Zerstörungsfreie Prüfverfahren für Langprodukte — aktueller Stand
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Zerstörungsfreie Prüfverfahren für Langprodukte — aktueller Stand
Internet-PDF aus „stahl und eisen“ 131 (2011), Heft 8, Seiten 73 - 82 © 2011, Verlag Stahleisen GmbH, Düsseldorf Werkstoff und Fertigung Zerstörungsfreie Prüfverfahren für Langprodukte — aktueller Stand Non-destructive testing of steel long products — current status Axel Stüber, Martin Waltner, Bernd Bäcker, Hilmar Jung, Herbert Schifferl und Ingo Steller Die Oberflächengüte von Stabstahl und Walzdraht hat einen wesentlichen Einfluss auf die Qualität der Endprodukte wie beispielsweise Gesenkschmiedestücke, Kaltmassivumformteile und Schrauben. Mit Blick auf die steigenden Anforderungen der Anwender wurden die heutigen Möglichkeiten und Grenzen der Inlineprüfung auf Oberflächenund Innenanzeigen ermittelt. Dieser Bericht ist das Ergebnis einer Gemeinschaftsarbeit im Werkstoffausschuss des Stahlinstituts VDEh, Fachausschuss für legierte Baustähle. The surface quality of steel bar and wire rod has a considerable influence on the quality of the final products, e. g. closed die forgings, cold forgings and bolts. With respect to the increasing customer requirements the current potentials and limits of in-line testing for surface and internal discontinuities have been determined. This report is the result of joint work within the Materials Committee of the German Steel Institute VDEh, technical committee for alloyed structural steels. L angprodukte aus legierten Baustählen — Stabstahl und Draht — werden zu einem großen Teil als Vormaterial für die Herstellung anspruchsvoller Bauteile für die Automobilindustrie verwendet. Hierzu zählen Common-Rail-Injektoren und Verteilerleisten, Fahrwerkskomponenten, Teile des Antriebsstranges, aber auch Wälzlager und hochfeste Schrauben, um nur einige zu nennen. Die immer leichter konstruierten Bauteile werden zugleich immer höher belastet. Dabei werden die Werkstoffe häufig bis an ihre Grenzen ausgenutzt. Im Extremfall können bereits kleinste, fertigungstechnisch kaum vermeidbare Fehlstellen im Stahl zum Ausfall einzelner Bauteile führen. Vielfach treten diese Ungänzen erst bei der Fertigung der Bauteile in Erscheinung, was oft zum Anlass genommen wird, ganze Lieferungen zu reklamieren. Die Stahlhersteller setzen modernste Fertigungstechnik ein und sorgen für technisch konstante Produktionsbedingungen. Die wesentlichen Prozessparameter werden in der Regel mithilfe von Automatisierungssystemen eingestellt, überwacht und geregelt. Bei Abweichungen von den gesetzten Vorgaben werden automatisch oder manuell Maßnahmen ergriffen. Die entsprechenden Chargen werden gekennzeichnet und anschließend einer eingehenderen Überprüfung unterzogen. Dennoch entstehen auch bei optimaler metallurgischer Arbeit kleinste nichtmetallische Einschlüsse, die jedoch am Vormaterial mit der eingesetzten, mo- stahl und eisen 131 (2011) Nr. 8 Auf modernen Anlagen werden Langprodukte als Vormaterial für die Herstellung anspruchsvoller Bauteile für die Automobilindustrie hergestellt State-of-the-art long product plants produce material for the production of advanced parts for the automotive industry Foto: böhler Technik + Trends Werkstoff und Fertigung dernen Inlineprüftechnik kaum erkannt werden können. (Unter Onlineprüftechnik versteht man eine Prüfung beispielsweise im Walzprozess, unter Inlineprüftechnik versteht man eine Prüfung auf automatisierten Prüf linien.) Nur durch Sonderuntersuchungen und zerstörende Prüfungen können Aussagen hinsichtlich des Qualitätsstandes gemacht werden. Es handelt sich dabei um statistisch durchgeführte Prüfungen, deren Aussagekraft begrenzt ist. Der Stahlhersteller entscheidet dann, ob die Charge freigegeben werden kann. Eventuell ist eine Nacharbeit möglich. Im ungünstigsten Fall muss die betroffene Charge verworfen werden. Viele Stahlanwender fordern wegen der bekannten negativen Auswirkungen von Einschlüssen einen hohen Reinheitsgrad des Stahls. Für besondere Reinheitsanforderungen müssen aufwendigere Prozesse wie das Elektro-Schlacke-Umschmelzverfahren (ESU) gewählt werden. Es ist jedoch ein Irrtum, anzunehmen, dass ein solches Material einschlussfrei ist. In einschlägigen Normen wie z. B. DIN EN 10221 sind Qualitätsklassen definiert, denen maximal zulässige Ungänzen zugeordnet sind. Hierbei ist es von großer Bedeutung, die Qualitätsklasse entsprechend der späteren Anwendung auszuwählen. Die Wahl einer höheren Qualitätsklasse führt nicht zwingend zu einer weiteren Absenkung der Fehlerquote beim Stahlanwender. Aufgrund des eventuell höheren Prüfaufwandes und des höheren Ausschussanteils steigen dann lediglich die Fertigungskosten und somit die Materialpreise, da das beim Stahlhersteller verschrottete Material noch problemlos beim Stahlanwender hätte verarbeitet werden können. Ein vollständiger Ausschluss von Ungänzen im Vormaterial ist mit der heutigen Prüftechnik aus physikalischen Gründen und den gegebenen wirtschaftlichen Randbedingungen nicht erreichbar. Diese Gründe werden nachfolgend für die einzelnen Prüfverfahren erläutert. Das Ziel dieser Veröffentlichung ist es, die heutigen Möglichkeiten und Grenzen der Inline-Prüfung auf Oberflächen- und Innenanzeigen darzustellen. Stichprobenartige Prüfverfahren wie beispielsweise die Ultraschall-Tauchtechnik-Prüfung nach SEP 1927, die ebenfalls ihre Berechtigung haben, stehen daher nicht im Mittelpunkt dieser Betrachtung. Klassifizierung von Ungänzen und Konsequenzen Beim Auftreten von Ungänzen sind drei verschiedene Szenarien möglich: Ungänzen, die außerhalb einer vereinbarten Spezifikation liegen. Vormaterial mit solchen Ungänzen wird generell aussortiert bzw. nachgearbei- tet. Jedoch kann es in Einzelfällen vorkommen, dass solche Ungänzen unerkannt bis zum Verarbeiter gelangen. Dieser muss dann aufgrund seiner Verantwortung sicherstellen, dass die betroffenen Bauteile aussortiert werden. Manche Ungänzen lassen sich noch nachträglich entfernen, sofern dies von dem Verarbeitungsverfahren bzw. vom konkreten Bauteil toleriert werden kann. Dies wird in der Regel zwischen Stahlhersteller und -verarbeiter bzw. -anwender vereinbart. Ist dies nicht möglich, kann das fehlerhafte Vormaterial zurückgewiesen werden. Ungänzen, die innerhalb einer vereinbarten Spezifikation liegen. Damit sollte der Anwender im Regelfall auskommen können, denn die Spezifikation wurde zuvor mit dem Stahlhersteller vereinbart. Bei veränderten Rahmenbedingungen – beispielsweise einer verlängerten Garantiezeit des Endprodukts – müssten die Größen der Ungänzen ggf. im Hinblick auf die geänderte Produktlebensdauer neu bewertet werden, um vorzeitige Ausfälle zu vermeiden. Eine Zurückweisung des betroffenen Vormaterials ist nicht berechtigt, da die vereinbarte Spezifikation einwandfrei erfüllt wurde. Ungänzen, die nicht nachweisbar sind. Manche Ungänzen können selbst mit den besten heutigen zerstörungsfreien Inlineprüfverfahren nicht nachgewiesen werden. Ihre Existenz lässt sich entweder gar nicht oder nur mithilfe stichprobenartig angewendeter, zerstörender Prüfverfahren wie z. B. Kalt- und Warmstauchversuch, Stufendrehprobe, Metallografie, Rasterelektronenmikroskopie belegen. Manche Ungänzen, wie etwa kleinste mikroskopische Einschlüsse, Seigerungen, Mikroporositäten etc., haben in aller Regel keinen signifikanten Einfluss auf die Produktlebensdauer. Auch wenn es gelingt, durch konsequente Weiterentwicklung der heutigen Prüfverfahren deren Empfindlichkeit zu erhöhen, wird es auch weiterhin nicht nachweisbare „Restfehler“ der letztgenannten Kategorie geben. Charakteristika von Oberflächen- und Innenungänzen Die folgenden prinzipiellen Arten von Ungänzen können an Stabstahl und Walzdraht auftreten. Sie lassen sich anhand ihres Aussehens und ihrer Ausdehnung charakterisieren und zeichnen sich durch ein charakteristisches Abstrahlverhalten aus. Eine Beschreibung der wichtigsten Fehlerarten einschließlich deren Entstehungsursachen wird im Fehlerkatalog für Walzdrahtfehler gegeben. Die wichtigsten Arten oberflächennaher Ungänzen sind: stahl und eisen 131 (2011) Nr. 8 Oberflächenrisse entstehen überwiegend in der Stranggießanlage, und zwar während der Strangschalenbildung in der Kokille und der nachfolgenden Strangführung sowie im kritischen Bereich der Strangrückbiegung. Durch eine inhomogene Verteilung bzw. ungleichmäßiges Einziehen des aufschmelzenden Gießpulvers können lokal unterschiedliche Abkühlbedingungen bei der Strangschalenbildung entstehen. Die daraus resultierenden thermischen Spannungen können von der soeben gebildeten Strangschale nicht aufgenommen werden. Je nach weiterer Belastung und Umgebungsatmosphäre können diese offenen Oberflächenrisse wieder zusammengedrückt und ganz oder teilweise verschweißt werden. (Arten: Kurzrisse, Längsrisse, Querrisse). Auch das Rückbiegen in Bogenstranggießanlagen kann für manche Werkstoffe kritisch sein. Überwalzungen entstehen im Walzwerk, wenn der Stahl bei der Umformung nicht wie erforderlich gestreckt wird, sodass das Kaliber überfüllt wird und im nachfolgenden Stich das ausgetretene Material einseitig oder sogar beidseitig umgelegt und eingewalzt wird. Mögliche Ursachen sind eine ungünstige, inhomogene Temperaturverteilung oder Ungenauigkeiten in der Führung der Walzader. Schalen, Splitter. Die Schalenbildung ist eine schwache Überwalzung, die in den nachfolgenden Umformschritten immer flacher ausgewalzt wird. Grund für Schalen und Splitter sind in der Regel Bereiche, in denen ein ungenügendes Verformungsvermögen vorliegt und die nachfolgend punktuell aufreißen. Mechanische Beschädigungen Außerdem unterscheidet man die folgenden Arten von innen liegenden Ungänzen, wie z. B. Riefen, Kratzer etc. Nichtmetallische Einschlüsse wie Oxide und Sulfide entstehen bei der metallurgischen Arbeit in der Stahlschmelze. Die wesentliche Ursache für die Bildung von Oxiden ist die Legierung der Stähle mit Aluminium, das z. B. zum Erreichen der Feinkornbeständigkeit benötigt wird. Durch den erforderlichen Aluminiumgehalt ergibt sich ein sehr niedriges Sauerstoffpotenzial in der Schmelze. Weniger stabile Oxide, die sich im Feuerfestmaterial befinden können, werden dann reduziert und bilden Aluminiumoxide. Es gibt noch weitere Gründe für die Bildung von nichtmetallischen Einschlüssen, die hier nicht aufgezeigt werden. stahl und eisen 131 (2011) Nr. 8 Dies zeigt, dass ein hoher Aufwand zum Schutz der Stahlschmelze vor Sauerstoffzutritt getrieben werden muss. Aufgrund ihrer andersartigen Zusammensetzung, Kristallstruktur und sonstiger physikalischer Eigenschaften reflektieren die Einschlüsse die Ultraschallwellen. Die Einschlussarten (Oxide, Sulfide, etc.) unterscheiden sich in ihrem Reflexionsverhalten, ihre Nachweisbarkeit hängt neben der Orientierung zum Ultraschall jeweils von ihrer Größe und dem mehr oder weniger innigen Kontakt zur Matrix ab. Aufgrund ihrer guten Verformbarkeit bei höheren Temperaturen besitzen die Mangansulfide einen sehr guten Kontakt zur Matrix und sind deswegen mittels Ultraschall nur schwer zu detektieren. Bei Lunkern und Porositäten handelt es sich um Hohlräume, die während der Erstarrung entstehen und auch beim nachfolgenden Walzen nicht vollständig geschlossen werden. Für gewöhnlich lassen sich diese Ungänzen durch Ultraschallprüfung sehr gut finden. Prüfverfahren für gegossenes Halbzeug Die Prüfung von gegossenem Halbzeug (Rohstrang) bezieht sich im Folgenden nur auf Knüppelstrangguss. Sie ist nicht auf großformatigen Vorblockstrangguss übertragbar, der fertigungsbedingt eine gröbere Oberflächenstruktur aufweist, die erst in den nachfolgenden Umformschritten vergleichmäßigt wird. Aussagen über Seigerungen, Einschlüsse, Kernfehler und Innenrisse können nur anhand von Stichprobenuntersuchungen an Strangabschnitten gewonnen werden, da eine Ultraschallprüfung auf innere Ungänzen aufgrund der groben Gussstruktur und der Oberflächenbeschaffenheit nicht sinnvoll durchführbar ist. Schwefelabdrücke und Beizscheiben sind übliche Verfahren der Prüfung auf Seigerungen, Kernfehler und Innenrisse. Blaubruchprüfung, Stufendrehproben und Ultraschall-Tauchtechnik-Prüfungen nach SEP 1927 an speziell umgeformten Proben dienen der Beschreibung der Gehalte an nichtmetallischen Einschlüssen [1]. Eine Überprüfung auf Oberf lächenungänzen kann mittels Magnetpulverprüfung (nass / trocken) durchgeführt werden. Allerdings ist die hier erreichbare Prüfempfindlichkeit aufgrund der rauen Oberfläche und der Oszillationsmarken nicht annähernd mit derjenigen beim umgeformten Material vergleichbar. Oberflächenprüfverfahren für Stabstahl Nachfolgend werden die verschiedenen Prüfverfahren einschließlich ihrer physikalischen Grundlagen beschrieben. Technik + Trends Werkstoff und Fertigung Wirbelstromprüfung. Bei der Wirbelstromprüfung wird die Oberf läche des zu prüfenden Materials einem elektromagnetischen Wechselfeld ausgesetzt, Bild 1 . Hier spielt die elektrische Leitfähigkeit des Werkstoffs eine große Rolle. Das Wechselfeld erzeugt eine elektrische Spannung, sodass in der Oberfläche des Materials ringförmige Wirbelströme entstehen. Diese erzeugen magnetische Wechselfelder, die ihrerseits elektrische Spannungen in einer Messspule erzeugen. Diese Spannungen werden gemessen und elektronisch verarbeitet. Treffen die oberf lächennahen Wirbelströme auf ein Hindernis, etwa eine Oberflächenungänze, so werden sie abgelenkt. Diese Ablenkung sorgt für eine höhere Spannung in der Messspule und wird entsprechend als über dem Rauschen und der Fehlerschwelle liegende Anzeige registriert. Die Eindringtiefe der Wirbelströme hängt von der Frequenz des angelegten Wechselfeldes und den elektromagnetischen Eigenschaften des zu prüfenden Werkstoffes ab. Üblicherweise werden Prüffrequenzen zwischen 30 kHz und 3 MHz eingesetzt. Neben ferromagnetischen Werkstoffen können auch nichtmagnetische austenitische Stähle geprüft 1 Prinzip der Wirbelstromprüfung mittels einer Durchlaufspule Scheme of eddy current testing with a concentric coil Bild: Institut Dr. Förster 2 Signal einer längs orientierten Ungänze in einer Durchlaufspulenprüfung Signal of a longitudinally oriented discontinuity obtained by concentric coil testing technique Bild: Institut Dr. Förster werden. Allerdings werden die Prüffrequenzen entsprechend der unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften gewählt. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten zur Wirbelstromprüfung: zum einen die Prüfung mittels Durchlaufspule und zum anderen die Prüfung mittels Sonden, die das Prüfgut umkreisen und eine Prüfhelix auf der Prüfgutoberfläche abdecken. Bei den rotierenden Wirbelstromsonden handelt es sich um ein berührungsfreies Prüfverfahren. Wegen der physikalischen Gegebenheiten verringert sich das Fehlersignal stark mit zunehmendem Sondenabstand. Aber auch eine Verringerung des Sondenabstandes muss ausgeglichen werden, um die Prüfschärfe nicht unnötig zu erhöhen. Deshalb muss über eine Abstandskompensation die Signalhöhe korrigiert werden. Damit kann sowohl der Einfluss einer nicht idealen Prüfgutposition relativ zu dem Mittelpunkt der Kreisbahn der Sonden als auch der Einfluss von Ovalitäten ausgeglichen werden. Zur Detektion quer orientierter Ungänzen werden Durchlaufspulen eingesetzt, weil der induzierte Wirbelstrom senkrecht zu dem erwarteten Fehlertyp strömt und daher ein maximales Signal erzeugt werden kann, Bild 2 . In der Kaltprüfung wird das Prüfgut zusätzlich aufmagnetisiert, um die Nachweisempfindlichkeit zu verbessern. Damit der Stahlanwender keine Verarbeitungsprobleme bei der Zerspanung bekommt, müssen die Stangen im Durchlauf wieder entmagnetisiert werden. Dabei ist zu beachten, dass die Entmagnetisierungszeit durchmesserabhängig ist. Das bedeutet, dass bei dickeren Abmessungen die Prüfgeschwindigkeit deutlich reduziert werden muss und somit die Kosten entsprechend steigen. Zum Auffinden längsorientierter Ungänzen werden rotierende Sonden eingesetzt. Die Prüfgerätehersteller arbeiten daran, die mechanisch rotierenden Sonden durch elektronisch rotierende Felder zu ersetzen. Bis jetzt zeigen jedoch die elektronisch rotierenden Verfahren deutliche Schwächen gegenüber den konventionellen Verfahren mit rotierenden Sonden. Bild 3 zeigt Anlagenteile einer Wirbelstromprüfanlage. Einen großen Einf luss hat die Oberf lächenbeschaffenheit des zu prüfenden Materials. Bei der Wirbelstromprüfung an warmgewalztem Material können Walzgrate, Abflachungen oder Zunderanhaftungen das Prüfergebnis beeinflussen. Bei walzgeschältem Material können kleinste mechanische Beschädigungen, z. B. Kratzer und Riefen, zum Aussortieren der geprüften Stäbe führen. Außerdem können durch den Schälprozess in der Oberfläche induzierte lokale Verfestigungen zu Unterschieden in der elektrischen Leitfähigkeit führen. Insbesondere sehr weiches Material kann davon betrof- stahl und eisen 131 (2011) Nr. 8 fen sein. Hier ist die Spanbildung grundsätzlich schlechter als bei mittleren oder hohen Festigkeiten. Dies zeigt sich nach der Schälmaschine durch eine rauere Oberfläche. Diese Spitzen werden im nachfolgenden Richtpolierprozess eingewalzt, und durch die Kaltumformung des Materials entstehen lokal begrenzte, starke Unterschiede in der Versetzungsdichte. Die Versetzungsdichte beeinflusst die elektrische Leitfähigkeit. In den seltensten Fällen ist die Helix, die durch die Schälmesser beschrieben wird, identisch mit derjenigen, die durch die Prüfsonden beschrieben wird. Dies führt zu einer deutlichen Erhöhung des Rauschpegels, sodass sehr niedrige Risstiefen nicht mehr geprüft werden können. Streuflussprüfung. Das Streuflussverfahren zur Prüfung auf oberflächennahe Risse arbeitet nach dem Prinzip der lokalen magnetischen Sättigung des Materials, Bild 4 . Durch Erzeugen eines mittelfrequenten Magnetfeldes im Bereich zwischen 3 000 und 12 000 Hz gelingt es unter Ausnutzung des Skineffektes, eine wenige Millimeter dicke Schicht des Stahls in die magnetische Sättigung zu bringen. Durch die magnetische Sättigung setzt der Stahl dem magnetischen Fluss einen Widerstand entgegen. An einem Riss oder einem Einschluss wird der magnetische Fluss aus der Materialoberfläche getrieben und kann durch die Magnetfeldsonden detektiert werden. Um die austretenden Magnetfeldlinien sicher detektieren zu können, müssen die Sonden auf der Materialoberfläche gleiten, Bild 5 . Aufgrund der umlaufenden Bewegung der Sonden können im Wesentlichen nur längsorientierte, nicht aber querorientierte Ungänzen, Ausbrüche oder gar Abplattungen gefunden werden. Mit diesem Verfahren können nur ferromagnetische Werkstoffe geprüft werden. Die Streuflussprüfung, Bild 6 , ist weniger störanfällig als das Wirbelstromverfahren und erfordert für niedrig legierte Stähle keine Berücksichtigung der chemischen Zusammensetzung. Die minimal detektierbare Länge ist von Sondenabstand und Sondenwirkbreite abhängig. Die höchste Verbreitung haben Sondenhebel mit Sondenabständen von 12,5 mm und Sondenwirkbreiten von 5 mm. Bei Geräten neuerer Generation können Sondenhebel mit geringeren Sondenabständen von 7,5 mm eingesetzt werden. Thermografie mit induktiver Anregung. Auch bei diesem Verfahren wird die Oberfläche des zu prüfenden Materials einem mittelfrequenten elektromagnetischen Wechselfeld ausgesetzt. Die induzierten Spannungen erzeugen stärkere Wir- stahl und eisen 131 (2011) Nr. 8 3 Wirbelstromprüfanlage Eddy current testing device Fotos: Institut Dr. Förster 4 Prinzip der Streuflussprüfung Scheme of flux leakage testing Bild: Institut Dr. Förster 5 Arbeitsweise des Verfahrens mit umlaufenden Sonden Testing method with rotating probes Bild: Institut Dr. Förster Technik + Trends Werkstoff und Fertigung belströme, die die Oberfläche des Prüfstückes deutlich erwärmen. An Rissen und oberflächennahen Einschlüssen kommt es dabei zu einem Wärmestau. Die Temperaturverteilung kann mit Infrarotthermokameras oder Infrarotscannern gemessen werden. Dabei ist die gemessene Temperaturdifferenz — innerhalb gewisser Grenzen — proportional zur Fehlertiefe. Für die sichere Detektion kommt es auf die Auflösung kleinster Temperaturunterschiede an. Die Durchlaufgeschwindigkeit wird aktuell noch von der Übertragungsrate der Thermokamera bzw. durch die Scangeschwindigkeit bestimmt; bei zu großer Geschwindigkeit verwischt unter Umständen das Bild, oder die Abstände zwischen den Scanspuren werden zu groß. Technisch sind noch weitere Verbesserungen der Datenverarbeitungsgeschwindigkeit möglich. Eigenstrahlung (Infrarotstrahlung). Hierbei handelt es sich um ein Online-Heißprüfverfahren nach Walzstraßen, z. B. für die Prüfung von umgewalzten Knüppeln oder großformatigerem Stabstahl unmittelbar nach dem Walzprozess und vor dem Kühlbett. Es arbeitet mit „Mono Linear Cameras“ unter Ausnutzung der Eigenstrahlung (Infrarotstrahlung) des Walzgutes. Beim Durchlauf des Knüppels durch die Prüfanlage werden alle vier Seiten jeweils von einer Kamera aufgenommen. Oberflächenbereiche, die eine höhere Eigenstrahlung emittieren (z. B. zunderfreie Risse), sind heller, solche mit geringerer Eigenstrahlung (z. B. Zunder) werden dunkler dargestellt. Anschließend werden jene Bildpunkte detektiert, die aufgrund unterschiedlicher Grausättigung Teil einer möglichen Oberflächenungänze sein könnten. Die Detektionsschwelle kann, abgestimmt auf das jeweilige Anforderungsprofil, eingestellt werden. Im nachfolgenden Klassifikationsprozess wird über unterschiedliche Algorithmen jeder detektier- ten Ungänze eine Vielzahl von Parametern zugeordnet. Die Klassifizierung erfolgt durch einen Parametervergleich mit den bereits in der Fehlerdatenbank abgespeicherten Fehlern. Anschließend erfolgt die Zuordnung des vorliegenden Fehlers zu der Fehlerkategorie (z. B. Flächenlängsriss, Kantenlängsriss, Querriss) mit der höchsten Übereinstimmung. Magnetpulverprüfung (Fluxen). Bei der Magnetpulverprüfung wird ebenfalls das Prinzip des Magnetstreuflusses genutzt, wobei zwischen Nass- und Trockenfluxen unterschieden wird. Beim Nassfluxen wird auf die gereinigte oder gestrahlte Oberfläche eine Suspension mit feinsten (im Mikrometerbereich) magnetisierbaren Partikeln aufgebracht, die mit einem Farbmittel umhüllt sind. Je nach Art der Farbmittel können diese unter Tageslicht (nicht fluoreszierend) oder UV- bzw. LEDLicht (f luoreszierend) sichtbar gemacht werden. Zur Fehlererkennung wird eine Magnetisierung in Längs- und/oder Querrichtung durchgeführt, sodass an einer Fehlstelle der magnetische Fluss austritt und sich die Magnetpartikel an dieser Stelle konzentrieren und eine „Raupe“ bilden. Diese Pulverraupen können dann von einem Prüfer oder einem Bildverarbeitungssystem erkannt und ausgewertet werden. Das Trockenf luxen basiert auf den gleichen Grundlagen. Diese Prüftechnik wird industriell bei Rund- oder Vierkantmaterialabmessungen oberhalb 50 mm eingesetzt. Dabei wird der Prüfling mit zwei Greifern durch eine Pulverkammer gefahren, in die das fluoreszierende Magnetpulver eingeblasen wird. Zur Prüfung auf Längsfehler wird der Prüfstrom durch die Greifer in den Knüppel eingeleitet (Selbstdurchflutung). Zur Prüfung auf Querfehler kann sich in der Pulverkammer eine stromdurchflossene Spule befinden, durch die der Prüfling gefahren wird. Danach wird in einer weiteren Kammer überschüssiges Pulver vom Knüppel abgeblasen, sodass 6 Streuflussprüfanlage Flux leakage testing device Foto: Institut Dr. Förster stahl und eisen 131 (2011) Nr. 8 nur die entstandenen Raupen auf dem Knüppel verbleiben. Diese werden dann entweder fixiert, sodass eine spätere visuelle Begutachtung durch einen Prüfer möglich ist, oder von einem Bildverarbeitungssystem erkannt und ausgewertet. Die Begutachtung von f luoreszierenden Magnetpulveranzeigen wurde in der bisherigen Praxis unter UV-Licht durchgeführt, dessen gesundheitsgefährdende Wirkung bekannt ist. Durch den Einsatz von LED-Leuchten und Betrachtung durch spezielle Filterbrillen lässt sich dieser Nachteil bei gleicher Prüfempfindlichkeit eliminieren. Gleichzeitig kann Prüfung unter Tageslicht durchgeführt werden, sodass eine Abdunkelung entfallen kann. Die Magnetpulverprüfung ist ein sehr empfindliches Verfahren, wobei das Nassfluxen aufgrund des feineren Magnetpulvers in der Suspension eine etwas höhere Prüfempfindlichkeit gestattet. Allerdings erlaubt das Verfahren keine direkten Rückschlüsse von Anzeigen auf die Tiefe der entsprechenden Ungänze. 7 Ultraschallprüfsystem für Draht Ultrasonic testing device for wire Foto: bfi-bt Prüfung von Blankstahl auf Oberflächenfehler. Die Prüfung von Blankstahl wird in dieser Veröffentlichung nicht behandelt. Stattdessen wird auf einschlägige Literatur [2; 3] verwiesen. Die Grundlagen und Standardverfahren zur Ultraschallprüfung von Stäben werden in der Veröffentlichung [2] ausführlich behandelt. Daher wird hier nicht auf diese eingegangen. Neben den Standardverfahren auf Basis des piezoelektrischen Effekts sind mittlerweile weitere Verfahren auf dem Markt. magneten (bei ferromagnetischen Materialien) oder einem induzierten Wirbelstrom (bei nicht magnetisierbaren Werkstoffen) zum Schwingen gebracht. Diese Schwingungen des Metallgitters sind so einstellbar, dass eine bestimmte Ultraschallschwingung erzeugt und empfangen werden kann. Erste Anlagen für Standardanwendungen mit Senkrechteinschallung sind im industriellen Einsatz. Hiermit kann allerdings der Randbereich nicht geprüft werden. Für höchste Anforderungen ist die Prüfempfindlichkeit allerdings noch nicht ausreichend. EMAT-Verfahren. Dieses Prüfverfahren bietet eine interessante Perspektive, da es ohne Wasserankopplung auskommt. Jedoch führen die benötigten starken Magnetfelder zur Ansammlung von Zunderpartikeln oder sonstigem Abrieb mit negativen Folgen für die Prüfempfindlichkeit. Für hohe Durchlaufgeschwindigkeiten, z. B. bei der Drahtprüfung bei der Weiterverarbeitung, werden zunehmend elektromagnetische Ultraschallwandler (EMAT) zur Erzeugung des Ultraschalls eingesetzt. Dies ist nur in elektrisch sehr gut leitfähigen Werkstoffen möglich und basiert auf dem Lorenz-Effekt, dem Magnetostriktionseffekt und dem Magnetisierungseffekt. Die beiden Ersteren treten nur in ferromagnetischen Materialien auf, können also bei der Prüfung im heißen Zustand und der Prüfung nichtmagnetisierbarer Materialien nicht genutzt werden. Der Lorenz-Effekt hingegen wirkt bei allen elektrisch leitenden Materialien. Das Metallgitter im Prüfobjekt wird mit einem Permanent- Fidus. Das kommerzielle Prüfsystem Fidus (Fehler-Identifikation an Drähten und Stäben mit Ultraschall), Bild 7 , wurde am VDEh-Betriebsforschungsinstitut (BFI) entwickelt, um Fehler an kalten (für Stahl: bis ca. 700 °C) Drähten, Stäben und Profilen im Durchmesserbereich bis etwa 20 mm zu detektieren. Das Verfahren bietet die Möglichkeit, das Material online, berührungslos (ohne Koppelmittel) und verschleißfrei mit geführten Ultraschallwellen auf Innen- und Oberflächenfehler zu prüfen. Als Prüf köpfe werden elektrodynamische Ultraschallwandler in Form von Durchlaufspulen in Phased-Array-Technik verwendet, mit denen Stabwellen nach dem Impuls-Echo-Verfahren erzeugt und empfangen werden. Die Ausbreitung der Ultraschallwellen ist axial gerichtet; hierdurch ist eine 100%ige Prüfung des Drahtvolumens möglich. Das Material kann als Stab oder Draht mit Schallgeschwindigkeit geprüft werden. Ultraschallprüfung auf Innenfehler stahl und eisen 131 (2011) Nr. 8 Technik + Trends Werkstoff und Fertigung Justierung von Prüfanlagen Um die Prüfanlage möglichst genau auf die nachzuweisenden Arten von Ungänzen einzustellen, muss die Prüfanlage justiert werden. Hierzu kann ein Stab mit natürlichen Fehlern verwendet werden. Allerdings ist die Größe dieses Fehlers in der Regel nicht bekannt. Besser geeignet ist deshalb ein Stab mit künstlichen Fehlstellen, da diese definiert eingebracht werden können. Justierkörper mit künstlichen Oberflächenfehlern. Der Justierkörper enthält künstliche Fehlstellen (Justierfehler) bekannter Ausdehnung (Länge, Breite, Tiefe), die durch Sägen, Fräsen, Bohren oder Erodieren eingebracht werden. Beispielsweise werden an Stabstahl Längsnuten mit Tiefen ab 200 μm — abhängig vom Durchmesser des Vormaterials — eingebracht. Ausgehend von den Justierfehlern wird die Grenzfehlertiefe über eine entsprechende Schwellensetzung nach Kundenanforderung realisiert. Ungänzen mit einer Signalamplitude, die die Signalamplitude dieses Grenzwerts überschreiten, führen zu einer Aussonderung des betreffenden Stabes. Von natürlichen Ungänzen, z. B. Rissen, unterscheiden sich die künstlichen Fehlstellen hinsichtlich ihres Aussehens und ihrer Abstrahlcharakteristik. Dies bedeutet, dass ein natürlicher Fehler mit einer Tiefe, die diejenige eines künstlichen Fehlers überschreitet, nicht zwangsläufig ausgesondert wird, da aufgrund der Abstrahlcharakteristik die Grenzfehlertiefe nicht erreicht wird. Justierkörper mit künstlichen Innenfehlern für die US-Prüfung. Der Justierkörper enthält künstliche Fehlstellen in Form von Flachbodenbohrungen senkrecht zur Längsachse oder Axialbohrungen parallel zur Längsachse. Flachbodenbohrungen haben einen exakt ebenen, kreisförmigen Boden, der als Reflexionsfläche für den Ultraschall dient (sogenannter Kreisscheibenreflektor, KSR). Unterschiedliche Reflektorgrößen werden durch Flachbodenbohrungen unterschiedlicher Durchmesser dargestellt. Beispielsweise bedeutet KSR 1,0 mm, dass die entsprechende Flachbodenbohrung einen Durchmesser von 1,0 mm hat. Einflussgrößen auf das Prüfergebnis Um ein optimales Prüfergebnis zu erhalten, sind verschiedene Randbedingungen zu beachten. Die wichtigsten Einflussgrößen auf das Prüfergebnis sind nachfolgend erläutert. Einfluss der Prüfgeschwindigkeit. Die Prüfung von unbewegtem Material stellt kaum ein Problem dar, doch im praktischen Betrieb wird das zu prüfende Material mit teilweise beträchtlichen Geschwindigkeiten bewegt. An Prüflinien sind Durchlaufgeschwindigkeiten von 1 bis 2 m/s Standard. Bei Prüfungen im Walzprozess können bis zu 100 m/s erreicht werden. Dies bedeutet, dass die Prüfverfahren eine hinreichende Abtastgeschwindigkeit haben müssen, um eine reproduzierbar nachzuweisende Grenzfehlerlänge nicht über alle sinnvollen Grenzen hinweg anwachsen zu lassen. Geometrieeinfluss. Entscheidend für die Nachweisbarkeit von Ungänzen sind die Art des zu prüfenden Materials (rund, vierkant) und seine Abmessungen. Bei der Ultraschallprüfung wird in der standardmäßigen Prüfung nur ein Teil des Volumens erfasst (Kernfehlerprüfung). So wird beispielsweise in manchen Normen noch die um 90° versetzte Prüfung auf zwei Bahnen gefordert. Teilweise fordern die Stahlanwender bei höheren Anforderungen an den Werkstoff Prüfungen der gesamten Querschnittsfläche, was bei Rundmaterial durch den Einsatz von Senkrecht- und Winkelprüfköpfen möglich ist. Bei mit rotierenden Prüf köpfen durchgeführter Prüfung ergibt sich aufgrund der Fortbewegung des Materials eine helixförmige Abtastbahn. Dadurch ergibt sich die Forderung nach einer Anzeigenmindestlänge. Diese kann wesentlich durch eine reduzierte Prüfgeschwindigkeit verkleinert werden, dies führt aber zu deutlich erhöhten Prüfkosten. Bei der Vorgabe der Prüfung ist zu berücksichtigen, dass der Ultraschall in Abhängigkeit der Materialdicke geschwächt wird, sodass Material größerer Abmessungen nur mit einer geringeren Prüfempfindlichkeit sicher geprüft werden kann. Während rundes Material relativ einfach mit rotierenden Prüf köpfen oder rotierenden Ultraschallfeldern über die gesamte Querschnittsfläche mit den genannten Einschränkungen geprüft werden kann, ist dies für Vierkantmaterial deutlich komplexer. Hier ist es nur möglich, durch eine Erhöhung der Prüf kopfanzahl ein möglichst großes Volumen zu prüfen. Abhebeeffekte. Bei berührenden Prüfverfahren muss die Prüfsonde permanent Kontakt mit der Materialoberfläche halten. Je nach Prüfverfahren erfolgt dies durch mechanisches Andrücken der Sonde oder durch ein Koppelmittel zwischen Sonde und Oberfläche. Bei statischer Prüfung stellt dies kein Problem dar, doch bei der Prüfung von bewegtem Material muss der Prüf kopf ständig nachgeführt werden. Bei Material, das nicht ganz gerade bzw. leicht oval ist, kann zwischenzeitlich die Messsonde leicht abheben. Während dieser kurzen Zeit werden stahl und eisen 131 (2011) Nr. 8 Ungänzen bei berührenden Prüfverfahren schlechter nachgewiesen. Abstandsschwankungen zwischen Prüfgutoberfläche und Spule. Analog zum Abhebeeffekt führt beim Durchlauf durch eine Spule beispielsweise eine Ovalität oder Ungeradheit zu lokalen Abstandsschwankungen in der Spule, was sich ebenfalls in Empfindlichkeitsänderungen auswirkt. Abdeckung durch die Messsonde. Die Messsonde hat eine bestimmte Größe und erfasst nur einen Teil der Oberfläche bzw. des Volumens des zu prüfenden Materials. Um trotzdem das gesamte Material zu erfassen, kann die Sonde auf festgelegten Bahnen relativ zum Material bewegt werden (bewegte Sonde bzw. bewegtes Material). Eine geschlossene Helix (Bahn an Bahn) stellt sicher, dass kein ungeprüfter Bereich entsteht. Aus technischen Gründen verbleibt beim Einbzw. Auslauf des zu prüfenden Materials in bzw. aus der Prüfanlage ein bestimmtes ungeprüftes Volumen an den Enden eines Stabes. Dieses Volumen ist vom angewendeten Verfahren und der Prüfanlagenkonzeption abhängig. Gefüge des Werkstücks. Das Gefüge des zu prüfenden Materials hat ebenfalls einen Einfluss auf das Prüfergebnis. Dies ist insbesondere bei der Ultraschallprüfung und Wirbelstromprüfung zu bedenken. Bei sehr hoher Ultraschallfrequenz rückt die Wellenlänge in die Größenordnung der Korngrenzen. Dann werden die Korngrenzen selbst nachgewiesen und stören das Ergebnis der Messung. Dies ist technisch bei Frequenzen oberhalb 10 MHz der Fall, wenn die Wellenlänge in Stahl im Bereich von 0,5 mm liegt. Bei austenitischen Stählen mit ihrem meist etwas grobkörnigeren Gefüge sind aus diesem Grund bereits Ultraschallprüfungen mit einer Frequenz von 2 MHz problematisch. Unterschiedliche Gefüge unterscheiden sich teilweise stark in ihrem Dämpfungsvermögen. So führen perlitische unlegierte Stähle aufgrund ihrer groben Zementitlamellen zu einem wesentlich stärkeren Grundrauschen, verglichen mit einem feinkörnigen vergüteten Gefüge. Oberflächenzustand des Werkstücks. Das Prüfergebnis wird ebenfalls durch den Oberflächenzustand beeinf lusst. Dies liegt auf der Hand, wenn man einmal die verschiedenen technischen Oberflächenzustände von Stahlprodukten betrachtet. Eine große Oberflächenrauheit bedingt ein hohes Grundrauschen. Als Faustformel gilt, dass eine au- stahl und eisen 131 (2011) Nr. 8 tomatische Prüfung erst ab einem Verhältnis Nutz-/ Störsignal von mindestens 3:1 sinnvoll durchführbar ist. Erkennbarkeit von Oberflächenungänzen In den vorangegangen Kapiteln wurden die physikalischen Grundlagen der derzeit verwendeten Prüfverfahren detailliert erläutert. Dabei wurde auf die Rahmenbedingungen der Prüfungen und die sich daraus ergebenden Einschränkungen der Prüfbarkeit eingegangen. Seit der Veröffentlichung von Wieland und Engineer [1] sind keine neuen, auf anderen physikalischen Methoden beruhenden Prüfverfahren im Markt eingeführt worden. Bei den etablierten Prüfverfahren wurden zwar Verbesserungen erreicht, die sich aber im Wesentlichen auf die Datenaufzeichnung und deren Auswertung beschränken. Dadurch haben sich aktuell keine Änderungen hinsichtlich der Fehlererkennbarkeit ergeben. Material Prüfart Erkennbarkeit (Tiefe) Gegossenes Halbzeug visuell Poren, Dellen, Einziehungen, Mattschweißungen, klaffende Risse (subjektiv) Magnetpulver1) Längsrisse > 0,5 mm Querrisse > 2,0 mm visuell Schalen, Splitter, klaffende Risse (subjektiv) Warmumgeformtes Halbzeug für Walzwerke Magnetpulver1) nass 1) Magnetpulver trocken Warmumgeformtes Halbzeug für Gesenkschmieden Warmumgeformte runde Stäbe (schwarz) Längsrisse > 0,5 mm visuell Schalen, Splitter, klaffende Risse (subjektiv) Magnetpulver1) nass Längsrisse > 0,2 mm (subjektiv) Magnetpulver1) trocken Längsrisse > 0,3 mm Thermographie Längsrisse > 0,3 mm Wirbelstrom Längsrisse > 0,3 mm2) Streufluss Längsrisse > 0,2 mm2) 1) Walzgeschälte runde Stäbe Längsrisse > 0,5 mm Thermographie Thermographie Stabstahl schwarz vierkant (Vormaterial für Schmieden) Längsrisse > 0,2 mm (subjektiv) Längsrisse > 0,3 mm Magnetpulver nass Längsrisse > 0,2 mm (subjektiv) Magnetpulver1) nass Längsrisse > 0,2 mm (subjektiv) Magnetpulver1) trocken Längsrisse > 0,3 mm Thermographie Längsrisse > 0,3 mm Wirbelstrom Längsrisse > 0,3 mm Streufluss Längsrisse > 0,15 mm ungeprüfte Enden < 100 mm: 1) mit gestrahlter Oberfläche, 2) abhängig von der Oberflächenrauheit und der Abmessung; zur Fehlermorphologie vgl. auch [4] 8 Erkennbarkeit für Oberflächenungänzen an Stabstahl Detectability for surface discontinuities on steel bar Technik + Trends Werkstoff und Fertigung L i t er at ur [1] Engineer, S. J.; Wieland, H.-J.: stahl u. eisen 117 (1997) Nr. 3, S. 79/84. [2] Hradecny, T.; Deutsch, W. A. K.; Schuster, V.; Schneider, H.-J.; Koch, R.; Paulus, H.; Waltner, M.; Peter, C.; Beyer, K.; Lohmann, J. F.; Scholle, W.; Münch, G.: stahl u. eisen 124 (2004) Nr. 11, S. 119/28. [3] Sy, D.: Wirbelstromprüfung von Blankstahl in Stäben, Stabziehereienvereinigung e. V., Düsseldorf, 2001, http://www. blankstahl.org/stabziehereien/de/download/WirbelStromPruefung.pdf [4] Fehlerkatalog Stabstahl und Walzdraht, Stahlinstitut VDEh, Düsseldorf, 2011. Bild 8 gibt auszugsweise eine Übersicht über die minimal auffindbaren Anzeigengrößen bei Oberflächenfehlern [1]. Dies bedeutet nicht, dass diese Grenzwerte als Anforderung immer sinnvoll oder unter allen Umständen zu erreichen sind. Dabei ist zu beachten: Die Angaben in Bild 8 sind abgesicherte Erfahrungswerte aus der Praxis, die an natürlichen Ungänzen gewonnen wurden. Nachweisgrenzen der Prüfanlagenhersteller, die an Referenzfehlern gewonnen wurden, werden in der Regel im industriellen Einsatz nicht erreicht. Welches ist das Prüfverfahren der Wahl? Aus der Historie heraus haben sich bei den Stahlherstellern bestimmte Prüfeinrichtungen als optimal erwiesen. Die unterschiedlichen eingesetzten Prüfverfahren haben wiederum ihre spezifischen Besonderheiten. Eine optimale Ausstattung und Anordnung von Prüfanlagen lässt sich somit nicht verallgemeinern. Die Prüfung kann in verschiedenen Fertigungsschritten erfolgen. Bei den Stabstahlherstellern erfolgt die Prüfung grundsätzlich nach dem Richten. Der gerichtete Stabstahl läuft definiert durch die Prüfgeräte, sodass Abhebeeffekte und Abstandsänderungen auf ein Minimum begrenzt werden. Ebenso wichtig ist die Prüfung beim Stahlverarbeiter bzw. Endanwender, der aufgrund seiner speziellen, vom Produkt abhängigen Anforderungen bestimmte Merkmale der Produkte prüft. Diese Prüfungen und die Prüfungen beim Stahlhersteller können einander sinnvoll ergänzen. Vor allem können erst dort Fehler, die beim Stahlhersteller nicht detektierbar waren und erst bei der Weiterverarbeitung zu Tage treten (z.B. verschweißte Risse) oder Fehler, die im Fertigungsprozess des Stahlverarbeiters entstanden sind (z. B. Schmiedefehler), aufgedeckt werden. Die Wahl der Prüfklasse richtet sich nach den Anforderungen an das Endprodukt. Es macht sicherlich keinen Sinn, einfachere Produkte nach der höchsten Prüfklasse zu prüfen. Dies verursacht unnötige Prüf- und Sortierkosten beim Stahlhersteller. Für anspruchsvolle Anwendungen, wie beispielsweise Einspritzdüsen, werden aufgrund der hohen Werkstoffausnutzung höhere Anforderungen an die Qualität des Vormaterials gestellt. Der erhöhte Prüfaufwand hierfür ist bei der Bestellung zu vereinbaren. In manchen Fällen kommt es auch darauf an, die Lage der Anzeige im Material anzugeben. Sofern dies die Fertigung beim Stahlverarbeiter zulässt, könnte z. B. Material mit einer Unvollkommenheit verwendet werden, sofern sich diese bei der Weiterverarbeitung gezielt herausschneiden lässt. Mit Blick auf die Ressourceneffizienz — das Einschmelzen des sonst fehlerfreien Materials ließe sich vermeiden — könnte dies durchaus von Vorteil sein. Fazit Das ehrgeizige Ziel, „Null Fehler“ zu erreichen, wird auch von den Stahlherstellern als Herausforderung angenommen. Die oben stehenden Ausführungen belegen jedoch, dass dieses Ziel aus physikalischen Gründen allein durch eine Prüfung beim Stahlhersteller nicht immer erreicht werden kann. Stringentere Forderungen helfen also nicht, die Qualität zu verbessern. Zu beachten ist dabei auch die Normalverteilung der Ergebnisse — selbst bei bester Qualität wird es immer einzelne „Ausreißer“ geben. Manche Ungänzen können sich tatsächlich erst am Endprodukt zeigen. Nicht auszuschließen sind Effekte der Umformung, beispielsweise extremer Werkstofffluss oder ungünstige Konstruktion der Werkzeuge: Bei sehr hohen Umformgraden und extremen Umformgeschwindigkeiten können Ungänzen entstehen, oder sie treten erst dort zutage. Vieles spricht dafür, Chargen mit einzelnen Ungänzen nicht direkt zu verwerfen, sondern das vertrauensvolle Gespräch mit dem Stahlhersteller zu suchen. Hinweise des Stahlanwenders helfen wiederum dem Stahlhersteller in vielen Fällen, die Ursache aufzufinden; in vielen Fällen gelingen Abstellmaßnahmen. Durch eine abgestimmte Vorgehensweise können Stahlhersteller und -anwender zu einer realistischen Bewertung der Anzeigen kommen, um mit den verbliebenen, nicht vermeidbaren Ungänzen auszukommen. Hier ist eine Betrachtung der Entstehungsmöglichkeiten über die gesamte Fertigungskette sinnvoll. Eine solche gemeinsame FMEA stellt die Partnerschaft zwischen Stahlherstellern und -anwendern auf eine breitere Basis. Schließlich tragen alle Partner in der Prozesskette die gemeinsame Verantwortung für ein Produkt. Ergebnisbericht einer Gemeinschaftsarbeit im Fachausschuss für legierte Baustähle im Werkstoffausschuss des Stahlinstituts VDEh. Dr.-Ing. Axel Stüber, Leiter Entwicklung, Georgsmarienhütte GmbH, Georgsmarienhütte, Deutschland; Dr.-Ing. Martin Waltner, Leiter Technologie und ZfP, Saarstahl AG, Völklingen, Deutschland; Bernd Bäcker, Qualitätswesen, Saarstahl AG, Neunkirchen, Deutschland; Dipl.-Ing. Hilmar Jung, Werkstofftechnik, BGH Edelstahlwerke GmbH, Siegen, Deutschland; Dipl.-Ing. Herbert Schifferl, Leiter Forschung und Entwicklung, voestalpine Stahl Donawitz GmbH & Co. KG, Leoben, Österreich; Dr. rer. nat. Ingo Steller, Abt. Werkstofftechnik/Prüftechnik, Stahlinstitut VDEh, Düsseldorf, Deutschland. [email protected] stahl und eisen 131 (2011) Nr. 8