungsstrategie mit einbezogen. Umgekehrt ist der Geschäftsführer verantwortlich z. B. für die (Vor-)Auswahl von Anträgen und Projekten. Der Stiftungsrat bezieht sich bei seinen "letztinstanzlichen" Zuoder Absagen auf die begründeten Empfehlungen des Geschäftsführers. Darüber hinaus legt der Stiftungsrat die allgemeine Finanz- und Vergabepolitik und die jeweilige Stiftungsstrategie fest, deren Umsetzung an den Geschäftsführer delegiert wird. Stiftungen, die diesem Idealtypus nahe kommen, finden sich vor allem im Bereich der mittelgrossen Stiftungen, bei denen auch oft noch der Stifter oder seine Nachkommen eine aktive Rolle übernehmen. Selbstverständlich gibt es allerlei "Schattierungen" zwischen diesen Idealtypen, so dass beim Director Model auch Aspekte des Administrator Model zu beobachten sind und eine Idealausprägung eher analytisch-theoretischer Natur ist. Dennoch können die einzelnen Models bzw. deren Ausprägungen in Director Model FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 267 praxi beobachtet werden. So z. B. in folgender Stiftung, die eher dem Director Model zugeordnet werden kann: "Wir haben einen Projektausschuss, zusammengesetzt aus Mitgliedern des Stiftungsrats und dem wissenschaftlichen Direktor. Die schauen die Anträge an, die von uns auf der Geschäftsstelle grundsätzlich gut geheissen wurden, und befinden entweder: ‚Ja, das könnte den Stiftungsrat interessieren, unterbreiten Sie uns einen Vollantrag.’ Und dieser Vollantrag geht dann dreimal im Jahr vor den Stiftungsrat. Die setzen sich wirklich mit all diesen Anträgen eingehend auseinander. Sie bekommen die gesamte Dokumentation: eine Vorbewertung und ein Projektbudget. Dann wird darüber entschieden. Oder der Projektausschuss befindet: ‚Nein, aus diesem oder jenem Grund passt das nicht in unser Portfolio.’" (P2) Ein Geschäftsführer einer Stiftung ist sich noch nicht ganz klar darüber, ob der Aspekt der strategischen Mitarbeit der Geschäftsführung vom Stiftungsrat gewünscht oder erwartet wird: "Die Geschäftsstelle ist operativ tätig, völlig klar. In Teilen bestimmt auch strategisch, das ist für mich noch nicht ganz klar. Ich weiss es noch nicht. Das wäre auch eine interessante Frage an das Kuratorium, ob sie erwarten, dass wir eigene Ideen, die wir sicher haben, weil wir ja die Stiftung sehr unmittelbar erleben, auch einbringen sollen. Viel unmittelbarer als natürlich unsere Gremiumsmitglieder, die ja nur zweimal im Jahr letztendlich zusammenkommen. Also wie stark da die Erwartung an uns ist, eigene Strategien zu formulieren. Ich habe mich zumindest persönlich versucht, sehr zurückzunehmen im ersten Jahr, würde aber hoffen, dass es vielleicht im Rahmen einer Klausurtagung mal zu diesem transintensiven Dialog kommt." (P10) Hierbei ist festzuhalten, dass die Begründung des Geschäftsführers gut nachzuvollziehen ist und sich dann in der Tat die Frage stellt, warum auf dieses "Insiderwissen" z. B. im Rahmen der Strategieentwicklung verzichtet werden soll. Ebenso erhöht ein gemeinsamer Erarbeitungsprozess die Identifikation mit den Stiftungszielen und die Motivation aller Mitarbeiter. FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 268 Ein anderer Geschäftsführer beschreibt seine Idealvorstellung der Beziehung zwischen dem Stiftungsrat und der Geschäftsstelle folgendermassen: "Es sollte eine klare Rollenverteilung geben, eine klare Beziehung zwischen dem Stiftungsrat und der Exekutiven. Der Rat sollte eine Aufsichtspflicht ausüben, die Ziele oder Strategien festlegen, aber ansonsten Freiheiten lassen, die es dann von Seiten der Geschäftsstelle gilt auszufüllen, wie das genau gemacht werden soll. Einmischungen, z. B. wie die Anträge geschrieben werden, wie die Formulare aussehen sollten, das sollte der Rat nicht machen. Aber es braucht ihn, um die generelle Richtung vorzugeben, die Resultate zu vergleichen mit den Zielsetzungen. Aber sie sollten sich nicht direkt in viele alltägliche Managementfragen einmischen." (P29) Der dritte Idealtypus, das Presidential Model, trifft eher auf grössere Stiftungen zu, bei denen auch der Stifter nicht mehr direkt in die Stiftungsarbeit involviert ist. Dieses Modell gibt der Geschäftsstelle eine weit reichende Autonomie. Der Geschäftsführer hat eine grosse Autorität gegenüber den Mitarbeitern, aber auch gegenüber dem Stiftungsrat, insofern er z. B. auch Vergabungen bis zu einer bestimmten Höhe selbst tätigen darf. Der Stiftungsrat wiederum konzentriert sich auf die Formulierung der weitreichenden Arbeitsgrundsätze und die Weiterentwicklung der Mission der Stiftung, der Gestaltung der Arbeitsschwerpunkte, sowie auf die Evaluierung der gesamten Stiftungsarbeit, nach dem Grundsatz für den Stiftungsrat: "steer not row" (Prager 2003, S. 48). Im Bereich der Vergabungen folgt der Stiftungsrat den Empfehlungen der Geschäftsführung und diskutiert nur die grossen Vergabungen (oder "auf Antrag"). Dieses Modell beinhaltet wiederum Aspekte, die von einigen Stiftungen aufgegriffen werden, insbesondere zu nennen ist hier die Autonomie von Geschäftsführern, bis zu einer gewissen Höhe selbst Vergabungen zu tätigen. Dazu ein Stifter: "Es ist wie in einem Unternehmen - man muss delegieren und Verantwortung übertragen können. Bei einer unserer Stiftungen, die sehr viel kleine Gesuche bekommt, da haben die einzelnen Sachbearbeiter eine Kompetenz, bis CHF 10'000 selbst zu entscheiden." (P27) Ein Geschäftsführer einer mittelgrossen Stiftung beschreibt eine ähnliche Situation: Presidential Model FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 269 "Wir entscheiden selbst, wenn es um eine Absage geht und wenn es um eine Zusage geht, bis zu einer Grössenordnung von CHF 5’000. Das können wir selbst entscheiden, darüber muss es in den Stiftungsrat." (P16) Bei der Vorstellung der Idealtypen der Stiftungsorganisation wie auch in den Zitaten ist deutlich geworden, dass eine klare Festlegung der Zuständigkeiten zwischen den Organen einer Stiftung notwendig ist. Die Festlegung der Zuständigkeiten und Kompetenzen betrifft auch die Zuständigkeiten innerhalb eines Organs, z. B. des Stiftungsrats, wie ein Geschäftsführer einer grossen Stiftung beschreibt: "Bei uns hat jeder Stiftungsrat, und der Stiftungsrat ist klein, er beinhaltet sechs Personen, die Verantwortung über ein Aufgabenfeld, abgesehen vom Präsidenten des Stiftungsrates. Und diese Aufgabenfelder sind so aufgeteilt, dass der Vizepräsident des Stiftungsrats zuständig ist für die Finanzen, und die restlichen vier Mitglieder sind jeweils zuständig für eines unserer Grossprojekte." (P2) Eine weitere Möglichkeit, um eindeutige Verhältnisse der Zuständigkeiten und eine kompetente und zügige Bearbeitung von Aufgaben zu gewährleisten, ist die Einführung von Ausschüssen, die sich temporär oder ständig einem thematisch klar gefassten Aufgabenfeld widmen (Auftrag). Als Beispiel hierfür kann ein Ausschuss zur Vermögensanlage genannt werden oder eine Findungskommission für neue Stiftungsratsmitglieder. Folgende zwei Beispiele untermauern diese organisatorischen Gestaltungsmöglichkeiten und klaren Zuständigkeiten durch Ausschüsse: "Wir haben im letzten Jahr einen Finanzausschuss eingeführt, als formelles Gremium." (P10) "Wir haben jetzt bei der Neubesetzung des Stiftungsratspräsidenten das erste Mal eine Findungskommission gebildet, die besteht aus zwei Stiftungsratsmitgliedern, ich als Geschäftsführer bin Beisitzer, und wir haben noch einen ganz Aussenstehenden reingeholt. Also, das ist zum Beispiel etwas, das ich sehr gut finde." (P5) Das sog. "audit committee" wird z. B. in der US-amerikanischen Literatur als "must" für Stiftungen ab einer gewissen Grösse (ca. USD 10 Mio. Vermögen) bezeichnet (Independent Sector 2005, S. 31 ff., Freeman 1991, S. 95). Auch das "finding com- Zuständigkeiten festlegen FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 270 mittee" oder "nominating committee" wird als Standard-Ausschuss häufig genannt (Freeman 1991, S. 95). Ausschüsse werden meist, wie auch im zweiten Zitat genannt, durch externe Personen ergänzt, die aufgrund ihrer Fachkompetenz den Ausschuss bereichern. Neben den "einseitigen" Festlegungen der Zuständigkeiten ist jedoch auch eine kommunikative Erwartungsklärung über Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten zwischen allen Beteiligten unabdingbar, wie folgendes Zitat eines Stiftungsratspräsidenten belegt: "Die Aufgabe der Geschäftsstelle besteht darin, die Gesuche entgegenzunehmen, das Konzept für das einzelne Projekt mal zu entwerfen, und dann wird das dem Stiftungsrat unterbreitet, und von dem letztlich entschieden. Wir haben versucht, die Kompetenzen der Geschäftsstelle tendenziell eher etwas auszubauen, damit sie eben die Dinge auch erledigen kann. Aber bei uns hat sich der Stiftungsrat die Entscheidungskompetenz noch sehr stark vorbehalten. Die Geschäftsstelle hat letztlich die Aufgabe, einfach die Tagesarbeit zu bewältigen und diese Akten auch zu prüfen und aufzubereiten, damit der Stiftungsrat auf Basis einer relativ strukturierten Empfehlung die Entscheidungen fällen kann. Wobei der Stiftungsrat sich im Klaren ist, dass er nicht ohne Not von den Empfehlungen der Geschäftsstelle abweichen sollte, weil er sie sonst demotiviert. Dieses Vertrauen muss gewahrt bleiben, auf der anderen Seite wurde diese Arbeitsteilung auch damals bei der Einstellung des heutigen Geschäftsführers besprochen." (P3) Und der Geschäftsführer der gleichen Stiftung bestätigt diese Beschreibung: "Ja, ich versuche den Stiftungsrat zu überzeugen, wir machen ja schriftliche Anträge, in denen wir pro oder contra ein Projekt argumentieren. Das ist jetzt gewissermassen ein Buhlen um ein "Ja" mit Worten. Und je höher die Zustimmungsquote ist, umso besser ist meine Arbeit. Aber es ist immer für mich klar, dass der Stiftungsrat entscheidet. Wir haben in der Geschäftsführung eine kleine Kompetenz. In den allermeisten Fällen entscheidet der Stiftungsrat, und wir können ihn nur versuchen zu überzeugen." (P26) Erwartungsklärungen vornehmen FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 271 Die Zusammenarbeit zwischen Stiftungsrat (non-executive) und Geschäftsstelle (executive) muss sich am folgenden Grundsatz orientieren: "As a general rule of thumb, it Aufsicht und Ausführung trennen is said that in a nonprofit organization, boards primarily govern and staff primarily manages. This means that a board provides counsel to management and should not get involved in day-to-day affairs of the organization. Confusion and tension can arise when this rule is put to use practically, because the distinction between management and governance is not absolute. In order for this rule to work effectively, each party in this relationship need to understand its own responsibilities and those that fall in the other’s purview, and the way in which the board and staff conduct their business needs to reflect this understanding. Clear expectations for the board and the director need to be established and maintained, because a board that is overly active in management can inhibit the organization’s effectiveness” (Minnesota Council of Nonprofits, o. J.). Dieses Zitat gilt vor allem für die beiden letztgenannten Idealtypen einer Stiftung, kann jedoch als Richtlinie für alle Stiftungen gelten. Bei der Thematisierung der Wichtigkeit von Zuständigkeitsregelungen wurde immer wieder der Stiftungsrat genannt, der je nach Typus mehr oder weniger Aufgaben zu erfüllen hat und diese teilweise an Ausschüsse oder die Geschäftsstelle delegieren kann. Einige zentrale Punkte, die sog. Rechtspflichten (Treuepflicht, Geheimhaltungspflicht, Sorgfaltspflicht), sind jedoch verpflichtend für jedes Mitglied eines Stiftungsrats:160 Treuepflicht (in der amerikanischen Literatur auch: "duty of obedience", vgl. boardsource, o. J., ID=103): Die Treuepflicht kann aufgeteilt werden in eine auftragsrechtliche Treuepflicht, im Sinne einer vertragsgemässen Verwendung und sorgfältigen Verwahrung der zur Durchführung des Auftrags überlassenen Gegenstände und Mittel. Die arbeitsrechtliche Treuepflicht ist exakter formuliert und verpflichtet den Arbeitnehmer - in Anlehnung an das Schweizer OR (OR 321a Abs. 1) - die Interessen des Arbeitgebers "in guten Treuen zu wahren", d. h. dass Stiftungsräte nicht konträr zu den Zielen der Stiftung handeln dürfen und ihr gesamtes Tun (im Rahmen ihrer Stiftungsarbeit) an der Mission einer Stiftung ausrichten müssen. 160 Wenn nicht anders vermerkt, basieren diese Begriffe und Ausführungen auf Sprecher/von Salis-Lütolf (1999, S. 128 ff.). Rechtspflichten kennen FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 272 Geheimhaltungspflicht (in der amerikanischen Literatur auch: "duty of loyalty", vgl. boardsource, o. J., ID=103): Diese Pflicht kann auch als Bestandteil der vorgenannten Treuepflicht bezeichnet werden. Sie umschreibt die Pflicht zur Geheimhaltung anvertrauten Wissens, d. h. alle Kenntnisse, die ein Stiftungsrat im Laufe seiner Amtszeit erlangt hat und die die Stiftung geheim halten möchte, dürfen nicht öffentlich gemacht werden. "This means that a board member can never use information obtained as a member for personal gain, but must act in the best interest of the organization" (boardsource, o. J., ID=103). Sorgfaltspflicht (in der amerikanischen Literatur auch: "duty of care", vgl. boardsource, o. J., ID=103): Die Sorgfaltspflicht besagt, dass der Stiftungsrat jene Sorgfalt anzuwenden hat, die ein gewissenhafter und sachkundiger Beauftragter in der gleichen Lage bei der Besorgung der ihm übertragenen Geschäfte anzuwenden pflegt. Oder in anderen Worten: "This means that a board member owes the duty to exercise reasonable care when he or she makes a decision as a steward of the organization" (boardsource, o. J., ID=103). Diese Pflichten lassen sich selbstverständlich analog auf jeden Mitarbeiter im Dienste der Stiftung übertragen. Aus diesen rechtlichen Bestimmungen können einige Hauptaufgaben für den Stiftungsrat identifiziert werden, zumindest wenn in der vom Stifter verfassten Æ Stiftungsurkunde (Exkurs: Gründungsleitfaden, S. 221) und in den Æ Stiftungsreglementen (Exkurs: Gründungsleitfaden, S. 221) nichts anderes festgehalten wurde. Sowohl die Pflichten als auch die im Folgenden genannten Hauptaufgaben (nach Sprecher/von Salis-Lütolf 1999, S. 129 ff.) müssen vollumfänglich für die jeweilige Stiftung erfasst sein, ansonsten können keine eindeutigen und verbindlichen Zuständigkeitsregelungen verfasst werden und Verantwortlichkeiten bleiben unklar: Oberleitung der Stiftung: Veranlassung aller notwendigen Schritte zur Verwirklichung des Stiftungszwecks (Establishment of Directions, Priorities, and Policies)161 161 Dazu gehört auch die Bearbeitung aller in der vorliegenden Arbeit der Stiftungspolitik zugeordneten Aufgaben, z. B. "articulating the direction in which the foundation heads; setting the priorities it pursues; establishing the policies under which it operates; and defining boundaries within which the CEO and staff can act" (Prager 2003, S. 47). Hauptaufgaben des Stiftungsrats anerkennen FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 273 Festlegung der Organisation zum optimalen Funktionieren der Stiftung in Abhängigkeit der Mission und Ziele der Stiftung Geschäftsführung oder Aufsicht über die mit der Geschäftsführung betrauten Personen Verwaltung und Verwendung des Vermögens inkl. Erstellen eines Budgets und eines Liquiditätsplans162 Erstellen des Jahresberichts und der Jahresrechnung zur Finanzkontrolle und ordnungsgemässen Rechenschaftsablage bei der Aufsichtsbehörde. Die Jahresrechung enthält eine Bilanz, eine Betriebsrechnung und einen Anhang. Auswahl einer Revisionsstelle Pflege der Beziehungen zu den Anspruchsgruppen, namentlich den Destinatären und den Aufsichtsbehörden. Die Stiftung muss der Aufsichtsbehörde periodisch Bericht erstatten, so dass diese sich ein vollständiges, klares und richtiges Bild von der Stiftung machen kann, sowohl in Bezug auf die Vermögensanlage als auch in Bezug auf die Stiftungstätigkeit.163 Auf Basis der Kenntnis dieser Pflichten und Hauptaufgaben kann dann ggf. eine Delegation an die Geschäftsstelle oder den Geschäftsführer bzw. an weitere Organe oder Gremien vorgenommen werden (z. B. im Rahmen der Æ Projektselektion Kap. 10.2, S. 341). Eine Delegation von Aufgaben ist grundsätzlich möglich, insbesondere deshalb, weil es im Gegensatz zu den Aufgaben des Verwaltungsrats einer Aktiengesellschaft (nach Schweizer Recht: OR 716a) im Stiftungsbereich keine Aufgaben gibt, die von rechtlicher Seite her zwingend vom Stiftungsrat erfüllt werden müssen. Eine Delegation ist nur dann unzulässig, wenn der Stifter in der Stiftungsurkunde oder in einem Statut (das aber von einem dazu berechtigten Organ geändert werden könnte) dies ausgeschlossen hat. Eine Delegation entbindet jedoch den Stiftungsrat "grundsätzlich nicht von seiner Verantwortung. Sie wird aber insofern eingeschränkt, als ihn 162 Dazu gehören u. a. (vgl. Prager 2003, S. 46 f.): "prudent investment”, z. B. Entwicklung einer Anlagepolitik, die konsistent ist mit den langfristigen Zielen und Verpflichtungen der Stiftung, "wise expenditure", z. B. in Bezug auf die administrativen Kosten, "careful accounting and reporting", z. B. Installation eines angemessenen Rechnungswesens (Buchhaltung). 163 "Der Umgang der Berichterstattung ist extensiv zu verstehen", so die Empfehlung von Sprecher und von Salis-Lütolf (1999, S. 131). Die Beziehung zu den Destinatären – und damit im weitesten Sinne zur allgemeinen Öffentlichkeit – beinhaltet die Pflicht des Stiftungsrates diese zu informieren, periodisch die Bedürfnisse abzuklären und nicht willkürlich unterschiedlich zu behandeln (für alle Punkte: Æ Kap. 9.1.7 Arbeitsgrundsätze und Werthaltungen, S. 276). Delegationen vornehmen FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 274 (nur) noch die Pflicht trifft, die entsprechenden Hilfspersonen mit der nötigen Sorgfalt auszuwählen (‚Sorgfaltspflicht’), zu instruieren und zu überwachen" (Sprecher/von Salis-Lütolf 1999, S. 132). Nicht delegierbar sind Aufgaben, die unmittelbar mit der obersten Leitung der Stiftung verbunden sind, z. B. Ernennung eines Geschäftsführers oder Auswahl einer Revisionsstelle. Trotz Delegationsmöglichkeiten gilt das Wort eines Geschäftsführers: "Eine Stiftung ist nicht so sehr abhängig von einem Geschäftsführer, sondern es ist der Stiftungsrat. Das ist der Archimedische Punkt, davon bin ich immer mehr überzeugt. Wie soll ich sagen […] einen guten Geschäftsführer findet man noch schnell, also davon bin ich überzeugt. Was aber schwierig ist, ist einen Stiftungsrat zu finden, der seine eigenen Aufgaben gewissenhaft erledigt und seine eigene Tätigkeit auch selbst immer hinterfragt. Also das finde ich eine ganz grosse Schwierigkeit. Das ist für mich eigentlich ein entscheidender Punkt bei der Entwicklung in ‚meiner’ Stiftung. Denn wenn bald die sog. ‚Gründergeneration’ weg ist, dann darf das nicht irgend so ‚business as usual’ werden und zur reinen Verwaltung tendieren. Die Stiftung muss lebhaft, beweglich, gestalterisch bleiben.” (P5) Dieses Zitat leitet über zum nächsten Aspekt, der eng mit den organisatorischen Gestaltungsoptionen und der Kompetenzabgrenzung zusammenhängt, nämlich der Zu- Anforderungsprofil der Mitarbeiter sammensetzung der Organe und Gremien im Hinblick auf die notwendigen Fähigkeiten zur Führung der Stiftung und wirkungsvollen Umsetzung der Ziele. Die einzelnen Verantwortlichkeiten bzw. die daraus abgeleiteten Stellenprofile und -beschreibungen werden im Supportprozess (Æ Kap. 11.5 HR-Management, S. 434) detailliert vorgestellt. Wiederholt wurde in obiger Abhandlung auf die Rolle des Stifters verwiesen, der durch die Formulierungen in der Stiftungsurkunde und der (Erst-)Fassung eines Stiftungsreglements eine prägende Kraft auf das Stiftungsgeschehen ausübt und sich gewisse Gestaltungsmöglichkeiten auch für die Zukunft vorbehalten kann (Æ Exkurs: Gründungsleitfaden, S. 221). Einer sehr exzessiven Ausnutzung dieser Rechte wird hier entgegengetreten, denn eine Stiftung im Sinne eines "public trusts", der auf das Vertrauen der Öffentlichkeit Rechte des Stifters kennen FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 275 angewiesen ist und bereits durch die Steuerprivilegien und die Gestaltungsfreiräume einen grossen Vertrauensvorsprung der Gesellschaft in Anspruch nimmt, darf sich nicht zu einem Spielfeld persönlicher Macht verändern. Trotzdem stellt der Stifter, wie auch bereits in der ersten Aufgabe (Æ Kap. 9.1.1 Reflexion des Stifterwillens, S. 229) hervorgehoben wurde, eine sehr wichtige Orientierung für die Stiftung dar und ohne seine Kreativität wie Selbstlosigkeit bei der Errichtung der Stiftung wäre jene gar nicht in der Lage, Wirksames für die Gesellschaft zu leisten. Vielmehr gilt es den Stifter, solange er noch lebt und sich in die Stiftungsarbeit einbringen möchte, konstruktiv einzubinden - aber wieder unter Wahrung eindeutiger und verlässlicher Kompetenzabgrenzungen und Zuständigkeiten. Ein Geschäftsführer einer mittelgrossen Stiftung beschreibt seine Situation: "Unser Präsident ist ein sehr aktiver Präsident, der sehr stark auch Einfluss nimmt auf das tägliche Geschäft und auf die operative Ebene. Ich glaube, das ist in vielen anderen Stiftungen wahrscheinlich in der Ausprägung, also in solchen Stiftungen, die auch eine Geschäftsstelle haben, so nicht der Fall. Ja, da kann man dann nur zum Teil von Management sprechen, oder? Im klassischen Sinn" (P16) Eine solche Arbeitssituation kann auch für die Geschäftsstelle zur Belastung werden und demotivierend wirken. Der Stifter soll sich einbringen (können), darf dabei aber nicht getroffene Kompetenzabgrenzungen oder Zuständigkeiten übergehen (vgl. Kap. 6.2.1). 276 FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich der Festlegungen der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten: 30. Welcher generische Führungstypus entspricht der "Stiftungskultur" und soll umgesetzt werden? 31. Wie detailliert und eindeutig sind die Aufgaben und Verantwortlichkeiten den jeweiligen Stiftungsorganen - und innerhalb jener - zugeordnet? 32. Wie detailliert und verpflichtend werden Erwartungen über Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten geklärt? 33. Wie lassen sich die (interne) Aufsicht und die (tägliche) Arbeit trennen? 34. Wie spiegeln sich die Rechtspflichten und die Hauptaufgaben des Stiftungsrats in den Festlegungen der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten wider? 35. In welchem Umfang werden Delegationen von Aufgaben an Mitarbeiter mit entsprechenden Fähigkeiten vorgenommen? 36. Wie wird der Stifter konstruktiv in die Stiftungsarbeit mit einbezogen? 9.1.7 Formulierung von Arbeitsgrundsätzen und allgemeinen Werthaltungen Neben der Förder- und Anlagepolitik sowie den Regelungen der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten werden in der Stiftungspolitik Arbeitsgrundsätze festgelegt und allgemeine Werthaltungen thematisiert. Diese Grundsätze sind auch als Grundzüge einer professionellen Arbeitshaltung zu verstehen und flankieren die Festlegungen der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten. Ein erster inhaltlicher Aspekt dieser Aufgabe umfasst die Grundsätze der Beschlussfassung unter Einbezug von Ausstandsregelungen zur Vermeidung von Interessenskonflikten. Für die Beschlussfassung gilt unter Vorbehalt anders lautender Regelungen in der Urkunde oder dem Reglement (Æ Exkurs: Gründungsleitfaden, S. 221) der Grundsatz der einfachen Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder (eine Stimme je Mitglied, vgl. für die Schweiz: Sprecher/von Salis-Lütolf 1999, S. 139 f.; für Deutschland: Meyer et al. 2003, S. 60). Für bestimmte Beschlüsse kann im Stiftungsreglement oder bereits vom Stifter in der Urkunde ein qualifiziertes Quorum festgeschrieben sein bis hin zur Einstimmigkeit (z. B. bei der Änderung der Mission oder bei der Festlegung temporärer Programmschwerpunkte inkl. der Allokation von Ressourcen). Nach ZGB 66 Abs. 2 (für die Schweiz) ist die schriftliche Zustimmung Grundsätze der Beschlussfassung festlegen FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 277 aller stimmberechtigten Stiftungsratsmitglieder zu einem Antrag einem Mehrheitsbeschluss der anwesenden Stiftungsratsmitglieder gleichgestellt (vgl. Sprecher/von Salis-Lütolf 1999, S. 140). Ein Mehrheitsbeschluss auf dem Zirkularweg muss zwingend in der Urkunde oder im Stiftungsreglement festgeschrieben sein, ansonsten ist dieser nichtig. Auch die Entscheidungsfindung in anderen Gremien und in der Geschäftsstelle sollte geregelt sein im Sinne einer motivierenden und verlässlichen Zusammenarbeit und eindeutigen Erwartungsklärung zwischen allen Beteiligten. Bei allen Beschlussfassungen und Entscheidungen gilt es, Interessenskonflikte durch entsprechende Ausstandsregelungen zu handhaben, denn "private foundations must strive so far as possible to be above suspicion. It is not enough that the directors and the staff believe that they are operating from the highest motives, and that any particular action is innocent, regardless of its appearance. So far as possible, actions and relationships must avoid and appearance of improperty which raises questions in the minds of the public”, so die Richtlinien der Northwest Area Foundation (zit. in Freeman 1991, S. 101). Wann können Interessenskonflikte in Stiftungen überhaupt auftreten? Entstehen sie nur im finanziellen Bereich? Interessenskonflikte können immer auftreten, es ist nicht möglich, diese von vornherein auszuschliessen - und sie treten gerade in Stiftungen nicht nur in finanzieller Hinsicht auf. Es können z. B. Situationen entstehen, in denen ein Stiftungsratsmitglied auch gleichzeitig personell verbunden ist mit der durch finanzielle oder andere Ressourcen begünstigten Institution (z. B. Unterstützung eines Forschungsinstituts). Das Auftreten vergleichbarer Situationen wird von einem Geschäftsführer einer grossen Stiftung bestätigt: "Wir haben im Stiftungsrat Leute, die sich in unserer Materie auskennen und dort bestens vernetzt sind, das ist ja auch notwendig und hilfreich bei der Projektselektion. Der Nachteil sind natürlich die Verflechtungen oder die Interessenskollision, die wir dann ständig haben. Die Schweiz ist einfach wahnsinnig klein [ ...]" (P5) Ein anderer Fall ist es, wenn eine Stiftung Drittpersonen beauftragt, z. B. eine Projektevaluation durchzuführen, und diese Drittpersonen sind mit einem Stiftungsrat oder anderen Entscheidungsbefugten verbunden. Ausstandsregelungen FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 278 Interessenskonflikte können durch ein internes System von "checks and balances" gehandhabt werden, das drei grundlegende Elemente beinhalten sollte (angelehnt an boardsource o. J., ID=97; Prager 2003, S. 51): 1. Full Disclosure: Alle Stiftungsratsmitglieder und Entscheidungsbefugten sollten ihre neben dem Engagement in der Stiftung bestehenden beruflichen und gemeinnützigen Engagements offen legen (und periodisch aktualisieren) - und zwar vor einer Entscheidung, die einen potentiellen Interessenskonflikt hervorrufen kann. 2. Abstention from Discussion and Voting: Die Ausstandspflicht betrifft die Diskussion und Abstimmung über Fragen, die für ein oder mehrere Mitglieder der Stiftung einen Interessenskonflikt bedeuten können. 3. Awareness and Disinterested Review: Der Abschluss eines Geschäfts, bei dem ein Mitglied der Stiftung unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist, sollte immer auch im Hinblick auf die öffentliche Wirkung erfolgen und nach objektiven und bereits bestehenden Kriterien erfolgen. Insbesondere gilt es bei Leistungsgeschäften (Geld gegen Leistung), diese nach Marktkonditionen (oder für die Stiftung günstigeren Konditionen) abzuschliessen. Neben den Ausstandsregelungen sind gemäss Sprecher und von Salis-Lütolf auch sog. Unvereinbarkeitsregelungen notwendig, die dann zur Geltung kommen, wenn Unvereinbarkeitsregelungen ein Stiftungsratsmitglied sein Amt nicht antreten oder ausüben kann, "weil ein gravierender, dauernder Interessenkonflikt sich ergeben hat bzw. schon besteht" (Sprecher/von Salis-Lütolf 1999, S. 133). Anzumerken ist hier, dass Rechtsgeschäfte, die trotz Interessenskonflikt eingegangen wurden, von legitimierten Dritten oder von der Stiftung (vertreten durch die Aufsichtsbehörde) angefochten werden können (ggf. mit Schadenersatzansprüchen).164 Weitere Festlegungen, die in der Stiftungspolitik getroffen werden müssen, beziehen sich auf die grundsätzlichen Entscheidungen hinsichtlich der Organkonstitution, z. B. Altersbeschränkungen, Beschränkungen von Amtszeiten in den Stiftungsorganen oder Wahlverfahren. Freeman fasst es folgendermassen zusammen: "It is important for the creator of a foundation to provide, early on, the machinery for selecting a 164 Für eine weitergehende Diskussion dieser Thematik (mit Schwerpunkt Schweiz) bietet sich Sprecher/von Salis-Lütolf (1999) an. Grundsätze der Organkonstitution festlegen FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 279 board of directors and terms of service. This will encourage both continuity and gradual change in the board’s composition.”(Freeman 1991, S. 93) Insbesondere die sog. Altersguillotine als Möglichkeit der Amtszeitbeschränkung ruft dabei kontroverse Diskussionen hervor: "Ich bin nicht für eine Altersgrenze nach oben, auch nicht bei einer kaufmännisch geführten Gesellschaft mit kotieren Aktien, weil für mich die Guillotine immer ein Zeichen von eigener Schwäche ist. Aber man soll immer wieder schauen, dass man junge Leute hinein nimmt. Wir haben jetzt gerade den Stiftungsrat der XY-Stiftung ergänzt durch drei jüngere Mitglieder zwischen 32 und 40. Und das ist immer wieder nötig. Ob die das dann auch einmal machen werden, das weiss ich nicht." (P27) In einer anderen Stiftung gibt es die Altersguillotine - und diese gilt auch für den Stifter selbst, der noch im Stiftungsrat Einsitz hat: "Wir haben eine Altersguillotine von 70, dann müssen die Stiftungsräte zurücktreten. Das ist neu. Das war zuvor noch nicht im Reglement, ist aber auf Initiative des Gründers eingeführt worden und das wird für ihn selbst auch Gültigkeit haben im Jahr 2007. Dann muss er weg und das wird er auch." (P2) Grundsätzlich gilt, dass eine Mitgliedschaft auf Lebenszeit eine wenig dynamische Regelung darstellt, die auch zu grossen Problemen führen kann, z. B. wenn sich die Mitglieder des Stiftungsrates gegenseitig blockieren und eine Entwicklung der Stiftung verunmöglichen. Zu kurze Amtszeiten wiederum verhindern die Übernahme von z. T. langfristigen Projekten. Ein interessantes Modell, das im Verlauf der empirischen Untersuchungen entdeckt wurde, ist eine Amtszeitenabfolge mit zweimaliger Wiederwahlmöglichkeit, wobei sich die Amtszeiten mit jeder Wiederwahl verringern. Als Beispiel sei die erste Amtsperiode 6 Jahre, die erste Wiederwahl ergibt eine zweite Amtszeit von 4 Jahren und die zweite und letzte Wiederwahlmöglichkeit besteht für eine kurze Amtszeit von 2 Jahren. Dies gewährleistet einerseits die z. T. notwendige langfristige Orientierung und Stabilität, andererseits ist auch ein Wechsel in diesem Beispiel nach maximal 12 Jahren "institutionalisiert" und es wird frühzeitig eine Nachfolgeplanung in Angriff genommen. Andere Gestaltungsmöglichkeiten, wie z. B. eine vierjährige Amtszeit mit Wiederwahlmöglichkeiten zusammen mit einer Amtszeit-/ Altersbeschränkungen FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 280 Altersbeschränkung von 75 Jahren, sind ebenso denkbar. Dabei gilt das Wort eines Stiftungsexperten: "Eine Regel sollte so sein, dass kein Stiftungsrat allein die Geschäfte blockieren kann. Das ist ganz wichtig. Das heisst, es muss vernünftige Ausschlussregeln geben, also man muss Leute, die nicht funktionieren, auch aus dem Stiftungsrat entfernen können. Und man muss auch aufpassen, dass man keine ewigen Rechte begründet, also wer einmal im Stiftungsrat ist, darf sich nicht sicher sein, immer im Stiftungsrat zu bleiben. Das sind Grundregeln, weil sonst die Leute sich unter Umständen falsch verhalten." (P4) Normalerweise konstituiert und ergänzt sich der Stiftungsrat selbst (Kooptation), wie auch in den Interviews bestätigt wurde, z. B.: Wahl-/ Berufungsverfahren "Unser Reglement besagt, dass sich der Stiftungsrat selbst bestätigt oder neue Mitglieder wählt." (P2) Jedoch kann der Stifter in der Urkunde oder im Reglement andere Arten (auch in Kombination) vorsehen, z. B. dass eine aussenstehende, nach eigenen Kriterien zusammengestellte Findungskommission die Suche und/oder die Wahl eines neuen Stiftungsrats vornimmt, dass jedes Organmitglied seinen eigenen Nachfolger auswählt und benennt, dass eine Besetzung qua Amt erfolgt (z. B. Präsident der ETH Zürich) und den Stiftungsrat ergänzt oder die politische Gemeinde das Vorschlagsund/oder Wahlrecht besitzt, insbesondere dann, wenn sich aus ihren Reihen der Stiftungsrat konstituiert, wie es bei der Christoph Merian Stiftung in Basel der Fall ist (zum Profil und zur Stellenbeschreibung eines Stiftungsrats Æ Kap. 11.5 HRManagement, S. 434). Neben diesen eher "harten" Regelungen zur Beschlussfassung und Organkonstitution geht es auch z. B. um ein motivierende Arbeits- und Sitzungskultur165. "Meetings are Arbeits-/ Sitzungskultur pflegen indispensable when you don’t want to do anything", so der Ökonomie-Nobelpreisträger John Kenneth Galbraith (zit. in Garber 2003). Doch was sind die Voraussetzungen dafür, dass die Sitzungen, unabhängig ob Arbeitssitzungen oder Stiftungsratssitzungen, erfolgreich verlaufen? Eine erfolgreiche Sitzung beginnt mit der Vorbereitung, bei der bereits die zu treffenden Entscheidungen mitbedacht werden sollten. 165 Für eine "Checklist for Great Meetings" siehe Garber (2003) oder Weger (2004). Vorbereitung FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 281 Eine Agenda und ggf. notwendige Beilagen müssen erstellt, aufbereitet und rechtzeitig an die Teilnehmer versandt werden. Insbesondere bei Stiftungsratssitzungen können z. B. keine Beschlüsse zu Anträgen gefasst werden, die nicht rechtzeitig traktandiert wurden. Ausnahmen bestehen dann, wenn das Stiftungsreglement (oder die Stiftungsurkunde) diese Möglichkeit ausdrücklich vorsieht oder der Stiftungsrat ein Eintreten auf jenes Traktandum (ggf. mit Quorum) in der Sitzung beschliesst. Selbstverständlich umfasst die Vorbereitung einer Sitzung auch die individuelle Vorbereitung jedes Mitglieds, indem man sich optimal informiert und eine Meinung zu den einzelnen Traktanden bildet, so dass die Voraussetzungen für eine fruchtbare und konstruktive Diskussion gewährleistet sind. Die Stiftungsratssitzungen werden gewöhnlich vom Stiftungsratspräsidenten geleitet, der für die Vorbereitung von der Ge- Durchführung schäftsstelle (falls vorhanden) unterstützt wird. Die Sitzungen sollten den angegebenen Zeitrahmen nicht überschreiten, aber dennoch muss für einzelne Punkte genügend Diskussionszeit eingeplant werden. Insbesondere für Missions- und Strategiereviews bieten sich ausserordentliche Sitzungstermine an, die nicht vom "alltäglichen" Geschäft überlagert werden - ggf. ist auch das Beiziehen eines externen Moderators sinnvoll (Freeman 1991, S. 92), was auch in einigen Interviews bestätigt wurde. Die Ergebnisse der Sitzungen werden protokolliert, schon aus Gründen der Rechtssicherheit bei Stiftungsratssitzungen (inkl. Abstimmungsergebnis). Aber auch für Arbeitssitzungen ist das Festhalten von Entscheidungen oder weiteren Aufgaben mit Vermerken zur jeweiligen Zuständigkeit sinnvoll, um eine effiziente und effektive Zielerreichung zu ermöglichen und Irritationen und Unklarheiten möglichst auszuschliessen. Zusammenfassend eine Beschreibung eines Geschäftsführers einer mittelgrossen Stiftung zum Ablauf von Stiftungsratssitzungen in jener Stiftung - und eine Bestätigung, dass Strategiethemen leicht vom Tagesgeschäft überlagert werden, was, wie bereits erwähnt, für gesonderte Strategiesitzungen spricht: "Also, vom Aufbau her sind sie eigentlich sehr straff und auch ziemlich formal organisiert. Der Ablauf ist in der Regel dann zwar nicht so straff - man könnte dies sicher bis zu einem gewissen Grad noch ein wenig stärker formalisieren oder auch ein wenig professionalisieren. Also, wir wollten zum Beispiel das letzte Mal auch ein wenig über Strategien sprechen. Und das ist Protokoll FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 282 dann einfach nicht passiert. Das war einfach falsch traktandiert. Die Unterlagen lagen zwar vor, aus welchen Gründen auch immer hat man dies dann aber nicht diskutiert. Wenn Gesuche diskutiert werden, liegen die Unterlagen alle vor, die können die drei Stiftungsräte eine Woche vorher alle anschauen und auch unsere Deckblätter mit der Kurzeinschätzung sind dabei. Man geht dann in der Sitzung schon jedes einzelne durch, aber manchmal bleibt man dann an gewissen Fragen hängen und diskutiert irgendwie eine Viertelstunde über eine Frage, die an und für sich nicht so entscheidend ist. Wir sind aber schon bemüht, auch wirklich eine gute Struktur hineinzubringen, mit einer Agenda und aufbereiteten Unterlagen. Es wird auch immer Protokoll geführt, es werden dort detailliert die Ergebnisse erfasst. Unser Präsident leitet auch immer die Sitzung." (P16) Ein zentraler Aspekt gerade im Hinblick auf ein professionelles Management von Stiftungen umfasst die Lern- und Feedbackkultur. Eine "dissatisfaction with existing ways of working" gehört gemäss Anheier und Leat (2005, Chapter 6, S. 2) zu den Grundvoraussetzungen einer wirkungsvollen Stiftungstätigkeit und mündet in der Frage: "How can we do (even) better?" Diese Frage zielt sowohl auf ggf. notwendige inhaltliche Anpassungen, aber auch auf prozedurale Verbesserungen (Æ Kap. 12.1 Evaluation, S. 455) ab, denn "gutes Tun" reicht nicht aus, sondern nur "the very best the foundation can do is acceptable" (Anheier/Leat 2005, Chapter 6, S. 2). Ein klares Bekenntnis zur systematischen (Selbst-) Evaluation der gesamten Stiftungstätigkeit, inhaltlich wie prozedural, ist dabei notwendig und sollte von Anfang an durch das Entwickeln eines Evaluationskonzepts (Æ Kap. 12.1 Evaluation, S. 455) in der Stiftung verankert werden. Lernen ist also für Stiftungen essentiell, so Weger (2002), obwohl sie nicht in einem Verdrängungswettbewerb stehen, wie z. B. Privatunternehmen, und sie (als Vergabestiftungen mit eigenem Kapitalstock) keine Ressourcenknappheit im engeren Sinne (unmittelbar) spüren. Aber Stiftungen stehen in der Pflicht, die zur Verfügung stehenden Ressourcen einzusetzen zugunsten des Gemeinwohls ("obligation to create value"). Und dieser Einsatz sollte bestmöglich - unter Effektivitäts- und Effizienzaspekten - erfolgen. Und dass eine Stiftung auch bei sich selbst beginnen muss, beobachtete Kramer (2002a) bei der Betrachtung der Arbeitsschwerpunkte einer US-amerikanischen Interessensgemeinschaft von Vergabestiftungen, den "Grantmakers for Effective Organi- Lern-/ Feedbackkultur leben FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 283 zations"166: "We started off looking at the capacity of grantees, but find that has led us back home to look at ourselves. The neutral titel of ‘Grantmakers for Effective Organizations’, has masked a subtle metamorphosis in meaning from ‘Grantmakers for Effective Grantees’ into ‘Grantmakers for Effective Grantmakers’.” Ein Geschäftsführer einer deutschen Stiftung geht sogar noch weiter und ist überzeugt, dass die Wirksamkeit einer Stiftung alleine abhängig ist von der Fähigkeit zu lernen und sich zu hinterfragen. Das grundsätzliche Sich-Hinterfragen verlangt auch ein Stifter von Stiftungsräten: "Ein guter Stiftungsrat und ein guter Unternehmer müssen eines gemeinsam haben. Sie dürfen sich ihrer Sache nie ganz sicher sein. Sie müssen immer ein wenig zweifeln an sich selbst." (P27) Eine solche Lern- und Feedbackkultur sollte die gesamte Stiftung erfassen, wie auch ein Geschäftsführer einer grossen Stiftung vorschlägt, nicht jedoch ohne auf die Schwierigkeiten einzugehen, die die Implementierung einer umfassenden Feedbackkultur mit sich bringt: "Wir pflegen eine sehr konstruktive Feedbackkultur. Wir sind ein gutes kleines Team. Wir haben hier drin sehr viel Eigendynamik und Selbstkritik - wir treiben das bewusst voran. Wir haben diese Schlaufe auch mit den Jahreszielgesprächen. Doch wer nie über seine Leistungen Auskunft gibt, oder geben muss, ist der Stiftungsrat. Ich kann das natürlich nicht vorschlagen. Ich als Geschäftsführer kann das nicht reinbringen, weil das sonst klar als Misstrauen gewertet wird. Das geht nicht. Das muss, wenn schon, der Präsident reinbringen." (P5) Die fehlende oder teilweise mangelhaft ausgebildete Lern- und Feedbackkultur beeinflusst auch das benachbarte Gebiet der Kooperationen - sowohl im thematisch-inhaltlichen Bereich als auch im Bereich der operativen Stiftungsarbeit. Skloot formuliert pointiert für das amerikanische Stiftungswesen: "We sit straight ahead, rarely pulling our eyes away from the spinning icons. We do not interact with the other players on our left or right. If we did, we wouldn’t learn much anyhow - they’re behaving in just the same way.” (Skloot 2001, S. 3) Doch auch im Verlauf des Forschungsprojekts 166 www.geofunders.org (23.08.2005). Kooperations kultur entwickeln 284 FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess wurden immer wieder vergleichbaren Äusserungen getätigt, die diesen Sachverhalt auch für das deutsche und Schweizer Stiftungswesen bestätigen167. Stiftungen müssen sich bereits im Bereich der Stiftungspolitik intensiv mit Kooperationsmöglichkeiten auseinandersetzen und grundsätzlich kooperationsfähig sein. Die Entscheidungen für oder gegen Kooperationen sind stark mit strategischen Fragen verbunden (Æ Kap. 9.2 Stiftungsstrategie, S. 288, Æ Kap. 10.6 Replikation, S. 378). Die Ausgestaltung und Begleitung von Kooperationen wird unterstützt durch das Æ Kooperationsmanagement (Kap. 11.4, S. 427). Es können auf der Ebene der Stiftungspolitik grundsätzliche Kriterien formuliert werden, nach denen für bestimmte Bereiche, z. B. grosse, internationale Projekte, Kooperationen wenn möglich einzugehen sind, für andere Bereiche, z. B. Befriedigung dringlicher Bedürfnisse mittels Kleinvergabungen, nicht notwendigerweise Kooperationen eingegangen werden müssen. Es gilt in diesem Zusammenhang auch zu überlegen, wie sich Stiftungen in übergeordneten Verbänden zum Wohle des gesamten Sektors einbringen können oder inwiefern sie in Netzwerken aktiv den Austausch mit anderen Stiftungen suchen, z. B. Verbandsarbeit und Netzwerkbildung unterstützen als erfahrener Coach für Newcomer oder als dankbarer Nutzniesser bewährter Ansätze oder Empfänger von Anregungen für die eigene Stiftungsarbeit. Die Bereitschaft zur Verbandsarbeit zur Bildung von Netzwerken, zur Kooperation, zum Lernen sowie dazu, Feedback konstruktiv zu verarbeiten gewährleistet auch eine "Umweltoffenheit". Diese Offenheit bewahrt eine Stiftung davor, "realitätsfern" und ungeachtet der tatsächlichen Bedürfnisse einer Gesellschaft oder Zielgruppe tätig zu werden. Auch wirkt sie einem latenten Vorwurf gegenüber Stiftungen entgegen: "foundations do not question or probe the system - they are the system" (Anheier/Leat 2005, Chapter 2, S. 6). Die bisher genannten Werthaltungen und Arbeitsgrundsätze werden ergänzt durch die Bereitschaft und Verpflichtung, offen und proaktiv mit der Stiftungsumwelt zu kommunizieren. Dabei ist auch die Entwicklung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Stiftungsaufsicht eingeschlossen (Æ Kap. 11.3 Kommunikationsmanagement, S. 412). Es geht dabei nicht mehr darum, kommunizieren zu wollen, sondern darum, sich im Sinne eines Public Trusts (vgl. Kap. 6.1) aktiv um das Vertrauen der 167 Nicht zuletzt deshalb wurde das Forschungsprojekt Foundation Excellence ins Leben gerufen, um hier in gewisser Weise als Katalysator zur Professionalisierung des Stiftungsmanagements zu dienen, best-practices in Form von Handlungsoptionen zu systematisieren und einen Orientierungsrahmen für das Management von Stiftungen zu entwickeln. Kommunikationskultur pflegen FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 285 Öffentlichkeit zu bemühen (Æ Kap. 12.2 Accountability, S. 469). In diesem Zusammenhang soll das Motto des US-amerikanischen Staates New Hampshire paraphrasiert werden, das 1974 vom amerikanischen Council of Foundations seinen Mitgliedern nahe gelegt wurde - im Anschluss an den Tax Reform Act von 1969, der einen tief greifenden Wandel im Selbstverständnis der Stiftungen nach sich zog (vgl. auch Frumkin 1997, 1998): "Foundations are going to have to learn to ‚Communicate Freely, Or Die’" (Frumkin 2005, S. 108). Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich der Formulierung von Arbeitsgrundsätzen und allgemeinen Werthaltungen: 37. Wie lauten die Grundsätze zur Beschlussfassung - unter Bezugnahme auf die rechtlichen Formvorschriften? 38. In welcher Weise werden Interessenskonflikte gehandhabt und wie lauten die dazugehörigen Ausstands- und Unvereinbarkeitsregelungen? 39. Welche Grundsätze der Organkonstitution sind festgelegt, insbesondere in Bezug auf Amtszeitbeschränkungen und Berufungsverfahren? 40. Welche Arbeitsgrundsätze und Werthaltungen pflegt die Stiftung in der internen Zusammenarbeit, z. B. bei Sitzungen? 41. Wie werden eine kontinuierliche "Umweltoffenheit" und die ständige Bereitschaft zum Lernen beibehalten? 42. Welche grundsätzlichen Einstellungen bestehen gegenüber Kooperationen? 43. Welcher Beitrag wird zur Entwicklung des Stiftungssektors geleistet und wie erfolgt eine Interessenvertretung der Stiftung in externen Gremien und Verbänden? 44. Welche Werthaltungen verfolgt die Stiftung im Umgang mit der kritischen Öffentlichkeit, namentlich dem Stifter, den (potentiellen) Projektpartnern und den direkt "Begünstigten" der Stiftungsaktivitäten? 9.1.8 Erarbeitung eines Code of Conducts und eines Leitbilds All die gemeinsam erarbeiteten Festlegungen der Stiftungspolitik sind daraufhin zu prüfen, in welcher Form sie intern dokumentiert und den Mitarbeitern verfügbar gemacht werden, z. B. im Sinne eines verpflichtenden Code of Conduct-Handbuchs (auch für neu eintretende Mitarbeiter, Æ Kap. 11.5 HR-Management, S. 434), oder welche Festlegungen Eingang in ein öffentlich zugängliches Leitbild finden. Denn es soll nicht der Eindruck erweckt werden, eine Stiftung müsse vollständig transparent Code of Conduct und Leitbild erstellen 286 FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess sein. Es gibt auch bei Stiftungen Themen und Entscheidungen, die eine Art Geschäftsgeheimnis darstellen. Dazu können auch bestimmte Festlegungen der Stiftungspolitik gehören. Grundsätzlich wird jedoch die Position vertreten, dass alles, was nicht ausdrücklich unter dieses Geschäftsgeheimnis fällt, auch in angemessener Form der Öffentlichkeit kommuniziert werden soll. Dies dokumentiert Kompetenz und stärkt das Vertrauen der kritischen Öffentlichkeit in Stiftungen. Insbesondere vor dem skizzierten Hintergrund der in den 1960er Jahren in den USA abgelaufenen veränderten Wahrnehmung von Stiftungen in der Öffentlichkeit und der damit verbundenen Informationsbedürfnisse ist der Wert eines überzeugenden Leitbilds (TVTest)168, das Begründungen zur Mission, den inhaltlichen Eckpfeilern, aber auch Stellungnahmen zur Organisation und zu ausgewählten Arbeitsgrundsätzen enthält, nicht zu unterschätzen, wie auch ein Geschäftsführer einer grossen Stiftung herausstreicht: "Denn wie erklären Sie sonst Ihrer Grossmutter oder Ihren Kindern oder auch den Mitarbeitern, was Sie eigentlich machen - und wie? Die interessiert kein 150- oder 200-seitiger Jahresbericht, sondern das muss einfach und verständlich in vier oder fünf Sätzen kommunizierbar sein." (P10) Durch einen gemeinsamen Erarbeitungsprozess von Code of Conduct und Leitbild, aber auch bei der Entwicklung oder beim periodischen Review von Mission und inhaltlichen Eckpfeilern (Æ Kap. 12.1 Evaluation, S. 455), soll bei allen Organen und Mitarbeitenden einer Stiftung eine einheitliche Orientierung erlangt und die Identifikation mit der Stiftung gestärkt werden. Zwar sind die Grundlagen der Stiftungsidentität bereits bei der Gründung in der Stiftungsurkunde gelegt, dennoch zeigen erst die weiteren Ausgestaltungen (Mission Statement, Reglemente zur Organisation und Entscheidungsfindung, Code of Conduct und schliesslich das Leitbild), wie sich die Stiftung selbst sieht und wie sie von der Öffentlichkeit gesehen werden will. Die Spezifizierungen der Stiftungspolitik und die damit verbundene Findung eines gemeinsamen Nenners unter den Stiftungsmitarbeitern sollte optimalerweise bereits ein erstes Mal während der Gründungsphase einer Stiftung stattfinden - zumindest mit denjenigen Mitarbeitern (z. B. Geschäftsführer), die zu diesem Zeitpunkt bereits Teil der Stiftung sind. Das seiner Meinung nach notwendige Ziel eines solchen Prozesses umschreibt ein Geschäftsführer einer grossen Stiftung folgendermassen: 168 Der "TV-Test": Können vor einem kritischen Publikum in "zwei Minuten" die Grundanliegen und inhaltlichen Eck- Erarbeitungsprozess gemeinsam durchführen FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 287 "Jede Stiftung erbringt eine Dienstleistung, das ist einmal entscheidend. Und zwar eine Dienstleistung letztendlich im Interesse des Stifters, des Landes oder wer im Einzelfall die Stiftung errichtet hat. Das erscheint mir ganz zentral zu sein. Man läuft sonst als Stiftungsmitarbeiter oder als Beirats- oder Vorstandsmitglied sehr leicht Gefahr, in eine Arroganz zu verfallen, weil man ja ausser dem eigenen Gremium niemandem Rechenschaft schuldig ist. Und wie gesagt, diese Arroganz zu vermeiden und mit professionellem Management den Willen des Stifters oder der Stifterin zum Wohl der Gesellschaft umzusetzen, das erscheint mir sehr wichtig zu sein." (P10) Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich der Erarbeitung eines Code of Conducts und eines Leitbilds: 45. In welchem Detaillierungsgrad werden die Mission und die inhaltlichen Eckpfeiler inklusive einer nachvollziehbaren Begründung im Leitbild publiziert? 46. Welche Grundsätze der Bereiche Anlage, Förderung, Abläufe und Werthaltungen, die nicht den Status eines "Geschäftsgeheimnisses" erreichen, werden in einem öffentlich zugänglichen Leitbild kommuniziert? 47. Wie erfolgen der Prozess der Erarbeitung von Mission und inhaltlichen Eckpfeilern, aber auch der Festlegungen in Bezug auf Arbeitsgrundsätzen und Werthaltungen, um eine grösstmögliche Identifikation aller Stiftungsmitarbeiter mit den Stiftungsaktivitäten zu gewährleisten? pfeiler der Stiftung begründet und verständlich kommuniziert werden? FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 288 9.2 Stiftungsstrategie Bei einer Strategie geht es darum, die Massnahmen und Aktivitäten zu bestimmen, die das Erreichen der langfristigen Mission ermöglichen. Pettigrew et al. (2002, S. 3) definieren Strategie als "purposes, directions, choices, changes, governance, organization, and performance of organizations in their industry, market and social, economic, and political contexts". Strategie bedeutet auch, Entscheidungen zu treffen und Prioritäten zu setzen bezüglich der Ressourcenallokation. Im Gegensatz zum Profit Sektor, in dem das strategische Management zur Erhöhung der Profitabilität ausgerichtet ist, dient es im Non-Profit-Sektor im Rahmen der Sachzieldominanz eher dazu, die Voraussetzungen und den Weg zu spezifizieren, wie die Festlegungen der Mission in der Alltagspraxis umgesetzt werden können. Zum strategischen Management von Stiftungen gehören somit alle Entscheidungen und Initiativen, die mit dem Aufbau von Voraussetzungen für eine möglichst wirkungsvolle und effiziente Stiftungstätigkeit i. S. der Umsetzung des Stiftungszwecks und der daraus abgeleiteten Mission zu tun haben (vgl. Müller-Stewens/Lechner 2001 für den Unternehmenskontext). In der strategischen Philanthropie gilt dabei zunehmend, dass Wissen und nicht Geld die wirkliche Währung zur Erreichung von sozialem Wandel ist. Den Ausgangspunkt zur Entwicklung einer wirkungsvollen Stiftungsstrategie bildet eine sorgfältige Reflexion des Stiftungszwecks und der daraus abgeleiteten Mission, die grundlegenden inhaltlichen Festlegungen und der Ethical Code of Conduct. Diese verbindlichen Festlegungen der Mission sind ein unverzichtbarer Orientierungsrahmen für die Entwicklung einer wirkungsvollen und konsistenten Stiftungsstrategie. Im strategischen Management gilt es somit einerseits Festlegungen in inhaltlicher Hinsicht zu treffen, andererseits Massnahmen prozessualer Art der Umsetzung zu definieren. Die zu treffenden Festlegungen lassen sich in fünf Aufgaben zusammenfassen: 1. Bestimmung zentraler Wirkungsfelder 2. Definition strategischer Ausgestaltungsalternativen FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 289 3. Analyse notwendiger Fähigkeiten und Ressourcen 4. Identifikation von Kooperationsfeldern und -partnern 5. Erstellung strategischer Projektportfolios und von Massnahmenplänen Die oben genannten Aufgaben einer Stiftungsstrategie können nicht losgelöst voneinander oder sequentiell bearbeiten werden, denn sie sind eng miteinander verknüpft. Die in diesem Rahmen zu treffenden Festlegungen sind in einem strategischen Entwicklungsprozess iterativ zu erarbeiten und periodisch zu überprüfen. Bei der Bearbeitung der anfallenden strategischen Entscheidungen sind drei wesentliche Bestandteile von Strategien zu beachten (vgl. von Krogh 2004): die langfristige Sichtweise mit der Absicht, die gesteckten Ziele zu erreichen die Entscheidung über die Allokation von beschränkten Ressourcen die Analyse der eigenen Stärken und Schwächen sowie der externen Chancen und Gefahren Strategische Festlegungen haben allerdings nicht nur Bedeutung für die oberste Führungsebene einer Stiftung. Auch die übrigen Stiftungsmitarbeiter müssen wissen, welche Strategien in einer Stiftung verfolgt werden. Daneben bedürfen auch Stakeholder ausserhalb der Stiftung, z. B. die Antragssteller, einer Orientierung über die Festlegungen der Stiftung. Eine verlässliche Strategie braucht es, um Enttäuschungen vorzubeugen. Oft ist es frustrierend zu erkennen, dass die z. T. grossen verfügbaren Vermögen in Stiftungen im Vergleich zur Mission und den Ideen eines Stifters gering sind. Deshalb bedarf es realistischer Ziele und einer realistischen Strategie. Zentraler Aspekt bei der strategischen Stiftungsarbeit ist, dass bei der Verfolgung unterschiedlicher Aktivitäten und Programme eine maximale Effektivität nur erreicht werden kann, wenn die Förderungen als Gesamtes in einem Portfolio aufeinander abgestimmt werden (Gruber/Mohr 1982). Durch die "Bewirtschaftung" eines solchen Portfolios im Gegensatz zu unabhängigen Einzelinitiativen - können die Synergieeffekte und positiven Wechselwirkungen genutzt werden, die zwischen den einzelnen Förderaktivitäten bestehen. Einzelne Aktivitäten dürfen aufgrund ihrer Interaktion nicht isoliert betrachtet werden, umso mehr sie untereinander um die knappen Ressourcen einer Stiftung im Wettbewerb stehen. FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 290 Folgende Leitfrage sollte sich jeder Stiftungsverantwortliche bei einem anstehenden Strategieprozess verdeutlichen: "Versetzen Sie sich in die Lage von heute in 10 Jahren. Ihre Stiftung wird als eine der besten im spezifischen Wirkungsfeld angesehen. Welche Aktivitäten hat Ihre Stiftung in welcher Art und Weise durchgeführt, um zu dieser Reputation zu gelangen?" Die im Folgenden beschriebenen Aufgaben des Teilprozesses "Stiftungsstrategie" stellt einen zentralen Baustein des FE-C dar zur Unterstützung des Stiftungsmanagements im konstruktiven Umgang mit den organisatorischen Defiziten einer Stiftung und der Handhabung der Paradoxien der Stiftungspraxis (vgl. Kap. 6) im Hinblick auf den Aufbau von Vertrauen in und Wertschätzung der Stiftungsarbeit durch eine zielorientierte und systematisch-strukturierte Stiftungsarbeit. 9.2.1 Bestimmung zentraler Wirkungsfelder Ein Wirkungsfeld zeichnet sich durch die Möglichkeit aus, die Mission der Stiftung wirkungsvoll umzusetzen. Der dazu notwendige Konkretisierungsschritt von der allgemeinen Orientierung der Mission und der Festlegung der grundsätzlichen inhaltli- Nutzen von Wirkungsfeldern erkennen chen Eckpfeiler wird durch die Spezifizierung des Wirkungsfelds geleistet. Klar abgrenzbare Wirkungsfelder dienen auch dazu, sich innerhalb der Stiftungslandschaft optimal zu positionieren und das Profil der Stiftung über die Mission und die inhaltlichen Eckpfeiler hinaus zu schärfen. Wettbewerb und Abstimmung im Stiftungsbe- Profilbildung/ Positionierung reich erfolgen zwar nicht im Sinne eines "Verdrängungswettbewerbs" zwischen Stiftungen, sondern im Sinne einer Koopetition, die den Kooperationsgedanken mit dem Wettbewerbsgedanken verbindet (Kooperation und Kompetition). Neben dem Wettbewerb z. B. um gute Projekte geht es dabei aber vor allem darum, etwaige Doppelspurigkeiten bei der Bearbeitung von Knappheiten und damit einer Verschwendung der wertvollen Ressourcen von Stiftungen (und anderen Organisationen) möglichst entgegenzuwirken. Gleichzeitig wird so eine optimale Abstimmung und Ergänzung der Tätigkeiten aller Organisationen gewährleist, im Sinne des "grossen Ganzen", d. h. der Weiterentwicklung der Gesellschaft (sozialer Wandel). Ein Geschäftsführer einer mittelgrossen Stiftung umschreibt es folgendermassen - mit einem starken Hinweis auf die Kooperationskultur: Ressourcenschonung/ Abstimmung FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 291 "Das Thema Wettbewerb ist, glaube ich, sehr heikel im Stiftungsbereich. Keiner möchte das unbedingt so als Wettbewerb bezeichnen, aber ich glaube, es tut schon gut, wenn man sich auch als Stiftung darüber bewusst wird, wer wir sind, wofür wir stehen und wer die anderen Spieler im selben Feld sind. Und natürlich: Wie grenzt man sich von denen ab? Wie kann man vielleicht aber auch sinnvoll zusammenarbeiten, kooperieren, was dann sicherlich anders wäre als bei klassischen Unternehmen." (P25) Positionierungsentscheidungen bei der Wahl von Wirkungsfeldern können dabei in zwei Richtungen erfolgen: Entweder können solche Entscheidungen auf Pionierarbeit (Social Entrepreneurship) und Einzigartigkeit der Stiftungstätigkeit abzielen. Dann wird ein Wirkungsfeld gewählt, in dem sich noch keine Stiftung engagiert, das jedoch eine relevante gesellschaftliche Knappheit darstellt, wie sie im Rahmen der Mission festgelegt wurde. Oder es kann ein Wirkungsfeld gewählt werden, in dem bereits ein Engagement von Stiftungen besteht. In einem solchen Fall gilt es, sich "synergetisch" so zu positionieren, dass die spezifischen Anstrengungen aller Stiftungen zusammenwirken. Mit anderen Worten geht es in solchen Konstellationen darum, Nischen zu besetzen oder ggf. gezielte Kooperationen mit anderen Stiftungen (oder weiteren gesellschaftlichen Institutionen) einzugehen (Æ Kap. 11.4 Kooperationsmanagement, S. 427). Zu beachten sind dabei auch die entsprechenden Vorgaben zum Umgang mit Risiko aus der Æ Stiftungspolitik (Kap. 9.1, S. 228), z. B. zu "Ideen", "Menschen", "Ort" und ggf. weitere stiftungsspezifische Faktoren. Um die "optimale" Nische in einem thematischen Bereich zu identifizieren, ist es notwendig, bei ungenügenden internen Ressourcen externes Wissen über bestimmte Bereiche "einzukaufen". Eine international aktive Stiftung hat zur Abklärung der Aktivitäten anderer Akteure ein Gutachten erstellen lassen. "Es gab in der Vergangenheit eine Studie einer Stiftungsberatungsgesellschaft, in der versucht wurde, die Inhalte unserer Stiftung auch international zu vergleichen. Ziel war, wen es neben unserer Stiftung noch gibt, der in ähnlichen Gebieten arbeitet. Das Ergebnis der Studie zeigte, dass es zwar viele Stiftungen gibt, die Teilbereiche dessen abdecken, was wir auch abdecken, aber eben nicht in dieser Prägnanz und dieser Detailliertheit." (P10). FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 292 Stiftungen, die keine klaren Wirkungsfelder konkretisiert haben, können nur schlecht ihre zentralen Anliegen kommunizieren und ihre stifterischen Bemühungen fokussieren. Sie laufen z. B. auch Gefahr, dass sie von nicht passenden Anträgen regelrecht überschwemmt werden. Eine Folge einer unklaren Wirkungsfelddefinition kann es auch sein, dass die Stiftung versucht, es allen "recht zu machen" und zahlreiche Projekte mit kleinen Beiträgen unterstützt (Breiteneicher/Marble 1998, Æ Kap. 9.1 Stiftungspolitik, S. 228). Diese nach aussen wahrgenommene willkürliche Vergabe von Fördermitteln löst Verwirrung über die Zielsetzungen aus. Zudem ist die Wirkungsmessung dieser Kleinstvergaben schwierig - und aufwändig (Æ Kap. 10.4 Projektmonitoring, S. 360). Unklar spezifizierte Wirkungsfelder erschweren es auch den Entscheidungsgremien, Projektanträge kritisch zu selektieren und einen projektübergreifenden Mehrwert zu erzielen (Æ Kap. 9.2.5 strategisches Projektportfolio, S. 314; Æ Kap. 10.2 Projektselektion, S. 341). Definierte Wirkungsfelder bieten im Gegensatz dazu klare Begründungen für die Ablehnung von Projektanträgen, die sich nicht optimal mit dem Stiftungsvorhaben decken. Auf der anderen Seite wird so potentiellen Antragsstellern signalisiert, ob ein Antrag bei dieser Stiftung überhaupt Erfolg versprechende Aussichten hat (Æ Kap. 10.1 Projektakquisition, S. 330). Eine klare Wirkungsfelddefinition erlaubt es der Stiftung, ihre Ressourcen auf Aktivitäten zu konzentrieren, die im Gesamtzusammenhang, auch synergetische, Wirkungen erzielen (Æ Kap. 12.1 Evaluation, S. 455). Es wird zudem in Zukunft schwieriger werden, einer kritischen Öffentlichkeit die Arbeitsweise nachvollziehbar zu verdeutlichen und die Stiftung als notwendiges und effektives Instrument im Dienste der Gesellschaft zu legitimieren. Die im obigen Zitat geschilderte Vorgehensweise hinterlässt hierbei Fragezeichen (Æ Kap. 12.2 Accountability, S. 469). Dennoch sehen zahlreiche Stiftungen nach wie vor keine Notwendigkeit in der Spezifikation von Wirkungsfeldern und der damit verbundenen Analyse der Tätigkeiten anderer Institutionen. So umschreibt ein Stiftungsratspräsident einer kleinen Stiftung seine Arbeitsweise folgendermassen: "Ich muss ehrlich sagen, ich habe mir nie überlegt, wie sich diese Stiftung differenzieren soll. Ich habe eigentlich mit anderen Stiftungen keinen Kontakt. Es gab bis jetzt kein Netzwerk, so wie es nun durch die Initiative von Begründete Absagen FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 293 Swiss Foundations in Zukunft vorhanden ist. Aber ich brauche dies auch nicht um meine Vergabungen zu machen, denn so eine komplizierte Sache ist es auch nicht. Das ist vielleicht eine ehrliche Antwort, aber ich glaube, viel mehr kann ich hierzu nicht sagen. Ich bin nur eine kleine Stiftung [...]". (28) Bei der Konkretisierung der Wirkungsfelder geht es darum, die Festlegungen des Gestaltungsprozesses der Stiftungspolitik, insbesondere der Mission und der inhaltli- Wirkungsfelder spezifizieren chen Eckpfeiler, aber auch den dokumentierten Konsens über Arbeitsgrundsätze und Werthaltungen der Stiftungsarbeit umzusetzen. Auf diese Weise kann die Übereinstimmung der Förderaktivitäten mit dem Stifterwillen erreicht werden. Bei einem solchen ersten Reflexionsprozess bilden sich Bereiche heraus, die als mögliche, konkrete Arbeitsschwerpunkte der Stiftung - über die spezifizierten inhaltlichen Eckpfeiler hinaus - in Frage kommen. Auf der Basis dieser ersten Suchfelder kann in der Folge das Umfeld sowohl inhaltlich als auch geographisch analysiert werden, um mehr über das Potential von Stiftungsaktivitäten in diesen Feldern zu erfahren. Dabei sind sowohl stiftungsinterne (z. B. verfügbare Ressourcen) als auch stiftungsexterne Gegebenheiten zu berücksichtigen. Die externe Analyse (Umweltanalyse) hat einerseits das Ziel, Klarheit darüber zu gewinnen, welches die zur Erfüllung der Mission relevanten Anspruchsgruppen sind und welche Anliegen und Bedürfnisse diese haben. Die externe Analyse umfasst neben der Definition der Zielgruppen auch die Identifikation potentieller Destinatäre oder Projektpartner als wichtige Gruppe für die Vergabestiftungen (hands-off-Ansatz). Andererseits umfasst die externe Analyse eine intensive Auseinandersetzung mit der Stiftungsumwelt, so z. B. den in Kapitel 8 beschriebenen Umweltsphären "Politik", "Ökonomie", "Sozio-Kultur" und "Technologie". Die Kenntnis gesellschaftlich existierender, manifester Bedürfnisse oder Trends ("weak signals"), die sich erst in Zukunft zu Bedürfnissen heranbilden können, ist elementar für eine optimale Ausrichtung und Voraussetzung der Wirkungserzielung der eigenen Stiftungstätigkeit. Ein Geschäftsführer einer grossen Stiftung beschreibt detailliert den analytisch-konzeptionellen Prozess der Wirkungsfeldspezifikation: "Der Spezifikation ist eine sehr breite und grundlegende Recherchenarbeit vorausgegangen. Wir haben gesagt, Schwerpunkt des Testaments ist das ‚So- Externe Analyse FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 294 ziale’, worauf wir das ganze soziale Gebiet angeschaut und darin 16 Teilbereiche gefunden haben, die wir in Form einer vier-mal-vier-Matrix dargestellt haben. Wir haben versucht, eine Struktur hineinzubringen, Kategorien von Drogen, Flüchtlingen, Krankheiten bis zu Kindern. Und dann haben wir systematisch Interviews mit Experten gemacht und Literaturrecherchen durchgeführt etc. und dabei jedes dieser Gebiete intensiv untersucht. Bei jedem Gebiet haben wir untersucht, was die Bedarfslage und das Angebot ist. Und bei den Drogen haben wir in unserer Stadt z. B. 93 Institutionen gefunden, die sich von der Prävention bis zum Entzug um dieses Thema kümmern. Bei den Krankheiten haben wir gesehen, dass dies ein Gebiet ist mit allen möglichen Fürsorgeformen wie Krankenkassen, Pro Infirmis usw. Da besteht bereits ein hoher Versorgungszustand und es kümmern sich sehr viele Leute darum. Stiftungen geben z. B. gerne Gelder für krebskranke Kinder. Das geht so weit, dass diese Organisationen bereits nicht mehr wissen, was sie mit den Mitteln machen sollen. So haben wir ein Gebiet nach dem anderen eliminiert und hatten am Schluss drei Gebiete von 16, die wir etwas tiefer untersucht haben. Dies waren Immigranten, Kinder und Langzeitarbeitslose. Die ganzen Behinderungen beispielsweise haben wir ausser Acht gelassen, obschon die sehr "attraktiv" sind, weil man mit Blindenhunden z. B. unheimlich an Gefühle appellieren kann. Dagegen gibt es andere Gebiete, da haben wir gemerkt, da setzt sich niemand ein. Bei den Flüchtlingen ist die Frage berechtigt, warum nicht Sudanesen, sondern Kurden. Da spielt sicher auch der Zufall mit. Es ist nicht alles systematisch. Beim Stiften ist immer ein Willkürmoment vorhanden, da muss man dazu stehen. Es ist anders als beim Staat, wenn er etwas macht, muss er allen genau gleich viel zukommen lassen. Und eine Stiftung kann sich erlauben zu sagen: ‚Nein, dass ist jetzt mein Gebiet.’ Bei uns ist einfach ein bisschen speziell, dass wir diese Selektion so systematisch gemacht haben und unsere Auswahl begründen können." (P7) Ein Geschäftsführer einer anderen Stiftung beschreibt das Vorgehen bei der Auswahl von Wirkungsfeldern folgendermassen: "Im kulturellen Bereich haben wir eine ausgearbeitete Strategie. Dort haben wir geschaut, was der Staat und was unser Kanton macht - die geben ja wahnsinnig viel aus pro Kopf für Kultur, also etwa doppelt so viel wie Zürich FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 295 pro Kopf ausgibt. Für 40 Museen, für drei Sparten Theater und all das. Da haben wir mal geschaut, was macht der Staat eigentlich nicht. Und der Staat macht nichts in den Bereichen Literatur, Photo, Video, und neuen Medien, also Internetkunst und ähnliches. Darum haben wir uns entschlossen, in diesen Bereichen etwas zu machen. Unsere Stadt gibt im kulturellen Bereich 100 bis 120 Millionen aus und wir können vielleicht drei bis vier Mio. einsetzen im Jahr. Da müssen wir uns schon genau überlegen, wo wir das einsetzen nicht nur in ‚Kultur’, sondern schon spezifischer." (P26) Eine gewissenhafte Wirkungsfelddefinition verhindert zudem folgende, von einem Geschäftsführer einer grossen Stiftung beschriebene Situation - und führt die in der Æ Stiftungspolitik (Kap. 9.1, S. 228) propagierte Abstimmung mit anderen Organisationen (Profit-, Non-profit- und staatlichen Organisationen) und eine Profilbildung konsequent weiter: "Manche Organisationen haben einfach zu viele Mittel. Z. B. wissen manche gar nicht mehr wohin mit dem Geld, weil es gar nicht so viele krebskranke Kinder gibt, die Geld brauchen. Oder wenn Guido Zäch von der Paraplegiker Stiftung CHF 20-30 Mio. sammelt und gar nicht genügend Querschnittsgelähmte hat. Es gibt einfach nicht genügend, um CHF 30 Mio. pro Jahr einzusetzen. Es gibt in der Schweiz pro Jahr 150 Querschnittgelähmte, da balgen sich vier Kliniken darum [...]". (P7) Dieses Zitat verdeutlicht, dass der Wille etwas Gutes zu tun, nicht der Massstab für effektive Arbeit sein kann. Die Aufgabe einer Stiftung liegt vielmehr in der Befriedigung gesellschaftlicher Knappheiten (Æ Kap. 9.1.2 Mission, S. 233), die zwar auf private Initiative zurückgehen, aber gesellschaftlich wirksam sind. Damit verbunden ist, auf der Ebene der Wirkungsfelder, auch eine genaue, handlungsleitende Bedürfnisabklärung der Zielgruppe, wie ein Geschäftsführer einer mittelgrossen Stiftung bestätigt: "Es sah am Anfang so aus, dass wir im Prinzip eine sehr wohlhabende und gut situierte Stiftung sind, doch mittlerweile ist unser Kapital zusammengeschrumpft. Aus diesem Grund mussten wir extrem auf jeden Franken achten, den wir ausgeben haben und das hat uns gezwungen, wirklich jeden Franken, den wir ausgeben, maximal zu nutzen. Dadurch haben wir sicherlich zehn Bedürfnisabklärung Zielgruppe FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 296 Mal mehr Leute befragt, was sie nun für sinnvoller halten und welchen Mehrwert wir als Stiftung liefern können. Ich sehe es leider bei sehr vielen Stiftungen, die grosse Stiftungsvermögen haben, dass da erstmal sehr viel einfach nur auf Grund der Vision des Gründers ausgegeben wird, ohne dass man den Markt und Kunden einmal genauer befragt und mit einbezieht." (P25) Knappheitsidentifikation und Bedürfnisabklärung der Zielgruppe dürfen keinesfalls nur einmalige Prozesse zu Beginn der Stiftungsarbeit sein. Eine stetige Reflexion und - wie im obigen Zitat beschrieben - gegebenenfalls eine Anpassung der Wirkungsfelder sind Merkmale professionellen Stiftungsmanagements. Dass für eine wirkungsvolle Stiftungsarbeit die genaue Kenntnis und Identifikation der Bedürfnisse der Zielgruppen erforderlich ist, verdeutlicht auch folgendes Zitat: "How can we establish a foundation that has a mission but get the things done with a high social outcome? You need to be totally connected to your client base. You need to know them inside out. You need to know exactly where they’re at. That is the most important answer for us. We couldn’t possibly do what we do successfully, if we didn’t know each one of our clients. We know everything about their business model, what works, what doesn’t work, where their weaknesses are, where their strengths are and there’s really a very close relationship. Foundations often make a mistake and this is what we were headed down exactly that road is: ’I know what’s good for them.’ […] And that is to me the absolute key, you absolutely need to know what your market is, and listen to that. And I think that, as I said, most foundations are established by people who have a vision of who they are, what they want for the world, but does the world want that from them.” (P11) Eine systematische Analyse der Bedürfnisse der Zielgruppen und die "Grenzziehung" des Wirkungsfeldes, das bearbeitet werden soll, können anhand folgender Kriterien erfolgen: 1. Identifikation der Bedürfnisse der Zielgruppe 2. Beschaffung und Analyse von Zahlen und Fakten zum identifizierten Wirkungsfeld FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 297 3. Reflexion über die Ursachen des Problems, damit die Stiftungsarbeit nicht reine Symptombekämpfung bleibt 4. Analyse der Aktivitäten von Privatwirtschaft, öffentlicher Verwaltung und anderen Organisationen im selben oder einem angrenzenden Wirkungsfeld 5. Abklärung des Finanzbedarfs 6. Identifikation Erfolg versprechender Massnahmen 7. Risikoanalyse der bestehenden und neuen Ansätze Um an die nötigen Informationen einer umfassenden Wirkungsfeldspezifikation inkl. der Zielgruppenbedürfnissen zu kommen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. So können Interviews mit Beteiligten, Betroffenen oder bereits im Wirkungsfeld aktiven Organisationen durchgeführt werden. Daten von öffentlichen Behörden, existierende Literatur oder Projektergebnisse anderer Stiftungen in ähnlichen Bereichen bieten ebenfalls einen hilfreichen Zugang. Ergänzend können Besuche vor Ort, bei ausgewählten Organisationen oder Experten erfolgen. Ein Stiftungsrat einer grossen Stiftung beschreibt die Identifikation von Förderschwerpunkten mit Hilfe eines Expertenworkshops folgendermassen: "Wir haben jetzt drei grössere Projekte abgeschlossen und sind im Moment noch dabei zu überlegen, wie wir weitermachen. Wir werden aus meiner Sicht noch mehr strategisch proaktive Entscheidungen treffen, sicherlich in irgendeinem eher interdisziplinären, fächerübergreifenden Bereich. Dazu haben wir jetzt auch die ersten Massnahmen beschlossen, so eine Art wissenschaftliches Brainstorming von Experten, die einen weiten Horizont haben - und nicht einmal alle sind aus unseren Fächern. Wir wollen einfach mal alle an einen Tisch bringen - nicht mehr als zehn Leute - und fragen, was denn aus deren Sicht besonders wichtig ist oder was man noch anpacken sollte. Dann wollen wir überlegen, ob wir nicht in Zusammenarbeit mit seriösen Wissenschaftlern zwei bis drei solcher Schwerpunktprogramme kreieren. Natürlich in dem Fächerspektrum, das unserem Förderbereich entspricht." (P8) Ein Beispiel für die Identifikation von Wirkungsfeldern, das auch insbesondere die Verknüpfung mit den Festlegungen der Stiftungspolitik illustriert und zudem die nachfolgend zu treffenden Entscheidungen (Æ Kap. 10 Wertschöpfungsprozess, S. Informationsquellen 298 FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 326) thematisiert, liefert The Pew Charitable Trust (Anheier/Leat 2005, Kapitel 5.6, S. 1 ff.). Der von den Nachkommen von Joseph N. Pew und Mary Anderson Pew, Gründer der Sun Oil Company, gegründete Pew Charitable Trusts (www.pewtrusts.com) hat zum Zweck, einen Beitrag zur gesellschaftlichen Gesundheit und Wohlfahrt zu leisten, sowie die lokalen Kommunen zu fördern. Der Trust unterstützt aktuell mit einem Vermögen von USD 4 Mrd. Arbeiten in den sechs Bereichen [inhaltliche Eckpfeiler] Kultur, Ausbildung, Umwelt, Gesundheit, Politik und Religion. Daneben verfügt er über einen Venture Fund für Projekte, die nicht in einen der Bereiche fallen. Bei der Projektselektion wird darauf geachtet, dass nicht Symptome bekämpft werden, sondern Projekte zur Ursachenerforschung unterstützt werden. Im Wirkungsfeld "Gesundheit von Kindern" könnte der Trust eine traditionelle Förderung an ein Spital zuweisen, um ein Center zur Diagnose und Behandlung von chronischen Kinderleiden zu unterstützen. Diese Förderung würde allerdings weder grosse systematische Veränderung im öffentlichen Gesundheitssektor nach sich ziehen noch das Verständnis dieser Krankheiten wesentlich stärken. Der Trust lancierte deshalb eine Initiative, um das öffentliche Gesundheitssystem für chronische Kinderleiden zu stärken. Der Trust versuchte, Verknüpfungen zwischen Umweltfaktoren und chronischen Leiden aufzudecken, indem er ein nationales System aufbaute, das Informationen zur Nachforschung und Überwachung sammelt. Diese Erkenntnisse sollen die Basis für eine breit angelegte öffentliche Bildungskampagne werden, um so Millionen von Kindern und ihren Eltern zu helfen. Besondere Aufmerksamkeit bezüglich der Wirkungsfelddefinition ist bei unternehmensnahen Stiftungen geboten. Eine zu enge Verknüpfung zwischen Stiftungsstrategie und Unternehmenszielen könnte sowohl für die Unternehmung als auch für die Stiftung negative Auswirkungen enthalten. Dabei besteht für die Stiftung die Gefahr, dass sie von der Gesellschaft als reines Marketinginstrument des Unternehmens gesehen wird. Zu den im Rahmen der Stiftungsstrategie festgelegten Wirkungsfeldern müssen verfeinert Ziele, Massnahmen und Instrumente der Durchführung entwickelt werden. Bei der Spezifikation der Wirkungsfelder sind auch Entscheidungen zu treffen hinsichtlich der Æ Ressourcenallokation (Kap. 9.2.3, S. 305) zu den jeweiligen Schwerpunkten. Auch kann bereits zu Beginn eine zeitliche Begrenzung der Bearbeitung des Wirkungsfelds festgelegt werden (Æ Kap. 9.2.2 Förderdauer, S. 299) - oder zumindest ein Zeitpunkt, an dem eine Entscheidung getroffen werden muss, ob und in welchem Masse die gesetzten Ziele erreicht wurden und ob und in welcher Weise weiterhin in diesem Wirkungsfeld gearbeitet werden soll. Diese Entscheidungen bilden das Gerüst für die folgenden Aufgaben der Stiftungsstrategie. Ressourcenallokation vornehmen FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 299 Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich der Bestimmung zentraler Wirkungsfelder. 48. Welche Vorteile weist eine sorgfältige Spezifizierung von Wirkungsfeldern in Abhängigkeit der Vorgaben aus der Stiftungspolitik (Mission) auf? 49. Welche konkreten Wirkungsfelder der Stiftungstätigkeit werden spezifiziert? 50. Welche externen Faktoren müssen bei der Spezifikation der Wirkungsfelder beachtet werden? 51. Welche Zielgruppen bieten das grösste Potential, die Mission im gewählten Wirkungsfeld am Besten umzusetzen? 52. Wie erfolgt der Zugang zur identifizierten Zielgruppe, um die unverfälschten Bedürfnisse zu erfahren? 53. Welche grundlegende Ressourcenallokation ergibt sich aus der Spezifikation der Wirkungsfelder? 9.2.2 Definition strategischer Gestaltungsalternativen Nach der erfolgten Konkretisierung des Wirkungsfeldes (auf Stiftungsebene) gilt es, die Handlungsoptionen und Strategiealternativen sowie das Leistungsangebot auf der Projektebene zu entwickeln. Das "Wie" umfasst dabei die Wahl der Methoden und Instrumente zur Bearbeitung der Wirkungsfelder (Wo). Die strategischen Alternativen und das Leistungsangebot einer Stiftung basieren stark auf den Festlegungen der Æ Stiftungspolitik (Kap. 9.1, S. 228) und sind in Abhängigkeit des spezifizierten Wirkungsfelds auszugestalten. Die politischen Festlegungen bezüglich Interventionslevel (Æ Kap. 9.1.3 inhaltliche Eckpfeiler, S. 239), Förderansatz und Förderengagement (Æ Kap. 9.1.4 Förderpolitik, S. 247) sind aufzunehmen und zu konkretisieren, so dass konsistente, zueinander passende Festlegungen getroffen werden. Insbesondere mit den weiteren zu treffenden Festlegungen der Förderinstrumente und der Förderhöhe ergibt sich so ein "Angebot" an potentiellen Projektpartner, das eine optimale Wirkungserzielung gewährleistet. Der oben zitierte Pew Charitable Trust verfolgt z. B. mit den Projekten zur Ursachenforschung die Interventionslevel "Forschung" und "Netzwerk". Er verfolgt also mehrere Interventionslevels, wie es in der Æ Stiftungspolitik (Kap. 9.1, S. 228) auch er- Festlegungen aus der Politik aufnehmen FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 300 wähnt wurde. Für jedes Wirkungsfeld oder gar für einzelne Projekte können - bei den entsprechenden Voraussetzungen der Stiftung (Fähigkeiten und Ressourcen) - spezifische Entscheidungen hinsichtlich des Interventionslevels getroffen werden, die optimalerweise ineinander greifen (Nutzung von Synergien). Der Trust geht überwiegend als "Social Investor" vor. So wie das Thema "Gesundheit von Kindern" als Wirkungsfeld begründet und die Ziele beschrieben wurden, kann der Trust in diesem Bereich als "Social Entrepreneur" klassifiziert werden, d. h. er lancierte proaktiv dieses Projekt und engagiert sich darüber hinaus offensichtlich auch inhaltlich stark für das Informationssystem und die Bildungskampagne. Aus der kurzen Fallstudie geht nicht hervor, wie der Trust die Themen Förderinstrument und -höhe beantwortet. Mögliche Förderinstrumente sind grundsätzlich folgende - soweit sie nicht durch die Stiftungsurkunde ausgeschlossen oder vorgeschrieben sind: direkte Dienstleistungen für die Zielgruppen Festlegungen zu den Förderinstrumenten treffen direkte finanzielle Beiträge für Bedürftige Preise Stipendien Projektfinanzierungen Infrastrukturfinanzierungen Einrichtung eines Fonds zur permanenten Förderung einer Aktivität niedrig verzinste Darlehen oder Bürgschaften Bei der Wahl der Förderinstrumente ist die Abstimmung mit den o. g. Festlegungen zum Förderansatz und dem -engagement von Bedeutung. So ist z. B. für einen "Social Entrepreneur" das Instrument des direkten finanziellen Beitrags für Bedürftige weniger geeignet als eine längerfristige Projektfinanzierung, auch weil es sich meist um langfristig angelegte, komplexe Themen handelt. Der Pew Charitable Trust wird bei seinen Aktivitäten überwiegend ebenfalls eine Projektfinanzierung wählen. Da er im Gesundheitsbereich z. B. keine Zentren für Diagnose und Behandlung unterstützt (s. o.), führt er wohl keine Infrastrukturfinanzierungen durch, was ebenfalls zum Ansatz eines "Social Entrepreneurs" und der erwähnten Bildungskampagne passt. Förderansatz und engagement abstimmen FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 301 Die unten zitierte Stiftung führte bei ihren potentiellen Destinatären eine Befragung durch - und als Folge der Ergebnisse der Befragung passte die Stiftung ihr Förderinstrument an die Bedürfnisse der Destinatäre an: Bedürfnisse der Destinatäre erfassen "Am Anfang haben wir einen Preis von 1 Million Dollar vergeben. Sehr bald wurde uns jedoch gesagt, dass das überhaupt nicht der sinnvollste Nutzen ist, den die Stiftung bieten kann. Wir haben unsere Zielgruppe im ersten Jahr befragt und die haben gesagt: ‚Vergesst den 1-Million-Dollar-Preis, wir wollen lieber an eure Konferenz, wir wollen zu den regionalen Meetings, wir wollen, dass ihr uns mit den entsprechenden Leuten in Kontakt bringt und mit Glück können wir unsere Million selber zusammenbringen’. So wurde dann unsere Strategie komplett geändert." (P25) Bei den Förderinstrumenten muss sich eine Stiftung zudem entscheiden, ob sie prinzipiell die Förderung alleine durchführen möchte oder z. B. in Form eines "matching grants", bei dem ein gewisser Beitrag zugesichert wird, falls der Antragssteller noch zusätzliche Leistungen von anderen Institutionen akquirieren kann. Auch hier müssen die Festlegungen vor dem Hintergrund getroffen werden, wie in einem spezifischen Wirkungsfeld am ehesten die erwünschte Wirkung erzielt werden kann. Ein Stiftungsmanager umschreibt diese Problematik treffend: "Bei krebskranken Kindern ist nicht das Geld das Problem. Es geht darum, solches Leid aushalten zu können, ohne wirklich helfen zu können. Das ist wahnsinnig schwierig für einen Menschen, das auszuhalten. Mit Geld können Sie nichts machen. Aber z. B. fliegen die Kinder in ein griechisches Hotel drei Wochen lang, ein 4-Sterne-Hotel, mit Krankenschwester und Arzt und allem zusammen und geniessen ein wenig die Freude." (P7) Eine zentrale Entscheidung für eine hohe Wirkung der Stiftungsarbeit insgesamt und gerade im Bereich der Definition strategischer Gestaltungsalternativen ist die Förderhöhe i. S. der Aufteilung der Ressourcen innerhalb eines Wirkungsfeldes in viele kleinere oder wenige grössere Projekte (Förderstruktur). Bereits in der Æ Stiftungspolitik (Kap. 9.1, S. 228) wurde gegen zu starre sog. "funding rules" Stellung bezogen, denn die Höhe der Förderung muss sich grundsätzlich nach der Art des spezifischen Projekts richten. Oft ist es so, dass kleinere Förderungen nicht so effektiv sind, während bei grösseren Projekten eher ein Leverage erzielt werden kann. Dennoch Förderhöhe/ Förderstruktur konkretisieren FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 302 kann es sein, dass durch eine kleine Anschubfinanzierung ein sehr wirkungsvolles Projekt unterstützt werden kann - ein Gedanke, der auch bei der Aufgabe der Identifikation von möglichen Kooperationspartnern wieder aufgenommen wird. Die Projekte mit hohem Potential zu erkennen, ist die "Kunst der Philanthropie". Ebenfalls wichtige Entscheidungen sind bezüglich des geographischen Aktivitätsradius zu treffen. Es muss sowohl die Kapitalausstattung einer Stiftung als auch die zu erfüllende Mission für diese Entscheidung beachtet werden. Die zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen können den in Frage kommenden Aktivitätsradius massgeblich beeinflussen. Ein Stiftungsratspräsident verdeutlicht diesen Zusammenhang: "Sie müssen sich in Anbetracht der Grösse der Stiftung einen gewissen Rahmen definieren, d.h. die zu vergebenden Mittel, den Stiftungszweck und die Ziele, die man erreichen möchte, auch regional einschränken und sich innerhalb des Rahmens entscheiden. Vielleicht haben Sie am Anfang des Jahres ein grosses Gesuch, welches Sie bewilligen und besitzen dann nachher nur noch einen relativ bescheidenen Spielraum für den Rest des Jahres." (P22). Eine engere Fassung des geographischen Aktivitätsradius kann neben einer grösseren Visibilität für die Stiftung zu einem besseren Verständnis der lokalen Gegebenheiten und zu einem grösseren Mitteleinsatz führen. Ein grösserer geographischer Radius verlangt oftmals auch entsprechende, lokal-kulturell unterschiedliche Fähigkeiten und Kenntnisse. Auch auf die Evaluation von Projekten hat der Radius Auswirkungen, wie ein Geschäftsführer beschreibt: "Wir möchten dem Stiftungsrat die Definition so genannter Kernländer empfehlen, aus der Überlegung heraus, dass wir im Moment 35 Projekte in 30 Ländern haben. Wenn dies so weiter geht, werden wir plötzlich mal 50 Projekte in 50 Ländern haben und dann kann man nicht mehr alle kontrollieren gehen, die Evaluation vor Ort wird verunmöglicht. Also haben wir gesagt, es wäre sinnvoll, wir würden prioritäre Länder nennen, bei denen wir das Gefühl haben, dass es angenehm ist, dort zu arbeiten und die wichtig bezüglich eines grossen Impacts sind. Deshalb schlagen wir dem Stiftungsrat pro Kontinent ein so genanntes Schwerpunktland vor, bei dem man dann nicht ein Projekt pro Land hat, sondern vielleicht fünf oder sechs. In der operativen Geographischer Aktivitätsradius festlegen FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 303 Evaluation bedeutet das nachher, dass du in das Land gehst und anstatt drei Tage Projektbesuche vielleicht zehn Tage hintereinander machen kannst, dafür kannst du auf einen Schlag alle besuchen gehen. Wir erarbeiten jetzt Vorschläge, welche Länder dies aus unserer Sicht wären. Und da gibt es nicht 1000 in Lateinamerika und in Afrika. Da gibt es zwei oder vielleicht drei. Und entscheiden tut nachher wieder der Stiftungsrat. Wir machen sicher eine Empfehlung, aber den Entscheid fällt der Stiftungsrat." (P24) Entscheidungen müssen auch bezüglich der Förderdauer getroffen werden - was massgeblich von den vorherigen Entscheidungen abhängt. Das Spektrum reicht dabei von Einmalzahlungen oder limitierter Dauer bis hin zu langfristigen oder permanenten Förderungen von Destinatären. Ein Geschäftsführer einer mittelgrossen Stiftung umschreibt die dazu geführten Überlegungen folgendermassen: "Wir sind etwas an den Anschlag gekommen, als im Jahre 2001 resp. 2002 die Börseneinbrüche kamen und wir weniger Fördermittel zur Verfügung hatten. Das Problem dabei war, dass wir keine Mitförderer finden konnten und vor allem keine Anschlussförderer für Projekte, bei denen unsere Förderung auslief. Im Jahre 1998, als ich angefangen habe, war das Credo, ein Projekt auf fünf Jahre zu machen und dass nach diesen fünf Jahren das Projekt sich selber finanzieren können muss. Wenn nicht, finden wir schon einen Anschlussförderer. Oder wir machen eine Kooperation. Und dann mussten wir nach 2 Jahren sehen, dass das nicht funktionieren kann, weil die anderen auch kein Geld haben. Und darum hat das zur Folge gehabt, dass wir jetzt nicht mehr eigene Projekte aufbauen, bei denen man z. B. Computer anschafft, Wohnungen mietet oder Leute anstellt, sondern lediglich solche, die auslaufen können und nachher trotzdem ein Erfolg sind und nicht nur, weil es nachher nicht mehr weiter geht, ist es ein Misserfolg. Letztlich ist es auch günstiger und weniger kostenintensiv." (P26) Man muss schliesslich festlegen, ob die Förderung durch eine Einmalzahlung oder durch kleinere Etappen mit grösserer Wirksamkeitskontrolle erfolgen soll. Bei länger andauernden Projekten oder gar unbeschränkten Förderungen ist es üblich, jährliche Rechenschaftsberichte einzufordern und das Sprechen weiterer Gelder vom bisherigen Projektverlauf abhängig zu machen. Förderdauer abstimmen FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 304 Ein beschränktes zeitliches Engagement eröffnet die Möglichkeit, neue Aktivitäten und Wirkungsfelder zur Erfüllung der Mission bei allfälligen Veränderungen in den Umweltsphären aufzugreifen. Damit wird auch eine mögliche Trägheit der Empfängerinstitution verhindert, da diese nicht von vornherein stetig mit den Förderungen rechnen kann. Diese beschränkte Förderzeit übt Druck aus, Resultate zu erzielen. Auf der anderen Seite kann dieser Umstand jedoch zu finanzieller Unsicherheit und Planungsschwierigkeiten bei den Partnern führen. In beiden Fällen muss mit der Förderung bedacht werden, dass der Anreiz nicht bei kurzfristigen, evtl. sogar suboptimalen Resultaten liegt, sondern die langfristige Wirkung im Zentrum steht. Die Stiftung muss sich in diesem Zusammenhang klar werden, ob ein Return durch die Förderaktivitäten erwartet wird, wobei dies für den Stifter eine Frage von "Ruhm und Ehre" sein kann und für die Stiftung eine Frage der Reputation und Profilierung. Die Förderung durch eine Stiftung kann durchaus als ein Gütesiegel für den Projektnehmer darstellen. So gelten z. B. die Stipendien der Gerda Henkel Stiftung im Bereich der Geschichtswissenschaften als sehr anerkannte Auszeichnung, die als Leistungsausweis für die weitere Karriere vorgewiesen werden können. Ein anderer Geschäftsführer einer mittelgrossen Stiftung formuliert diesen Anspruch so: "Ich sag es jetzt aus meiner Sicht - wir wollen ein intelligenter, verlässlicher Partner sein für eine Vielzahl von Projekten in vier Förderbereichen mit den Untersparten und wir wollen für diese Projekte auch ein Markenzeichen sein für Qualität - und vielleicht auch für originelle Projektauswahl stehen." (P26) Problematisch kann es allerdings werden, wenn die Förderaktivitäten lediglich zu einem Austausch von Geld gegen Publizität und Reputation werden. Es kann leicht zu einer Störung des Gleichgewichts zwischen privater Initiative und der Förderung von gesellschaftlichen Anliegen kommen. Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich der Definition strategischer Gestaltungsalternativen: 54. Welche Bestimmungen aus der Stiftungspolitik und der Spezifikation der Wirkungsfelder haben massgeblichen Einfluss auf die Ausarbeitung der strategischen Gestaltungsalternativen je Wirkungsfeld? 55. Welche Förderinstrumente unter Beachtung der Vorgaben aus der Stiftungspolitik stehen grundsätzlich zur Verfügung, um das jeweilige Wirkungsfeld zu erschliessen? FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 305 56. Welche grundsätzlichen Förderansätze und -engagements wurden in der Stiftungspolitik festgelegt, die zur Bearbeitung des jeweiligen Wirkungsfelds herangezogen werden können? 57. Wie lauten die Bedürfnisse und Erwartungen der potentiellen Destinatäre (Projektpartner) in Bezug auf die Förderinstrumente und weiterer Massnahmen (Förderengagement, z. B. Coaching)? 58. Welche Förderstruktur/-dauer für das Wirkungsfeld bzw. welche Förderhöhe für einzelne Projekte bieten sich zur Bereitstellung eines zielführenden Gesamtpakets an? 59. Welche geographische Fokussierung bietet sich zusätzlich zur Einschränkung durch die Mission und der inhaltlichen Eckpfeiler innerhalb eines Wirkungsfeldes an? 9.2.3 Analyse notwendiger Fähigkeiten und Ressourcen Um die Wirkungsfelder effektiv bearbeiten zu können, müssen - teilweise parallel Überlegungen zu den benötigten Fähigkeiten und Ressourcen angestellt werden (vgl. z. B. Fähigkeiten zur Bearbeitung eines Wirkungsfelds, Ressourcenallokation). Ressourcen bestehen einerseits aus materiellen Mitteln wie Geld oder Infrastruktur, andererseits zählen auch immaterielle Mittel wie Kontakte, Wissen, Zugang zu Netzwerken oder zu potentiellen Zustiftern zu den Ressourcen. Die Funktion einer Stiftung, Ressourcen zu beschaffen, zu mobilisieren, sowie die einzelnen Ressourcen zur effektiven Projektbearbeitung zu kombinieren, beruht auf entsprechenden "Management"-Fähigkeiten. Ausgehend von den definierten Wirkungsfeldern einer Stiftung ist ein Soll-Profil an Fähigkeiten und benötigten Ressourcen zu spezifizieren, die für eine kompetente Bearbeitung der Mission, der Wirkungsfelder und die entsprechenden Vollzugsprozesse im Bereich der Wertschöpfung (Æ Kap. 10 Wertschöpfungsprozess, S. 326) unerlässlich sind. Dabei sollte beachtet werden, dass je nach Festlegung im Bereich des Förderansatzes und -engagements, der Förderinstrumente, der Förderdauer, der Förderhöhe und des geographischen Aktivitätsradius unterschiedliche Fähigkeiten und Ressourcen bereitgestellt werden müssen. Ein Stiftungsratspräsident umschreibt die Notwendigkeit dieses "Wissens wie" in einem bestimmten Wirkungsfeld folgendermassen und bestätigt damit, dass in der sog. strategischen Philanthropie zunehmend gilt: Wissen, und nicht Geld, ist die tatsächliche "Währung" zur Erreichung sozialen Wandels: Soll-Profil spezifizieren FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 306 "Professionalisierung kommt meines Erachtens erst, wenn sie auf Grund einer gewissen vorherrschenden Infrastruktur, einer gewissen Art wie sie die Gesuche beurteilen, versuchen der Qualität des Gesuchs auf die Spur zu kommen. Auf der anderen Seite sollte man mit der "Subvention" versuchen, dahingehend zu wirken, dass die Qualität dessen, was nachher entsteht, verbessert wird. Sie können Geld - das gilt vor allem im sozialen Bereich - einfach reintropfen lassen und dann passiert etwas Dummes. Gerade im sozialen Bereich ist die Gefahr sehr gross, dass unterbeschäftigte Sozialarbeiter sich irgendeine Idee ausdenken und dann kommen sie und wollen Geld. Es kann sogar kontraproduktive Auswirkungen haben. Und da verlangt dann die Professionalisierung der Stiftung, dass sie etwas versteht von Sozialarbeit und die Lücken kennt im sozialen Netz. Dass Ziel ist nicht, dass sie z. B. mit einer Subvention einfach Geld irgendwo reinsteckt, wo der Staat eigentlich tätig werden müsste, wenn man nur das richtige Formular ausfüllt. Oft ist es so, dass die Leute bei uns dastehen und Geld wollen. Nur, wenn man die Sache genau anschaut, sieht man, dass sie beim Ausfüllen des richtigen Formulars Anspruch auf Beihilfe hätten. Häufig müssen nur die richtigen Unterlagen bei der IV eingereicht werden, dann wird z. B. dieses Heim subventioniert und dann braucht es uns gar nicht mehr. Das ist Professionalität in diesem Bereich - zu erkennen, wo es uns braucht und wo nicht. Und das setzt dann eine gewisse Infrastruktur oder auch entsprechende Ausbildung des betreffenden Geschäftsführers voraus. Das ist das Problem einer Stiftung, die sich nicht einen riesigen Beraterstab leisten kann. Wie soll sie sich professionalisieren, ohne dass sie einen gewaltigen Apparat aufbaut für all diese verschiedenen Wirkungsfelder? Und das zwingt dann eben auch wieder zur Eingrenzung." (P3) Zur Umsetzung der politischen und strategischen Vorgaben braucht es im weiteren Verlauf, insbesondere im Æ Wertschöpfungsprozess (Kap. 10, S. 326), spezifische Fähigkeiten und Ressourcen. So bedarf es z. B. für die Verfolgung von Ansätzen der internationalen Philanthropie andere Fähigkeiten als für Projekte auf kommunaler Ebene. Dieses Soll-Profil wünschbarer Fähigkeiten und Ressourcen zur Bearbeitung eines Wirkungsfelds muss dem Ist-Profil verfügbarer Fähigkeiten und Ressourcen gegenübergestellt werden. Die Notwendigkeit von entsprechenden Fähigkeiten zur wirkungsvollen Umsetzung der Mission beschränkt sich nicht nur auf operative Stif- Ist-Profil gegenüberstellen FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 307 tungen, auch Vergabestiftungen müssen selbst die Fähigkeit besitzen, die Kompetenz anderer, ihrer potentiellen Partner, durch die eine Stiftung überhaupt erst Wirkung erzielt, möglichst präzise und eindeutig zu erfassen und zu bewerten (vgl. Weger 2003). Deshalb müssen mit Hilfe einer internen Analyse die in der Stiftung bestehenden und historisch entwickelten Fähigkeiten (Kernkompetenzen) und Ressourcen identifiziert werden. Daraus kann der Qualifizierungs- und Entwicklungsbedarf einer Stiftung abgeleitet werden, d. h. eine Spezifikation der zusätzlich benötigten, noch aufzubauenden oder zu akquirierenden Fähigkeiten und Ressourcen. Ressourcen müssen dabei keinesfalls immer innerhalb der Stiftung vorhanden sein, denn auch ein temporärer und situationsspezifischer Beizug von externem Know-how kann durchaus auch zielführend sein, wie ein Stiftungsrat einer grossen Stiftung bestätigt: "Und das hat auch den zusätzlichen Aspekt, dass eine Stiftung, die ein relativ überschaubares Gebiet pflegt, eher eine eigene Expertise hat. Wir können eigentlich die meisten Dinge im eigenen Hause lösen, mit unserem Beirat und ein paar Leuten, die wir kennen. Es gibt da allerdings Stiftungen, die ganz anders arbeiten, wie zum Beispiel die XY Stiftung. Ein englischer Studienfreund hat so ungefähr 15 Jahre diese Stiftung geleitet, die hatten grundsätzlich gar keinen wissenschaftlichen Beirat, sondern die holen zu jedem Projekt externe Expertisen ein." (P19) Eine umfassende Strategie hilft einer Stiftung zu bestimmen, wo sie innerhalb ihrer Mission den grössten Beitrag mit dem eingesetzten Kapital leisten kann. Mit anderen Worten sollte sich eine Stiftung die intern bestehenden Stärken und Schwächen verdeutlichen. Damit eine Strategie effektiv sein kann, muss sie neben den beschriebenen internen Fähigkeiten und Ressourcen auch die externen Chancen und Gefahren evaluieren. Ein nützliches Tool zur strukturierten Analyse der internen Fähigkeiten und der in Kapitel 8 (S. 209) beschriebenen externen Gegebenheiten ist die SWOTAnalyse. Die SWOT-Analyse unterstützt die systematische Suche nach Stärken und Schwächen der Stiftung und stellt sie den Chancen und Gefahren des Umfeldes gegenüber. Die Stärken und Schwächen sind stiftungsinterne Faktoren, die beeinflusst werden können. Chancen und Gefahren dagegen sind externe Faktoren, auf die die Stiftung nur beschränkt einwirken kann. Ressourcenbedarf identifizieren FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 308 Darüber hinaus muss sich eine Stiftung basierend auf dieser Fähigkeitenanalyse Gedanken über die vertikale Wertschöpfungstiefe machen, d. h., was will eine Stiftung Wertschöpfungstiefe selbst durchführen oder welche strategisch nicht relevanten Aktivitäten können ausgelagert (Outsourcing, z. B. Finanzanlage, IT-Betreuung) oder in Form von Kooperationen erstellt werden (Æ Kap. 11 Supportprozesse, S. 382). Die erforderlichen Entscheidungen der Allokation von Ressourcen zu Wirkungsfeldern und Projekten müssen dabei unter Beachtung der gesamten Stiftungsaktivität erfolgen. Einerseits binden bestehende Verpflichtungen Ressourcen, andererseits erfordern mögliche weitere Wirkungsfelder zur effektiven Bearbeitung ebenfalls Ressourcen. Bei den finanziellen Ressourcen bedarf es der Abstimmung von strategischen Festlegungen und den Entscheidungen des Æ Finanzmanagements (Kap. 11.1, S. 384). Die umfangreichen Zusammenhänge werden im folgenden Zitat eines Stiftungsexperten einer Stiftung verdeutlicht: "Also wenn man den Zweck hat, dann muss man ja auch einen Finanzplan machen. Und im Rahmen des Finanzplanes muss man wahrscheinlich für die Zukunft sagen, wir haben drei Unterzwecke: Soziales, sage ich jetzt einmal, Musik und weiss ich nicht was. Wie viel investieren wir in den nächsten drei, vier Jahren in welche Bereiche hinein? Evtl. steht dann in der Urkunde drin, es darf nur der Ertrag gebraucht werden. Das entspricht doch der Passivseite. Dann muss man doch die Aktivseite mit einer Strategie ausgestalten, mit der man nachweisen kann, dass man die Passivseite in den nächsten drei Jahren abdecken kann. Und da braucht es eine Anlagestrategie, also wie es jetzt die Pensionskassen machen, dass die Aktivseite mit der Passivseite übereinstimmen muss. Und eigentlich analog ist es auch bei einem solchen Finanzplan bei einer Stiftung, die Vergabungen macht. Die Aktivseite, die Assets, kann man je nach Risiko, welches man fährt, berechnen, wie viel Ertrag ungefähr rausschaut. Und dann sagt man und hier haben wir unsere Planung für die Vergabungen in Zukunft und dann muss das ja einigermassen übereinstimmen. Man kann ja da nicht mündelsicher anlegen und dann Vergabungen machen wollen, voraussetzen würden." (P18) die irgendwie zehn Prozent Ertrag Ressourcenallokation FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 309 Um dem Fähigkeiten- und Ressourcenanspruch einer professionellen Stiftung gerecht zu werden, stellen sich besonders für den Stiftungsrat spezifische Anforderungen. Hierbei gilt es, die für die Umsetzung der Mission erforderlichen Fähigkeiten im Stiftungsrat abzubilden. Im Supportprozess Æ HR-Management (Kap. 11.5, S. 434) werden die Fähigkeiten des Stiftungsrats (Soll-Profil) ausführlich beschrieben. Ein Stiftungsexperten definiert allgemein die notwendigen Fähigkeiten in einer Stiftung wie folgt: "Es gehört für mich dazu, dass ich Fähigkeiten habe, Wissen habe, um die Vermögensverwaltung beurteilen zu können. Dazu gehört für mich, dass ich das Wissen und die Fähigkeiten habe, über die Verwendung der Mittel im Rahmen vom Stiftungszweck zu entscheiden. Wenn in der Stiftung Personal vorhanden ist, muss ich als Stiftungsrat gewisse Führungsfähigkeiten haben, auch wenn vielleicht ein Direktor oder was auch immer eingesetzt ist. Bei dieser Stiftung habe ich zwar einen Geschäftsstellenleiter und Direktor, aber als Stiftungsratspräsident bin ich doch stets verantwortlich." (P22) Stiftungsräte benötigen neben diesen Fähigkeiten sicher auch ein hohes Mass an Identifikation mit der verfolgten Mission sowie genügend zeitliche Ressourcen für eine intensive Auseinandersetzung mit der Stiftungsarbeit. Ein professionelles Management, das sich durch intensive Beschäftigung mit der Materie auszeichnet, sollte nicht nur für Verwaltungsräte in Profit-Unternehmen, sondern auch in Stiftungen selbstverständlich sein. "Also Professionalität heisst für mich, dass ich etwas verstehen muss von dem, was ich mache. Das heisst nicht, dass Stiftungen einen riesigen Verwaltungsapparat brauchen. Wenn ein Stiftungsrat etwas von dem versteht, was er da fördert, dann kann er das professionell machen, ohne dass er einen Geschäftsführer hat. Professionell heisst, er versteht etwas davon und er nimmt das auch ernst. Er weiss, was er damit bewirkt. Die Finanzanlage ist dann nicht das Professionelle alleine bei einer Stiftung, das ist ein Teil, das ist quasi die Inputseite. Die Outputseite war eigentlich das Ziel des Stifters. Und dort finde ich, dort muss ich den Massstab der Professionalität anlegen. Da gibt’s einfach sehr viele Leute, die nichts davon verstehen. Das hängt vielleicht auch ein wenig damit zusammen, dass man für Stiftungen tendenziell FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 310 gerne Juristen nimmt. Das ist dann einfach zum Teil schwierig, weil die Juristen neigen ein bisschen zum Verwalten. Wobei es auch Juristen gibt, die sich eben Wissen aneignen können." (P5) Die Notwendigkeit entsprechender Fähigkeiten in einer Stiftung verdeutlicht auch folgendes Zitat: "Wenn ein Stifter einen gewissen Zweck verfolgt und dann völlig ungeeignete Leute einsetzt, gut, dann kann man sagen, das war dessen Wille, weil es sein Freund ist, da kann man nicht viel machen. Aber dort, wo man die Möglichkeit hat, sollte man doch schauen, dass der Stiftungsrat auch ein wenig Fachkenntnis in diesem Bereich hat und nicht nur die Ehre im Vordergrund steht. Wenn es eine Sportstiftung ist, sollte man halt auch einen Sportler dort drin haben. Der versteht doch was von der Materie und hat wahrscheinlich Zugang zu diesem Bereich." (P18) Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich der Analyse notwendiger Fähigkeiten und Ressourcen: 60. Wie lautet das das Soll-Profil der Fähigkeiten und Ressourcen zur "maximalen" Bearbeitung des jeweiligen Wirkungsfelds? 61. Welche Fähigkeiten und Ressourcen stehen derzeit zur Verfügung unter Beachtung gebundener Fähigkeiten und Ressourcen zur Bearbeitung anderer Wirkungsfelder oder längerfristiger Projekte? 62. Welche Fähigkeiten und Ressourcen müssen für eine optimale Bearbeitung der Wirkungsfelder aufgebaut oder hinzugewonnen werden - in Abhängigkeit der "Wertschöpfungstiefe" der Stiftung? 63. Welche nicht selber vorgehaltenen Fähigkeiten und Ressourcen werden über Kooperationen erschlössen? 9.2.4 Identifikation von Kooperationsfeldern und -partnern Eng mit der Aufgabe der Kompetenz- und Ressourcenanalyse ist die Identifikation notwendiger Kooperationsfelder und -partner hinsichtlich eine optimalen Stiftungsarbeit verknüpft (Æ Kap. 11.4 Kooperationsmanagement, S. 427). Dabei gilt es, Partnerschaften mit Organisationen oder Personen anzustreben, die zur wirkungsvollen Bearbeitung des Wirkungsfeldes beitragen können. Ein Stiftungsratspräsident ei- FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 311 ner mittelgrossen Stiftung umschreibt illustrativ, wie er die fehlenden internen Fähigkeiten zur Bearbeitung eines definierten Wirkungsfeldes mit Hilfe von Kooperationen kompensiert: "In diesem Feld hat man eigentlich keinen ‚langen Löffel’, um das überhaupt zu beurteilen. Deswegen haben wir dann gesagt, wir arbeiten in diesen Beziehungen lieber mit dem Fonds Landschaft Schweiz zusammen. Dort ist das nötige Know-how gepoolt. Dies ist ein Mechanismus, wie wir entweder den Fond Landschaft Schweiz entlasten, in dem wir gewisse Kosten übernehmen oder dass wir das Projekt, wenn es besonders gut ist, zusätzlich fördern können, indem wir zu den Mitteln, die der Fonds Landschaft Schweiz gibt, auch unsere Mittel dazu legen. So können wir von diesem Know-how profitieren und in diesem Bereich mitwirken. Es ist uns ein wesentliches Anliegen, dass dort, wo wir unterstützen, es wirklich den Zweck erreicht und nicht irgendwie versickert." (P3) Kooperationsstrategien sollten bei jeglichen Positionierungsentscheidungen geprüft werden, denn sie sind insbesondere dann sinnvoll, wenn durch ein Pooling von Res- Kooperationsstrategie festlegen sourcen (z. B. Fähigkeiten, Zeit, Geld) eine "kritische Masse" erreicht werden kann, die ein solches Wirkungsfeld zunehmen auch für andere attraktiv erscheinen lässt (Signaling-Effekt, Æ Kap. 12.1 Evaluation, S. 455). Deshalb bilden strategische Initiativen zur Vernetzung mit anderen Förderinstitutionen und zur Bildung von Kooperationen bei der Realisierung grösserer Fördervorhaben zwecks Erreichung einer kritischen Masse einen zentralen Gegenstand einer Stiftungsstrategie. Durch diese Überlegungen ist es auch für kleinere Stiftungen möglich, Veränderungen zu initiieren. Auch kleine Stiftungen können durch relativ geringe Beiträge ein Projekt anstossen und, wie folgendes Beispiel aufzeigt, eine bedeutende gesellschaftliche Wirkung erzielen. Eine kleine Schweizer Stiftung verfolgt gemäss Stiftungsurkunde einen wohltätigen, gemeinnützigen, religiösen, wissenschaftlichen, künstlerischen oder vaterländischen Zweck und nimmt hierzu jährliche Ausschüttungen von CHF 250'000 bis 350'000 bei einem Vermögen von CHF 4 bis 5 Mio. vor. Der Stiftungsrat besteht aus Nachkommen des Stifters, die Geschäftsführung wird vom Stiftungsratspräsidenten ehrenamtlich vorgenommen. Es wird versucht, Förderungen da vorzunehmen, wo eine gewisse persönliche Nähe vorliegt und wo etwas angestossen werden kann. Beispielsweise kam der Antrag für den Aufbau einer Dorfbibliothek, wobei ein für die verfügbaren Stiftungsmittel relativ grösserer Betrag zugesprochen wurde. "Dies hatte dann zu Folge, dass durch unsere Förderung auch an- kritische Masse FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 312 dere das Vorhaben unterstützten. Die Gemeinde hat beispielsweise materielle Ressourcen und sogar personelle Ressourcen freigegeben.", beschreibt der Stiftungsratspräsident die Initialfinanzierung. Ein weiteres Beispiel derselben Stiftung: Die Geschäftsleitung des botanischen Gartens einer Stadt hatte die Idee, die Beschilderungen bei den einzelnen Gewächsen zu erneuern. Zu diesem Zweck stellte er einen Antrag an die Stiftung zur Finanzierung eines Grundprojektes. Nach einer Potentialabklärung unterstützte die Stiftung das Vorhaben und sprach einen Beitrag zu. Dank dieser Förderung konnten ein Konzept zur Finanzierung und tatsächliche Finanzierungsquellen attrahiert werden. Durch diese Initialzündung konnten weitere Geldquellen wie z. B. der Lotteriefonds sowie andere Stiftungen und Vereine erschlossen werden. Diese zwei Beispiele verdeutlichen, dass durch relativ geringe Beiträge von Stiftungen durchaus etwas in Bewegung gesetzt werden kann, woraus mehr entsteht. Kooperationsüberlegungen für eine Stiftung können bei allen im Foundation Excellence-Cockpit beschriebenen Dimensionen angestellt werden. So gilt es insbesondere im Gestaltungsprozess, im Wertschöpfungsprozess sowie in den Unterstützungsprozessen, nach Kooperationsmöglichkeiten zur effektiveren und effizienteren Bearbeitung der entsprechenden Herausforderungen zu evaluieren. Hierbei bedarf es einer grundsätzlichen Festlegung, ob die jeweiligen Wirkungsfelder mit einem Partner und dessen jeweiligen Fähigkeiten und Ressourcen bearbeitet werden sollen oder ob eine besonders geeignete Gruppe wie privatwirtschaftliche Unternehmen, staatliche Organisationen oder Non-Profit-Organisationen zu favorisieren ist (z. B. Public-PrivatePartnership). Die Identifikation von geeigneten Kooperationsmöglichkeiten setzt gewisse Kenntnisse über die Akteure im entsprechenden Wirkungsfeld voraus. Der Geschäftsführer einer grossen Stiftung umschreibt dies folgendermassen: "Wir suchen aktiv überall nach Zusammenarbeit. Wenn es z. B. um die Gründung neuer kultureller oder sozialer Institutionen geht, da suchen wir stark die Zusammenarbeit mit anderen Stiftungen. Eine andere grössere Stiftung hat beispielsweise die Gassenküche in einem Begegnungszentrum in einem benachteiligten Quartier in Basel, die wir aufgebaut haben, mit einem ansehnlichen Betrag unterstützt. Das hätten wir sonst nicht machen können, wir hätten zu wenig Mittel gehabt, um das riesige Zentrum aufzubauen. Also das ist Vernetzung mal ideell, für eine Gedankenrichtung, um überhaupt an solche Gedanken zu kommen, das geht nur über Vernetzung, über Kontakt innerhalb von dieser Branche." (P7) Informationen zu Kooperations -partnern einholen FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 313 Wichtig ist hierbei eine Verknüpfung der Akteure. In der Schweiz gibt es beispielsweise Bestrebungen von SwissFoundations, die die Kooperationsmöglichkeiten zur gemeinsamen Projektförderung durch Bildung einer Plattform aktiv zu unterstützen versucht. Hierzu ein Stiftungsratspräsident einer mittelgrossen Stiftung: "Wir können nicht einen Apparat aufbauen mit zehn Leuten. Dies sind Dimensionen, die wir uns nicht leisten können. Ich würde sagen, wir können einen Verwaltungsaufwand haben, ich weiss nicht von 400'000, 500'000 Franken vielleicht, das sind rund 15% unserer jährlichen Vergabungen, so in der Grössenordnung. Sie müssen ein Modell haben, bei dem Sie aus einem Netzwerk Leute beiziehen können oder eben mit anderen Stiftungen zusammen arbeiten. Das müsste die Idee sein zur Erhöhung der Wirksamkeit des gesamten Sektors, dass man sagt, dort machen wir bei denen mit und sie machen bei einem Projekt bei uns mit, damit wir einfach stärker auftreten können." (P17) Der Wunsch nach Kooperationen im Stiftungssektor ist allerdings - v. a. im europäischen Kontext - bei weitem weniger fortgeschritten als es hier den Anschein hat (vgl. z. B. Frumkin 2005, Anheier/Leat 2005, Bertelsmann Stiftung 1998). Es besteht bei vielen Stiftungen der Wunsch ihre "eigenen Sachen" zu machen (vgl. Kooperationsparadox, Kap. 6.2.3). Alle reden von Kooperationen und Leverage, jedoch keiner möchte gerne der "geleveragede" sein i. S. desjenigen Partners, der nicht der Projektinitiator ist, sondern z. B. "nur" Geld dazu gibt. Ein Geschäftsführer einer grossen Stiftung umschreibt diesen Zustand treffend: "Das ist doch überall das Gleiche. Wenn Sie von der Nuffield Foundation lesen oder von diesem grossen Heritage Trust oder dem London Bridge House Trust Fund und weiteren, dann sagen die immer, wie sie andere anstiften bei Projekten mitzumachen. Aber keiner von denen ist Stolz darauf, dass er irgendwo mitmacht als Wagen hinter der Lokomotive. Das ist ein Kennzeichen für die Branche, der intellektuelle Ehrgeiz ist da. Jeder will da die wirklich guten Projekte herausfinden, und die wenigsten hängen sich gerne einfach an. Die Frage ist nur, finden alle auch die guten Projekte?" (P7) Wie bereits im Kooperationsparadox (vgl. Kap. 6.2.3) aufgezeigt wird, wissen eigentlich viele um die Potentiale von Kooperationen, doch eine aktive und gegenseitig Kooperationsparadox FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 314 wertschätzende Kooperationskultur ist noch nicht in dem Masse erkennbar, wie es wünschenswert wäre. Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich der Identifikation von Kooperationsfeldern und -partnern: 64. Welche Kooperationsmöglichkeiten erweisen sich als zielführend zur Bearbeitung des jeweiligen Wirkungsfelds, z. B. um eine "kritische Masse" zu erreichen? 65. Welche Informationen sind über potentielle Kooperationspartner vorhanden? 66. Welche Rolle soll in der Kooperation übernommen werden? 9.2.5 Erstellung strategischer Projektportfolios und von Massnahmenplänen Die Bestimmung der Wirkungsfelder bleibt ohne Spezifikation von Zielen, also der Zielsetzungen konkreten Bestimmung von Handlungsoptionen bzw. Strategiealternativen und ohne die Festlegung benötigter Ressourcen bzw. deren Mobilisierung eine unverbindliche Absichtserklärung. Alle Festlegungen zusammen müssen eine nachvollziehbare und zielorientierte Vorgehensweise mit der Bestimmung von konkreten "Wegen" zur Erreichung der angestrebten Ziele ergeben. Diese strategische Planung muss je Wirkungsfeld in detaillierten Massnahmenplänen konkretisiert werden. Ein Geschäftsführer einer grossen Stiftung umschreibt diesen Vorgang folgendermassen: "Also, wir haben in den Statuten ein oberstes Ziel formuliert: den Stiftungszweck. Und um diesen Zweck zu erreichen, muss man zuerst eine Mission dazu entwickeln und dann entsprechende Ziele herunterbrechen: 'Es wäre schön, wenn wir ...' Und nachher geht es wirklich darum, wie wir dorthin kommen. Und die Strategie, das sind dann viele Wahlentscheide. […]. Und nachher wählt man das oder das, man hat vielleicht drei, vier Möglichkeiten zur Auswahl und sagt schliesslich: ‚Also wir nehmen das und das’. Und so haben wir, nach den Statuten, ein Reglement und ein Missionspapier. Und dann gibt es für die einzelnen Bereiche Strategiepapiere. […] Und so brechen wir das hinunter, so dass wir am Schluss zu Massnahmenplänen kommen. Die Massnahmenpläne am Schluss garantieren, dass wir das Ziel, das wir haben, möglichst gut erreichen. Diese Massnahmenpläne, das sind Massnahmenpläne erstellen FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 315 vielleicht zuerst noch Konzepte und dann sind das Jahrespläne, mit genauer Zielformulierung, Ressourcenzuteilung und zeitlichen Meilensteinen." (P24) Im Hinblick auf die Evaluation der Stiftungsarbeit sind Ziele und erwartete Wirkun- Wirkungsnetz gen zu spezifizieren (Wirkungsnetz), an denen sich die Stiftung messen lässt. In diesem Sinne kann die Bearbeitung jedes Wirkungsfelds einer Stiftung in ein oder mehrere "strategische(s)" Projekt(e) münden (strategische Projektportfolios), für die Ziele sowie konkrete Aktivitäten und Meilensteine formuliert werden müssen. Wegleitend sind hierzu die Vorgaben aus der Æ Stiftungspolitik (Kap. 9.1, S. 228) und die strategischen Ziele der Stiftung je Æ Wirkungsfeld (Kap. 9.2, S. 288). In die einzelnen Projektpläne gehören zusätzlich Angaben, wie die in Aufgabe Æ Kap. 9.2.3 (S. 305) beschriebenen benötigten Fähigkeiten und Ressourcen, Angaben zu möglichen Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Wirkungsfeldern und Projekten sowie die Verantwortlichkeiten für die einzelnen Projekte oder Projektbereiche. Bei der Bearbeitung des konkreten Wirkungsfeldes spielt auch das Timing der Er- Timing schliessung eine wichtige Rolle. Es ist dabei zu überlegen, ob das Thema in der Gesellschaft in der geplanten Form (in extrema) bereits förderfähig ist i. S. einer Aufnahme und Adaptierung der entwickelten Ansätze oder ob die Förderung des Themas bereits soweit vorgeschritten ist, dass die Stiftungsaktivitäten besser anderweitig investiert werden. Im Rahmen der Erstellung eines Massnahmenplans ist die Erstellung eines (Projekt-) Budgets von zentraler Bedeutung. Hierbei dürfen die neben dem Förderbeitrag anfallenden Kosten allfälliger stiftungsinternen Leistungen wie Reisespesen zu den Projekten oder auch Publikationsaufwendungen nicht vergessen werden. Budgetierung ist ein zentraler Aspekt des Managements einer Stiftung, allerdings muss man sich auch gewisser Restriktionen bewusst sein: "Wir arbeiten auch in anderen Bereichen mit Budgets, wobei das Budget im Vergabungsbereich eine gewisse Bandbreite hat. Es ist eine effektive Zielgrösse, weil wir nicht steuern können, wie viele grosse Projekte wir in der Entscheidungsstufe drin haben. Und wir geben nicht einfach Geld aus, nur damit wir das Budget ausschöpfen, sondern die Qualität der Gesuche ist entscheidend. Das heisst aber auch, wenn wir ein Jahr haben, in dem wir jetzt wirklich gute Sachen haben, hat der Stiftungsrat kein Problem, wenn ich bei Projektbudget erstellen 316 FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess einem Budget von 9 Millionen am Schluss mit 10 Millionen komme. Aber das Budget soll als Richtgrösse dienen." (P23) Die Budgetierung von Stiftungsausgaben zwingt die Verantwortlichen, sich Klarheit über die angestrebten Vergabungen zu verschaffen. Willkürliche Entscheidungen, die in personenzentrierten Stiftungen (vgl. Orientierungsparadox, Kap. 6.2.1, Æ Kap. 9.1.6 Zuständigkeiten, S. 263) z. B. durch den Einfluss des Stifters ausgehen, sollen damit proaktiv vermieden werden. Mögliche Lösungen stellen z. B. sog. Verfügungsfonds dar, die "ausserhalb" der eigentlichen Förderschwerpunkte Vergabungen ermöglichen (Æ Kap. 9.1.4 Förderpolitik, S. 247). So lassen sich auch "ungeplante" Ausgaben gegenüber der kritischen Öffentlichkeit rechtfertigen. Dazu eine Stellungnahme eines Geschäftsführers einer grossen Stiftung: "Und oft gibt es Ausnahmen bei den Förderungen. O.K. wäre, wenn die Ausnahmen ins Budget geschrieben werden könnten, das heisst, dass 2 Millionen pro Jahr für Ausnahmen gesprochen könnten. Und ich meine das ist doch der ganze Punkt, weshalb ich gerne möchte, dass ein Budget geschrieben wird, weil sonst kann man ja immer alles, immer irgendwie entscheiden. Dass man sagt, ich gebe 6 Millionen für Responsive Funding, so und so viel für die Programme, so und so viel für dies usw. Aber vielleicht ist das ja auch eine gute Strategie. Ich meine, dass muss man sich eben überlegen, man muss sich darüber unterhalten, man muss einfach dazu kommen, wir wollen das nicht so festlegen, wir wollen so viel Freiheit. Und wenn das Board das wirklich denkt, dann ist das klar, aber dann ist das auch gut für das Management. Also dann weiss ich, wie bestimmte Sachen gehandhabt werden." (P29) Zu beachten ist, dass der gesamte Strategieprozess ebenso wichtig ist wie der Inhalt und die am Schluss erarbeiteten Massnahmenpläne. Ein strategischer Entwicklungs- Strategieprozess wertschätzen prozess muss ohne Zeitdruck und losgelöst vom operativen Druck des Alltagsgeschäfts durchgeführt werden können, z. B. im Rahmen eines Strategie-Workshops. Es gilt Rahmenbedingungen zu schaffen, die der Stärkung von Kreativität und Vorstellungskraft aller Beteiligten förderlich sind. Strategie-Workshops sind nach Venzin (2003) oft geprägt durch hohe Komplexität, Unsicherheit, politische Prozesse, starke Emotionen oder gar persönliche Eitelkeiten. Durch professionelles Vorbereiten, Moderieren und Nachbereiten können diese Herausforderungen bewältigt werden. Ein Vorbereiten, Moderieren, Nachbereiten FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 317 Geschäftsführer einer grossen Stiftung beschreibt, wie dieser Prozess mit Hilfe eines externen Moderators im Stiftungsrat gestaltet wurde: "Gestern haben wir mit einem externen Moderator gearbeitet, weil ein Strategie-Prozess ist ein schwieriger Prozess. Ich wäre überfordert, wenn ich so einen Tag lang einerseits moderieren müsste und anderseits diesen Stiftungsräten noch ein wenig auf die Finger schauen. Also das habe ich mal am Anfang probiert, und habe schnell gemerkt, das ist jenseits von meinen Fähigkeiten, das könnte ich nicht, da braucht es Hilfe von aussen." (P7) Strategie-Workshops sind keine "Zeitverschwendung" oder rein formale Veranstaltungen, die wenig mit dem "wirklichen" Geschäft zu tun haben, vielmehr zwingen sie die Entscheidungsträger in einer Stiftung, sich systematisch und kreativ mit der Stiftung und ihrem Umfeld auseinander zu setzen. Eine Stiftung muss sorgfältig klären, wie der Ablauf der einzelnen Schritte zur Strategieentwicklung aussehen soll, wer in einen solchen Strategiefindungsprozess einbezogen wird und wie viele Ressourcen (Geld und Zeit) für einen solchen Prozess bereitgestellt werden sollen. Bei der Erarbeitung einer Strategie gilt es zu bedenken, dass es nie die "one size fits all" Lösung gibt. Meinungsverschiedenheiten während des Prozesses sind solange als konstruktiv zu werten, als sie möglichst früh und offen ausgetragen werden und gemeinsam nach der für die Stiftung besten Lösung gesucht wird. Wichtig ist dabei, dass sich die Stiftungsmitglieder mit den Festlegungen identifizieren können. Ein Stifter beschreibt diesen konstruktiven Diskurs folgendermassen - und nimmt eine vorbildliche Stellung dazu ein: "Und ich glaube, es ist ganz wesentlich, dass immer eine offene, sachbezogene Diskussion vorherrscht, und bei einer Stiftung ist es darüber hinaus ganz wesentlich, dass der Stifter nicht meint, er habe die alleinige Entscheidungsgewalt. Das Gremium hat seine eigene Meinung zu haben und es kommt immer wieder vor, dass man verschiedene Ansichten hat. Man diskutiert es in einer Sitzung. Und ich sage nie, diese Stiftung wurde von mir gegründet. Ich bin einer von mehreren. Ich sage meine Meinung sachbezogen und werde halt hie und da überstimmt. Wenn ich das nicht könnte - mich überstimmen zu las- Meinungsverschiedenheiten FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 318 sen - dann wäre ich doch irgendwie am falschen Ort. Diese Meinung führt hie und da zu interessanten Diskussionen" (P27) Ausdiskutierte Konflikte fördern das gemeinsame Verständnis, führen zu einer Erwartungsklärung und können spätere Verwirrungen und Auseinandersetzungen verhindern. Die Möglichkeiten im Umgang mit Meinungsverschiedenheiten sind vielfältig. So können sich Stiftungen z. B. für die Verfolgung mehrerer Wirkungsfelder entscheiden und jedes Stiftungsratsmitglied kann sich mindestens einem Schwerpunkt verpflichtet fühlen (Æ Kap. 9.1.6 Zuständigkeitsregelungen, S. 263). Andere Stiftungen lösen diese Problematik, indem sie sich im Sinne eines Kompromisses auf ein Wirkungsfeld einigen, das für alle akzeptabel ist (Æ Kap. 9.1.2 Entwicklung einer Mission, S. 233). Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich der Erstellung strategischer Projektportfolios und von Massnahmenplänen: 67. Wie lauten die Zielformulierungen je Wirkungsfeld und die dazugehörigen strategischen Festlegungen? 68. Welche konkreten Massnahmen müssen bei der Bearbeitung eines Wirkungsfeldes zur Erreichung der Ziele unternommen werden? 69. Wie wirken die Projekte und Massnahmen zusammen, sodass eine möglichst breite Wirkung entsteht? 70. Welche Einflussfaktoren für ein optimales Timing bei der Erschliessung des Wirkungsfelds zu beachten? 71. Welche zu budgetierenden Aufwände und Erträge werden in den einzelnen Wirkungsfeldern zur Durchführung der Massnahmenpläne anfallen? 72. Wie wird der gesamte Strategieprozess durchgeführt? 73. Wie werden mögliche Meinungsverschiedenheiten konstruktiv eingebunden? FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 9.3 319 Eine illustrative Fallstudie zum Gestaltungsprozess Die Durchgängigkeit und Vernetztheit der Entscheidungen im Gestaltungsprozess, zwischen Stiftungspolitik und Stiftungsstrategie, wird in der Fallstudie zur Northwest Area Foundation verdeutlicht.169 Die Northwest Area Foundation hat in jüngerer Zeit eine Reflexion der vergangenen Tätigkeit und eine Neuausrichtung der Mission und Strategie sowie eine Anpassung der Struktur vorgenommen. Dabei hat sie grundlegende Veränderungen in ihrer traditionellen Ausrichtung und Arbeitsweise vorgenommen. 9.3.1 Historischer Hintergrund Die Northwest Area Foundation wurde 1934 von Louis W. Hill, dem Sohn von James J. Hill - Gründer der Great Northern Eisenbahn -, gegründet und führte bis zur Übertragung eines grösseren Vermögens 1950 ein Schattendasein. Mit dem momentanen Vermögen von USD 440 Mio. und ihren jährlichen durchschnittlichen Ausschüttungen von USD 18 Mio. ist die Northwest Area Foundation eine der 100 grössten Stiftungen der USA. Unter der Führung von Louis W. Hill Jr., dem Sohn des Gründers und A. A. Heckman, dem ersten Geschäftsführer der Stiftung wurde ein "CarnegieRockefeller-Ford"-Modell der Philanthropie betrieben. Dieses Modell, benannt nach den drei grossen und bekannten US-Stiftungen - versteht die Stiftungsarbeit so, dass Stiftungen eng mit anderen Institutionen zusammenarbeiten, um wichtige soziale Probleme zu identifizieren, neuartige Ansätze zur Problemlösung ausarbeiten und Ansätze testen, diese Experimente bis zu einem gewissen Grad finanzieren, die Resultate evaluieren und - falls erfolgreich -, die Erkenntnisse durch Replikation zu verbreiten und der Staatsfinanzierung zu überlassen. 169 Die Informationen zur Northwest Area Foundation stammen aus Showalter (1998), Stauber (2001) sowie von der Website der Stiftung: www.nwaf.org (23.08.2005). FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 320 Diese Stiftungsarbeit basierte auf der Annahme eines aktiven expandierenden Staates. Dieser Ansatz wurde zwischen 1949 und 1996 unter der Mission "to support research and experimentation projects which will have a significant effect within their fields and for which there is not general support" (Stauber 2001) verfolgt. Alle geförderten Programme hatten dabei zum Ziel, anschliessend durch andere, hauptsächlich durch den Staat, finanziert zu werden. Durch das unter Kap. 2.1.6. beschriebene veränderte Staatsverständnis und den verknappten öffentlichen Mitteln wurde das Carnegie-Rockefeller-Ford-Modell in Frage gestellt. Neben den verknappten öffentlichen Mitteln wurden in der Northwest-Gegend zunehmend Probleme durch Immigration, Arbeitslosigkeit, Verarmung und andere soziale Probleme festgestellt. Gleichzeitig durchlebte die Northwest Area Foundation im Juni 1996 Veränderungen im Board und in führenden Gremien. Diese Umstände veranlasste die Stiftung, ihre Rolle zu überdenken. Der neue Stiftungsrat W. E. Bye Barsness und der neue Präsident Karl. N. Stauber betrachteten die enormen Veränderungen im Umfeld der Stiftung und stellten die Effektivität des bisherigen Förderansatzes in Frage. Barsness umschreibt den Willen zur Veränderung wie folgt: "There was a perceived need among the Board to re-examine our direction, a substantial part of our Board was new, and we had a new leader with the vision to do things differently". In der Vergangenheit wurden 95% der Zeit zur Entscheidung von Projektanträgen aufgewendet und ein Tag pro Jahr für strategische Planung. Die aufkommenden sozialen, ökonomischen und ökologischen Probleme wurden vom Staat nicht ausreichend beachtet. Stauber stellte die Frage, ob diese Probleme effektiv durch die traditionelle Stiftungsarbeit der Mittelvergabe an Non-Profit-Organisationen gelöst werden können. Daraufhin beschloss der Stiftungsrat, innerhalb eines Jahres einen Strategieprozess zu durchlaufen, indem Mission, grundlegende Ausrichtungen, Governance, Vergabungen, Finanzmanagement und die operative Stiftungsarbeit neu überdacht werden sollen. 9.3.2 Vorbereitungen und Ablauf des Gestaltungsprozesses Vor dem Hintergrund, dass ein umfassender Strategieprozess ein Commitment sowohl vom Stiftungsrat als auch von den Mitarbeitern benötigt, wurden zahlreiche Massnahmen zur Involvierung aller Beteiligten getroffen. So wurden die regulären FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 321 Verwaltungsratssitzungen von sechs 2-Stunden Meetings auf vier Tagestreffen geändert und mehrtägige Retraiten eingeführt. Gleichzeitig wurde öffentlich angekündigt, dass eine Neuausrichtung der Stiftung geplant wird, wobei die Anzahl geförderter Projekte von 100 auf 60 gekürzt und während eines Jahres keine neuen Projekte gefördert werden. Diese Massnahmen wurden getroffen, um der Öffentlichkeit ein klares Signal zur veränderten Arbeitsweise zu geben, obwohl noch unklar war, wie die zukünftige Stiftungsarbeit aussehen wird. Die Northwest Area Foundation sah es als zentral an, beim Strategieprozess den gesamten Stiftungsrat zu involvieren. Die gesetzten Ziele des Strategieprozesses umfassten Erarbeitung einer Mission Suche nach Wirkungsfeldern und Informationsbeschaffung proaktive Kommunikation der Mitarbeiter und deren Miteinbezug Information der Stakeholder die Entwicklung eines Massnahmenplans Die Stiftung legte dem Strategieprozess drei Leitfragen zugrunde: 1. Wie kann diese Stiftung die Region in Anbetracht der veränderten Umweltbedingungen unterstützen? 2. Wie kann die Stiftung ihre Ressourcen optimal einsetzen für die jetzigen und zukünftigen Generationen dieser Gegend? 3. Wie können die internen Fähigkeiten aufgebaut werden, um die Ziele zu erreichen? Das Ziel der Neuausrichtung wird unter das Motto der "strategic philanthropy" gesetzt, im Gegensatz zur "reactive philanthropy", bei der Stiftungen auf Ideen und Anträge von anderen reagiert, jedoch ohne klare eigene Ideen und Ziele, was sie erreichen möchten. Das erste Ziel des Strategieprozesses war die Identifizierung von vier bis sechs Programmfeldern, in welchen die Stiftung die nächsten fünf bis zehn Jahre aktiv sein FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 322 möchte. Der Zeitplan für den Strategieprozess sah folgendermassen aus (vgl. Abbildung 9-2): Informationsbeschaffung November 1996 - März 1997 Entwicklung strategischer Optionen Januar 1997 - Juni 1997 Wirkungsfelder auswählen Juni 1997 Entwicklung neuer Förderrichtlinien Juni 1997 - September 1997 Implementierung des neuen Programms September 1997 - fortlaufend Abbildung 9-2: Zeitplan des Strategieprozesses der Northwest Area Foundation Bevor die eigentliche Informationsbeschaffung begann, wurden andere Stiftungen zu ihren Erfahrungen mit einem Strategieprozess befragt. Um Informationen über die Region zu bekommen wurden zahlreiche Leute aus unterschiedlichsten Gebieten zu ihren grössten Bedürfnissen interviewt. Mit Hilfe einer Beratungsgesellschaft wurden Fokusgruppentreffen und weitere Interviews durchgeführt, die durch eine umfangreiche Literaturanalyse ergänzt wurden. Diese intensiven Recherchen haben zu folgenden drei Thesen geführt: 1. Armut ist das Hauptproblem in der Northwestregion. 2. Ein gemeinsames Verständnis über die gemeinsamen Güter ist für die Wohlfahrt der Region zentral. 3. Eine gesunde Umwelt ist für die Wohlfahrt der Region wichtig. Vor diesem Hintergrund wurden mögliche strategische Optionen entwickelt, von denen drei übrig blieben: 1. ökonomische Entwicklung zur Reduktion von Armut 2. zivilgesellschaftliche Entwicklung durch Bildung von Sozialkapital und nachhaltige Kommunen zur Armutsreduktion 3. Unterstützung von Wirtschaftswachstum und Umweltschutz FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 323 Aufbauend auf diesen Optionen wurden ein Jahr nach dem Beschluss zum Strategieprozess eine neue Mission, neue Arbeitsgrundsätze und Werthaltungen beschlossen. 1. Mission: To help communities most in need create positive futures - economically, ecologically, and socially. To implement this mission, the Foundation will help selected communities in the region to work toward a balanced system that will reduce poverty; stimulate economic growth; sustain the natural environment; and develop effective institutions, relationships, and individuals. 2. Arbeitsgrundsätze und Werthaltungen: Focus on those most in need Seek lasting results Look to community as a source of positive action Engage those most affected in developing responses Strive for high quality and focus Treat people with respect Produce the greatest possible societal benefits with the resources of the Foundation Focus on the intersection of greatest need and greatest opportunity Assume people, institutions, and communities want and need to be responsible for their own futures Help communities create shared visions for their futures Be willing to stay with communities and organizations long enough to accomplish desired goals FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 324 When possible, start with existing institutions Link practice, reflection, and policy Strive to bring clarity and rigor to our work Operate programs as integrated parts of a whole, not as freestanding efforts Die Stiftung fokussiert somit 100% ihrer Ressourcen auf die Reduktion von Armut in der "Acht-Staten-Region". Die alte Mission befasste sich zum Vergleich primär mit der Erhöhung der ökonomischen Gesundheit in dieser Region. Im Gegensatz zur alten Strategie, in der Modelle generiert, getestet und evaluiert und dann auf andere übertragen wurden, umfasst die neue Strategie die Verwendung der Stiftungsressourcen für die Wissensgenerierung, die Partner verwenden können, um Armut zu bekämpfen. Die Zielgruppe beschränkt sich fortan auf "communities" im Gegensatz zu früher, als dies v. a. Institutionen und der Staat waren. Mit der veränderten Mission fokussierend auf die Unterstützung von Gemeinden bei der Armutsbekämpfung änderte sich fast alles. Die Stiftung akzeptierte keine Anträge und investierte dagegen alles in drei "eigene" Programme. In das erste Programm, "Community Ventures", will die Stiftung in den nächsten 10 Jahren USD 150 Mio. in 10 bis 16 Gemeinden zur Armutsbekämpfung investieren. Die Gemeinden werden aufgrund einer Kombination aus Möglichkeiten, Bedürfnis und potentieller Wirkung ausgesucht. Das zweite Programm umfasst "Community Connections", in das die Stiftung in den nächsten 10 Jahren USD 25 Mio. investieren möchte zur Moderation von Informationszugängen, Wissen, Services und anderen Ressourcen, die den Gemeinden helfen können, Strategien gegen Armut zu implementieren. Das Programm unterstützt den Erfahrungsaustausch zwischen den Partnern. Die dritte Initiative, "Community Horizons", umfasst eine 10-Jahres Periode mit USD 25 Mio., die sich mit einem "Community Leadership"-Programm befasst, das sich mit den vernachlässigten, ländlichen Regionen auseinander setzt. Die Umsetzung der Mission zielt darauf ab, die Ressourcen gezielt spezifischen Gemeinden anstatt einzelnen Non-Profit-Organisationen zukommen zu lassen. Dabei wird Wert gelegt auf Langzeit-Partner, die die Interessen der Stiftung teilen. Zudem will die Stiftung stetig von ihren Aktivitäten lernen. FE-C Grundkategorie 2: Der Gestaltungsprozess 9.3.3 325 Learnings Folgende Punkte hat die Stiftung in ihrem Strategieprozess gelernt: der Strategieprozess dauert länger als gedacht der Prozess braucht mehrere treibende Kräfte jedermann muss ownership spüren die Leute müssen aus dem täglichen Geschäft genommen werden jedermann vom Stiftungsrat muss ein hohes commitment zeigen fokussiere auf team building stelle einen externen Moderator für den Strategieprozess an die Öffentlichkeit als Inputgeber ist wichtig, ebenso die Kommunikation frühzeitig mit Implementationsüberlegungen beginnen feiere Zwischenerfolge Die umfassende Beschreibung des Gestaltungsprozesses, wie er in der Northwest Area Foundation ablief, illustriert dabei die zahlreichen, zutreffenden Festlegungen mit ihren Interdependenzen und Folgen. Die Beschreibung geht sowohl auf sie inhaltlichen Aspekte als auch auf den prozessualen Ablauf einer solchen umfassenden Neuorientierung ein. FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 326 "(Es gibt) zwei Dinge, auf denen das Wohlgelingen in allen Verhältnissen beruht. Das eine ist, dass Zweck und Ziel der Tätigkeit richtig bestimmt sind. Das andere aber besteht darin, die zu diesem Endziel führenden Handlungen zu finden." Aristoteles, griech. Philosoph (384-322 v. Chr.) 10 FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess Im Wertschöpfungsprozess kulminieren die Einschränkungen und Ermöglichungen, die durch die langfristigen und orientierenden Festlegungen in der Æ Stiftungspolitik (Kap. 9.1, S. 228) und den entwicklungsbezogenen Festlegungen im Bereich der Æ Stiftungsstrategie (Kap. 9.2, S. 288) getroffen wurden. Die dortigen gestalterischen Entscheidungen werden im Wertschöpfungsprozess umgesetzt, der diejenigen Aufgaben beinhaltet, die unmittelbar auf die Realisierung des Stiftungszwecks und damit auf die Erzeugung von gesellschaftlichem Nutzen ausgerichtet sind. Innerhalb des durch den Gestaltungsprozess vorgegebenen Rahmens verbleiben jedoch eine Vielzahl von Aufgaben und Entscheidungen, die im Bereich des Wertschöpfungsprozesses konkretisiert werden müssen, so dass ein effektiver und effizienter Vollzug der "täglichen" Arbeit gewährleistet wird. Die Æ Supportprozesse (Kap. 11, S. 382), die ihrerseits auch den Festlegungen des Gestaltungsprozesses unterworfen sind und diese Vorgaben umsetzen, dienen insbesondere der Effizienzsteigerung des Wertschöpfungsprozesses. Das Ziel dieses Kapitels ist die Befähigung zu einer sorgfältigen Strukturierung der Teilprozesse der Wertschöpfung. Dazu gehört z. B. die Festlegung des Grunddesigns und der Führungsgrössen der einzelnen Teilprozesse. Es geht mithin darum, das Pro- FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 327 jektmanagement als den zentralen Wertschöpfungsprozess professionell - nach Effektivitäts- und Effizienzkriterien sowie mit der Bereitschaft zur ständigen Prozessoptimierung - zu gestalten (vgl. Beyer 1999, S. 159; Koeckstadt/Kölsch 2003, S. 14; Æ Kap. 12.1 Evaluation, S. 455), was auch ein Geschäftsführer einer grossen Stiftung bestätigt: "Es geht darum, die Anfragen nicht schludrig zu beantworten oder die Projekte nicht "nebenher" zu leiten, z. B. wenn man ein Zweijahres- oder ein Dreijahresprojekt im Portfolio hat und die Zwischenberichte, die gefordert sind, nicht einfordert oder einfach ins Dossier ablegt, ohne mal reinzuschauen. Wozu macht man die dann? Das kann so nicht gehen. Das sind alles Elemente einer professionellen Handhabung des Projektmanagements. Also von rein bürokratischer, aber speditiver Beantwortung, wo die Leute wirklich den Eindruck bekommen, wir als Stiftung freuen uns über den Antrag, bis zur seriösen Projektselektion und -begleitung." (P2) Immer mehr Stiftungen dokumentieren den Wertschöpfungsprozess und seine Teilprozesse, was auf die Wichtigkeit dieses Prozesses für die Stiftungsarbeit hinweist: "Wir haben Prozesse definiert und dokumentiert, die Sie, wenn ich heute sterben würde, zu 70 oder 80 Prozent nachlesen könnten. Sie würden es vielleicht ein wenig anders machen, aber Sie müssten nicht bei Null anfangen." (P24) Eine Dokumentation des Prozesses, im Sinne einer "Materialisierung" der Handlungen, inkl. der Zuständigkeiten und Kompetenzen sowie eine Zusammenstellung von Formularen, Kriterienrastern, Musterbriefen etc. wird auch als Möglichkeit gesehen, die Arbeitsqualität zu erhöhen sowie eine Gleichbehandlung und Wertschätzung von Antragstellern zu gewährleisten, die z. B. Prager (2003, S. 77) fordert: "Treat all individuals and organizations with whom the foundation comes in contact with respect and dignity, recognizing that it is through them that the foundation achieves its ends, and avoiding the arrogance, elitism, and isolation that comes to characterize so many of us who have power and money that others lack." Zu dieser "würdevollen" Behandlung gehört auch eine angemessene Kommunikation über den Fortschritt des Selektionsprozesses, allenfalls auch Zwischenergebnisse, und letztlich über den grundsätzlich begründbaren - Entscheid. FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 328 Als Überblick über die Thematik dieser Grundkategorie soll eine Beschreibung des Wertschöpfungsprozesses einer typischen Vergabestiftung dienen, im Sinne eines Makro- oder Grobdesigns des Prozesses: "Die eingegangenen Anträge werden bei uns hier in der Geschäftsstelle gesammelt und registriert - die Antragsteller bekommen eine Eingangsbestätigung. Dann gehen die Anträge in die verschiedenen Prüfverfahren, also Verfügungsfond, Sonderprogramme oder Basisprogramme. Sie werden anhand vorgängig bestimmter Kriterien geprüft, in der Erstinstanz von Frau XY und mir hier in der Geschäftsstelle und in zweiter Instanz von unserem wissenschaftlichen Beirat. Darüber hinaus gibt es fallweise Fachgutachten, die wir einholen. Und entschieden wird schliesslich in der Sitzung des Kuratoriums, und zwar auf Basis des Vorschlags des wissenschaftlichen Beirates. Das ist also das Prüfverfahren bis hin zur Entscheidung der Bewilligung. Danach kommt sozusagen die Projektfortschrittskontrolle, d. h. Zwischen- und Schlussberichte, Abrechnungen, also sowohl finanziell als auch inhaltlich. Das erscheint uns im Moment angemessen. Es ist ja immer eine schwierige Balance zwischen bürokratisch-administrativen Aufgaben und zeitnahen, flexiblen Entscheidungen. Wir glauben da im Moment so einigermassen die richtige Balance zu haben." (P10) Die im weiteren Verlauf ausdifferenzierten Aufgaben sind dabei nicht alle in obiger, überblicksartiger Beschreibung angesprochen, obwohl sie gerade in dieser Stiftung sehr gut ausgestaltet sind und an entsprechender Stelle dieser Ausführungen teilweise in den Beschreibungen der Handlungsoptionen verarbeitet sind. Die Nennung und Beschreibung der grundsätzlichen Aufgaben eines professionellen Projektmanagements sollen zur Reflexion anregen und als Grundlage zur Gestaltung eines optimalen Wertschöpfungsprozesses auch für kleine Stiftungen ohne Geschäftsstelle dienen. Denn: "Ultimately, a foundation pursues its mission through the support of nonprofit organizations which, in its view, have the potential to contribute the most to achieving its programmatic goals. Accordingly, at the end of the day, a foundation’s success is dependent on the effectiveness of the processes through which it: (i) selects the organizations it funds; (ii) deploys its resources to support those organiza- FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 329 tions; (iii) monitors and assesses their work; and (iv) relates to them as partners in addressing compelling social challenges” (Prager 2003, S. 73). Zum Abschluss greift ein Zitat von Freeman nochmals die Zielsetzung dieses Kapitels auf. Er bringt darüber hinaus die Abläufe des Wertschöpfungsprozesses in den einzelnen Stiftungen direkt mit der Æ Legitimation (Kap. 12, S. 452) von allen Stiftung in der Öffentlichkeit in Verbindung: "Poor practices by some foundations lead to legitimate gripes among grantseekers: inordinately long delays in responding to requests, failure to respond at all, arrogance on the part of a foundation representative when an interview is granted, false hopes given to prospective grantees by too friendly grantmakers, and inappropriate intrusions into the grantee's operations after a grant is awarded.” (Freeman 1991, S. 78). Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf diese von Freeman genannten Aspekte und sollen die Stiftungsmanager dahingehend befähigen, zum Wohle der gesamten Stiftungscommunity als verlässliche und professionelle Partner in der Öffentlichkeit zu erscheinen. Bei aller Entwicklungsarbeit eines optimalen Wertschöpfungsprozesses gilt es jedoch Folgendes zu beachten: "The complexity of the application should be in proportion to the amount of funding available." (Furnari et al. 2000, S. 22) Die Wahrung dieses Grundsatzes sorgt dafür, dass nicht per se ein "überbürokratischer" Prozess in der Stiftung aufgebaut wird. Wie aus der Darstellung des FE-C ersichtlich, besteht der Wertschöpfungsprozess aus sechs Teilprozessen, die im Folgenden detailliert und mit umfangreichen Handlungsoptionen aus der Praxis vorgestellt werden (vgl. Abbildung 10-1): 1. Projektakquisition 2. Projektselektion 3. Projektcoaching FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 330 4. Projektmonitoring 5. Ergebnissicherung und Dissemination 6. Weiterführung und Replikation von Projekten Mission Mission Input Input Akq uis Sele ition ktion Stiftung Impact Impact on inati m e s Dis ion likat Rep Projektmanagement g chin Coa ng itori Mon Aktivitäten Aktivitäten Projekte Projekte Output Output Abbildung 10-1: Der Wertschöpfungsprozess einer Stiftung mit den sechs Teilprozessen Diese Teilprozesse weisen eine Vielzahl von Interdependenzen untereinander auf, aber auch mit dem vorangegangenen Æ Gestaltungsprozess (Kap. 9, S. 226) und den damit verbundenen Festlegungen der Stiftungspolitik und Stiftungsstrategie. 10.1 Projektakquisition Was in der Geschäftswelt die Kundenakquisition darstellt, verkörpert in Stiftungen die Projektakquisition, d. h. die gezielte Ansprache geeigneter Projektpartner oder die Identifikation von Projektthemen und Selektion von Projektanträgen, die den kommunizierten Stiftungszweck und dessen strategische Konkretisierung in den jeweiligen Æ Wirkungsfeldern (Kap. 9.2.1, S. 290) auch umsetzen können. Dabei verschwinden zunehmend die Grenzen zwischen einer klassischen Vergabestiftung (Æ Kap. 9.1 Stiftungspolitik, S. 228), die die Projektauswahl aufgrund eingegangener Projektanträge trifft (responsive oder reaktive Stiftungsarbeit) und einer operativen Programmstiftung, die ihre Themen selbst identifiziert und bearbeitet. FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 331 Vergabestiftungen lancieren verstärkt auch eigene Themen - im Sinne aktiver "change agents" (vgl. Kap. 2.3) zur Weiterentwicklung der Gesellschaft - und identifizieren mögliche Partner, die sie gezielt zur Antragsstellung auffordern (proaktive Stiftungsarbeit). In dem Masse, wie sie eigene Themen einbringen und sorgfältig ihre Partner selektieren, nimmt auch die Intensität der Zusammenarbeit während des Projekts zu - und damit auch das Interesse am Ergebnis und die (teilweise) Verantwortlichkeit dessen, was Auswirkungen in den folgenden Aufgaben des Wertschöpfungsprozesses zeitigt (z. B. Æ Kap. 10.3 Projektcoaching, S. 354). Die Entscheidungen und Festlegungen zur Wahl desjenigen Stiftungstyps, der verkörpert werden soll, ziehen auch eine bestimmte Art und Weise der Projektakquisition nach sich im Sinne der Durchgängigkeit von politischen und strategischen Festlegungen sowie den entsprechenden vollziehenden Prozessen im Bereich des Wertschöpfungsprozesses und der Æ Supportprozesse (Kap. 11, S. 382). Folgende beiden Aufgaben umfasst der Teilprozess Projektakquisition: 1. Bestimmung der Akquisitionsform 2. Festlegung des Akquisitions- und Antragsbearbeitungsprozesses 10.1.1 Bestimmung der Akquisitionsform Aus den Festlegungen der Stiftungspolitik und -strategie ergeben sich, wie mehrfach erwähnt, weit reichende Folgen für den Wertschöpfungsprozess und insbesondere den Teilprozess der Projektakquisition. Es geht hierbei um die Frage: Wie spricht eine Stiftung ihre potentiellen Projektpartner an? Diese Frage greift die inhaltliche Profilierung der Stiftung auf (Æ Kap. 9.2.1 Wirkungsfeld, S. 290) und konkretisiert die Art und Weise, wie die strategischen Festlegungen umgesetzt werden sollen. Letztlich kann nur dann eine inhaltlichen Profilierung entstehen, wenn die dazu "passenden" Projekte identifiziert werden, denn, wie ein Geschäftsführer einer mittelgrossen Stiftung formuliert, "ich finde nicht, dass eine Knappheit an finanziellen Mitteln besteht. Ich würde es eigentlich eher anders anschauen. Es besteht eine Knappheit an FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 332 guten Projekten. Aber jetzt habe ich die Stiftungsbrille auf. Das schaut einer natürlich ganz anders an, wenn er auf der anderen Seite steht." (P16) Die in diesem Zitat angesprochene Wettbewerbssituation kann konstruktiv durch die Festlegung einer geeigneten Akquisitionsform gehandhabt werden. Je nach Æ Stif- Akquisitionsform festlegen tungstyp (Kap. 9.1.4, S. 247), also "Gift Giver", "Social Investor" oder "Social Entrepreneur" (oder auch in Kombination), ergeben sich typische Akquisitionsformen. Ein Geschäftsführer einer proaktiv-unternehmerisch agierenden grossen Stiftung beschreibt in diesem Zusammenhang ein für diesen Stiftungstypen des Social Entrepre- Typische Form für Social Entrepreneurs neurs charakteristisches Vorgehen: "Wir sind sehr gut im Schweizer Netzwerk drin. Wir wissen, was in unserem thematischen Feld passiert und die Leute kennen uns. Es ist z. B. oft so, dass sehr gute Ideen von aussen auch nach innen getragen werden, ohne dass ein Antrag kommt. Das ist übrigens auch ein Weg, den ich gerne gehe. Ich ermuntere die Leute dazu: ‚Ruft mich doch mal an.’ Das wissen relativ viele und es ist auch sehr oft dann daraus zu einem Projekt gekommen. Da habe ich nicht einfach einen Antrag entgegengenommen, sondern in einer ersten Phase mal ‚gelauscht’ und später dann auch sogar geholfen, den Antrag zu formulieren. […]Es gibt die Möglichkeit, dass uns einer anruft, und sagt: ‚Ich habe eine gute Idee’, und mir diese erklärt. Wenn ich irgendetwas darin entdecke, bei dem ich das Gefühl habe, das könnte in der Vision Platz haben, mal unabhängig davon, in welchen Gestaltungsschwerpunkt es passt, dann probiere ich darüber zu reden, und schaue, was daraus wird. In vielen Fällen wird nicht mal was daraus. Also z. B. weil irgendwie das Projekt platzt, oder die Idee war zu verrückt. Dann gibt’s noch die Variante, dass wir aktiv in die Community gehen und uns nach Projektpartnern umsehen." (P5) Das Zitat weist auf die Notwendigkeit eines intensiven Dialogs oder zumindest des "aktiven Zuhörens" bei den Social Entrepreneurs hin, die proaktiv eigene Themen lancieren oder neue, nahezu unbekannte oder noch nicht "spruchreife" Themen aufgreifen wollen. Weitere Möglichkeiten der Projektakquisition sind z. B. auch Besuche von einschlägigen Konferenzen, auf denen mögliche Projektpartner direkt angesprochen werden können. Dialog/aktives Zuhören FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 333 Zwischen einer proaktiven Suche nach den besten Projektpartnern und Themen eines Social Entrepreneurs und einer eher reaktiven "Einweg"-Kommunikation des Stif- Typische Form für Gift Givers tungszwecks und der Förderrichtlinien eines Gift Givers stellt die Ausschreibung eines Förderprogramms den Versuch dar, das "Beste aus beiden Welten" zu vereinen. Die Vorteile dieser Vorgehensweise bestehen darin, dass eine Adressatengruppe bestimmt werden kann, deren Chancen auf eine Förderung einerseits besonders gross sind, andererseits auch aus dem Blickwinkel der Stiftung als geeignet angesehen werden, die Anforderungen bestmöglich zu erfüllen. Manch ein Antragsteller kann sich so Zeit und Mühe sparen, da er von vornherein nicht den dem gewünschten Profil entspricht - und die Stiftung erhält hauptsächlich solche Anfragen, die einen Sichtungsaufwand aus dem Blickwinkel der Stiftung rechtfertigt. Ein Geschäftsführer einer grossen Stiftung, die zu den sog. Social Investors gezählt werden kann, beschreibt z. B. die Festlegungen in Bezug auf die Akquisitionsform in Typische Form für Social Investors "seiner" Stiftung folgendermassen: "Die XY-Stiftung hat ein Antragsverfahren, das stark auf Ausschreibungen ausgerichtet ist. Wir versuchen unsere Programme über Internet, Zeitungen, Zeitschriften und auch Mailings an unsere Adressaten zu bringen und reagieren dann auf Anträge, die uns erreichen." (P10) Ein Stiftungsrat derselben Stiftung formuliert einen weiteren Aspekt: "Wir wollen ja sehr gute Projekte fördern. In den letzten Entscheidungsrunden, die wir gemacht haben, wurde der finanzielle Spielraum nie ausgeschöpft, wir sind immer darunter geblieben. Wir hätten mehr ausgeben können, aber die Projekte waren nicht so exzellent. Und deswegen ermuntere ich die Leute, wo ich bin, Anträge zu stellen. Dabei stellen wir immer wieder fest, dass die Stiftung doch nicht so bekannt ist, wie wir hoffen oder denken. Es gibt immer noch Leute in unserer Community, die von uns noch nichts gehört haben." (P8) Grundsätzlich bieten klar kommunizierte Arbeitsschwerpunkte vielfältige Vorteile, wie auch Untersuchungen in den USA bestätigen. Dies gilt gerade für kleinere Stiftungen. Stiftungen müssen ihre Mission bekannt machen, um überhaupt ihr Anliegen erfolgreich bearbeiten zu können und "die richtigen Projektpartner" zu erreichen. Auf Arbeitsschwerpunkte kommunizieren 334 FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess der anderen Seite wird durch eine Profilbildung und deren "Abbildung" in entsprechenden kommunizierten Richtlinien verhindert, dass gerade kleinere Stiftungen von einer "Flut" von Papier überschwemmt werden, die sie aufgrund ihrer geringen administrativen Ressourcenausstattung kaum bewältigen können. Freeman weist nochmals eindringlich auf diesen Sachverhalt hin: "Although it is hard for the ‘low-profile’ foundation to believe, the effort a grantmaker expends in developing and publicizing its guidelines and areas of interest pays off in fewer ‘out-of-program’ requests. Clear, frank statements of what a foundation does not do are as important as descriptions of its priorities and will save grantseekers the time and expense involved in submitting proposals that have no chance of success” (Freeman 1991, S. 78). Die Art und Weise, in der die Stiftung und ihre Tätigkeitsschwerpunkte dem Kreis der potentiellen Antragsteller bekannt gemacht wird, hat also weit reichende Auswirkungen auf die Qualität der eingereichten Anträge (Æ Kap. 11.4 Kommunikationsmanagement, S. 427). Bereits diese erste Teilaufgabe der Akquisition zeigt die sehr hohe Vernetztheit des Wertschöpfungsprozesses mit den vorgelagerten Festlegungen im Bereich der Æ Stiftungspolitik (Kap. 9.1, S. 228) und Æ Stiftungsstrategie (Kap. 9.2, S. 288), aber auch mit den Supportprozessen, insbesondere des Æ Kommunikations- (Kap. 11.3, S. 412) und Æ IT-Managements (Kap. 11.2, S. 409). Werden die zu treffenden Entscheidungen in dieser Teilaufgabe nicht sorgfältig reflektiert und abgestimmt auf vorangegangene und nachfolgende Festlegungen, verliert die Stiftungsarbeit an Konsistenz und die Stiftung verschenkt Potential, ihre Wirkung zu erhöhen. Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich der Bestimmung der Akquisitionsform: 74. Welche Akquisitionsform entspricht den Festlegungen in der Stiftungspolitik und passt zur Strategie und den Zielen des jeweiligen Wirkungsfeldes? 75. Wie werden bei der gewählten Akquisitionsform die potentiellen Projektpartner angesprochen oder identifiziert? 76. Welche Informationen bezüglich Arbeitsschwerpunkte werden kommuniziert? FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 335 10.1.2 Festlegung des Akquisitions- und Antragsbearbeitungsprozesses Die Spezifikation des Bearbeitungsprozesses umfasst die inhaltliche Beschreibung der einzelnen Bearbeitungsschritte wie auch die Gestaltung der Beziehung zwischen der Stiftung und dem potentiellen Projektpartner. Ebenso müssen die Zuständigkeiten Ablauf und Zuständigkeiten festlegen und Verantwortlichkeiten innerhalb der Stiftung für diesen Prozess festgelegt werden. Neben den allgemeinen Angaben zur Stiftungsarbeit verdienen die Richtlinien für die Antragstellung eingehende Betrachtung. Diese müssen Aspekte der Æ Mission (Kap. 9.1.2, S. 233), der Æ inhaltlichen Eckpfeiler (Kap. 9.1.3, S. 239) und der Æ Richtlinien der Antragstellung kommunizieren Stiftungsstrategie (Kap. 9.2, S. 288) aufnehmen. Die Richtlinien für Anfragen und Anträge sollten folgende fünf "Grundelemente" umfassen (angelehnt an Bender 2002a, S. 11): 1. Antragsteller: Kurzbiographie, ggf. institutioneller Hintergrund 2. Projekt: Beschreibung, Dringlichkeit, Zielgruppen 3. Realisierung: Ablauf, Zeitplan, Risiken 4. Ergebnisse: Ziele, Wirkungspotential, Evaluationskriterien und Anschlussperspektive 5. Finanzierung: Kostenstruktur, Auszahlungsplan Diese sehr generischen Richtlinienkataloge sind an die Spezifika der Stiftung anzupassen und ggf. weiter auszugestalten. Bewertungskriterien sind vorgängig zu allen Grundelementen zu entwickeln. Dadurch wird eine zielführende Grundlage für eine Vorselektion der eingegangenen Anträge geschaffen, z. B. mittels sog. "KO-Kriterien" wie: "Fällt es in den Förderbereich der Stiftung?" Die Vorselektion wurde auch in Interviews als geeignetes Instrument bestätigt, z. B.: "Die erste Prüfung ist, ob es in unsere Förderbereiche fällt. Also das ist eigentlich eine Vorausscheidung, bevor der ganze Selektionsprozess anfängt und der Antrag selber dann vom wissenschaftlichen Beirat geprüft wird. Also die erste Entscheidung wird in der Geschäftsstelle getroffen: ‚Kann der Antrag überhaupt bei uns laufen?’, ‚Passt er zu uns?’, ‚Haben wir das sogar schon einmal gemacht?’, ‚Könnten wir uns das vorstellen?’ Also das entscheiden wir direkt nach Eingang des Antrags in der Geschäftsstelle." (P10) Bewertungskriterien festlegen FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 336 Diese Vorausscheidung kann materiell bereits als erste Stufe des Selektionsprozesses bezeichnet werden. Es können z. B. Anträge zurückgewiesen werden, die um ein Stipendium nachfragen, obwohl die Stiftung gar keine vergibt. Ziel ist es vor allem, die zeitliche Belastung der in der Folge mit der Begutachtung des Antrages befassten Personen zu minimieren und gleichzeitig damit zu ermöglichen, dass den qualitativ guten Anträgen eine entsprechende Aufmerksamkeit zuteil wird und diese seriös geprüft werden können. Die Praxis der "Vorauswahl" setzt sich vor allem bei grösseren Stiftungen mit vielen Anträgen durch, was auch Furnari et al. (2000, S. 21 f.) in ihrer Untersuchung für die USA bestätigen: "Foundations are increasingly adopting a letter of inquiry rather than a full proposal as a first step in the application process. This method of screening enables program staff to review a greater number of requests and to respond in a timely manner.” Insbesondere die nicht unter den Stiftungszweck fallenden Projekte werden hierbei ohne weitere interne Prüfung, aber nach bestimmten festgelegten Kriterien und damit begründet ausgesondert. Auch die Robert Bosch Stiftung hat ihren Antrags- und Selektionsprozess entsprechend umgestellt und die Anfrage als Vor-Selektion eingeführt (Bender 2002a, S. 10). In einem Interview bestätigt ein Geschäftsführer einer grossen Stiftung dieses Vorgehen als sinnvoll: "Letztes Jahr sind 167 solcher Pre-Proposals eingeschickt worden und die haben wir auf der Geschäftsstelle alle evaluiert mittels eines Kriterienrasters. Der Stiftungsrat bekommt bis hierhin gar nichts mit. Für die Selektion dieser Pre-Proposals gibt es 20 verschiedene Kriterien, die sind natürlich vom Stiftungsrat festgelegt worden, die ändern sich auch nicht. Kriterien sind z. B. ‚Hat das Projekt eine Hebelwirkung?’, ‚Ist es innovativ?’, ‚Sind klare Ziele formuliert?’ usw. 20 verschiedene Kriterien, die in vier Kategorien eingeteilt sind: das Projekt selbst, der Projektpartner, die Durchführung des Projekts und die Referenzen. Wichtig ist, es sind immer dieselben 20 Kriterien. Und wir haben ein Benotungssystem, d. h. es werden Punkte vergeben von eins bis sechs je Kriterium. Für jedes Kriterium haben wir die Eins und die Sechs definiert. Was ist das eins von innovativ? Eine Idee, der ich bereits drei Mal begegnet bin. Was ist die sechs von innovativ? Super Idee, bin ihr noch nie begegnet, irgendwo in einer Zeitschrift ist geschrieben worden, dass das ein ganz "verrückter" Ansatz ist. Von diesen ursprünglich knapp 170 Pre-Propo- Vorausscheidung FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 337 sals sind vergangenes Jahr 60 übrig geblieben und gut 100 rausgefallen. Die 60 hat man dann dazu eingeladen, ein umfangreicheres Proposal einzusenden." (P24) Immer mehr Stiftungen bieten Anfrage- oder Antragsformulare an, die von der Website der Stiftung heruntergeladen werden können. Diese Art von Standardisierung nimmt besonders mit den heutigen IT-Möglichkeiten zu (Æ Kap. 11.2 IT-, S. 409 Anfrageformulare/ Standardformulare und Æ Kap. 11.3 Kommunikationsmanagement, S. 412, vgl. auch Furnari et al. 2000, S. 21). Manche Stiftungen veröffentlichen statt eines Formulars zumindest die notwendigen Punkte, die in einer Anfrage oder im Rahmen eines Antrags zu adressieren sind. In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich, die Seitenzahl von Anträgen auf ein "bearbeitbares" Mass zu begrenzen. Mit beiden Vorgehensweisen, Vorgabe von "Überschriften" und Begrenzung der Seitenzahl, kann der (Nach-) Bearbeitungsaufwand beträchtlich minimiert werden. Dieser kann bei frei formulierten Anträgen ohne inhaltliche Vorgaben in erheblichem Masse auftreten. Mit der Kommunikation der formalen und inhaltlichen Richtlinien muss auch über Ablauf den Ablauf des Antragsprozesses informiert werden. Antragsteller dürfen erwarten, dass sie z. B. über Eingabefristen und eine Orientierung über den weiteren zeitlichen Ablauf des Antrags- und Selektionsprozesses zur Gewährleistung einer gleichen und fairen Behandlung aller Antragsteller orientiert werden. Insbesondere bei Stiftungen mit einer Geschäftsstelle und einer eher proaktiven Ausrichtung ist eine Bereitschaft zur Hilfestellung für Antragsteller sehr hoch, was folgende beiden - unabhängig von einander getroffenen - Aussagen von Mitarbeitern derselben Stiftung belegen: "Es ist wichtig, dass ein Service geleistet wird für diejenigen, die zum Beispiel Anfragen haben. Man muss sich mit denen unterhalten, vor allem dann, wenn man meint, dass sie eine gute Idee haben. Man ist dafür da, dass die Interessenten ihr Anliegen auch durchsprechen können und sie dürfen auch erwarten, dass man ihnen auch Hilfestellung gibt." (P29) Hilfestellung FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 338 "Ich erachte es als einen wichtigen Teil eines professionellen Managements einer Stiftung, dass man der Öffentlichkeit gegenüber tritt und die Leute wirklich den Eindruck haben: ‚Aha, mein Anliegen wird ernst genommen, ich bekomme eine Antwort, ich muss nicht Wochen oder Monate lang warten, sondern man ist in Verbindung, man kann anrufen, es wird geantwortet, man wird nicht abgewiesen, man gibt Auskunft und Hilfestellungen.’ Das Einzige, das wir nicht können aus reinem Personalengpass ist, dass die Leute vorbeikommen, um ihre Projektanliegen vorzustellen. Dort müssen wir leider absagen. Wir können einfach nicht jeden Antragsteller empfangen, damit er sein Projekt vorstellen kann. Das geht also nicht. Und da sagen wir also, schriftlich oder mündlich: ‚Hören Sie bitte, das geht einfach nicht, schreiben Sie uns bitte einen Kurzantrag. Sie müssen kein riesiges Ding schreiben, sondern einen Kurzantrag einreichen und dann können wir Ihnen kurzfristig darauf antworten." (P2) Die Bereitschaft zur Hilfestellung wird, wo aufgrund der personellen Ressourcenausstattung möglich, in besonderer Weise auch von den Antragstellern gewürdigt, wie nicht nur die beiden oben zitierte Geschäftsführer in ihren weiteren Ausführungen bestätigten, sondern was auch durch Ergebnisse anderer Untersuchungen belegt werden kann. Ein Kurzantrag allein hilft zwar "in determining whether it is worth the time and expense to proceed with a full proposal. By submitting a letter rather than a full proposal, however, applicants are unable to present as complete a picture of their activities as the opportunity afforded by a full proposal." (Furnari et al. 2000, S. 22) Durch eine mündliche Rücksprache können z. T. die für den Antragsteller restriktiven Vorgaben eines Kurzantrags oder Formulars "gemildert" werden - und zudem besteht die Möglichkeit für die Stiftung, gute Projektideen aufzugreifen und zu unterstützen, die ggf. durch das Raster "gefallen" wären. Einige grosse Stiftungen bieten statt einer telefonischen Beratung Workshops an zu Themen wie "Wie bewerbe ich mich richtig um Fördermittel bei der Stiftung XY?" (vgl. Freeman 1991, S. 81) Eine Balance zu finden zwischen Restriktion (z. B. durch ein Antragsformular) und der Erhaltung der Offenheit für kreative Anträge beschäftigt einen Geschäftsführer einer grossen Stiftung: Restriktion vs. Offenheit FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 339 "Manchmal haben wir das Gefühl, wir seien fast zu restriktiv. Kürzlich in dem Artikel über uns hiess es ‚XY ist eine Stiftung mit rigiden Kriterien’. Also zuerst, als ich das gelesen habe, war ich stolz, weil rigide Kriterien eigentlich heissen könnten, man schaue ein bisschen auf die Qualität. Auf der anderen Seite soll es ja nicht so sein, dass die potentiellen Antragsteller das Gefühl haben, es mache überhaupt gar keinen Sinn, einen Stiftungsantrag einzureichen. Also, es ist immer ein bisschen ein Seiltanz, wie offen muss man diese Türen halten, wie geschlossen sollen sie sein." (P5) Auch die zeitliche Komponente bei der Antragsbearbeitung spielt vermehrt eine Rolle, denn im Lichte einer zunehmend kritischen Öffentlichkeit, die Stiftungsarbeit Zeitnahe Bearbeitung sicherstellen als eine Dienstleistung für die Gesellschaft definiert, wird eine professionelle und damit auch zeitnahe Bearbeitung von Anfragen erwartet. Ein Geschäftsführer einer grossen Stiftung beschreibt daher sein Vorgehen: "Bei uns kann der Ablauf als sehr speditiv bezeichnet werden. Ich spreche jetzt von den Anfragen, die wir bekommen. Wenn jemand anfragt, haben die innerhalb einiger Tage, maximal in einer Woche, eine Antwort von uns. Und diese Antwort ist entweder bereits negativ, wenn die Leute vollständig daneben liegen oder überhaupt keine Ahnung haben, was wir machen. Oder die Antwort ist positiv, im Sinne von: ‚Es könnte uns interessieren. Es wird vor den Projektausschuss gehen.’ Das ist das Gremium aus unserem wissenschaftlichen Direktor und Mitgliedern des Stiftungsrats." (P2) Eine schnelle Beantwortung mit einer ersten oder auch letzten Entscheidung ist ebenfalls aus Fairnessgründen gegenüber dem Antragsteller anzustreben, da sie sich dann ggf. um alternative Fördermöglichkeiten bemühen können. Durch ein darauf abgestimmtes Æ IT-Management (Kap. 11.2, S. 409) können dabei erhebliche Zeiteinsparungen und Qualitätsverbesserungen erzielt werden (z. B. über modulartige Musterabsagen, bei denen dann jeweils ein Absatz "personifiziert" wird mit den spezifischen Angaben z. B. zu einer Absage). Auch wenn Antragstellern eine Absage erteilt werden muss, liegt darin eine Chance für die Stiftung, sich als engagierter, fairer und verlässlicher Partner darzustellen. In der Art der Absage kann das Selbstverständnis einer Stiftung und damit die Wertschätzung der Antragsteller als notwendige "Agenten" der Stiftung zur Umsetzung Korrespondenz FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 340 ihrer Anliegen zum Ausdruck gebracht werden. Ein Geschäftsführer einer grossen Stiftung formuliert das seiner Meinung nach zwingend notwendige Bewusstsein und Handeln einer Stiftung in diesem Zusammenhang: "Auch bei der Formulierung einer Absage ‚darf’ man auf das Anliegen selbst eingehen, obwohl man nicht immer alles bis ins Letzte begründen kann. Ich meine, es geht nicht, dass man den gesamten Gedankengang wiedergeben kann, aber wir versuchen trotzdem kurz zu erklären anhand unserer Kriterien, weshalb wir nicht auf diesen Antrag eingetreten sind. Also das ist ein Teil von dem, was ich als professionelles Management von Stiftungen bezeichnen würde." (P2) Um einen effizienten Selektionsprozess innerhalb der Stiftung zu ermöglichen, empfiehlt es sich, die Anträge der potentiellen Projekte für die weitere Prüfung in geeigneter Weise aufzubereiten, z. B. durch Erstellen eines einheitlichen Deckblatts mit den wichtigsten Eckpunkten des Projekts Erfassen bestimmter Inhalte in einer Datenbank für zukünftige Auswertungen Zudem muss gewährleistet sein, dass die Unterlagen rechtzeitig und in angemessener Aufbereitung an die zuständigen Personen und Gremien versendet werden. Ein Stiftungsrat einer grossen Stiftung bestätigt dies: "Wir bereiten die Anträge, die eingereicht werden, so auf, dass man sie relativ schnell überblicken kann, z. B. gibt es ein Deckblatt, auf dem auch steht, was dieses Projekt kostet. Bei den Promotionsstipendien kriegen wir eine Liste, die in zwei Kategorien, A und B, unterteilt ist. Damit wird der Selektionsprozess schon gut vorbereitet. Denn wir kriegen pro Sitzung sehr viele Anträge, bei insgesamt zwei Entscheidungssitzungen im Jahr, letztes Mal waren es rund 270 Anträge - und 22 konnten wir bewilligen. Aber alle 270 müssen irgendwie bearbeitet werden. Das wird entsprechend in der Geschäftsstelle vorbereitet, sodass die Entscheidung dadurch wesentlich erleichtert wird." (P8) Anträge aufbereiten und weiterleiten FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 341 Die Erfassung der Anträge und deren Aufbereitung werden heute vielfach mittels Computerunterstützung durchgeführt (IT-Management), wie das folgende Zitat bestätigt: "Wir bekommen auch wiederkehrende Anfragen - und die unterstützen wird nicht. Aber da wir alles erfassen, finden wir das heraus. Gut, das ist natürlich heute alles ziemlich einfach mit dem Computer zu erfassen." (P2) Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich der Festlegung des Akquisitions- und Antragsbearbeitungsprozesses: 77. Aus welchen einzelnen Teilaufgaben besteht der Bearbeitungsprozess und wie sind diese dokumentiert? 78. Welche Organe und Personen sind in den Antragsbearbeitungsprozess eingebunden und wie sind die Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten geregelt? 79. Wie lauten die aus den Festlegungen der Mission, Stiftungspolitik und -strategie hergeleitete Richtlinien zur Antragstellung und in welchen Kanälen werden sie den potentiellen Projektpartnern kommuniziert? 80. Welchen Vorteil bietet eine Vorausscheidung eingegangener Anträge und welche Kriterien werden dafür benutzt? 81. Welche Hilfestellungen stehen den Antragstellern von Seiten der Stiftung zur Verfügung (Standardformulare, Wegleitungen, Ablaufbeschreibungen, Ansprechpersonen etc.)? 82. Wie erfolgt die Kommunikation (Eingangsbestätigungen, Absagebrief etc.) mit den Antragstellern und wer führt sie durch? 83. Nach welchen Kriterien oder an Hand welcher Formulare werden die eingegangenen Anträge aufbereitet? 84. Wer übernimmt die Aufbereitung und die Zustellung der Anträge an die für die Selektion verantwortlichen Personen und Organe? 10.2 Projektselektion Die Projektselektion erfolgt aufgrund vorgängig entwickelter, an die Stiftungsmission und die daraus abgeleiteten Wirkungsfelder angepassten Kriterien. Der Selektionsprozess kann mehrstufig ablaufen, indem neben der Geschäftsführung und dem Stiftungsrat zusätzlich externe Gutachter oder ein institutionalisierter Beirat eine fachliche Beurteilung des Antrages vornehmen. Neben den inhaltlichen Kriterien muss das FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 342 beantragte finanzielle Projektvolumen in einem sinnvollen Verhältnis zum Budget des jeweiligen Arbeitsschwerpunktes stehen. Basierend auf diesen Beurteilungen erfolgt vom Stiftungsrat ein anhand der Selektionskriterien begründeter Entscheid über den Projektantrag. Zur Spezifikation der gegenseitigen Erwartungen werden in Form eines Vertrages dezidierte (Teil-) Projektziele, Meilensteine, Publikations- und Kommunikationsvereinbarungen formuliert. Die oben genannten Teilaspekte können zwei Aufgaben zugeordnet werden: 1. Festlegung des Selektionsprozesses 2. Verfassung von Projektverträgen 10.2.1 Festlegung des Selektionsprozesses Die detaillierten Ausgestaltungen der Selektionsprozesse in den einzelnen Stiftungen sind so vielfältig wie die Stiftungslandschaft selbst. Dennoch kann ein Grundmuster identifiziert werden, das mit dem oben beschriebenen Antragsbearbeitungsprozess beginnt, der möglicherweise bereits eine - zu empfehlende - Vorselektion nach grundsätzlichen, allgemeinen Kriterien der jeweiligen Stiftung beinhaltet. Anschliessend erfolgt die Aufbereitung und Weiterleitung der Anträge an die entsprechenden Entscheidungsträger. Diese Selektionsphase im engeren Sinn kann einen oder mehrere Schritte umfassen, je nach Grösse der Stiftung, Komplexität des Themenfeldes oder weiteren Faktoren (z. B. Erfahrung/Kompetenzen zur Beurteilung). Die letztinstanzliche Entscheidung für oder gegen ein Projekt wird im Stiftungsrat getroffen, je nach Ausgestaltung z. B. auf Antrag der Geschäftsstelle oder eines wissenschaftlichen Beirats - die Anzahl der Projekte wird bis dahin jedoch bereits reduziert, um nur die "in Frage kommenden" Projekte im Detail zu diskutieren und intensiv zu prüfen. Als Beispiel eines detaillierten Selektionsprozesses dient folgende Beschreibung eines Geschäftsführers einer grossen Stiftung: "Ich leite die Anträge von den Bereichssparten her auf die Mitarbeiter weiter und sage in vielen Fällen bereits einen Kurzkommentar. […] Das ist so die Beispiel eines Selektionsprozesses FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 343 erste Prüfung. Das Dossier als solches geht also zu den zuständigen Sachbearbeitern, die dann in direktem Gespräch mit dem Gesuchsteller - dort wo wir das Gefühl haben, es ist positiv - Kontakt aufnimmt. Bei jedem Gesuch bleiben noch gewisse Fragen offen. Und wir wollen auch ein wenig im persönlichen Gespräch herausspüren, mit welcher Art von Leuten wir es zu tun haben. Man bekommt ein wenig ein Gespür. Und dann ist es so, dass man bei grösseren Projekten - ich sage etwa CHF 50'000 und aufwärts - vor Ort gewesen sein muss, einfach um die ganze Geschäftsleitung vor Ort gesehen zu haben. Da gibt es Überraschungen auf beiden Seiten. Das Gesuch sieht z. B. formal super aus, aber das, was dann eigentlich da gemacht wird, entspricht nicht dem, was wir uns darunter vorstellen. Das ist öfters der Fall, gerade im sozialen Bereich gibt es den Fall, dass schlechte Unterlagen abgegeben wurden, aber vor Ort ist es eigentlich eine hervorragende Organisation. Anschliessend kommen die Sachbearbeiter dann zu mir, auch für die Absagen. Sie teilen mir mit, wo das Problem liegt und dann wird denen abgesagt. Das passiert also innert weniger Tage. Die Positiven besprechen wir dann noch einzeln - da will ich wissen, was die genau machen, weshalb kostet es so viel usw. Das sind einfach so die Fragen. Also Sie sehen: eine Trennung eigentlich, ja es ist dreifach, es ist einmal die Sachbearbeiterstufe, dann ich - ich sehe meine Aufgabe darin, einfach als Gesprächspartner da zu sein, weil vielfach ist man manchmal auch froh, wenn ein anderer auch noch eine Meinung dazu gibt. […] Und dann geht es auf die Stufe des Stiftungsratsausschuss bestehend aus drei Stiftungsräten. […] Das ist das Gremium, das definitiv entscheiden kann bis zu einer Limite von 100'000 Franken. Also 98 Prozent wird dort erledigt - alles darüber geht in den Stiftungsrat." (P23) In der obigen Beschreibung werden sowohl die Anwendung von Selektionskriterien angesprochen als auch die Zusammenarbeit und Zuständigkeiten der einzelnen Gremien und Personen bei der Selektion der Anträge. Diese beiden zentralen Elemente, Selektionskriterien und Zuständigkeiten, eines Selektionsprozesses verdienen eine eingehende Betrachtung. Ein Geschäftsführer einer grossen Stiftung beschreibt den nach der Entgegennahme des Antrags und einer allfälligen Vorprüfung beginnenden Selektionsprozess, mit be- Ablauf und Zuständigkeiten festlegen FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 344 sonderem Fokus auf die Aufgaben eines sog. Projektausschusses, der die Entscheidungen für den Stiftungsrat vorbereitet: Projektausschuss "Der Projektausschuss, bestehend aus dem wissenschaftlichen Direktor und Mitgliedern des Stiftungsrats, schaut den Kurzantrag an und befindet entweder: ‚Ja, das könnte uns interessieren. Unterbreiten Sie uns bitte einen Vollantrag.’ Und dieser Vollantrag geht dann dreimal im Jahr vor den Stiftungsrat und die setzen sich wirklich mit all diesen Anträgen eingehend auseinander. Die bekommen die gesamte Dokumentation. Die bekommen eine Vorbewertung und eine sog. Funding Recognition. Dann wird darüber befunden. Oder der Projektausschuss befindet: ‚Nein, aus diesem oder jenem Grund können wir das nicht unterstützen.’ Das bedeutet vom Zeitablauf her, dass die Leute normalerweise innerhalb von drei bis vier Wochen eine Antwort von uns bekommen, entweder ‚Bitte um Vollantrag’ oder ‚Absage aus dem oder jenem Grund.’ Und dann dreimal im Jahr bekommen sie eine Zu- oder Absage." (P2) Im weiteren Verlauf der Selektion können Fachgutachter beigezogen werden, z. B. bei für die Stiftung hohen Vergabungen oder Themen, die über die Fachkompetenz Externe Fachexperten der Geschäftsstelle hinausgeht. Ein Geschäftsführer einer grossen Stiftung beschreibt den bei ihnen verwendeten Ansatz fallweise extern beigezogener Experten, um eine faire und qualitativ hochwertige Beurteilung der Anträge zu gewährleisten: "Die eingeschickten Proposals werden dann von meistens zwei, manchmal drei verschiedenen Experten angeschaut. Einer von uns, aus der Geschäftsstelle, ein Fachstiftungsrat und ich würde sagen in 50 bis 60 Prozent der Fälle noch ein dritter Experte, von der WHO, UNICEF oder wen es dann auch immer braucht, falls wir meinen, wir brauchen noch ein wenig Expertise zu diesem oder jenem Thema. Jeder füllt das vorgegebene Kriterienraster wieder aus, die externen Experten schreiben zusätzlich auf einer halbe Seite ihre Meinung zu diesem Projekt." (P24) Ein anderes Modell ist die Abbildung der Fähigkeiten eines Fachbeirats im Stiftungsrat selbst, was jedoch nicht nur Vorteile mit sich bringt (kurze Wege), wie ein Geschäftsführer einer grossen Stiftung feststellt: Stiftungsräte als Fachexperten FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 345 "Also bei uns ist es irgendwo eine effiziente, aber an und für sich nicht unbedingt günstige Vermischung von zwei Gremien. Wir haben den Stiftungsrat und die Geschäftsstelle. Dazwischen könnte man einen wissenschaftlichen Beirat haben. Jetzt fällt dieser aber bei uns zusammen mit dem Stiftungsrat. Wir haben nur fallweise Fachgutachter. Eigentlich ist der Stiftungsrat gleichzeitig wissenschaftlicher Beirat, und das gibt auch sehr oft ein Missverständnis, weil sie beide Hüte gleichzeitig anhaben. Als wissenschaftlicher Beirat sind sie kompetent für wissenschaftliche Fragen. Aber als wissenschaftliche Beiräte sind sie nicht unbedingt kompetent für strategische Fragen." (P5) Die "ausführliche Variante" einer "fachkompetenten" Geschäftsstelle, die bereits eine Vorselektion vornehmen kann, eines hochkompetenten Fachbeirats und eines strategisch orientierten Stiftungsrats ist interessanterweise nicht nur auf grosse Stiftungen beschränkt. Die sog. mittelgrossen Nischenanbieter (ca. CHF 50 - 150 Mio. Stiftungsvermögen), die eine thematisch relativ stark fokussierte Mission aufweisen, bedienen sich gerne dieser Variante, zwar "zu Lasten" etwas höherer Verwaltungskosten, jedoch mit der Absicht, in ihrem Bereich "Spuren zu hinterlassen". Die folgende Stiftung kann gemäss den Erläuterungen eines Stiftungsrats als Beispiel dafür dienen: "Nach der ersten Vorselektion durch die Geschäftsstelle gibt es bei uns im Fachbeirat eine Vorbegutachtung durch das fachlich nächststehende Mitglied, und dann bleiben von den, sagen wir mal von hundert Anträgen gut die Hälfte im Schnitt überhaupt übrig für die eigentliche Entscheidung, und die erfolgt dann eben in einer mündlichen ‚Verhandlung’, in den beiden Gremien, in dem wissenschaftlichen Beirat und dem Kuratorium, also dass das fachlich nächststehende Mitglied selber die Qualität dieses Projektes und des Antragsstellers noch ein mal darlegt, aufgrund von Vorgutachten und seiner eigenen Einschätzung, und das wird vor allen diskutiert. Die Anträge, die in diese letzte Runde, diese entscheidende zweite Runde gehen, die liegen allen vor. Die kann jeder zur Kenntnis nehmen, und jedes Mitglied, also der Fachbeirat sowieso, aber auch die Mitglieder des Kuratoriums, haben diese in der Regel auch gelesen. Es gibt selbstverständlich auch Diskussionen innerhalb des Beirates, oder es kommen auch Fragen aus dem Kuratorium, wo Leute vielleicht jetzt nicht Fachleute sind, aber ansonsten ‚helle Köpfe’." (P8) Institutionalisierter Fachbeirat FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 346 Wie bei einer etwaigen Vorselektion der Anträge, deren Vorteile bereits im Æ Antragsbearbeitungsprozess (Kap. 10.1.2, S. 335) aufgeführt wurden, geht es auch im ei- Selektionskriterien entwickeln gentlichen Selektionsprozess darum, möglichst eindeutige Selektionskriterien anzuwenden. Zur grundsätzlichen Anwendung von vorab entwickelten Kriterien zur Wahrung einer fairen und gleichen Behandlung aller Antragsteller und zur Erhöhung der Wirksamkeit der Stiftungsarbeit gibt es keine Alternative. Doch welches sind die "richtigen" Kriterien, die eben diese faire Behandlung und die Wirksamkeit der Stiftungsarbeit gewährleisten? Angelehnt an Breiteneicher und Marble (2003, S. 669 ff.) wird eine Auswahl generischer Kriterien vorgestellt, die es aber für ihre Anwendung in einer bestimmten Stiftung zu spezifizieren gilt: Qualität der Projektleitung (Kompetenz, Erfahrung etc.) Qualität der Institution (Umfeld, Erfolgsbilanz etc.) Finanzkraft und interne Prozesse (Buchhaltung, Erschliessung neuer Finanzquellen) Stellung im Gemeinwesen (Zugang zur Zielgruppe, z. B. Suchtkranke etc.) Mission/Ziele (Begründung, Timing etc.) Kosten-Nutzen-Analyse (Vergleich zu anderen Massnahmen etc.) Wirkungspotential (Modellcharakter, Erfolgskriterien etc.) Risiken (Zeitplan, Neuheit der Massnahmen etc.) Verstärkungseffekt (mögliche Signalwirkungen etc.) Weiterführung (episodisch, Institutionalisierungspotential etc.) Die Kriterien müssen sich in kohärenter Art und Weise aus der Æ Mission (Kap. 9.1.2, S. 233), den Æ inhaltlichen Eckpfeilern (Kap. 9.1.3, S. 239) und der Æ Stiftungsstrategie (Kap. 9.2, S. 288) zu einem bestimmten Wirkungsfeld ableiten lassen. Neben allgemeinen Kriterien, die auch und vor allem bei der Vorselektion eingesetzt werden können, geht es bei der Selektion um eine gründlichere Überprüfung von Zielen und Massnahmen der zur Auswahl stehenden Projekte. Generische Kriterien FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 347 Zur Beurteilung von Anträgen ist notwendigerweise eine inhaltlich vertiefte Auseinandersetzung mit dem Projektthema und -ansatz notwendig. Ein Geschäftsführer einer grossen Stiftung, der selbst Fachmann auf dem entsprechenden Gebiet ist und mit der Vorselektion eine wichtige Unterstützungsfunktion im gesamten Selektionsprozess einnimmt, bringt es auf den Punkt: "Man muss ja das Umfeld kennen, jetzt in unserem Fall: Man muss den Ablauf einer Grabung kennen, um überhaupt den Antrag beurteilen zu können. Wenn wir jetzt einen Antrag bekommen zur Medizingeschichte, z. B. ein Vergleich neuerer und antiker Medizin, das erfordert schon ein gewisses Knowhow, um den Antrag überhaupt in der Qualität beurteilen zu können. Und da, denke ich, ist bei uns der Fachbeirat das wichtigste Instrument, weil die einerseits einen sehr guten Überblick über die Forschungslandschaft haben, über die Parteien der Projekte, aber auch ein riesiges Fachwissen besitzen oder wissen, wen man zusätzlich noch als Experten oder Gutachter heranziehen könnte." (P10) Ein ehemaliger Fachbeirat und jetziger Stiftungsrat jener Stiftung nimmt den Faden unabhängig von dieser Aussage in einem anderen Interview auf, indem er eine Definition der Qualität eines Antrags vornimmt, wobei diese Art der Definition sicher nicht nur auf den spezifischen Fall dieser Stiftung, einer Stiftung zur Förderung der Wissenschaften, anzuwenden ist: "Zur Qualität des Antrages gehört nicht nur die Zielsetzung an sich, sondern auch die genaue Beurteilung der Operationalisierung. Man weiss ja bei Forschung oft nicht, was rauskommt, das ist ja klar, sonst muss man ja nicht mehr forschen. Aber wir müssen uns auseinander setzen mit der Ausgangshypothese, mit dem Programm, mit der Zielsetzung: ‚Ist diese klar und innovativ oder ist sie widersprüchlich?’ Und zweitens, sind die Arbeitsschritte, die dort beschrieben werden, auch geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Den Antrag muss man auf diesen beiden Ebenen beurteilen. Man muss sich trotz aller Kriterien auch ein gewisses Mass an Flexibilität wahren, d. h. man kann nicht ausschliesslich auf die Formgerechtheit des Antrages schauen, ist da Punkt 1, 2, 3 alles genannt, ja oder nein. […] Also ich denke, wir im Fachbeirat haben die Pflicht, auch für Dinge offen zu sein. Entscheidend ist FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 348 das, was von den Forschern kommt. Und das entsprechend zu fördern. Dass das möglichst gute Projekte sein sollten, ist klar. […] Aber man muss immer um seine Grenzen wissen, bei diesen ganzen Überlegungen. So toll wir das auch immer diskutieren und prüfen, es kann immer sein, dass uns was ganz Tolles durch die Lappen geht, was in einem Antrag noch nicht so sichtbar werden konnte. Oder nicht sichtbar gemacht werden konnte. Je nach dem." (P19) Bei einer Unterstützung von Institutionen bietet sich, wie bereits in einem Zitat angesprochen, ein Vor-Ort-Besuch an, um sich ein Bild von der Organisation zu machen ("Ist der Projektpartner z. B. geographisch wirklich gut für die Zielgruppe des Pro- Vor-OrtBesuche als zusätzliche Informationsquelle jekts erreichbar?", "Stehen genügend Räumlichkeiten zur Verfügung?"). Durch Besuche vor Ort kann eine Stiftung auch ihre aktive Beteiligung an diesem - noch potentiellen - Projekt dokumentieren. Diese Art der Prüfung eines Antrags setzt jedoch nicht unerhebliche personelle Ressourcen voraus. Zudem gebietet es die Ehrlichkeit und Fairness, die Ortsbesuche vorher anzukündigen und über den Ablauf zu informieren. Am Ende eines Selektionsprozesses steht die letztinstanzliche Entscheidung für oder gegen ein Projekt. Bereits bei der Strukturierung des Ablaufs muss spezifiziert wer- Projektentscheid treffen den, auf welcher Grundlage und in welchem Verfahren eine Entscheidung getroffen wird. Diese Festlegungen greifen auch auf die Stiftungspolitik zurück, wo die Æ Verantwortlichkeiten und Zuständigkeitsregelungen (Kap. 9.1.6, S. 263) z. T. auch für diesen Bereich bereits getroffen wurden. Normalerweise tritt der Stiftungsrat in seiner Funktion als Oberleitung zusammen und trifft die Entscheidungen zu den einzelnen Projektanträgen. Doch wie der Selektionsprozess selbst weisen auch Form und Ablauf dieser Entscheidungssitzung unterschiedliche Ausgestaltungen auf. Die für eine Projektentscheidung zugrunde liegenden Informationen sollten beispielhaft folgende Punkte umfassen, die auf die Erfordernisse einer Stiftung angepasst werden müssen: Deckblatt mit den wichtigsten Rahmendaten zum Projekt: Titel, Ziel(e), Themenbereich, Dauer, nachgefragter Geldbetrag oder andere Leistungen Antrag oder Zusammenfassung des Antrags notwendige Informationen FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 349 Budget (Gesamtbetrag und Aufschlüsselung nach Kostenart und Zeit etc.) Anlagen (Institutionelles Umfeld etc.) Stellungnahmen/Gutachten (Erläuterungen, Bewertungen etc.) Begründungen für die Förderung (Übereinstimmung mit der Mission etc.) (erste) Evaluationskriterien Empfehlung (von der Geschäftsführung und/oder Fachbeiräten/externen Experten) Insbesondere bei Stiftungen, die auf einen Fachbeirat verzichten und bei denen in der Geschäftsstelle die einschlägigen Kompetenzen abgebildet sind, spricht diese die Empfehlungen aus und präsentiert dem Stiftungsrat die zur Abstimmung anstehenden Projekte. Das Ziel einer Entscheidung ist so klar wie kompliziert: die besten Projekte (für die Stiftung und die Gesellschaft) zu identifizieren und zu fördern. Nicht nur der Selektionsprozess im engeren Sinne stellt eine Herausforderung in dieser Hinsicht dar, z. B. weist ein Geschäftsführer darauf hin, dass "die grösste Gefahr bei der Selektion theoretisch in der ersten Runde sein könnte, in der einer alleine die Bewertung vornimmt. Aber da haben wir jetzt unterdessen schon ein wenig Erfahrung und wir haben die Selektionskriterien auch klar definiert". (P24) Darüber hinaus ist aber auch die abschliessende Sitzung eine Herausforderung, wie ein weiterer Geschäftsführer beschreibt: "Bei uns dauert die Vergabesitzung ca. 4 Stunden. Wir haben statutarische Traktanden. Die müssen wir abhandeln, also z. B. Protokoll bewilligen usw. Der Hauptpunkt sind wirklich die Projekte: präsentieren, besprechen, entscheiden. Und da gibt’s einfach eine Kapazitätsgrenze. Sonst wird es einfach unseriös. Und dort bin ich einfach der Hüter der Zeit und der Qualität. Ich schaue einfach, dass wir nach Möglichkeit nicht in eine Situation reinkommen, wo wirklich leichtfertig Entscheidungen getroffen werden. Im Einzelfall geht es ja meistens um CHF 2, 3, 400'000. Das darf nicht einfach so aus der Hüfte bewilligt werden. Sondern da muss man eine gewisse Zeit haben, noch Sitzungsablauf FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 350 mal darüber zu diskutieren, wirklich sich anzuhören, was sind die Argumente pro und contra. Wir bereiten eine Liste vor mit einer Lesehilfe. Diejenigen Projekte, die aus unserer Sicht, also aus der Sicht der Geschäftsstelle, gar nicht gross Anlass zur Diskussion geben, bekommen eine Markierung. Und ich präsentiere immer jedes Gesuch. Ich sage: Gesuch sowieso. Wir von der Geschäftsstelle stellen den Antrag, ohne Diskussion zu bewilligen. Das kommt auch vor. Auch um Zeit zu sparen. Und dann gibt’s andere Projekte, die haben eine andere Markierung, da stellen wir den Antrag, diese ebenfalls ohne Diskussion abzulehnen auf Grund der vorliegenden Begutachtung. Aber immer kann jemand das Wort verlangen. So versucht man eben Zeit zu schaffen, um bei einzelnen, z. B. grossen, Projekten zu bleiben." (P5) Der zeitliche Aspekt spielt im Übrigen im gesamten Antrags- und Selektionsprozess eine grosse Rolle. Der gesamte Prozess von der Eingabe eines Antrags bis zur Entscheidung sollte sich auch im Sinne der Antragsteller nicht zu lange hinziehen. So formuliert ein Geschäftsführer seine Vorgaben wie folgt: "Wir haben das Gefühl durch unseren gut strukturierten Selektionsprozess, dass wir Zu- und Absagen relativ schnell treffen können. Das gibt eine gewisse Planungssicherheit auf beiden Seiten. Wir haben vier Sitzung pro Jahr - man kann also damit rechnen, immer vorausgesetzt die Unterlagen sind vollständig, dass innerhalb von drei Monaten ein Entscheid vorliegt." (P23) Doch es gibt auch aussergewöhnliche Situationen, die eines vereinfachten Antragsund Selektionsprozesses bedürfen, z. B. um schnell auf unvorhergesehene Situationen reagieren zu können (z. B. Umweltkatastrophen) oder um "kleine" Förderbeiträge rasch sprechen zu können (z. B. über einen Verfügungsfonds, der dem Geschäftsführer ermöglicht, bis zu einer gewissen Höhe selbst - nach bestimmten Kriterien - zu entscheiden). In einer solchen Situation sind natürlich die üblichen Entscheidungswege zu lang. Bereits in der Æ Stiftungspolitik (Kap. 9.1, S. 228) muss daher eine Grundsatzentscheidung getroffen werden, ob auch in einer dieser Situationen Vergabungen getätigt werden können. Diese Festlegungen müssen entsprechend in einem verkürzten Antrags- und Selektionsprozess abgebildet werden, wie es z. B. in folgender Stiftung gemacht wurde: Vereinfachten Antrags- und Selektionsprozess einführen FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 351 "Bei uns gibt es ein eigenes Förderinstrument, das ausserhalb des so genannten regulären Programms läuft, das ist der so genannte Verfügungsfonds, der extra eingerichtet wurde, um sehr zeitnah kleine Projekte fördern zu können. Diese Anträge werden natürlich auch geprüft, können aber sehr kurzfristig im Dialog zwischen den beiden Vorsitzenden des Fachbeirats und des Kuratoriums sowie der Geschäftsstelle entschieden werden." (P10) Ein anderes Beispiel aus einer amerikanischen Untersuchung beschreibt ebenfalls eine Situation, die eine Verkürzung des Antragsprozess rechtfertigen kann. "The Philadelphia Foundation has adopted a short application process for applicants for grants in the $ 2.000 to $ 10.000 range. This shorter process is for groups that have applied to the foundation within the preceding three years even if the previous proposal was not successful. Only those organizations requesting over $ 10.000, multi-year support or those who have not submitted a proposal within the past three years are required to submit a full application” (Furnari et al. 2000, S. 22). Ein Potential, das bis jetzt nur unzureichend ausgeschöpft wird, jedoch aufgrund der zunehmenden Vernetzung von Stiftungen untereinander immer besser ausgeschöpft werden könnte, ist die Weiterleitung von Projektanträgen, die bei der einen Stiftung durch das Raster gefallen sind, nicht jedoch wegen unzureichender Qualität, sondern weil z. B. das Projekt nicht zum Stiftungszweck passt. Diese Weiterleitung im Sinne eines "Information Brokers" spart erhebliche Informations- und Transaktionskosten und hilft die "Wertschöpfungspotentiale" des Stiftungssektors und die Kreativität der Antragsteller besser zu erschliessen. Projektanträge weiterleiten FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 352 Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich der Festlegung des Selektionsprozesses: 85. Aus welchen einzelnen Teilaufgaben besteht der Selektionsprozess und wie sind diese dokumentiert? 86. Welche Organe und Personen sind in den Selektionsprozess eingebunden und wie sind die Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten geregelt? 87. Wie lauten die Selektionskriterien, abgeleitet aus der Mission, der Stiftungspolitik und -strategie zu den einzelnen Wirkungsfeldern? 88. Wer trifft den Projektentscheid - und auf welcher Grundlage? 89. Innerhalb welcher Frist können Antragesteller mit einem Entscheid rechnen? 90. Wie wird eine ggf. sehr schnelle Projektentscheidung sichergestellt (z. B. zur Katastrophenhilfe)? 91. Wie werden die Anträge erfasst, archiviert - und ggf. an andere Stiftungen mit ähnlichen Wirkungsfeldern weitergeleitet? 10.2.2 Verfassung von Projektverträgen Nach einem allfälligen positiven Projektentscheid geht es darum, eine gegenseitige Projektvereinbarung oder einen Projektvertrag auszuarbeiten. Darin sollten die Erwartungen an den Projektpartner und insbesondere die Wirkung spezifiziert werden, die man sich vom Projekt erhofft. Auf der anderen Seite sollte auch dem Partner Gelegenheit dazu gegeben werden, seinerseits Erwartungen an die Stiftung zu formulieren oder an den Erfolgskriterien mitzuwirken. Das Ziel ist die Schaffung einer tragfähigen und motivierenden Arbeitsgrundlage zwischen dem Projektpartner und der Stiftung. Im Projektvertrag sollten neben einer möglichst genauen Zielformulierung auch die Operationalisierungen, Massnahmen der Zielerreichung und Monitoringkriterien festgelegt werden. Zudem ist die Dokumentation von Meilensteinen mit Fristen nicht nur für die Stiftung, sondern auch für den Projektpartner selbst, im Sinne eines professionellen Projektmanagements, hilfreich. Denn nur durch ein vorgängiges Aufstellen eines "Referenzrahmens", mit dem die tatsächlich erreichten Ziele verglichen werden können, wird ein effektives Æ Projektmonitoring (Kap. 10.4, S. 360) ermöglicht. Das erlaubt das Erkennen von Abweichungen und ggf. das Ergreifen von korrigierenden Vertragsinhalte festlegen FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 353 Massnahmen. Ein Projektvertrag stellt somit die Weichen für eine effektive Projektbegleitung. Ein Stiftungsrat einer mittelgrossen Stiftung beschreibt diese Möglichkeiten folgendermassen: "Wir machen einen Vertrag mit unseren Projektpartnern. Und dort versuchen wir eigentlich schon, sehr viele quantifizierbare Grössen hinein zu bringen. Ein Beispiel: auf Grund des Projektantrags können wir festlegen, dass so und so viele Setzlinge Cashewbäume in dieser Zeit angepflanzt werden müssen. Und diese Sachen, die kann man dann messen. Aber natürlich gibt es eine Vielzahl von Soft-Factors, die man nicht so messen kann, z. B. eine Bewusstseinsänderung in der Bevölkerung." (P17) Zur Übersicht können folgende Punkte eines Muster-Projektvertrages aufgeführt werden: Zielformulierung (aus dem Projektantrag) Projektplanung/Meilensteine Wirkungspotential/Evaluationskriterien Leistungsspezifikationen der Stiftung (ggf. Bewilligungsbedingungen, z. B. Fristeinhaltung, Erreichung eines spezifizierten (Zwischen-)Ziels) Förderzeitraum (Beginn und Ende, auch Voraussetzungen für eine vorzeitige Beendigung) Fördervolumen und Auszahlungsrahmen (inkl. nicht beanspruchter Gelder) Form des Coachings/der Projektbegleitung (auch Erwartungen des Projektpartners) Form des Monitorings (inhaltliche und finanzielle Zwischen-/Endberichte inkl. Taktung, Art der Evaluation: Selbst-/interne oder externe Evaluation170) 170 Evaluationsarten, angelehnt an Beywl et al. (2002): Selbstevaluation: Die Personen, die für die Projektleitung zuständig sind, sind auch für die Evaluation verantwortlich. Interne Evaluation: Stiftungsmitarbeiter sind für die Evaluation zuständig – Voraussetzung: nötige Qualifikation und Zuständigkeit. Externe Evaluation: Ein Experte von ausserhalb der Stiftung wird mit der Durchführung der Evaluation beauftragt und ist nicht verantwortlich für das Projekt und seinen Erfolg. Musterprojektvertrag FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 354 Form der Nennung der Stiftung (im Rahmen des Projekts, z. B. bei Publikationen) Vor allem die Monitoringkriterien (Æ Kap. 10.4 Projektmonitoring, S. 360) bedürfen besonderer Beachtung, denn bereits mit der Spezifikation dieser zu Beginn des Pro- Monitoringkriterien jekts wird die Basis dafür geliefert, dass zumindest die besten Voraussetzungen dafür geschaffen werden, auch die erwarteten Ziele zu erreichen. Grundsätzlich gilt, dass die Bewilligung von Fördermitteln als Beginn einer Zusammenarbeit angesehen werden kann. Diese Zusammenarbeit, im Idealfall eine Partnerschaft, bedeutet für beide Seiten auch eine Verpflichtung, das Projekt erfolgreich abzuschliessen. Mit dem Eingehen einer intensiven Partnerschaft sind jedoch nicht unerhebliche Investitionen in den gesamten "Erstellungsprozess" verbunden, die über das blosse Bereitstellen von finanziellen Mitteln hinausgehen. Diese Aspekte werden in den folgenden Aufgaben aufgegriffen, die in ihren Ausprägungen sicherlich für jede Stiftung, ob Gross- oder Kleinstiftung, ob responsive oder proaktive Projektarbeit, ob Innovator oder Stabilisator, je eine unterschiedliche Ausgestaltung und Intensität aufweisen können. Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich der Verfassung von Projektverträgen: 92. Welche Inhalte sind für den Projektpartner und die Stiftung von zentraler Bedeutung und müssen in einem Projektvertrag festgehalten werden? 93. In welchem Umfang werden Wirkungspotential und Monitoringkriterien gemeinsam spezifiziert? 94. In welchem Umfang erfolgt die Spezifizierung von zeitlichen und finanziellen Rahmenbedingungen? 95. Welche Massnahmen treten bei Nichteinhalten des Projektvertrags ein? 10.3 Projektcoaching Das Coaching, im Sinne einer Projektbegleitung, kommt in vielfältiger Form vor. Dabei reichen die Intensität dieser Stiftung-Projektpartner-Beziehung von einem klassischen "Hands-off”-Modus, in dem der Projektpartner als Agent der Stiftung losgelöst von der Stiftung arbeitet, bis hin zu einem sehr engen Zusammenarbeiten zwischen Partnerschaft FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 355 Stiftung und Projektpartner ("Collaborative" oder "Hands-on"-Ansatz). Es gibt Stiftungen, die intensiv an der Problemlösung und Zielerreichung eines Projektes mitarbeiten und so weit mehr Ressourcen als die festgelegte Geldsumme einsetzen. Diese letztgenannte Art der Zusammenarbeit unterstützt auch Frumkin: "Philanthropy must be about more than check writing, involved or engaged donors want to feel a connection and offer advice and input above and beyond funds” (Frumkin 2005, S. 345). Dieses Verständnis kann jedoch nicht für alle Stiftungen Geltung besitzen, wobei kleine Stiftungen nicht notwendigerweise dem "Hands-off-Ansatz" anhängen und grosse "automatisch" dem "Collaborative"-Ansatz. Der Frage nach dem "richtigen" Ansatz in der jeweiligen Situation soll im weiteren Verlauf dieses Kapitels nachgegangen werden. Denn: "Engagement is a critical part of the style defined by a donor. It has implications not only for the overall fit and alignment of the giving strategy, but it also had very clear implications of the nonprofit organizations that are on the other side of the table. Finding a level of engagement that both satisfy the donor and that adds value to the recipient organization is not always easy.” (Frumkin 2005, S. 353 f.) Schliesslich geht es darum, mit allen Massnahmen darauf hinzuarbeiten, zeitnahe und an den Bedürfnissen der Gesellschaft orientierte Lösungsansätze zu entwickeln und Voraussetzungen zu deren Umsetzung zu schaffen. In die gleiche Richtung weist eine Stellungnahme von Breiteneicher und Marble (2003, S. 683), nachdem "die Sorgfalt und Aufmerksamkeit, die dem Management der Zuwendungen für einzelne Projekte gewidmet werden, ebenso wichtig sind wie das Geschick und die Umsicht, mit der die ursprüngliche Entscheidung getroffen wurde." Daraus ergeben sich zwei zentrale Aufgaben des Projektcoachings: 1. Bestimmung des Coaching-Ansatzes 2. Bereitstellung benötigter Coaching-Ressourcen 10.3.1 Bestimmung des Coachingansatzes Im Zusammenhang mit dem Coaching müssen zuallererst die Festlegungen aus der Æ Stiftungspolitik (Kap. 9.1, S. 228) angewendet werden, auch und gerade im Sinne der Verlässlichkeit der hervorgerufenen Erwartungen bei den Projektpartnern. Je FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 356 nach Festlegungen im Bereich des Æ Stiftungstyps (Kap. 9.1.4, S. 247) ergeben sich bestimmte Optionen - oder schliessen sich aus. Der Stiftungstypus "Social Entrepreneur" zieht auch ein entsprechend hohes Engagement bei der Projektbegleitung nach sich, das sich ganz im Sinne eines Unternehmers nicht darauf beschränkt, Geld zu überweisen und einen Abschlussbericht einzufordern. Am Beispiel der generischen Einteilung der Coaching-Beziehungen von Frumkin (2005, S. 348 ff.) sollen insgesamt vier Beziehungen vorgestellt werden. Ebenso wird CoachingBeziehung festlegen dabei angesprochen, wann und für welchen Stiftungstyp sich die eine oder andere Art eher eignet, auch in Abhängigkeit der Festlegungen in der Æ Stiftungspolitik (Kap. 9.1, S. 228) und der Æ Stiftungsstrategie (Kap. 9.2, S. 288). Die vier Stiftung-Projektpartner-Beziehungen werden anhand der zwei Dimensionen "Engagement der Stiftung" und "Übereinstimmung der Werte von Stiftung und Pro- generische Beziehungstypen jektpartner" klassifiziert, die jeweils die Ausprägungen "hoch" und "niedrig" annehmen können (vgl. Abbildung 10-2): hoch niedrig hoch 1 Collaborative Relationship 3 Auditing Relationship niedrig Engagement der Stiftung Übereinstimmung der Werte von Stiftung und Partner 2 Delegating Relationship 4 Contractual Relationship Abbildung 10-2: 4 generische Stiftung-Projektpartner-Beziehungen (nach Frumkin 2005, S. 348 ff.) Die Collaborative Relationship markiert dabei die intensivste Art der Zusammenarbeit zwischen Stiftung und Projektpartner, die weit über finanzielle Transferzahlungen von der Stiftung zum Partner hinausgeht. Dieses Modell der Zusammenarbeit findet sich hauptsächlich bei der Verfolgung des Stiftungstyps des "Social Entrepreneurs". Hierbei geht es darum, auch auf der Realisierungsebene eines Projekts aktiv Einfluss zu nehmen. Wie beim Stiftungstyp des "Social Entrepreneurs" gilt auch für die "Collaborative Relationship", dass diese Ansätze nicht notwendigerweise nur für Collaborative Relationship FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 357 grosse Stiftungen in Frage kommen. Auch kleine(re) Stiftungen können den Ansatz verfolgen, insbesondere dann, wenn z. B. der - noch lebende - Stifter einen hohen zeitlichen Einsatz bringen möchte. Sein persönliches Engagement, sein Netzwerk und seine Erfahrungen stehen dabei im Vordergrund, auch weil er sich z. B. nach seinem aktiven Berufsleben ein Betätigungsfeld sucht. Grundsätzlich gilt: "Donors come to define for themselves an engagement style that fits somewhere between totally hands off to deeply engaged.” (Frumkin 2005, S. 347) Vor allem grosse Stiftungen, die für sich selbst in Anspruch nehmen, einen Wandel in ihrem thematischen Gebiet zu erreichen und zudem in proaktiver Art und Weise auch die Projekte lancieren, verfolgen eine intensive Zusammenarbeit, wie auch in Interviews bestätigt wurde, z. B.: "Wir unterstützen nicht nur Projekte, sondern wir unterstützen zum Teil auch Organisationen. Und dort möchten wir auch mitentscheiden und die Politik dieser Organisation mitprägen. Deshalb nehme ich dort Einsitz in einem geschäftsführenden Ausschuss oder bin in einem Stiftungsrat oder in einem Vorstand oder was auch immer. Ich investiere auch Zeit für unsere Projekte oder Organisationen, die wir unterstützen. Das ist klar Teil meiner Aufgabe als Geschäftsführer. Also ich investiere da sicher 20 bis 30 Prozent meiner Zeit." (P16) Die sog. Delegating Relationship wird eher von den "Social Investors" gelebt, die sich zwar ganz bewusst für oder gegen ein Projekt entscheiden und dafür z. T. umfassende Auswahlverfahren entwickelt haben, die aber schlicht nicht die Zeit und die Fähigkeiten haben, sich auch in das operative Geschehen des Projektes einzubringen. Da bestenfalls die Werte der Stiftung und des Projektpartners übereinstimmen, wird diese Principal-Agent-Beziehung zwischen der Stiftung (Principal) und dem Partner (Agent) als wenig risikoreich und eher "sicheres" Investment angesehen. Diese Sichtweise bestätigt auch ein Geschäftsführer einer grossen Stiftung - ohne jedoch eine fallweise Unterstützung des Projektpartners auszuschliessen: "Ich bin natürlich abhängig von meinem Partner, da ich keine eigenen Projekte führe. Der Partner macht hoffentlich das, was er mir vorgängig angekündigt hat. Also ich kann die Wirkung nur indirekt beeinflussen. Ich kann ihn kontrollieren, ich kann ihn supervisionieren, ich kann ihm Tipps geben, Know-how-Transfer ermöglichen, wenn er das wünscht, aber letztlich liegt Delegating Relationship FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 358 die Verantwortung beim Partner, der entweder gute Arbeit leistet oder eine ein bisschen weniger gute." (P24) Die letzten beiden Modi vivendi des Coachings, die Contractual Relationship, bei der sowohl das Engagement als auch die Wertekongruenz niedrig sind, sowie die Auditing Relationship, bei der das Engagement im Gegensatz zur Erstgenannten höher ist, werden eher von den "Gift Givers" wahrgenommen. In beiden Fällen machen die Stiftungen kaum mehr als Fortschrittskontrolle und Überprüfung der Finanzberichte. (vgl. Frumkin 2005, S. 352) Besonders Stiftungen, die sehr viele und auch kleine Vergabungen tätigen (Æ Kap. 9.1.4 Giesskannenprinzip, S. 247), sehen die Beziehung zum Projektpartner eher neutral. Interessanterweise wird in diesem Zusammenhang auch "Professionalität" als Grund einer geringen "Einmischung" in die Belange des Partners aufgeführt, da dieser ja ganz gezielt ausgewählt wurde. So führt Frumkin aus, dass "low engagement had been justified in the name of professional detachment and as a necessity for maintaining objectivity. It is also far easier and less time demanding to limit the scope of the giving relationship to pre and post grant evaluation, rather than to expect the donor to take partial responsibility for the execution of a program or for the recipient organization’s performance.” (Frumkin 2005, S. 346) Die vier vorgestellten Modi können durchaus auch innerhalb einer Stiftung vorkommen, wie folgendes Zitat belegt: "Die Begleitung passiert nur bei grösseren Projekten. Also wenn wir, sagen wir mal, pro Jahr 40 Theatergruppen einen Beitrag von CHF 5'000 geben, dann können wir das nicht begleiten, dann können wir das vielleicht in Einzelfällen anschauen gehen. Was wir verlangen ist ein Schlussbericht. Wir werfen einen Blick rein und lesen sicher auch noch die Rezensionen. Und wenn das Projekt nicht gut rausgekommen ist, dann fördern wir dieses das nächste Mal nicht weiter. Wir könnten auch sagen: "Trial and Error". Vieles ist einfach Selektion, Entscheid und eine kleine Schlusskontrolle. Eine eigentliche Projektbegleitung findet da nicht statt. Das ist anders bei grösseren Projekten, bei denen man dann vielleicht mal vor Ort geht, oder zum Teil vor der nächsten Auszahlung mit diesen mal diskutiert. Bei den eigenen Projekten ist man dann natürlich in einem Gremium drin und bringt sich direkt ein. Man muss also schon unterscheiden zwischen eigenen Projekten und Projekte Contractual und Auditing Relationship FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 359 auf Gesuch hin, und bei den Projekten auf Gesuch hin zwischen grösseren und kleineren." (P26) Neben diesen Festlegungen zum Umfang des Coachings muss auch die Process Ownership innerhalb der Stiftung klar zugeteilt werden. Falls die Geschäftsstelle oder Process Ownership bestimmen auch einzelne Stiftungsräte diese Coaching Aktivitäten übernehmen soll, müssen sie sich darüber im Klaren sein. Eine eindeutige Ansprechperson wird darüber hinaus auch vom Projektpartner gefordert, insbesondere wenn auf dieser Seite die Erwartung nach einem aktiven Coaching besteht - und von der Stiftung bewusst oder unbewusst auch so kommuniziert wurde. Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich der Bestimmung des Coaching-Ansatzes: 96. Welche Coaching-Beziehung wird verfolgt und "passt" zu den Festlegungen aus Stiftungspolitik (z. B. Mission, Stiftungstyp) und Stiftungsstrategie (z. B. Wirkungsfelder, Ressourcenallokation)? 97. Wer ist innerhalb der Stiftung für das jeweilige Projektcoaching verantwortlich? 10.3.2 Bereitstellung benötigter Coachingressourcen Entscheidend bei der Festlegung eines Coaching-Ansatzes ist insbesondere die Frage der Fähigkeiten und Ressourcen, die zur Verfügung stehen oder ggf. aufgebaut werden müssen. Wenn es innerhalb der Stiftung an der nötigen Ausbildung oder Erfahrung mangelt, um den spezifischen Erfordernissen des Projekts gerecht zu werden, kann das zu Irritationen und Enttäuschungen beim Projektpartner führen, aber schlimmer noch zur Nichterreichung der gesetzten Stiftungsziele. Somit sollte der gewählte Coaching-Ansatz bestenfalls mit den bereits bestehenden Fähigkeiten und Ressourcen durchführbar sein. Dazu die Stellungnahme eines Geschäftsführers: "Wir haben beschlossen, dass wir bei gewissen Projekten eine aktive Rolle spielen wollen. Und da kann ich dann auch mein Know-how, das ich auf Grund meiner früheren Tätigkeiten besitze, einbringen. Z. B. bin ich bei XY im geschäftsführenden Ausschuss und in gewissen Vereinen, die wir unterstützen, gehe ich in den Vorstand." (P16) Benötigte Coachingfähigkeiten und -ressourcen allozieren FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 360 Falls diese Kapazitäten und Kompetenzen fehlen oder bereits gebunden sind, müssen bei Beibehaltung eines ausgeprägten Coaching-Ansatzes Mittel und Wege gefunden werden, diese trotzdem bereitzustellen, z. B. über externe Berater, Aufstockung des Personals oder Fortbildungsmassnahmen der Mitarbeiter der Stiftung (Æ Kap. 11.5 HR-Management, S. 434). Eine laufende Erwartungsklärung der Bedürfnisse des Projektpartners ist ebenso zentral wie die grundsätzliche Bereitstellung von Fähigkeiten und Ressourcen. Benötigte Fähigkeiten und Ressourcen können z. B. sein: organisatorisch-technische Unterstützung Infrastruktur Kontakte Fachinformationen Im Verlauf eines Projekts können auch unvorhergesehene Probleme auftreten, die dann bisher nicht spezifizierte Coaching- und Unterstützungsleistungen erfordern. Im Übrigen gilt als "Faustregel", dass "je grösser und komplexer die Fördermassnahme ist, desto wichtiger werden die ausserhalb der [finanziellen] Förderung befindlichen Ressourcen." (Breiteneicher/Marble 1998, S. 752) Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich der Bereitstellung benötigter Coaching-Ressourcen: 98. Welche Fähigkeiten und Ressourcen stehen in Abhängigkeit bereits gebundener Fähigkeiten und Ressourcen grundsätzlich für das Coaching zur Verfügung? 99. Wie werden bisher nicht vorhandene Fähigkeiten und Ressourcen intern aufgebaut oder extern beschafft? 100. Wie wird die laufende Abklärung der Erwartungen und Bedürfnisse des Projektpartners durch die Stiftung vorgenommen? 10.4 Projektmonitoring "Jedes Projekt ist ein soziales Experiment", so Breiteneicher und Marble (1998, S. 788) in ihren Ausführungen zur Projektbegleitung und -evaluation. Und ein Experi- Extern beziehen Intern aufbauen Laufende Erwartungsklärung vornehmen FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 361 ment kann ge- oder misslingen. Doch darf es nicht sein, dass sich Stiftungen dabei (immer) auf den ersten Halbsatz des folgenden Zitats des amerikanischen Schriftstellers Mark Twain beschränken: "Vermuten ist gut, Herausfinden ist besser" (zit. in Breiteneicher/Marble 1998, S. 789). Das Monitoring ist ein Ansatz herauszufinden, warum ein "Experiment" gut oder weniger gut gelaufen ist und lässt somit auch Rückschlüsse auf die vorgelagerten Stufen des Wertschöpfungsprozesses zu, z. B. der Akquisition ("Konnten wir die richtigen Partner ansprechen?") und der Selektion ("Haben wir die richtigen Kriterien zur Selektion angewandt?"). Insofern kann die Aussage von Mark Twain auch ergänzt werden, so dass sie lautet: Vermuten und Vertrauen ist gut, Herausfinden und Lernen ist besser. Denn: "Stiftungen, die Begleitung [Coaching] und Evaluation [Monitoring] erfolgreich praktizieren, betrachten sie als Mittel, um Erfahrungen und Erkenntnisse zu sammeln. Sie sehen sie nicht als einen eigenen Bereich oder eine eigene Form der Betätigung, sondern als integralen Bestandteil ihrer Planung und ihres Handelns", so Breiteneicher und Marble (1998, S. 789). Und dieses Verständnis lässt sich anwenden auf alle Projektaktivitäten und Æ Förderarten (Kap. 9.2.2, S. 299), wie z. B. Preisvergabe, Personenförderung durch Stipendien, Förderung von Institutionen (Personalund/oder Infrastrukturkosten) etc. Das Monitoring171 kann unterteilt werden in ein finanzielles und ein inhaltliches Monitoring und zusätzlich einen zeitlichen Aspekt beinhalten. In dieser Arbeit wird der Begriff des Monitorings nur auf den Projektbereich bezogen - und in diesem auf die Ebene des Einzelprojekts. Diese Einschränkung erscheint sinnvoll, da damit nochmals die Wichtigkeit des Projektmanagements als dem zentralen Wertschöpfungsprozess in einer Stiftung Rechnung getragen wird. Zuerst wird nun das finanzielle Projektmonitoring betrachtet. 171 In der Literatur wird teilweise ein sehr umfassend verstandener Controllingbegriff verwendet, der teilweise zum Teil weiter in operatives und strategisches Controlling unterteilt wird. Dieses Verständnis umfasst dabei dann neben dem inhaltlichen Bereich der Stiftungstätigkeit auch den Verwaltungs- sowie den Vermögens- und Finanzbereich und bezieht sich sowohl auf finanzielle als auch auf inhaltliche Aspekte. Der materielle Bereich des strategischen Controllings wird in dieser Arbeit in der Æ Stiftungsevaluation behandelt, während die Aspekte des operativen Controllings zum einen dem finanziellen und inhaltlichen Projektmonitoring zugeteilt werden (falls sie projektbezogen sind) und zum anderen dem Verwaltungs- und Finanzbereich (Æ Finanzmanagement). FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 362 Ein laufendes Monitoring172 mit formativem Potential durch den Abgleich von "Soll und Ist" ermöglicht ggf. notwendige Kurskorrekturen noch während des Projekts. In diesem Sinne kann es auch als "klärende und interaktive Projektevaluation" bezeichnet werden (vgl. Beywl et al. 2002, S 7). Ein Schlussmonitoring ist dagegen bilanzierender Natur, das eine rückblickende Zusammenfassung zur Beantwortung der Fragen bietet: "War das Projekt effektiv? Haben sich unsere Annahmen bestätigt? Hat es zur inhaltlichen Erreichung unserer Stiftungsziele beigetragen? Es kann deshalb auch als "dokumentierende und wirkungsbezogene Projektevaluation" bezeichnet werden (vgl. Beywl et al. 2002, S 7). Bei jeglichem Projektmonitoring muss jedoch der Grundsatz gelten: "Ausgerichtet an den jeweils stiftungsspezifischen Rahmenbedingungen, Voraussetzungen und Anforderungen muss jede Stiftung ihre eigene Lösung finden" (Dreyer 2002, S. 10). Und dies unter der Voraussetzung, dass der Aufwand für die Monitoringaktivitäten im angemessenen Verhältnis zum Nutzen steht (Effizienz). Das bestätigt auch ein Geschäftsführer einer grossen Stiftung: "Wir machen noch relativ viele kleine Vergabungen, also Beträge von 3'000 oder 5'000 Franken und da sind Sie einfach betriebswirtschaftlich in der Zwickmühle. Wie viel Minuten oder Stunden dürfen Sie sich mit einem solchen Thema beschäftigen, damit es noch effizient ist? Wir haben pro Jahr etwa 600 positive Gesuche und dort müssen Sie auch mit dem Controlling relativ selektiv vorgehen. Und es sind ja nicht eigene Projekte, denn sobald Sie eigene Projekte haben, dann haben Sie auch eine entsprechende Projektorganisation mit eigenen Leuten oder Dritten, die Sie sehr nahe führen und kontrollieren können." (P23) Zusammenfassend kann das Anliegen des Monitorings verstanden werden als schrittweise sich vertiefende Aktivität zur Qualitätssicherung (Æ Kap. 12.1 Evaluation, S. 455). Ausserdem ist das Projektmonitoring ein wichtiger Baustein zur Befähigung einer Rechenschaftsablage gegenüber der Öffentlichkeit (Æ Kap. 12.2 Accountability, S. 469). 172 In der Literatur wird das Projektmonitoring auch als Projektfortschrittscontrolling (vgl. Koeckstadt/Kölsch 2003 und 2004) oder operatives Controlling (vgl. Dreyer 2002) bezeichnet. FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 363 Die folgenden Ausführungen sollen nicht helfen, den "Königsweg" für alle Stiftungen zu finden, sondern für die eigenen Bedürfnisse ein optimales Monitoring zu entwickeln. Detailliert werden folgende zwei Aufgaben beschrieben: 1. Planung und Durchführung des finanziellen Projektmonitorings 2. Planung und Durchführung des inhaltlichen Projektmonitorings 10.4.1 Planung und Durchführung des finanziellen Projektmonitorings Das finanzielle Projektmonitoring sollte einer periodischen Taktung unterliegen, d. h. während des Projekts müssen auch Zwischenstände, Zwischenabrechungen oder Periodische Taktung festlegen Verwendungsnachweise der bisherigen Ausgaben erfolgen. Es geht darum, neben dem jährlichen Planungsprozess auf Stiftungsebene (Æ Kap. 11.1.2 Budgetierung, S. 390) eine systematische Projektion der einzelprojektbezogenen Finanzdaten bis zum Projektende zu implementieren. Das finanzielle Projektmonitoring (wie auch das inhaltliche) fusst auf einem fundierten Berichtswesen als zentraler Informationsgrund- Umfang der Berichte bestimmen lage. Selbstverständlich gilt diese Forderung nach einem umfassenden Monitoring nicht für kleine(re) Förderbeiträge, die in den Bereich "Charity" oder "Gift Giving" fallen, wohl aber für grosse Förderungen oder mehrjährige Projekte. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass "gross" nicht eindeutig spezifiziert, sondern nur in Relation zu den gesamten jährlichen Ausgaben gesetzt werden kann. Für eine Stiftung, die jährlich CHF 500.000 an Förderbeiträgen vergibt, ist eine Einzelvergabung von CHF 50.000 durchaus "gross", während diese Summe von eine Grossstiftung mit Vergabungen von CHF 10 Mio. in eine Kategorie fallen kann, bei der die Projektselektion und das Einfordern eines Schlussberichts als Qualitätssicherung genügen. Dies spiegelt sich auch in der Aussage eines Geschäftsführers einer grossen Stiftung wieder: "Bei den kleinen Projektförderungen ist es ein wenig wie bei der Kreditvergabe von Banken. Im Prinzip müssen wir überzeugt sein vom Produkt und noch überzeugter von den Leuten, die dahinter stehen, denn es ist im Wesentlichen auch ein Vertrauensgeschäft." (P23) kleine Förderbeiträge FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 364 Aus Sicht von Koeckstadt und Kölsch (2003, S. 15) fehlt bei einer nicht existenten Nachführung der Finanzdaten der Stiftung ein systematisches Verfahren, "um Fehlbzw. ‚Andersentwicklungen’ frühzeitig erkennen und ggf. Gegensteuerungsmass- Laufende Aktualisierung der Daten vornehmen nahmen entwickeln zu können." Koeckstadt und Kölsch weisen in dem Zusammenhang auf eine wichtige Querverbindung zum Æ Finanzmanagement (Kap. 11.1, S. 384) hin: Wenn Finanzmittel z. B. erst zu einem späteren Projektzeitpunkt abgerufen werden müssen, könnten diese allenfalls zeitweilig "nutzenstiftend disponiert" werden (Koeckstadt/Kölsch 2003, S. 15). Ein Geschäftsführer einer grossen Stiftung beschreibt das Verfahren in seiner Stiftung und weist darauf hin, dass bei mehrjährigen oder grösseren Projekten auch eine gestaffelte, an Bedingungen geknüpfte Auszahlung vorgenommen werden kann: "Bei uns läuft das so, dass die Auszahlungen nicht einfach zum Voraus gemacht werden, sondern ein wenig gestaffelt auf bestimmte Termine. Z. B. bei Grossprojekten bei Vorliegen der Baubewilligung oder bei Baubeginn oder was auch immer. So stellen wir gleichzeitig auch sicher, dass wir über das Projekt und die Kostenentwicklung laufend informiert sind. Am Schluss wollen wir bei einem Infrastrukturprojekt auch eine definitive Bauabrechnung, die allenfalls auch wieder ein Auslöser sein kann für eine letzte Ratenzahlung, aber das ist dann sehr individuell, zugeschnitten auf das Projekt. Das ist eine Art des Controllings, das wir für alle Grossprojekte haben und bei den kleinen ist es dann so, dass wir von allen einen Schlussbericht mit einer Abrechnung verlangen." (P23) Ein letzter Aspekt betrifft den bestimmungsgemässen Einsatz der Projektmittel, der durch ein finanzielles Monitoring ebenfalls gewährleistet wird. Dieser Punkt wurde in einem Interview mit einem langjährigen Stiftungsratsmitglied bestätigt: "Was ich jetzt in diesen vielen Jahren gemerkt habe, was bei uns noch verbesserungsfähig ist, das ist das finanzielle Controlling. Also, wir sind gut bis und mit dem Bewilligen eines Projekts und der Auszahlung des Geldes. Aber wir sind noch nicht so gut im Kontrollieren, ob das Geld auch bestimmungsgemäss eingesetzt wird. Und ob die Resultate dem entsprechen, was wir eigentlich erwartet haben." (P19) Bestimmungsgemässe Verwendung überprüfen FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 365 Der letzte Satz diese Zitats führt über in den zweiten, grossen Bereich des Monitorings, des inhaltlichen Projektmonitorings oder in anderen Worten: der Evaluation des Einzelprojekts. Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich der Planung und Durchführung des finanziellen Projektmonitorings: 101. In welchen Zeiträumen wird jeweils eine finanzielle "Zwischenbilanz" gezogen? 102. Aus welchen Informationen besteht der vom Projektpartner zu erstellende Bericht als Grundlage für das finanzielle Projektmonitoring? 103. Wie werden die Monitoringergebnisse dokumentiert und weiterverwendet? 104. Welche Massnahmen werden bei einem offensichtlichen Missbrauch von Geldern der Stiftung ergriffen? 10.4.2 Planung und Durchführung des inhaltlichen Projektmonitorings Der Bereich des Monitorings von Einzelprojekten weist eine starke Querverbindung zum Æ Projektcoaching (Kap. 10.3, S. 354) auf, das wiederum - ebenso wie ein sehr Coaching vs. Monitoring ausgeprägtes Zwischenmonitoring - formative Elemente aufweist, d. h. es können ggf. Massnahmen zur Gegensteuerung bei allfälligen Fehlentwicklungen ergriffen werden. Ein Coaching verhindert jedoch im Idealfall bereits das Entstehen von Fehlentwicklungen, während ein Zwischenmonitoring die entsprechende Fehlentwicklung nach deren Entstehen aufdeckt, die Ursachen identifiziert und auf dieser Grundlage Gegenmassnahmen entwickelt werden können. Das hier verwendete Verständnis des Monitorings lehnt sich an die von der DeGEval formulierte Definition der Evaluation173 an: "Evaluation ist die systematische Untersuchung des Nutzens oder Wertes eines Gegenstandes. Solche Evaluationsge173 "Der Begriff Evaluation stammt vom lateinischen Wort 'valor', d. h. 'Wert', und der Vorsilbe 'e/ex', d. h. 'aus', und bedeutet übersetzt 'Bewertung', 'einen Wert aus etwas ziehen'", so Meyer (2002, S. 2) bei seiner Begriffsbestimmung zu Evaluation. In seinem weitesten Wortsinn beschreibt der Begriff den "Prozess der Beurteilung des Wertes eines Produktes, Prozesses oder eines Programms" - und das erfordert nicht notwendigerweise systematische Verfahren oder datengestützte Beweise zur Unterstützung der Beurteilung. Meyer (2002, S. 2) bringt das Beispiel des morgendlichen Blicks aus dem Fenster zur Begutachtung des Wetters, was bereits eine "Evaluation" darstellt. Die allgemein anerkannten sozialwissenschaftlichen Definitionen von "Evaluation", auf die hier rekurriert wird, unterstreichen jedoch die explizite Verwendung von wissenschaftlichen Forschungsmethoden. Unter "Evaluationsforschung" wird die "systematische Anwendung sozialwissenschaftlicher Forschungsmethoden zur Beurteilung der Konzeption, Ausgestaltung, Umsetzung und des Nutzens sozialer Interventionsprogramme" verstanden (Rossi/Freeman/Hofmann 1988, S. 3 - zit. in Meyer 2002, S. 3), was ja auch den Stiftungsaktivitäten entspricht. Monitoringverständnis FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 366 genstände können z. B. Programme, Projekte, Produkte, Massnahmen, Leistungen, Organisationen, Politik, Technologien oder Forschung sein. Die erzielten Ergebnisse, Schlussfolgerungen oder Empfehlungen müssen nachvollziehbar auf empirisch gewonnenen qualitativen und/oder quantitativen Daten beruhen." (DeGEval 2002, S. 13) Sie legt in ihren Standards vier grundlegende Eigenschaften von Evaluationen fest, die für das Projektmonitoring, aber auch für die Æ Evaluation (Kap. 12.1, S. 455) der gesamten Stiftungsarbeit Gültigkeit besitzen (vgl. DeGEval 2002, S. 8 ff.): 1. Nützlichkeit (u. a. Klärung des Evaluationszwecks; Rechtzeitigkeit der Evaluation) 2. Durchführbarkeit (u. a. angemessene Verfahren; Effizienz der Evaluation) 3. Fairness (u. a. vollständige und faire Überprüfung, Offenlegung der Ergebnisse) 4. Genauigkeit (u. a. Kontextanalyse; Analyse qualitativer und quantitativer Informationen; begründete Schlussfolgerungen) Die Entwicklung von Monitoringkriterien lehnt sich zum einen an die oben genannten Standards an, zum anderen kann auf die Formulierung des Wirkungspotentials zu- Monitoringkriterien entwickeln rückgegriffen werden, das dem Projekt zugeschrieben wird und auf Grund dessen sich die Stiftung für die Förderung dieses und nicht eines anderen Projekts entschlossen hat (Æ Kap. 10.2 Projektselektion, S. 341). Zur differenzierten Entwicklung von Monitoringkriterien können zudem die folgenden fünf Bezugspunkte zu einem Projekt dienen (angelehnt an Breiteneicher/Marble (1998), S. 791 f.): 1. Ablauf: Läuft das Projekt entsprechend der ursprünglichen Planung? 2. Input: Welcher Input steht dem Projekt zur Verfügung und wird dieser sinnvoll eingesetzt? 3. Output: Was ist der Output? (Z. B. wie viele Kinder haben durch das Projekt einen Schulabschluss gemacht?) Fünf Bezugspunkte FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 367 4. Impact: Welche (auch negativen oder unbeabsichtigten) Auswirkungen hat das Projekt auf das Problem, mit dem es sich befasst? 5. Effektivität-Effizienz: Rechtfertigen die Ergebnisse die dem Projekt zur Verfügung gestellten Mittel? Bei der Entwicklung der Monitoringkriterien sollte auch der Projektpartner mit einbezogen werden, weil neben für die Stiftung grundsätzlichen und wichtigen Kriterien (z. B. Auslösung zusätzlicher Ressourcenflüsse, Effektivität des Projektmanagement) auch projektspezifische Kriterien entwickelt werden müssen. Da die von den Antragstellern selbst formulierten Bewertungsmassstäbe meist abstrakt gehalten sind, muss die Stiftung diese ggf. konkretisieren und ergänzen. Hierzu zitiert von Bender (2002b, S. 10) ein typisches Beispiel eines von einem Antragsteller formulierten Kriteriums: "Als erstes Kriterium für den Erfolg des Projekts sind Stimmen der Teilnehmer zu nehmen. Dafür werden am Anfang der Begegnung Bewertungsbögen ausgeteilt." Bender präzisiert und ergänzt dieses im Prinzip sinnvolle Kriterium: "Das inhaltliche Kriterium, wann das Projekt erfolgreich ist und wann nicht, wurde nicht definiert. Es fehlt eine Aussage wie etwa: ‚Wenn 80% der Teilnehmer das Seminar gut bis sehr gut bewerten, wollen wir von einem Erfolg aus Sicht der Teilnehmer sprechen’. Ferner fällt die Eindimensionalität des Bewertungsmassstabes auf. Es wurde hier nur auf die Bewertung durch die Teilnehmer abgehoben, zweifelsohne ein wichtiges Kriterium, aber für die Stiftung unter Umständen ein nicht ausreichendes. Dimensionen wie die Bewertung der Projektergebnisse durch die lokale Öffentlichkeit bzw. Fachöffentlichkeit oder durch die Referenten oder externe Kooperationspartner können weitere wichtige Quellen für die Beurteilung der inhaltlichen Thematik sein." (Bender 2002b, S. 10) Anhand dieser Ausführungen wird deutlich, dass es u. U. sehr viel Zeit und Überlegung braucht, um zu entscheiden, was bei einem Projekt "gemessen" werden muss und kann, so dass im Anschluss von "aussagefähigen Informationen" gesprochen werden kann. Dies wurde auch von einem Stiftungsrat bestätigt, in dessen Stiftung eine umfassende Entwicklung eines Konzepts zum summativen Projektmonitoring stattfindet: Einbezug Projektpartner 368 FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess "Es gibt eine Berichtspflicht. Man hat sozusagen etwas auf dem Tisch liegen. Das aber hält eigentlich niemand für wirklich befriedigend. Was viel wichtiger ist, ist die Publikation, die dann auf dem Tisch liegt. Das ist ja für uns als Wissenschaftsstiftung der eigentliche Ausweis der wissenschaftlichen Tätigkeit. Und das sieht dann schon anders aus. Es ist nicht nur ein Bericht, der in irgendwelchen Akten verschwindet, sondern das sind ja Publikationen, die auf dem Tisch liegen. Aber auch da könnte man sagen, es ist ja zunächst mal nur gedrucktes Papier. Wie weit sich das in der Forschung auswirkt oder ausgewirkt hat, wie weit es der Forschung Impulse gegeben hat, das kann man dem nicht ansehen. Da muss man genau ansetzen. Wie können wir denn hinterher wirklich sagen, aha, da haben wir doch etwas bewirkt auf dem Gebiet. Da haben wir was vorgehabt, und das haben wir auch erreicht. Und das ist der heikelste Punkt überhaupt. Und die Frage hat sich bis vor kurzem eigentlich niemand gestellt. Das haben wir jetzt erst gemacht. Und da haben wir ein Verfahren entwickelt, eine ex post Evaluierung. Es macht ja keinen Sinn, nur die Publikationen zu zählen, oder die Seiten, die publiziert wurden. Man kann natürlich schon darauf achten, wo ist das publiziert, Oxford University Press ist was anderes als Eichstätter Hochschulschriften. Das ist klar. Also, da kann man einiges ablesen, das ist aber alles unbefriedigend. Bei den Leuten selber, die von uns gefördert werden, die werden zuerst mal nach Abschluss ihres Projektes nicht nur um einen Bericht gebeten, sondern um eine Selbsteinschätzung darüber, was sie mit ihrem Projekt in dem Fach bewegt haben. Wo denn das Innovationspotential liegt, die qualitative Erneuerung, Erweiterung und so weiter. Die werden aber nicht weiter vorstrukturiert. Dann schaut sich das der Geschäftsführer und ein Beiratsmitglied an, und dann wir das so erstmal sozusagen zur Kenntnis genommen. Dann wollen wir ähnliche Fragen nach 3 Jahren noch mal stellen und ausserdem noch wissen, wo der Antragsteller mittlerweile zitiert worden ist, auf welchen Tagungen er aufgetreten ist, welche Panels er gemacht hat und welche weiteren Forschungsaktivitäten auf der Grundlage seiner Ergebnisse in der grossen weiten Welt erfolgt sind. Das heisst, wir haben sozusagen, also statt jetzt selber nach Zitaten zu suchen, in einer Welt, wo es keinen Citationindex gibt, so wie bei uns. Diese Selbsteinschätzung wird noch mal überprüft, von einem ‚eng am selben Wind segelnden’ Fachmann von ausserhalb, der gar nicht zum FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 369 Dunstkreis und zum Beirat der Stiftung gehört. Der wirklich extern ist, möglichst international. Und dem sagen wir, die Person hat das und das gemacht, hat das und das Geld von uns gekriegt, und sagt in ihrer Selbstevaluation, dass das und das dabei rausgekommen ist. Stimmt das aus ihrer Sicht? Und diese Kombination von Selbst- und Fremdeinschätzung hat für mich einen hohen Reiz, weil ich glaube, damit kommt man einer qualitativen Beurteilung näher, als wenn man nur die Zitate zählt oder so. Wir wollen das mal ausprobieren. Das Ziel ist natürlich, dass wir mit diesen summativen Ansätzen unser Förderverhalten verbessern, das ist ja klar. Denn man ist bestimmt immer verbesserungsfähig […]" (P8) Sorgfältig entwickelte Kriterien des Projektmonitorings können also sowohl zu sog. harten Fakten verhelfen, als auch dazu, subjektive Eindrücke systematisch zu erfassen und so aufzubereiten, dass sie verglichen werden können. Wie im vorhergehenden Zitat zu Beginn festgestellt wurde, stellen Berichte den ersten Schritt in das Projektmonitoring dar (Æ Kap. 10.2.2 Projektvertrag, S. 352). Eine Periodische Taktung festlegen gewisse Regelmässigkeit der Berichte wie auch eine zu Projektbeginn eindeutig festgelegte Form sind unabdingbare Voraussetzungen für eine sinn- und gehaltvolle Durchführung eines inhaltlichen Monitorings. "Also jedes Projekt, das von uns gefördert wird, muss zwingend einen Abschlussbericht vorlegen. Den kriegt dann der Vorstand und der kann auf Wunsch auch von den Gremienmitgliedern eingesehen werden. Bei den Dissertationen erfahren wir die Abschlussnote, wenn die Arbeit abgeschlossen ist. Die Stipendiaten schicken uns einfach ihr Zeugnis." (P10) Wie beim Æ Antragsbearbeitungsprozess (Kap. 10.1.2, S. 335) kann es auch hier sinnvoll sein, ein Formular oder zumindest die Überschriften eines Berichts vorzugeben. Damit kann wirksam eine nicht mehr überschaubare und teilweise irrelevante Papierflut verhindert werden. Die Monitoringkriterien finden sich sowohl in den Formvorschriften der Berichte wieder, z. B. als Vorgaben für Überschriften, als Inhaltliche Vorgaben bestimmen FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 370 auch in z. B. Beobachtungsformularen für vor-Ort-Besuche oder gar für Befragungen der Zielgruppen des Projekts174. Je nach Projekt verlangen Stiftungen jährlich oder nach Abschluss von definierten Meilensteinen einen Zwischenbericht. Das beschreibt auch ein Geschäftsführer einer grossen Schweizer Stiftung - und geht dabei auch noch auf den formativen Charakter eines in dieser Stiftung verwendeten Ansatzes des Projektmonitorings ein: "Das Reporting ist ganz genau geregelt, auch mit von uns vorgegebenen Formularen. Da kann einer nicht einfach schreiben, was ihm in den Sinn kommt. Die Zwischenberichte werden zu uns zurück geschickt und vom Programmleiter durchgelesen. Da werden Notizen gemacht, Fragezeichen usw. Dann wird der Bericht mit dem Partner diskutiert, meistens telefonisch, ab und zu kommen die Projektpartner auch vorbei. Dann klärt man diese Sachen, die Fragezeichen. Entweder muss der Partner etwas ändern, weil wir das Gefühl haben, das ist nicht so, wie es eigentlich sein sollte. Wir haben ja das Proposal, das er eingereicht hat und können vergleichen. Und wenn dann plötzlich nicht vierjährige Kinder, sondern 18-jährige im Zentrum des Projekts stehen, dann fragt man natürlich den Partner: ‚Ja was ist denn das?’ Das machen wir selbst von der Geschäftsstelle aus." (P24) Eine Intensivierung des formativen Projektmonitorings in Richtung Æ Projektcoaching (Kap. 10.3, S. 354) kann in vor-Ort-Besuchen liegen, wie ein Geschäftsführer ausführt: "Und das andere ist das Monitoring vor Ort. Alle 18 Monate gibt es einen Besuch, entweder macht das einer von uns, also von der Geschäftsstelle, oder ein externer Evaluator. Für die top-professionellen Experten, die wir auf dem Markt finden, zahlen wir Tageshonorare. D. h. also, dass ein Projekt mit drei Jahren Laufzeit sicher einmal, meistens zweimal besucht wird. Und derjenige, der vor Ort geht, der schreibt entweder einen Bericht. Das ist auch ein Formular, das wir vorgeben. Also der Prozess, das war der erste, den wir definiert haben, weil wir einfach verhindern wollten, dass einer Geld bekommt, nur weil er den Präsidenten der Stiftung kennt. Das formale Monitoring 174 Für eine ausführliche Übersicht passender Erhebungsinstrumente und zur Konzeption von Monitoring/Evaluationsaktivitäten allgemein siehe Beywl et al. (2002). Vor-OrtBesuche zur Ergänzung FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 371 schafft hier etwas Sicherheit, auch für uns intern. Die externen Experten suchen wir gezielt zu den einzelnen Projektthemen aus und schlagen diese dem Projektpartner vor. Wir fragen ihn also an: ‚Wir würden gerne Herrn XY zu Ihnen nach Südafrika schicken. Sind Sie einverstanden? Der muss einverstanden sein mit diesem Experten und sagen: ‚Ja, ich finde, der ist kompetent, der ist gut’. Dann geht der Experte mit unserem vorgegebenen Formular z. B. nach Südafrika. Und er schaut sich dieses Projekt an, fragt die Sachen, die wir im Vorfeld besprochen haben, auch auf Grund der eingesandten Zwischenberichte. Das Formular ist zwar vorgegeben, aber die einzelnen inhaltlichen Fragen sind ganz spezifisch für dieses Projekt formuliert. Das ausgefüllte Formular sieht der Partner nicht, sondern das besprechen nur der Experte und wir. Das Ergebnis wird dann dem Partner präsentiert, der kann Stellung nehmen, sagen: ‚Das ist nicht wahr’ oder ‚Das ist nicht so schlimm, wie Sie beschreiben’. Am Schluss einigt man sich auf bestimmte Punkte, die beim Partner geändert werden müssen. Oder es gibt eine Auflage, das hatten wir jetzt gerade diesen Frühling. Da hat der Evaluator gesagt, dass unser Partner das Falsche macht - und zwar das Falsche im Bezug auf die Bedürfnisse vor Ort, nicht unbedingt das Falsche im Bezug auf das, was er im Proposal geschrieben hat. In diesem Fall haben wir gesagt: ‚Du musst deine Strategie neu definieren. Wir zahlen zwar dein Projekt weiter, aber wir wollen zu diesen drei Punkten eine neue Strategie sehen.’ Zuerst hat er sich natürlich gesträubt, aber dann hat er die neue Strategie geschickt und wir haben geschaut, ob das in unserem Sinn war, so wie wir es mit dem Evaluator besprochen haben. Nachher überweisen wir wieder das Geld. Dieses ausführliche Projektmonitoring macht dafür Sinn." (P24) Im obigen Zitat werden die beiden Möglichkeiten der Nutzung von internen oder externen personellen Ressourcen zum Monitoring von Projekten angesprochen. Da ein umfassendes Monitoring auch je nach Projekt einen zeitlichen und logistischen Aufwand nach sich zieht, kann es sinnvoll sein, das Monitoring von externen Experten durchführen zu lassen, nicht ohne sie jedoch vorher eingehend zu instruieren. Da für ein Projektmonitoring auch einiges an einschlägiger Erfahrung nicht nur zum Thema, sondern auch zur Bewertung von Personen und Ergebnissen notwendig ist, sollten seriös die eigenen Fähigkeiten zur Durchführung eines Monitorings geprüft werden. Notwendige Ressourcen bestimmen 372 FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess Ein weiterer Punkt, der im obigen Zitat angesprochen wurde, ist die Verwertung der Ergebnisse des Monitorings. Insbesondere bei einem formativen, begleitenden Monitoring ist das Ziel das frühzeitige Aufdecken von Fehlentwicklungen im Laufe des Projekts. Diese können vom Projektpartner meist unbemerkt auftreten, selten werden sie auch bewusst in Kauf genommenen. Deshalb genügt es nicht, die Monitoringberichte im Projektdossier abzulegen, sondern sie sollten gemeinsam mit dem Projektpartner diskutiert werden, da das vorrangige Ziel eine Verbesserung des status quo des Projekts ist. Sie soll den Verantwortlichen auf beiden Seiten helfen, das Projekt und seinen Nutzen zu verbessern und daraus zu lernen. Im Vordergrund stehen die Ausschöpfung des gesamten Wirkungspotentials des Projekts (Effektivität oder: "Die richtigen Dinge machen") und die optimale Nutzung der Ressourcen aller Beteiligten (Effizienz oder: "Die Dinge richtig machen"). Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich der Planung und Durchführung des inhaltlichen Projektmonitorings: 105. Wie sind Coaching und Monitoring-Aktivitäten aufeinander und in Bezug auf die vorgelagerten Entscheidungen (Mission, Strategie) abgestimmt? 106. Welche, auf die Projekt- und die Stiftungsziele abgestimmten, Kriterien werden für das inhaltliche Projektmonitoring verwendet? 107. In welchen Zeiträumen wird jeweils eine inhaltliche "Zwischenbilanz" gezogen? 108. Aus welchen Informationen besteht der vom Projektpartner zu erstellende Bericht als Grundlage für das inhaltliche Projektmonitoring? 109. Welche weiteren Aktivitäten werden von der Stiftung zum inhaltlichen Monitoring von Projekten durchgeführt? 110. Wer führt das inhaltliche Projektmonitoring durch und müssen allenfalls zusätzliche Ressourcen bereitgestellt werden (z. B. für Vor-Ort-Besuche)? 111. Wie werden die Monitoringergebnisse dokumentiert und weiterverwendet? 10.5 Sicherung und Dissemination von Projektergebnissen Die Sicherung und Dissemination von Projektergebnissen stellt einen wichtigen Schritt in Richtung Wirksamkeit(serhöhung) der Stiftungstätigkeit dar. Eine Stiftung mit dem Anspruch der Innovation oder Stabilisierung und der Zielfunktion des Sozialen Wandels muss sich immer darüber Rechenschaft ablegen, was "über den Tag Monitoringergebnisse dokumentieren FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 373 hinaus" von den jeweiligen Projekten bleibt. Die Projektergebnisse sollten nicht als Privateigentum der Stiftung betrachtet werden, was sie richtig verstanden schon von der Konzeption einer Stiftung als quasi-öffentliche Organisation, die ihre Wirkung nur im Bezug auf die Gesellschaft erzielen kann (sozialer Wandel), gar nicht sein können. Die Ergebnisse sollen und müssen "für die Gesellschaft fruchtbar gemacht werden", so auch Bender (2002c, S. 10). Zur "Fruchtbarmachung" der Ergebnisse gehört zum einen eine sinnvolle Dokumentation der Ergebnisse zur weiteren Nutzung innerhalb der Stiftung (lernende Organisation, Æ Kap. 12.1 Evaluation, S. 455) im Sinne eines abschliessenden Schrittes des Projektmonitorings, aber auch die Aufbereitung und Verbreitung der Ergebnisse nach aussen. Und das wird auch in einigen Stiftungen so bestätigt: "Ich denke, es gibt überhaupt keinerlei Anlass hier in der Stiftung irgendwelche Ergebnisse unserer Arbeit nicht der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Die Herausforderung ist eher, die Leute überhaupt dafür zu interessieren, was hier passiert. Und da kommen sie, in unserem Fall jetzt, an den grossen Graben zwischen Grundlagenforschung und dem allgemeinen öffentlichen Interesse. Also für uns wird es schwierig, weil wir einerseits den Auftrag haben, Grundlagenforschung zu unterstützen, andererseits natürlich, weil sich die Stiftung auch der kritischen interessierten Öffentlichkeit verstärkt annehmen muss. Ich zumindest hielte das für richtig. Aus mehreren Gründen. Zum einen, weil für uns unser Thema "Geschichte" auch politisch grosse Relevanz besitzt, zum anderen aber auch aus ganz stiftungsinternen Erwägungen, dass wir versuchen müssen, unsere Projekte und Programme und Angebote auch weiter bekannt zu machen. Und deshalb müssen wir ein Stück weit, denke ich, aus der manchmal doch sehr kleinen Gemeinde der Experten herauskommen, um überhaupt transportieren zu können, was denn hier in der Stiftung angeboten wird." (P10) Die im Teilprozess "Ergebnissicherung und Dissemination" zusammengefassten beiden Aufgaben lauten: 1. Dokumentation der Projektergebnisse 2. Veröffentlichung der Projektergebnisse 374 FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 10.5.1 Dokumentation der Projektergebnisse Die Dokumentation der Projektergebnisse kann auf vielfältige Weise erfolgen. Zusammen mit den Ergebnissen des Projektmonitorings muss auf jeden Fall sicher ge- Inhalte eines End-Dossiers festlegen stellt werden, dass alle Informationen aus dem Projekt langfristig in der Stiftung sichergestellt werden (organizational memory). Dieses Enddossier beinhaltet sowohl "technische" Informationen zum Projektmanagement als auch "inhaltliche" Informationen zur Ziel- und Ergebnisebene des Projekts. Insbesondere bei grösseren Stiftungen mit einer gewissen Fluktuation im Bereich der Geschäftsstelle wird dadurch verhindert, dass "das Rad immer wieder neu erfunden wird" und eine inhaltliche Abstimmung von Einzelmassnahmen" erschwert wird. Die Ergebnissicherung ist die konsequente Weiterführung eines umfassenden Æ Projektmonitorings (Kap. 10.4, S. 360), denn wie bereits erwähnt, beinhaltet ein Projektmonitoring sinnvollerweise immer auch eine Selbstevaluation z. B. der Abläufe und unterstützt somit das Lernen in der Stiftung und deren Wissensmanagement. Eine gut angelegte Dokumentation der Ziele, des Ablaufs und der Ergebnisse ist auch Grundlage für eine sog. Meta-Evaluationen auf der Ebene der gesamten Stiftung (Æ Kap. 12.1 Evaluation, S. 455), wenn es allgemein um die tägliche Stiftungspraxis und um den Beitrag eines Projekts zur Erreichung der Mission geht. Insofern ist ein Projektende immer auch ein Anfang. Denn: "Es wäre zu wenig, gemessen an dem Anspruch der Förderung und der eigenen Zielsetzungen, wenn die Ergebnisse nur in der Projektakte abgelegt würden. Die Projektergebnisse müssen bewertet werden - aus der Sicht des Projektnehmers wie auch aus dem Blickwinkel der Stiftung." (Bender 2002c, S. 10) Weiterführung des Projektmonitorings Selbstevaluation durchführen FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 375 Ein Projektdossier nach Abschluss des Projekts sollte demgemäss Folgendes beinhaltet: MusterProjektdossier den gesamten Antrags- und Selektionsvorgang des jeweiligen Projekts inkl. Notizen und Gutachten der mit der Selektion betrauten Personen den spezifisch ausgearbeiteten Projektvertrag inkl. aller allfällig ergänzten Punkte die (Ergebnis-)Protokolle des Coachings inkl. der ggf. geänderten Projektziele die finanziellen und inhaltlichen Zwischenberichte des Monitorings das umfassende Abschlussmonitoring die im Laufe des Projekts entstandenen Publikationen inkl. der Berichte über das Projekt (z. B. Rezensionen) die projektspezifischen Festlegungen zur Ergebnisdissemination inkl. Zielgruppendefinition und Kommunikationskanälen Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich der Dokumentation der Projekt-Ergebnisse: 112. Welche Inhalte umfasst das End-Dossier eines Projektes? 113. Wie umfangreich werden die Projektergebnisse zur Gewinnung von Erfahrungswerten für zukünftige Projekte und Verbesserung der internen Abläufe aufgearbeitet? 10.5.2 Veröffentlichung der Projektergebnisse Neben der internen Dokumentation ist besonders die Dissemination der Projektergebnisse zentraler Baustein auf dem Weg zu höherer Wirksamkeit. Die Forderung von Bender (2002c, S. 10), dass Projektergebnisse in die Öffentlichkeit gehören, ist nicht nur eine gut gemeinte Empfehlung, sondern notwendige Massnahme einer Stiftung unter Bezugnahme auf die in der Einleitung dieser Aufgabe formulierte Argumentation einer Stiftung als quasi-öffentlicher Organisation, die "in der Gesellschaft" wirkt und der daraus abgeleiteten Verpflichtung zur Veröffentlichung von Projektergebnissen. Veröffentlichung als Notwendigkeit erkennen 376 FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess Eine Vergabestiftung kann nicht auf die Veröffentlichung der Projektergebnisse verzichten, um einer interessierten Öffentlichkeit die von ihr geförderten Vorhaben zugänglich zu machen, genauso wenig wie sie auf Öffentlichkeitsarbeit verzichtet kann, um sich und ihre Mission einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen, damit sie überhaupt mit geeigneten Projektpartnern in Kontakt kommt. Die Dissemination von Ergebnissen im Sinne eines Knowledge Brokers hilft Ressourcen zu schonen: auf Seiten anderer Stiftungen und Institutionen mit ähnlichen Anlie- Knowledge Broker gen und Arbeitsschwerpunkten, wodurch diese ihre Aktivitäten besser abstimmen und Doppelspurigkeiten vermieden werden können. Auch auf Seiten der Projektpartner ergibt sich eine Ressourcenschonung dadurch, dass auf bereits gewonnene Erkenntnisse und "best practices" zurückgegriffen werden können und nicht jedes Mal "das Rad neu erfunden" werden muss. Bei der Ergebnisdissemination muss die Frage nach der geeigneten Form der Aufbereitung sowie, damit verbunden, nach der Definition der Zielgruppe im Mittelpunkt stehen (Æ Kap. 11.3 Kommunikationsmanagement, S. 412). Ein Geschäftsführer einer mittelgrossen Stiftung weist jedoch auf die Schwierigkeiten hin, die im Zusammenhang mit der Aufbereitung entstehen: "Bei einer klassischen, wissenschaftlichen Studie, die wir fördern, revidieren wir zusammen das Buch, das zwar einen Autor hat, aber ein Buch der Stiftung XY ist. In einem solchen Fall, wenn es ein Manuskript gibt, ist das jeweils ein schrecklicher Moment, wenn das Manuskript zum ersten mal auf unserem Tisch liegt. Meistens muss man sagen: ‚Nein, so geht das nicht.’ Und dann muss man das den Autoren irgendwie schonend beibringen. Dann setzt in aller Regel ein ausserordentlich produktiver, kreativer Prozess ein, zusammen mit dem Autor, wo wir dann gemeinsam schauen, wie wir das für die Zielgruppe am besten aufbereiten. Wir haben dann z. B. einen Spezialisten für die Titel, eine Art Chefredaktor, der alle unsere Titel betreut, auch Kapiteltitel, Abschnitttitel usw. Einer, der sehr gut schreibt. Das ist insgesamt ein intensiver Prozess, bis das Werk so aufbereitet ist, dass wir denken, es spricht die Zielgruppe an." (P12) Die Aufbereitung in schriftlicher Form als Artikel in einer Fachzeitschrift oder gar als eigenständige Publikation ist insbesondere im wissenschaftlichen Bereich die gän- Form der Aufbereitung festlegen FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 377 gigste Variante. Für den Bereich Kunst und Kultur können auch Diashows, Videos/DVDs, Drehbücher usw. als mögliches Resultat der Ergebnisaufbereitung sinnvoll erscheinen. Erfahrungsberichte, Vorträge und Situationsbeschreibungen können für andere Bereiche hilfreiche Dokumentationen darstellen. Als Informationsmedium bietet sich inzwischen das Internet an, das sehr viele Möglichkeiten der Dissemination für nahezu alle Formen bietet (Downloads von Vorträgen, Filmen, Artikeln etc.). Daneben können öffentliche Symposien und Abschlusskonferenzen, Aufführungen oder Lesungen interessante Möglichkeiten bieten, ein breiteres Zielpublikum anzusprechen (Æ Kap. 11.3 Kommunikationsmanagement, S. 412). Ein erster Ansatz zur Information über die Projekte mit relativ geringem Aufwand stellt der Jahresbericht dar oder eine laufend auf der Website der Stiftung nachgeführte Liste. Gemäss Bender (2002c, S. 11) wird das Internet von vielen Stiftungen jedoch nur unzureichend genutzt, um die von ihnen geförderten Vorhaben und deren Ergebnisse einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. So bemängelt er, dass bei seinen Untersuchungen im Jahre 2002 "nur fünf [von 15 untersuchten] Stiftungen beispielsweise auf ihren Internetseiten eine Projektliste führen, in der die geförderten Projekte und deren Ergebnisse leicht zugänglich sind." Das Ergebnis dieser nicht-repräsentativen Umfrage dürfte selbst heute (2005) nicht signifikant besser ausfallen, obwohl es einige "best practices" in diesem Bereich gibt, die z. B. folgende Aspekte aufführen: Titel des Projekts Projektpartner (Person/Institution) Kurzbeschreibung ("reason why" und Inhalt) Ziele und (Zwischen-)Ergebnisse Kontakt (Stiftung und Projektpartner) Laufzeit und Fördervolumen Ansätze und Kanäle FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 378 Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich der Veröffentlichung der Projektergebnisse: 114. Welchen Nutzen bringt die Veröffentlichung von Projektergebnissen - auf Seiten der Stiftung, aber auch auf Seiten anderer Akteure in gleichen oder ähnlichen Wirkungsfeldern? 115. Wie erfolgt die Aufbereitung der Projektergebnisse und wer ist dafür verantwortlich? 116. Durch welche Ansätze und Kanäle werden die Zielgruppen der Stiftung am besten erreicht? 10.6 Weiterführung und Replikation von Projekten Die weitere Bearbeitung eines Wirkungsfeldes sowie mögliche Wiederholung von Projekten, entweder im gleichen Themengebiet oder in anderen Anwendungszusammenhängen, aber mit gleichem Ablauf, sind die letzten Schritte eines umfassenden Wertschöpfungsprozesses, der zwar mit der Projektakquisition formal beginnt, doch erhebliche Verknüpfungen mit den davor liegenden gestalterischen Festlegungen in der Æ Stiftungspolitik (Kap. 9.1, S. 228) und Æ Stiftungsstrategie (Kap. 9.2, S. 288) ausweist und somit nicht unabhängig davon betrachtet werden kann. Genau so verhält es sich mit dem "Ende" des Wertschöpfungsprozesses, das eigentlich den Übergang in die Æ Evaluation (Kap. 12.1, S. 455) im Sinne einer umfassenden Legitimierung der Stiftungstätigkeit darstellt. Die im Teilprozess "Weiterführung und Replikation von Projekten" zusammengefassten Aufgaben lauten: 1. Prüfung von Anschlussprojekten 2. Replikation von Projekten 10.6.1 Prüfung von Anschlussprojekten Die erste Aufgabe in diesem Bereich ist die Prüfung von Möglichkeiten von Anschlussprojekten, um das in Angriff genommene Wirkungsfeld umfassend zu bearbeiten. Insbesondere im Bereich der Wissenschaftsförderung gibt es zahlreiche Beispiele, bei denen ein erstes Projekt Grundlagen geschaffen hat, in Folge dessen inte- Thematische Arrondierung prüfen FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess 379 ressante Fragen aufgetaucht sind, die eine weitere Erschliessung des Themas sinnvoll erscheinen lassen. Zudem sind viele Themen so komplex, dass eine ganze Reihe von Projekten notwendig ist, um eine gewisse Arrondierung eines Erkenntnisbereichs erreichen zu können. Durch weitere Projekte in einem Themenbereich kann dann für eine Stiftung durchaus ein "institutionalisierter" Programmschwerpunkt entstehen. Ein Beispiel für eine Ausweitung der Stiftungsaktivitäten in einem bestimmten Wirkungsfeld beschreiben z. B. Breiteneicher und Marble (2003, S. 688): Eine Stiftung, deren Projektschwerpunkt auf dem Bau von preisgünstigem Wohnraum in wohlhabenden Gemeinden liegt, vergab einen wissenschaftlichen Forschungsauftrag. Untersucht werden sollte die Behauptung ihrer Projektpartner, dass ihre neuen Wohnungsbauprogramme nicht zu einem Verfall der Immobilienpreise in der Gemeinde führen - ein Aspekt, den die Gemeinden regelmässig vortragen, um Wohnungsbauinitiativen für einkommensschwache Familien entgegenzuwirken. Anschlussprojekte sind zudem insofern Ressourcen schonend, als dass aufgrund der erlangten Kompetenzen und gewonnenen Erfahrungen Ziele prägnanter formuliert Schonung von Ressourcen und Wirkungspotentiale besser abgeschätzt werden können. Durch die Æ Rückführung der Projektergebnisse (Kap. 10.5, S. 372) in die Stiftung kann sie auch ein engeres Æ Coaching (Kap. 10.3, S. 354) zukünftiger Projektpartner eruieren. Auch hat sich eine Stiftung während der Projektphase meist ein Netzwerk erschlossen, das z. B. auch die gezielte, proaktive Ansprache bestimmter besonders qualifizierter Personen oder Institutionen erlaubt. Stiftungen können sich in einer solchen Entwicklung auch von einer relativ responsiven Vergabestiftung zu einer mehr und mehr proaktiven, "quasi"-operativen Stiftung wandeln. Neben der inhaltlichen "Abarbeitung" eines ganzen Themenkomplexes bietet sich ggf. auch an, das bisher gewählte Æ Interventionslevel (Kap. 9.1.3, S. 239) zu überprüfen und es ggf. bei Folgeprojekten auf anderen Stufen anzusetzen. All die Unterschiedliches Interventionslevel oben genannten Aspekte dienen dem, was Prager fordert: "A foundation's success in devising solutions to social problems lies in its ability to address them systematically” (Prager 2003, S. 21). Die Prüfung von Anschlussprojekten impliziert aber auch, dass eine Stiftung zum, Entschluss kommen kann, dass sie sich aus dem bisherigen Wirkungsfeld zurückzieht, da z. B. die gesteckten Ziele erreicht sind oder sie erkannt hat, dass Rückzug 380 FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess aufgrund ihrer Ressourcen und Kompetenzen eine wirksame Bearbeitung des Themas nicht möglich ist. Aus diesem Grund muss eine Stiftung für jedes geförderte Projekt und für jedes identifizierte Wirkungsfeld auch eine Exit-Strategie besitzen (Æ Kap. 9.2 Stiftungsstrategie, S. 288). Diese umfasst eine klare Planung, wie lange oder bis zur Erreichung welcher Ziele sich die Stiftung in dem spezifischen Wirkungsfeld engagieren will, auch um "ihrer" Community oder "ihrem" Projekt ehrlich zu signalisieren, wann sich die Partner ggf. nach neuen Förderern umsehen müssen, um das bisher Erreichte fortzuführen. Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich der Prüfung von Anschlussprojekten: 117. Wie erfolgt die Prüfung von Anschlussprojekten zur thematischen Arrondierung der Stiftungsaktivitäten in einem Wirkungsfeld (strategisches Projektportfolio)? 118. Welche Erkenntnisse können für weitere Projekte des Wirkungsfelds (inhaltlich oder technisch-konzeptionell) nutzbar gemacht werden? 119. Welche Folgen hätte ein Rückzug aus dem Wirkungsfeld zum aktuellen Zeitpunkt oder sind die strategischen Ziele (Massnahmenplan, Projektportfolio) erreicht? 10.6.2 Replikation von Projekten Neben der oben beschriebenen Weiterführung von Projekten ist jedoch auch die Replikation von Projekten in anderen Wirkungsfeldern und ggf. zusammen mit Part- Replikationsfelder evaluieren nern eine Möglichkeit, die Wirksamkeit der eigenen Stiftungstätigkeit zu erhöhen. Insbesondere für Stiftungen, die sich die Innovationsfunktion zur Grundlage ihrer Aktivitäten genommen haben, sind diese auch gewissermassen Katalysatoren zur weiteren Anwendung der Ergebnisse (z. B. Modellversuche). Dieses Potential wird noch zu wenig ausgeschöpft, meint auch Prager (2003, S. 27) und fügt an: "Too often, effective social interventions are not replicated in such a way as to test their effectiveness in other settings, or to promote their wider acceptance and application in other communities and situations.” Doch diese Aussage lässt sich nicht nur auf die Innovationsfunktion anwenden, auch diejenigen Stiftungen, die eine Stabilisierungsfunktion ausüben, können ihr Know-how und ihre Erfahrungen in der Stiftungslandschaft und darüber hinaus weitergeben. Eine Stiftung hat auch Verantwortung für das "grosse Ganze" und muss deshalb den Blick über die eigenen Projektgrenzen vor- Stiftung als Katalysator FE-C Grundkategorie 3: Der Wertschöpfungsprozess nehmen. Zusammen mit der Publikation 381 von Ergebnissen und eigenen Anstrengungen in nachfolgenden Projekten ergeben sich so Möglichkeiten für eine beträchtliche Breitenwirkung der Stiftungstätigkeit. Ein Geschäftsführer beschreibt in einem Interview ein Beispiel der Wirkung eines Projekts mit Modellcharakter, das nun auf Bundesebene und in anderen Kantonen der Schweiz Interesse geweckt hat: "Es ist so, dass das Interesse an dem Projekt auf Bundesebene so gross ist, dass der Bundesrat selbst kommt und sagt: ‚Wir wollen dieses Projekt ausdehnen in anderen Kantonen, denn es könnte wirklich eine neue Antwort zu regionalpolitischen Fragen geben.’" (P2) Die Replikation von Projekten kann z. B. auch dadurch unterstützt werden, dass Begegnungen mit anderen Stiftungen oder Institutionen organisiert werden, die zum Austausch von Wissen und Erfahrungen dienen (Æ Kap. 9.2.4 Kooperationen, S. 310). "Dabei können z. B. erfolgreiche Praxisbeispiele diskutiert oder es kann nach replizierbaren Modellprojekten gesucht werden. […] Ausserdem können sie andere Stiftungen auf exemplarische Projekte hinweisen, die zusätzliche Unterstützung benötigen" (Breiteneicher/Marble 2003, S. 688). Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich der Replikation von Projekten: 120. Wie werden mögliche Replikationsfelder für Projekte evaluiert, die zur Erreichung der Mission bzw. der strategischen Ziele der Stiftung beitragen? 121. Wie erfolgt eine Identifizierung von Organisationen, die eine Replikation von Projekten z. B. zusammen mit der Stiftung durchführen? Zusammenarbeit prüfen FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 382 "Das ist auch ein Management-Stil: Unruhe in den Gedanken, Ruhe in der Umsetzung." Daniel Goeudevert, dt. Topmanager (1942) 11 FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse Die Supportprozesse im FE-C umfassen alle Aktivitäten, die der Schaffung geeigneter Voraussetzungen für den friktionslosen Vollzug des Wertschöpfungsprozesses dienen. Geeignete Voraussetzungen zeichnen sich dabei aus durch die Möglichkeiten zur Ausschöpfung von Effektivitäts- und Effizienzpotentialen. Zu den Supportprozessen gehören für Stiftungen folgende fünf Teilprozesse (vgl. Abbildung 11-1): 1. Finanzmanagement 2. IT-Management 3. Kommunikationsmanagement 4. Kooperationsmanagement 5. Human Resource-Management FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 383 Mission Mission Finanzmanagement Input Input ITManagement Aktivitäten Aktivitäten Projekte Projekte Kommunikationsmanagement Kooperationsmanagement HRManagement Output Output Impact Impact Abbildung 11-1: Die Supportprozesse einer Stiftung mit den fünf Teilprozessen Die Vorgaben, im Sinne von Einschränkungen, aber auch von Handlungsspielräumen für die einzelnen Supportprozesse stammen aus dem Gestaltungsprozess. Die vielfältigen Verweise aus den und auf die dort detailliert beschriebenen Teilprozesse - wie auch in den Wertschöpfungs- und den Legitimierungsprozess - dokumentieren die starke Vernetztheit der Entscheidungen aller Grundkategorien des FE-C. Die folgenden Aufgaben der einzelnen Supportprozesse unterstützen das Stiftungsmanagement zudem im konstruktiven Umgang mit den organisationalen Defiziten einer Stiftung und der Handhabung der Paradoxien der Stiftungspraxis, wie sie ausführlich im Hinblick auf den Aufbau von Vertrauen in und Wertschätzung der Stiftungsarbeit in Kapitel 6 vorgestellt werden. Die im Verlauf dieses Kapitels vorgestellten Handlungsoptionen beruhen z. T. auf allgemein anerkannten Managementwerkzeugen und -ansätzen, die jedoch im Rahmen dieser Darstellung auf die Spezifika von Stiftungen adaptiert und - wie die Aufgaben und Handlungsoptionen in den vorherigen Grundkategorien - mit Beispielen aus der Stiftungspraxis sowie Belegen aus den Interviews untermauert werden. FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 384 11.1 Finanzmanagement Im Supportprozess "Finanzmanagement" werden die in der Æ Stiftungspolitik (Kap. 9.1, S. 228) festgelegten Grundsatzentscheide bezüglich Anlagepolitik aufgenommen sowie die entsprechenden Vorgaben und Anforderungen der strategischen Entscheidungen und des Wertschöpfungsprozesses umgesetzt, um die Voraussetzungen für eine wirkungsvolle und effiziente Stiftungsarbeit zu legen. Die ideellen Ziele (Æ Kap. 9.1.1 Stifterwille, S. 229, Æ Kap. 9.1.2 Mission, S. 233) geben einer Stiftung zwar ihre Existenzberechtigung, doch die Festlegung der Ziele und Massnahmen des Finanzmanagements ist von zentraler Bedeutung für dauerhafte und verlässliche Stiftungsaktivitäten. So wichtig die zweckorientierte Zielerreichung ist (Sachzieldominanz), ohne ein entsprechendes Finanzmanagement kann eine Organisation nicht (lange) handlungsfähig sein. Deshalb gehört der seriöse Umgang mit den Finanzen zu den zentralen Aufgaben eines Stiftungsmanagements. Die im Supportprozess Finanzmanagement zusammengefassten Aufgaben umfassen: 1. Festlegung der Vermögensausstattung und Grundsätze der Vermögensausschüttung Dabei ist zu beachten, dass generelle Regeln für das Finanzmanagement einer Stiftung schwierig sind, da diese massgeblich von der Art der Vermögensausstattung (Aktien und andere Wertpapiere, Immobilen, Kunstwerke etc.) abhängen. 2. Bewirtschaftung des Stiftungsvermögens Dazu gehören auch auf bestimmten Kriterien basierende Anlageentscheide bezüglich des Stiftungsvermögens (z. B. "missionsorientierte" Investments) ebenso wie Entscheide über das mögliche Outsourcing der Vermögensbewirtschaftung sowie eine periodische Überwachung der Vermögensentwicklung.175 175 Für Spenden sammelnde Stiftungen sowie für Stiftungen in Erwartung von Zustiftungen stellen sich hierbei weitere, besondere Anforderungen, z. B. Prüfung der Herkunft der Gelder. FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 385 3. Aufbau eines Rechnungswesens und Aufbereitung eines Jahresabschlusses Hier sind ebenfalls Fragen des Budgetierens und der Buchhaltung angesprochen, die eine wichtige Grundlage für ein reibungsloses Funktionieren der Stiftungstätigkeit darstellen. 11.1.1 Festlegung der Vermögensausstattung und Grundsätze der Vermögensausschüttung Jede rechtsfähige Stiftung muss über ein gewisses Vermögen verfügen (Æ Exkurs: Gründungsleitfaden, S. 221). Das Stiftungsvermögen besteht aus Mitteln, die vom Stifter oder von den Stiftern ausgesondert und an die Stiftung übertragen wurden und Relation Zweck Vermögen beachten ausschliesslich zur Zweckverfolgung eingesetzt werden dürfen. Grundsätzlich ist der Stiftungsrat für die zweck- und ordnungsmässige Umsetzung der Stiftungstätigkeit mit den verfügbaren finanziellen Mitteln verantwortlich (Æ Kap. 9.1.6 Zuständigkeiten, S. 263). Die Höhe des Stiftungsvermögens muss die zweckentsprechende Tätigkeit der Stiftung dauerhaft und nachhaltig erlauben (für die Schweiz: Sprecher/von Salis-Lütolf 1999, für Deutschland: Hof et al. 2004), d. h. ein angemessenes Verhältnis zwischen Stiftungsvermögen und Stiftungszweck ist Voraussetzung für die Errichtung und den Erhalt einer Stiftung. Sowohl bei der Stiftungsgründung als auch bei einer allfälligen Neupositionierung der Stiftung gilt es, diesen Grundsatz zu beachten. So ist z. B. die Kapitalausstattung einer kleinen Stiftung mit lokalem Aktionsradius erst dann kritisch zu überprüfen, wenn diese im Rahmen einer Neuausrichtung zukünftig global tätig sein möchte. In einem solchen Fall muss entweder der geographische Aktivitätsradius angepasst werden oder es muss überlegt werden, ob z. B. über Zustiftungen ein grösseres Stiftungsvermögen aufgebaut werden kann. Grundsätzlich ist die Kapitalausstattung einer Stiftung frei bestimmbar, allerdings sollte bei der Stiftungsgründung eine gewisse Grenze nicht unterschritten werden. Eine Mindestkapitalausstattung ist weder in der Schweiz noch in Deutschland von Gesetzes wegen vorgesehen. Die Eidgenössische Stiftungsaufsicht in Bern (EDI) setzt bei der Gründung einer Stiftung jedoch ein Mindestkapital von CHF 50'000.-fest. In Deutschland wird diese Grenze bei selbständigen Stiftungen mit EUR 50'000.—veranschlagt (Æ Exkurs: Gründungsleitfaden, S. 221). Dieser Betrag ist (zwar abhängig vom Zweck) als eher niedrig zu bewerten, stehen doch grundsätzlich Mindestkapitalausstattung FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 386 nur die Erträge aus dem Kapital für die Stiftungsarbeit zur Verfügung. Bei einem Kapital von CHF 50'000 wären das bei einer jährlichen Verzinsung zu 5% nur CHF 2'500, bei CHF 250'000 entsprechend CHF 12'500 und bei CHF 500'000 immerhin CHF 25'000. Hierbei gilt festzuhalten, dass das für die Zweckverfolgung notwendige Kapital nicht bereits zu Beginn der Stiftungstätigkeit vorliegen muss - allerdings bedarf es in einem solchen Fall einer glaubhaften Aussicht auf Vermögenszuwachs durch die Stifter. Sprecher und von Salis-Lütolf (1999) verdeutlicht, dass die blosse Absicht, das Stiftungsvermögen durch Spenden- und Sammelaktionen zu vergrössern, in der Regel für die Glaubhaftmachung nicht ausreicht. Meyer et al. (2003) zeigen anhand eindrücklicher Beispiele, dass auch mit kleinen Summen - zwar eher in der Förderart der Befriedigung dringlicher Bedürfnisse - einiges bewirkt werden kann: Mit EUR 5600.-- konnte die Happy Day Stiftung Unterkünfte für 21 vietnamesische Familien bereitstellen oder mit EUR 10'000.-- der Wiederaufbau einer erdbebenzerstörten Ortschaft in El Salvador durch die Schneider Stiftung erfolgen. EUR 12'000.-- reichten für die Ausstattung einer Gesundheitsstation für AIDS-kranke Kinder in Uganda (Hof Stiftung) oder EUR 33'000 für den Bau und den Unterhalt für ein Jahr von fünf Schulen für 500 indische Kinder durch die Free The Children Stiftung. Prinzipiell kann eine Stiftung Vermögenswerte aller Art besitzen, z. B.: Kapitalvermögen resp. Barvermögen Wertpapiere Unternehmensanteile Kunstgegenstände Grundstücke und Immobilien Forderungen Patent-, Lizenz- und Urheberrechte Das Stiftungsvermögen z. B. bestehend aus einer Kunstsammlung ist als solches nicht ausreichend, weil ein Ertrag aus eben diesem Vermögen benötigt wird, um nur schon den Erhalt der Kunstwerke sowie die übrige Stiftungsarbeit finanzieren zu können. Zentral ist also, dass das Vermögen einen objektiven wirtschaftlichen Wert aufweist und dass zumindest ein Teil des Vermögens Erträge abwirft zur Finanzierung der Arten von Vermögenswerten FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 387 Stiftungsarbeit (Meyer et al. 2003, Hof et al. 2004). Schliesslich gilt es, die später aufgezeigten stiftungsspezifischen Anforderungen zwischen kurzfristiger Liquidität und langfristiger Rendite zu beachten. Die Grundlage für die Bewirtschaftung des Stiftungsvermögens ist die entweder in der Æ Stiftungsurkunde (Exkurs: Gründungsleitfaden, S. 221) vorgegebene oder im Rahmen der Æ Stiftungspolitik (Kap. 9.1, S. 228) festgelegte Lebensdauer einer Stif- Grundsätze der Vermögensausschüttung festlegen tung. Dieser Entscheid hat massgeblichen Einfluss auf die anzustrebende zukünftige Vermögensentwicklung und die Grundsätze der Vermögensausschüttung. Das Spektrum reicht dabei vom Verzehr des Stiftungsvermögens (sog. Verbrauchsstiftung) über den Erhalt bis hin zur kurzfristigen (s. u.) Anhäufung von Stiftungskapital. Um eine Verbrauchsstiftung dauerhafte und nachhaltige Zweckerfüllung der Stiftung zu gewährleisten, gilt für das Stiftungsvermögen prinzipiell das stiftungsrechtliche Gebot der Vermögenserhaltung, d. h nur die Erträge dürfen für die Umsetzung des Stiftungszwecks verwendet werden. Dies impliziert, dass das Vermögen weder verschenkt, verbraucht, unter Wert veräussert oder in einer sonstigen Weise verringert werden darf. Das Vermögen soll demnach in seinem wirtschaftlichen Bestand mit einer gleich bleibenden Ertragskraft erhalten werden. Von diesem Grundsatz kann nur dann abgewichen werden, wenn dies der Stifter entweder in der Stiftungsurkunde vorsieht oder der Stifterwille nicht anders zu verwirklichen ist (vgl. Sprecher/von Salis-Lütolf 1999). Unter diesen besonderen Umständen dürfen grundsätzlich alle Gegenstände des Stiftungsvermögens veräussert werden, ausser der Stifter hat in der Stiftungsurkunde etwas anderes festgehalten oder die Veräusserung widerspricht dem Zweck der Stiftung. In der Praxis wird das Antasten des Stiftungskapitals oftmals zugunsten der Projektnehmer etwas grosszügiger gehandhabt. So beschreibt ein Stiftungsexperte folgende Situation: "Viele Stiftungen leben vom Ertrag. Es heisst z. B. in der Urkunde, dass der Ertrag jährlich zu vergeben oder zu verbrauchen ist und dass die Substanz nicht angegriffen werden darf. Und dann gibt es noch die Grenzsituation, wenn z. B. die Börse sinkt aber die Stiftung schon Projektgelder zugesagt hat. Diese Situation wird dann oftmals so gehandhabt, dass für einen kleinen Zeitraum eine so genannte Unterdeckung in Form eines ‚Anbrauchens’ des Vermögens erlaubt wird. Es muss allerdings glaubwürdig dargelegt werden, dass Vermögenserhaltung FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 388 das Stiftungskapital in den nächsten zwei Jahren wieder auf den alten Stand zurückgeführt wird." (P18) Ein Stifter sollte in der Stiftungsurkunde ebenfalls vorsehen, was mit dem Vermögen im Falle einer Auflösung der Stiftung geschehen soll. In der Schweiz wird das Rest- Auflösung der Stiftung vermögen bei Auflösung anderen Stiftungen mit ähnlicher Zwecksetzung zugeteilt, falls keine in der Stiftungsurkunde gemacht wurden; in Deutschland sind dabei zusätzlich Rückübertragungen auf den Stifter oder seine Erben möglich, wobei diese nicht mehr als die eingezahlten Kapitalanteile zurückerhalten können. Das Restvermögen darf nur für steuerbegüngstigte Zwecke verwendet werden (Hof et al. 2004). Grundsätzlich gilt für Stiftungen ein Thesaurierungsverbot, d. h. Erträge dürfen nicht in der Stiftung zurückbehalten werden. Mit anderen Worten dürfen sowohl in Deutschland, der Schweiz als auch den USA die Erträge nicht dem Grundstock des Vermögens zufliessen. Erträge können z. B. aus Vermögen oder eingeworbenen Spenden entstehen. Die deutsche Rechtsprechung geht beim Thesaurierungsverbot noch einen Schritt weiter, indem der Grundsatz lautet, dass alle Erträge zeitnah zur Erfüllung des Stiftungszwecks zu verwenden sind (zeitnahe Mittelverwendung). Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist dies dann gegeben, wenn die Mittel "spätestens in dem auf den Zufluss folgenden Kalender- oder Wirtschaftsjahr für die in der Satzung vorgegebenen steuerbegünstigten Zweck eingesetzt werden" (Hof 2004, S. 33). Die Gesetzgebung zur zeitnahen Mittelverwendung der Erträge löst allerdings keinen Performance-Druck der Anlagen aus. Es ist ausreichend, die erwirtschafteten Erträge unabhängig ihrer absoluten Grösse auszuschütten. In der Schweiz bestehen bezüglich Ausschüttungen keine Richtlinien. Es ist ebenfalls lediglich das Anhäufen von Kapital untersagt. Die USA hat bezüglich der Mittelverwendung die eindeutigste Regelung: 5% des Kapitals müssen jährlich abzüglich angemessener Verwaltungskosten zweckbestimmt ausgeschüttet werden.176 176 Diese Regelung trat 1981 in den USA in Kraft. Davor waren die Stiftungen angehalten, entweder 5% ihrer Aktiven auszuschütten oder den tatsächlich erwirtschafteten Ertrag, je nachdem welcher Betrag höher war. Thesaurierungsverbot FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 389 Es gibt vom Thesaurierungsverbot allerdings zwei Ausnahmen - unter der Bedingung, dass sie in der Stiftungsurkunde vorgesehen sind: 1. Eine zweckgebundene Rücklagenbildung über einen längeren Zeitraum für besonders aufwändige Vorhaben der Zweckverwirklichung. Getätigte Rücklagen müssen in der Rechnungslegung transparent gemacht und speziell ausgewiesen werden. 2. Das Vermögen einer Stiftung wurde derart vermindert, dass die Erfüllung des Stiftungszwecks beeinträchtigt wird. Nach Rücksprache mit der Stiftungsaufsicht können dann die Erträge des Stiftungsvermögens so lange akkumuliert werden, bis die Stiftung wieder leistungsfähig im Sinne der Zweckerfüllung ist. Grundsätzlich müssen alle Mittel einer Stiftung mittel- oder unmittelbar zur Erfüllung des Zwecks verwendet werden.177 Dabei gelten folgende Grundsätze: Sparsamkeit in der Mittelverwendung Grundsätze der Vermögensverwendung beachten Wirtschaftlichkeit der Verwaltung Verhältnismässigkeit zwischen Aufwand und Ertrag Diese eher vagen Kriterien lassen nicht unmittelbar einen Schluss auf die zulässige Höhe der Verwaltungskosten einer Stiftung zu. Generell gilt, dass eine Stiftung ihren Gemeinnützigkeitsstatus zu verlieren droht, wenn sie weniger als 50% ihrer Mittel für den steuerbegünstigten Zweck einsetzt. Stiftungen können schwer untereinander in Bezug auf das Verhältnis von Ausgaben und Verwaltungskosten verglichen werden, da eine Stiftung mit festem Destinatär sachbedingt geringere administrative Aufwendungen aufweist als eine Stiftung, die Anträge prüft, Projekte coacht und evaluiert sowie die Ergebnisse sichert und publiziert. Sprengel et al. (2003) halten diesbezüglich fest, dass Verwaltungskosten unterhalb von 10% als tief und grundsätzlich als unproblematisch angesehen werden, 10-20% werden als angemessen eingestuft. Als Verwaltungsausgaben werden Ausgaben erfasst, die der Zweckerfüllung durch einen reibungslosen Ablauf des Betriebes dienen. Dazu zählen im engeren Sinne Kosten der 177 Organisation, des Rechnungswesens, der Finanzwirtschaft, der Bemerkenswert ist, dass gemeinnützige Stiftungen nach deutschem Recht bis zu einem Drittel ihrer Einkommen dazu verwenden können, in angemessener Weise den Stifter und seine nächsten Angehörigen zu unterhalten (Hof et al. 2004). Verwaltungskosten 390 FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse Personalverwaltung und der Sachverwaltung. Projektnebenkosten wie Ausgaben zur Projektakquisition und -selektion, zum Projektcoaching und -monitoring oder die Ergebnisdissemination werden als Verwaltungskosten im weiteren Sinn eingestuft (Æ Kap. 11.1.3 Rechnungswesen, S. 398). Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich der Festlegung der Vermögensausstattung und Grundsätze der Vermögensausschüttung: 122. In welcher Relation stehen Stiftungszweck und Stiftungsvermögen zueinander unter Beachtung einer allfälligen Fokussierung der Stiftungstätigkeiten in der Mission? 123. Welche Vermögenswerte besitzt die Stiftung und wie liquide sind diese - in Bezug auf die notwendige Finanzierung der Stiftungsarbeit? 124. Welche grundlegenden Bewirtschaftungs- und Ausschüttungsrichtlinien z. B. aus der Stiftungsurkunde oder der Stiftungspolitik sind vorhanden? 125. In welcher Relation stehen Vermögen und Verwaltungskosten zueinander unter Beachtung der Vorgaben aus der Stiftungspolitik und -strategie (z. B. Stiftungstyp, Förderansatz und -engagement)? 11.1.2 Bewirtschaftung des Stiftungsvermögens Aufgrund der Tatsache, dass Stiftungen ihren Zweck durch die Verwendung der Vermögenserträge verwirklichen, kommt dem Vermögen sowie der Vermögensverwaltung eine zentrale Rolle zu, mit dem Ziel einer sicheren und Ertrag bringenden Anlage der Vermögenswerte. Aus dem o. g. Grundsatz der Vermögenserhaltung folgt, dass das Stiftungsvermögen gewinnbringend anzulegen ist, um mit dessen Erträgen die Erfüllung des Stiftungszwecks vorzunehmen.178 Dabei gilt es einerseits den Finanzbedarf für die Förderpro- Finanzbedarf vs. Vermögensertrag jekte und andererseits die Ertragsmöglichkeiten der Anlagen gegenüberzustellen. Basierend auf den Entscheidungen in der Æ Stiftungspolitik (Kap. 9.1, S. 228) bezüglich Förderpolitik und dem geplanten Finanzbedarf zur Bearbeitung der strategisch bestimmten Æ Wirkungsfelder (Kap. 9.2.1, S. 290) gilt es, eine jährliche 178 Ausnahmen bilden hier diejenigen Stiftungen, welche ihren Zweck nicht durch die Erträge ihres Vermögens erfüllen wie z.B. Spenden sammelnde Stiftungen oder Anstaltsträgerstiftungen. PlanAusschüttungsquote festlegen FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 391 Plan-Ausschüttungsquote zu bestimmen und daraus abgeleitet eine angemessene Vermögensbewirtschaftung vorzunehmen. Prinzipiell richtet sich die Bewirtschaftung der Stiftungsvermögen nach den Vorgaben des Stifters in der Æ Stiftungsurkunde (Exkurs: Gründungsleitfaden, S. 221) oder einem Anlagestatut.179 Eine Studie der Dr. Dr. Heissmann GmbH (Hafer- Bewirtschaftungsrichtlinien anwenden stock/Burkert, 2003) im Jahre 2003 hat bei der Befragung von 850 Deutschen Stiftungen ergeben, dass etwa ein Fünftel der benötigten Mittel über Spenden abgedeckt wird. Neben Zuschüssen der öffentlichen Haushalte, Mieteinnahmen, Lotterieerträgen u. a. bildet das "eigentliche" Stiftungsvermögen und dessen Erträge zu mehr als 50% die zentrale Finanzierungsquelle. Der Kapitalmarkt ist somit der entscheidende Ort bei der Finanzierung der Stiftungen. Die Vermögensbewirtschaftung hat einerseits den Bestand des Stiftungsvermögens zu bewahren, andererseits muss sie daraus Erträge erzielen, um den der Stiftung vorgegebenen Zweck zu erfüllen. Aus diesem Grund sind Stiftungen gezwungen, ihre Finanzanlagen optimal auf die Fördertätigkeit abzustimmen. Die Stiftungsorgane haben vor diesem Hintergrund zwischen sicheren Anlagevarianten und einem für den Stiftungszweck möglichst optimalen Ertrag zu entscheiden. Es kann nicht das Ziel einer Stiftung sein, möglichst viele Erträge zu erwirtschaften, sondern vielmehr nachhaltige und konstante Erträge zu erzielen. So sollte das Risiko von grossen Kapitaleinschnitten und von zyklischen Erträgen vermindert werden. Die Stiftung wird durch die Wahrung dieses Grundsatzes zu einem verlässlichen Partner für potentielle Antragssteller und bestehende Destinatäre. Das Stiftungsvermögen sollte so bewirtschaftet werden, dass es keinen unverhältnismässigen Risiken ausgesetzt, also sicher und rentabel angelegt ist. Zentral ist die langfristige Sicherheit der Anlagen Der Stifter hat die Möglichkeit, in der Stiftungsurkunde oder im Anlagereglement allfällige Anlageentscheide vorzuschreiben, z. B. kann er vorgeben, dass das Kapital ausschliesslich in festverzinslichen Papieren oder in einem bestimmten Verhältnis auch in Aktien anzulegen ist (Meyer et al. 2003). 179 In der Stiftungsurkunde sollten dabei nur allgemeine Grundsätze und Leitlinien der Vermögensverwaltung vorgegeben sein. Die Einzelheiten hingegen werden mit Vorteil in speziellen Anlagereglementen geregelt, die bei Bedarf abgeändert werden können (Wachter 2002). Allgemeine Festlegungen in der Æ Stiftungspolitik sollten neben dem Grundsatz der Anlagevarianten eruieren FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 392 Dem Ziel der gleichmässig hohen Ertragsgenerierung bei gleichzeitigem Erhalt des Grundvermögens wird in der Regel durch eine sorgfältige Auswahl, Mischung und Streuung der Anlagen und Investitionen erzielt. Hierbei reicht die Spannweite von mündelsicheren Anlagen bis hin zu sehr risikobehafteten Investitionen. Die Studie der Dr. Dr. Heissmann GmbH zeigt aber auch deutlich, dass die Anlagepolitik von Stiftungen als eher konservativ beschrieben werden kann. So sind 37% der Mittel in Anleihen, 31% in Geldmarktprodukten, 15% in Immobilien und nur 10% in Aktien angelegt. Andere Schätzungen gehen davon aus, dass über 50% der Vermögen in Festgeldern und festverzinslichen Wertpapieren angelegt sind (Richter/Sturm 2005 und die dort angegebene Literatur). Auch die im Rahmen der Interviews mit Stiftungsvertretern von Foundation Excellence gewonnenen Erkenntnisse weisen auf eine grosse Risikoaversion der Stiftungsverantwortlichen bezüglich der Anlage des Kapitals hin. So strebt der Geschäftsführer einer grossen Stiftung eine "möglichst sichere Anlage, […] also keine riskanten, spekulativen Objekte oder Aktien, sondern etwas Moderates an." (P10) Ähnlich sieht es ein Stiftungsratspräsident: "Wie viel Risiko soll oder darf eine Stiftung eingehen in ihrer Tätigkeit? Also, in der Vermögensanlage sicher ein sehr ein kleines." (P20) Ein Stiftungsexperte sieht jedoch gerade in diesem Punkt noch ein grosses Potential für Stiftungen: "Die Vermögensanlage ist etwas, das ich auch bei kleineren Stiftungen sehe, was eben nicht so gross beachtet wird. Die haben ihr Vermögen in einer Liegenschaft drin, dann ist vielleicht nicht so viel zu machen. Verkaufen darf man sie nicht, weil sie zum Zweck gehört. Aber es gibt auch Stiftungen, bei denen sehe ich schon noch Potential. Die haben ihre ein bis zwei Millionen und legen das mündelsicher an, auch wieder aus einer Angst heraus, sie könnten sonst irgendeinem grossen Risiko ausgesetzt sein. Aber wenn man in einem vernünftigen Rahmen etwas machen würde, könnten wir bei unseren beaufsichtigten Stiftungen, die etwa zusammen eine Bilanzsumme von zwei sicheren und Ertrag bringenden Anlage auch andere Kriterien der Vermögensanlage enthalten. Dabei ist eine Priorisierung der unterschiedlichen Anlageziele vorzunehmen. konservative vs. progressive Anlagen FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 393 Milliarden aufweisen, wahrscheinlich beim Ertrag schon noch ein etwas mehr herausholen, wenn man das ein wenig besser beachten würde." (P18) Nimmt man die 5% Mindestausschüttungsquote für Stiftungen in den USA als Richtwert und berücksichtigt eine durchschnittliche Inflationsrate von 2% zur Erhaltung Zinstragende Werte des realen Stiftungsvermögens, wäre eine jährliche Mindestrendite von rund 7% notwendig. Es ist fraglich, von wie vielen Stiftungen dieses Renditeziel tatsächlich erreicht wird. Hof et al. (2004) empfehlen für angemessene Erträge die Anlage des Grundvermögens zu Hälfte in zinstragende Werte. Hierbei werden in der Regel keine Wertsteigerungen erzielt; sie liefern jedoch einen laufenden Nominalertrag. Dabei ist auf eine ausgewogene Verteilung der Fälligkeiten zu achten, um nicht in Liquiditätsengpässe zu geraten (Æ Kap. 11.1.2 Budget, S. 390). Zu beachten gilt es, dass Anlagen in festverzinsliche Werte der Gefahr des Geldwertverlustes ausgesetzt sind. Neben den zinstragenden Werten soll gemäss Hof et al. (2004) auch in Aktien und Immobilien investiert werden. Trotz kleinerer laufender Ertragsleistung liegt der Vorteil Aktien und Immobilien von Substanzwerten in einer allfälligen Wert- und Marktpreissteigerung - sie sind eher inflationsresistent. Zyklische Schwankungen sind aber auch hier nicht auszuschliessen. Derivative Geschäfte hingegen sind mit hohen Risiken verbunden und eignen sich daher für Stiftungen nur sehr begrenzt. Die Erreichung der Renditeziele durch die von Hof et al. (2004) vorgeschlagenen Anlagen ist v. a. in Zeiten geringer Renditen und seitwärts tendierender Märkte schwierig. Vielmehr sollten vom allgemeinen Marktverlauf abgekoppelte Ertragsmöglichkeiten evaluiert werden. Richter und Sturm (2005) schlagen hierzu Hedge Fonds vor. Hedge Fonds haben das Ziel, eine stetig positive Rendite unabhängig von allgemeinen Marktrisiken zu bieten. Die bei US-Stiftungen bereits weit verbreitete Investitionsform gewinnt auch in Europa zusehends an Gewicht. Die Grundidee einer solchen Anlagestrategie liegt im Investment in Anlagen, von denen ein Fondsmanager denkt, sie besonders gut einschätzen zu können. Durch die Durchführung von Leerverkäufen180 und den Einsatz von Fremdkapital zur Finanzierung der Anlagen soll ein möglichst hoher Leverage erzielt werden. Aus stiftungsrechtlicher Perspektive sind Hedge Fonds ebenso wie Aktien, Immobilien oder andere Anlagen denkbar, 180 Prinzipiell sind in Deutschland Leerverkäufe, bei denen die Veräusserung der Wirtschaftsgüter früher erfolgt als ihr Erwerb, unzulässig. Wenn diese Investitionsform allerdings im Rahmen von Hedge Fonds getätigt wird, ist sie selbst für Stiftungen zulässig. Alternative Anlagen FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 394 es gilt lediglich das Verbot von Spekulationsgeschäften. Die oben besprochenen Eigenschaften von Hedge Fonds weisen aber auch auf die hohen Risiken hin. Um einerseits dem Kriterium der sicheren und nachhaltigen, andererseits jedoch auch einer möglichst ertragsreichen Anlage gerecht zu werden, ist die alleinige Investition in Hedge Fonds sicherlich nicht empfehlenswert, jedoch als Teil eines Portfolios denkbar. Festgelder, Unternehmensanleihen oder Immobilien sind im Gegensatz zu Aktienportfolios und alternativen Anlagen weniger risikoanfällig und damit kleineren Schwankungen ausgesetzt. Charakteristisch für diese Anlageform ist der oftmals feste Anlagehorizont mit einem fixen Zins resp. stetigen Erträgen. Dieser Umstand des auf eine gewisse Zeit blockierten Geldes macht es für eine Stiftung unabdingbar, über gewisses Kapital in Form von Bargeld oder Festgeld mit kurzen Laufzeiten zu verfügen, um ihren Verpflichtungen in jedem Fall nachkommen zu können. Ein Geschäftsführer formuliert die daraus potentiell entstehende Problematik folgendermassen: "Wir müssen das Vermögen so anlegen, dass es jährliche Erträge gibt. Also es könnte mal ein Jahr aussetzen, aber eigentlich sind die Erträge ja das, aus dem wir dann die Fördermittel bestreiten. Wenn wir das Vermögen so anlegen, dass wir erst in zehn Jahren wieder einen Gewinn machen, z. B. durch Verkauf von Immobilen, dann können wir den Förderzweck nicht erfüllen." (P10) An dieser Stelle wird auch auf ein mögliches Klumpenrisiko durch Investitionen eines Grossteils des Vermögens in eine einzelne Anlage oder Anlageform hingewiesen. Häufig besitzen Stiftungen grössere Aktienpakete an einer einzelnen Firma. Beispiele hierfür sind die Bertelsmann Stiftung, die Jacobs Foundation oder die Henkel Stiftung. Es ist dabei abzuklären, inwieweit eine Diversifizierung im Zusammenhang mit einer Reduktion dieser Titel überhaupt zulässig ist, ohne gegen die Vorgaben aus der Stiftungsurkunde zu verstossen. Der Geschäftsführer einer grossen Stiftung, die ihre Projektförderungen hauptsächlich durch die Dividendenzahlung ihrer Unternehmensanteile finanziert, versucht mit der Problematik des Klumpenrisikos folgendermassen umzugehen: "Unsere Stiftung braucht eine klare Planung über das Budget, über die Finanzen, auch bezüglich Risiko-Assessment - das heisst, wie viele Rücklagen Klumpenrisiko FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 395 muss ich haben? Im Moment sind wir darauf angewiesen, dass die Aktien unserer Unternehmung genügend Dividenden abwerfen. Das ist ein relativ hohes Risiko. Das heisst, in welcher Weise muss ich vorplanen, damit ich sicherstellen kann, diese Stiftung hat das Ziel Rücklagen zu haben, damit sie drei oder fünf Jahre auf dem gleichen Niveau - selbst wenn sie keine Dividende kriegt - funktionieren kann. Und dies aus einem ganz einfachen Grund: Die längsten Projekte sind fünf Jahre und man muss deren Finanzierung sicherstellen. Wenn man weiss, es ist weniger Geld da, kann man zudem auch die Ausgaben zurückschrauben und nichts Neues annehmen." (P29) Das Stiftungsmanagement hat zudem zu klären, wer innerhalb der Stiftung für die Bewirtschaftung des Vermögens zuständig ist (Æ Kap. 9.1.6 Zuständigkeitsregelungen, S. 263). Bei grösseren Stiftungen kann es angebracht sein, einen Anlageaus- Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten festlegen schuss für die Vermögensbewirtschaftung zu bilden, der die Finanzanlagen auswählt und überwacht. Die Verantwortlichen sollten sich dabei auf ein im Gesamtstiftungsrat festgelegtes Anlagereglement beziehen können, das die grundlegenden Richtlinien zur Æ Anlagepolitik (Kap. 9.1.4, S. 247) festhält. Abhängig von den vorhandenen Kompetenzen einer Stiftung und dem investierbaren Vermögen hat die Stiftung die Option, die Anlagen im Rahmen eines Vermögensverwaltungsmandates extern betreuen zu lassen und sich auf die Kontrolle der Aktivitäten zu beschränken oder aber die Vermögensverwaltung intern durchzuführen (Æ Kap. 11.5 HR-Management, S. 434). Ein Geschäftsführer einer grossen Stiftung beschreibt die Vermögensverwaltung in seiner Stiftung folgendermassen: "Wir haben eine ganz klare Struktur bei den Anlageentscheiden. Wir haben einen Geschäftsausschuss der Stiftungskommission, die Geschäftsleitung und das Rechnungswesen. Die Geschäftsleitung macht eine Anlagepolitik, in der die Grundsatzfragen der Anlagen festgelegt werden. Und der Stiftungsrat macht die Aufsicht über die Umsetzung. Das Besondere bei uns ist, dass wir einen Berater haben, d. h. nicht eine Bank und nicht einer der Geld anlegt, sondern der nur, wie dies bei Pensionskassen auch häufig der Fall ist, überprüft, was das Beste ist, was die Instrumente sind, was die Kosten, die Honorare, und so weiter". (P7) Externe Vermögensverwaltung prüfen FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 396 Die Vermögensverwaltung zieht Kosten nach sich. Hierbei gilt zu beachten, dass der Aufwand der Vermögensbewirtschaftung in angemessenem Verhältnis zum erwarte- Verwaltungskosten ten Ertrag steht. Eine Möglichkeit, die Verwaltungskosten zu senken besteht darin, das Vermögen mit anderen Stiftungen zusammen zu verwalten und anzulegen. Ein höheres Anlagevermögen bietet oftmals eine bessere Verhandlungsbasis bei den Finanzinstituten und damit z. T. höhere Renditen bei niedrigeren Verwaltungskosten. Bei der Vermögensverwaltung gilt es zudem zu unterscheiden zwischen einer aktiven oder passiven, d. h. einer indexbasierten Anlagestrategie. Bei der passiven Anlagestrategie wird in die Aktien eines Indizes wie z.B. SMI, DAX oder S&P 500 proportional zum Aktiengewicht innerhalb der Indexe investiert. Dieses diversifizierte Portfolio reduziert das Risiko einer Einzelinvestition, beschränkt den Kursgewinn allerdings auf die allgemeine Entwicklung der Indexe. Die Management-Gebühren einer solchen Anlagestrategie sind dabei tiefer als bei einer aktiven, bei der versucht wird, durch die Auswahl ausgesuchter Aktienpositionen den Index zu übertreffen. Welche Anlagestrategie für die jeweilige Stiftung die geeignete ist, muss vom Stiftungsrat entschieden werden. Der Geschäftsführer einer grossen Stiftung nennt die konkreten Entscheidungen: "Die Stiftung XY bewirtschaftet ihr Geld zum Beispiel nur noch passiv. Das heisst, sie haben nicht Depotmanager, die aktiv verhandeln und verkaufen, sondern sie hängen sich irgendwelchen Finanzinstrumenten an und haben eine Fixpauschale. Bei dieser Stiftung ist es ca. 0,4 Prozent vom Anlagevolumen, was relativ günstig ist. Dahinter steckt ihre Überzeugung, dass ein beliebiger Depotmanager das Geschäft über viele Jahre nicht besser macht, als irgendeiner den man gezielt auswählt. Wir hingegen bewirtschaften unser Portfolio aktiv. Also wir haben einen Controller und vier Depotmanager, denen wir immer auf die Finger klopfen. Das kostet uns aber 0,7 Prozent. Das muss man sich überlegen. Und schliesslich haben wir das Geld alleine angelegt, man könnte es ja mit anderen Stiftungen zusammenlegen, da gibt es die besseren Konditionen." (P5) Zu beachten ist auch die Tatsache, dass die Mission einer Stiftung oftmals nicht nur durch ihre Förderungen, sondern auch durch ihre Finanzanlagen bearbeitet werden Anlagestrategie festlegen FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 397 kann. Es muss entschieden werden zwischen Finanzanlagen, die zur Erfüllung des Stiftungszwecks beitragen oder solchen, die Mittelvergabe und Finanzanlage vollständig voneinander trennen. Wie sich eine Stiftung entscheidet, ist sowohl von den persönlichen Präferenzen der Stiftungsorgane abhängig als auch vom verfolgten Stiftungszweck. Zentral hierbei sind die Festlegungen in der Æ Stiftungspolitik (Kap. 9.1, S. 228) bzw. Vorgaben des Stifters in der Urkunde oder dem Anlagereglement. Für die Glaubwürdigkeit einer Stiftung ist es wichtig, transparent aufzuzeigen, aus welchen Quellen das Stiftungskapital stammt. Ebenso nachvollziehbar sollte die Stiftung verdeutlichen, auf welche Weise sie die Erträge aus dem Stiftungskapital erwirtschaftet. Auf gesellschaftlicher Ebene kann so der Ruf der Stiftungen als philanthropische, vertrauenswürdige Institutionen erhalten bleiben und sie werden nicht als Steuersparmodelle oder Geldwaschanlagen angesehen. Für die einzelne Stiftung ist die transparente Darlegung der Finanzquellen einerseits zentral, um als zuverlässiger Partner gegenüber den Destinatären zu gelten. Andererseits kann bei Auftauchen negativer Fälle (z. B. Geldwäscherei, Veruntreuung) glaubhaft aufgezeigt werden, dass man nicht zur selben Kategorie gehört (Æ Kap. 11.3 Kommunikationsmanagement, S. 412). Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich der Bewirtschaftung des Stiftungsvermögens: 126. Welche jährliche Ausschüttungsquote ist für die kommende Rechnungslegungsperiode notwendig? 127. Welche Bewirtschaftungsrichtlinien, aus der Stiftungsurkunde oder Stiftungspolitik, müssen angewendet werden? 128. Welche möglichen Anlagevarianten stehen der Stiftung grundsätzlich zur Verfügung unter Beachtung der festgelegten jährlichen Ausschüttungsquote? 129. Wer ist in der Stiftung für die Bewirtschaftung des Stiftungsvermögens oder die Kontrolle der Vermögensverwaltung zuständig? 130. Welche externen Vermögensverwaltungsmöglichkeiten bestehen und bieten allenfalls Potentiale zur Optimierung des Ertrags und/oder Senkung der Kosten? 131. Aus welchen Quellen stammt das Stiftungsvermögen? Vermögensherkunft transparent machen FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 398 11.1.3 Aufbau eines Rechnungswesens und Aufbereitung eines Jahresabschlusses Die Stiftung steht gegenüber der Stiftungsaufsicht, der Steuerbehörde, aber auch der kritischen Öffentlichkeit in der Pflicht, regelmässig Auskunft über ihre Tätigkeit zu erteilen (vgl. Kap. 6.2 Basisprämissen, S. 171). Dazu gehört auch die finanzielle Bedarfsgerechtes Rechungswesen aufbauen Situation einer Stiftung. Zu diesem Zweck bedarf es eines an die Stiftungserfordernisse angepassten Rechnungswesens. Das Rechnungswesen einer Stiftung umfasst hauptsächlich die Buchführung, die Jahresrechnung bestehend aus Bilanz und Betriebsrechnung sowie den darauf bezogenen Geschäftsbericht (Æ Kap. 11.3 Kommunikationsmanagement, S. 412). Wie bereits mehrfach angesprochen, sind die Leistungen von Stiftungen meistens nur qualitativ und darum nur sehr beschränkt in Zahlen messbar. In der Rechnungslegung ist daher neben einem quantitativen Teil ein qualitativer Leistungsbericht integraler Pfeiler des Rechnungswesens von Stiftungen. Die grundsätzlichen Aufgaben der Rechnungslegung bestehen in folgenden Punkten:181 Planung der Erträge und Aufwendungen für die kommende Rechnungsperiode (Budgetierung) Führen einer lückenlosen und zeitgerechten Buchhaltung Aufzeichnung aller Vermögensbewegungen und erfolgswirksamen Geschäftsvorfälle Erstellen der Jahresrechnung Stiftungsorganen Informationen und damit Entscheidungsgrundlagen anbieten Verdeutlichung der Kapitalerhaltung und der zweckmässigen Verwendung der Erträge gegenüber der Stiftungsaufsicht und der kritischen Öffentlichkeit Darlegung der gemeinnützige und zeitnahen, resp. nicht thesaurierenden und zweckgemässen Verwendung der steuerbegünstigten Erträge gegenüber dem Finanzamt 181 Eine detaillierte Ausführung zu betrieblichem Rechnungswesen liefert Koeckstadt (1998), eine ausführliche Umschreibung der Rechnungslegungsnormen in den einzelnen deutschen Bundesländern geben Merl und Koss (1998). Aufgaben der Rechnungslegung FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 399 Die Adressaten der Rechnungslegung sind einerseits intern (der Stiftungsrat, die Aufsichtsorgane und Mitarbeiter) und andererseits extern (die Stiftungsaufsicht, das Finanz-/Steueramt, allfällige Zuschussgeber und die Öffentlichkeit). Die jährliche Ver- Adressaten der Rechnungslegung mögensübersicht sowie die Jahresrechnung geben Aufschluss über das Gesamtergebnis der Stiftung und dienen den Stakeholdern als Kontroll- und Informationsinstrument über die Vermögens-, Ertrags- und Aufwandslage der Stiftung. Basierend auf der Jahresrechnung prüft die Stiftungsaufsicht die ordentliche zweckgerichtete Mittelverwendung. Die Steuerbehörde schliesslich stützt darauf die Erteilung des Gemeinnützigkeitsstatus. Um die als Ziel einer Rechnungslegung formulierte Liquiditätsplanung und Budgetierung einer Stiftung zu erreichen, gilt es, die Erträge und Aufwände - aus den einzel- Ziele der Rechnungslegung nen Projekten aggregiert und erweitert um die zusätzlich anfallenden Verwaltungskosten - zusammenzustellen. Hilfreich für das Stiftungsmanagement ist es, den Mittelbedarf pro Wirkungsfeld möglichst über einen längeren Zeitraum hinweg zu bestimmen. Im Budgetierungsprozess werden die anfallenden Aufwände und Erträge des kommenden Jahres aufgezeigt. Um stets einen aktuellen Überblick über die finanzielle Situation der Stiftung zu haben, ist ein Budgetierungsprozess mit einem stetigen Ist-Soll-Vergleich unabdingbar (Liquiditätsplanung, vgl. auch Æ Kap. 10.4 Projektmonitoring, S. 360). Dieses Vorgehen trägt dazu bei, dass einerseits die Aufwendungen nur durch die Erträge und nicht durch das Stiftungsvermögen finanziert werden, andererseits zwingt es dazu, die geplanten jährlichen Ausschüttungen zu konkretisieren und zu den Wirkungsfeldern der Stiftung zu allozieren. Wie wichtig die Budgetierung für eine Stiftung ist, verdeutlicht folgender Geschäftsführer einer grossen Stiftung: "Die wenigsten Stiftungen überlegen sich kontinuierlich über Jahre hinweg, was sie für einen Mittelbedarf haben, d. h. was sie eigentlich ausgeben wollen. Und dann braucht es ein Finanzierungsmodell. Viele Stiftungen haben irgendein schlaues Asset Allocation System, welches sie vielleicht schon seit 20 Jahren haben und das man nie überprüft hat. Und dann sind da in einem Jahr 10 Mio. da und im nächsten minus 7 Mio. oder minus 12 Mio. und dann haben sie ein Problem. Das ist sehr unprofessionell zum Teil, weil die Leute Budgetierungsprozess durchführen FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 400 einfach nichts von Finanzen verstehen. Ich verstehe auch nichts von Finanzen - ehrlich gesagt -, aber darum haben wir einen Controller. Ich sehe immerhin, dass es verschiedene Modelle gibt, und ich bin mir nicht so sicher, ob wir das richtige Modell haben. Wir hinterfragen regelmässig unsere Tätigkeit und ich versuche mit dem Controller jedes Jahr ein paar heisse Themen im Bereich Finanzen zu formulieren. Dann wählen wir mit dem Präsidialausschuss ein Thema aus und reflektieren dieses." (P5) Ähnlich wird diese Problematik auch von einem Stiftungsexperten gesehen: "Ich meine, es fehlt noch ausdrücklich beim Management von Stiftungen, dass man eine Anlagestrategie aufstellt, einen Finanzplan, dass man budgetiert, dass man ein wenig nach vorne schaut und auch sagt, in welchem Rahmen wollen wir uns bewegen, wenn die Börse bspw. sinkt, wenn die Liegenschaften so und so viel Ertrag generieren, etc." (P18) Swiss GAAP FER hat mit dem Rechnungslegungssystem FER 21 Empfehlungen für Jahresrechnungen von gemeinnützigen, sozialen Non-Profit-Organisationen bereitgestellt.182 Die Anwendung von FER 21 erfolgt auf freiwilliger Basis. Das Ziel ist, die Aussagekraft und Vergleichbarkeit der Jahresrechnungen und Berichterstattungen von Non-Profit-Organisationen zu erhöhen. Die Jahresrechnung soll deshalb ein entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ergebnislage vermitteln (vgl. Müller 2002). Als wünschenswerte Inhalte der Jahresrechnung für Stiftungen werden folgende vier Elemente genannt: 1. Bilanz183 2. Betriebsrechung, inkl. Angaben über die Veränderung des Kapitals 3. Anhang und Leistungsbericht Die alleinige Publikation der Betriebsrechnung reicht in diesem Zusammenhang nicht aus, weil aus ihr keine Veränderungen des Stiftungsvermögens ableitbar sind. Doch 182 Swiss GAAP FER 21: Seit 1. Januar 2003 bestehende Rechnungslegungsnorm der Fachkommission für Empfehlungen zur Rechnungslegung für gemeinnützige, soziale Nonprofit-Organisationen; Die Zielsetzung ist die Erhöhung der Aussagekraft und Vergleichbarkeit von Jahresrechung und Berichterstattung bei Nonprofit-Organisationen. Die Anwendung von SWISS GAAP FER 21 erfolgt auf freiwilliger Basis. 183 Beispiele zu Bilanzen finden sich im Anhang L. Inhalte der Jahresrechnung zusammenstellen FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 401 ist wie erwähnt die Erhaltung des Stiftungsvermögens zentral für die dauerhafte Erfüllung des Stiftungszwecks. Aufwände können jedoch anfallen, ohne dass eine entsprechende Verringerung des Stiftungsvermögens dokumentiert wird. Die Bilanz ist eine Übersicht der vorhandenen Aktiva und Passiva. Sie basiert dabei auf der Gleichung: Bilanz erstellen Bilanzsumme = Verbindlichkeiten + Stiftungskapital, wobei das Stiftungskapital das Vermögen der Stiftung bezeichnet Die Aktiva bestehen einerseits aus Umlaufvermögen, das relativ leicht zu verflüssigen Aktiva ist, und umfassen andererseits längerfristig gebundenes Anlagevermögen. Bei vielen Stiftungen bestehen Regelungen in der Stiftungsurkunde, die die Verwendung und Veräusserungen von gewissen Vermögensanteilen beschränken. So darf beispielsweise die Bertelsmann Stiftung ihre Anteile an der Bertelsmann AG nicht veräussern. Ähnlich ist dies auch bei der Henkel Stiftung der Fall. Sie darf die Vermögensanteile an der Unternehmung Henkel höchstens auf 50% reduzieren. Diese Vermögenspositionen sind somit als langfristige. Anlagevermögen auszuweisen. Auf der Passivseite einer Stiftungsbilanz gilt es zwei Kapitalarten zu unterscheiden: Die Verbindlichkeiten auf der Passivseite der Bilanz bestehen zum einen aus Verpflichtungen gegenüber externen Kreditgebern. Diese Art von Fremdkapital, welches von Drittorganisationen für eine bestimmte Zeitspanne zur Nutzung überlassen wird, ist rückzahlungspflichtig. Andererseits bestehen auch Verbindlichkeiten gegenüber Projektnehmern für bereits bewilligte Projektbeiträge. Das Stiftungskapital entspricht dem Eigenkapital einer profitorientierten Organisation. Zentraler Bestandteil ist dabei das Stiftungskapital, das vom Stifter eingebracht und allenfalls durch Zustiftungen geäufnet wurde. Grundsätzlich ist dieses Kapital wie oben beschrieben unantastbar und nur seine Erträge werden zur Erfüllung des Zwecks überlassen. Ergänzt wird das Stiftungskapital durch die Kapitalerhaltungsrücklagen, die zur realen Kapitalerhaltung beitragen und die Inflation ausgleichen. Weitere Ergebnisrücklagen können wie beschrieben z. B. für geplante grössere Projekte getätigt werden. Der Mittelvortrag auf ein neues Geschäftsjahr errechnet sich aus der Betriebs- Passiva FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 402 rechnung und entsteht aus den erwirtschafteten Erträgen gemindert durch die aufgelaufenen Aufwände. Eine für Stiftungen geeignete Aufteilung der Bilanzpositionen sieht folgendermassen aus (vgl. Abbildung 11-2): Bilanz Aktuelles Jahr Absolut % Vorjahr Absolut % Veränderung % Aktive Umlaufvermögen Flüssige Mittel Forderungen Wertpapiere Rechnungsabgrenzungsposten Anlagevermögen Finanzanlagen Sachanlagen Immaterielle Vermögensgegenstände Übrige Vermögen Total Aktive Passive Verbindlichkeiten Verbindlichkeiten aus erteilten Zusagen Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten Übrige Verbindlichkeiten Stiftungskapital Stiftungskapital (inkl. Zustiftungen) Kapitalerhaltungsrücklagen sonstige Ergebnisrücklagen Mittelvortrag Total Passive Abbildung 11-2: Die Bilanz und Bilanzposten einer Stiftung (in Anlehnung an Thomsen 2002) Zur Vergleichbarkeit der Stiftungsentwicklung sollte wie in der obigen Darstellung gezeigt das aktuelle Jahr dem Vorjahr gegenüber gestellt werden. Für die Budgetierung sind die Ansätze des laufenden Jahres den Rechnungsergebnissen des vorhergegangenen Geschäftsjahres gegenüberzustellen. Wesentliche Abweichungen gegenüber dem Vorjahr sind dabei zusätzlich zu begründen. Die oben beschriebene Bilanz ergibt sowohl für die verantwortlichen Stiftungsorgane als auch für die übrigen Stakeholder einen Überblick über die Aktiva und Passiva einer Stiftung. Sie besagt allerdings nichts aus über die Aufwände und Erträge, die in einer Stiftung in einer bestimmten Periode angefallen sind. Eine Stiftung sollte in der Lage sein, jederzeit alle angefallenen Kosten verfügbar zu haben. Deshalb ist zusätzlich zur Bilanz die laufende Nachführung einer Betriebsrechnung unerlässlich, weil Betriebsrechnung erstellen FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 403 sie der Stiftung einen stetigen Überblick über die finanzielle Situation ermöglicht und so verhindert wird, dass für eingegangene Verpflichtungen am Ende des Jahres auf das Vermögen zurückgegriffen werden muss (vgl. Abbildung 11-3). Die allgemeine Gleichung der Betriebsrechnung lautet: Einkünfte - Ausgaben = Veränderung des Stiftungskapitals Bei einer Profit-Organisation wäre dies vergleichbar mit dem Reingewinn, der dem Eigenkapital zugerechnet wird. Die Ertragsseite einer Stiftung besteht grundsätzlich aus fünf Elementen: Ertragsseite 1. Die Vermögenserträge resultieren primär aus Dividendenzahlungen von Unternehmensanteilen. 2. Zinserträge fallen durch die Portfolioposten der Wertpapiere und Festgelder an. Sie sind relativ sichere und konstante Anlageinstrumente, partizipieren dafür jedoch nicht an einer möglichen Wertsteigerung des Unternehmens, in das investiert wurde. 3. Je nach Stiftungsform können Spenden und andere Zuwendungen wie z. B. Legate ein beträchtlicher Ertragsposten sein. 4. Erträge aus Nebenerlösen können bspw. aus Publikationen, Referaten o. Ä. resultieren. 5. Ausserordentliche Erträge können z. B. durch die Veräusserung von Unternehmensanteilen entstehen. Auf der Aufwandseite einer Stiftung sind grundsätzlich drei Kostenarten vorzufinden und auszuweisen: 1. Personalaufwände, bestehend aus Löhnen und Sozialleistungen 2. Sachaufwände, bestehend aus Gebäuden (Mieten, Reinigung, Energie, etc.), Infrastruktur (Büromaterial, Kommunikation, Literatur, etc.) und Finanzierungskosten (Zinsen, etc.) Aufwandseite FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 404 3. Projektaufwände, bestehend aus allen direkt der Projektförderung zurechenbaren Kosten (Förderbeiträge, Reisekosten, Dienstleistungen, Umsetzungskosten, Kommunikationskosten, etc.) Betriebsrechnung Aktuelles Jahr Absolut % Vorjahr Absolut % Veränderung % Ertrag Vermögenserträge (Dividenden) Zinserträge (Wertpapiere, Festgelder) Spenden und Zuwendungen Nebenerlöse (z. B. Publikationen, Referate) ausserordentliche Erträge Total Ertrag Aufwand Personalkosten Lohnkosten Lohnnebenkosten (Sozialleistungen) Sachkosten Gebäude Infrastruktur Finanzierungskosten Projektkosten Förderbeiträge Reisekosten Dienstleistungen Umsetzungskosten Kommunikationskosten Total Aufwand Ertragsüberschuss Abbildung 11-3: Betriebsrechnung einer Stiftung (in Anlehnung an Koeckstadt 1998) Wie bei der Bilanz dient auch hier zur Vergleichbarkeit der Stiftungsentwicklung gegenüber der letzten Periode die Gegenüberstellung des aktuellen Jahr mit dem Vorjahr. Wichtige Veränderungen sind ebenfalls gesondert zu begründen. Die aus projektunabhängigen Personal- und Sachkosten bestehenden Verwaltungskosten ergeben sich aus drei Elementen: 1. Allgemeine Verwaltungskosten: Löhne der Geschäftsleitung, Entgelte für Organe, Gutachterkosten, Kosten für die Abschlussprüfung, Kosten für Öffentlichkeitsarbeit, Weiterbildungskosten, etc. 2. Kosten aus Zweckverwirklichung (soweit diese nicht direkt den Projektkosten zurechenbar sind): Projektantragskosten, Projektprüfungskosten, Kontrollkosten, etc. FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 405 3. Kosten aus Vermögensverwaltung: Bankgebühren, Kommissionen, Immobilienverwaltungskosten, etc. Der in einer Stiftung anfallende Verwaltungsaufwand kann je nach Stiftung stark variieren. Faktoren, die den Verwaltungsaufwand erheblich beeinflussen können, sind: Festlegungen im Bereich der Stiftungspolitik und -strategie: Ist im strategischen Förderentscheid festgelegt, die Mittel zugunsten eines festen Destinatärs zu verwenden, führt dies zu einem geringeren Aufwand, die Förderung internationaler Projekte kann dagegen einen höheren Aufwand rechtfertigen. Struktur der Vermögen: Die Verwaltung eines reinen Finanzvermögens impliziert andere Aufwände als bspw. die Bewirtschaftung von Immobilien oder der Aufrechterhaltung von Kunstvermögen. Ausgestaltung der Stiftungsorgane: Der Verwaltungsaufwand wird massgeblich beeinflusst von der Ausgestaltung der Geschäftsführung, ehrenamtlicher Mitarbeit der Stiftungsorgane oder dem Hinzuziehen von externen Expertisen. Das dritte Element eines Geschäftsberichtes neben der Bilanz und der Betriebsrechnung besteht aus dem Bericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks und sollte Folgendes beinhalten: Bericht zur Jahresrechnung erstellen geförderter Zweck Höhe der verplanten, bewilligten und ausgezahlten Mittel Leistungsempfänger Für eine umfassende Darstellung der Arbeitsweise einer Stiftung müssen die einzelnen Posten der Bilanz und der Betriebsrechnung im Anhang kommentiert werden. Um die Jahresrechnung zu analysieren und sie in gewisser Weise vergleichbar zu machen, gibt es einige Kennzahlen, welche für Stiftungen von Bedeutung sind. Kenn- Jahresrechnung analysieren zahlen dienen, trotz ihrer Limitationen, der gewissen Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen Perioden einer Stiftung, aber auch zwischen ähnlichen Stiftungen. Allerdings bleibt anzumerken, dass die Kennzahlen den individuellen Festlegungen und Eigenschaften der einzelnen Stiftungen z. T. nicht genügend Rechnung tragen. Kennzahlen FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 406 Eine Kennzahl184 in der Vermögensstrukturanalyse ist die Stiftungsquote, welche den Anteil des Stiftungskapitals am Gesamtvermögen zeigt. Die Stiftungsquote gibt an, über wie viel Kapital eine Stiftung frei verfügen kann, unter der Annahme der Pflicht zur Vermögenserhaltung. Die Kapitalstrukturanalyse dient primär der Abschätzung von Finanzierungsrisiken. Stiftungskapitalquote = Stiftungskapital x100 Gesamtvermögen Die Fremdkapitalquote bestimmt das Verhältnis zwischen den Verbindlichkeiten und den Aktiva. Sie besagt, welcher Anteil der Aktiva an externe Fremdkapitalgeber abgeführt werden muss, resp. zu welchem Anteil die Aktiva durch Fremdkapitalgeber finanziert sind. Fremdkapitalquote = Verbindlichkeiten x100 Aktive Die Liquidität einer Stiftung ergibt sich aus der Division der flüssigen Mittel (und rasch verflüssigbaren Mittel) durch die monatlichen Aufwände. Dieser Faktor ist relevant für die Aussage, ob genügend flüssiges Kapital für die anfallenden Aufwendungen der Administration und der Projekte verfügbar ist. Die Anlageentscheide sind bei Stiftungen insofern differenziert zu betrachten, als dass mit zunehmenden ungebundenen Mitteln die drohende Illiquidität abnimmt, andererseits muss aus den erwirtschafteten Erträgen des längerfristig angelegten Vermögens der Stiftungszweck erfüllt werden. Der Stiftungsrat muss also Verhältnis von langfristig und kurzfristig gebundenem Vermögen gegeneinander abwägen. Liquidität = Flüssige Mittel und ähnliche monatliche Aufwände Die Administrationsaufwandquote ergibt sich aus den Administrationsaufwänden, welche sich aus der Summe von Personal- und Sachkosten, nicht aber aus den Projekten direkt zurechenbaren Kosten zusammensetzen, geteilt durch die gesamten Aufwände. Dieser Faktor verdeutlicht, wie gross die Aufwendungen für die Admi184 Für ein ausführliches Kennzahlenset mit Vermögensstrukturanalyse, Kapitalstrukturanalyse, Erfolgsanalyse und diversen Kennzahlenkombinationen vgl. Koss (2004). FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 407 nistration im Verhältnis zu den Gesamtaufwänden sind. Das Pendant dazu wäre die Projektaufwandsquote, welche den Anteil der Projektaufwendungen zum Gesamtaufwand setzt. Administrationsaufwandquote = Projektaufwandquote = Administrationsaufwände ( Personalkosten + Sachkosten) Total Aufwände Projektaufwände Total Aufwände Die in der Schweiz neu eingeführte Pflicht zur Revisionsstelle185 (Ausnahmen bilden kleine Stiftungen) soll die Defizite der spezifischen Governance-Struktur von Stiftun- Revisionsstelle auswählen gen mindern (vgl. Kap. 6.1). Die Revisionsstelle überprüft als neutrales, von der Geschäftsführung grundsätzlich unabhängiges Organ deren formelle Korrektheit. Grundsätzlich kann von einer Stiftung jede natürliche oder juristische Person als Revisionsstelle gewählt werden. Bei der Auswahl gelten die Grundsätze der Unabhängigkeit, d. h. die Revisionsstelle muss von den übrigen Stiftungsorganen unabhängig sein, sowie der Grundsatz der Fähigkeit, d. h. je grösser die Stiftung, desto höhere Anforderungen sind an die Kompetenz der Revisionsstelle zu stellen. Sprecher und von Salis-Lütolf (1999) teilt den Revisionsgesellschaften eine Prüfungs-, Berichterstattungs-, Geheimhaltungs- sowie eine Anzeigepflicht zu. Den Revisionsstellen obliegen die folgenden Pflichten: 1. Prüfungspflicht o Jährliche Prüfung der Buchführung und des Jahresabschlusses auf die Übereinstimmung mit den gesetzlichen Buchführungsvorschriften und allfälligen Vorgaben der Stiftungsurkunde oder -reglementen o Die Einhaltung steuerlicher Vorschriften o Die Erhaltung des Stiftungsvermögens, die Ordnungsmässigkeit der Geschäftsführung sowie die satzungs- und bestimmungsgemässe Mittelverwendung 185 Diese auf den ersten Blick weit reichende Neuerung des Stiftungsrechts ist dahingehend zu relativieren, als dass bereits in der Vergangenheit die Eidgenössische Stiftungsaufsicht die Bestellung einer Revisionsstelle zur Bedingung für die Übernahme der Aufsicht machte (Grüninger 1996, Sprecher 1999). Pflichten einer Revisionsstelle FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 408 2. Berichterstattungspflicht: Die Revisionsstelle muss Bericht erstatten an den Stiftungsrat sowie die Aufsichtsbehörden. 3. Gemeinhaltungspflicht: Die Revisionsstelle ist verpflichtet, Kenntnisse über die Stiftung geheim zu halten. 4. Anzeigepflicht: Ob eine Anzeigepflicht der Revisionsstelle bei Unregelmässigkeiten besteht, ist fraglich. Es bleibt anzumerken, dass weder aufgrund der Prüfung durch die Revisionsstelle, noch durch die Stiftungsaufsicht oder das Finanz-/Steueramt eine Aussage über die Effizienz und Effektivität der Stiftungsarbeit gemacht werden kann. Diese Kontrollstellen nehmen ausschliesslich eine Prüfung über die Rechtmässigkeit der Stiftungsarbeit vor, treffen aber keine Aussagen über den Grad der Zweckerreichung einer Stiftung. Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich des Aufbaus eines Rechnungswesens und der Aufbereitung eines Jahresabschlusses: 132. Wie ist das Rechungswesen strukturiert unter Beachtung der spezifischen Aufgaben, Adressaten und Ziele einer Stiftung? 133. Wie läuft der Budgetierungsprozess ab unter Einbezug aller Vorgaben aus der Stiftungsstrategie (z. B. Allokationen zu den Wirkungsfeldern, Verpflichtungen aus laufenden Projekten)? 134. Aus welchen Teilen besteht die Jahresrechung der Stiftung (angelehnt an die Empfehlungen von Swiss GAP FER 21)? 135. Welche Informationen zur Erstellung einer Bilanz, einer Betriebsrechung und eines Berichts zur Jahresrechung liegen vor und welche müssen noch beschafft werden? 136. In welchem Umfang erfolgt die Analyse der Jahresrechnung? 137. Nach welchen Kriterien wird die verpflichtende Revisionsstelle ausgewählt? FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 11.2 409 IT-Management Das IT-Management dient der EDV-gestützten Aufbereitung von Projekt-, Finanzund Geschäftsdaten der Stiftung sowie deren zeitgerechter Bereitstellung als Führungsgrössen in der Prozessführung. Zusätzlich zu den Führungsgrössen ergeben sich durch die heute zur Verfügung stehenden Informations- und Kommunikationstechnologien Potentiale zur Steigerung der Effizienz und Effektivität, z. B. durch die Kommunikation der Förderschwerpunkte und Auswahlkriterien im Internet, wodurch eine "Antragsflut" von nicht dem Stiftungszweck entsprechenden Projekten wirksam verhindert werden kann (Æ Kap. 10.1 Projektakquisition, S. 330). Die Entwicklungen der IT bieten verschiedene Potentiale, die in allen Elemente des FE-C zur Wirkung kommen können. Vor allem im Zusammenhang mit dem Wertschöpfungsprozess und den Unterstützungsprozessen einer Stiftung gilt es, eine angemessene Informationstechnologie bereitzustellen. Aus diesem Zusammenhang heraus ergeben sich somit zwei zentrale Aufgabenfelder, die durch das IT-Management sinnvoll unterstützt werden können: 1. Aufbau einer IT-Infrastruktur zur Unterstützung interner Abläufe 2. Nutzung einer IT-Infrastruktur zur externen Information und Kommunikation 11.2.1 Aufbau einer IT-Infrastruktur zur Unterstützung interner Abläufe Um die internen Prozesse einer Stiftung effizient zu gestalten, muss eine der Stiftungsgrösse und Arbeitsweise angepasste IT-Infrastruktur unterhalten werden. Zu diesem Zweck gibt es spezielle Applikation, die vom Dokumentenmanagement über Bedürfnisgerechte Infrastruktur aufbauen Buchhaltungslösungen bis zur Unterstützung bei der Ergebnissicherung und -dissemination wirksame Unterstützung bieten. IT-Lösungen unterstützen dabei "einfache" Arbeitsvorgänge wie das Speichern und Abrufen von Standard-Briefen (z. B. Absagebriefe auf Projektanträge) oder die rasche interne Kommunikation per E-Mail (z. B. zwischen der Geschäftsführung und dem Stiftungsrat). Die Geschäftsführung einer grossen Stiftung umschreibt ihre durchgängig IT-basierte Arbeitsweise zwischen den Stiftungsräten folgendermassen: Unterstützung interner Abläufe FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 410 "Unser System basiert auf Lotus Notes und ist eine voll integrierte Datenbank. Wir haben diese Datenbank selbst entwickelt. Zuerst gab es ein einfaches Project Sheet im Word, aber das ist mittlerweile gewachsen und raffinierter geworden. Früher hat man das Dokument jeweils als Attachement hin- und hergeschickt. Dann wurde ein Antrag am Council Meeting diskutiert und schliesslich abgesegnet. Jetzt hat man das alles integriert in eine Datenbank mit Notifications, d. h. wenn die Person in Argentinien etwas eingibt, sehe ich das - es braucht einfach Zeit bis der Server repliziert. Dies geht so bis zur Auszahlung, die bei grösseren Beträgen hier in der Schweiz erfolgt und bei kleineren Beträgen lokal ausbezahlt wird. All dies ist in dieser Datenbank enthalten." (P9) Auf einer weiteren Stufe können auch ausgefeiltere Datenbanksysteme z. B. beim Projektantragswesen wirkungsvolle Unterstützung bieten. Einige Stiftungen haben Datenbanken entwickelt, in denen über eine Eingabemaske alle eingehenden Anträge detailliert erfasst werden. So können wiederholte Anträge oder Dauerantragssteller rasch identifiziert werden. Auf diese Weise könnte sogar identifiziert werden, ob gewisse Anträge bei mehreren Stiftungen gleichzeitig eingereicht werden, falls diese untereinander einen Informationsaustausch pflegen. Auch im Bereich des Finanzmanagements trägt die IT-Infrastruktur wesentlich zu einer effizienten Stiftungsarbeit bei. Es ist für das Stiftungsmanagement eine grosse Erleichterung, wenn es jederzeit ohne grossen Aufwand die aktuelle Bilanz, Betriebsrechnung oder das noch verfügbare Fördervolumen im System abrufen kann. Im Bereich der IT ergeben sich auch Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Organisationen (Æ Kap. 11.4 Kooperationsmanagement, S. 427) - oder OutsourcingPotentiale. So lohnt es sich z. B. für die wenigsten Stiftungen, eigene Informatiker zur Wartung und Pflege der IT-Infrastruktur zu beschäftigen. Ein Geschäftsführer einer mittelgrossen Stiftung beschreibt die Praxis in seiner Stiftung folgendermassen: "Wir sourcen einige Dienstleistungen an Partner aus, also z. B. das ganze ITManagement. Wir kümmern uns nicht um unsere Computer, sondern haben dafür eine Firma. Für die Leistungen müssen wird dann halt auch monatlich entsprechende Gebühren bezahlen." (P25) Kooperations-/ Outsourcingmöglichkeiten prüfen FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 411 Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich des Aufbaus einer IT-Infrastruktur für interne Abläufe: 138. Welche Aufgaben innerhalb der Stiftung können durch eine geeignete IT-Infrastruktur wirkungsvoll unterstützt werden unter Beachtung der Kosten-Nutzen-Relation? 139. Wo liegen Kooperations- und Outsourcingmöglichkeiten, um kosteneffizient eine optimale IT-Infrastruktur bereitzustellen? 11.2.2 Nutzung einer IT-Infrastruktur zur externen Information und Kommunikation Durch den Einsatz geeigneter Applikationen moderner Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) kann die stiftungsübergreifende Koordination und Synchronisation unterstützt werden. Stiftungsexterne und -übergreifende Koordination ermöglichen Im Wertschöpfungsprozess können durch die IT auf beiden Seiten, der Stiftung und der potentiellen Destinatäre, Kosten gespart werden. So können z. B. Vorgaben für einen Projektantrag im Internet publiziert werden. Dies erleichtert oder verhindert Anträge, die nicht in die definierten Wirkungsfelder passen oder nicht die gewünschten Informationen aufweisen. Noch weiter gehen einige Stiftungen, die die Einreichung von Projektanträgen über ein Internetformular ermöglichen (Æ vgl. Kap. 10.1.2 Akquisitions- und Antragsbearbeitungsprozess, S. 335). Intern können diese Anträge dann ohne Medienbruch direkt weiterverarbeitet werden. Möglich ist auch eine IT-basierte Evaluation einerseits der Projektarbeit, andererseits der Stiftungsarbeit. Die Beurteilung könnte direkt über das Internet vollzogen werden. Die Möglichkeiten der IKT sind besonders auch im Bereich des Kommunikationsmanagements kaum mehr wegzudenken. E-Mail-Listen zur Kommunikation mit Anspruchsgruppen oder Websites zur Bereitstellung von Jahresberichten, Schlussberichten von Projekten, Wegleitungen und allgemeinen Stiftungsinformationen sind Beispiele dafür (Æ Kap. 11.3 Kommunikationsmanagement, S. 412). Kommunikationsmanagement unterstützen FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 412 Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich der Nutzung einer IT-Infrastruktur zur externen Information und Kommunikation: 140. Welche Potentiale der Zusammenarbeit (z. B. zwischen Stiftung und Projektpartner, zwischen Stiftungen) lassen sich durch eine geeignete IT-Infrastruktur erschliessen? 141. Welche Möglichkeiten bieten Kommunikationsmanagements? 11.3 sich durch IKT zur Unterstützung des Kommunikationsmanagement Der Supportprozess "Kommunikationsmanagement" dient einerseits dem externen Aufbau von Verständigungspotentialen mit der kritischen Öffentlichkeit und insbesondere den relevanten Stakeholdern zur Rechenschaftsablage über die Stiftungstätigkeit. Andererseits wirkt er aber ebenso intern, indem der Stiftungszweck, die langfristigen Stiftungsziele (Æ Kap. 9.1 Stiftungspolitik, S. 228) sowie die ausgewählten Wirkungsfelder (Æ Kap. 9.2 Stiftungsstrategie, S. 288) den Mitarbeitern verdeutlich werden und bei der täglichen Arbeit als handlungsleitende Orientierungspunkte dienen. Um den Zielen eines umfassenden Kommunikationsmanagements - auch zur Handhabung des Transparenzparadoxes - gerecht zu werden, müssen die folgenden drei Aufgaben beachtet werden: 1. Erkennung der Bedeutung einer proaktiven Kommunikation 2. Konkretisierung der Anspruchs- und Zielgruppen der Kommunikation 3. Festlegung relevanter Informationen und Identifikation geeigneter Kommunikationskanäle Durch die diesen Aufgaben zugeordneten Entscheidungen wird dem kommunikativen Legitimierungsbedürfnis der Anspruchs- und Zielgruppen und somit der kritischen Öffentlichkeit insgesamt Rechnung getragen. Mit den entsprechenden Inhalten (Æ Kap. 12.2 Accountability, S. 469) werden die Leistungen und Wirkungen von Stiftungen verdeutlicht und so der gesellschaftliche Vertrauensvorsprung legitimiert, den Stiftungen z. B. durch die Steuerprivilegien in Anspruch nehmen (vgl. Kap. 6.1). FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 413 11.3.1 Erkennung der Bedeutung einer proaktiven Kommunikation Das Kommunikationsmanagement ist der Supportprozess, der zur Erwartungsspezifikation und -steuerung eingesetzt wird. Oftmals werden überhöhte Erwartungen an die Leistungen von Stiftungen gestellt. In vielen Fällen existieren in der Gesellschaft keine oder aber anders gelagerte Erwartungen an und Vorstellungen von Stiftungen. Dieser Tatsache gilt es mit einer proaktiven Kommunikation entgegenzutreten. Ein Geschäftsführer einer grossen Stiftung beschreibt seine Erfahrungen: "Zum Beispiel bei der Vermögensübertragung durch den Stifter: Wie viele Kommentare habe ich schon bekommen, die belegt haben, dass diese Leute über die Stiftungswelt in der Schweiz nichts wissen, überhaupt nichts. Sie unterstellen böse Absichten, wie etwa die Stiftung sei nur ein Steuersparmodell usw. Das finde ich ungut und ungesund - und das kann man beseitigen, indem man eine Offenlegungspflicht einführt. In Amerika ist es ja derart extrem, dass, wenn Sie bei einer Stiftung vorbeigehen, Sie hineinlaufen können und sagen: ‚Darf ich Ihre Jahresrechung anschauen, bitte?’ Da haben Sie das Recht dazu, die müssen Ihnen die Rechnung zeigen. Eine solche Offenlegungspflicht befürworte ich ohne Einschränkung - das sollte in der Schweiz auch eingeführt werden." (P2) Um eine Situation, wie sie im Zitat beschrieben wurde, zu vermeiden, gilt es für eine Stiftung, alle notwendigen Vorgänge im Umfeld der Stiftung transparent zu machen. Transparenz bedeutet dabei, alle Informationen zugänglich zu machen, die der Öffentlichkeit zustehen (Tayart de Borms/Faure 1998). Das "zugänglich machen" beinhaltet dabei sowohl eine uni- als auch eine bilaterale Kommunikation, d. h. Informationsflüsse führen einerseits von der Stiftung zu den Stakeholdern, andererseits muss eine Stiftung auch offen sein für Kommunikation mit den Stakeholdern. Dieses offene Kommunikationsverhalten unterbindet dabei die Gefahr, als hermetisch abgeriegelte Organisation angesehen zu werden. Ausserdem hilft eine so verstandene Kommunikation, Trends in den Æ Umweltsphären (Kap. 8, S. 209) rechtzeitig zu erkennen. Transparent und umfassend kommunizieren FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 414 Auf sektoraler Ebene hat Kaehlbrandt (1998) folgende Ziele eines wirkungsvollen Kommunikationsmanagements definiert: Kommunikationsziele der Informationspflicht nachkommen Verständnis erreichen Missverständnisse ausräumen und Vorurteile beseitigen Glaubwürdigkeit schaffen, erhalten und ausbauen Vertrauen in die Kompetenz stärken Rückhalt durch Medienarbeit schaffen Eine Stiftung soll erstens Rechenschaft über Projekte, zweitens über interne Abläufe und drittens über finanzielle Angelegenheiten ablegen. Die Begriffe Transparenz und Rechenschaftsablegung (Æ Kap. 12 Legitimierungsprozess, S. 452) sind eng miteinander verknüpft. Das folgende Zitat eines Stifters verdeutlicht die positiven Effekte einer Kultur der Transparenz in Stiftungen: "Transparenz wird mit anderen Worten ein natürliches Verhältnis schaffen zum Stiftungsrat einerseits und zu Behörden und Öffentlichkeit andererseits. Zum zweiten ist Transparenz im Grunde ein Mittel der Aufsicht der Öffentlichkeit. Aus der Tatsache, dass die Rechnung und der Bericht publiziert werden, entsteht die Möglichkeit der Einsichtnahme durch die Öffentlichkeit. Und die Öffentlichkeit wird sich dann unter Umständen sehr kritisch äussern, wenn sie feststellt, dass da eine Stiftung ist mit vielen Millionen, die nichts macht. Und solche gibt es mehr als man vermutet. Es ist ein Zwang vorhanden zu einer gewissen Aktivität. Es ist auch ein Zwang vorhanden, dass die Vermögen einigermassen sachgemäss verwendet werden. Und das ist gut so." (P27) Die Gesellschaft erwartet von den Stiftungsgremien, dass sie mit dem ihr anvertrauten Vermögen in treuhänderischer Art und Weise umgehen. Fehltritte haben dabei für Stiftungen besonders schwere Folgen, denn Stiftungen gründen auf gesellschaftlichem Vertrauen. Erleidet diese Vertrauensbasis Schaden, so fehlen ihr nicht nur zukünftige Stiftungsmittel, sondern letzten Endes jegliche Legitimationsbasis, sich in einem "ausserdemokratischen Raum" zu bewegen. Legitimationsbasis FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 415 Ein proaktiver Kommunikationsansatz wird von einem Geschäftsführer wie folgt geschildert: "Ich behaupt einfach, dass ohne Transparenz Stiftungen langfristig in ein Problem reinlaufen werden. Das wird geschehen, weil das Steuersubstrat verschwindet und die Steuerbehörden schauen, wo sie das Geld herbekommen. Wir sind begünstigt und zahlen keine Steuern. Darum denke ich, es wird härter, aber wir können dem sehr viel entgegenwirken, wenn wir, statt durch Intransparenz letztlich regulatorische Massnahmen zu provozieren, das Gegenteil bewirken und Stiftungen regelrecht populär machen. Stiftungen als Instrument populär zu machen in einer Zivilgesellschaft, die sich an mehrheitsfähige Beschlüsse halten muss, in der man den Stiftungen jedoch zutraut, dass sie Aufgaben erfüllen, die eben der staatswirtschaftliche Bereich einfach nicht kann oder nicht will." (P5) Und ein Stiftungsexperte bestätigt diese Haltung, indem er sagt, dass "jeder Stiftungsrat eigentlich selbst ein Interesse haben müsste zu sagen: Voilà, das ist offen, das haben wir gemacht. Er sollte von sich selber aus sagen, wie viele Gesuche unterstützt wurden und in welchen Bereichen, wie viel ausgegeben wurde usw. Natürlich immer unter dem Vorbehalt von Sozialfällen, Datenschutz und Persönlichkeitsschutz usw. Das macht den Stiftungssektor vertrauensvoll und attraktiv." (P22) Aus diesem Grund haben sich in unterschiedlichen Ländern Stiftungen zusammengetan und ethische Verhaltensrichtlinien oder sog. "Codes of good practices" erarbeitet, in denen grundlegende Normen und Ziele festgehalten sind, denen sie sich verpflichtet fühlen. Ein Beispiel hierfür ist der Swiss Foundations Code (Hofstetter/Sprecher 2005), der unter der Leitung vom Verein der Schweizer Vergabestiftungen "SwissFoundations" erarbeitet worden ist. Dass Kommunikation mit den Anspruchsgruppen durchaus im Sinn der einzelnen Stiftungen ist, wird in folgendem Zitat deutlich: "Eigentlich müsste es ja so sein, dass alle Stiftungen selber daran interessiert wären, möglichst transparent zu kommunizieren und zu zeigen, dass man im Sinne des Stiftungszwecks gehandelt hat. […] Wenn das so ablaufen würde, hat ja kein Mensch ein Problem mit einer Stiftung und deshalb finde ich es ja FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 416 auch sehr gefährlich, wenn der Staat Regulierungen einführt, die dann am Schluss die schwarzen Schafe einfangen, aber alle 95% weissen Schafe nachher einzig behindert. Das ist der Grund, weshalb ich in erster Linie für die Selbstregulierung bin." (P14) Immer mehr Stiftungen erkennen, dass sie als gesellschaftliche Akteure mit einer gewissen Gestaltungsmacht eine Kommunikationsverantwortung gegenüber der Öffentlichkeit wahrzunehmen haben (Kaehlbrandt 1998). Es ist zu wenig, nur in reaktiver Weise, d. h. auf Nachfrage von aussen hin und nur in Krisenzeiten zu kommunizieren. Durch eine offene Kommunikationskultur gilt es, eine vertrauensvolle Beziehung mit der Öffentlichkeit aufzubauen. Der Medienfokus richtet sich meist nur auf Negativbeispiele aus dem Stiftungssektor. Sind solche Negativmeldungen erst einmal im Umlauf, wird es für jede Stiftung schwer, sich mit unspektakulären, aber wirkungsvollen Resultaten in der Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen. Jede einzelne Stiftung kann dabei zu einer förderlichen Stiftungsreputation beitragen, um kein schlechtes Image entstehen zu lassen und - als Folge daraus - nicht staatliche Regulierungen implementiert werden (vgl. Tax Reform Act von 1969 in den USA, Frumkin 1997, 1998). Zusätzlich besteht die Gefahr, dass eine angeschlagene Reputation der Stiftung resp. des Stiftungssektors negative Auswirkungen auch auf den Stifter sowie die Stiftungsmitarbeiter hat. Stifter und Stiftungsorgane handeln somit auch im eigenen Interesse, die Reputation der Stiftung hoch zu halten. Folgendes Zitat verdeutliche die potentiellen Probleme eines Stiftungswesens im "Halbschatten": "Einmal von der Imagefrage her betrachtet: Den amerikanischen Stiftungspartnern ist das Schweizer Stiftungsrecht schon ein bisschen zu schwammig. Da heisst es teilweise, das sei auch eine gute Möglichkeit, um sein Geld zu parken. Uns steht im Prinzip im Weg, dass das Schweizer Stiftungsrecht keine besondere Offenlegung verlangt. Vielen amerikanischen Partnern ist dies erstmal ein bisschen suspekt. Wir haben wirklich lange dagegen kämpfen müssen, bis unser Image in dem Bereich wieder aufpoliert wurde. Und ich glaube, das, was die Amerikaner haben, diese Verpflichtung mindestens 5 Prozent des Stiftungskapitals jährlich auszuzahlen, könnte eventuell auch tatsächlich helfen, mehr Klarheit und Vertrauen zu schaffen." (P25) Vertrauen FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 417 Kaehlbrandt (1998) bringt es äusserst pointiert auf den Punkt, indem er sagt, dass öffentliche Präsenz in der heutigen Informationsgesellschaft keine Frage unabhängiger Wahl mehr ist. Stilles Wirken im Hintergrund sei all jenen versagt, die in der Gesellschaft etwas bewirken wollen, denn durch ein umfassendes Kommunikationsmanagement kann einerseits dem steigenden Informationsbedürfnis oder sogar dem Informationsanspruch der Gesellschaft entsprochen werden und andererseits auch die Wirkung der Stiftungsarbeit erhöht werden, indem qualitativ hochwertige Projektanträge attrahiert und Erkenntnisse publiziert werden, was eine Wirkungssteigerung der Stiftungstätigkeit zur Folge hat (Æ Kap. 10.1 Akquisition, S. 330, Æ Kap. 10.5 Dissemination, S. 372). Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich der Erkennung der Bedeutung einer proaktiven Kommunikation: 142. Welche Ziele können durch eine transparente, umfassende und proaktive Kommunikation auf sektoraler Ebene, aber auch für die einzelne Stiftung, erreicht werden? 143. Wie kann dem Anspruch der Öffentlichkeit nach Kommunikation entsprochen werden, um dadurch auch die Legitimationsbasis von Stiftungen und das Vertrauen in die Stiftungsarbeit zu erhöhen? 11.3.2 Konkretisierung der Anspruchs- und Zielgruppen der Kommunikation Kommunikationsmanagement bedeutet sowohl zeitnahes Informieren als auch auf Langfristigkeit ausgelegte Öffentlichkeitsarbeit. Ziele dabei sind die Förderung des Stiftungsimages und die Kontaktpflege zu den Anspruchsgruppen. Bryson (1995, S. 27) definiert Anspruchsgruppen als "any person, group, or organization that can place a claim on an organization's attention, resources, or output or is affected by that output”. Bei Stiftungen ist die Öffentlichkeit gleich doppelt betroffen (vgl. Kap. 6.1). Erstens sind sie als Bürger einer Gesellschaft tangiert durch die gesellschaftlichen Wirkungen der "autonomen" Aktivitäten von Stiftungen insgesamt und zweitens als Steuerzahler auf Grund der Steuerprivilegien, die Stiftungen erhalten. Informationsanspruch anerkennen FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 418 Für eine Stiftung gilt es, gleichzeitig mehreren Anspruchsgruppen gerecht zu werden. Als Stakeholder einer Stiftung lassen sich übersichtsartig folgende Gruppierungen zu- Anspruchsgruppen definieren sammenfassen: Stifter/Kapitalgeber Mitarbeitende Destinatäre Kritische Öffentlichkeit Kooperationspartner Staat und seine Behörden (Stiftungsaufsicht, Steuerverwaltung) Serviceprovider/Dienstleister andere Stiftungen und Substitute (z. B. NPOs) Es muss bestimmt werden, welche Zielgruppen welches Informationsbedürfnis haben und mit welchen Informationen sie bedient werden sollen. So unterscheiden sich Inhalte und Aufbereitung bei der Kommunikation in Fachkreisen und mit der allgemeinen kritischen Öffentlichkeit. Auch die interne Kommunikation unter den Stiftungsgremien darf keinesfalls vernachlässigt werden. Um das in der Æ Stiftungspolitik und -strategie (Kap. 9 Gestaltungsprozess, S. 226) angestrebte einheitliche Verständnis der Mission und der Ausrichtung der Stiftung zu unterstützen, ist eine Einbindung und stetige Auseinandersetzung der Gremienmitglieder über die Stiftungsaktivitäten anzustreben - auch bedingt durch die spezielle Governance-Strukturen von Stiftungen (vgl. Kap. 6.1). Hierfür sind klare Kommunikationsstrukturen unabdingbar. Ein Stiftungsexperte umschreibt die zahlreichen, in Stiftungen vorhandenen Kommunikationsdefizite: "Richtig aktiv ist meistens nur der Stiftungsratspräsident. Dann gibt es wahrscheinlich noch einen Geschäftsführer, bei grossen Stiftungen kann das ein CEO sein, der das operative Geschäft zusammen mit dem Präsidenten führt. Wenn es gut geht, werden sie die Stiftungsräte einmal zusammenrufen, aber vielleicht auch nicht. Ich bin in Stiftungen, da hat nie eine Versammlung stattgefunden. Bei anderen dagegen hat es jedes Jahr eine Stiftungsratsitzung gegeben. Ich habe manchmal das Gefühl, die Stiftung ist so etwas wie ein Interne Kommunikation FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 419 Konstrukt, bei dem man transparenzmässig viel weniger gefordert ist als in der AG oder in anderen Rechtsformen. In der Führungsstruktur wird sehr stark monokratisch vorgegangen, von der Spitze her. Die Leute im Stiftungsrat erfahren gar nicht richtig, was eigentlich läuft. Auch das hat wieder mit Kommunikation zu tun, aber auch mit den Kompetenzen. Häufig erfahren die Stiftungsräte die Informationen nachher aus den Medien. Bei einem konkreten Beispiel hat ein Mitglied des Stiftungsrates im Fernsehen in einem Interview Stellung bezogen und ich habe das aus den Medien erfahren. Bei einem anderen Beispiel hat der Stadtpräsident, der sich für ein Stadion engagiert, aus den Medien erfahren, dass die Geschäftsführung seiner Stiftung, bei der er prominentes Mitglied ist, eine Verbandsbeschwerde lanciert hat. In einer AG ist es auch nicht so, dass die Aktionäre alles bestimmen. Wir wissen, dass auch dort natürlich die operative Kompetenz bei der Geschäftsleitung liegt und die strategische Kompetenz im Verwaltungsrat und nicht bei der Generalversammlung. Aber immerhin gibt es eine gewisse Transparenz. Man hat die Möglichkeit hinzugehen, denn die Generalversammlung muss einmal pro Jahr stattfinden." (P14) Welchen zentralen Stellenwert der Austausch mit den Mitarbeitern einnimmt, verdeutlicht die Arbeitsweise folgender Stiftung: "Wir haben die Mitarbeiter befragt. Was sie wohl nicht erstaunen wird, ist, dass die Zufriedenheit der Mitarbeiter hervorragend ist. Wir investieren enorm viel in die Kommunikation zu den Mitarbeitern. Das sind die wichtigsten Multiplikatoren für uns." (P7) Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich der Konkretisierung der Anspruchs- und Zielgruppen der Kommunikation: 144. Mit welchen Anspruchsgruppen muss die Stiftung in welcher Form einen regelmässigen inhaltlichen Austausch pflegen? 145. Welche internen Kommunikationsmassnahmen tragen zu einer gestärkten Identifikation aller Mitarbeiter mit den Zielen der Stiftung bei? FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 420 11.3.3 Festlegung relevanter Informationen und Identifikation geeigneter Kommunikationskanäle Zu den Aufgaben des Kommunikationsmanagements gehört die Umsetzung der in der Æ Stiftungspolitik (Kap. 9.1, S. 228) festgelegten Grundsätze der 3 Stufen der Kommunikation Kommunikation. Grundsätzlich gibt es drei Stufen von Kommunikation und Rechenschaftsablegung für Stiftungen (Schindler 2003). Die niedrigste Stufe ist der Bestandesnachweis in Stiftungsverzeichnissen. Es ist bemerkenswert, dass z. B. in der Schweiz einerseits kein Stiftungsverzeichnis mit nationalen und kantonalen Stiftungen existiert und andererseits die Eintragung und Publikation im nationalen Stiftungsverzeichnis auf Freiwilligkeit beruht. Dieser Eintrag sollte das Mindestmass an Kommunikation seitens der Stiftungen sein.186 Die zweite Stufe besteht aus der Æ Rechnungslegung (Kap. 11.1.3, S. 398) einschliesslich der Darstellung der Tätigkeitsberichte. Die dritte und höchste Stufe umfasst die allgemeine Öffentlichkeitsarbeit. Stiftungen können zumindest teilweise ihre Accountability gegenüber der Gesellschaft durch eine proaktive, ehrliche und offene Kommunikation erfüllen. Um der Gesellschaft Rechenschaft über die Aktivitäten der Stiftung zu geben, schlagen Werther und Berman (2001) zusätzlich zu einem traditionellen Geschäftsbericht die Publikation von Informationen über die Evaluation der Stiftungsaktivitäten vor. Es ist jeder Stiftung zu empfehlen, eine aktuelle Stiftungsdokumentation mit Informationen über die Stiftung im Internet zu publizieren oder zumindest für interessierte Stakeholder gedruckt oder digital vorzuhalten. Der Inhalt dieser Dokumentation (vgl. Sprecher/von Salis-Lütolf 1999) sollte z. B. folgende Punkte umfassen: Historie der Stiftung, inkl. Errichtungsjahr und -grund Hintergrundinformationen zum Stifter wichtige Stiftungserfolge Beschreibung des Destinatärenkreises und beispielhafte bisherige Destinatäre Pressemitteilungen zur Stiftung und über Aktivitäten 186 Gemäss einem Rundschreiben der Eidg. Stiftungsaufsicht in Bern vom 12.10.2005 an alle der Aufsicht unterstellten Stiftungen werden ab Mitte 2006 diese ausnahmslos im Eidg. Stiftungsverzeichnis erfasst und publiziert. Stiftungsdokumentation erstellen FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 421 Liste der Stiftungsorgane das Leitbild die Wirkungsfelder der Stiftungsarbeit laufende Projekte Angaben zum Finanzwesen allfällige Kooperationen Neben diesen "beständigen" Informationen über die Stiftung sollte ein Jahresbericht erstellt und publiziert werden. Dieser Bericht mit einer Darstellung der Zweckerfül- Jahresbericht erstellen lung sollte neben der Bilanz, der Rechnung über die Veränderung des Kapitals und der Betriebsrechnung einen Tätigkeitsbericht als Bestandteil des Æ Rechnungswesens (Kap. 11.1.3, S. 398) enthalten. Er gibt über die Wirtschaftlichkeit (Effizienz) und die Leistungsfähigkeit (Effektivität) Auskunft. Ein vollständiger Jahresbericht besteht normalerweise aus sieben Teilen und sollte folgende Elemente enthalten187 (in Erweiterung zu Schindler 2003, Freeman 1991, Merl/Koss 1998): 1. Umschlagsseite mit aktuellem Jahr, Stiftungsname, Anschrift 2. Mitteilung des Präsidenten, Mission der Stiftung mit Wirkungsfeldumschreibung, Richtlinien für Antragssteller und Angaben zum Antragsprozess 3. Jahresrückblick, Überblick über das Stiftungsgeschäft, im Berichtszeitraum gefasste Beschlüsse, wesentliche Veränderungen bei den rechtlichen Verhältnissen, Änderungen der Satzung, Erklärungen zu den wichtigsten Veränderungen in den Leitungsgremien 4. Überblick über die Förderaktivitäten o Projektpartner mit ausführlicheren Beschreibungen zu den Projekten, Förderbeträge, Ziele und Evaluationskriterien der Projekte, Stellungnahmen zur Zielerreichung bei den Projekten 187 Ein Beispiel für einen sowohl inhaltlich als auch optisch sehr gut aufgemachten Geschäftsbericht bietet die Robert Bosch Stiftung (www.bosch-stiftung.de) - 23.08.2005. Teile eines Jahresberichts FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 422 o Evaluation der gesamten Stiftungsaktivitäten des vergangenen Jahres i. S. einer Wirksamkeitsbeschreibung 5. Steuerliche Verhältnisse, Gemeinnützigkeit, Kommunikation mit Stiftungsaufsicht 6. Finanzielle Berichterstattung (Æ Kap. 11.1 Finanzmanagement, S. 384) o Bilanz: Erläuterungen des Grundstockvermögens und ggf. Umschichtungen, Erläuterungen wesentlicher Veränderungen in der Zusammensetzung des Vermögens (Investitionen, Tilgung von Darlehen), Darstellung der Entwicklung der Rücklagen, Darstellung der Entwicklung des Ergebnisvortrages o Betriebsrechnung: Erläuterung wesentlicher Einnahmequellen, Erläuterung der geförderten Zwecke, unterteilt in geplante, laufende und abgewickelte Projekte und Tätigkeiten, Höhe der entsprechend verplanten, bewilligten und ausgezahlten Mittel sowie deren Leistungsempfänger o Finanzielle Kennzahlen 7. Besetzung und Sitzungen der Organe und Vergütungen der Organmitglieder, Kontakthinweise mit Auflistung der Stiftungsratsmitglieder mit kurzem CV, Geschäftsführung und Mitarbeiter, Anschrift der Stiftung mit Telefonnummer, Interessenskonflikte, wichtige Beteiligungen, Unternehmensverbindungen, wichtige Verträge Zahlreiche Stiftungen begründen ihr Agieren im Verborgenen mit der Angst, von Projektanträgen überflutet zu werden. Ein klares Profil der Stiftung mit umfassend kommunizierten Wirkungsfeldern und Projektselektionskriterien kann einerseits die Antragsflut mindern, andererseits aber zumindest die begründete Absage erleichtern. Im Sinne von "the clearer the yes’, the easier the no’s" unterstützt eine proaktive Kommunikation die Æ Projektselektion (Kap. 10.2, S. 341). Dabei ist es jedoch nicht minder wichtig auch zu kommunizieren, was nicht in den Förderbereich einer Stiftung fällt. In proaktiver Weise sollte eine Stiftung darüber informieren, in welchem Umfang sie basierend auf den Festlegungen in der Æ Stiftungspolitik und Æ -strategie (Kap. 9, S. 226) Projekte unterstützt. FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 423 Zusammenfassend sollten folgende grundsätzlichen inhaltlichen Angaben zur Stiftung und den Möglichkeiten für eine Förderung von Projekten verständlich kommuniziert werden (angelehnt an Breiteneicher/Marble 2003, S. 666), damit potentielle Projektpartner ihre Anträge prägnant auf die Anliegen der Stiftung ausrichten können. Dies zieht auf beiden Seiten auch einen effizienten Einsatz von Ressourcen nach sich: Mission und Schwerpunkte (inhaltliche Eckpfeiler und Wirkungsfelder) der Stiftung Art der angebotenen Förderung (Infrastruktur, Stipendien, dringliche Befriedigung etc.) Ausschlusskriterien (was wird nicht gefördert) Förderdauer (begrenzt, nicht begrenzt etc.) geographische Restriktionen (nur Inland, nur Osteuropa etc.) Kontaktdaten (Telefonnummer, Ansprechpartner etc.) formale/inhaltliche Anforderungen an einen Antrag (vgl. unten) Eingabetermine (laufend, halbjährlich etc.) Zeitrahmen und Prozess der Entscheidung Eine Ausschreibung sollte - angelehnt an Breiteneicher und Marble (1998, S. 727) darüber hinaus folgende Punkte enthalten: Zielsetzung des Programms (innerhalb der Mission der Stiftung) Zielgruppen (Kreis der potentiellen Antragsteller) Zeitliche Befristungen/Laufzeiten/Eingabefristen Sonstige Einschränkungen Die Fördermöglichkeiten sollten präzise kommuniziert werden, um Enttäuschungen aufgrund falscher Erwartungen zu vermeiden. Für die Antragssteller ist die Kenntnis der strategischen Festlegungen und Entscheidungskriterien zentral, um die Erfolgschancen eines Antrags einschätzen zu können. Stiftungen, die die Förderart der Befriedigung dringlicher Bedürfnisse verfolgen, sollten eine frühzeitige Erwartungsklä- Angaben zu Fördermöglichkeiten publizieren FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 424 rung vornehmen, dass nicht jedes Jahr fix mit einem Stiftungsbeitrag gerechnet werden kann. Neben der Information über die Tätigkeit der Stiftung und der Rechenschaftsablegung über die Verwendung der Stiftungsgelder - und somit auch einen Teil der ent- Ergebnisse offen legen gangenen Steuergelder - ist die Kommunikation der Ergebnisse ihrer Fördertätigkeiten in den angestrebten Destinatärenkreis und in die jeweilige Fachwelt wichtig. Oft wird erst dadurch ein Impuls für eine sinnvolle Weiterentwicklung durch neuartige Projekte oder Kooperationsmöglichkeiten ausgelöst (Æ Kap. 10.5 Dissemination, S. 372 und Kap. 10.6 Replikation, S. 378). Es muss allerdings beachtet werden, dass sich Stiftungen in ihrem spezifischen Wirkungsfeld langfristig eine Reputation aufbauen müssen, um von den Antragsstellern als zuverlässige und konstruktive Partner identifiziert zu werden. Dieses Ziel der Verlässlichkeit umschreibt ein Geschäftsführer einer grossen Stiftung folgendermassen: "Wir können nicht von heute auf morgen die Strategie ändern, weil wir gewisse Anspruchsgruppen haben. Bei anderen Stiftungen habe ich festgestellt, dass sie etwas machen und irgendwann kommt ein Schnitt und es wird beschlossen, ab nächstem Jahr machen wir nur noch das und das. So geht vieles kaputt. Denn wenn bei den potentiellen Destinatären eine gewisse Erwartungshaltung vorhanden ist, wenn man etwas letztes Jahr gemacht hat, das man dann dieses Jahr nicht mehr macht, dann ist das fast nicht kommunizierbar. Deshalb versuchen wir auch eine gewisse Verlässlichkeit zu bieten, dass die Leute wissen, wir haben immer Kultur gemacht, wir machen es auch weiter. Wir haben in der Ausbildung etwas gemacht, wir machen das auch heute noch. Ob dann das einzelne Projekt weiter gefördert wird, ist jedoch wieder eine andere Sache." (P23) Transparenz durch proaktive Kommunikation der inhaltlichen Aktivitäten und Abläufe der Stiftung dient als vorbeugende Massnahme des Risikomanagements. Eine Berichterstattung sowohl über Prozesse als auch die geförderten Projekte selber - und hier sind selbstverständlich auch Fehler und Misserfolge eingeschlossen - verringert das Risiko, dass der einzelnen Stiftung die Legitimation entzogen wird, falls doch z. B. in den internen Prozessen oder aber bei einem Förderprojekt etwas Ungeplantes auftreten sollte. Im folgenden Zitat wird diese Einschätzung treffend umschrieben: Kommunikation als Risikomanagement FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 425 "Proaktiv zeigen, was wir machen, kommt der Gesellschaft zu Gute. Und das sollte man früh anfangen und nicht dann, wenn schon Unsicherheiten auftauchen und man fragt: ‚Warum gibt es euch eigentlich?’ Oder Schäden auftreten oder Missbräuche, Missstände. Ich finde die Transparenz im Stiftungswesen sehr wichtig. Man muss transparent sein und aus dem Schatten heraustreten. […] Im Eigeninteresse sollte man sagen: ‚Wir machen die und die Zweckerfüllung.’ Und da spielen auch die Personen ‚hinter’ der Stiftung eine Rolle, dass man die auch kennt und auch das transparent ist. ‚Wer führt die Stiftung? Ah, das ist der Herr Sowieso.’ Vertrauen aufbauen, das finde ich wichtig. Das ist im Eigeninteresse. Es widerspricht einfach etwas dem bisherigen stillen vor-sich-hin-Leben." (P4) Stiftungsprojekte erfüllen nicht immer die Anforderung für eine "top story" in den Medien. Es soll je nach zu kommunizierendem Inhalt das entsprechende Medium gewählt werden. Mögliche Informations- und Kommunikationskanäle für Stiftungen können sein: Buchpublikation Konferenzen Fachbeitrag Homepage Internetnotiz Medienkonferenz Newsletter Zeitungsartikel Der entsprechende Kanal ist einerseits der zu transportierenden Nachricht anzupassen. Häufig handelt es sich bei Stiftungen um spezifische oder sogar wissenschaftliche Themen und Ergebnisse. Um diese zu publizieren, eignen sich wissenschaftliche Journals am besten. Betrifft der Inhalt allerdings allgemeine Informationen über die Stiftung und Stiftungsarbeit, ist eine Broschüre oder ein Bericht auf der Website eher angebracht. Andererseits sind der Kommunikationskanal und die Aufbereitung der Information auf die Zielgruppe auszurichten. Wie folgendes Zitat zeigt, eigenen sich geeignete Medien bestimmen FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 426 nicht alle Kanäle gleich gut für einen Austausch mit den Stakeholdern. Die zitierte Stiftung hat eine empirische Studie anfertigen lassen, in der Stakeholder nach den bevorzugten Kommunikationskanälen befragt wurden. "Was bei einer lokalen Stiftung noch überraschend ist, sind die Informationsquellen, die von Bedeutung sind. Zweitletztes war das Internet. Oder anders gesagt, bei rein lokalen Stiftungen ist das Internet bedeutungslos. Das ist bei einer weltweit tätigen Stiftung natürlich anders. Für sie spielt die Zürcher Zeitung keine Rolle. Ihre Kunden, d. h. die Destinatäre, sind angewiesen auf das Internet. Aber bei einer lokalen Stiftung ist es etwas anderes." (P7) Dabei sollten es allerdings auch Kleinststiftungen nicht unterlassen, einen Jahresbericht zu verfassen. Die Kosten lassen sich dabei durch einen einfachen Kopierdruck oder der Publikation auf der Website niedrig halten. Um eine einheitliche und koordinierte Kommunikation seitens der Stiftung zu erreichen, müssen interne Regelungen getroffen werden i. S. des verantwortlichen Organs resp. der verantwortlichen Person. Zudem muss die Kommunikation zwischen Projektnehmer und Stiftung koordiniert ablaufen. Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich der Festlegung relevanter Informationen und Identifikation geeigneter Kommunikationskanäle: 146. Welche kommunizierten Inhalte stärken das Vertrauen in die Stiftungsarbeit, dokumentieren Verlässlichkeit und tragen zur Klärung gegenseitiger Erwartungen bei - auch im Sinne eines proaktiven Risikomanagements? 147. Welche Inhalte werden in einer Stiftungsdokumentation zusammengefasst? 148. Welche Informationen sind für einen umfassenden Jahresbericht notwendig - welche sind bereits vorhanden bzw. müssen noch aufbereitet werden? 149. In welchem Umfang sind die Fördermöglichkeiten und weitere Angaben zur Stiftungstätigkeit in geeigneten Medien publiziert? 150. Welche Medien sind geeignet, um mit den identifizierten Anspruchsgruppen effektiv und effizient in Kontakt zu treten? 151. Wer ist innerhalb der Stiftung für das Kommunikationsmanagement (z. B. Pflege der Website) verantwortlich? Zuständigkeit festlegen FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 11.4 427 Kooperationsmanagement Viele Stiftungen verhalten sich eher kooperationsavers und schauen primär nach innen (vgl. Kap. 6.2.3 Kooperationsparadox). Innovative Stiftungen betrachten dagegen das sie umfassende Umfeld und bilden vor allem aus zwei Gründen Netzwerke und Kooperationen: Erstens sind sie der Überzeugung, dass die Kreativität in der Problemlösung eine möglichst grosse Diversität an Perspektiven und Ideen braucht. Zweitens erhöhen Kooperationen die Möglichkeit, erarbeitete Ansätze und Ideen auf unterschiedlichen Ebenen zu diffundieren. Die Kenntnis gesellschaftlicher Trends (Æ Kap. 8 Umweltsphären, S. 209) und vergleichbarer Stossrichtungen anderer Stiftungen (Æ Kap. 9.2 Stiftungsstrategie, S. 288) ist elementar für eine optimale Wirkung der Stiftungstätigkeit. Deshalb bilden strategische Initiativen zur Vernetzung mit anderen Förderinstitutionen und zur Bildung von Kooperationen gerade bei der Realisierung grösserer Fördervorhaben einen zentralen Aspekt der Stiftungsstrategie (kritische Masse). Der Geschäftsführer einer grossen Stiftung, bei der die grösseren Projekte ausschliesslich durch Kooperationen gefördert werden, fasst es folgendermassen zusammen: "Welches sind die anderen Stiftungen, die etwas Ähnliches machen und da habe ich auch wieder viel gelernt aus der Wissenschaft: Also kooperiere, wenn du kannst, anstelle dich dagegen zu stellen. Das ist ja Blödsinn. Wir sind ja im gleichen Spiel. Es gibt welche, die immer gegeneinander machen. Man kann so viel zusammen erreichen. Wir machen ähnliche Sachen, aber nicht genau das Gleiche. Aber ein Stück weit können wir zusammen arbeiten. Alle können Kleines bewirken, aber dann können wir auch gemeinsam vielleicht mal etwas Grösseres machen." (P29) Im Rahmen des Supportprozesses Kooperationsmanagement gilt es Festlegungen in folgenden drei Bereichen zu treffen: 1. Festlegung des Kooperationstypus 2. Ausgestaltung der Kooperation und Sicherstellung des Funktionierens FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 428 11.4.1 Festlegung des Kooperationstypus Bei der Identifikation des Kooperationstypus kann unterschieden werden einerseits zwischen einer Kooperation aus inhaltlich-zweckorientierten, andererseits aus opera- Kooperations -typ festlegen tiv-technischen Motivation. Inhaltlich-zweckorientierte Kooperationstypen begründen sich durch folgende Gegebenheiten: Die Problemstellung, die eine Stiftung in ihrer Mission fokussiert, ist zu komplex um von einer einzelnen Stiftung, in einem einzigen oder wenigen Wirkungsfeldern und mit einer begrenzten Anzahl von Projekten, bearbeitet zu werden. Um die kritische Masse und die nötige "Durchschlagskraft" in einem spezifischen Problemfeld zu erlangen, müssen entsprechende Partner involviert werden. Die geographische Dimension des Stiftungsansatzes zur Problembearbeitung ist so weit, dass Partner mit lokalem Wissen hinzugezogen werden müssen. Die Stiftung benötigt zur Durchführung der Projekte Partner mit spezifischen Kompetenzen. Tendenziell zeigt sich in den letzten fünfzig Jahren im Stiftungswesen wie auch in anderen Feldern gesellschaftlichen Lebens eine zunehmende Tendenz zu Internationalisierung und länderübergreifenden Kooperationen (vgl. Schlüter 1998). Dieses Potential ist allerdings - gerade im Stiftungswesen - noch bei weitem nicht ausgeschöpft. Während in der Vergangenheit der Grossteil gesellschaftlicher Fragestellungen nationaler Art war (oder gar lokale Gegebenheiten) oder diese zumindest so betrachtet wurden, sind mit der fortschreitenden technischen Entwicklung, der gestiegenen Mobilität und dem zunehmenden Verbrauch natürlicher Ressourcen die drängenden gesellschaftlichen Fragen nicht mehr im nationalstaatlichen Kontext zu beantworten, sondern verlangen in mehrfacher Hinsicht länderübergreifende Antworten und Lösungen (vgl. Schlüter 1998). Beispiele hierzu sind die notwendige globale Zusammenarbeit als einzige Möglichkeit zur erfolgreichen Bekämpfung der ökologischen Folgen von Umweltbelastungen oder die Migrationsprobleme, die durch die Inhaltlichzweckorientierter Typ FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 429 alleinige Bearbeitung der Symptome im Immigrationsland nicht gelöst werden können. Kooperationen von Stiftungen mit anderen Stiftungen, Non-Profit-, privatwirtschaftlichen oder staatlichen Organisationen können als Strategie zur Bewältigung komplexer Probleme Erhöhung der Möglichkeiten von sozialem Wandel betrachtet werden (vgl. Frumkin 2005). Ein gemeinsames, koordiniertes Bearbeiten kann die gesamthafte, komplexe Problemlösung erleichtern. Ein gemeinsamer Informationsaustausch gewährleistet dabei eine Verbesserung und Optimierung der eigenen Projektarbeit und erlaubt es, komplexe Probleme umfassend anzugehen. Zudem führen gemeinsame Aktivitäten zu einer grösseren Öffentlichkeit und Akzeptanz in der Gesellschaft. Bei der Entwicklung gesellschaftlicher Lösungsansätze zeigt sich, dass aufgrund der Komplexität der Fragestellungen in inhaltlicher als auch finanzieller Hinsicht die Ressourcen einer einzelnen Stiftung häufig nicht ausreichen. Einerseits wird oftmals in verschiedenen geografischen Regionen an vergleichbaren Fragestellungen gearbeitet. Viele gesellschaftliche Probleme sind international dieselben, sodass gewisse Erkenntnisse auch auf andere Länder übertragen werden können. Andererseits fallen die Ursachen und Symptome eines Problems weder zeitlich noch inhaltlich zusammen. Projekte, die von mehreren Partnern unterstützt werden, erlauben den Zugriff auf eine breitere Basis von fachlichem Know-how. Hierbei kann oftmals auf bereits vorhan- Zugriff auf Know-how dene Informationen von anderen Institutionen zurückgegriffen werden. Vor allem kleinere Stiftungen können einerseits auf das vorhandene Wissen anderer Organisationen zurückgreifen, sind selbst jedoch ebenfalls attraktiv, da sie oftmals Spezialwissen in einer "Nische" vorweisen können (Æ Kap. 9.2 Stiftungsstrategie, S. 288). Kooperationen können zudem förderlich sein für den Aufbau von internen Kompetenzen und können zu erhöhter Motivation der Mitarbeiter führen. Die Erarbeitung gemeinsamer Lösungsansätze erlaubt meist nicht nur der Zugriff auf einen grösseren Wissenspool, sondern ermöglicht auch eine stärkere Verbreitung der Lösungen (Æ Kap. 10.5 Dissemination, S. 372). Neben einem besseren Problemverständnis durch einen kombinierten Wissenspool verschiedener Organisationen, einer verbesserten Problemlösung sowie insbesondere durch Kostenvorteile tragen Kooperationen massgeblich zu einer hohen Effektivität der Stiftungsarbeit bei. Erhöhung der Effektivität FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 430 Zahlreiche Problemstellungen, mit denen sich Stiftungen befassen, können oft nur unter Einbeziehung von politischen Akteuren bearbeitet werden (Æ Kap. 9.1.3 Interventionslevels, S. 239). Einerseits ist Expertise vorhanden, andererseits - und das ist PublicPrivatePartnership prüfen oftmals von grösserer Wichtigkeit - haben politische Institutionen die Kompetenzen zur Umsetzung gesellschaftlicher Veränderungsprozesse. Die frühzeitige Einbeziehung politischer Kooperationspartner ist wichtig, denn dies erlaubt eine angebrachte Beachtung von offizieller Seite und erhöht die Resonanz im politischen Umfeld. Dazu ein Geschäftsführer einer grossen Stiftung: "Public Private Partnership: Weil dort haben wir von Anfang an gesagt, wir stellen 50 Prozent des Kapitals zur Verfügung und erwarten, dass andere Stellen - ob das nun die Regierung, Kantone, oder die Gemeinden sind - die anderen 50 Prozent aufbringen. Und in einem anderen Projekt sind wir jetzt gerade in einer sehr wichtigen Übergangsphase. Nächste Woche soll eine neue Stiftung gegründet werden. In diesem Stiftungsrat werden zwei Vertreter unserer Stiftung Einsitz haben, die beteiligten Kantone mit je einem Regierungsrat und ein Bundesamt auf Bundesebene. Das Gründungskapital wird von unserer Stiftung zu 50 Prozent bestritten, von den drei beteiligten Kantonen zu je 10 Prozent und vom Bund zu 20 Prozent." (P2) Operativ-technisch motivierte Kooperationen befassen sich primär mit stiftungsinternen Ansätzen zur Effizienzsteigerung. Dabei können z. B. durch die gemeinsame Nutzung von bestimmten Verwaltungsservices finanzielle Ressourcen gespart werden. Auf der Ressourceninputseite einer Stiftung können z. B. Überlegungen angestellt werden, eine gemeinsame Vermögensverwaltung zu betreiben (Æ Kap. 11.1 Finanzmanagement, S. 384). Dies erlaubt dank des grösseren Kapitalvolumens vorteilhaftere Konditionen bei den Finanzpartnern. Auch Räumlichkeiten, Administrationskräfte oder die IT-Infrastruktur können in kooperativer Weise durch mehrere Stiftungen beansprucht werden (oder gar komplett ausgelagert werden). Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft berechnet eine Gebühr für die Verwaltung der ihm treuhänderisch anvertrauten Stiftungen auf Basis des Stiftungsvermögens von 0.7% pro Jahr. Diese Dienstleistungen werden auch von grösseren Banken angeboten. Die Beratungs- und Dienstleistungsgesellschaft Maecenata Management berechnet die Gebühren für die ihr anvertrauten Stiftungen nach tatsächlich angefallenem Aufwand. Operativtechnischer Typ FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 431 Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich der Festlegung des Kooperationstypus: 152. Für welche Aktivitäten in einem bestimmten Wirkungsfeld und im Hinblick auf welche dafür notwendigen Ressourcen soll eine Kooperation eingegangen werden? 153. Was ist der Nutzen und das Ziel einer Kooperation auf inhaltlicher-zweckorientierter Ebene - was auf operativ-technischer Ebene? 154. Welche Vorteile bietet eine Public-Private-Partnership als besondere Form der Kooperation zwischen Stiftungen und der öffentlichen Hand in der spezifischen Situation? 11.4.2 Ausgestaltung der Kooperation und Sicherstellung des Funktionierens Kooperationen zwischen Stiftungen und zwischen Stiftungen und Non-Profit, privatwirtschaftlichen oder staatlichen Organisationen können unterschiedliche Form und Kooperationsintensität festlegen Intensitäten annehmen. Schlüter (1998) unterscheidet dabei vier Grundformen von Kooperationen mit unterschiedlicher Intensität der Bindung: Informationsaustausch Gemeinschaftsfinanzierung Studiengruppen Gemeinschaftseinrichtung Der Informationsaustausch ist relativ einfach umzusetzen und setzt keine vertragliche Bindung voraus. Er kann in den beiden oben erwähnten Kooperationstypen stattfin- Informationsaustausch den. So können Informationen zu gemeinsamen Wirkungsfeldern, zu konkreten Massnahmenplänen oder auch zu internen Abläufen ausgetauscht werden. Die Diskussion über gemeinsame Themen oder Dissemination von Erfahrungen in spezifischen Gebieten ist für die Stiftungsarbeit zentral. Sowohl national als auch international gewinnen Zusammenschlüsse von Stiftungen, auch im Sinne von Lobbyverbänden, an Bedeutung. Beispiele hierfür sind das European Foundation Center (EFC) in Brüssel, der amerikanische Council on Foundations (COF), der Deutsche Stifterverband oder SwissFoundations, der Verein Schweizer Vergabestiftungen. Die Gemeinschaftsfinanzierung einzelner Projekte ist insofern verbindlicher, als dass gegenseitige Erwartungen genau spezifiziert werden müssen. Auch durch die gemein- Gemeinschaftsfinanzierung 432 FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse same Finanzierung können unterschiedliche Kooperationstypen bearbeitet werden. So kann z. B. der gemeinsame Auftrag für eine Studie in der gemeinsamen Finanzierung und Förderung eines Projektes oder aber in der Zusammenarbeit bei administrativen Aufgaben wie der gemeinsamen Finanzierung eines Controllers, die Ziel einer Gemeinschaftsfinanzierung sind, liegen. Kooperationen durch Studiengruppen werden zur gemeinsamen Identifizierung und Aufarbeitung eines gesellschaftlichen Problems gebildet. Durch die Teilnahme meh- Studiengruppen rerer Organisationen werden unterschiedliche Sichtweisen zur Fragestellung eingebracht. Zusätzlich ermöglicht die gemeinsame Verbreitung und Veröffentlichung der erarbeiteten Lösungsansätze eine grössere gesellschaftliche Resonanz und Akzeptanz. Die intensivste Stufe der Zusammenarbeit ist die Dauerkooperation durch die Gründung einer selbständigen Gemeinschaftseinrichtung. Diese auf längere Frist angelegte Gemeinschaftseinrichtung Kooperationsform dient der Verstetigung von gemeinsamen Interessen und setzt eine detaillierte Definition von Zielen und Mitteln voraus. Ein Beispiel ist das durch die Bertelsmann Stiftung und die Universität St. Gallen gegründete Institut für Medienund Kommunikationswissenschaften. Diese Form umfasst Beziehungen und Verflechtungen auf verschiedenen Ebenen (z. B. Strategie, Vollzug) und wechselseitige Ressourcenflüsse (z. B. Expertise, Geld). Um eine möglichst fruchtbare Kooperation zu gewährleisten, ist der Prozess der Kooperationsentwicklung von entscheidender Bedeutung. Zu Beginn jeder kooperativen Erwartungsklärung vornehmen Beziehung steht eine systematische und ehrliche Erwartungsklärung aller beteiligten Partner. Zu diesem Zweck sollen klare und gemeinsam getragene Ziele für das Kooperationsprojekt bestimmt werden. Bei weit reichenden und umfangreicheren Kooperationen sollten grundlegende interne Regeln (z. B. zum Informationsaustausch) formuliert und festgehalten sowie klare Strukturen bezüglich Projektverantwortlichkeiten und Projektfinanzierung getroffen werden. Basis für den jeweiligen (finanziellen) Beitrag ist ein exaktes Projektbudget. Um eine Kooperation zwischen unterschiedlichsten Partnern erfolgreich aufrecht zu erhalten, müssen verschiedene Faktoren beachtet werden (Saxon-Harrold/Heffron 1999, Arthur M. Blank Family Foundation o. J.). So ist z. B. Vertrauen und eine gemeinsame - oder zumindest vereinbarte - Mission zwischen den Partnern die Basis für Erfolgsfaktoren beachten FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 433 eine erfolgreiche Kooperation. Die Parteien müssen sich zudem zu einer aktiven Mitarbeit verpflichten und in offener und ehrlicher Weise kommunizieren. Ein regelmässiger Informationsaustausch zwischen den Kooperationspartnern ist ein weiterer wichtiger Aspekt und wird immer mehr durch die bestehenden und neuen IKT erleichtert. Auch muss der Zugriff auf spezifisches Wissen oder lokale Erfahrungen gewährleistet sein, um die Bemühungen für alle lohnenswert und vorteilhaft erscheinen zu lassen (vgl. Kap. 6.2.3: Kooperationsparadox, Æ Kap. 9.1 Stiftungspolitik, S. 228). Die folgenden Aspekte sollte eine Stiftung vor einer allfälligen Kooperation dennoch gründlich überdenken (vgl. Anheier 2005a, Austin 2000, Arsenault 1998): Aspekte beachten die potentiell anfallenden Kosten die Risiken der Zusammenarbeit auch hinsichtlich eines möglichen Misslingens die organisationale Autonomie sowie die Kompatibilität der Kooperation mit der eigenen Mission und den eigenen Werten Die Auswahl eines geeigneten Kooperationspartners kann entweder über eine öffentliche Ausschreibung, über verbandsähnliche Netzwerke oder über persönliche Kontakte geschehen. Wichtig ist dabei, dass die Auswahl anhand klarer Kriterien vorgenommen wird. Die folgenden Fragen bieten einen Überblick über zentrale Entscheidungen im Bereich der Ausgestaltung der Kooperation und Sicherstellung des Funktionierens: 155. Welche Kooperationsform und -intensität eignet sich für die formulierten Ziele einer Kooperation - auch in Abhängigkeit der Mission und der strategischen Entscheide im jeweiligen Wirkungsfeld, in dem die Kooperation wirken soll? 156. Welche Erwartungen werden von beiden Partnern mit der Kooperation verbunden und werden von beiden akzeptiert? 157. Welche Erfolgsfaktoren gilt es zu beachten und welche weiteren Aspekte beeinflussen die Qualität einer Kooperation in der entsprechenden Entscheidungssituation? 158. Wie kann ein geeigneter Kooperationspartner ausgewählt werden? Kooperationspartner auswählen FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 434 11.5 HR-Management Die Rolle des Human Resource Managements in Stiftungen wird nach wie vor von vielen Stiftungen als unbedeutend verkannt und tritt auch wegen der Sachzieldominanz in den Hintergrund. Die Tatsache, dass gerade die Personen hinter der juristischen Form "Stiftung" die massgeblichen Faktoren für eine wirkungsvolle Stiftungsarbeit sind, macht die Ressource "Mensch" jedoch zu einer entscheidenden Grösse. Mehr und mehr stehen Stiftungen in diesem Bereich in einem Wettbewerb mit anderen Organisationen ("war of talents"), denn sie sehen sich zusehends gezwungen, sich als attraktiver Arbeitgeber in der Gesellschaft zu positionieren. Die Aufgaben des Personalmanagements beziehen sich auf die notwendigen Fähigkeiten der Stiftungsmitglieder, die in einer Stiftung im Hinblick auf die optimale Erfüllung der Stiftungstätigkeit vertreten sein müssen. Unter Personal wird die Gesamtheit des Humanpotenzials einer Stiftung verstanden, wobei der Personenkreis folgende Gruppen umfasst: die Geschäftsführung mit ihre Mitarbeiter der Stiftungsrat einer Stiftung weitere Gremien (Beirat) und externe Experten (Gutachter) Für alle Gruppen müssen jeweils spezifische Anforderungskriterien erarbeitet werden. Besondere Überlegungen sind erforderlich im Bereich der ehrenamtlichen Tätigkeit, insbesondere im Zusammenhang mit der Entlohnung/Entschädigung von im Dienste der Stiftung stehenden Personen. Das Human Ressource Management einer Stiftung ist auch deshalb zentral, weil es oftmals den grössten Kostenanteil der Verwaltungskosten einer Stiftung ausmacht (Æ Kap. 11.1 Finanzmanagement, S. 384). Entscheidungen auf der Ebene der Stiftungspolitik bezüglich Interventionslevel, Projektengagement, Vorhandensein einer Geschäftsführung oder Grösse des vorhandenen Stiftungskapitals beeinflussen die Anforderungskriterien der verantwortlichen Personen. Festlegungen auf strategischer Ebene in den Bereichen Förderinstrument, Förderdauer, Förderhöhe und geographischer Aktivitätsradius bedingen zusätzliche Überlegungen im Bereich des Human Resource Managements (Æ Kap. 11.5 HRManagement, S. 434). So hat ein Stiftungsrat, der in proaktiver Weise wenige, dafür FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 435 aber grosse und "systemwechselfördernde" Projekte international und in enger Zusammenarbeit mit den Projektnehmern durchführt, neben einem grösseren Zeitaufwand der Æ Projektselektion (Kap. 10.2, S. 341) auch das Bereitstellen von spezifischen Fähigkeiten zum aktiven Themenscreening oder internationale Kenntnisse des Wirkungsfelds zu beachten. Im Gegensatz dazu weist eine Stiftung, die in reaktiver Weise einen lokalen Preis vergibt einen anderen Bedarf an Fähigkeiten und Ressourcen auf. Auch die Entscheidung einer Stiftung, sich z. B. mit der Förderung der Wissenschaft zu befassen, hat direkte Konsequenzen für den Ressourcenbedarf und -einsatz. Die vier prägenden Elemente eines umfassenden Human Resource Managements, die auch für die Stiftungsarbeit zentral sind, umfassen angelehnt an Hilb (2002 und 2004): 1. Festlegungen zur Personalgewinnung 2. Gestaltung der Personalbeurteilung 3. Festlegungen zur Personalhonorierung 4. Weiterentwicklung der Stiftungsmitarbeiter 11.5.1 Festlegungen zur Personalgewinnung Bei der Personalgewinnung geht es darum, Stiftungsmitarbeiter - miteinbezogen sind jegliche Gremien wie Stiftungsrat und Beiräte - mit anforderungsgerechten Qualifikationen auszuwählen. Ob die z. B. im Jahre 1930 in der Stiftungsurkunde formulierten Anforderungen an einen Trustee, also einen Stiftungsrat, noch heute Gültigkeit haben, ist sicherlich fraglich. Nach damaliger Meinung wäre ein typischer Stiftungsrat "a man well past middle age; he is more often than not a man of considerable affluence, or one whose economic security ranks high; he is, presumably, respectable and conventional and belongs to the best clubs and churches, and he associates with men of prestige, power and affluence. His training has been largely in the arts and humanities. He resides in the Northeast section of the United States and has attended one of the private colleges in that region. His intelligence is ranked high by various institutions of higher learning from whom he has received signal honors. In short he FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 436 is a member of that successful and conservative class whose status is based primarily upon pecuniary success.” (Frumkin 2005, S. 96) Die Aufgaben der Personalgewinnung (Hilb 2004, Jenne/Henderson 2000) umfassen dabei: Aufgaben der Personalgewinnung Personalbedarfsermittlung Personalwerbung Personalauswahl Personaleinführung Die Bedarfsermittlung stellt den wichtigsten Block innerhalb dieser ersten Aufgabe dar. Ein Instrument der Personalbedarfsermittlung ist die Erstellung eines ein SollFähigkeitsportfolio basierend auf den Anforderungen für eine wirkungsvolle Stiftungstätigkeit und Zweckumsetzung und dieses der Ist-Situation der vorhandenen Fähigkeiten gegenüberzustellen. So können fehlende Fähigkeiten erkannt und allfällige Lücken im "Fähigkeiten-Mix" behoben werden. Als systematisches Hilfsmittel kann eine Darstellung dienen, wie sie beispielhaft in der folgenden Abbildung 11-4 erstellt wurde: Ausprägungsgrad Tief Strategische Denkweise 1 2 3 4 Hoch 5 6 Fachkenntnisse Finanzkenntnisse Visionäres Denken Etc. IST-Profil SOLL-Profil Abbildung 11-4: Soll-Ist-Profil notwendiger Fähigkeiten bei der Personalbedarfsermittlung einer Stiftung Personalbedarfsermittlung durchführen FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 437 Die Gegenüberstellung des Soll- und Ist-Profils verdeutlicht die fehlenden und damit aufzubauenden Fähigkeiten innerhalb der Stiftung. Zur Erlangung des Ist-Profils können die Profile der einzelnen Stiftungsmitarbeiter eingetragen werden. Im Rahmen der Personalbedarfsermittlung ist ein zentraler Aspekt die Definition von Aufgaben des Stiftungsmanagements und einzelner Mitarbeiter und daraus die Ableitung notwendiger Fähigkeiten, die zu einem Anforderungsprofil verdichtet werden können. Die rechtlichen Pflichten und Zuständigkeitsregelungen ergeben sich dabei aus den gesetzlichen Bestimmungen und den Vorgaben aus der Æ Stiftungspolitik (Kap. 9.1, generische Anforderungskriterien S. 228). Grundsätzliche, über die Pflichten hinausgehende Anforderungskriterien eines Stiftungsmanagers werden nachfolgend aufgezählt (vgl. Hilb 2004): Persönlichkeitskompetenz mit den Ausprägungen Lernfähigkeit, Leistungsmotivation und Integrität Fachkompetenz mit den Ausprägungen Fachkenntnisse, Unternehmertum und Reputation Führungskompetenz mit den Ausprägungen Zielsetzungsfähigkeit, Problemlösungsfähigkeit, Führungsvorbildlichkeit und Ressourcenmanagementfähigkeit Sozialkompetenz mit den Ausprägungen des konstruktiven Sparringpartners, Interaktionsfähigkeit und Vernetztheit in der entsprechenden Community Die Stiftung sollte für jede Stelle, d. h. für Stiftungsräte, Beiräte, Geschäftsführung und die übrigen Mitarbeiter ein stellenspezifisches Anforderungsprofil erstellen, anhand dessen die Mitarbeiter ausgewählt werden. Dieses Anforderungsprofil dient Stellenspezifisches Anforderungsprofil erstellen gleichzeitig zur Beurteilung der Mitarbeiterleistung, indem basierend auf diesem Profil der Erfüllungsgrad der gestellten Anforderungen evaluiert werden kann. Insbesondere die Profile für Stiftungsräte resp. die Geschäftsführung sind sorgfältig zu erstellen. Dieser Personenkreis prägt massgeblich die Geschicke einer Stiftung. Prinzipiell enthält das Stiftungsrecht im Gegensatz zum Aktienrecht keine ausdrücklichen Pflichten der Mitglieder der Stiftungsorgane gegenüber der Stiftung. Gemäss Sprecher und von Salis-Lütolf (1999, S. 129 ff.) lassen sich jedoch gewisse Pflichten aus dem Vertrag zwischen der Stiftung und den Mitgliedern eines Organs, der Stif- Rechtspflichten der Stiftungsorgane FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 438 tungsurkunde resp. den Stiftungsreglementen, dem zwingenden objektiven Stiftungsrecht gemäss ZGB 84 Abs.2 und dem Gewohnheitsrecht ableiten. Die wichtigste Funktion (im Sinne eines Bündels von Pflichten) eines Stiftungsrates ist die Aufsicht über die Stiftungsaktivitäten. In zahlreichen Stiftungen ist der Stiftungsrat neben den Festlegungen der Stiftungspolitik und -strategie eine wichtige Quelle des Sachverstands bei der Lancierung von Themen und der Beurteilung von Projekten. Um die erwähnten Pflichten und Funktion eines Stiftungsrats konstruktiv umzusetzen, beschreibt Nason (1989) zehn wichtige Qualifikationen, die ein Stiftungsrat erfüllen sollte - diese werden im weiteren Verlauf des Kapitels ausführlich beschrieben: 1. Interesse und Besorgtheit an der Stiftung und ihrem Grundanliegen 2. Inhaltliches Verständnis über und Zugang zum Wirkungsfeld 3. Spezifische Kenntnisse in einem oder mehreren Feldern des "Managements", z. B. Finanzanlagen, Rechnungslegung oder rechtliche Fragestellungen 4. Teamfähigkeit 5. Objektivität und Unparteilichkeit 6. Bereitschaft persönliche Ressourcen (z. B. Zeit) zu investieren 7. Fähigkeit zur Problemerkennung, zur Diskussions- und Kompromissbereitschaft 8. Bereitschaft, die Interessen der Stiftung über die persönlichen zu stellen 9. Bereitschaft den Stiftungssektor weiterzuentwickeln 10. Persönliche Neigung für Philanthropie Insbesondere ein Bezug zum Wirkungsfeld einer Stiftung oder zumindest die Bereitschaft, sich Wissen darüber anzueignen, sollte gegeben sein, wie ein Geschäftsführer eindrücklich formuliert: "Wichtig ist, dass sich der Stiftungsrat erneuert. Eine Stiftung, die sich beispielsweise um Jugendliche kümmert, kann nicht nur Stiftungsratsmitglieder haben, die grösstenteils über 60 Jahre alt sind. Wir können nicht nur über Qualifikationen von Stiftungsräten FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 439 Enkelkinder reden, sondern man muss auch nahe dran sein. Wenn das Ziel Altersforschung ist, wäre das in Ordnung. Ich denke ein gutes Gemisch aus ‚Weisheit und jugendliche Dynamik’ wäre ideal." (P29) In einem Stiftungsrat sollten idealerweise unterschiedliche Fähigkeiten abgebildet sein. Nicht jedes Stiftungsratsmitglied kann in jedem Wirkungsfeld ein Experte sein. Allerdings werden ein ausreichendes Niveau der Kenntnis und Einsicht in die entsprechenden Themenzusammenhänge vorausgesetzt, um eine kompetente Selektion der Projektanträge oder Aufsicht über die Stiftungsaktivitäten zu gewährleisten. Die im Folgenden zitierte Stiftung hat alle benötigten Fähigkeiten im Stiftungsrat abgebildet, ist sich allerdings auch der Limitationen bewusst: "Die Besonderheit ist, dass in unserer Stiftung nur Leute sind, die aus dem Forschungs- und Wissenschaftsbetrieb selber kommen. Das hat natürlich Vor- und Nachteile. Leute, die bei uns einen Antrag einreichen, wissen, dass wir etwas von der Bildungs- und Forschungslandschaft verstehen. Die wissen auch, dass wir ein fachliches Netzwerk haben. Das ist nicht immer der Fall bei Stiftungen der Bildungsförderung. Im Stiftungsrat sind alles Leute, die in diesem System eine gewisse Verantwortung gehabt haben oder immer noch haben. Das ist der grosse Vorteil, sie kennen sich aus. Der Nachteil sind natürlich die Verflechtungen oder die Interessenskollisionen, die wir ständig haben." (P5) Im Hinblick auf die Ausgestaltung der Stiftungsaktivitäten sollten der Stiftungsrat oder zumindest einzelne Mitglieder - Kenntnisse über Finanzanlagen, Rechnungslegung, rechtliche Fragestellungen, Projektmanagement oder Kommunikationsmanagement besitzen. Ein Stiftungsexperte streicht nochmals die Notwendigkeit eines guten Fähigkeiten-Mixes im Stiftungsrat heraus: "Das Wichtigste ist die Zusammensetzung des Stiftungsrates. Wichtig ist, wer im Stiftungsrat ist, ob das Leute sind, die auch bereit sind für ein aktives Engagement und dieses mit der Zwecksetzung übereinstimmt. Sind es mehr Verwalter-Persönlichkeiten oder sind es eher proaktive Leute. Es muss ein guter Mix im Stiftungsrat sein. Man muss immer Leute mit Visionen haben, die auch grössere Schritte machen und dann braucht es auch ein, zwei ‚Buchhalter’ oder ‚Juristen’, die immer auf die Rahmenbedingungen aufmerksam FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 440 machen und schliesslich braucht es eine gute Führung dieses Mixes. Es gibt viele Stifter oder Stiftungsräte, die sich intern lähmen. Die sich einfach streiten, weil sie sich nicht einig werden." (P4) Eine Frage, die mit der Zusammenstellung des Stiftungsrates ebenfalls auftaucht, ist die Grösse des Stiftungsrates. Die Anzahl bestimmt sich durch das notwendige Spektrum an Fähigkeiten, Interessen und Perspektiven, die zur erfolgreichen Missionsumsetzung benötigt werden. Als Orientierungsgrösse gilt eine Grösse von fünf bis maximal neun Mitgliedern. Ein zu grosser Stiftungsrat hat den Nachteil, dass es schwierig wird, einen "gemeinsamen Nenner" hinsichtlich der Missionsverwirklichung und der einzelnen Ziele zu erreichen. Auch organisatorisch können sich Probleme ergeben bei der Terminfindung für Stiftungsratssitzungen. Bei lokal agierenden Stiftungen in Themenbereichen mit geringerer Komplexität ist auch eine Unterschreitung von fünf Mitgliedern möglich. Bei der Verfolgung von thematisch sehr spezifischen Zielsetzungen, die ein hohes Mass an Fachwissen voraussetzen, kann die Implementierung eines Fachbeirates notwendig werden. Die Vorteile einer Trennung der Aufgaben zwischen dem Stiftungsrat und einem Fachbeirat umschreibt ein Geschäftsführer einer grossen Stiftung folgendermassen: "Also bei uns ist es irgendwo eine effiziente, aber an und für sich nicht unbedingt günstige Vermischung von zwei Gremien. Wir haben den Stiftungsrat und die Geschäftsstelle. Dazwischen könnte man einen wissenschaftlichen Beirat haben. Jetzt fällt dieser aber bei uns zusammen mit dem Stiftungsrat. Wir haben nur fallweise Fachgutachter. Eigentlich ist der Stiftungsrat gleichzeitig wissenschaftlicher Beirat, und das gibt auch sehr oft ein Missverständnis, weil sie beide Hüte gleichzeitig anhaben. Als wissenschaftlicher Beirat sind sie kompetent für wissenschaftliche Fragen. Aber als wissenschaftliche Beiräte sind sie nicht unbedingt kompetent für strategische Fragen. Es ist schwierig, den Spagat zu machen zwischen einem wissenschaftlich wertvollen Projekt, das aber mit unserer Zielsetzung nichts zu tun hat. Wir haben einmal angeschaut, wer in einer Sitzung die beiden komplett verschiedenen Sichtweisen vertreten kann. Das sind vielleicht etwa dreieinhalb Stiftungsräte. Für den Rest müssen wir, wenn möglich, Instrumente anbieten, die ihnen helfen, diese Auseinandersetzung oder diese Unterscheidung zu treffen. Ich würde auf jeden Fall empfehlen, einen fachlichen Beirat zu machen, der personell Grösse des Stiftungsrates FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 441 nicht identisch mit dem Stiftungsrat ist. Da geht es wirklich um Entscheidungsebenen. Da geht es einerseits um Fachkompetenz und andererseits um strategische Kompetenz. Und je besser man beides auseinander hält, desto mehr Ordnung hat man, desto besser kann man auch führen." (P5) Oftmals sieht es der Stifter vor, dass dauerhaft eine gewisse Anzahl Familienmitglieder in der Stiftung vertreten sein muss. Daneben werden auch gerne Vertrauensleute wie enge Freunde, der persönliche Anwalt oder der Vermögensverwalter in den Stiftungsrat geholt. Diese Konstitution des Stiftungsrates gewährleistet v. a. in der Anfangszeit einer Stiftung eine breite Verankerung und unverfälschte Interpretation des Stifterwillens und vermindert so die Gefahr einer Abweichung der ursprünglichen Stifteridee (Æ Kap. 9.1 Stiftungspolitik, S. 228). Gleichzeitig besteht allerdings mit der Einbeziehung solcher Vertrauensleute die Gefahr eines mangelnden kritisch-konstruktiven Diskurses, weil die Ideen und Vorschläge des Stifters oftmals aufgrund eines Abhängigkeitsverhältnisses des Stifterumfeldes nicht genügend hinterfragt werden. Ein Stifter umschreibt die Problematik folgendermassen: "Man nimmt seine Freunde in die Stiftung und hat zusammen schöne Stunden. Dies kann aber zu einer gewissen Willkür führen, z. B. bei der Verwaltung der Mittel oder der Revision der Rechnung durch Freunde. Es führt auch immer wieder zu Katastrophen. Wenn Sie eine gemeinnützige Stiftung nur mit Ihrem Herz führen, ist das eine Katastrophe. Sie muss straff und zielorientiert geführt sein." (P27) Bei der Zusammensetzung des Stiftungsrates muss entschieden werden, ob neben dem Stifter und seinen Angehörigen - wenn diese überhaupt in den Organen vertreten sein sollen - weitere Persönlichkeiten für diese Ämter berücksichtig werden sollen. Die Organe dürfen nicht wegen einer Person, sondern müssen auf der Grundlage der benötigten Fähigkeiten besetzt werden. Dazu nimmt ein Stiftungsratspräsident einer mittelgrossen Stiftung Stellung: "Bis jetzt sind alle Mitglieder des Stiftungsrates aufgrund einer persönlichen Beziehung mit dem Stifterehepaar in diesen Stiftungsrat gekommen. Sie stammen noch aus dem Umfeld der Berater - wie ich auch - und Angestellten aus der damaligen Firma des Stifters. Das wird sich jetzt erstmals ändern, weil gelegentlich ein älteres Mitglied aus dem Stiftungsrat zurücktritt und Familienmitglieder und Vertrauensleute als Stiftungsräte 442 FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse sich die Frage einer Nachwahl stellt. Dieses Thema haben wir jetzt zum ersten Mal angesprochen und als nächstes werden wir im Rahmen des Stiftungsrates ein Profil für die neuen Stiftungsratsmitglieder entwickeln müssen. Es gibt dafür noch kein Konzept, aber wir haben erkannt, dass dies eine wichtige Aufgabe ist, die wir jetzt angehen müssen. Wir haben noch zwei Jahre Zeit, bis vermutlich zum ersten Mal dieser Kreis derjenigen, die eine persönliche Beziehung zum Stifterehepaar haben, überschritten werden wird. Das wird dann möglicherweise auch die Stiftungstätigkeit längerfristig prägen und verändern. Die Stiftung löst sich dann von der Person des Stifters immer mehr - und ein bisschen ist das auch gewollt, weil eben der Stiftungszweck nicht auf eine spezielle Liebhaberei des Stiftungsehepaars ausgerichtet ist, sondern bewusst sich von denen abstrahiert." (P3) Die kriterienbasierte Suche nach geeigneten Stiftungsräten ist eine zentrale Herausforderung des Stiftungsmanagements. Neben der Identifikation von Persönlichkeiten Kriterienbasierte Suche mit den geforderten Qualifikationen müssen Kandidaten auch gewillt sein, genügend Ressourcen in ihre Stiftungsratsfunktion zu investieren. Zahlreiche kleinere Stiftungen beschäftigen neben den Stiftungsräten kein weiteres Personal, um die Stiftungsarbeit zu erledigen. Es kann in gewissen Stiftungskonstellationen hilfreich sein, die Stiftungsratsmitglieder aktiv in die Projektarbeit einzubeziehen (Kennedy et al. 1998). Die häufigste Ursache für aktive Projektmitarbeit des Stiftungsrates sind allerdings die knappen finanziellen Mittel. Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob für die Erledigung der Stiftungsarbeit Teiloder Vollzeitangestellte notwendig sind. Dies bestimmt zu einem grossen Teil die Höhe der Administrativkosten (Æ Kap. 11.1 Finanzmanagement, S. 384). Stiftungen, die sich für zusätzliche Mitarbeiter ausserhalb des Stiftungsrates entscheiden, versuchen, ihre Ressourcen besser managen zu können und ihre Wirkung dadurch überproportional zu erhöhen. Die Entscheidung bezüglich Teil- resp. Vollzeitangestellten ist einerseits vom vorhandenen Stiftungskapital und andererseits von den Entscheidungen der Æ Stiftungspolitik und Æ -strategie (Kap. 9, S. 226) in Bezug auf die Ausgestaltung der Stiftungstätigkeit abhängig. Selbstverständlich lässt sich die Vergabe von Fördermitteln an Antragssteller ohne angestelltes Personal bewerkstelligen, für das Ausfüllen eines Schecks reichen die ehrenamtlichen Stiftungsräte aus. Sollen Teil-/ Vollzeitangestellte FE-C Grundkategorie 4: Die Supportprozesse 443 Anträge jedoch wirklich gut geprüft werden und erfordert dies auch umfangreiche Kenntnisse, so ist zu überlegen, inwieweit zusätzliche Mitarbeiter hilfreich sind (Kennedy et al. 1998). Während der Interviews im Rahmen des Forschungsprojekts Foundation Excellence wurde von den Stiftungsvertretern oft die Frage aufgeworfen, ab wann der Einsatz ei- Vollamtlicher Geschäftsführer nes hauptamtlichen Stiftungsmitarbeiters in Erwägung gezogen werden kann. Hierfür gibt es keine eindeutige Antwort (Æ Kap. 9.1 Stiftungspolitik, S. 228). Vergibt z. B. eine Stiftung nur wenige grosse und regelmässige Zuwendungen an Institutionen, so kann dies höchstwahrscheinlich vom Stiftungsrat selbst vollzogen werden. Als grundlegende Regel kann davon ausgegangen werden, dass sich ein vollamtlicher Geschäftsführer unter einem vorhandenen Stiftungskapital von CHF 25 Mio. - und somit einem potentiellen jährlichen Ausschüttungsvolumen von etwas über CHF 1 Mio. - kaum rechtfertigen lässt. Auch hier könnte wieder die Möglichkeit einer Kooperation mit einer anderen Stiftung in Betracht gezogen werden. Ob ein Geschäftsführer angestellt wird, ist - wie oben aufgezeigt - eine der zentralen Entscheidungen für eine Stiftung. Prägnant wird es im folgenden Zitat formuliert: "Ich glaube aus meiner Erfahrung in dieser Stiftung, die grösste Herausforderung als Stiftungsrat ist, das richtige Management auszuwählen, es ist ein eigentlicher Executive Search Job." (P15) En
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