Kontaktanzeigen im intermedialen Vergleich

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Kontaktanzeigen im intermedialen Vergleich
Software-Rezension: Hexaglot Sprachkurs EuroPlus+ Flying Colours
Linguistik-Server Essen
Nicole Rutkowski:
Kontaktanzeigen im intermedialen Vergleich
© Redaktion LINSE (Linguistik-Server Essen); Erscheinungsjahr: 2003
Universität Duisburg-Essen, Standort Essen, Fachbereich 3, FuB 6
Universitätsstraße 12, D–45117 Essen | http://www.linse.uni-essen.de
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1
Inhalt
1.
Einleitung: Kontaktanzeigen im historischen Wandel....................................... 1
2.
Forschungsüberblick ............................................................................................. 5
2.1
Stolt/Trost 1976 ....................................................................................................... 5
2.2
Riemann 1999.......................................................................................................... 6
2.3
Eckkrammer 1999.................................................................................................... 7
2.4
Eckkrammer 2000.................................................................................................... 8
2.5
Sommerfeldt 2002 ................................................................................................... 9
2.6
Folgerung............................................................................................................... 10
3.
Bestimmung der Textfunktion............................................................................ 11
4.
Inhaltliche Strukturanalyse ................................................................................ 13
4.1
Struktur der Coolibri-Anzeigen............................................................................. 14
4.2
Struktur der Liebesalarm-Anzeigen ...................................................................... 16
4.2.1
Allgemeine Inhaltsstruktur der Liebesalarm-Anzeigen......................................... 17
4.2.2
Struktur einer Liebesalarm-Anzeige...................................................................... 20
4.2.2.1 Inhaltsstruktur von Textfeldern ............................................................................. 20
4.2.2.2 Semantische Text-Bild-Beziehungen .................................................................... 21
4.3
Inhaltsstruktur der Hin-und-Weg-Anzeigen .......................................................... 24
4.3.1
Analyse einer Einleitung........................................................................................ 25
4.3.2 Analyse eines Moderatorentextes .......................................................................... 26
4.3.3 Analyse eines Interviews ....................................................................................... 27
4.4
Ergebnisse der Strukturanalyse ............................................................................. 28
5.
Kognitive Metapherntheorie .............................................................................. 30
5.1
Metaphern im Coolibri .......................................................................................... 31
5.2
Metaphern im Liebesalarm.................................................................................... 32
5.3
Metaphern in Hin-und-Weg ................................................................................... 33
5.4
Ergebnisse.............................................................................................................. 34
6.
Kommunikationssituation in Kontaktanzeigen ................................................ 36
6.1
Kommunikationssituation in den Coolibri-Anzeigen............................................ 37
6.2
Kommunikationssituation in den Liebesalarm-Anzeigen ..................................... 39
6.3
Kommunikationssituation in den Hin-und-Weg-Anzeigen ................................... 40
6.4
Ergebnisse.............................................................................................................. 41
7.
Fazit....................................................................................................................... 43
8.
Literaturverzeichnis ............................................................................................ 46
9.
Quellenverzeichnis............................................................................................... 47
1
1. Einleitung: Kontaktanzeigen im historischen Wandel
Die Geschichte der Kontaktanzeige lässt sich bis in das 17. Jahrhundert zurückverfolgen.
Anzeigen, die persönlichen Kontakt herstellen sollen, dienen zunächst ausschließlich dem
Zweck der Eheschließung. Erst in den fünfziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts ändert sich dies: es kommt zu einer zunehmenden Ausdifferenzierung der Textsorte in Rubriken wie Freizeitkontakte oder Sie sucht Ihn. Heute fungiert deshalb die Kontaktanzeige
als Oberbegriff, der die bis dahin allein gebräuchliche Bezeichnung der Heiratsanzeige
unter anderem mit einschließt.1 In Folge des historischen Wandels der Textsorte verändert
sich somit der Stellenwert des Terminus Heiratsanzeige.
Die wahrscheinlich erste Heiratsannonce überhaupt erschien in England: am 19. Juli
1695 publizierte „John Houghton [...] in seiner 1682 gegründeten ‚Collection for the Improvement of Husbandry and Trade’ die ersten Inserate dieser Art“ (Kaupp 1968, S. 9).
Die Skepsis der Rezipienten2 gegenüber dieser Anzeigenart war zunächst beträchtlich. So
dauerte es noch weitere 100 Jahre, bis weitere Annoncen in englischen Zeitungen erschienen.
Das wahrscheinlich erste Heiratsinserat in Deutschland wurde am 8. Juli 1738 veröffentlicht, und zwar in den Frankfurter Frag- und Anzeigen-Nachrichten:
Ein honettes Frauenzimmer ledigen Standes, guter Gestalt, sucht ... einen guten
Doctor oder Advocaten ledigen Standes ..., so groß und wohl aussieht. (Kellen
in Kaupp 1968, S. 9 f.)
Diese Art der Partnersuche war zunächst in so hohem Maße unkonventionell, dass sich
zum Beispiel in einer Annonce vom 23. Mai 1792 des Hamburgischen Correspondenten
Begründungen für die Wahl dieses Weges fanden: „solche öffentliche Einladungen zur
Ehe [sind] in England längst eingeführt [...]. Auch hat man Beyspiele genug, daß hiedurch
viele glückliche Ehen dorten entstanden sind“ (Buchner in Kaupp 1968, S. 10). Inhaltlich
standen zunächst ökonomische Interessen der Inserenten im Vordergrund; dies „prägt die
Heiratsanzeige [...] während mehr als 200 Jahren“ (Eckkrammer/Eder 2000, S. 51). Anders als heute wurden sowohl die eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse als auch die des
1
Hierbei spielen auch soziologische Veränderungen eine Rolle, denn „die Relevanz der Ehe nimmt ab“
(Eckkrammer/Eder 2000, S. 56).
2
Dieses Misstrauen spiegelt die Erklärung wider, die der Herausgeber einige Wochen später veröffentlichte:
„These Proposals for Matches are real, and I do promise to manage them and such like with ... much Secresie and Prudence“ (Sampson in Kaupp 1968, S. 9).
2
Wunschpartners explizit benannt: 3
Ebenfalls im „Hamburgischen Correspondenten“ wünschte am 3. April 1793
ein Mann von 40 Jahren, gutem Stande und bester Gesundheit sowie mit 1200
Rthlr. jährlichem Einkommen und Liegenschaften „eine Gattinn zu erhalten ...,
die gesund und nicht über 30 Jahr alt ist, auch dabey ein baares Vermögen von
wenigstens 16000 Thaler besitzet [...]“. (Kaupp 1968, S. 11)
Ende des 18. Jahrhunderts beginnen zahlreiche weitere deutsche Zeitungen, Heiratsinserate zu publizieren. Bereits 1801 lässt sich gemäß Kaupp anhand eines Inserates in der Allgemeinen Zeitung feststellen, dass ein Blatt existierte, das nur Heiratsinserate enthielt, und
zwar sowohl Heiratsgesuche als auch –offerten.
In England fanden sich zur selben Zeit ebenfalls viele Heiratsannoncen in verschiedenen
Zeitungen. Wirtschaftliche Erwägungen spielten hier auch eine große Rolle. Zudem wurden körperliche Merkmale der Wunschpartnerin deutlich beschrieben in den Annoncen:
„Five Feet Four Inches without her shoes; not fat, not too lean; a clear Skin; sweet Breath,
with good Set of Teeth“ (Sampson in Kaupp 1968, S. 15).
Zeitungen, die ausschließlich Heiratsinserate enthalten, erschienen ebenfalls zuerst in
England; die erste wurde um 1870 in London herausgegeben. Im Durchschnitt befanden
sich in den Zeitungen, die wöchentlich herauskamen, 500 bis 600 Anzeigen, wobei etwa
80 % der Inserierenden Frauen waren. 1957 jedoch gab es in England nur noch eine Zeitung dieser Art.
Kontaktanzeigen werden heute in zahlreichen Zeitungen, Zeitschriften und Fachzeitschriften veröffentlicht. Ausschließlich Kontaktanzeigen publizierende Zeitungen sind
rückläufig, dennoch „gibt es beispielsweise in den USA auch diese Publikationsform
noch“ (Riemann 1999, S. 43); es existieren zudem allgemeine Anzeigenblätter, die auch
viele Kontaktanzeigen enthalten, und Extrahefte mit Kontaktanzeigen, die Zeitschriften
beigelegt werden. Die Anzahl der Anzeigen ist bis heute kontinuierlich gestiegen: „ZEY/
KARR sprechen 1993 von mehr als 450.000 Annoncen, die monatlich in deutschen Tages- und Wochenzeitungen erscheinen“ (Riemann 1999, S. 43), sie bilden also einen lukrativen Markt. Auch die Einstellung gegenüber den Anzeigen hat sich gewandelt: sie
werden nicht mehr – wie oft in den Jahrzehnten zuvor – als letzte Möglichkeit angesehen,
um jemanden kennenzulernen, sondern haben sich zu einer als normal angesehenen Mög-
3
Zurückzuführen ist dieser Unterschied auf soziologische Bedingungen: bis in das 19. Jahrhundert hinein
waren Ehe und Partnerschaft sachorientiert; heute hingegen „stellen Zuneigung und Liebe die Grundlage
des Zielpunktes Paarbeziehung dar“ (Eckkrammer/Eder 2000, S. 56).
3
lichkeit der Kontaktsuche etabliert.4 Anregungen, wie eine möglichst erfolgreiche Kontaktanzeige gestaltet werden sollte, können sich potentielle Inserenten mittlerweile nicht
nur durch bereits erschienene Texte, sondern auch durch Volkshochschulkurse und populärwissenschaftliche Ratgeber einholen.
Die medial vermittelte Kontaktsuche findet inzwischen nicht mehr ausschließlich in den
Printmedien statt. In Deutschland gibt es seit 1987 im Fernsehen Shows, in denen die
Kandidaten einen Partner finden sollen; zudem bieten Hörfunk und Internet weitere Möglichkeiten zur Partnersuche. Auch finden zahlreiche Single-Parties statt, bei denen an
Pinnwänden oder Zeitungen Kurzbeschreibungen der anderen Anwesenden nachzulesen
sind; in „München und Hamburg sind seit kurzem Telefonbücher zu erwerben, in denen
Singles mit ihrer Telefonnummer, ihrem Alter oder Beruf auf selbstgestalteten Din-A5Seiten inserieren“ (Riemann 1999, S. 46).
Im Folgenden werden Kontaktanzeigen aus drei verschiedenen Medien analysiert, nämlich aus einem Printmedium, dem Internet und aus dem Hörfunk.5 Dabei soll insbesondere
verdeutlicht werden, wie sich die jeweiligen medialen Besonderheiten auf die Vertextung
auswirken.
Zunächst soll ein Forschungsüberblick gegeben werden, um exemplarisch die Ergebnisse
und Grenzen der bisherigen wissenschaftlichen Beschäftigung mit Kontaktanzeigen aufzuzeigen.
Im weiteren Verlauf soll die Textfunktion der zu untersuchenden Kontaktanzeigen definiert werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, wie der Rezipient auch in Internet und Hörfunk trotz eines fehlenden Gattungsbegriffs die Texte in die Textsorte Kontaktanzeige
einordnen kann.
Gemeinsamkeiten und medial bedingte Unterschiede der Anzeigen sollen mit Hilfe einer
inhaltlichen Strukturanalyse herausgearbeitet werden. Dies soll anhand ausgewählter Beispieltexte geschehen.
4
Dies spiegelt auch die „einzige repräsentative Befragung der bundesdeutschen Bevölkerung zu ihrer Einstellung zu Kontaktanzeigen“ (Riemann 1999, S. 45) wider: fast ein Drittel der Befragten war bereit, auf
eine Annonce zu antworten. Ungefähr die Hälfte gab an, Kontaktanzeigen regelmäßig zu lesen, zudem
waren über die Hälfte der Ansicht, dass sie ein geeignetes Mittel seien, um einen Partner zu finden.
5
Die Anzeigen, die im weiteren Verlauf analysiert werden, wurden jeweils per Zufallsprinzip exemplarisch
ausgewählt. Das zur Verfügung stehende Gesamtmaterial variiert stark hinsichtlich des Umfangs. Aus diesem Grund wurde zu Vergleichszwecken ein Korpus zusammengestellt, das eine stark begrenzte Anzahl
von Anzeigen enthält.
Die sieben gedruckten Annoncen entstammen der Oktoberausgabe 2002 des Coolibri. Aus dem Internet
wurden elf virtuelle Anzeigen aus einer umfangreichen Datenbank, dem Liebesalarm, ausgesucht. Die Radioanzeigen verteilen sich auf zwei Ausgaben der Sendung Hin und Weg des WDR Eins Live: eine der
Anzeigen wurden am 30.11.2002 gesendet, drei am 7.12.2002. Hierbei wurden ebenfalls einzelne Anzeigen
aus den Gesamtsendungen exemplarisch ausgewählt.
4
Ergebnisse der kognitiven Metapherntheorie sollen des Weiteren hinzugezogen werden,
um einzelne Phänomene sprachlicher Kreativität in den drei Medien näher zu untersuchen.
Abschließend wird auf die Kommunikationssituation in den Anzeigen eingegangen, und
zwar im Hinblick auf das Spannungsverhältnis von Öffentlichkeit und Privatheit.
5
2. Forschungsüberblick
Die Kontaktanzeige war bisher „hauptsächlich Gegenstand soziologischer Untersuchungen“ (Eckkrammer/Eder 2000, S. 54).6 Auch einige – wenige – sprachwissenschaftliche
Arbeiten nähern sich diesem Thema. Von diesen soll eine Auswahl im Folgenden chronologisch geordnet vorgestellt werden; zudem wird eine kommunikationswissenschaftliche
Untersuchung Berücksichtigung finden.
2.1 Stolt/Trost 1976
Die interdisziplinäre empirische Untersuchung von Annoncen aus der Zeit, die Stolt/Trost
1976 vorgelegt haben, versucht zu zeigen, ob zwischen der Vertextung und der Resonanz
ein Zusammenhang besteht. Hierzu wird das Material, 310 Anzeigen weiblicher und 241
männlicher Inserenten, aus soziologischer und sprachwissenschaftlicher Sicht analysiert;
dies geschieht unter Berücksichtigung der Anzahl der jeweils eingegangenen Zuschriften7, welche als Indiz für den Erfolg einer Anzeige angesehen wird.
Im soziologischen Teil geht Trost der Frage nach, welche außersprachlichen Variablen8
die Anzahl der Zuschriften beeinflussen. Es werden eine AID-Analyse und im nächsten
Schritt eine Regressionsanalyse durchgeführt, wobei die Anzeigen nach männlichen und
weiblichen Inserenten sortiert sind. Die vergleichende Frequenzanalyse zeigt zum Beispiel eine unterschiedlich hohe Antwortrate, wenn Kinder vorhanden sind: für Männer
haben sie positive Auswirkung, bei Frauen ist das Gegenteil der Fall. Die Vergleiche führen Trost zu der Annahme, das die Anzeigen von traditionellen Geschlechterrollen geprägt sind: der „Eindruck von der Frau als Konsumtionsware liegt nahe“ (Stolt/Trost
1976, S. 23).
Der linguistische Teil Stolts beschäftigt sich anschließend mit Wortschatz und Stil der
Anzeigentexte.
6
Soziologische Voraussetzungen spielen bei der Vertextung der Anzeigen eine nicht unerhebliche Rolle,
jedoch müssen sie bei der folgenden Untersuchung ausgeklammert werden. Für eine umfassende synoptische Darstellung hauptsächlich inhaltsanalytischer Arbeiten, die Kontaktanzeigen aus soziologischer,
sprachwissenschaftlicher, psychologischer und kommunikationswissenschaftlicher Perspektive betrachten,
sei auf Riemann 1999, S. 79 ff. verwiesen.
7
Dieses Kriterium wird von den Autoren selbst als problematisch angesehen, da es nicht das Ziel einer
Heiratsannonce ist, möglichst viele Briefe zu bekommen, sondern einen einzigen Partner zu finden; dieses
Ziel kann mit der gewählten Methode nicht erfasst werden, sondern nur, „ob ein Text in hohem, in
durchschnittlichem oder begrenzten Maße bzw. überhaupt nicht zu Zuschriften verlockt hat“ (Stolt/Trost
1976,
S. 2).
8
Für eine genaue Kodierung der Variablen siehe Stolt/Trost 1976, S. 5 ff.
6
Der Wortschatz des gesamten Korpus wird im Hinblick auf die Selbstdarstellung und die
des Wunschpartners untersucht, wobei nach männlichen und weiblichen Annoncen unterschieden wird. Auf diese Weise sollen sowohl Unterschiede im Wortgebrauch von Frauen
und Männern gezeigt werden als auch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage geklärt
werden. Die gefundenen Lexeme werden in zwölf Gruppen eingeteilt, die mehr oder weniger synonymische Begriffe umfassen und in 17 Tabellen dargestellt und kommentiert9
werden.
Daran schließt sich eine stilistische Analyse von Einzeltexten an. Es werden dabei beispielsweise erfolgreiche und erfolglose Texte, die ähnliche bereits soziologisch ausgewertete Merkmale enthalten wie etwa die Anzahl der Kinder, einander gegenübergestellt; die
Ursachen für die unterschiedliche Zuschriftenfrequenz konnte mit soziologischen Mitteln
allein nicht geklärt werden und wird deshalb auf spezifische Stilmerkmale zurückgeführt.
Zudem „gibt die stilistische Analyse ein etwas differenzierteres und teilweise abweichendes Bild“ (Stolt/Trost 1976, S. 152) als die soziologische Auswertung, was Stolt unter
anderem zu einer von Trost abweichenden Erklärung für geschlechtsspezifische Unterschiede in der Darstellung des Wunschpartners führt: nicht die „Frau als ‚Konsumtionsware’“ (Stolt/Trost 1976, S. 152), sondern von Rollenvorstellungen unabhängige biologische Gegebenheiten werden als Ursache angesehen. Traditionelle Klischeevorstellungen
sind in männlichen und weiblichen Anzeigen unterschiedlich verteilt, so dass es zu Diskrepanzen zwischen Angebot und Nachfrage kommt.
Fragestellungen, die mediale Bedingungen betreffen, werden in dieser Untersuchung weitestgehend ausgeklammert. Es wird lediglich auf einen soziologischen Aspekt der Medienrezeption verwiesen, nämlich dass die Leser der Zeit „der gebildeten Mittel- und Oberschicht“ (Stolt/Trost 1976, S. 3) angehören. Welche Bedingungen das Medium Zeitung selbst eröffnet, wird nicht näher erläutert. Dadurch, dass die Untersuchung sich auf
eine einzige Zeitung beschränkt, bleibt zudem die Frage offen, inwiefern sich die gewonnenen Ergebnisse verallgemeinern lassen. Insbesondere Konventionalisierungen innerhalb
der Textsorte ließen sich sowohl im diachronischen als auch im synchronischen Vergleich
verschiedener Printmedien herausfiltern.
2.2 Riemann 1999
Riemann zielt mit ihrer kommunikationswissenschaftlichen empirischen Untersuchung
darauf ab zu zeigen, wie sich einige gesellschaftliche Werte zur Partnerwahl im Laufe
9
Die Kommentare gehen insbesondere auf problematisch einzuordnende Begriffe ein und ordnen sie in
ihren Kontext ein; ferner beschreiben sie die Verteilung der Lexeme bei Männern und Frauen und beziehen
sie teilweise auf die Ergebnisse der soziologischen Untersuchung.
7
eines Jahrzehnts entwickelt haben. Hierzu wertet sie auf kommunikationstheoretischem
Hintergrund 300 Kontaktanzeigen der Jahre 1981, 1986, 1991 und 1994 inhaltsanalytisch
aus, um sie „in ihrer Eigenschaft als ‚Spiegel der Gesellschaft’ zu betrachten“ (Riemann
1999, S. 10). An ihnen werden Hypothesen überprüft, welche aus einer Darstellung der in
Deutschland vorherrschenden Werte und aus den Ergebnissen bereits vorhandener wissenschaftlicher Untersuchungen gewonnen werden. Im theoretischen Teil der Arbeit werden zudem sowohl die historische Entwicklung der Partnerwahl als auch der Kontaktanzeige dargestellt. Hinsichtlich der Struktur von Kontaktanzeigen wird auf inhaltliche und
formale Merkmale eingegangen. Auch Ziel und Funktion der Anzeigen werden erläutert.
Die Untersuchung geht nicht auf Kontaktanzeigen in anderen Medien ein, auch wenn diese zumindest erwähnt werden; Fragen der Medialität werden also ausgeklammert. Linguistisch interessant wäre es, weiterführend zu untersuchen, wie einige der im theoretischen
Teil gegebenen Faktoren Einfluss auf die Textstrategien der Anzeigenschreiber nehmen.10
2.3 Eckkrammer 1999
Eckkrammer präsentiert die Ergebnisse eines Pilotprojektes zur intralingualen Kontrastierung von Kontaktanzeigen aus dem deutschen, französischen, italienischen und spanischen Sprachraum. Der Beitrag fasst die Ergebnisse eines linguistischen Proseminars zusammen. Die Korpora setzen sich aus jeweils 200 Anzeigen zusammen, nur das deutsche
umfasst 240 Anzeigen. Der spanische Teil wird zudem noch durch 50 digitale Annoncen
ergänzt, die mit 20 deutschen virtuellen Anzeigen vergleichend analysiert werden.
Bei der Darstellung wird „stets von der quantitativen Analyse – insbesondere der Makrostruktur – aus[gegangen], um in der Folge einige qualitative Aspekte zu beleuchten“
(Eckkrammer 1999, S. 131). So wird unter anderem das Textvolumen verglichen, aber
auch mikrostrukturelle Aspekte wie besonders häufig vorkommende Lexeme werden kontrastiert. Auch ausgewählte thematische Gesichtspunkte, Appellfunktion, kreative stilistische Elemente und konventionalisierte Textschablonen der Korpora werden umrissen.
Der interlinguale Vergleich zeigt, dass Kontaktanzeigen stark kulturell geprägt sind, denn
die Korpora weisen starke Divergenzen in der Vertextung11 auf. Bei den digitalen Anzeigen sieht dies jedoch anders aus: hinsichtlich Wort- und Satzfrequenz, verwendeter Abkürzungen und Zahlen lassen sich kaum Unterschiede feststellen, was zu der Vermutung
führt, „daß das Internet einen Abschleifungsprozeß in bezug auf sprachlich bedingte Konventionen in der Textkonstitution nach sich zieht“ (Eckkrammer 1999, S. 164). Dieser
10
Dies soll unter 6. hinsichtlich eines Aspekts, nämlich der Kommunikationssituation und der daraus resultierenden Spannung von Privatheit und Öffentlichkeit, geschehen.
11
Für eine Zusammenfassung der Ergebnisse siehe Eckkrammer 1999, S. 170 ff.
8
Trend ist in dem deutschsprachigen Material in stärkerem Maße festzustellen.
Die Arbeit ist rein deskriptiver Natur. Eine theoretisch begründete Analyse der kulturellen
Ursachen und medialen Bedingungen, die zur Erklärung der gefundenen Divergenzen und
Übereinstimmungen beitragen könnte, steht aus. Auch wäre es nötig, die innerhalb des
Projektes nur grob umrissenen Aspekte genauer auszuarbeiten und so zu umfassenderen
Ergebnissen zu kommen.
2.4 Eckkrammer 2000
In der textlinguistischen empirischen Studie Eckkrammers wird ein Gesamtkorpus von
600 Anzeigen ausgewertet, welches aus jeweils 100 digitalen und analogen12 Annoncen in
englischer, französischer und deutscher Sprache besteht; das Material wird sowohl multilingual als auch intermedial kontrastiert. In jeder Sprache werden makrostrukturelle Gesichtspunkte wie Satzlänge, die thematische Makrostruktur, welche zum Beispiel die Subjektbeschreibung beinhaltet, mikrostrukturelle Elemente wie die Adjektivfrequenz und
auf der Ebene der Sprechakte der Adressatenbezug in digitalen und analogen Annoncen
gegenübergestellt.
In allen drei Sprachen13 lassen sich ähnliche Unterschiede hinsichtlich der Textfrequenz
zwischen digitalen und analogen Anzeigen feststellen, was vor allem darauf zurückgeführt wird, dass die in den Printmedien üblichen hohen Kosten von Kontaktanzeigen im
Internet wegfallen:
Denn in allen drei Sprachgemeinschaften beobachten wir durch das Wegfallen
des ökonomischen Drucks auf die Anzeigensprache eine Textexplosion, die
sich für das Englische mit einer Multiplikation mal vier am stärksten manifestiert [...]. (Eckkrammer 2000, S. 120)
Die Satzlänge ist im Internet kürzer, wobei die Verbfrequenz steigt. Der inhaltliche Kanon ist zwar bei digitalen und analogen Anzeigen gleich, jedoch finden sich in den virtuellen Annoncen mehr Detailinformationen und mehr kreative Äußerungen. Bei der Untersuchung der Vertextung wird zudem festgestellt, dass sich die Kontaktanzeige im virtuellen Raum zu einer hybriden Textsorte entwickelt: es fließen sowohl bereits aus den
12
Bei den analogen Anzeigen ist zu berücksichtigen, dass ungefähr die Hälfte von Partnervermittlungsinstituten aufgegeben wurden; die digitalen Anzeigen hingegen stammen ausschließlich von privaten Inserenten.
13
Im Folgenden wird nur auf die Untersuchungsergebnisse des intermedialen Vergleichs eingegangen; für
eine Darstellung der sprachkontrastierenden Analyse siehe Eckkrammer 2000, S. 116 ff.
9
Printmedien bekannte sprachliche Konventionen14 als auch typische Formen der E-MailKommunikation in die digitalen Anzeigen ein; des Weiteren kommen maschinell generierte Textteile und auf Seiten des Rezipienten Suchmasken hinzu. Zu signifikanten Veränderungen kommt es auch im Bereich der Sprechakte. Die Verwendung der dritten Person nimmt im Internet in allen Sprachen ab, während der direkte Adressatenbezug, also
das Ansprechen des Lesers, zunimmt.
Die vorliegende Studie geht in erster Linie deskriptiv vor: die Ursachen, auf welche die
vorgefundenen Phänomene zurückzuführen sind, werden meist nur ansatzweise genannt.
Besonders das Internet bietet völlig andere mediale Rahmenbedingungen als die Printmedien, so werden zum Beispiel Hyperlinktechnik oder Multimedialität möglich. Inwiefern
dies in Kontaktanzeigen zum Tragen kommt und die Vertextung verändert, bleibt ungeklärt. Ein historischer Bezugrahmen wird zwar gegeben, jedoch werden die gewonnenen
Ergebnisse hierin nicht weiter eingeordnet.
2.5 Sommerfeldt 2002
Ziel der linguistischen Untersuchung ist es, herauszufinden, „welche Arten von Kontaktanzeigen in unterschiedlichen Zeitungen und Zeitschriften auftauchen und durch welche
sprachlichen und nichtsprachlichen Mittel sie realisiert werden“ (Sommerfeldt 2002, S.
329). Eingegrenzt wird dabei nach dem Zweck der Anzeige: Ehe- und Lebenspartner,
Partner für die Freizeitgestaltung und Freier. Dargestellt werden die vorgefundenen Kontaktarten, einige lexikalische und grammatische Mittel. Auch ausgewählte nichtverbale
Elemente werden beschrieben, doch der Schwerpunkt liegt auf der Lexik. Es werden jeweils einzelne Beispiele, die als typisch angesehen werden können, sortiert und aufgelistet. Dabei kommt heraus, dass sich sowohl die Art der Anzeigen, die Lexik als auch die
grammatische Struktur in den verschiedenen Printmedien signifikant unterscheiden, wobei die meisten Variationen in der Lexik festgestellt werden. Diese Unterschiede werden
als Folge der unterschiedlichen Adressatenkreise begriffen und auf die verschiedenen
Zwecke der Annoncen zurückgeführt.
In dem Aufsatz werden einige der gefundenen Elemente zwar aufgelistet, jedoch wird auf
eine Interpretation und theoretische Einordnung derselben verzichtet. Er bietet somit eine
grobe Klassifizierung der Elemente, welche allerdings in einer größeren repräsentativen
Untersuchung vervollständigt werden müsste. Besonders die angesprochenen visuellen
Gestaltungsmittel – sowohl drucktechnische Mittel als auch Fotos – bedürfen einer genaueren Untersuchung, da sie auf eine andere Weise als Schrift die Informationen über14
Dies wird mit dem vorhandenen Textsortenwissen der Emittenten erklärt.
10
mitteln.
2.6 Folgerung
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich die Untersuchungen hauptsächlich mit
der Partnersuche via Printmedien befassen. Lediglich zwei Arbeiten berücksichtigen auch
Internetanzeigen, dies allerdings nur rein deskriptiv aus textlinguistischer Perspektive;
hierbei werden – wenige – textexterne Faktoren erwähnt, eine theoretische Ausarbeitung
derselben fehlt jedoch. Kontaktanzeigen aus anderen Medien werden nicht mit einbezogen; dies soll im Folgenden durch eine Kontrastierung von Anzeigen aus einem Printmedium, dem Internet und einer Radiosendung nachgeholt werden.
Ein Zusammenbringen verschiedener Wissenschaftsrichtungen wäre sinnvoll, um das
Phänomen Kontaktanzeige adäquat analysieren zu können; dies könnte dazu dienen, die
bereits gefundenen sprachlichen Besonderheiten der Textsorte in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext einzuordnen und kausale Beziehungen aufzudecken.15 Dies sollte
insbesondere unter Berücksichtigung der Bedingungen geschehen, welche von den verschiedenartigen Medien geschaffen werden. Im weiteren Verlauf werden deshalb einige
zentrale mediale Charakteristika und ihre sprachlichen Konsequenzen anhand ausgewählter Beispiele herausgearbeitet.
Als gemeinsame Basis der zu betrachtenden Anzeigen soll zunächst die Textfunktion bestimmt werden.
15
Dies kann nachfolgend jedoch nicht weiter berücksichtigt werden.
11
3. Bestimmung der Textfunktion
Von der allgemeinsprachlichen Verwendung des Begriffs Funktion16 ausgehend kann die
Textfunktion zunächst als „der Sinn bzw. Zweck, den ein Text im Rahmen einer Kommunikationssituation erfüllt“ (Brinker 2000, S. 175) definiert werden. In Anlehnung an
den von Große entwickelten textfunktionalen Ansatz grenzt Brinker die Bedeutung des
Terminus weiter ein: Textfunktion ist die Kommunikationsabsicht des Emittenten, also
des Textproduzenten, die im Text ausgedrückt wird. Die Textproduktion vollzieht sich
mithilfe von „in der Kommunikationsgemeinschaft verbindlich festgelegten Mitteln“
(Brinker 2000, S. 175); die verwendeten Mittel sind demzufolge konventionalisiert. Der
Adressat, an den sich der Text richtet, soll dabei die Absicht des Emittenten erkennen und
verstehen, wie er den Text aufzufassen hat, also ob es sich zum Beispiel um einen informierenden Text handelt. Die wahre Absicht des Emittenten muss nicht in jedem Fall mit
der Textfunktion übereinstimmen, sie kann ihr auch zuwiderlaufen. Auch die Wirkung
eines Textes auf den Rezipienten lässt sich nicht mit der Textfunktion gleichsetzen. Um
die Textfunktion ermitteln zu können, „ist allein entscheidend, was der Textproduzent zu
erkennen geben will“ (Brinker 2000, S. 175).
Gemäß Brinker korrespondiert die obengenannte Definition der Textfunktion mit der des
illokutiven Akts aus der Sprechakttheorie. Beide verbinden Aspekte der Intention und
Konvention von Sprachhandlungen miteinander: „Wie der illokutive Akt den Handlungscharakter einer Äußerung festlegt, so bestimmt die Textfunktion den Kommunikationsmodus des Textes“ (Brinker 2000, S. 175). Auf Basis der Sprechakttheorie hat Brinker
fünf Grundfunktionen von Texten herausgearbeitet, die herangezogen werden sollen, um
die Funktion der im weiteren Verlauf zu analysierenden Texte zu bestimmen.
Charakteristisch für Kontaktanzeigen sind zwei der Grundfunktionen.17 In erster Linie
haben die Annoncen eine Kontaktfunktion; hierbei gibt der Emittent „dem Adressaten zu
verstehen, daß es ihm um die personale Beziehung zum Adressaten geht“ (Brinker 2000,
S. 176). Der Aufbau einer solchen Beziehung ist der übergeordnete Zweck der Anzeigentexte in allen drei Medien. Dies zeigt sich bereits in den Rubrikenbezeichnungen: Er sucht
Sie beispielsweise findet sich sowohl im Coolibri als auch im Liebesalarm (benjoo). Im
Hörfunk wird der Zweck der Sendung ebenfalls explizit außerhalb der eigentlichen Kon-
16
Allgemein verstanden wird hierunter „die Aufgabe einer Person, eines Organs oder eines Gegenstandes
innerhalb eines Ganzen“ (Brinker 2000, S. 175).
17
Die anderen drei Funktionen, Informations-, Obligations- und Deklarationsfunktion spielen in Kontaktanzeigen keine Rolle und werden deshalb ausgeklammert. Für eine kurze Darstellung derselben siehe Brinker
2000, S. 176.
12
taktwünsche benannt: Partymacher suchen Partywillige, Partypeople suchen Party (Hin
und Weg Nr. 5) erfüllt denselben Zweck wie die Rubriken der schriftlichen Medien.18
Damit die Kommunikation gelingen kann, müssen die Texte noch eine weitere Funktion
erfüllen, nämlich die Appellfunktion:
Der Emittent gibt dem Adressaten zu verstehen, daß er ihn dazu bewegen will,
eine bestimmte Einstellung einer Sache gegenüber einzunehmen (Meinungsbeeinflussung) und/oder eine bestimmte Handlung zu vollziehen (Verhaltensbeeinflussung). (Brinker 2000, S. 176)
Die Texte müssen einen dem Textproduzenten unbekannten Leser derart ansprechen, dass
dieser sich zum Handeln aufgefordert fühlt und bereit ist, die Kontaktfunktion der Anzeige zu erfüllen. Appell- und Kontaktfunktion sind somit die Grundfunktionen von Kontaktanzeigen.
Der Umstand, dass zur Textverbreitung Massenmedien gewählt werden – in diesem Fall
Zeitschrift, Internet und Hörfunk – sorgt dafür, dass mit der Appellfunktion eine weitere
Funktion gekoppelt sein muss: die Texte müssen selektiv wirken, damit sich nicht die
gesamte Masse der Rezipienten angesprochen fühlt und antwortet. Diese kontaktanzeigentypische Selektionsfunktion sollte deshalb ergänzt werden.
Der Gattungsbegriff der Kontaktanzeige findet sich explizit ausschließlich in dem Printmedium. Sowohl im Internet als auch im Hörfunk lässt sich die Zugehörigkeit zu derselben Textsorte allein über die gemeinsamen Textfunktionen ableiten. Da diese in den drei
Medien identisch sind, wird deshalb im Folgenden jeweils von Kontaktanzeigen die Rede
sein.
Erklären lässt sich das Fehlen eines Gattungsbegriffs in Radio und Internet in historischer
Perspektive. Da gedruckte Anzeigen bereits auf eine lange Tradition zurückblicken, existiert neben den Textkonventionen auch eine konventionalisierte Bezeichnung der Textsorte; dies trifft auf die Hörfunk- und Internetanzeigen nicht zu. Zudem bringen die Rezipienten bereits ein durch die Printmedien geprägtes Textsortenwissen mit, so dass die
gemeinsamen Textfunktionen ausreichen, damit der geäußerte Text der entsprechenden
Gattung zugeordnet und in seiner Kontaktfunktion verstanden werden kann.
Im folgenden Kapitel soll analysiert werden, inwiefern die jeweils spezifischen medialen
Eigenschaften die Inhaltsstruktur der Textsorte Kontaktanzeige beeinflussen.
18
Siehe 4.3.1.
13
4. Inhaltliche Strukturanalyse
Stolt entwickelt anhand ihres Datenkorpus ein inhaltliches Strukturmuster19 von Heiratsanzeigen. Mit diesem Schema lässt sich der Erstsinn20 der Texte erfassen; die „Analyse
geschieht vom Standpunkt des Anzeigenschreibers aus (Senderperspektive)“ (Stolt/Trost
1976, S. 31).
Den obligatorischen Kern, der vorhanden sein muss, damit die Kommunikation funktionieren kann, entwickelt Stolt zunächst auf Basis eines Merkblatts, welches die Zeit an alle
Inserierenden herausgibt. Es enthält Anweisungen zur Formulierung der Anzeige: wer
(S/SD) sucht zwecks Heirat (H) wen (P/PD). Dies lässt sich noch weiter reduzieren: wer
(S) möchte heiraten (H) (nach Stolt/Trost 1976, S. 28 f.).
Die Analyse des Korpus führte jedoch noch zu zahlreichen fakultativen Ergänzungen des
Strukturschemas, die im Folgenden zu erläutern sind.
Den Anzeigentext kann ein expliziter Anruf mit stark appellierender Wirkung (A) einleiten. Zur Beschreibung des Inserierenden finden sich die Selbstbezeichnung (S), eine genauere Selbstdarstellung (SD), die Vorgeschichte des Inserenten (PRÄ), Angaben zum
Wohnort (LOK) oder auch Aussagen über die eigene Motivation, die Anzeige aufzugeben
(SM). Als Zweck der Anzeige wird die Heirat genannt (H), was von der Zeit obligatorisch
vorgeschrieben wird; zudem kann eine nähere Beschreibung der gewünschten Ehe vorkommen (HD). Da jedoch die im weiteren Verlauf zu analysierenden Anzeigen nicht
vorwiegend dem Zweck der Eheschließung dienen, ist es sinnvoller, allgemeiner von der
Angabe des Zwecks der Annonce (Z) und seiner näheren Beschreibung (ZD) zu sprechen.
Auf Seiten der Partnerbeschreibung findet sich die Partnerbezeichnung (P), des Weiteren
die Partnerdarstellung (PD), die Angabe des Wohnorts des Partners (LOK) und die Darstellung einer möglichen Motivation des Partners, die ihn dazu bewegen könnte, die Anzeige zu lesen und zu antworten (PM). Es kommt außerdem ein Strukturelement vor, das
der Abweisung unerwünschter Partner dient, welches von Stolt als repellativ bezeichnet
wird (R). Möglich ist ferner noch eine zusätzliche, mitunter auch imperativische Aufforderung an den Leser, die Initiative zu ergreifen und sich zu melden (I).
19
Ein Abweichen von diesem Muster sieht Stolt als ein Zeichen von Kreativität an.
Stolt unterscheidet bei der Analyse von Heiratsanzeigen zwischen dem Erstsinn und dem Zweitsinn der
Texte. Der Erstsinn oder Literalsinn ist dabei „der Ausdruck für den ‚Zweitsinn’“ (Stolt/Trost 1976, S. 27).
Der Zweitsinn wird erst in der konkreten Kommunikationssituation konstituiert; der Leser schließt dabei
offene Lücken, die der Text enthält, um zu einem eindeutigen Textsinn in emotionaler und informativer
Hinsicht zu gelangen. Gemäß Stolt ist dieser allerdings schwierig zu erfassen: „Der Sprachwissenschaftler
kann lediglich den Möglichkeiten des Zweitsinns einen Rahmen abstecken“ (Stolt/Trost 1976, S. 32).
20
14
Die Reihenfolge der einzelnen Strukturelemente ist variabel, zudem können sie nicht immer exakt voneinander getrennt werden, da sie auch kombiniert auftreten; dies führt Stolt
auf das Zusammenwirken von Erst- und Zweitsinn zurück.
Mit Hilfe dieses Schemas lässt sich das inhaltliche Grundgerüst von Kontaktanzeigen21
erfassen; über diese grobe Struktur hinausgehend sollen im Folgenden bei der Analyse
allerdings auch einige ausgewählte Aspekte berücksichtigt werden, welche die konkrete
Ausfüllung dieser Elemente betreffen.
4.1 Struktur der Coolibri-Anzeigen
Den Anzeigen des Coolibri liegt kein Merkblatt wie denen der Zeit zugrunde; die einzige
inhaltliche Einschränkung besteht in der Ablehnung von „Anzeigen mit eindeutigen pornographischen Formulierungen“ (Coolibri 2002, S. 104). Dem Inserenten steht als Formulierungshilfe nur sein Textsortenwissen aus bereits erschienene Annoncen zur Verfügung. Trotzdem folgen viele Texte demselben Strukturmuster wie die Inserate in der Zeit,
was auf eine starke Konventionalisierung der Textsorte hindeutet, die sich im Laufe ihrer
historischen Entwicklung herausgebildet hat; einige Aspekte verschiedener Anzeigen sollen nachfolgend betrachtet werden.
Wenige Anzeigentexte enthalten kaum mehr als die von Stolt als unbedingt notwendig
angesehenen Strukturelemente. In einem Beispieltext (Coolibri Nr. 1) wird Frau als S
angegeben; diese Information ist eigentlich redundant, da dies bereits durch die Rubrik
Sie sucht Ihn definiert ist; die Selbstbezeichnung gibt dem Rezipienten somit keine näheren Informationen, sie ist so allgemein gehalten wie irgend möglich. Die SD umfasst eine
Altersangabe, ein Akronym, R, und ein positiv werbendes Adjektiv, gutaussehende. Das
Adjektiv charakterisiert die Inserentin nicht eindeutig, da jeder Rezipient hierunter etwas
anderes verstehen kann. Die Bedeutung ist in hohem Maße offen und lässt über den
Zweitsinn einen sehr großen Interpretationsspielraum22 zu. Stärker selektiv wirken lediglich die anderen Angaben. Der mögliche Wunschpartner wird nicht näher beschrieben: P
beschränkt sich auf Partner und ist damit ebenso wenig aussagekräftig und redundant wie
S.
Der notwendige Kern, der laut Stolt in einer Annonce enthalten sein muss, damit die
Kommunikation gelingen kann, ist in den Coolibri-Anzeigen fast genauso zu finden wie
21
Das Layout der Annonce sollte gemäß Stolt ebenfalls in die Analyse mit einbezogen werden: „durch die
äußerliche Darbietung, Aufmerksamkeitserregung und Akzentsetzung wird die inhaltliche Wirkung verstärkt“ (Stolt/Trost 1976, S. 31). Dies kann im Folgenden jedoch nur am Rande berücksichtigt werden.
22
Neben einer positiven Wertung ist auch eine repellative Wirkung möglich, wenn der Rezipient diese
Selbstbezeichnung als übermäßiges Eigenlob versteht.
15
in der Zeit: da jedoch die Angabe des Zwecks nicht obligatorisch vorgeschrieben ist, wird
er nicht immer genannt. S – und meist auch SD – findet sich hingegen notwendigerweise
ebenso wie P, so dass in Anlehnung an Stolt in den meisten Fällen die Struktur auf wer
(S/SD) sucht wen (P/PD) reduziert werden kann. Da dies bereits in der Rubrikenüberschrift enthalten ist, finden sich jedoch vereinzelt auch Annoncen, die hiervon abweichen.
In diesem Sinn verzichtet zum Beispiel eine Anzeige (Coolibri Nr. 2) auf P. Als S enthält
sie das Substantiv Mann; SD ist sehr knapp gehalten mit in Klammern gesetzten Angaben
zu Alter, Gewicht und Größe und zwei Adjektiven. Diese sind durch Fettdruck hervorgehoben und werden dadurch in ihrer Wirkung verstärkt. Das Adjektiv hübsch ist bereits
von Stolt in ihrem Korpus mehrfach nachgewiesen worden23, was darauf hindeutet, dass
es sich um ein anzeigentypisches Wort handelt. Zudem ist auch Z, verlieben, angegeben.
Die Annonce ist insgesamt wegen ihrer Kürze wenig selektiv.
Eine andere Annonce verzichtet ganz auf S und SD (Coolibri Nr. 3). P und PD sind jedoch vorhanden, wobei als P der Vorname verwendet wird, was den Kreis der Leser stark
reduziert; dieser Effekt wird durch den Fettdruck zusätzlich verstärkt. PD und LOK
schränken diesen Kreis der Angesprochenen noch weiter ein. Des Weiteren ist in der Anzeige die SM angegeben und zwar in Form der Erklärung, dass die gesuchte Person ihre
Adresse nicht hinterlassen hatte. Besonders der appellative Schluss der Anzeige, der die
Angesprochene zum Handeln auffordern soll, ist für Außenstehende ohne Kenntnis des
Kontextes nicht mehr ohne Weiteres verständlich: schauen wir, ob das Meer noch da ist?
lässt sich trotzdem als I in das Strukturmuster einordnen. Dieser Appell hat die Funktion,
den Rezipientenkreis endgültig auf die eine gesuchte Person zu reduzieren, da nur sie den
Kontext kennt und somit den Sinn erfassen kann; auf andere Rezipienten soll dies repellativ wirken. Die Anzeige richtet sich damit ungewöhnlicherweise nur an eine einzige Rezipientin. Obwohl es sich also hinsichtlich des Adressatenbezugs um eine sehr ungewöhnliche Annonce handelt, ist sie nach dem typischen Kontaktanzeigenmuster formuliert.
Viele weitere Anzeigen lassen sich ebenso wie die zuvor behandelten anhand des Strukturmusters aufschlüsseln. Sprachliche Kreativität findet sich oft auch innerhalb des Musters; so wird zum Beispiel in einer SD (Coolibri Nr. 4) die Altersangabe mit dem metaphorisch24 gebrauchten Adjektiv saftig kombiniert. Häufig sind in diesen Anzeigen einzelne Strukturelemente metaphorisch versprachlicht wie beispielsweise Hahn als S und
Henne als P (Coolibri Nr. 5).
23
Im Gegensatz zum Coolibri findet sich dieses Lexem jedoch nur in weiblichen Anzeigen und wird dementsprechend als geschlechtsspezifisch angesehen; dies hat sich offenbar geändert.
24
Auf den metaphorischen Sprachgebrauch im Printmedium wird unter 5.1 noch näher eingegangen.
16
Ferner finden sich intertextuelle Elemente in den Annoncen, die sich zum Beispiel auf die
Charaktere einer Fernsehserie beziehen (Coolibri Nr. 6). Diese werden metaphorisch als S
und P eingesetzt und durch eine knappe in Klammern gesetzte25 PD und LOK ergänzt.
Anzeigen, die Elemente aufweisen, die sich nicht einordnen lassen, sind vergleichsweise
selten. Ein solche Anzeige ist beispielsweise scherzhaft als Anklage vor Gericht formuliert (Coolibri Nr. 7), es werden also Elemente einer anderen Textsorte übernommen.
Doch auch hier wird ein kontaktanzeigenübliches Strukturelement verwendet, und zwar
die SD, welche in den Resttext eingeflochten ist und aus typischen Angaben wie Alter,
einer Charaktereigenschaft und zwei Freizeitinteressen besteht.
Die inhaltliche Struktur weist ein hohes Maß an Konventionalisierung auf, von dem die
Anzeigenschreiber meist nicht abweichen. Auch Kreativität bricht in den überwiegenden
Fällen nicht vollständig mit der üblichen Struktur, sondern findet innerhalb des groben
inhaltlichen Schemas ihren Platz. Dies lässt sich auf die historische Entwicklung der
Textsorte zurückführen; mit der Zeit konnten sich sprachliche Konventionen herausbilden, insbesondere im Hinblick auf die inhaltliche Grundstruktur von Kontaktanzeigen.
Auch das von Stolt zugrundegelegte Merkblatt spiegelt dies wider: die inhaltliche Grundstruktur ist zu diesem Zeitpunkt bereits so sehr festgelegt und hat sich bis dahin offenbar
als so ökonomisch bewährt, dass auch in den untersuchten Coolibri-Anzeigen diese Strukturen festgestellt werden können. Unter den gleichgebliebenen medialen Bedingungen
und mit den gleichen textuellen Grundfunktionen hat sich also auch das inhaltliche
Grundgerüst erhalten. Zu diesen Bedingungen zählt besonders der ökonomische Druck26,
welcher die Anzeigenschreiber zu sprachlicher Knappheit zwingt. Im Internet fällt dieser
Druck weg; auch sind einige mediale Bedingungen anders. Wie sich dies auf die Struktur
und Sprache auswirkt, soll nachfolgend geklärt werden.
4.2 Struktur der Liebesalarm-Anzeigen
Die äußere Struktur der Anzeigen im Internet ist in hohem Maße vorgegeben: jede Anzeige ist nach demselben Muster aufgebaut. Dies liegt daran, dass neue Mitglieder ihre Daten in vorgefertigte Eingabefelder (Anmeldung) eintragen müssen. Die Möglichkeiten zur
Texteingabe sind dabei in unterschiedlichem Maße vorgegeben. Teilweise kann der An-
25
Angaben zur PD oder SD, die äußere Merkmale wie Größe, Gewicht und Alter betreffen, werden meist
direkt nach S bzw. P gemacht. Häufig werden sie in Klammern gesetzt oder als Aufzählung in den Text
integriert; oft finden sich auch Akronyme. Dies hat sprachökonomische Gründe: auf diese Weise können
unnötige Kosten vermieden werden, wobei diese Form der Darstellung soweit konventionalisiert ist, dass
sie einem geübten Leser sofort verständlich ist.
26
Dieser Punkt wird von Eckkrammer als zentraler Faktor für sprachliche Unterschiede angesehen; siehe
2.4.
17
zeigenschreiber nur aus einer Liste auf ihn zutreffende Begriffe auswählen, so zum Beispiel in den Feldern Land und Sprache. Des Weiteren gibt es Felder mit stark beschränkter Zeichenanzahl, in die nur wenig Text eingegeben werden kann. Der Inhalt kann dabei
einerseits stark vorgegeben sein wie bei Größe und Gewicht, er kann andererseits aber
auch variabel sein und sprachliche Kreativität provozieren, so im Fall von Spitzname27
und Kurztext. Es existieren aber auch Eingabefelder, die relativ freie Textproduktion zulassen. Lediglich die Überschrift gibt inhaltliche Vorgaben wie Ich mag, Ich hasse und
Mein Traumtyp, die aber nicht zwangläufig eingehalten werden müssen.
Die aus diesen Angaben erzeugte Anzeige (siehe zum Beispiel benjoo) zerfällt in Folge
der Einteilung in mehrere, in sich kohärente Einzeltexte. Ein visuelles Gestaltungselement, nämlich die gelbe Unterlegung, überführt sämtliche Textfragmente in ein in sich
geschlossenes Ganzes und grenzt sie gleichzeitig von den anderen Textteilen der Internetseite ab, so dass die gesamte Anzeige vom Rezipienten als kohärenter Text wahrgenommen werden kann. Dies ist ein fundamentaler Unterschied zu den Anzeigen des untersuchten Printmediums, die als lineare Texte realisiert sind.
Die grundlegenden inhaltlichen Strukturelemente lassen sich in den virtuellen Anzeigen28
wiederfinden. Da alle Seiten dieselbe durch den Computer vorgegebene Struktur aufweisen, soll diese zunächst allgemein dargestellt werden; danach folgt die Analyse eines Einzeltextes, besonders im Hinblick darauf, wie die Anzeigenschreiberin mit diesen schablonisierten Vorgaben umgeht.
4.2.1 Allgemeine Inhaltsstruktur der Liebesalarm-Anzeigen
S, SD, P und PD sind – vorgegeben durch den Aufbau der Seite – notwendigerweise immer vorhanden; der inhaltliche Kern stimmt somit mit dem des Printmediums überein. S
befindet sich immer am oberen Rand der Anzeigen zusammen mit Alter und Geschlecht,
welche bereits zu SD gehören. Die Rubrik wird in jeder Annonce in derselben Zeile wie S
angegeben; eine Rubrikenbezeichnung innerhalb der Anzeigen findet sich im Coolibri
nicht, dies wird erst aufgrund der Hypertextstruktur nötig:
Hypertexte sind [...] Textkonglomerate aus mehreren in sich eigenständigen
kohärenten Subtexten, die durch eine Reihe von expliziten, programmiertechnisch realisierten Verknüpfungen (den sogenannten ‚Links’) netzwerkartig miteinander verbunden sind. (Sager 2000, S. 588)
27
Siehe hierzu auch 5.2.
In die Untersuchung mit einbezogen wird nur der gelb unterlegte Teil der Website, da es sich um den
eigentlichen Anzeigentext handelt.
28
18
In einem solchen Netzwerk aus Kontaktanzeigen, die über verschiedene Wege aufgerufen
werden können, existiert keine lineare Anordnung und somit auch keine Möglichkeit, alle
einer Rubrik zugehörigen Annoncen gesammelt wie im Coolibri zu bezeichnen und einzusehen.
Zur SD lassen sich des Weiteren oberhalb des Bildes die Kategorien Land, Größe, Sternzeichen und Gewicht dazurechnen. Musik, Sport und Reiseziele sind nicht in jeder Anzeige vorhanden, sie ergänzen die SD nur, wenn aus den vorgegebenen Begriffen etwas ausgewählt wurde. Das Bild bildet ebenfalls einen Bestandteil der SD.29 Auch die Rubriken
Ich mag und Ich hasse dienen der SD. Die SD zerfällt demnach in den Internetanzeigen in
mehrere, in sich geschlossene Textteile, die sowohl Schrift als auch Bild umfassen.
P ist bereits durch die Rubrikenbezeichnung Mein Traumtyp vorgegeben, während PD
vom Emittenten an dieser Stelle ergänzt werden soll; die Textmenge ist dabei auf 1000
Zeichen beschränkt, so dass der Anzeigenschreiber wesentlich mehr Raum für seinen
Text hat30 als in einem kostenpflichtigen und dadurch zur Sparsamkeit zwingenden Printmedium.
Der Kurztext, der das Bild begleitet, wird nur durch die mögliche Zeichenanzahl begrenzt, inhaltliche Vorgaben wie bei den anderen Kategorien gibt es nicht, weshalb er
auch nicht eindeutig einem Strukturelement zugeordnet werden kann. Dem Kurztext
kommt innerhalb der Anzeige ein hoher Stellenwert zu, da er bei jeder Suche in der Datenbank zuerst erscheint, noch bevor der Rezipient die eigentliche Anzeige aufruft. Er hat
demnach eine besondere appellative Funktion und dient der ersten Selektion31, was in
einigen Fällen zu einer möglichst kreativen Gestaltung des Textes führt.
Es gibt jedoch auch ein Strukturelement, das nicht mit dem von Stolt entwickelten Schema erfasst werden kann: hierzu zählen computerspezifische Textteile wie Letzter Login,
Kontakt, Eintrag und Favorit, auf deren sprachliche Ausgestaltung der Anzeigenschreiber
keinen Einfluss hat, die aber trotzdem automatisch inhaltlicher Bestandteil jeder Annonce
sind. Diese Textfelder erfüllen zwei Funktionen: Login und Eintrag bieten dem Rezipienten zusätzliche computergenerierte Informationen über den Inserenten, während die Hy29
Die Fotos eröffnen spezifische Möglichkeiten der Selbstdarstellung, welche sich von denen der sprachlichen grundlegend unterscheiden; Bilder und Texte weisen „wesentliche kognitive und semiotische Unterschiede“ (Nöth 2000, S. 481) auf. Im Rahmen dieser Untersuchung können die Besonderheiten bildlicher
Darstellungsformen, insbesondere im Sinne einer Bildgrammatik, jedoch nicht weiter mit einbezogen werden.
30
Infolgedessen variiert die sprachliche Form dieser Texte in höherem Maße als im Coolibri; im Folgenden
kann die gesamte sprachliche Bandbreite jedoch nicht im Einzelnen berücksichtigt werden.
31
Der Kurztext erscheint allerdings nicht immer bei den Suchergebnissen: der Rezipient legt per Mausklick
fest, ob er Fotos und Text, nur Fotos oder ausschließlich den Kurztext angezeigt haben möchte (Suche in
den Kontaktanzeigen). Alter, Geschlecht und die Selbstbezeichnung des Inserenten werden immer angegeben.
19
perlinks zu Kontakt und Favorit dem Rezipienten die Option bieten, mit dem Emittenten
direkt in Kontakt zu treten bzw. ihn gesondert zu speichern in einer individuellen
Favoritenliste. Diese Elemente sind medienabhängig, da ihr Vorhandensein erst durch den
Computer sinnvoll und möglich wird.
Alle Anzeigen weisen damit einen identischen Strukturrahmen auf, was sie von den gedruckten Annoncen unterscheidet: hier sind sowohl die Reihenfolge der Elemente als
auch ihr Vorkommen an sich variabel. In den virtuellen Anzeigen hingegen ist dies bereits
festgelegt. Entgegen wirkt diesen Vorgaben jedoch der Wegfall des ökonomischen
Drucks des Printmediums; dadurch finden sich vielfältige sprachliche Umgangsweisen
mit diesen Vorgaben, die konkrete sprachliche Ausgestaltung variiert somit stark. Eine
Anzeige, die kreativ mit dem Schema umgeht, soll im weiteren Verlauf exemplarisch analysiert werden.
20
4.2.2 Struktur einer Liebesalarm-Anzeige
4.2.2.1 Inhaltsstruktur von Textfeldern
In der zu behandelnden Anzeige (A+B) sind die Textfelder Ich mag und Ich hasse unterhalb des Bildes den inhaltlichen Vorgaben gemäß genutzt worden; sie sind nur knapp mit
Substantiven und einem Adjektiv gefüllt. Ganze Sätze wie in den Coolibri-Anzeigen
kommen in dieser Anzeige32 nicht vor. Bei der SD, die unter Ich mag erfolgt, ist auch
bereits eine implizite PD, schöne Männer, enthalten, ohne dass dies gegen das Schema
verstößt. Durch die optische Anordnung33 werden die einzelnen Substantive klar voneinander getrennt; dies hat insbesondere bei Ich hasse eine kohärenzstiftende Rolle: der Eindruck, dass nur die durch Pluszeichen miteinander verbundenen Substantive zusammengehören, wird so zusätzlich verstärkt.
Auch das dritte Feld, Mein Traumtyp, welches freie Texteingabe ermöglicht, ist so knapp
wie möglich gefüllt: die eigentlich von dem Strukturschema vorgesehene PD ist extrem
vage, was auch hier wieder mit Hilfe der optischen Textgestaltung untermauert wird, und
zwar indem der Vokal im Adverb sehr viermal vorhanden ist. Der Smiley, der den Text
abschließt, kann einerseits als I verstanden werden, er unterstreicht gleichzeitig aber auch
im Gesamtkontext der Anzeige, dass die Anzeigenschreiberin die Vorgaben der Website
nicht ernst nimmt und sich möglichst darüber hinwegsetzen möchte. Diese Funktion des
bewussten, spielerischen Sich-Hinwegsetzens über das Schema kann mit den von Stolt
entwickelten Strukturelementen nicht mehr erfasst werden.
Die Anzeigenschreiberin nutzt bereits die sehr starren Eingabefelder zur SD oberhalb des
Bildes, die nicht viel kreativen Spielraum lassen, um den Eindruck des SichHinwegsetzens zu erwecken. Größe und Gewicht sind offensichtlich falsch angegeben;
die Zahlen sind dabei so sehr übertrieben, dass dies sofort deutlich wird und vom Rezipienten problemlos als scherzhafter Umgang mit den Textfeldern und somit auch mit der
Textsorte Kontaktanzeige verstanden werden kann. Auch das Alter ist falsch angegeben,
was jedoch erst im Vergleich mit dem Foto deutlich wird. Übertreibungen und Lügen
dieser Art finden sich in den Kontaktanzeigen der Printmedien gemäß Riemann äußerst
selten:
Im Sinne der Inserenten wäre es – sofern das Ziel der Partnerfindung erreicht
werden soll – nicht angemessen, bewußt falsche Angaben über die eigene Per-
32
In vielen Anzeigen finden sich allerdings auch ganze Sätze. Die Textmenge variiert dabei beträchtlich;
siehe zum Beispiel benjoo.
33
Die Anordnung ist eine Folge der im Anmeldeformular vorgegebenen Struktur (Anmeldung).
21
son zu machen. Entweder fühlen sich dadurch nicht passende Personen angesprochen, oder passende Personen fühlen sich bereits nach dem ersten Treffen
enttäuscht. In beiden Fällen wird das angestrebte Ziel nicht erreicht. (Riemann
1999, S. 73)
Ein Alterslüge wie in dieser Anzeige wäre in den Printmedien in höchstem Maße kontraproduktiv, weil der Rezipient sie erst im direkten Kontakt mit dem Anzeigenschreiber
entlarven könnte; im Internet lässt sie sich hingegen als Stilmittel einsetzen, um Individualität in die Anzeige zu bringen. Dieses Stilmittel weist jedoch einen Nachteil auf: die
falsche Altersangabe könnte sich negativ auf die Anzahl der Rezipienten auswirken, denn
sobald ein Rezipient aus der tatsächlichen Altersgruppe der Anzeigenschreiberin das Alter
als Suchkriterium nutzt, wird diese Anzeige wahrscheinlich nicht erscheinen.34 Die Offensichtlichkeit der Lüge wird erst in Kombination mit dem Foto evident; sobald beide
Teile gemeinsam auftreten, kann das gewählte Stilmittel wirken. Das Foto erfüllt demnach – kombiniert mit dem Text - eine zentrale Funktion in dieser Anzeige. Deshalb soll
nachfolgend näher beleuchtet werden, wie die bildliche Ausfüllung der SD auch mit den
anderen Textfragmenten zusammenwirkt.
4.2.2.2 Semantische Text-Bild-Beziehungen
Klassifiziert werden können Text-Bild-Beziehungen gemäß Nöth unter anderem35 nach
semantischen Gesichtspunkten. Es geht dabei vornehmlich um „den Beitrag des einen für
das andere Medium im Rahmen einer Gesamtbotschaft“ (Nöth 2000, S. 483), wobei Redundanz, Dominanz, Komplementarität und Diskrepanz beziehungsweise Kontradiktion
die vier Hauptklassen bilden.
Redundanz von Bild und Text wird oft aus logozentrischer Sicht betrachtet. Bilder werden hierbei als textergänzend und unterwertig aufgefasst, sie „tragen [...] nichts zum besseren Verständnis des Textes bei“ (Nöth 2000, S. 483). Sie visualisieren vielmehr die
Textinformation; eine solche zweifach kodierte Botschaft kann entweder besser erinnert
werden oder aber auch die Behaltensleistung vermindern, wenn das Bild der reinen Dekoration dient oder vom Text ablenkt.
34
Dass ein solches Mittel dennoch gewählt wird, lässt sich mit einer medialen Eigenschaft erklären: der
Anzeigentext kann jederzeit verändert werden, wodurch die Anzeigen von einer gewissen Flüchtigkeit gekennzeichnet sind. Dies kann zu einer erhöhten Experimentierfreude, aber auch zu vermehrten Fehlern und
einer regelrecht schlampigen Textgestaltung führen; siehe hierzu insbesondere puk. Auch dass im Kurztext
der behandelten Anzeige (A+B) ein Teil des Smileys fehlt, ist eine Folge hiervon.
35
Zudem können diese Beziehungen nach syntaktischen und pragmatischen Gesichtspunkten behandelt
werden: syntaktisch werden „die Formen des räumlichen Nebeneinanders von Text und Bild“ (Nöth 2000,
S. 483), pragmatisch die „Formen der Bezugnahme, des Zeigens, vom Text zum Bild und vom Bild zum
Text“ (Nöth 2000, S. 483) untersucht. Diese Aspekte können jedoch im weiteren Verlauf nicht berücksichtigt werden.
22
Liegt eine Dominanz von Bild oder Text vor, dann ist eines von beiden für Kommunikator und Rezipienten wichtiger oder interessanter als das andere. Der dominante Teil kann
dabei alleine für sich stehen, er benötigt den anderen nicht, um verständlich zu sein. Von
Bilddominanz kann gesprochen werden, „wenn ohne das Bild eine Vorstellung von der
bezeichneten Sache nur schwer zu gewinnen ist“ (Nöth 2000, S. 483 f.); bei Textdominanz illustriert das Bild, es dekoriert den Text oder wirkt didaktisch.
Komplementarität findet sich in Text-Bild-Relationen, wenn beide Elemente nötig sind,
um die Gesamtinformation erfassen zu können. Text und Bild sind dabei jeweils lückenhaft und ergänzen einander „in ihrem medienspezifischen Potential“ (Nöth 2000, S. 484),
indem sie gegenseitig die vorhandenen Lücken schließen. Dieses Kriterium kann sich mit
denen der Dominanz oder Redundanz überschneiden, da der Umfang der Ergänzungen
von Fall zu Fall variieren kann.
Diskrepanz und Kontradiktion gelten Nöth zufolge als weniger typische Formen der TextBild-Beziehung. Unter Diskrepanz versteht man „das eigentlich zusammenhanglose Nebeneinander von Text und Bild“ (Nöth 2000, S. 484), welches auch rein zufällig entstehen
kann oder dem Produzenten missglückt ist. Der Rezipient nimmt diese Zufälligkeit unter
Umständen nicht wahr und interpretiert trotzdem einen Sinnzusammenhang hinein.
Kommt es zu einer Kontradiktion von Bild und Text, „vermittelt das Bild einen Inhalt, der
dem Text widerspricht“ (Nöth 2000, S. 484). Das Stilmittel der Ironie ist hier als prototypisch zu nennen. Als besondere Variante der Kontradiktion findet sich zudem die Lüge,
bei welcher der Text eine Information gibt, die das Bild verfälscht.
In der Anzeige (A+B) geht das Bild mit den verschiedenen Textfragmenten vielfältige
Beziehungen ein, von denen einige exemplarisch dargestellt werden sollen.
Redundanz findet sich in der Angabe weiblich am oberen Textrand; diese Information
übermittelt das Bild gleichermaßen. Es ist jedoch nicht zweckmäßig, das Bild – wie in
logozentrischer Sicht üblich – in diesem Zusammenhang als textergänzend und unterwertig aufzufassen. Dies wird allein schon aufgrund der zentralen Position des Bildes innerhalb der Anzeige deutlich; der Text weiblich hingegen ist an weitaus unauffälligerer Stelle
platziert und zudem in Klammern gesetzt, was seine untergeordnete Rolle weiter verstärkt. Zudem bietet das Bild eine wesentlich größere Fülle an Informationen als das Adjektiv, es kann also kaum als bloße Visualisierung des Textes verstanden werden. Vielmehr ist das Verhältnis von Bild und Text umgekehrt: der Text verbalisiert zusätzlich,
was bereits das Bild aussagt. Dies soll jedoch nicht die Behaltensleistung der Information
fördern, sondern lässt sich auf mediale Bedingungen zurückführen: sucht ein Rezipient in
den Kontaktanzeigen, kann er bestimmen, ob das Bild erscheinen soll. Verzichtet er hierauf, fällt damit die Redundanz weg, der ansonsten untergeordnete Text trägt dann alleine
23
die Information (Flirtsuche bei Liebesalarm); in der Anzeige tauchen hingegen beide Elemente gleichermaßen auf.
Das Verhältnis von Bild und Kurztext ist komplementär, wobei das Bild eine dominantere
Stellung einnimmt: viele Informationen des Bildes wären auch ohne den Text verständlich. Er bezieht sich lediglich auf einen Bildaspekt, dieser ist jedoch im Anzeigenkontext
für den Kontaktsuchenden von hoher Relevanz: ohne den Text würde unklar bleiben,
welche der abgebildeten Personen die Anzeige aufgegeben hat. Der Text kann nicht alleine stehen, ohne das Bild verliert er seinen Kontext, so dass sein Sinn ohne weiteres nicht
mehr erschlossen werden kann.36 Der Text verweist deiktisch auf das Bild durch die –
abgekürzten37 – lokalen Adverbien links und rechts und schließt Lücken, die das Bild
offen lässt. Dieser Text ist damit besonders eng mit dem Bild verknüpft.
Zwischen der Funktion Kontakt und dem Bild scheint es auf den ersten Blick keine direkte Verbindung zu geben wie bei den zuvor betrachteten Fragmenten, es scheint also eine
Diskrepanz vorzuliegen. Dies ist jedoch nicht der Fall: die Verbindung mit dem Bild ist
implizit vorhanden, sie besteht allein durch den Umstand, dass Text und Bild gleichermaßen Bestandteil der Anzeige sind; diese Verbindung kann mit der nach Nöth zugrundegelegten Klassifizierung nicht erklärt werden und sollte deswegen ergänzt werden. Diskrepanzen von Bild und Text lassen sich innerhalb der Anzeige nicht feststellen.38
Zur Kontradiktion beider Darstellungsformen kommt es jedoch sehr wohl: wie bereits
erwähnt, stimmt das angegebene Alter mit dem tatsächlichen Alter der auf dem Foto abgebildeten Personen offenbar nicht überein, so dass der Text vom Rezipienten als Ironie
aufgefasst werden kann.
Es lässt sich also feststellen, dass das Bild, welches der SD dient, auf verschiedene Weisen mit den Textfragmenten verknüpft ist. Die Intensität der Beziehung mit den einzelnen
Textteilen variiert dabei stark; das Feld Mein Traumtyp ist zum Beispiel komplementär
mit dem Bild verbunden, was durch das vorgegebene Possessivpronomen Mein, das auf
die abgebildete Person verweist, sprachlich markiert ist. An dieser Stelle ergibt sich eine
Überschneidung mit einem anderem Textfragment: erst die Kombination von Kurztext
und Bild ermöglicht es, dass der Rezipient das Possessivpronomen der richtigen Person
zuordnen kann. Würde er den Kurztext übersehen, käme es zu einer Diskrepanz von Text
36
Dieser Fall kann eintreffen, sobald ein Rezipient das Bild nicht mit aufruft bei der Suche (Flirtsuche bei
Liebesalarm).
37
Diese Abkürzungen werden nötig aufgrund der begrenzten Zeichenanzahl des Kurztextes, die Bedingungen des Mediums zwingen also zur Sprachökonomie.
38
Solche Diskrepanzen bestehen jedoch zwischen dem Bild und den Textteilen, welche die Anzeige umgeben; ein Sinnzusammenhang existiert nicht. Es ist allerdings wegen der visuellen Abgrenzung der Anzeige
eher unwahrscheinlich, dass ein Rezipient diesen trotzdem konstruiert, auch wenn manche Teile räumliche
Nähe zum Bild aufweisen.
24
und Bild. Es kommt demzufolge nicht nur zu den bereits beschriebenen Beziehungen
zwischen den Textfragmenten und dem Bild, sondern auch zu einem komplexen Miteinander der einzelnen Fragmente, was wiederum Auswirkungen auf das Bildverständnis hat.
Das Verhältnis der einzelnen Bestandteile zueinander kann somit als ein Netzwerk verstanden werden; diese Vernetzungen werden mit Hilfe der von Nöth dargestellten Klassifizierung von Text-Bild-Beziehungen nicht mehr erfasst. Diese Klassifizierung müsste
deshalb entsprechend modifiziert werden.
Gemeinsam ist allen Text-Bild-Relationen, dass das Bild jeweils eine mehr oder weniger
dominante Rolle spielt. Die sprachlich realisierten Strukturelemente sind um die bildliche
SD herum gruppiert, wobei die Verbindungen sprachlich hergestellt werden oder auch
rein implizit vorhanden sind. Dies konstituiert eine Textstruktur, die sich von der linearen
Struktur in den Coolibri-Anzeigen gravierend unterscheidet.
4.3 Inhaltsstruktur der Hin-und-Weg-Anzeigen
In den Radioanzeigen finden sich ebenfalls kontaktanzeigenspezifische inhaltliche Elemente. Im Laufe einer vier Stunden dauernden Sendung werden die Kontaktwünsche in
kurzen Blöcken gesendet.39 Jeder dieser Blöcke ist hinsichtlich des groben inhaltlichen
Aufbaus ähnlich strukturiert: zuerst wird eine immer gleiche Kennung gesendet, um den
Beginn eines Blocks zu markieren. Danach benennt der Moderator meist den Zweck der
Sendung, nämlich das Vermitteln von Parties; somit ist Z im Radio schon vorab klar eingegrenzt. Nun folgen erst die eigentlichen Kontaktgesuche und Angebote. Diese werden
entweder von dem Moderator gesprochen oder als Interview mit dem Kontaktsuchenden
selbst geführt. Den Abschluss bildet immer das Durchgeben der senderinternen Kontaktadressen. Im Gegensatz zu den anderen behandelten Medien, die Schrift oder auch Bilder
nutzen, muss im Radio – einem rein akustischen Medium – gesprochene Sprache zur Übermittlung der Informationen verwendet werden:
Mündliche Sprachäußerungen sind mit Hilfe der Sprechorgane produzierte
flüchtige akustische Signale mit einer zeitlichen Ausdehnung. Der Hörer verarbeitet Sprache automatisch, und zwar im Sinne der in der modernen Phonetik
entwickelten Vorstellungen quasi körperlich [...]. (Günther 2000, S. 90)
Von dieser mündlichen Alltagskommunikation unterscheidet sich jedoch die Gesprächssi39
In der vierstündigen Sendung vom 7.12.2002 umfassten die Kontaktwünsche insgesamt ca. 15 Minuten,
die in acht Blöcken von jeweils ein bis zweieinhalb Minuten gesendet wurden.
25
tuation in den Medien gemäß Burger in einigen Punkten. Zum einen schafft die Öffentlichkeit und die damit verbundene Mehrfachadressiertheit der Äußerungen eine besondere
Situation.40 Unter anderem spielt Zeit im Medium eine größere Rolle als im Alltag: „auch
wenn sie nur Rahmenbedingung bleibt, ist sie unübersehbar, aufdringlich vorhanden und
jederzeit restriktiv“ (Burger 1991, S. 415).
Die Kontaktangebote und –gesuche müssen im Radio innerhalb der dafür vorgesehenen
Sendezeit genannt werden; dies unterscheidet sie grundlegend von den Coolibri- und Liebesalarm-Anzeigen, die aufgrund der jeweils verwendeten Speichertechnologie nicht an
einen bestimmten Zeitpunkt gebunden sind. Diese zeitliche Gebundenheit schlägt sich
auch – neben anderen Bedingungen – in dem inhaltlichen Aufbau der Anzeigen nieder.
Anhand eines einleitenden Teils, einer von einer Moderatorin gesprochenen Anzeige und
eines Interviews soll nachfolgend exemplarisch gezeigt werden, wie sich einzelne Bedingungen des Mediums Radio auf die Inhaltsstruktur auswirken.
4.3.1 Analyse einer Einleitung
Zu Anfang des Sendeblocks, der aus zwei vorgelesenen Anzeigen (Hin und Weg Nr. 5)
besteht, markiert die aufgezeichnete Kennung den Sender und den Namen der Sendung
als erste Orientierungshilfe. Im einleitenden Teil wiederholt die Moderatorin den Sendernamen und nennt implizit Z, die Hilfe gegen Langeweile. Des Weiteren werden S und P
allgemein benannt: Partymacher suchen Partywillige, Partypeople suchen Party, womit Z
ebenfalls bereits vorab definiert ist. Es wird an dieser Stelle bereits der inhaltliche Kern
eingegrenzt: S sucht P für Z. Diese Einheiten hat Stolt bereits in den Zeit-Anzeigen als
„Grundinformation des Textes“ (Stolt/Trost 1976, S. 29) ermittelt. Den Abschluss des
einleitenden Teils bildet der Hinweis wir helfen weiter. Ein solches Angebot wäre in den
Printmedien überflüssig. Im Hörfunk jedoch nimmt die Kontaktsuche nur einen Bruchteil
der Gesamtsendung ein, dadurch wird es sinnvoll, auf diese Zusatzfunktion hinzuweisen.
Zu den eigentlichen Kontaktwünschen der Hörer erfolgt nur eine kurze Überleitung, ein
Strukturelement, dass sowohl im Liebesalarm als auch im Coolibri fehlt41. Die Überleitung, Ü, sollte aus diesem Grund in das Strukturmuster integriert werden. Durch Angebote
im Angebot, zum Beispiel wird von der Einleitung zu den Kontaktwünschen direkt übergegangen. Die einzelnen Sinnabschnitte sind somit stark miteinander verflochten. Dies
kann als Folge des medientypischen Zeitdrucks angesehen werden; eine klarere Abgrenzung oder gar Pause würde weniger Zeit für die eigentlichen Texte übriglassen, ein Weg40
Siehe hierzu auch 6.3.
Hier sind die Anzeigen visuell getrennt: im Coolibri durch Spalten und Leerzeichen, im Liebesalarm
hingegen lässt sich jede Anzeige über Links separat in einem Fenster öffnen, des Weiteren ist die virtuelle
Anzeige – wie bereits in 4.2 dargestellt – durch farbliche Unterlegung von anderen Textteilen getrennt.
41
26
lassen der gesamten Einleitung hingegen würde das Programm für Rezipienten, welche
die Sendung mittendrin einschalten42, schwerer verständlich machen. Dem Zeitdruck entgegen wirkt demnach die Notwendigkeit, jeden Sendeblock unabhängig von der Gesamtsendung bestmöglich verständlich zu gestalten.
4.3.2 Analyse eines Moderatorentextes
In der ersten Anzeige des Blocks (Hin und Weg Nr. 5) wird Z, die Einweihungsparty,
zuerst genannt. Anders als in den beiden anderen Medien wird der Vorname des Kontaktsuchenden zur S verwendet, sprachliche Kreativität findet sich an dieser Stelle nicht. Danach wird LOK, Bad Iburg, bezeichnet. Als nächstes wiederholt die Moderatorin Z; eine
solche Redundanz findet sich nur in den Radioanzeigen. Sie kann als Folge der für mündliche Kommunikation typischen Flüchtigkeit verstanden werden: auf diese Weise ist es
für den Rezipienten leichter, die wichtigsten Informationen zu behalten. Diese redundanten Strukturelemente sollen im weiteren Verlauf durch ein nachgestelltes R gesondert
gekennzeichnet werden, in diesem Fall findet sich also ZR.
Als Grund für die Party wird nun die neue Wohnung, ZD, angegeben. P, Leute, und PD,
eine minimal selektive Altersbegrenzung, sind so allgemein gehalten, dass praktisch jeder
über 18 angesprochen ist. Dies kommentiert die Moderatorin scherzhaft damit, dass auch
die Oma mitgebracht werden könne; Kommentare solcher Art werden erst durch das Medium Radio ermöglicht, wo eine eigentlich unbeteiligte dritte Person, die Moderatorin, in
die Kommunikation eingreifen kann und sie sprachlich gestaltet. Sie sollen deshalb als
zusätzliches Strukturelement, K, ergänzt werden. Die Kommentare erfüllen eine radiotypische Funktion: sie sorgen dafür, dass diese Teile der Sendung auch einen Unterhaltungswert für die Rezipienten haben, die an den Kontaktwünschen nicht interessiert sind
und nur zufällig eingeschaltet haben. Dies ist sowohl im Internet als auch im Printmedium
anders: die Texte werden nicht mit dem Anliegen produziert, zusätzlich zur Kontaktfunktion unterhaltsam für nicht beteiligte Dritte zu sein. Sprachlich abgehoben von dem Resttext wird der Kommentar nicht, lediglich das Lachen der Moderatorin dient als Orientierungshilfe.
Der Wiedereinsieg in den eigentlichen Text ist hingegen markiert: die Moderatorin wiederholt die Altersangabe, PDR. ZD wird hinsichtlich Musikrichtung und Getränken benannt, ohne jedoch besonders selektiv zu werden. Den Abschluss bildet eine Zusammenfassung: mit SR, SDR, ZR und LOKR wird noch einmal die Aufmerksamkeit der Rezipienten auf die grundlegenden Informationen gelenkt.
42
Zu Beginn der Sendung wird ein einleitender Teil gesendet, der noch keine Anzeigen enthält (Hin und
Weg Nr. 3).
27
Sprachliche Kreativität des Kontaktsuchenden wie in den Coolibri- und LiebesalarmAnzeigen findet sich in den von der Moderatorin gesprochenen Texten nicht wieder. Diese bleiben auf die allernötigsten sachlichen Informationen beschränkt. In diesen Radioanzeigen macht der Suchende nur vorab seine Angaben, für die sprachliche Ausgestaltung
während der Sendung ist er jedoch nicht verantwortlich. Dies ist jedoch anders, wenn die
Kontaktwünsche im Interview geäußert werden:
4.3.3 Analyse eines Interviews
Ein Interview (Hin und Weg Nr. 2) wird nach zwei Anzeigen, die der Moderator gesprochen hat, am Ende eines Blocks gesendet. Es besteht aus drei Teilen. Den ersten einleitenden Teil spricht der Moderator, woran sich das eigentliche Interview anschließt. Im
dritten Teil fasst der Moderator noch einmal die wichtigsten Informationen zusammen.
Der Beginn ist semantisch mit dem Ende der zweiten Anzeige verknüpft: das Verb schieben, das in der vorhergehenden Anzeige auf Zettel bezogen wird, wird in der sich ohne
Pause anschließenden Einleitung metaphorisch wiederverwendet, es dient somit als Ü.
Der Adressatenbezug und damit der Beginn des Interviews wird mit dem Personalpronomen ihr klar markiert. S, Patrick, SD, 23 und LOK, Essen, werden am Ende der Einleitung bezeichnet.
Im nun folgenden zweiten Teil, einem Wechsel von Fragen und Antworten, wird ZD näher charakterisiert, wobei wiederholt scherzhafte Bemerkungen des Moderators – wie
auch in der bereits analysierten Radioanzeige – einfließen, um unterhaltsam zu wirken.
Dadurch, dass der Kontaktsuchende anwesend ist und die Worte des Moderators mit dem
eigenen Text zeitlich eng zusammenhängen, haben sie eine stärkere Werbefunktion als in
der zuvor analysierten Radioanzeige. Implizit tragen sie zur SD des Suchenden bei, die
sowohl appellativ als auch repellativ wirken kann. Dies wird beispielsweise deutlich, als
es um die Herkunft der CD geht: der Kontaktsuchende gibt diese als illegal an. Dies erzeugt den Eindruck eines Sich-Hinwegsetzens über Regeln, der unterschwellig der SD
dient. Der K des Moderators verstärkt diesen Eindruck: die scherzhaft-ironische Erwähnung des BKA43 betont dabei besonders das kriminelle Moment der Handlung.
Zu P leitet der Moderator mit der Frage was fehlt über. Diese wird mit Mädels knapp und
wenig selektiv bezeichnet. Hieran schließt sich des Weiteren SM an, erneut begleitet von
einem K des Moderators, der die negative SM in positivere Richtung lenkt. Der Hinweis
des Kontaktsuchenden auf die vorhandenen Getränke lässt sich einerseits der ZD zurech43
Dies kann zudem als Anspielung auf den Öffentlichkeitscharakter verstanden werden: dadurch, dass der
Kontaktsuchende nur akustisch im Medium präsent ist, bleibt ihm ein gewisser Anonymitätsschutz. Zum
Verhältnis von Anonymität und Öffentlichkeit in Hörfunkanzeigen siehe auch 6. 3.
28
nen, ist andererseits aber auch ein Versuch, die negative SM abzuschwächen und eine
appellative Wirkung zu erzielen. Die ironische Frage des Moderators nach den Namen,
eine intertextuelle Anspielung auf das Hörbuch, gibt dem Suchenden eine weitere implizite Gelegenheit zur PD: Ähnlichkeiten mit den genannten Personen sind nicht erwünscht.
Ein weiterer positiver K des Moderators zur SM beendet das Gespräch.
Als Abschluss fasst der Moderator die wichtigsten Informationen zusammen: ZR, SR und
LOKR werden zuerst genannt, woran sich ZDR anschließt. Die „Aufforderung zum Handeln (I)“ (Stolt/Trost 1976, S. 30), nämlich in diesem Fall, sich bei dem Sender zu melden, ist auch im Printmedium ein typischer Abschluss einer Kontaktanzeige: im Unterschied zur gedruckten Anzeige wird I jedoch nicht vom Kontaktsuchenden selbst, sondern
vom Moderator formuliert.
Die Überleitung zum Schlussteil des gesamten Blocks wird lediglich durch die Konjunktion oder deutlich gemacht, die einzelnen Teile gehen somit wie schon zuvor nahtlos ineinander über. Den Schlussteil bildet ein Aufruf, eigene Kontaktwünsche durchzugeben,
und die Nennung der Kontaktadressen. Als Abschluss wird der Titel der Sendung dazu
verwendet, den Zweck der gesamten Sendung metaphorisch zu benennen.44
4.4 Ergebnisse der Strukturanalyse
Zusammenfassend zeigt sich, dass die von Stolt ausgearbeiteten inhaltlichen Strukturelemente größtenteils in den drei untersuchten Medien vorkommen; der notwendige Inhaltskern ist dabei ähnlich. Die jeweilige Anordnung der Elemente und ihre konkrete Ausgestaltung variieren jedoch je nach Medium erheblich; so finden sich sowohl im Internet als
auch im Hörfunk zusätzliche Strukturelemente.
Im Coolibri ist die Struktur stark konventionalisiert als Folge der langen historischen
Entwicklung der Textsorte. Auch Kreativität findet sich oft innerhalb des Schemas. Die
Anzeigen sind linear vertextet.
Die Liebesalarm-Anzeigen hingegen sind aus fragmentarischen, in sich kohärenten Einzeltexten aufgebaut. Die Möglichkeiten zur Texteingabe sind von Fragment zu Fragment
verschieden. Das Bild als zentrales Element zur SD geht mit dem umgebenden Text vielfältige Beziehungen ein. Im Gegensatz zum Printmedium kann der Emittent seinen Text
jederzeit verändern.
Innerhalb der Hörfunksendung finden sich zwei Sorten Anzeigen, von Moderatoren ge44
Siehe auch 5. 3.
29
sprochene und Interviews, die jeweils spezifische Besonderheiten, aber auch Gemeinsamkeiten aufweisen. Gemeinsam sind ihnen zum Beispiel die redundanten Zusammenfassungen, die als radiotypisch angesehen werden können. Die einzelnen Teile eines Sendeblocks sind jeweils miteinander sprachlich verflochten durch Übergänge; auf diese Weise
bildet jeder einzelne Block für sich ein kohärentes Ganzes, die einzelnen Anzeigen allerdings stehen nicht so klar voneinander getrennt wie in den anderen beiden Medien. Dies
ist eine Folge des in diesem Medium herrschenden Zeitdrucks.
Sprachliche Kreativität findet sich in den untersuchten Medien in vielfältiger Weise. Ein
Aspekt, die Metaphorik, soll nachfolgend analysiert werden.
30
5. Kognitive Metapherntheorie
In der kognitiven Metapherntheorie wird die These vertreten, dass Metaphern „das Ergebnis von mentalen Projektionen von Konzepten eines uns vertrauten Ausgangsschemas
auf ein uns weniger vertrautes Zielschema“ (Nöth 2000, S. 344) sind. Dabei wird häufig
von einem Bereich konkreter Lebenserfahrung ausgegangen; Ausgangsdomänen ergeben
sich zum Beispiel aus der räumlichen Wahrnehmung, der eigenen Körpererfahrung, den
Sinneseindrücken und auch aus den Gegenständen des Alltags. Metaphern werden dazu
verwendet, oftmals aus abstrakten oder komplexen Gegebenheiten bestehende Zieldomänen zu benennen und zu veranschaulichen, für die keine durch Konvention festgelegten
Sprachzeichen existieren.
Des Weiteren spielt in der kognitiven Metapherntheorie die Idee von der Ubiquität der
Metapher eine große Rolle, also die Annahme, dass sie in allen sprachlichen Bereichen
präsent ist. Dies führt dazu, dass Metaphern nicht nur durch spontan motivierte Kreativität
gekennzeichnet sind, sondern auch konventionalisiert sein können. Die Gründe für die
Konventionalisierung liegen nicht allein im Sprachgebrauch, sondern „auch in den allgemeinen Konventionen in einem semiotischen Alltag, der von Kultur zu Kultur verschieden ist“ (Nöth 2000, S. 344). Metaphern bewegen sich gemäß Nöth demnach zwischen
Ikonizität, der das Motivierte zugeordnet wird, und Konventionalität, welche eher als arbiträr gilt.45 Die Ähnlichkeiten beruhen dabei auf kognitiven Prozessen, wobei diese oft
erst durch die jeweilige Metapher erzeugt werden. Gerade in dem Erzeugen dieser
Ähnlichkeiten kann ein wesentlicher Teil des kreativen Potentials von Metaphern liegen.
Die Konventionalisierung von Metaphern kann sowohl diachronisch als auch synchronisch betrachtet werden. In diachronischer Hinsicht „führt Sprachwandel zu einem Verlust an Ikonizität“ (Nöth 2000, S. 344), was zu einer in Stufen zunehmenden Konventionalität führt. In diesem Prozess der Demetaphorisierung wird eine zunächst kreative Metapher zu einer lexikalisierten alltagssprachlichen Metapher. Danach geht ihre Transparenz verloren, so dass sie undurchsichtig und im letzten Schritt zur toten Metapher wird.
Die schöpferische Umkehrung dieses Prozesses, die Remetaphorisierung, ist jederzeit
möglich, sobald die ikonische Motiviertheit der Metapher erneut ins Gedächtnis zurückgerufen wird. Gemäß Nöth können die Abstufungen zwischen kreativ motivierten und
toten Metaphern als Grade von Ikonizität verstanden werden.
45
„In der Kognition gibt es verschiedene Grade des Bewußtseins von der Ähnlichkeit [...] und in der
Sprachgeschichte zeigt sich, daß aus dem motivierten das arbiträre Sprachzeichen werden kann.“ (Nöth
2000, S. 345)
31
Betrachtet man die Konventionalität der Metaphern aus synchronischer Perspektive, tritt
sie am deutlichsten hervor, wenn ihre Ikonizität aus kulturellen Schemata hervorgeht –
wie beispielsweise in Tiermetaphern –, insbesondere wenn die metaphorischen Zuweisungen den natürlichen biologischen Gegebenheiten offenkundig widersprechen. Eine
weitere Methode, um diese kulturelle Motiviertheit aufzudecken, bietet der interkulturelle
Vergleich.46
5.1 Metaphern im Coolibri
Metaphern finden sich in den Kontaktanzeigen des Coolibri oft innerhalb des Strukturschemas, wie bereits angesprochen.
In einer metaphorisch versprachlichten Anzeige (Coolibri Nr. 6) dient eine Fernsehserie
als Ausgangsdomäne. Die Anzeigenschreiberin benutzt also keine Domäne aus ihrer eigenen, im direkten Erleben gewonnenen Erfahrung wie die von Nöth aufgeführten Ausgangsdomänen, sondern greift auf eine medial vermittelte zurück. In diesem Fall dient das
Fernsehen als Ausgangsdomäne: „Es ermöglicht das private vollständige Erleben der
räumlich und zeitlich distanten Situation“ (Günther 2000, S. 93), wobei eine große Masse
an Rezipienten gleichzeitig erreicht wird. Der Fernsehzuschauer kann dabei im allgemeinen sprachlich stumm bleiben. Da diese Situation demzufolge eine spezifische Erlebnisweise konstituiert, die von der Alltagskommunikation verschieden ist, wäre es sinnvoll,
mediale Erfahrung als einen weiteren separaten Bereich zu nennen, der Ausgangsdomänen für Metaphern bietet; hierbei wäre es zudem zweckmäßig, zwischen den einzelnen
Medien weiter zu differenzieren, da sie jeweils eigene Bedingungen bieten.
Wegen der massenhaften Verbreitung der Fernsehserie geht der Anzeigenschreiber davon
aus, dass der Kreis möglicher Rezipienten der Serie ausreichend groß ist; die gewählte
Metapher hat also auch einen selektiven Aspekt, da sie nur bei Kenntnis der Serie verständlich ist. Sie kann aber auch einen repellativen Effekt haben, wenn der Rezipient die
Serie ablehnt.
Konventionalisierte Sprachzeichen zur Selbst- und Partnerbezeichnung existieren bereits,
sogar in Form einer regelrechten Anzeigentopik.47 Die in der Anzeige verwendete Meta46
„Während z. B. der Kuckuck im Deutschen metonymisch [...] für ‚Verrücktheit’ steht, steht er im Englischen metaphorisch für ‚Dummheit’ [...].“ (Nöth 2000, S. 346) Interkulturelle Vergleiche wie in diesem
Beispiel erlauben die vorliegenden Kontaktanzeigenkorpora jedoch nicht, so dass dieser Bereich im Folgenden ausgeklammert werden muss.
47
Stolt führt drei Aspekte an, die das Entstehen dieser Anzeigentopik erklären sollen. Zum einen drücken
die Anzeigenschreiber Gefühlsinhalte aus, die Soziologen gemäß als Schablone von vielen gleichermaßen
geteilt werden und deshalb zwangläufig wiederholt auftauchen müssen. Des Weiteren finden sich Vorstellungsstereotype, um so „eine ganze Menge von Vorstellungsinhalten positiv beschreibender Art in den Text
32
pher dient dazu, sich kreativ gerade von dieser Konvention abzuheben und so die Aufmerksamkeit des Rezipienten zu erregen. Sie verschleiert dabei stärker, anstatt dass sie
die Zieldomäne deutlicher benennt als konventionelle Lexeme dies täten. Die Metapher
dient also in diesem Fall nicht dazu, etwas nicht konventionell Darstellbares zu veranschaulichen, sondern erfüllt den Zweck, anzeigentypische Elemente auf unübliche Weise
umzusetzen und so Individualität in die Annonce zu bringen.
Die Metapher weist ein hohes Maß an Ikonizität auf; die Ähnlichkeit wird dabei erst
durch die Verwendung im Anzeigenkontext erzeugt. Konventionalisiert ist dabei lediglich
der Umstand, dass mediale Ausgangsdomänen benutzt werden, um Kreativität in die Anzeige zu bringen: diese Art der Metaphernbildung kann somit als anzeigenübliches Stilmittel im Printmedium verstanden werden.
5.2 Metaphern im Liebesalarm
Sprachliche Kreativität in Form von Metaphern lässt sich auch in den Internetanzeigen an
vielen verschiedenen Stellen nachweisen, gehäuft werden sie jedoch innerhalb eines bestimmten Strukturelementes verwendet: die Selbstbezeichnung, S, hat im Liebesalarm
einen anderen Stellenwert als im Coolibri. Jedes Mitglied muss sich selbst einen Namen
geben, unter dem es registriert ist. Jeder Name kann dabei nur einmal vergeben werden,
so dass bei steigender Mitgliederzahl immer größere sprachliche Kreativität nötig wird,
um eine adäquate S zu finden; zudem ist die Zeichenanzahl auf 17 beschränkt. Im Anzeigentext selbst taucht S dann nur noch am oberen Rand auf, im restlichen Text spielt sie
keine Rolle mehr. Zudem findet sie sich in den computergenerierten Listen zur Kontaktsuche, sowohl in den für alle Mitglieder gleichermaßen zugänglichen als auch in den bei
der konkreten Kontaktsuche individuell erstellten. Der Mitgliedsname hat damit auch eine
erste Kontaktfunktion, was ebenfalls zur variationsreichen sprachlichen Ausgestaltung
beiträgt. Im Coolibri hingegen kann dieselbe S mehrfach in verschiedenen Anzeigen vorliegen. Auch kann sie ganz fehlen; es besteht kein Zwang, sich selbst in den gedruckten
Anzeigen zu benennen. Die im Internet anzutreffende, in hohem Maße individuelle Ausgestaltung ist also medial begründet und unterliegt des Weiteren einem sprachökonomischen Druck.
Hierbei sind bestimmte Ausgangsdomänen besonders beliebt, sie erfahren innerhalb des
Mediums eine regelrechte Konventionalisierung. Dies trifft zum Beispiel auf – jahreszeitenabhängige – Weihnachtsmetaphern zu: Nikolaus oder Santa sind beispielsweise typi-
ein[zu]bringen“ (Stolt/Trost 1976, S. 48). Als dritter Faktor wird der Umstand genannt, dass die Inserenten
auch Anzeigenleser sind, was die Verbreitung bestimmter Formeln fördert.
33
sche Variationen hiervon. Dadurch, dass ihnen dasselbe kognitive Schema zugrunde liegt,
verringert sich ihre Ikonizität mit zunehmend häufigen Gebrauch. Die damit einhergehende Gewöhnung bewirkt, dass diese Metaphern nicht mehr als spontane, kreative Leistung
empfunden werden. Ihre Transparenz bleibt dabei bis zu einem gewissen Grad erhalten,
denn die Konventionalisierung findet nur innerhalb des Mediums statt. Entgegen wirken
kann diesem Prozess jedoch die orthographische Gestaltung des Mitgliedsnamens, die als
Mittel eingesetzt wird, wenn mehrere Mitglieder dieselbe Metapher nutzen wollen. Dies
trifft zum Beispiel auf Nickolauso zu: auf diese Weise wird die Motiviertheit wieder etwas stärker in den Vordergrund gerückt, so dass von einer Remetaphorisierung gesprochen werden kann. Diese Art der Remetaphorisierung wird erst durch die Schriftlichkeit
des Mediums ermöglicht, sie ist rein visueller Natur. Deshalb ist es notwendig, bei der
Untersuchung der Konventionalisierungsgrade von Metaphern mediale Bedingungen mit
einzubeziehen, die eigene Formen der Metaphorik hervorbringen können.
Der vom Medium erzeugte Zwang zur Kreativität führt zu einem weiteren spezifischen
Phänomen: es treten scheinbar missglückte Metaphern auf, bei denen Ausgangs- und
Zieldomäne nicht zusammenpassen beziehungsweise der Zusammenhang für den Rezipienten nur schwer ersichtlich ist. Dies ist beispielsweise bei der metaphorischen S
VogelBaere der Fall: der Ausgangsdomäne haften ausgesprochen negative, abstoßende
Eigenschaften wie ungenießbar an, die damit auf die Selbstbezeichnung übertragen werden, die ja eigentlich eine positiv werbende Funktion haben sollte und der ersten Kontaktaufnahme dient. Dieses Nicht-Zusammenpassen kann aber auch gerade als Überraschungseffekt genutzt werden, um den Rezipienten neugierig zu machen: es kann sowohl
einen appellativen als auch repellativen Effekt haben. Der Grad der Ikonizität ist dabei
sehr hoch, jedoch deutet die Orthographie darauf hin, dass der Mitgliedsname möglicherweise mehrfach verwendet wird und dadurch ein Stück Ikonizität verlieren kann.
5.3 Metaphern in den Hin-und-Weg-Anzeigen
In der Hörfunksendung werden Metaphern ebenfalls verwendet. Ein Beispiel soll dabei
im Folgenden näher betrachtet werden.
Der Titel der Sendung, Hin und Weg, hat wahrscheinlich einen metaphorischen Ursprung.
In diesem Fall wandert eine sehr stark konventionalisierte tote Metapher aus der Alltagssprache in das Medium ein. Sie erfährt dabei jedoch nicht einfach eine Remetaphorisierung. Die Zieldomäne ist bei der medialen Kontaktsuche anders definiert als zuvor im
Alltag. Während die alltägliche metaphorische Wendung hin und weg sein48, also entzückt
48
Das Adverb hin geht auf das althochdeutsche hin(n)a, mittelhochdeutsch hin(e), zurück. Es wird als „Pro-
34
von etwas sein, auf Personen in verschiedenen Kontexten und andere Alltagsphänomene
bezogen sein kann, ist der Verwendungsrahmen im Radio stärker eingegrenzt und bezieht
sich nur auf Partykontakte; dieser eine Aspekt der Ausgangsmetapher bleibt in der medialen Zieldomäne, dem Titel, erhalten. Zusätzlich ist der Titel der Sendung noch medial und
lokal konnotiert: der Rezipient soll sich an das Radio hinwenden, um weggehen zu können. Dies fehlt der toten Metapher des Alltags. Anstatt dass der Prozess der Konventionalisierung durch den Gebrauch im Radio einfach nur umgekehrt wird, wird vielmehr die
tote Metapher im Medium in ihrer Bedeutung erweitert und dadurch polysem. Nicht alle
Bedeutungsfacetten sind jedoch metaphorisch. Insbesondere die lokale Konnotation ist
nicht ikonisch motiviert, stattdessen wird die ursprüngliche Bedeutung der Adverbien hin
und weg in den Titel der Radiosendung integriert. Die Motiviertheit des metaphorischen
Bedeutungsanteils rückt im medialen Kontext wieder etwas stärker in den Vordergrund;
in Folge dessen erhöht sich der Ikonizitätsgehalt. Bei einem häufigeren Gebrauch innerhalb des Mediums erfährt dieser metaphorische Anteil jedoch zusammen mit seinen nichtmetaphorischen Komponenten eine erneute Konventionalisierung.
Dieser Prozess findet ausschließlich innerhalb des Mediums statt, in der Alltagssprache
außerhalb des Radios erfährt die tote Metapher keine Veränderung. Medien können somit
nicht nur als Ausgangsdomäne für Metaphern dienen wie im Fall der Coolibri-Anzeige,
sondern auch eigene Formen hervorbringen, die nur innerhalb des Mediums Verwendung
finden.
Am Schluss eines Blocks (Hin und Weg Nr. 2) erfährt der Titel der Sendung zudem eine
weitere Verwendung: wir bringen euch hin und weg ist in erster Linie lokal konnotiert.
Dabei bleiben sowohl Bedeutungsaspekte der ursprünglich toten Metapher als auch des
Titels erhalten; diese treten jedoch sehr stark in den Hintergrund, da das Verb bringen
einen eindeutig lokalen Bezugsrahmen setzt. In diesem Kontext bewegt sich die Redewendung somit noch weiter von ihrer metaphorischen Verwendung weg. Dies zeigt, dass
eine Metapher in immer neue Sinnzusammenhänge eingebunden werden kann und hierbei
ihre metaphorische Bedeutung – und damit auch ihre Ikonizität – auch wieder verlieren
kann.
5.4 Ergebnisse
Insgesamt lässt sich feststellen, dass Metaphern aufgrund ihrer Ubiquität in allen drei
nominalbildung zur Bezeichnung des Ausgangspunktes ‚von hier’ [...] gebildet“ (Kluge 1989, S. 309). Das
zweite Adverb, weg, existiert seit dem 14. Jahrhundert. Es dient als „zweiter Bestandteil von Zusammensetzungen [...] teilweise mit Sonderbedeutung ‚drauf los’“ (ebd. S. 780). Diese Komponenten haben sich zu
der vermutlich metaphorischen Verwendung verbunden, wobei die Ikonizität zunehmend verloren ging.
35
Medien vorkommen. Dabei bietet jedes Medium eigene Bedingungen, die sich in der Metaphorik niederschlagen; ausgewählte Aspekte wurden exemplarisch untersucht.
Im Printmedium werden unter anderem mediale Ausgangsdomänen benutzt, um bereits
konventionalisierte Strukturelemente kreativ zu versprachlichen.
Metaphern im Liebesalarm finden sich besonders gehäuft bei den Mitgliedsnamen; hier
zwingt das Medium einerseits zur Kreativität, andererseits aber auch zur Sprachökonomie.
Im Radio ist der Titel der Sendung aus einer toten Metapher entstanden, die in das Medium übernommen und im neuen Kontext polysem wird. Die zusätzlichen Bedeutungsaspekte können dabei auch nicht-metaphorischer Art sein und im entsprechenden Kontext
die metaphorischen Anteile größtenteils verdrängen.
36
6. Kommunikationssituation in Kontaktanzeigen
Die Kommunikationssituation in Kontaktanzeigen49 unterscheidet sich fundamental von
nicht medial vermittelten Formen des Kennenlernens:
In der Kontaktanzeige wird – im Gegensatz zu dem „normalen Kennenlernen“,
bei dem die ersten Treffen gekennzeichnet sind durch eine genau bestimmte
Zurückhaltung in persönlichen Äußerungen – eine gewisse Intimität zumindest
von seiten des Inserenten bereits beim ersten „Treffen“, dem Erscheinen der
Anzeige, hervorgerufen, und das, obwohl er von seinen potentiellen Rezipienten noch nicht einmal weiß, ob sie ebenfalls ein Interesse daran haben, einen
Partner zu finden. (Riemann 1999, S. 66)
Rezipient und Emittent sind in dieser Situation Fremde, die nichts gemeinsam haben. Der
Inserent hat keine Möglichkeit nachzuvollziehen, aus welchen Motiven heraus die Anzeige rezipiert wird; aufgrund der räumlichen Distanz kann keine direkte Rückkopplung zwischen den Kommunikationspartnern stattfinden. Außerdem äußert der Inserent „in seiner
Anzeige bereits mehr oder weniger viele intime Details seiner Person“ (Riemann 1999, S.
66), welche einer breiten Öffentlichkeit zugänglich sind.
In zwischenmenschlichen Beziehungen, die aus direkten Kommunikationssituationen
heraus entstehen, werden persönliche Details üblicherweise erst mit zunehmender Vertrautheit nach gesellschaftlich festgelegten Regeln und Normen ausgetauscht. Wird Persönliches zu vorschnell geäußert, wird dies oftmals als übermäßiges Anpreisen oder als
Intimitätsverstoß wahrgenommen. Das Kennenlernen „durchläuft zunächst ein gesellschaftliches Stadium, bevor die Beziehung persönlich wird“ (Riemann 1999, S. 68), welches durch oberflächlichen Kontakt und durch ein Orientieren an gesellschaftlich definierten Rollen gekennzeichnet ist. Die Öffentlichkeit ist im Allgemeinen hiervon ausgeschlossen, sie kann die Situation weder aktiv noch passiv beeinflussen. Diese Form der
persönlichen Interaktion wird als informelle Kommunikation bezeichnet. Im Gegensatz
dazu erfolgt öffentliche Kommunikation in erster Linie in gesellschaftlichen, nichtpersönlichen Beziehungen.
In der Kontaktanzeige fallen beide Phasen des Kennenlernens, also das gesellschaftliche
Stadium einerseits und Intimität andererseits, zusammen; die Kommunikationssituation
49
Riemanns Betrachtungen beziehen sich dabei ausschließlich auf Kontaktanzeigen in den Printmedien; die
Kommunikationssituation von Anzeigen in Internet und Radio werden nachfolgend dargestellt.
37
ist somit gleichzeitig informell als auch öffentlich.50 Dies äußert sich darin, dass sowohl –
auch bei oberflächlichem direkten Kontakt sofort wahrnehmbare – Merkmale wie Größe
und Haarfarbe versprachlicht werden, aber auch persönliche Angaben wie die Information, dass der Verfasser einsam ist. Diese Veröffentlichung selbst privater Angaben ist jedoch notwendig, um zu gewährleisten, dass möglichst nur als Partner in Frage kommende
Rezipienten sich angesprochen fühlen und antworten. Sie dienen also der Selektion;
gleichzeitig sollen sie der Anzeige einen persönlichen Stil verleihen. Die notwendige Selektion wird durch möglichst präzise Angaben erleichtert, die allerdings auf kleinstem
Raum erfolgen müssen. Gemäß Riemann gehen die Kommunikationspartner dabei meist
nach denselben Kriterien vor wie bei einem direkten Kennenlernen; der Unterschied liegt
in der bereits erwähnten Versprachlichung sonst direkt beobachtbarer Merkmale.
Das Zwischenschalten des Mediums sorgt demnach dafür, dass der Emittent auf eine persönliche Stufe einer bislang lediglich potentiell existierenden Beziehung vorgreifen muss.
Die dadurch entstehende Spannung von Privatheit und Öffentlichkeit wird allerdings etwas abgemildert durch den Umstand, dass üblicherweise Chiffre-Anzeigen geschaltet
werden, der Schreiber bleibt also anonym. Zudem steht der Inserent selbst nicht in der
Öffentlichkeit, sondern nur sein Text.
Ein Zusammenfallen von Privatheit und Öffentlichkeit lässt sich auch in den untersuchten
Anzeigen feststellen. Sowohl in den Coolibri- als auch in den Internet- und Radioannoncen ist es zu Selektionszwecken notwendig, mehr oder weniger private Angaben zu machen und diese über das jeweilige Medium einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Kommunikationssituationen, die aus der Nutzung der drei Medien entstehen,
weisen jedoch auch jeweils eigene, spezifische Merkmale auf, die sich ferner in den Texten sprachlich niederschlagen. Diese Unterschiede sollen im Folgenden herausgearbeitet
werden, wobei insbesondere Vermeidungsstrategien von Emittenten, die möglichst wenig
Privates veröffentlichen, berücksichtigt werden.
6.1 Kommunikationssituation in den Coolibri-Anzeigen
Die Anzeigen des Coolibri sind, wie die von Riemann zugrundegelegten, in einem Printmedium realisiert. Der Inserent bleibt bei seiner Kontaktsuche zunächst anonym, Einzelheiten zu seiner Person sind dem Rezipienten nur über den Text zugänglich. Diese Anonymität lässt aus den spezifischen Eigenheiten schriftlicher Kommunikation erklären:
50
Diese Zusammenlegung ergibt sich auch aus der Intention von Kontaktanzeigen: die Öffentlichkeit der
Massenmedien wird dazu benutzt, „um informelle Kommunikation (face-to-face-Kommunikation) herzustellen“ (Riemann 1999, S. 64).
38
Die schriftliche Äußerung löst sich vom Produzenten und steht für sich, muss
für sich stehen – weil die Realisation des Textes beim Lesen in einer anderen
Situation stattfindet, muss der schriftliche Text genügend Informationen enthalten, um diese fehlenden Situationsbezüge wettzumachen. (Günther 2000, S. 91)
Aufgrund der fehlenden Eingebundenheit in eine konkrete Situation fokussiert sich das
Interesse des Rezipienten ausschließlich auf den Informationsgehalt51 des Textes; der Leser einer Kontaktanzeige ist somit darauf angewiesen, dass der Anzeigenschreiber möglichst viele Einzelheiten seiner Person preisgibt, um sich daraus ein Bild des Textproduzenten konstruieren zu können. Die Zeitung, in der die Anzeige erscheint, ist dabei „für
den Inserenten ein ‚intimer Ort’, er nutzt den Aspekt der Öffentlichkeit lediglich, um sein
Anliegen einer möglichst breiten Rezipientenschaft zu vermitteln“ (Riemann 1999, S. 71).
Der Anzeigenschreiber bleibt auch dann noch anonym, wenn er Antworten erhält; erst im
nächsten Schritt muss er diese Anonymität aufgeben, allerdings bleibt die Öffentlichkeit
hiervon ausgeschlossen. Der Rezipient hingegen verlässt seinen Schutz, sobald er antwortet, dies findet allerdings ebenfalls nicht öffentlich statt. Dem Rezipienten stehen im Coolibri bis zu drei Antwortmöglichkeiten zur Auswahl: er kann sich über eine ChiffreNummer telefonisch52 oder schriftlich melden oder auch eine E-Mail schreiben. Der Emittent legt dabei vorab fest, welche Möglichkeiten offen stehen, er bestimmt also den
Kommunikationskanal.
Private Angaben werden in verschiedenem Maße veröffentlicht. Manche Inserenten umgehen den gemäß Riemann anzeigenüblichen Umstand, auf eine spätere persönliche Beziehungsebene vorgreifen zu müssen, vollständig (Coolibri Nr. 1). Der Text enthält
ausschließlich solche Angaben, die auch bei einem oberflächlichen direkten Kontakt
sofort wahrnehmbar wären: nur das Alter der Inserentin, dass sie Raucherin ist und gut
aussieht, werden preisgegeben. Die Kontaktaufnahme erfolgt demnach wie in einer
direkten Kommunikationssituation nur auf gesellschaftlicher Ebene, zu einer Spannung
zwischen Privatheit und Öffentlichkeit kommt es in dieser Anzeige anscheinend nicht.
Tatsächlich schafft jedoch bereits der Umstand, dass der Text als Kontaktanzeige in einer
bestimmten Rubrik veröffentlicht ist, eine besondere Situation: „Gibt ein Mensch eine
solche Anzeige auf, verfolgt er bewußt das Ziel, Kontakte zu knüpfen“ (Riemann 1999, S.
51
In der direkten Face-to-Face-Kommunikation ist dieser Informationsgehalt lediglich ein Teil der Situation:
„Die mündlichen Sprachäußerungen sind Teil der direkten Interaktion zwischen den Partnern innerhalb
einer jeweils konkret gegebenen Sprechsituation; sie erlangen ihre Bedeutung grundsätzlich aus diesem
Eingebettetsein in die Interaktion.“ (Günther 2000, S. 90)
52
Der Inserent kann – für ihn kostenfrei – eine Voice Mailbox nutzen, wo er zusätzlich einen weiteren
mündlichen Text hinterlassen kann. Der Inserent tritt so zumindest akustisch ein Stück weit aus seiner Anonymität heraus. Der Öffentlichkeitscharakter bleibt jedoch: eine beliebig große Gruppe von Rezipienten
kann den Text abrufen, die Antworten sind allerdings nur dem Inserenten zugänglich. Im Gegensatz zu
einem sonst üblichen Telefongespräch verläuft die Kommunikation auf beiden Seiten monologisch; der
Emittent ist, wie schon in seiner Anzeige, in der Kommunikationssituation nicht anwesend und nur über
einen vorbereiteten Text präsent.
39
auf, verfolgt er bewußt das Ziel, Kontakte zu knüpfen“ (Riemann 1999, S. 47). Die persönliche Information, dass jemand einen Partner sucht, würde im Falle einer Kontaktaufnahme ohne Medienvermittlung höchstwahrscheinlich nicht sofort preisgegeben werden.
In jeder Anzeige ist dieses Anliegen jedoch bereits implizit allein durch die Wahl eines
Mediums vorhanden. Auch in dieser auf das Allernotwendigste beschränkten Anzeige
findet sich demzufolge Privates, das veröffentlicht wird, obwohl die Inserentin dies in
ihrem Text vermeidet.
6.2 Kommunikationssituation in den Liebesalarm-Anzeigen
Die Kommunikationssituation, die im Liebesalarm entsteht, ist zunächst dadurch gekennzeichnet, dass der Emittent seinen Text – wie auch in dem Printmedium – einer Öffentlichkeit präsentiert. Das Verhältnis des Emittenten zur Rezipientengruppe ist allerdings
hiervon verschieden: die Anzeigen im Coolibri kann jeder lesen, der sich die Zeitschrift
beschafft, während die Internetannoncen nur registrierten Mitgliedern zugänglich sind.
Jeder Rezipient ist also auch gleichzeitig Emittent: sobald ein Rezipient auf eine Anzeige
antwortet, hat der Inserent die Möglichkeit, dessen Anzeige gleichfalls aufzurufen und zu
lesen. Auf diese Weise stehen Rezipient und Emittent auf einer Stufe; anders als in dem
Printmedium ist keiner der beiden im Vorteil.
Die Kontaktaufnahme ist nur über eine Textbotschaft möglich, welche nach Anklicken
des Hyperlinks Nachricht schreiben in einem separaten Fenster geschrieben und verschickt werden kann. Der Rezipient muss das Medium demnach nicht verlassen, um den
Kontakt aufzunehmen, und auch der Inserent kann seinerseits auf demselben Weg antworten. Innerhalb des Mediums ist eine wechselseitige Kommunikation möglich, die zudem
potentiell endlos oft stattfinden kann. Die Kommunikationspartner müssen den virtuellen
Raum erst verlassen, wenn es zu einem direkten Treffen kommen soll, oder um das Medium zu wechseln.53 Diese Kontakte finden nicht in der Öffentlichkeit der Homepage statt,
sondern wie im Coolibri nur zwischen Emittent und Rezipient.
Eine wichtige Rolle im Kommunikationsprozess spielen auch die Fotos. Jedes Mitglied ist
dazu gezwungen, ein Bild von sich zu veröffentlichen. Der Textproduzent tritt nicht wie
im Fall der gedruckten Annoncen hinter seinen Text zurück. Der Anonymitätsgrad ist
dadurch wesentlich geringer, er variiert jedoch je nach Gestaltung des Bildes.
Wie in dem Printmedium finden sich auch hier Anzeigen, die möglichst wenig preisgeben
(THOR). Dies geschieht zum einen über das Bild: die abgebildete Person ist aufgrund der
53
Dies kann zum Beispiel über das Telefon geschehen, welches im Gegensatz zum Liebesalarm akustische
Signale übermittelt.
40
Bildgröße, Helligkeit und wegen der Sonnenbrille, die Teile des Gesichts verdeckt,
schwer zu erkennen und deshalb so wenig öffentlich wie möglich. Ganz lässt sich das
Verlassen der Anonymität allerdings nicht vermeiden; dies wird von den Betreibern der
Homepage durch eine Kontrolle der Fotos gewährleistet. Auch der Text unterhalb des
Bildes ist sehr allgemein gehalten und wenig aussagekräftig. Eine wirkliche PD erfolgt
nicht, dies wird auf ein direktes Kennnenlernen verschoben. Darin ähnelt die Anzeige der
zuvor untersuchten Coolibri-Annonce. In beiden Texten werden möglichst nur solche
Angaben gemacht, die auch bei einem direkten Kennenlernen sofort ersichtlich wären.
Der Hauptunterschied liegt darin, dass dies im Coolibri rein sprachlich, im Liebesalarm
jedoch auch bildlich erfolgt.
6.3 Kommunikationssituation in den Hin-und-Weg-Anzeigen
Im Radio finden sich zwei unterschiedliche Arten von Kontaktgesuchen. Beiden gemeinsam ist ihr Öffentlichkeitscharakter; die Rolle des Emittenten im Kommunikationsprozess
ist jedoch sehr verschieden. Alle Texte gehen im Laufe der Sendung ein und werden auch
innerhalb dieses zeitlichen Rahmens rezipiert.
Bei den Anzeigen, welche die Moderatorin vorträgt, ist der Emittent – wie bei den schriftlich realisierten Anzeigen in Zeitung und Internet – nicht zeitgleich anwesend. Er bleibt
anonym und tritt hinter den Text zurück. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass nicht
wortwörtlich der Text des Kontaktsuchenden vorgelesen wird, sondern nur der Inhalt
wiedergegeben wird. Diese Texte enthalten zudem nur sehr wenige oberflächliche persönliche Angaben, die der Rezipientenschaft präsentiert werden, so dass die Spannung von
Privatheit und Öffentlichkeit nur sehr gering ist. Dies liegt auch daran, dass nicht in erster
Linie ein Partner gesucht wird, sondern wesentlich unverbindlichere Kontakte. Die Art
des gesuchten Kontakts hat somit ebenfalls Einfluss darauf, in welchem Maße Privates
veröffentlicht wird.
Die Kontaktsuche findet aber auch per Telefon statt. Der Moderator führt mit dem Suchenden live in der Sendung ein Gespräch, was eine besondere Situation konstituiert: der
Emittent äußert sein Angebot in dieser Situation akustisch und ist zeitgleich mit den Rezipienten anwesend. Im Gegensatz zu den von der Moderatorin gesprochenen Texten trifft
der Kontaktsuchende die Wortwahl. Er kann dabei nicht wie im Printmedium hinter seinen Text zurücktreten, sondern ist gezwungen, diesen spontan mündlich zu produzieren54,
54
Spontaneität versus Vorbereitetheit hat im Medium eine andere Wirklichkeit als im Alltag, da „Vorbereitetes sich als spontan präsentiert und Spontanes seine Vorbereitetheit nicht verleugnet“ (Burger 1991, S.
415): die Kontaktsuchenden haben die Möglichkeit, sich vorab zu überlegen, was sie sagen möchten. Zudem sind die Interviews vorbereitet, was beispielsweise im einleitenden Teil eines Interviews (Hin und Weg
41
er bleibt somit nicht im gleichen Maß anonym. In dieser Situation ist die Spannung zwischen Privatheit und Öffentlichkeit verstärkt vorhanden, denn
diese Unbekannten werden für die Zeit ihres Auftritts zu öffentlichen Personen,
ohne daß sie aber über die routinierten Verhaltensweisen verfügen würden, die
ihnen eine selbstverständlich-zwanglose Existenz in der Öffentlichkeit ermöglichen könnten. (Burger 1991, S. 74)
Dies kann zu einem Vermeidungsverhalten führen, wie ein Interview (Hin und Weg Nr.
6) mit einer Kontaktsuchenden zeigt, die für eine Gruppe von drei Suchenden spricht.
Die PD dieser Anzeige erfolgt mit den schon von Stolt als anzeigentypisch festgestellten
Attributen nett und attraktiv; sie „beschreiben [...] kaum etwas: der informative Inhalt ist
allgemein und vage, zum Leser hin offen“ (Stolt/Trost 1976, S. 70). Auch die Angabe zu
uns passen ist genauso wenig aussagekräftig. Diese Wortwahl sorgt dafür, dass möglichst
wenige persönliche Wünsche genannt werden; die Kontaktsuchende kann sich gewissermaßen hinter den allgemein gehaltenen Worten verstecken. Die Moderatorin versucht
dem entgegenzuwirken, indem sie eine nähere Beschreibung fordert. Diese wird jedoch
erneut mit ähnlich informationsleeren Adjektiven, smart und gutaussehend, vermieden.
Wiederholt steuert die Moderatorin dagegen. Dies führt zu Flüstern im Hintergrund der
Kontaktsuchenden untereinander, die offenbar nicht auf solche Fragen vorbereitet waren
und nun nicht über die entsprechenden Strategien verfügen. Lediglich die Körpergröße
wird nun eingeschränkt; die Angabe zu uns passen wird zudem wiederholt mit dem ebenso wenig selektiven Hinweis auf die verschiedene Geschmäcker der Suchenden. Die Interviewte benennt dann doch für sich einen dunklen Typ als Wunschpartner, entkräftet
aber sofort mit egal. Es lässt sich also feststellen, dass mit Hilfe von – auch in Printmedien vielfach verwendeten – informationsarmen Lexemen vermieden wird, dass allzu viel
Privates einer Öffentlichkeit präsentiert wird.
6.4 Ergebnisse
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass sich die Kommunikationssituationen in
den drei untersuchten Medien in mehreren Punkten voneinander unterscheiden.
Während in Printmedium und Radio das Medium verlassen werden muss, um den Kontakt herzustellen, ist dies im Internet nicht mehr nötig.
Nr. 2) deutlich wird: der Moderater nennt einige zentrale Informationen zu dem Kontaktsuchenden bereits
vorab; siehe auch 4.3.3.
42
Eine Spannung von Anonymität und Privatheit ist in verschiedenem Maße vorhanden.
Einerseits hat dies mediale Gründe, andererseits hat der Emittent verschiedene Möglichkeiten, mit der Situation sprachlich und – im Fall der Internetanzeigen – auch bildlich
umzugehen.
Im Coolibri bleibt der Anzeigenschreiber anonym, was auf die Schriftlichkeit des Mediums zurückzuführen ist. Eine mögliche Strategie, um Privates nicht veröffentlichen zu
müssen, besteht darin, nur auch bei oberflächlichem Kontakt sofort sichtbare Merkmale
zu versprachlichen.
Hingegen ist der Suchende im Liebesalarm gezwungen, ein Bild von sich zu veröffentlichen. Dieser fehlende Anonymitätsschutz wird jedoch teilweise dadurch aufgehoben, dass
nur registrierte Mitglieder die Annoncen lesen können. Neben sprachlichen Vermeidungsstrategien ist es in diesem Medium in erster Linie notwendig, über verschleiernde bildliche Darstellungsmittel ein Verlassen der Anonymität zu verhindern.
Im Radio sind die vom Moderator gesprochenen Anzeigen anonymer als die der anderen
Medien, da der Kontaktsuchende den gesendeten Text nicht selbst formuliert. Im Gegensatz dazu ist er in den Radiointerviews akustisch präsent, was dazu führt, dass er seine
Anonymität ein Stück weit verlassen muss. Durch die Verwendung informationsleerer,
anzeigentypischer Lexeme kann dies abgemildert werden; diese werden auch im Printmedium eingesetzt.
Dies zeigt, dass die medialen Eigenheiten einerseits verschiedene Kommunikationssituationen hervorbringen, es andererseits aber trotzdem gemeinsame Grundvoraussetzungen
gibt. Deshalb kommt es auch zu medial bedingten Unterschieden und Überschneidungen
hinsichtlich der beschriebenen Vermeidungsstrategien.
43
7. Fazit
Die exemplarische Auswertung wissenschaftlicher Arbeiten zu Kontaktanzeigen zeigt,
dass insbesondere mediale Aspekte größtenteils vernachlässigt werden. Eine umfassende
Analyse von Anzeigen aus verschiedenen Medien steht aus, lediglich einige textlinguistische Merkmale von Annoncen aus dem Internet sind bereits erfasst worden. Dieser Vergleich sollte in dieser Arbeit exemplarisch anhand von Annoncen aus drei verschiedenen
Medien, einem Printmedium, dem Internet und dem Hörfunk, hinsichtlich ausgewählter
Aspekte durchgeführt werden.
Die textuellen Grundfunktionen sind in allen Medien identisch, so dass die Texte einer
einzigen Textsorte zugeordnet werden können. Sie erfüllen zum einen eine Kontaktfunktion, die nur gelingen kann, wenn die Texte auch gleichermaßen appellierend wirken. Mit
dieser Appellfunktion ist zudem noch eine Selektionsfunktion verknüpft, die sich aus der
massenhaften Verbreitung der Anzeigentexte ergibt.
Die vergleichende Strukturanalyse der Kontaktanzeigen zeigt, dass sich zwar ein
gemeinsamer inhaltlicher Kern findet, die medialen Bedingungen aber dennoch für
gravierende strukturelle Unterschiede sorgen. Dies schlägt sich unter anderem darin
nieder, dass sich sowohl in Internet- als auch in Radioanzeigen zusätzliche
Strukturelemente finden.
Die linear vertexteten Coolibri-Anzeigen sind stark konventionalisiert, was auf die historische Entwicklung der Textsorte zurückzuführen ist: da sowohl der sprachökonomische
Druck als auch die Grundfunktionen gleichgeblieben sind, konnten sich bestimmte Textstrategien herausentwickeln.
In den Liebesalarm-Anzeigen nimmt das Foto eine zentrale Stellung im Gesamttext ein.
Die schriftlich realisierten Textteile zerfallen in viele in sich kohärente Einzeltexte, die
mit dem Bild, aber auch untereinander ein Netzwerk aus semantischen Beziehungen eingehen und auf diese Weise den Gesamttext konstituieren.
Im Hörfunk werden zwei verschiedene Anzeigenarten gesendet, die entweder als Moderatorentext oder Interview realisiert werden. Diese müssen im Gegensatz zu den Texten aus
den anderen beiden Medien mit gesprochener Sprache geäußert werden, was zum Beispiel
unter einem radiotypischen Zeitdruck geschieht. Um Zeit zu sparen, gehen die einzelnen
Anzeigen eines Blocks deshalb ineinander über und sind sprachlich verbunden.
Metaphern lassen sich in allen drei Medien feststellen, doch gibt es auch hier medial bedingte Unterschiede im Gebrauch.
44
Im Coolibri werden Metaphern dazu verwendet, um einzelne konventionalisierte Strukturelemente auf kreative Weise zu füllen. Dazu können – wie in dem analysierten Beispieltext – mediale Ausgangsdomänen benutzt werden. Die so entstehenden Metaphern
weisen einen hohen Ikonizitätsgehalt auf.
Die Mitgliedsnamen im Liebesalarm weisen gehäuft Metaphern auf. Diese sind von einem medialen Zwang zur Sprachökonomie und von einem Zwang zu sprachlicher Kreativität geprägt. Diese führen zu orthographischen Besonderheiten, welche die Motiviertheit
der Metaphern wieder stärker in das Bewusstsein rücken.
Der Titel der Hörfunksendung, Hin und Weg, weist mehrere metaphorische und nichtmetaphorische Bedeutungsanteile auf; die in das Medium übernommene tote Metapher
wird somit polysem. Je nach Kontext kann der ikonische Aspekt auch fast vollständig in
den Hintergrund gedrängt werden. Diese Prozesse finden nur innerhalb des Mediums
statt, die Alltagsmetapher wird nicht beeinflusst.
Die Kommunikationssituation weist in den drei behandelten Medien sowohl Unterschiede
als auch Gemeinsamkeiten auf.
Gemeinsam ist ihnen zunächst der Umstand, dass persönliche Angaben in verschiedenem
Maße über ein Medium einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müssen,
damit die Selektionsfunktion der Texte erfüllt werden kann.
Der Emittent selbst kann im Coolibri anonym bleiben, was wegen der Schriftlichkeit des
Mediums ermöglicht wird; nur der Text steht in der Öffentlichkeit. Auch wenn der Anzeigenschreiber nur oberflächliche Angaben zu seiner Person macht, ist implizit über die
Rubrikenüberschrift immer die persönliche Information enthalten, dass der Inserent auf
Partnersuche ist.
Die Internetanzeigen bieten die besondere Situation, dass der Rezipient das Medium nicht
verlassen muss, um mit dem Inserenten Kontakt aufzunehmen; dies kann wechselseitig
und beliebig wiederholbar stattfinden. Zudem sind die Rezipienten auch immer gleichzeitig Emittenten, da nur registrierte Mitglieder Zugriff auf die Anzeigen haben. Im Liebesalarm muss der Anzeigenschreiber seine Anonymität aufgrund des Fotos aufgeben; entgegenwirken kann der Kontaktsuchende diesem Umstand mit visuellen Darstellungsmitteln, aber auch mit sprachlichen Mitteln wie im Coolibri.
Im Hörfunk sind die Moderatorentexte besonders anonym, da der Suchende seinen Text
nicht selbst formuliert. Die Interviews hingegen erlauben einen solchen Schutz nicht, der
Kontaktsuchende ist zeitgleich mit dem Rezipienten anwesend und muss seinen Text
spontan mündlich äußern. Hier wird deshalb auf ebenso in den Printmedien verwendete
45
inhaltsleere Lexeme zurückgegriffen; das vorhandene Textsortenwissen fließt somit an
dieser Stelle ein.
Abschließend lässt sich feststellen, dass einerseits Gemeinsamkeiten – beispielsweise
hinsichtlich des Inhalts – in den Anzeigen aus den drei verschiedenen Medien vorhanden
sind, die auf die gemeinsamen Textfunktionen und die damit verbundene Zugehörigkeit
zu derselben Textsorte zurückzuführen sind. Andererseits existieren aber auch fundamentale Unterschiede, die aufgrund medialer Eigenschaften erklärbar sind. Eine Textsorte, die
in verschiedenen Medien auftaucht, durchläuft demzufolge zahlreiche Modifikationen,
ohne dass die gemeinsame Basis dabei verloren geht. Dies zeigt, dass die Beschäftigung
mit den jeweiligen medialen Bedingungen unerlässlich ist, um sprachliche Phänomene in
Kontaktanzeigen adäquat analysieren zu können.
46
8. Literaturverzeichnis
Brinker, Klaus: Textfunktionale Analyse. In: Antos, Gerd u. a.: Text- und Gesprächslinguistik. 1. Halbband (HSK 16.1). de Gruyter, Berlin/New York 2000, S. 175-186
Burger, Harald: Das Gespräch in den Massenmedien. de Gruyter, Berlin/New York 1991
Eckkrammer, Eva Martha: Ich suche Dich: Ergebnisse eines Pilotprojekts zur Kontaktanzeige in Romania und Germania. In: Eckkrammer, Eva Martha/Hödl, Nicola/Pöckl,
Wolfgang: Kontrastive Textologie. Edition Praesens, Wien 1999, S. 131-175
Eckkrammer, Eva Martha/Eder, Hildegund Maria: (Cyber)Diskurs zwischen Konvention
und Revolution. Eine multilinguale textlinguistische Analyse von Gebrauchstextsorten im realen und virtuellen Raum. Frankfurt/M. u.a.: Lang 2000
Günther, Hartmut: Sprechen hören – Schrift lesen – Medien erleben. Wie man es macht,
wie man es lernt, und wie man es lehrt. In: Kallmeyer, Werner (Hg. ): Sprache und
neue Medien. Institut für deutsche Sprache, Jahrbuch 1999. de Gruyter, Berlin/New
York 2000, S. 89-104
Kaupp, Peter: Das Heiratsinserat im sozialen Wandel. Ein Beitrag zur Soziologie der
Partnerwahl. Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart 1968
Kluge, Friedrich/Seebold, Elmar (Bearb.): Etymologisches Wörterbuch der deutschen
Sprache. 22. Aufl. de Gruyter, Berlin/New York 1989
Nöth, Winfried: Handbuch der Semiotik. 2. Aufl. Metzler Stuttgart, Weimar 2000
Riemann, Viola: Kontaktanzeigen im Wandel der Zeit. Eine Inhaltsanalyse. Westdeutscher Verlag, Opladen/Wiesbaden 1999
Sager, Sven F.: Hypertext und Hypermedia. In: Antos, Gerd u. a.: Text- und Gesprächslinguistik. 1. Halbband (HSK 16.1). de Gruyter, Berlin/New York 2000, S. 587-603
Sommerfeldt, Karl-Ernst: Zur Gestaltung von Kontaktanzeigen in verschiedenen Printmedien. In: Pohl, Inge (Hg.): Semantische Aspekte öffentlicher Kommunikation.
Lang, Frankfurt/M u. a. 2002, S. 329-350
Stolt, Birgit (1976): "Hier bin ich - wo bist Du?" Heiratsanzeigen und ihr Echo, analysiert
aus sprachlicher und stilistischer Sicht. Mit einer soziologischen Untersuchung von
Jan Trost. Kronberg/Ts.: Scriptor.
47
9. Quellenverzeichnis
1. Coolibri Ruhrgebiet. Roland Scherer Verlag, Bochum 10/2002
2. WDR Eins Live Hin und Weg. Sendung vom 30.11.2002, 16-20 Uhr
3. WDR Eins Live Hin und Weg. Sendung vom 7.12.2002, 16-20 Uhr
4. WDR Eins Live Liebesalarm: www.liebesalarm.de. Datum der Recherche: 30.11.2002
Gutaussehende Frau (38/R)
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Swingbeat, TripHop
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Gesellschaftsspiele, Kanu, Kart, Radfahren, Sauna, Schwimmen, Snowboarden,
Tauchen, Wasserski
Reiseziele:
Belgien, Dominikanische Republik, Frankreich, Großbritannien, Hongkong, Italien,
Jamaika, Japan, Luxemburg, Neuseeland, Niederlande, Polen, Schweiz, Spanien,
Thailand, Türkei, Vereinigte Staaten, Österreich
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Engel gesucht !
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genießen; spontane Aktionen; Individualismus; Sternenhimmel;
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Faschismus; den oft respektlosen Umgang mit der Natur;
08/15-Sex und falsche Freunde.
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Mein Traumtyp: Traumfrau? Nun ja...
Sie sollte nicht viel grösser sein als ich, lieber klein und zierlich,
denn ich bin nicht gerade dick...
...ein süsses Gesicht sollte sie haben.
Meine Traumfrau kann mich verstehen, ist für mich da und stärkt mir den Rücken.
Ich kann mit ihr reden und schweigen. Sie liebt es, wenn wir uns stundenlang
gegenseitig streicheln. Auf der anderen Seite sind spontane Aktion vieler Art nicht
auszuschliessen...
Ich muß einfach alles mit Ihr machen können (und Sie mit mir).
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Mädels, welche glauben, dass sie das beste und
Schönst wären, was die Welt je gesehen hätte und
ein paar kleinere Sachen auch noch.....
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Mein Traumtyp: Traumtyp? Kann ich hier jetzt garnich sagen, da ich keinen speziellen "Traumtyp"
habe! Glaube aber auch nicht (wie viele andere auch!), dass man im Internet seine/n
Partner/in finden kann!
Freue mich aber dennoch auf Post :o)))!
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Verpflichtungen
Nörgeln
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scmusekater sucht schmusekatze
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alles was fun bringt, romantische stunden auf meinem sofa
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putzfimmel, unteue, unpünklich sein
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aussehen unwichtig!!!! charackter ist was zählt!!!!!
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Lebe und hab Spass!!!
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Mein Traumtyp: Tja, was soll man denn hier schreiben?? Persönlich kann man doch viel mehr
erfahren!!!
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Traumtyp ist schwer zu benennen... Aber ich kann
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Extremrichtungen aufwarten: Auf der einen Seite
steht da der aalglatte, in Haargel und Parfüm
gebadete, von der Höhensonne schon total
verkokelte, sich für unwiderstehlich haltende, am
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little taste? watch out!
hmmm, auf jeden fall witzisch! immer bereit für
schabernack und aufgeschlossen anderen
menschen gegenüber. nicht selbstverliebt.
zielsicher und selbstbewusst, kreativ und spontan,
am besten größer als ich (also ab 180cm) und älter
als ich. er sollte schon ein bißchen gut mehr ...
37 Gründe... (mehr Platz war nicht)
! Ich werde mich bei Schnee und Eis in den Garten
stellen und Deine Hecke schneiden! Ich werde mir
die Brust rasieren, wenn Du das willst! Ich werde
bis nach Italien fahren, wenn Du frisches Eis
möchtest! Ich werde mich auf der Toilette
hinsetzen! Ich werde mich für Dich freuen mehr ...
Jemand, der gut zuhören kann
groß, schlank, braune Haare, jemand der gut
zuhören kann, aufgeschlossen ist und die gleichen
Hobbies hat mehr ...
if Ur heart listens, spirit understands
sollte schlank und schlagfertig sein, Charisma
haben& das etwas was man eben nicht erklären
kann,wenn sie Lust auf Partys im Raum Ddorf/Köln/
Wu-Tal hat, wäre es perfekt :-) I have a message
for you, not a message for your ears, your heart
must listen and your spirit will know the mehr ...
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THOR 42j (männlich)
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09.11.02
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Größe:
176 cm
Sternzeichen:
Krebs
Musik:
Alternative, Drum & Bass / Jungle, Groove, House, Jazz, Klassik, Reggae
Sport:
Mountainbiking, Sauna, Snowboarden, Wandern
Reiseziele:
Italien, Kanada, Norwegen
Kurztext:
freue mich über mails (meistens)
Ich mag:
viele Dinge, die das Leben interessant und aufregend machen....
Ich hasse:
nicht viel/ e aber wenn, dann...
Mein Traumtyp:
gibt es nur einen????
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entscheide ich , wenn ich
sie sehe
mit ihr rede
mit ihr lache.
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VogelBaere 17j (weiblich)
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30.11.02 18:11 Uhr
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Eintrag: 27.11.02
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Land:
Deutschland
PLZ:
DE-59
Größe:
175 cm
Gewicht: 62 kg
Sternzeichen:
Löwe
Musik:
Alternative, Blackmusic, HipHop / Rap, Reggae, Rock, Soul, Spiritual / Gospel
Sport:
Snowboarden
Reiseziele:
Australien, Bahamas, Costa Rica, Dominikanische Republik, Italien, Kanada, Kuba,
Mexiko, Neuseeland, Niederlande, Philippinen, Schweiz, Spanien, Südafrika,
Vereinigte Staaten, Österreich
Kurztext:
hallü!
Ich mag:
...Sommer,Sonne,Strand,Musik,nette Leute,Party und kurz gesagt, alles was Spaß
macht...;o)
Kreativität und Sponntanität
Ich hasse:
Langeweile,Regenwetter,Leute die meinen sie wären unwiderstehlich und noch ein
bisschen mehr...
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Mein Traumtyp: ...wenn ich länger drüber nachdenke ,finde ich ist die
Frage nach dem Traumtypen gar nicht so einfach...es gibt so viele unterschiedliche
Menschen,die auf ihre Weise interessant sind...das einzige was ich weiß ist,dass er
spontan,kreativ,vielleicht ein bisschen alternativ und ausgeflippt sein sollte...
ansonten setz ich die Sachen vorraus,die wahrscheinlich die meisten von euch auch
für wichtig halten...ehrlich,lieb,nett...etc.
Ach ja und eins noch:Man sollte mit ihm Spaß haben können und er sollte gut
küssen ...
Aber irgendwie sind das alles Dinge,die im Auge des Betrachters liegen und deswegen
würd ich sagen:Probiert es doch einfach aus!;o)
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