Test Gibson 5/02

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Test Gibson 5/02
TEST
© PPVMEDIEN 2006
a
Gibson &
Epiphone
Hummingbird
Gitarren von Gibson haben einen guten Ruf, zweifellos.
Genauso zweifellos ist aber, dass der Name Dreadnought
untrennbar mit einer anderen Firma verbunden ist, die
ihn auch beinahe exklusiv hat. Beinahe, wie gesagt,
gäbe es da nicht die Hummingbird.
D
Die Hummingbird ist Gibsons Antwort auf den
übermächtigen Dreadnought-Boom gewesen.
Die Vorgabe war, eine Gitarre zu entwerfen, die
eine Gesangsstimme perfekt stützt und sich
dabei nicht in den Vordergrund drängt. Gibson
hat sich damit lange Zeit gelassen: Erst 1960
kam die Hummingbird auf den Markt. Dreadnought hat man diese Form natürlich auch nicht
genannt, sondern „Square Shoulder Jumbo“, im
Gegensatz zur Round Shoulder oder Southern
Jumbo. Sie sieht zwar auf den ersten Blick aus
wie eine typische Dreadnought, aber die Dimensionen unterscheiden sich etwas. Und auch die
Hölzer und die Mensur sind anders, was der
Hummingbird eine eigene Stimme verleiht. Viele
bezeichnen die Hummingbird als die ultimative
Akustikgitarre im Rockbereich. So basiert zum
Beispiel das Custom-Modell von Sheryl Crow
auf der Hummingbird.
Wer auch so ein Teil möchte, der kommt ohne
eine gut gefüllten Brieftasche nicht weiter. Da
trifft es sich doch ausgezeichnet, dass die
Gibsontochter Epiphone ein gleichnamiges und
auch fast gleich aussehendes Modell im Angebot
hat. Was kann die Gibson, was die Epiphone
nicht kann? Denn, wie gesagt, geil aussehen tun
sie beide...
Der Unterschied zwischen der Gibson und der
Epiphone wird schnell deutlich, wenn man die
Instrumente in die Hand nimmt – der Hals der
Gibson ist um einiges dicker als der der
Epiphone. Dieser fühlt sich eher wie der Hals
einer E-Gitarre an. Auf der Gibson fühlt sich der
eingefleischte Akustiker hingegen auf Anhieb
wohl. Zudem verheißt ein dicker Hals auch einen
dicken Sound. Und so ist es dann auch. Die
Gibson hat den wärmeren und volleren Sound,
28 guitar acoustic 5/02
die Epiphone klingt im direkten Vergleich dünner und ein wenig metallisch. Der Sound ist
zwar gut, aber die Gibson spielt eben doch in
einer ganz anderen Liga. Das betrifft vor allem
den Charakter des Tones, der von der Epiphone
nicht so getroffen wird. Woran liegt das wohl?
Alleine an den Materialien sicher nicht, aber ein
gewichtiges Wörtchen haben diese mitzureden:
Die Gibson hat eine Decke aus massiver Fichte,
der Korpus besteht komplett aus selbstverständlich ebenfalls massivem Mahagoni. Hier ist
der erste Unterschied zu finden. Zwar besitzt die
Epiphone ebenfalls eine massive Fichtendecke
von sogar ordentlicher Qualität, aber der Korpus
besteht nur aus aus gesperrtem Holz – in dieser
Preiskategorie ist das allerdings völlig normal.
Der Hals wurde bei beiden Instrumenten aus
Mahagoni gefertigt. Er zeichnet sich, wie gesagt,
vor allem dadurch aus, dass er bei der Gibson ein
ganzes Eck dicker ist als bei der Epiphone. In
Millimetern ausgedrückt sind das 21,5 mm
(Gibson) und 20 mm (Epiphone). „Doch so viel“,
wird sich der geneigte Leser fragen, denn 1,5
Millimeter sollten keinen so großen Unterschied
machen. Machen sie aber doch. Man muss es selber mal gefühlt haben, um es zu glauben.
Eine eher kosmetische Angelegenheit ist der
Halsfuß, der bei der Gibson rund, bei der Epiphone spitz ausgeführt ist. Hier gibt es jedoch
einen klaren Punkt für die Epiphone, denn sie
hat hier einen zweiten Gurtknopf eingeschraubt
bekommen – sehr löblich. Auch ist der untere
Gurtknopf der Epiphone aus massivem Metall,
der der Gibson hingegen aus schnödem Plastik.
Etwas seltsam in dieser Preislage.
Foto: Petra Schramböhmer
en Autoren dieser Zeilen verbindet eine
ganz eigene Erinnerung mit der Hummingbird. Die Kopie einer solchen ist es
nämlich gewesen, die als erste halbwegs vernünftige Akustikgitarre in seine noch recht ungelenken Hände geraten ist. Die Entscheidung
fiel damals ebenso nachvollziehbar wie unvernünftig: „Die schaut geil aus, die will ich.“ Diese
Einstellung ist leicht auf andere zu übertragen,
und daran hat sich bis heute nichts geändert.
Deswegen gibt es auch billige Kopien teuerer
Originale.
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© PPVMEDIEN 2006
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Sehen wir uns die Halsoberseite an. Hier finden
wir natürlich das Griffbrett, bei beiden Gitarren
besteht es aus Palisander und ist eingefasst.
Diese Einfassung ist bei der Gibson an den Rändern bei jedem Bund hochgezogen. Diese Maßnahme vermittelt ein sehr weiches Griffgefühl,
da man es nicht mit scharfen Bundkanten zu tun
hat (die man aber auch wegfeilen könnte). Leider
wird dieses nette Detail einem irgendwann fälligen Bundwechsel unweigerlich zum Opfer fallen. Das ist bei der Epiphone anders, sie vermittelt einen Eindruck davon, wie es nach dem
Bundwechsel aussehen wird. Spielen kann man
beides. Das Bundmaterial ist schmal, dafür aber
ziemlich hoch. Das gilt für beide Gitarren und ist
weiterkeine Besonderheit.
Eine Besonderheit findet man, wenn man einen
Zollstock zur Hand nimmt und die Mensur
abmisst. Hoppla, die Epiphone hat ja eine viel
längere Mensur als die Gibson – nun wird auch
klar, wo ein guter Teil der Unterschiede im
Klangcharakter herrühren müssen. Zur Probe
habe ich die Epiphone mal einen Halbton nach
unten gestimmt und einen Capo im ersten Bund
angesetzt. Das klang schon eher nach Hummingbird, wenngleich es natürlich kein Heilmittel ist. Durch die längere Mensur rutscht
nämlich auch der Steg ein Stück weiter nach
hinten und sitzt somit auf einem anderen Teil
der Decke. Dazu kommt weiterhin, dass die
Verbalkung der Gibson und der Epiphone leicht
verschieden sind. Das betrifft vor allem den
Kreuzungspunkt der beiden X-Balken unter der
Decke, der bei der Gibson wesentlich weiter in
Richtung Steg liegt.
Alles andere ist im wahrsten Wortsinne lediglich
von optischer Bedeutung, macht aber (optisch)
aus einer Hummingbird erst eine Hummingbird.
Das ist zum einen die typische SunburstLackierung. Sie ist bei der Gibson eher als Brown
Sunburst (oder auch Vintage Sunburst) ausgeführt, bei der Epiphone dagegen als Cherry
Sunburst. Dann gehört zwingend das große
Schlagbrett mit dem eingravierten Kolibri dazu.
Und schließlich ist auch die Bridge typisch
gestaltet, denn sie ist quasi verkehrt herum aufgesetzt. „Reversed Belly“ nennt sich das. Sehr
schön finde ich in diesem Kontext die KlusonReplikas auf der Epiphone. Die Grovers auf der
Gibson sind zwar tadellos und sicher technisch
besser, aber auch wesentlich nüchterner.
Nehmen wir die Instrumente zur Hand und
hören genau hin. Die Gibson zeichnet sich hierbei durch einen warmen und trockenen Ton aus;
ihr haftet wenig Spektakuläres an. Genau das ist
auch die größte Stärke der Gibson. Sie nervt nie,
man kann stundenlang auf ihr spielen, ohne
dass sie einem auf den Geist geht. Da passiert es
bei Gitarren mit einem spektakulären Sound
schon eher, dass man sich satt gehört hat.
Namentlich werden natürlich die Singer/Songwriter zu dieser Gitarre greifen, denn so eine
schöne Soundgrundlage bekommt man selten
von einer Gitarre geboten. Zu diesem Zwecke
sollte man sie auch unbedingt mit ins Studio
nehmen. Vor dem Mikrofon benimmt sich die
Gibson Hummingbird untadelig und ist auch für
den Toningenieur leicht zu handhaben. Das
Signal, das die Gibson auf Band oder die Harddisk abgibt, ist druckvoll und warm. Wie bei
allen Akustiks sollte man jedoch auch hier den
Bereich direkt vor dem Schallloch meiden.
Der Ton der Gibson ist sehr ausgeglichen, ohne
dass die Bässe oder die Höhen zu stark im
Vordergrund stehen. Die Mitten sind weich und
leicht singend. Das steht im krassen Gegensatz
zu dem Ton zum Beispiel einer HD-28 von
Martin. Man kann mit der Gibson auch im
Bassbereich kräftig herumrühren, ohne dass sich
der Ton aufschaukelt. Das ist etwas, was besonders die Fingerpicker freuen wird.
möchte. Gut, der Straßenpreis liegt um einiges
darunter, aber der reine Materialwert steht sicher
nicht dafür. Doch die Gibson Hummingbird ist
eine wunderbare Gitarre mit einer eigenen,
höchst individuellen Stimme. Wer danach sucht,
für den gibt es keine Alternative, denn diese
Gitarre ist etwas Besonderes. Die Epiphone ist
im Vergleich dazu zwar eine gute, preiswerte
Gitarre, sie kann diesen Zauber jedoch nur
optisch einfangen. Der Klang orientiert sich eher
an dem, was man als typischen DreadnoughtTon kennt. Doch die Optik stimmt, und für
Leute, die eine Gitarre mit eben dieser speziellen
Optik zu einem guten Tarif suchen, dürfte es
genau das Richtige sein.
Jürgen Richter
Gibson Hummingbird (Epiphone)
Die Epiphone klingt dagegen viel eher wie eine
Dreadnought. Die interne Konstruktion und die
längere Mensur sind dafür verantwortlich. Im
Detail bedeutet das, dass die Mitten rauer und
die Höhen schärfer sind als bei der Gibson. Vom
anderen Spielfeeling ganz zu schweigen. Wer
also den Ton einer Hummingbird sucht, der wird
noch ein bisschen sparen müssen. Wer dagegen
auf die Optik dieses Klassikers steht und nicht so
viel Geld übrig hat, ist mit der Epiphone bestens
bedient. Denn: Geil sieht sie schon aus.
Unter‘m Strich
Man mag darüber streiten, ob man für eine
Mahagoni-Gitarre beinahe 4.000,- e bezahlen
Herkunft ................................................USA (Korea)
Form..................................Square Shoulder Jumbo
Korpus..................Mahagoni massiv (Mahagoni)
Decke....................................................Fichte massiv
Hals..............................................................Mahagoni
Griffbrett ..................................................Palisander
Steg ..........................................Palisander, reversed
Halsbreite Sattel ......................44,5 mm (44 mm)
Halsbreite 12. Bund ..................53,5 mm (54 mm)
Bundstäbchen ............................................Medium
Hals/Korpus-Übergang ............................14. Bund
Mensur ............................................62,5 cm (65 cm)
Mechaniken ....................Grover (Kluson-Replika)
Vertrieb........................Musik + Technik, Marburg
Empf. VK-Preis ......3.750,- e inkl. Case (549,- e)