Entscheidung and er Weichsel

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Entscheidung and er Weichsel
Impressum
Wolfgang Schreyer
Entscheidung an der Weichsel
Dokumentarbericht über Vorgeschichte und Verlauf des Warschauer
Aufstandes
ISBN 978-3-86394-359-2 (E-Book)
Die Druckausgabe erschien 1960 im Verlag des Ministeriums für Nationale
Verteidigung der DDR, Berlin
Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta
© 2013 EDITION digital®
Pekrul & Sohn GbR
Alte Dorfstraße 2 b
19065 Godern
Tel.: 03860-505 788
E-Mail: [email protected]
Internet: http://www.ddrautoren.de
Vorbemerkung
Die Leser des Romans „Unternehmen Thunderstorm" mögen sich fragen,
weshalb der Verfasser dieses Buches heute jene Vorgänge wiederum
aufgreift und sie in der vorliegenden Form darstellt. Ihm ging es darum,
verlogenen Schilderungen, wie sie besonders vom westdeutschen Rundfunk
und in Westillustrierten beharrlich verbreitet werden, erneut
entgegenzutreten: Diesmal unter Verzicht auf jede erfundene Einzelheit oder
romanhafte Episode, an Hand unwiderlegbarer Dokumente. Auch ist in den
sechs Jahren, die seit der Niederschrift des Buches verstrichen sind, von
polnischer Seite viel neues Tatsachenmaterial veröffentlicht worden, mit dem
er, um das früher gegebene Bild zu ergänzen, seine Leser bekannt machen
möchte.
W. S. 1960
Eine Stadt widersteht
Im Morgengrauen des 1. September 1939 drang die Wehrmacht in Polen
ein. Der zangenförmige Grenzverlauf ermöglichte ihr einen
Umfassungsangriff, wie zuvor im Falle der Tschechoslowakei. Deutsche
Soldaten, zu Revanche und Völkerhass erzogen und durch monatelange
Hetzpropaganda aufgeputscht, zerbrachen triumphierend Zollschranken,
stürzten Grenzpfähle um und überfluteten nun auch dieses Nachbarland.
Auf die Untätigkeit der Westmächte bauend, setzten Hitlers Generale die
Masse ihrer aktiven Verbände und alle motorisierten Truppen im Osten ein.
So hatte die nagelneue Kriegsmaschine des deutschen Imperialismus
leichtes Spiel: 58 faschistische Divisionen warfen sich auf 32 polnische,
2000 moderne Flugzeuge zerfetzten 900 veraltete, Panzer mähten
Kavallerie nieder. Von England und Frankreich völlig im Stich gelassen, ging
Polens Armee nach tapferer Gegenwehr unter. Die Goebbelspropaganda
höhnte: „Mit Mann und Ross und Wogen, hat sie der Herr geschlagen."
Hitlers Blitzsieg schien vollkommen. Denn rascher noch als die Armee zerfiel
der polnische Staat. Schon am 6. September floh die reaktionäre Regierung,
an ihrer Spitze Marschall Rydz-Smigly, aus der Hauptstadt. Fünf Jahre
hindurch hatte sie mit Nazideutschland Freundschaft gepflegt, im März 1939
noch an der Zerstückelung der Tschechoslowakei teilgenommen - nun
entwich sie mitsamt dem Goldschatz über die rumänische Grenze.
Am 8. September erreichte die Vorhut der 10. Armee, das Panzerkorps
Hoepner, den Südwestrand Warschaus. Sie griff aus dem Marsch heraus
an. Ihr Versuch aber, quer durch die Arbeitervorstadt Ochota ins Zentrum zu
stoßen, scheiterte am Widerstand von Garnison und Bevölkerung. Die
Warschauer rissen das Pflaster auf, stürzten Straßenbahnwagen um,
schossen aus Kellern und Dachluken. Dutzende Panzer blieben auf der
Strecke, der Rest machte kehrt.
Die Wehrmacht biss auf Granit. Drei Wochen lang hielten die Verteidiger
aus, eingekreist und ohne Hoffnung. Ihr Heldenkampf reizte die
Nazigenerale zum ersten brutalen Zerstörungswerk des Zweiten Weltkriegs.
Sie ließen Warschau erbarmungslos bombardieren - wie bald darauf
Rotterdam, London und Belgrad. Die brennende Stadt behauptete sich bis
zum 28. September; dann erlag sie der Übermacht. Und über die
Ujazdowska-Allee, über den trümmerbedeckten Pilsudskiplatz, auf dem
inmitten seiner Generale Hitler stand, knallten faschistische Paradestiefel.
„Das Schicksal hat entschieden ..."
„Polen ist als Kriegsschauplatz ein guter Bekannter unserer alten Heere",
schreibt um diese Zeit der Wiener Generalmajor Kerchnawe, und er macht
den geraubten Bissen als künftige Militärprovinz genussvoll schmackhaft:
„An Unterkünften ist kein Mangel. Verpflegung, auch für große Heere, ist in
Polen ausreichend aufzubringen. Die klimatischen und sanitären
Verhältnisse sind bei guter Witterung günstig. Das vielfach gehörte Urteil,
Polen bestehe nur aus Wald und Sumpf, ist vollkommen unrichtig ..."
Als sie diese Sätze drucken, haben die Eroberer längst gehandelt. Auf der
Krakauer Burg, auf dem Warschauer Brühlpalais weht die Hakenkreuzfahne,
und auch vom letzten Marktflecken haben sie Besitz ergriffen. Noch während
des Vormarsches hat der Oberbefehlshaber des Heeres als Inhaber der
vollziehenden Gewalt das polnische Verwaltungspersonal verhaftet oder
verjagt und es durch Nazis ersetzt: Je ein Landrat mit zwei Hilfsbeamten und
sechs Gendarmen rückt hinter der angreifenden Truppe in die oft noch
brennenden Kreisstädte. Es folgt die Gestapo. Man schafft „Ordnung".
Binnen weniger Wochen macht der Faschismus aus Polen ein Zuchthaus
und aus Warschau eine „deutsche Stadt". 3000 „Volksdeutsche" hat es beim
Einmarsch dort gegeben, nun schwillt die Zahl an. Eine vieltausendköpfige
Bürokratie, Parteidienststellen, Besatzerfamilien und das Personal deutscher
Firmen machen sich breit. An Kinos, Droschken, Restaurants und
Straßenbahnen erscheint das Schild NUR FÜR DEUTSCHE. Geschäfte
firmieren zweisprachig, die 98 Hauptstraßen erhalten deutsche Namen.
Im Spätherbst 1939 treffen sich Warschaus neue Herren im Hotelrestaurant
„Europa" am Adolf-Hitler-Platz, sie sitzen - meist gestiefelt und graugrün,
braun oder schwarz uniformiert - in Weinstube, Bar oder Tearoom des CaféClub-Cabarett oder speisen in der „Silbernen Rose" („geführt von deutschem
Besitzer"). Sie bewohnen Barockpaläste. Die besten Kinos und sämtliche
Theater sind für sie. Sie planen Schlosskonzerte, Ballettabende,
Weichselregatten. Im Fußballstadion spielt Schalke 04 gegen die „Deutsche
Sportgemeinschaft Palais Brühl". Man beschlagnahmt Schwimmbäder und
Tennisplätze, reitet, saust im Auto durch die Stadt und kauft die Läden leer.
Gefragt sind Pelzwerk, Schmuck und Schuhe. Man zahlt mit
Besatzungsgeld; ist der Geschäftsinhaber Jude, wird beschlagnahmt oder
erpresst.
Zum Statthalter beruft Hitler seinen „bewährten Mitkämpfer, Reichsminister
Dr. Frank", und ermächtigt ihn mit Erlass vom 12. Oktober 1939 „innerhalb
seines Machtbereichs Recht zu setzen". Von nun an ist das Wort dieses
später in Nürnberg gehenkten Faschistenhäuptlings für ein ganzes Volk
Gesetz.
„Kein Pole soll über den Rang eines Werkmeisters hinauskommen", schärft
er schon Anfang 1940 seinen Beamten ein. „Das Schicksal hat entschieden,
dass wir hier die Herren sind, die Polen aber die uns anvertrauten
Schutzunterworfenen sind ... Bei dem geringsten Versuch des Polentums,
etwas zu unternehmen, würde es zu einem ungeheuren Vernichtungsleidzug
kommen; dann würde ich vor keinem Schreckensregiment zurückscheuen!"
Frank scheut auch ohne besonderen Anlass davor nicht zurück. Bald häufen
sich die Hinrichtungen derart, dass er einem Nazijournalisten, der ihn im
Auftrage des „Völkischen Beobachters" interviewt, bei einem Glase Wein
verrät: „Wenn ich für je sieben erschossene Polen ein Plakat aufhängen
lassen wollte, dann würden die Wälder Polens nicht ausreichen, das Papier
herzustellen für solche Plakate."
Die grausamste Terrorwelle schwemmt im Juni/Juli 1941 über das gequälte
Land, als die Wehrmacht über den Bug setzt und in jene Gebiete einfällt, die
die Sowjetunion bis dahin vor dem faschistischen Zugriff hat bewahren
können. Unter dem Rauchschleier des neuen Großangriffs will man
ungesehen morden und das Verbrechen der Roten Armee zur Last legen.
Hauptziel ist jetzt die Ausrottung der polnischen Intelligenz.
In Weißrussland, Galizien, der Karpatoukraine, am Ufer des Dnestr sinken
Zehntausende in hastig ausgehobene Massengräber. Horden ukrainischer
Krimineller - nationalistisch verhetzt, von deutschen Kontrolloffizieren
angeleitet - leisten der SS Henkersdienste. Mit Handgranaten, Spaten und
Pistole machen sie wehrlose Menschen nieder. Politischer Chef und
Adjutant des Vernichtungsbataillons „Nachtigall", das sich besonders
hervortut, ist Dr. Oberländer, ein Geheimdienstoffizier, Naziprofessor und
langjähriger Ostexperte des deutschen Imperialismus. Unter seiner Aufsicht
bringt man im eben eroberten Lemberg namhafte Wissenschaftler und
Schriftsteller mitsamt ihren Familien um, werden 11 000 Zivilpersonen allein
bei Kamensk-Podolsk erschossen und verscharrt.
Fünfzehn Jahre später aber wird Oberländer dem Kabinett Adenauer als
Westdeutschlands „Vertriebenen"-Minister angehören. Als im Oktober 1959
unwiderlegbare Dokumente die Schwere seiner Mitschuld offenbaren und
sich ein Proteststurm gegen ihn erhebt, bricht der ukrainische
Hauptbelastungszeuge, „Nachtigall"-Kommandeur Bandera, unter
geheimnisvollen Umständen in München vor einem Fahrstuhlschacht tot
zusammen. Oberländer bleibt zunächst im Amt, bis er im April 1960 unter
dem Druck der Weltöffentlichkeit den Ministersessel räumt - nachdem seine
Pensionsansprüche gesichert sind. Mit seinem Sitz im Bundestag behält er
jedoch Einfluss auf die Politik Westdeutschlands.
Wie der Profit es befahl
Damals wie heute brauchten Deutschlands Imperialisten Männer, die
zugunsten ihrer Geschäftsinteressen nicht nur imstande waren, unseren
Nachbarn finsterste Gewalt anzutun, sondern auch fähig, geplantes und
schon begangenes Unrecht akademisch zu begründen. Henkersknecht Dr.
Oberländer rechtfertigte ihre Expansionspolitik nachträglich, als er im April
1940 in Heft 45 einer „landwirtschaftswissenschaftlichen" Nazizeitschrift
schrieb: „Rom und Griechenland sind an der Vergiftung der rassischen
Struktur zugrunde gegangen. England und Frankreich gehen einen
ähnlichen Weg. Die Eindeutschung der Ostgebiete muss in jedem Falle eine
restlose sein. Solche Maßnahmen vollständiger Aus- und Umsiedlung
mögen für die Betroffenen hart erscheinen ..., aber eine einmalige Härte ist
besser als ein durch Generationen währender Kleinkampf. Reinhaltung der
Rasse und eigenvölkische dichte agrarische Unterschicht sind nur möglich,
wenn das fremde Volkstum voll und ganz das Land verlässt."
Inzwischen hatten die Nazis Westpolen kurzerhand dem Reich einverleibt.
Oberländers Thesen und das Schlagwort vom „Lebensraum" sollten
schrankenlose Annexionen bemänteln. Bis auf wenige Kilometer schob man
die deutsche Grenze an Warschau heran. Die Bewohner der geraubten
Provinzen wurden in ein südpolnisches Restgebiet gewiesen, das
sogenannte Generalgouvernement. Es war als Slawenreservat gedacht. Die
Polen sollten dort arbeiten oder sterben.
Fünf Jahre lang regierten hier Armut und Furcht. Kein Pole durfte eine
Mittelschule besuchen, geschweige denn studieren. Nach Einbruch der
Dunkelheit hatte niemand die Wohnung zu verlassen. Es wurde ohne
Warnung geschossen. Auch tagsüber jagte man Menschen. Polizei und SS
griffen wahllos Passanten auf und schleppten sie zur Zwangsarbeit nach
Deutschland. Hunderttausende Warschauer gingen, durch ein „P" als
„minderrassig" gekennzeichnet, diesen bitteren Weg. In der Stadt selbst
schufteten 35 000 Metallarbeiter für die deutsche Rüstung. Ihr Lohn:
wertlose Zlotys.
„Wir denken hier imperial im größten Stil aller Zeiten", verkündete
Generalgouverneur Frank im alten Königssaal der Krakauer Burg. „Dem
Imperialismus, wie wir ihn entwickeln, ist kein Vergleich vergönnt mit jenen
kläglichen Versuchen früher in Afrika ... Wir haben hier ein gigantisches
Arbeitslager, wo alles, was Macht und Selbstständigkeit bedeutet, in den
Händen der Deutschen ist." Die anwesenden Distriktchefs,
Regierungsdirektoren, Wehrmachtsoffiziere, Arbeitsdienst-, HJ- und SSFührer, Ministerialräte, Amtsleiter, Bankdirigenten und Vertreter der
deutschen Großindustrie spendeten Beifall.
Franks unglaubliches Tagebuch schildert, wie von Jahr zu Jahr höhere
Ernteaufkommen aus dem Generalgouvernement herausgepresst wurden.
Das 142 000 Quadratkilometer große Land hätte seine 17 Millionen
Einwohner ernähren können: Doch die Lebensmittel rollten nach
Deutschland. Drei Scheiben Brot am Tag blieben für die Polen übrig. Wem
das nicht reichte, der konnte auf dem schwarzen Markt ein Pfund Fleisch für
40, ein Brot für 18 oder ein Pfund Speck für 80 Zloty kaufen - bei einem
Monatslohn von 90 bis 230 Zloty.
Während das Volk verelendete, griffen Deutschlands Wirtschaftsführer nach
der polnischen Industrie. Vor Kriegsausbruch hatten 43 Prozent des
Gesamtkapitals aller polnischen Aktiengesellschaften ausländischen Firmen
gehört, meist französischen. Kraft Mehrheitsbeteiligung kontrollierten
westeuropäische Banken Polens Steinkohle, sein Erdöl, seine
Stromerzeugung, Bahnen und Zinkgruben. Nach dem Einmarsch änderte
sich das Bild. Deutsche Konzernbeauftragte, genannt Treuhänder, besetzten
die Betriebe.
Ende 1939 schon fielen Milliardenwerte den deutschen Unternehmern als
erste Kriegsfrucht in den Schoß. Durch Scheinkäufe brachten sie nach und
nach fast alle Aktien an sich. Das Großkapital war der eigentliche Nutznießer
des Polenfeldzugs. 10 000 deutsche Soldaten kamen bei diesem Raubzug
um; die Industrie stieß sich gesund.
Am Beispiel des IG-Farben-Konzerns wird deutlich, welch entscheidende
Rolle Deutschlands Großindustrie bei der Ausbeutung des unterjochten
Landes spielte. Keineswegs begnügte sich die IG-Farben damit, drei der
größten chemischen Fabriken Polens (Boruta, Wola und Pobjanice) für
einen Spottpreis zu erwerben und an dem Lohngefälle zu verdienen.
Vielmehr setzte sie die Errichtung betriebseigener KZ-Lager durch und ließ
sich von enormen Häftlingsarmeen neue Anlagen, besonders zur Produktion
synthetischen Kautschuks, bauen.
Als einer der Standorte zur Bunaerzeugung wurde das südpolnische
Monowitz gewählt, weil Kohle, Kalk und Weichselwasser nahe waren und
des benachbarte KZ Auschwitz den Arbeitskräftebedarf billigst deckte: 4
Mark zahlte der Konzern dem Reich für jeden gelernten, 3 Mark für den
ungelernten Häftling pro Tag, was einem Stundenlohn von 30 Pfennigen
entsprach. Keine Staatsstelle zwang die IG-Direktion dazu, sich dieser
Arbeitssklaven zu bedienen. Sie handelte ganz aus eigner Initiative, im
Interesse weiterer Profiterhöhung.
Etwa 400 000 Häftlinge gingen durch das IG-Lager Monowitz, einen Ableger
des sieben Kilometer entfernten Todeslagers Auschwitz. Nur ein winziger
Bruchteil hat die grausamen Antreibermethoden, die barbarischen
Unterbringungs- und Ernährungsbedingungen überlebt. Allein beim Bau
eines der hundert Meter hohen Bunaschornsteine kamen 3000 Menschen
um.
Die Werkleitung weigerte sich grundsätzlich, schwache Häftlinge zu
beschäftigen. Die Erschöpften wurden nach Birkenau oder Auschwitz in die
Gaskammern geschafft; ebenso jene, die von IG-Aufsehern beim Rauchen
ertappt wurden. Das Verwaltungsgebäude lag im Schatten der
Verbrennungsschlote, und manchmal klagten die IG-Direktoren über den
üblen Geruch. Dennoch scheuten sie sich nicht, für eine Gruppe polnischer
Frauen, deren Haftentlassung bevorstand, verlängerte Strafzeit zu fordern,
damit sie der Firma als Ausbeutungsobjekt erhalten blieben.
Für Schlafmittelexperimente kaufte der Konzern von der SS weibliche
Häftlinge für 200,- RM auf, nicht ohne zu versuchen, den Kopfpreis noch
herunterzuhandeln. Auch mit Giftgasen wurde experimentiert. Befragt, ob er
Versuche an Menschen für gerechtfertigt gehalten habe, erklärte Dr. Fritz ter
Meer, ein Hauptdirektor und Aufsichtsratsmitglied der IG-Farben, später vor
dem Internationalen Militärtribunal: „Diesen KZ-Häftlingen ist dadurch kein
besonderes Leid zugefügt worden, man hätte sie ja ohnehin getötet."
Das herzliche Verhältnis der IG-Direktion zu den Auschwitzmördern
bezeugen folgende Briefzeilen, die Bunaproduktionsleiter Dr. Otto Ambros
am 12. April 1941 an seine Konzernvorgesetzten richtete: „... außerdem
wirkt sich unsere neue Freundschaft zur SS sehr segensreich aus.
Anlässlich eines Abendessens, das uns die Leitung des
Konzentrationslagers gab, haben wir weiterhin alle Maßnahmen festgelegt,
welche die Einschaltung des wirklich hervorragenden Betriebs des KZLagers zugunsten der Bunawerke betreffen."
Briefschreiber Ambros, Dr. Dürrfeld (Direktor des Auschwitzer Zweigwerks)
und Dr. Bütefisch (Leunawerkleiter und Verantwortlicher für die polnischen
Brennstofffabriken) wurden 1948 zusammen mit elf anderen IG-FarbenVerbrechern vom Nürnberger Tribunal zu insgesamt 56 Jahren Gefängnis
verurteilt. Fast alle jedoch nahmen wenig später im westdeutschen
Wirtschaftsleben wieder maßgebende Stellungen ein und waren damit
beschäftigt, den aufgeteilten Riesenkonzern zusammenzuflicken.
Dürrfeld, der Hunderttausende von Arbeitssklaven buchstäblich zu Tode
hetzen ließ, war 1956 Vorstandsmitglied der Scholven-Chemie-AG in
Gelsenkirchen. Ambros ist heute dreifaches Aufsichtsratmitglied: bei der
Bergwerksgesellschaft Hibernia AG in Herne, den Süddeutschen
Kalkstickstoffwerken und der Grünzweig & Hartmann AG in Ludwigshafen.
Bütefisch gehört den Aufsichtsräten der Deutschen Gasolin-AG, Westberlin
und der Feldmühle Papier und Zellstoffwerke AG in Düsseldorf an; er leitet
ferner das Technische Expertenkomitee der internationalen Konvention der
Stickstoffindustrie.
Ausbeuten oder umbringen?
Seit dem Nürnberger Prozess weiß die Welt, dass Hitler und Himmler
vorhatten, die »slawische Rasse" um 30 Millionen Köpfe zu dezimieren. Aber
zunächst wurde die Judenausrottung ins Auge gefasst. Ab November 1939
kennzeichnet man die im Generalgouvernement ansässigen Juden mit dem
Davidstern und treibt sie in Gettos zusammen. Dreieinhalb Millionen
Menschen müssen ihre Wohnungen und Heimatdörfer verlassen. In Regen
und Schnee wandern graue Elendszüge über Polens Landstraßen in
besondere Stadtviertel, die von der Außenwelt abgeriegelt werden.
Fünfundfünfzig solcher Gettos entstehen in Polen: Sammelbecken, in denen
die Mörder ihre Opfer griffbereit holten. Das größte liegt im Zentrum
Warschaus. Fast eine halbe Million Menschen sind dort hinter einer neun
Kilometer langen Mauer zusammengepfercht. Zu sechst hausen sie in einem
Zimmer, und sie leben offiziell von dreißig Gramm Brot am Tag, hundert
Gramm Marmelade und fünfzig Gramm Fett im Monat. Kinder schmuggeln
Kartoffeln und Mohrrüben - unter Lebensgefahr. Die Wachmannschaft
schießt auf jeden, der unbefugt das Getto verlässt.
Die absichtlich erzeugte Hungersnot rafft Tausende hinweg. Doch diese
Vernichtungsart ist unkontrollierbar; es dauert den Nazis zu lange. Auch
brechen im Winter 1941 Seuchen aus: Flecktyphus bedroht das Hinterland
der Ostfront. Da beginnt man, die arbeitsunfähigen Juden
abzutransportieren. Musterungskommandos sortieren nach und nach zwei
Drittel der Gettobewohner als „nutzlosen Anhang" aus, verladen sie auf
Güterwagen und führen sie achtzig Kilometer nordostwärts Warschau, bei
dem Ort Treblinka, wie es im offiziellen Amtsdeutsch zynisch hieß, „einer
Sonderbehandlung zu". Solange dort die Verbrennungsöfen noch nicht fertig
sind, scharren Bulldozer die Leichname der vergasten Juden ein.
Im Getto selbst richtet man Uniformschneidereien und Rüstungswerkstätten
ein. Sie sind für viele die letzte Zufluchtsstätte. Die jüdischen Arbeiter
fordern nicht nur keinen Lohn, sie zahlen oft Geld hinzu: für einen
Arbeitsausweis, der sie vor dem Abtransport bewahrt. Bei zwei Litern Suppe
stehen sie elf, zwölf Stunden an den Maschinen. Was Deutschlands
Konzerne im ganzen besetzten Europa tun, das treiben hier einige
Unternehmer auf die Spitze. Fabrikanten wie Schultz oder Walter Többens,
der in seinen Warschauer Werkstätten zeitweilig 15 000 Juden beschäftigt,
werden in kurzer Zeit Multimillionäre.
So profitieren können die Gettofabrikanten nur, wenn sie ihre Gewinne mit
den örtlichen SS-Führern teilen. In Warschau steckt die SS bald derart im
Geschäft, dass ihr an der Judenausrottung nichts mehr liegt. Wen man
umbringt, kann man nicht mehr ausbeuten. Also bremsen die lokalen
Machthaber ihre Vernichtungsaktion. Monatelang überwiegt ihre Geldgier
dem Bestreben, Warschau als „judenrein" zu melden und dafür belobigt zu
werden.
Ab August 1942 jedoch schreiten sie, von Himmler gedrängt, zur
„Endlösung". Von nun an jagen Rollkommandos Tag für Tag Tausende zum
Verladeplatz am Danziger Bahnhof. Auf die Vernichtung durch Hunger, auf
tödliche Ausbeutung folgt als letzte Phase die unterschiedslose Ermordung
aller durch Zyklon B, ein vom IG-Farben-Konzern entdecktes und
produziertes Giftgas. - Es ist unmöglich, im Rahmen dieses Berichts auch
nur ein mattes Abbild der Gettoszenen zu geben. Sie gehören zu den
grauenhaftesten der Menschheitsgeschichte.
In der Osterwoche 1943, als nur noch 70 000 Männer, Frauen und Kinder im
Getto vegetieren, peitschen plötzlich der einrückenden SS, die
gewohnheitsmäßig ein paar Häuserblocks „auskämmen" will, Kugeln
entgegen. Sie weicht verblüfft zurück. Dass sich die gequälten Juden zu
einem letzten verzweifelten Kampf erheben, hat niemand für möglich
gehalten, am wenigsten ihre Henker. Es ist eine Tat, die die Welt erschüttert.
Am 20. April beginnt ein Rachefeldzug ohnegleichen. Die Deutschen
stampfen das Getto nieder - mit Flammenwerfern, Dynamit und
Feldhaubitzen. Sie vergiften das Trinkwasser, räuchern Verstecke aus,
machen alles dem Erdboden gleich. Sie brauchen volle vier Wochen, um
den Widerstand einer Handvoll Todgeweihter zu brechen. Die kleinen
Kampfgruppen - oft sind es Jugendliche - wehren sich bis zur letzten
Patrone.
In einem Fernschreiben meldet der mit der Niederschlagung beauftragte
faschistische Polizeigeneral: „Nach der Durchsuchung wurde der gesamte
Block in Brand gesetzt. Wie immer hielten sich die Juden bis zuletzt in den
sich unter der Erde befindlichen oder auf den Dachböden angebrachten
Bunkern. Sie feuerten bis zum letzten Augenblick und sprangen dann nach
vorherigem Herauswerfen von Betten, Matratzen usw. mitunter sogar aus
dem vierten Stock auf die Straße, aber erst dann, wenn ihnen durch das
Feuer gar kein anderer Ausweg mehr übrig blieb. Mit Beschimpfungen auf
Deutschland und auf den Führer auf den Lippen und mit Flüchen auf die
deutschen Soldaten stürzten sie sich aus den brennenden Fenstern und von
den Balkonen."
Er fügt beflissen hinzu, dass SS-Leute auch in die Kanalisation
hinabgestiegen seien und dort gesehen hätten, wie „die Leichen verendeter
Juden in großer Anzahl vom Wasser fortgeschwemmt werden". „Unter den
erfassten Banditen", heißt es weiter, „sind mit Bestimmtheit polnische
Terroristen ermittelt. Heute gelang es u. a. auch, einen der Gründer und
Führer der jüdisch-polnischen Wehrformation zu erfassen und zu
liquidieren."
Die meisten werden an Ort und Stelle ermordet. In Blut und Qualm erlischt
der letzte Lebensfunke. Zurück bleiben Schutthalden, ein gestaltloses
Trümmerfeld, sieben Quadratkilometer groß ... Zurück bleibt das Andenken
der jüdischen Kämpfer. Ihr heroischer Untergang mahnt uns bis auf den
heutigen Tag, eine Wiederkehr des Faschismus in Deutschland um jeden
Preis zu verhindern.
In der Steinwüste zwischen Powazki-Friedhof und Sächsischem Garten
steht nach Sprengung der Synagoge am 16. Mai 1943 nur noch das PawiakGefängnis, ein Stützpunkt der SS. Eine tiefe Wunde klafft im Antlitz
Warschaus. Die Stadt aber hat zum zweiten Mal gezeigt, dass sie
unbezwungen ist. Sie wird es noch ein drittes Mal beweisen.
Der unterirdische Strom
Die Flamme des Widerstands war in Polen nie erloschen. Gleich nach der
Besetzung hatten sich im Lysa-Gora-Gebirge aus versprengten
Truppenteilen Partisanengruppen gebildet. Sie griffen Etappenposten an und
hoben Magazine aus, bis sie Mitte 1940 in erbitterten Waldgefechten
aufgerieben wurden. Doch die Ruhe, die folgte, trog die Eroberer.
Angesichts ihres Terrors, ihrer Ausrottungspläne begann das polnische Volk
zu kämpfen. Im Ringen um Polens nationale Existenz gab es von nun an
keine Pause.
Schon im Winter 1941 kam es erneut zu Sprengstoffanschlägen und
Attentaten. Partisanengerichte fällten Todesurteile über verbrecherische
deutsche Beamte. Acht Leiter von Arbeitsämtern, die insgesamt anderthalb
Millionen Polen deportiert hatten, wurden erschossen. Im Warschauer CaféClub-Cabarett detonierte inmitten der Besatzerprominenz eine Bombe.
Telefondrähte wurden durchschnitten, Bahngleise gesprengt.
Die Nazis antworteten mit Geiselmorden. Für jeden getöteten Deutschen
erschossen sie fünfzig bis hundert Polen. Ihre Polizeiregimenter formierten
Schlitten- und Skistreifen, motorisierte und berittene Kommandos. In den
unwegsamen Wäldern und schwer überschaubaren Städten, vor einer in
schweigendem Hass verharrenden Bevölkerung stießen sie meist ins Leere.
Die grausamen Vergeltungsaktionen blieben ohne die erhoffte
Abschreckungswirkung. Über Nacht erschienen an den Mauern
antifaschistische Losungen. Ein SD-Bericht aus dieser Zeit spricht von
wöchentlich hundert illegalen Flugblättern, die in je 500 bis 1500 Exemplaren
gedruckt und verbreitet worden seien.
Hinter solchen Unternehmen stand anfangs fast ausschließlich die polnische
Exilregierung in London. Sie war aus Mitgliedern der über Rumänien und
Frankreich nach England emigrierten Generalität und Vertretern jener vier
Mittelparteien hervorgegangen, die schon vor dem September 1939 in
Opposition zum Regime Moscicki/Rydz-Smigly gestanden hatten. Die
Londoner Exilpolitiker distanzierten sich vom offen reaktionären,
halbfaschistischen Kurs ihrer „Sanacja"-Vorgänger. Sie planten Reformen:
Nachkriegspolen sollte sich vertraglich an den Westen binden und eine
bürgerliche Republik werden. Die alten Macht- und Eigentumsverhältnisse
jedoch wollte man nicht antasten. Polens bürgerliche Patrioten, die sich
überwiegend zu dieser Regierung bekannten, kämpften für die Befreiung
ihres Vaterlandes vom deutschen Faschismus; zugleich aber auch - oft ohne
das ausdrücklich zu wünschen - für eine Rückkehr zu den misslichen
sozialen Bedingungen von 1939.
Die Londoner Exilregierung stellte im Ausland Streitkräfte auf, die bei Narvik,
in Frankreich und Italien auf westalliierter Seite fochten. Ihre internationale
Geltung hing aber, wie sie bald sah, auch vom Umfang des militärischen
Beitrags ab, den das geknebelte Polen noch zu leisten imstande war. Beim
Aufbau einer illegalen „Heimatarmee", der Armija Krajowa (A. K.), half ihr
Großbritannien, das überall im nazibesetzten Europa den Untergrundkampf
bürgerlich-konservativer Kreise förderte.
Britische Flugzeuge, vielfach mit polnischer Besatzung, brachten immer
wieder Waffen, Sprengmittel und Sabotageanweisungen nach Polen. In den
Wäldern entstanden geheime Lager und Abwurfplätze. so besonders im
Urwald von Kampinos nordwestlich Warschaus. Unter den Emigranten, die
nach England geflohen waren, wählte die VI. Abteilung des polnischen
Generalstabs zuverlässige Personen aus und schmuggelte sie am
Fallschirm nach Polen ein. Die „Polish Section" des SOE, eines
Sonderstabes des britischen Secret Service, unterstützte diese Aktionen.
Die Heimatarmee erstarkte, schlug aber noch nicht los. Von mutigen
Einzelaktionen abgesehen, verharrte sie „Gewehr bei Fuß" - eine Losung,
die den Befreiungskampf jahrelang lähmte. Die Londoner gaben sie heraus,
damit die Armija Krajowa ihren Bestand nicht gefährdete und jederzeit als
unverbrauchte Kraft militärisch-politisch ins Spiel gebracht werden konnte.
Ihr Chef, General Rowicki (Deckname „Grot") entwickelte 1942 nach
Richtlinien, die er vom Oberbefehlshaber Sikorski aus London erhielt, einen
detaillierten Aufstandsplan. Danach sollte der Kampf erst beginnen, wenn
die deutschen Armeen zusammenbrachen.
Am 30. Juni 1943 fiel General Rowicki den Deutschen in die Hand. An seine
Stelle trat Graf Komorowski - sein Deckname war „Bór" -, ein 48-jähriger
Kavalleriegeneral, der im Interventionskrieg 1920 mit dem polnischen 12.
Reiterregiment gegen die Rote Armee gezogen war. Ebenso wie General
Anders, dessen Truppe nach ihrem schmählichen Verlassen sowjetischen
Gebiets zur Zeit der Stalingrader Schlacht nun in Italien lag, und General
Sosnkowski, der nach Sikorskis seltsamem Tod von London aus die
Operationen lenkte, war Bór ein Gegner der Sowjetunion.
Bór stand mit dieser Haltung nicht allein. In Polen war als Folge der 120jährigen Zarenherrschaft nach dem Ersten Weltkrieg eine russlandfeindliche
Stimmung zurückgeblieben. Das bürgerlich-aristokratische Regime hatte sie
zwei Jahrzehnte hindurch genährt. Wie anderswo war es Polens
Gutsbesitzern und Kapitalisten gelungen, ihre persönliche Furcht vor
Enteignung und Machtverlust auf weite Kreise besonders des
Kleinbürgertums zu übertragen. Die Entfremdung der beiden Nachbarvölker
- unter überholten historischen Bedingungen entstanden - war dadurch
weiter vertieft worden.
In der Heimatarmee aber musste diese Linie nun den Befreiungskampf
hemmen, um so mehr, als sich ab 1942 die fortschrittlichen Kräfte Polens
gleichfalls militärisch formierten. Hier bestanden unüberbrückbare
Gegensätze. Es bildete sich ein tiefer Konflikt heraus: Jener Riss wurde
sichtbar, der fast alle vom Faschismus unterjochten Nationen durchlief und
die Widerstandskräfte der besetzten Länder in ein rechtes (bürgerliches) und
ein linkes (proletarisches) Lager teilte. Um keinen Preis wollten die rechten
Gruppen die Sowjetunion, den konsequentesten und mächtigsten Feind des
deutschen Faschismus, als Verbündeten anerkennen. Das schuf die Kluft,
das schied sie im Untergrundkampf von den fortschrittlichen Kräften.
Auch in Deutschland selbst verlängerte die volksfeindliche und
antisowjetische Einstellung der rechten Hitlergegner den Fortbestand der
Nazidiktatur. Denn diese lähmende Haltung wirkte bis weit in die
sozialdemokratische Führung hinein; sie vereitelte das Entstehen einer
antifaschistischen Einheitsfront und verhinderte große gemeinsame
Aktionen. Isolierte Aktionen der Rechten - wie der Offiziersputsch vom 20.
Juli 1944 - waren zum Scheitern verurteilt. Für das polnische Volk hatte
diese verhängnisvolle Spaltung gleichfalls tragische Folgen.
Zwei Wege zur Freiheit?
Das Verhältnis der Londoner Emigrantenregierung zur Sowjetunion
schwankte mehrfach, blieb aber im Wesen stets ablehnend. Anfangs erklärte
sie sich als mit der UdSSR im Kriegszustand befindlich, weil diese die
westukrainischen und belorussischen Gebiete wieder besetzt hatte, die ihr
1921 von Pilsudski entrissen worden waren. Zu dieser Zeit verbreiteten die
Londoner ihre „Theorie der zwei Feinde", wonach Deutschland und die
UdSSR gleichermaßen als Gegner betrachtet werden sollten.
Als Hitlerdeutschland im Juni 1941 auch die Sowjetunion überfiel, korrigierte
Premierminister Sikorski diese Linie und entsandte einen Botschafter nach
Moskau. Dort kam man am 14. August überein, in der UdSSR aus
entlassenen polnischen Internierten eine Streitmacht zu bilden, die an der
Seite der Roten Armee bei der Befreiung Polens mitwirken sollte. Diese
Truppe wurde, acht Divisionen stark, auf Wunsch ihres Befehlshabers,
General Anders, weit hinter der Wolga aufgestellt. In einem Augenblick, da
der Feind vor Moskau stand und die Sowjetarmee jede Patrone benötigte,
erhielt sie Waffen und Ausrüstungsstücke im Werte von 300 Millionen Rubel.
Premier Sikorski, der bedeutendste unter den Londoner Exilpolitikern, setzte
sich für ehrliche Einhaltung des offiziellen Bündnisses mit der UdSSR ein.
Doch konnte er sich gegen reaktionäre Generalskameraden vom Schlage
eines Sosnkowski und ihre traurig antiquierten Vorstellungen auf die Dauer
nicht durchsetzen. Die meisten seiner Kabinettsmitglieder wünschten jetzt
lediglich, Deutschland und die Sowjetunion möchten sich gegenseitig
möglichst blutige Wunden schlagen, Ihr enges nationalistisches Denken
erblickte in einer weitgehenden Schwächung der „beiden Feinde" ein
Unterpfand für ein glücklicheres Polen.
Deshalb billigten die Londoner Minister durchaus General Anders' Taktik,
den Einsatz seiner Armee an der sowjetischen Front beharrlich zu
hintertreiben. Ohne einen Schuss abgegeben zu haben, verließ die
polnische Truppe schließlich im August 1942 mit 40 000
Familienangehörigen die UdSSR und zog über Persien in den Irak. Die
Briten transportierten sie nach dem Mittelmeer weiter, wo sie sich fern der
Heimat tapfer schlugen. Anders' Adjutant, Rittmeister Klimkowski, hat später
das hohe Offizierskorps dieser Armee, besonders den General selbst, als
antisemitisch, ränkesüchtig und korrupt geschildert. Der Führungsspitze ging
es nur um die Wiedereinsetzung in ihre alten Vorrechte. Um hier ans Ziel zu
gelangen, war ihr der Umweg über Nordafrika nicht zu weit.
Im April 1943 fand die Wehrmacht bei dem weißrussischen Ort Katyn ein
Massengrab polnischer Offiziere - in russischer Kriegsgefangenschaft vom
sowjetischen Geheimdienst beim Rückzug der Roten Armee umgebracht.
Ein Verbrechen der Stalin-Ära, das nun von Hitlers Propagandaminister
Goebbels angeprangert wurde. Dies schürte den Hass der polnischen
Westemigranten auf die Sowjetunion. Premier Sikorski aber wollte,
zugunsten der Anti-Hitler-Koalition, durch einen Besuch in Moskau dem
offenen Bruch mit der Roten Armee, die seit Stalingrad westwärts vordrang,
entgegenwirken. Doch bei Gibraltar stürzte sein Flugzeug am 4. Juli mitsamt
dem Stab ins Meer. Den militärischen Oberbefehl übernahm nun der
Reaktionär Sosnkowski. Politischer Nachfolger Sikorskis wurde Mikolajczyk,
Führer der Landwirtepartei, ein kleinbürgerlicher Gegner der Sowjetunion.
Unterdessen jedoch zeichnete sich ein zweiter, ganz andersgearteter Weg
des politischen Lebens in Polen ab. Ihn beschritt die polnische revolutionäre
Linke. In jahrzehntelangen Klassenkämpfen vom Vorkriegsregime bespitzelt,
verboten, als landesverräterisch diffamiert und mit terroristischen Methoden
wiederholt zerschlagen, hatte sie sich sowohl in der Heimat als auch in der
UdSSR-Emigration gesammelt. Ihre Bemühungen führten Ende 1941 zur
Gründung der Polnischen Arbeiterpartei (PPR) und einer Nationalen Front,
die Kommunisten, Linkssozialisten und den linken Flügel der
Bauernbewegung umfasste. Sie trat unter dem Vorsitz der Schriftstellerin
Wanda Wasilewsko in Saratow zusammen.
Der Kern dieser fortschrittlichen Gruppe war die PPR. Sie sah in der
Sowjetunion den natürlichen Bundesgenossen des polnischen Volkes, das
sich die politische Macht erkämpfen musste. Eine Bodenreform und die
Enteignung der Großindustriellen standen auf ihrem Programm. Sie billigte
das Selbstbestimmungsrecht der Bevölkerung Belorusslands und der
Westukraine. Vor allem wollte sie mit ganzer Kraft zur Befreiung der eigenen
Heimat beitragen. Hier vermochte sie einen Lebensnerv der faschistischen
Kriegsmaschine zu treffen: Polen war zum wichtigsten Durchgangsland der
Wehrmacht geworden. Deshalb baute die PPR unter enormen
Schwierigkeiten jetzt eine eigene Untergrundbewegung auf - die Volksgarde
(G. L.).
Zwar durfte die Volksgarde von der schwer ringenden Sowjetunion nur einen
Bruchteil der Materialunterstützung erwarten, die Großbritannien der Armija
Krajowa zuteilwerden ließ. Sie konnte auch nicht mit den militärischen
Ködern der alten Armee rechnen. Die ehemaligen Offiziere hatten sich,
soweit sie Widerstandsarbeit leisteten, fast ausschließlich dem Kommando
der Heimatarmee unterstellt. Die A. K. war weit besser ausgerüstet und
wesentlich zahlreicher. Das Stärkeverhältnis zwischen dem Untergrundheer
der Rechten und der Linken schätzte ein Gestapolagebericht noch zu einem
viel späteren Zeitpunkt auf fünf zu eins.
Aber es hemmten die Volksgarde nicht politisch-taktische Vorbehalte. Keine
„Gewehr-bei-Fuß"-Losung minderte ihre Schlagkraft. In dem Bewusstsein,
die sowjetische Front zu entlasten und damit die Naziherrschaft am
wirksamsten abzukürzen, ging sie kompromisslos in den Kampf. Ihre
Stoßtrupps begannen im Frühjahr 1942 groß angelegte Sabotage- und
Störaktionen tief in der deutschen Etappe. Gelegentlich riss sie die
Heimatarmee mit. Unter dem Druck der allgemeinen Stimmung sah sich das
Londoner Kabinett bald genötigt, zum „beschränkten Kampf" aufzurufen.
Ständig verbreitete die Volksgarde die Thesen der Nationalen Front und
forderte alle polnischen Patrioten zur Zusammenarbeit auf.
Um die Jahreswende 1942/43 wandte sich im Namen der Polnischen
Arbeiterpartei Wladislaw Gomulka an die Heimatvertretung („Delegotur") der
Londoner Regierung und schlug ihr Zusammenarbeit vor: Die
Untergrundarmeen der Rechten und der Linken sollten den Befreiungskampf
gemeinsam führen. Die Londoner jedoch lehnten das aus ihrer
antisowjetischen Klasseneinstellung heraus ab. Sie scheuten sich
keineswegs, den Kampf der Volksgarde als „kommunistische Wühlarbeit" zu
verleumden. Ihre Weigerung führte die Heimatarmee letztlich - anderthalb
Jahre später - in die Katastrophe.
Die proletarischen Widerstandsgruppen standen dennoch nicht allein. Frei
von nationalistischen und Rassevorurteilen, halfen ihre Formationen den
jüdischen Gettokämpfern, nahmen deutsche Antifaschisten auf und fanden
Anschluss an belorussische und ukrainische Partisanen, deren Operationen
sich immer mehr auch auf polnisches Gebiet erstreckten. Es sei hier an den
berühmten Streifzug der Kowpak-Partisanen erinnert, die 1943 aus den
Wäldern von Brjansk bis Galizien vordrangen. Im folgenden Jahr stieß ein
ähnlicher Verband, geführt vom sowjetischen Oberstleutnant Werschigora,
von Lwow aus auf Warschau. Und schließlich suchte die Volksgarde auch
Verbindung mit den heranrollenden Angriffsspitzen der Roten Armee, in
deren Reihen polnische Divisionen vorrückten.
Bald nach dem enttäuschenden Abzug der Anders-Truppe nämlich hatte die
Sowjetregierung polnischen Patrioten geholfen, neue Streitkräfte zu
formieren. Diese reguläre Armee war ostwärts Moskau und bei Sumy
aufgestellt worden. Sie hatte im Sommer 1943 bei Lenino ihre Feuerprobe
bestanden. Die polnische 1. Armee bestand aus Männern, die überzeugt
waren, dass die Straße zur Freiheit nicht über Afrika und durch das Lager
der Westmächte führte. Im November setzte sie im Verband der 1.
Ukrainischen Front bei Kiew über den Dnepr und schlug die Winterschlacht
auf dem rechten Ufer mit. Ein Vierteljahr später überschritt sie zwischen
Korosten und Sarny die ehemalige Ostgrenze Polens und nahm - nun nur
noch 350 Kilometer von Warschau entfernt - an den Aprilkämpfen um Kowel
teil, Ohne Umweg zielte ihr Marsch auf die Heimat.
Dort spielte sich noch immer ein oft verzweifeltes Ringen ab. Der ungleiche
Kampf gegen die faschistische Besatzungsmacht forderte täglich blutige
Opfer. Unter Vorsitz des späteren Staatspräsidenten Bierut (Deckname
„Tomasz") trat am 1. Januar 1944 im SS-beherrschten Warschau furchtlos
ein Landesnationalrat zusammen, dem Kommunisten, Sozialisten, die
Linken der Bauernbewegung und parteilose Demokraten angehörten. Dieses
Untergrundparlament einte der Wille, die nationale mit einer echten sozialen
Befreiung zu verknüpfen. Es bildete die Volksgarde zur Volksarmee (A. L.)
um. Die Armija Ludowa sollte zum Sammelbecken der bewaffneten Kräfte
des Fortschritts werden.
Gab es für Polen zwei Wege zur Freiheit? Konnte das Volk auch unter dem
Banner der liberalen Bourgeoisie, die sich in London eine Regierungsspitze
geschaffen hatte, in eine helle Zukunft ziehen? Die Besten der polnischen
Arbeiter und Bauern, die klarsehenden bürgerlichen Patrioten wussten:
niemals. Ihnen hatte Polens Vorkriegsgeschichte gezeigt, wie jene Schicht
Bevorrechteter, die Industriekonzerne, Großgrundbesitz und Banken
beherrschten, die nationale Wiedergeburt schon einmal zur Totgeburt
gemacht hatten. Solange sie die Staatsgewalt noch nicht wieder in den
Händen hielten, hatten sich die alten Herren höchst liberal gebärdet; später
waren sie zum Totengräber der Freiheit geworden. Wer die Freiheit erringen
und wahren wollte, musste diese Volksfeinde für immer von der Macht
fernhalten.
Der Plan "Gewitter"
Inzwischen sind die Aufstandspläne der Heimatarmee weiter gediehen.
Ihnen liegt bis zum Herbst 1943 die Idee einer allgemeinen Erhebung im
ganzen Land zugrunde. Auch Zivilisten sollen mitkämpfen. Im passenden
Moment soll der Sturm überall zugleich losbrechen: Zu einem Zeitpunkt, an
dem die Macht der Deutschen von außen her ins Wanken gerät. Dann
nämlich entscheidet sich - wie man in London glaubt - die Frage, wer die
Regierungsgewalt in Polen übernimmt. Um keinen Preis die Kommunisten!
Man hofft auf britische Truppen, die auf dem Luftwege oder von Jugoslawien
her in den Endkampf eingreifen.
Diese Hoffnung hängt mit Churchills Geheimplan zusammen, auf dem
Balkan zu landen. Der britische Premier hegt jahrelang den fantastischen
Gedanken, die zweite Front gegen den deutschen Faschismus nicht in
Westeuropa, sondern im Südosten zu errichten. Er will mit einer
angloamerikanischen „Flutwelle vom Mittelmeer her, entlang der historischen
Achse Belgrad-Warschau" der siegreichen Sowjetarmee zuvorkommen, ihr
den Weg nach Jugoslawien, Ungarn, Polen verlegen und die antiquierten
Vorkriegsverhältnisse dieser Länder unter dem Schutz westalliierter Militärs
wiederherstellen. Königstreue Parteien fördert er besonders, sie gelten als
sicherster Schutz gegen den Kommunismus. Doch nur in Griechenland
gelingt ihm die Wiederherstellung der Monarchie.
In Erwartung britischer Waffenhilfe schafft die Heimatarmee ein straffes
Mobilmachungssystem. Ihr Stab teilt das Land in Wehrbezirke ein. Der
Wehrbezirk Warschau ist Schwerpunkt: Hier wird das Emigrantenkabinett
einziehen und als Polens neue Regierung amtieren. Wer Warschau besitzt,
ist im Vorteil! Mühsam werden die Standorte der deutschen Garnisonen,
Ämter, Polizeiwachen, SS-Stützpunkte erkundet und mit Rotstift in einen
Stadtplan vom Maßstab 1:25 000 eingezeichnet. Das Stadtgebiet gliedert
man in acht Wehrbezirke, diese wiederum in mehrere Wehrbereiche.
Mobilisiert werden soll durch Geheimkuriere in drei Alarmstufen. Die dritte
Stufe, unmittelbar vor Aufstandsbeginn, verlangt das Sammeln der
Sturmgruppen an den Bereitstellungspunkten. Da die Feuerkraft der Armija
Krajowa kaum für einen Tagesangriff ausreicht, will man nachts losschlagen.
In der Hauptstadt rechnet man mit hartem Widerstand. Hier ist der Feind
sehr stark. Die Provinz soll im Handstreich genommen und Warschau gegen
Entsatztruppen allseitig abgeschirmt werden. Man hofft, die Faschisten in
Mittelpolen binnen vier Tagen zu überwältigen.
Am 27. Oktober 1943 jedoch erfährt der A.K.-Befehlshaber Bór aus London,
dass er mit britischer Unterstützung großen Stils, besonders Luftlandungen
westalliierter Truppen, kaum mehr rechnen darf: Während der Moskauer
Außenministerkonferenz hat Eden nicht einmal die USA für Churchills
strategisch sinnlose Invasionsabsichten auf dem Balkan gewinnen können.
Die Sowjetunion besteht auf der längst vereinbarten, von den Westmächten
immer wieder hinausgezögerten Landung in Frankreich,
Nun ist klar, die Rote Armee wird Polen befreien. Bór weiß, das kann nicht
schlagartig, sondern nur schrittweise geschehen, gegen den zähen
Widerstand der faschistischen Wehrmacht. Ihre Rückzugsschlachten hat er
studiert. Wenn es so weit ist, wird ein millionenstarkes Feindheer im Lande
stehen. Er gibt den Gedanken einer großen Erhebung auf. Seine
Operationsabteilung entwirft statt dessen unter der Tarnbezeichnung „Burza"
(Gewitter) einen ganz andersartigen Plan. "Gewitter", an dem sich nur
bewaffnete Kämpfer beteiligen sollen, sieht kleine Einzelaufstände vor. Bór
will sie zu verschiedenen Zeitpunkten, entsprechend der Frontbewegung, im
Rücken der Deutschen befehlen: Stets dicht hinter deren Linien und kurz
bevor die Rote Armee die Aufstandspunkte erreicht.
Militärisch ist dieser Plan richtig. Er entspricht weit besser als der erste den
beschränkten Kräften der A.K.; und ersetzt nicht mobilisierte
Zivilistenmassen, die man weder bewaffnen noch überall sinnvoll verwenden
kann, einem faschistischen Gemetzel aus. Erfolgreich durchführbar ist er nur
im Zusammenwirken mit den sowjetischen Truppen, genau wie der
ursprüngliche Plan engstes Zusammenwirken mit den Briten erfordert hätte.
Es müssten jetzt Kuriere getauscht, Aktionen abgestimmt werden; kaum
einer im Stabe der Heimatarmee, der das nicht begreift.
Hier aber zerschellt die militärische Einsicht Bórs an ideologischen
Schranken. Er und seine Londoner Vorgesetzten wollen das Vaterland nicht
gemeinsam mit der Roten Armee, sondern nur unter deren beiläufiger,
anonymer Mitwirkung befreien - die sie geschickt zu nutzen gedenken.
Bewusst täuschen sie sich über die entscheidende Rolle der Roten Armee,
ignorieren, dass diese die Hauptlast des Kampfes trägt. Sie wollen nicht
wahrhaben, dass die sowjetischen Truppen zwar ohne sie imstande sind, die
Faschisten zu vertreiben, nicht aber sie ohne die Sowjettruppen.
Diese Tatsache hoffen sie aus dem Gedächtnis der Nation zu löschen. Die
Welt soll meinen, das bürgerliche Polen habe, bei geringem Anstoß von
außen, die Fesseln selbst gesprengt. Weder die polnischen Generale noch
ihre britischen Schirmherren verständigen die Sowjetunion. Denn im tiefsten
Herzen wünschen sie Polen nicht mit ihr, sondern gegen sie zu befreien.
Wie jedoch soll das vonstatten gehen?
Scheitern oder Gelingen der „Gewitter"-Aktionen hängt nun überall vom
Vormarsch der Roten Armee ab, deren Pläne die Heimatarmee so wenig
kennt wie der sowjetische Hauptstab das polnische Aufstandsvorhaben. In
völliger Unkenntnis der sowjetischen Operationsziele wollen Bór und seine
Offiziere örtliche Erhebungen auslösen. Was man da beabsichtigt, wird in
gewohnter Weise der Volksarmee verschwiegen, auch keiner anderen
Widerstandsgruppe mitgeteilt. Die SS jedoch erfährt davon und trifft ihre
Vorkehrungen, soweit das die allmählich schwindenden deutschen Kräfte
zulassen.
Die große Flut
Im Frühsommer 1944 war das faschistische Heer erschöpft, aber noch zu
Gegenschlägen fähig. Es zählte viereinhalb Millionen Mann Feldtruppen,
verstärkt durch 500 000 SS-Leute, Luftwaffen-Felddivisionen und
verbündete Armeen. Daheim lagen 900 000 Krüppel, Kranke und
Schwerverletzte in den Lazaretten. Anderthalb Millionen Tote hatte der
imperialistische Raubkrieg dem deutschen Volk bis dahin abgefordert - eine
Zahl, die sich bis zum Kriegsende noch fast verdoppeln sollte. Eine Million
Gefangene saß hinter fremdem Stacheldraht. Im anglo-amerikanischen
Bombenhagel waren 300 000 Großstädter verbrannt oder erstickt, fünf
Millionen obdachlos geworden.
Die Faschisten aber gaben nicht auf. Ihre Kriegsmaschine knirschte, es
fehlte an Treibstoff und Munition, doch sie lief noch. Jeden dritten
männlichen Deutschen, gleich welchen Alters, hatten die Militärbehörden in
Uniform gezwungen und eben wieder eine halbe Million Rekruten
ausgehoben. 400 000 weitere standen, hastig gedrillt, zur Absendung an die
Front bereit. 100 000 Mann Sanitätspersonal machten die
Zusammengeschossenen von Neuem „kriegsverwendungsfähig".
Der Hauptstrom frischen Kanonenfutters floss nach dem Osten. In der Roten
Armee sahen die Nazigeneräle ihren weitaus gefährlichsten Feind. Bis zum
Juni 1944 hatte die Wehrmacht 85 Prozent ihrer Gesamtverluste in der
Sowjetunion erlitten. Das änderte sich auch nach der Normandielandung
nicht wesentlich. Am Tage des Attentats auf Hitler standen rund fünfzig
faschistische Divisionen in Frankreich, zwanzig in Italien, im Osten jedoch
zweihundertdreißig.
Da griff am 23. Juni die Sowjetarmee im Mittelabschnitt mit geballter Wucht
an. Anderthalb Millionen Rotarmisten und 4 000 Panzer warfen sich auf die
deutschen Linien. Ein 350 Kilometer langer Frontbogen zerbrach im Nu. Drei
Jahre hindurch hatte die Sowjetarmee unter schweren Opfern allein der
Wehrmacht widerstanden, ihr zuletzt immer mächtigere Schläge versetzt mäßig unterstützt von den Westmächten, die ihr nur fünf Prozent des
benötigten Kriegsmaterials liefern konnten. Nun durchstieß sie binnen vier
Wochen das Hinterland der faschistischen Heeresgruppe Mitte, schloss eine
100 000 Mann starke faschistische Gruppierung ostwärts Minsk ein,
vernichtete innerhalb weniger Tage 30 Divisionen und drang 450 Kilometer
nach Westen vor.
Hochsommerglut lastete über Belorussland. In brodelnder Hitze fluteten die
Trümmer der vier deutschen Armeen zurück. Grauer Staub sprühte auf,
legte sich auf die Kehlen, bedeckte das versengte Gras, über dem Schilf der
Sümpfe spielten Mücken, und es roch nach Waldbränden. „Verrat!", raunten
die irregeführten deutschen Soldaten einander zu. .Die Generale haben uns
verraten!" Von sowjetischen Panzerkeilen abgeschnitten, ergaben sie sich
nach oft wochenlangem Umherirren; oder sie starben einen qualvollen,
einsamen, nutzlosen Tod.
Das Ausmaß der Niederlage übertraf die Katastrophe von Stalingrad. Ein
Gebiet vom Umfang der britischen Insel war der Wehrmacht entrissen
worden. Und während diese mächtige Welle ausrollte, 200 Kilometer
nordostwärts Warschau gegen hastig herangeführte faschistische Reserven
brandete, brach südlich des Sumpfgebietes Polessje ein neuer Angriff los.
Von der Ukraine her überschritten Panzerverbände am 20. Juli den Bug. Sie
wandten sich nach Norden und bohrten sich in die offene Flanke des
Heeresgruppenrests, der eben erst zum Stehen kam. Jede Gegenwehr
zwischen Brest und Lublin schwemmten sie hinweg. Ihre Spitzen erreichten
vier Tage später die Weichsel, zwei Autostunden südostwärts der polnischen
Hauptstadt.
Mit verbundenen Augen
In der deutschen Etappe bricht Panik aus. Durch Warschau irren
Wehrmachtseinheiten, geschlagen und zersprengt. Von Mund zu Mund
springt die Parole „rückwärts sammeln!" Flüchtende „Volksdeutsche"
verstopfen die Straßen nach Posen und Lodz. Fabrikeinrichtungen werden
überstürzt verladen, Besatzerfamilien evakuiert. Der Distriktchef,
Nazigouverneur Dr. Fischer, entweicht unter dem Vorwand einer Dienstreise
nach Berlin.
Der SD-Kommandeur des am meisten bedrohten Distrikts, Radom, befiehlt
am 19. Juli, dass „in allen Fällen, in denen Attentate auf Deutsche erfolgt
sind oder Saboteure lebenswichtige Einrichtungen zerstörten, nicht nur die
gefassten Täter erschossen werden, sondern darüber hinaus sämtliche
Männer der Sippe gleichfalls zu exekutieren und die dazugehörigen
weiblichen Angehörigen über 16 Jahre in das KZ einzuweisen sind."
Zwei Tage darauf verfügt er: „Soweit es die Frontlage erforderlich macht,
sind rechtzeitig Vorkehrungen für eine Totalräumung der Gefängnisse zu
treffen. Bei überraschender Entwicklung der Lage, die einen Abtransport der
Häftlinge unmöglich macht, sind die Gefängnisinsassen zu liquidieren, wobei
die Erschossenen nach Möglichkeit beseitigt werden müssen. (Verbrennen,
Sprengung der Gebäude u. ä.) Unter allen Umständen muss vermieden
werden, dass Gefängnisinsassen vom Gegner, sei es
Widerstandsbewegung oder Rote Armee, befreit werden bzw. ihnen lebend
in die Hände fallen."
General Bór alarmiert die Heimatarmee des Wehrbezirks Warschau, zögert
aber, den Aufstandsbefehl zu geben. Seine Streitmacht ist geschwächt. Im
März hat er Warschau aus dem „Gewitter"-Plan herausgenommen, damit die
Hauptstadt nicht zerstört werde. Er hat 4 000 der bestausgerüsteten
Untergrundkämpfer, auch Waffentransporte, in die östlichen Wehrbezirke
geschickt, wo die ersten Erhebungen stattgefunden haben: Die Rote Armee
sollte auf polnischem Boden sofort Truppen der Londoner Regierung
vorfinden und respektieren müssen. Doch sie hat Städte wie Lwow und
Lublin in schnellem Zugriff genommen. Die Heimatarmee ist nicht recht zum
Zuge gekommen.
Das soll sie nun. Bórs Stob wägt die Kräfte ab. 11 000 deutsche Soldaten
liegen mitten in Warschau, 5 700 SS-Leute und Polizisten, weiter 3 500
Mann Bahn- und Werkschutz: Zusammen zwanzigtausend
schwerbewaffnete, gut verschanzte Faschisten, nicht gerechnet die weit
überlegenen Feindkräfte außerhalb der Stadt. Ihnen stehen knapp
vierzigtausend Mitglieder der Heimatarmee gegenüber. Dazu die Kämpfer
der Volksarmee und der kleineren Widerstandsgruppen, etwa sechstausend
Mann, von denen Bór weiß, sie werden in den Aufstand hineingerissen
werden, ob sie das Unternehmen billigen oder nicht.
Jetzt losschlagen? Die Frontsituation ist unklar, von ihr hängt alles ab. Sind
die Städte im Osten zu schnell gestürmt worden, als dass man sichtbar hätte
eingreifen können, so kann sich umgekehrt die Eroberung Warschaus
verzögern.
Was, wenn der sowjetische Angriff 50 Kilometer vor der Stadt steckenbleibt?
Die eigene Munition reicht nur für vier bis fünf Kampftage.
Bór schwankt. Am 25. Juli funkt er nach London: »Wir sind bereit zum Kampf
um Warschau. Die Landung einer Fallschirmbrigade würde große politische
Bedeutung haben ..." Und ein paar Stunden später: „Beim jetzigen Stand der
deutschen Streitkräfte in Polen und angesichts ihrer Vorbereitungen auf
einen Aufstand - Ausbau eines jeden von deutschen Truppen besetzten
Gebäudes und sogar eines jeden von deutschen Ämtern belegten Hauses
zur Festung mit Bunkern und Stacheldrahtverhauen - hat ein Aufstand keine
Aussicht auf Erfolg."
Dieser militärischen Erkenntnis steht der allgemeine Kampfwille entgegen,
ferner das politische Ziel. Die Londoner Emigrantenkreise drängen zum
Handeln, nachdem sie erfahren haben, dass am 22. Juli in Chelm auf
befreitem polnischem Boden der Landesnationalrat, das Vorläufige
Parlament des Volkes, das Polnische Komitee der Nationalen Befreiung als
legale provisorische Regierung berufen hat. Sie zieht wenige Tage später in
das befreite Lublin ein. Die Westemigranten sind aufs Höchste beunruhigt.
Katowicer Grubenbesitzer, Textilmillionäre aus Lodz, der begüterte Adel - sie
alle bangen um ihre alten Rechte. Ihnen soll die Heimatarmee nun endlich
ein Alibi verschaffen, das sie am Ende des Krieges berechtigt, mitzureden
und ihre Ansprüche durchzusetzen. Die große patriotische Woge gedenken
sie für ihre Klasseninteressen zu nutzen. So stark ist ihr Einfluss auf die
Exilregierung, dass diese Ende Juli ihren Chef Mikolajczyk nach Moskau
schickt, um die Anerkennung ihrer Macht- und Gebietsinteressen zu
ertrotzen.
Nun überstürzen sich die Ereignisse. Der Aufstand ist beschlossene Sache,
seine Auslösung nur noch eine Frage der Zeit. Den A.K.-Offizieren, die sich
um das Schicksal der Hauptstadt und ihrer Millionenbevölkerung sorgen,
wird versichert, man könne Warschau nicht vor der Zerstörung bewahren,
indem man zögere: „Die Deutschen nutzen an Flüssen gelegene Städte aus,
um Widerstandspunkte zu schaffen, die lange und verbissen verteidigt
werden." Auch scheint ein faschistischer Befehl vom 27. Juli, der 100 000
Warschauer zum Stellungsbau auffordert, eine Zwangsevakuierung
einzuleiten, die das Gefüge der Heimatarmee bedroht.
Am selben Tag werden im A.K.-Stab noch einmal Warnungen laut. Deutsche
Panzerkolonnen rollen ostwärts durch die Stadt, offenbar verstärken frische
Kräfte die Front. Verantwortungsbewusste Offiziere erinnern an die
fehlenden Kontakte zur Roten Armee. Sie raten, mit dem Aufstand zu
warten, bis die Weichselbrücken angegriffen werden. Doch die Sorge,
sowjetische Truppen könnten noch vor Beginn der Erhebung in Warschau
einrücken, ist stärker.
Oberst Monter, örtlicher (Wehrbezirks-)Befehlshaber der Heimatarmee,
verfügt eigenmächtig das Sammeln der Sturmgruppen. Es dauert viele
Stunden, bis eine solche Weisung durch die konspirativen Kanäle bis hinab
zu den Einheiten dringt. General Bór erteilt am 28. Juli Gegenbefehl. Er hat
sich noch immer nicht entschlossen. Aber nun beginnt er zu fürchten, das
Oberkommando der Volksarmee könne ihm mit dem Aufstandssignal
zuvorkommen. Ein Aufruf des Moskauer Kosciuszko-Senders, der freilich
ganz allgemein die Befreiung Polens ankündigt und zur
Verteidigungsbereitschaft auffordert, bestärkt ihn in diesem Verdacht.
Tags darauf entscheidet er, grundsätzlich um fünf Uhr nachmittags
loszuschlagen. Im starken Berufsverkehr ist der Aufmarsch leicht zu tarnen.
Dass ein Kampfbeginn um diese Stunde die meisten Familien
auseinanderreißt, kümmert ihn nicht. Es ist sogar wünschenswert: Die
abgeschnittenen Männer werden, wenn auch waffenlos, seine Streitmacht
stärken. Damit kehrt die Heimatarmee im letzten Augenblick zum alten Plan
einer Massenerhebung zurück; jedoch unter veränderten, fast
selbstmörderischen Bedingungen.
Was jetzt folgt, ist eine hektische Improvisation. Mit dem Näherrücken der
Front schwillt die deutsche Garnison in Warschau auf annähernd 36 000
Mann an. Im östlichen Vorfeld operieren vier frisch herangeführte
Panzerdivisionen (die 19., „Totenkopf", „Wiking", „Hermann Göring") und die
73. Infanteriedivision. Sie fangen einen sowjetischen Stoß auf, der
Gefechtslärm dringt bis in die Stadt. In dieser Lage überbringt Monter die
irrige Meldung, sowjetische Panzer rollten in die östliche Vorstadt Praga ein.
Er beschwört den Stab, den Kampf zu eröffnen: „Sonst ist es zu spät."
Bór holt die Zustimmung der Londoner Regierungsvertreter ein. Die wirkliche
Frontsituation zu erkunden ist keiner imstande. Er setzt alles auf eine Karte.
Am 31. Juli gegen 18 Uhr gibt er Monter die mündliche Weisung: „Morgen,
Punkt 17 Uhr, eröffnen Sie das Unternehmen 'Gewitter' in Warschau ..." Mit
verbundenen Augen hat der General einen tragischen Entschluss gefasst.
Warschaus Stunde
Der gewiss nicht sowjetfreundliche Nazigeneral v. Tippelskirch schreibt fünf
Jahre später in seiner „Geschichte des Zweiten Weltkriegs": „Als sich
Rokossowskis Armeen Ende Juli anscheinend unaufhaltsam der polnischen
Hauptstadt näherten, hielt die polnische Untergrundbewegung die Stunde
der Erhebung für gekommen. Auch an einer Aufmunterung von englischer
Seite hat es wohl nicht gefehlt. Gehörte es doch zu den schon vorher in Rom
und bald darauf in Paris von den Engländern angewandten Gepflogenheiten,
die Bevölkerung der Hauptstädte, deren Befreiung bevorzustehen schien,
zur Erhebung aufzurufen. Der Aufstand brach am 1. August aus, als die
Kraft des russischen Vorstoßes bereits gebrochen war und die Russen den
Versuch, die Hauptstadt im Handstreich zu nehmen, einstellten. So blieben
die polnischen Aufrührer sich selbst überlassen. Sie hatten zunächst
überraschend große Erfolge."
Eine so kurzfristige Mobilisierung, wie sie Bór befohlen hatte, konnte in der
feindbesetzten Stadt nicht restlos gelingen. An drei Punkten - auch im
nördlichen Wola, nahe dem A.K.-Hauptquartier - entwickelten sich vorzeitig
Gefechte; anderwärts griff man verspätet an. Das Aufstandssignal war kurz
vor der Sperrstunde ergangen, daher erst am folgenden Tage zu den
meisten Einheiten gelangt, die knapp zwei Drittel ihrer verstreut wohnenden
oder arbeitenden Mitglieder rechtzeitig hatten verständigen und sammeln
können. Nur dank hoher Kampfdisziplin glückte der Aufmarsch im Ganzen.
„Punkt fünf Uhr nachmittags blitzten, als sie aufgerissen wurden, Tausende
von Fenstern", schrieb Bór später in seinen Memoiren. „Von allen Seiten
ging ein Kugelhagel auf die vorübergehenden Deutschen nieder, zerfetzte
ihre marschierenden Kolonnen und prallte gegen die von ihnen besetzten
Baulichkeiten. Die Zivilisten verschwanden im Nu von den Straßen, während
die sich zum Angriff sammelnden Männer aus den Häusern strömten.
Binnen fünfzehn Minuten war die ganze Stadt mit ihrer Million Einwohner
zum Kampfplatz geworden. Jeder Verkehr hörte auf. Der große Knotenpunkt
Warschau hinter der deutschen Front mit seinen aus Nord, Süd, Ost und
West zusammenlaufenden Straßen bestand nicht mehr."
Nach dem ersten Feuerschlag begann der Sturm auf die faschistischen
Stützpunkte. In unbeschreiblichem Schwung warfen sich Stoßtrupps gegen
Stacheldrahtverhaue, verbluteten vor Bunkern, drangen schließlich in die
Gebäude ein. Jeder Winkel, jedes Zimmer musste Schuss um Schuss, Mann
gegen Mann den Besatzungen entrissen werden. Die Deutschen wussten,
dies war die Stunde der Vergeltung, Sie verteidigten Stockwerk für
Stockwerk, kämpften ums nackte Leben, und sie hatten die besseren
Waffen,
Zu diesem Zeitpunkt besaßen die Aufständischen nicht mehr als tausend
Karabiner, 500 Maschinenpistolen, sieben schwere und sechzig leichte MG,
zwanzig Panzerbüchsen, 3 700 Pistolen, einige Hundert selbstgefertigte
Handgranaten und fünfzehn Granatwerfer mit 25 000 Schuss. In letzter
Minute hatte der Feind mehrere Waffenlager aufgespürt, den polnischen
Kämpfern mangelte es an vielem. Ihr Mut aber und der Wille, die verhassten
Faschisten nach fünf Leidensjahren in einem einzigen Augenblick
hinwegzufegen, gaben dem Angriff vernichtende Wucht.
Bis zum Abend hatten die Deutschen 7 000 Mann verloren. Sie verteidigten
noch mit schwerer Flak die Weichselbrücken, behaupteten die Bahnhöfe,
wehrten sich am Dreikreuzplatz und im Pawiakgefängnis, hielten - gedeckt
von 18 Panzerwagen - die Regierungspaläste am Sächsischen Garten,
ferner die Universität, die alte Zitadelle, das Polizeiviertel rund um die
Schuch-Allee und einige weitere, zu Festungen ausgebaute Häuser. Auch
der Vorort Ochota, wo starke faschistische Alarmeinheiten lagen, die
Flugplätze Bielany im Norden, Okecie im Süden und das rechte
Weichselufer waren in ihrer Hand. Die Aufständischen jedoch beherrschten
80 Prozent des Stadtgebiets, und sie sicherten das Errungene nun durch ein
tief gestaffeltes System mächtiger Barrikaden.
Dahinter erwachte Warschau zu neuem Leben. Ein ungeheurer Druck wich
von den Menschen, sie wähnten den Sieg nahe. In den ersten Stunden der
heiß ersehnten Freiheit rissen sie Hitlerbilder von den Wänden und
schleuderten alles, was an die faschistische Unterdrückung erinnerte,
zerfetzt auf die Straßen. Naziakten und deutsch bedruckte Zettel bedeckten
wochenlang das Pflaster. Aus den Radios schallten die Stimmen der
ehemals verbotenen alliierten Sender. Vom Prudentialgebäude, einem
Hochhaus im Zentrum, wehte die weiß-rote Flagge.
Als die Nacht kam, brannte in den befreiten Vierteln Licht. In stundenlangem
Nahkampf hatten die Aufständischen das Elektrizitätswerk nahe dem
Weichselufer erobert; es gab keine Stromabschaltungen mehr. Man war
voller Hoffnung, tausend Hände regten sich, schufen Truppenquartiere und
Lazarette. Beutewaffen und deutsche Uniformen wurden an die Kämpfer
verteilt. Keime einer Zivilverwaltung bildeten sich, mit eigener Post,
Hilfsdiensten, Gendarmerie, Gerichtsbarkeit und Munitionsherstellung. In
den erstürmten Druckereien bereiteten Dutzende von Zeitungen ihr
Erscheinen vor. Alle politischen Richtungen waren zugelassen - ein Beispiel
für die liberale Duldsamkeit, die die Bourgeoisie dort walten lässt, wo sie auf
den Schwung der Massen angewiesen ist.
Am nächsten Morgen vereitelten die Aufständischen planlose
Ausbruchsversuche der Faschisten und erbeuteten zwei schwere Panzer.
Trotz aller Verluste waren sie in diesem und während der folgenden Tage
schlagkräftiger als zuvor. Die übrigen Widerstandsgruppen hatten die
Heimatarmee verstärkt: Oft stießen sie spontan hinzu, da ein Teil ihrer Stäbe
außerhalb der Stadt vom Aufstand überrascht worden war. „Die bewaffnete
Aktion wird, unabhängig davon, von wem und zu welchem Zweck sie
begonnen wurde, von Warschaus Bevölkerung unterstützt", schrieb „Armija
Ludowa", die Zeitung der Volksarmee. „An allen Abschnitten ist
gemeinsames Handeln vereinbart."
Freiwillige baten um Waffen, doch die waren knapp. Man wartete auf die
versprochene britische Luftunterstützung und auf die - nicht verständigte Rote Armee. Nun, da Bór vier Fünftel der Hauptstadt in den Händen hielt,
wünschte er Sowjettruppen herbei. Sie konnten ihm den Ruhm des Befreiers
nicht mehr streitig machen, und er brauchte ihre Hilfe, ehe die Faschisten
zum Gegenschlag ausholten. Im Osten rumorte die Front ... Mit Bór bangte
ganz Warschau, bangten die Menschen, die nichts vom Vabanquespiel der
Londoner ahnten, Sie horchten hinüber zum anderen Weichselufer, spähten
in den Himmel. Aber erst in der Nacht des 4. August warfen zwei britische
Flugzeuge Versorgungsgut ab. Und fast zur selben Stunde verstummte im
Osten die Artillerie.
Was ist geschehen? Warum schweigen die sowjetischen Geschütze?
Antikommunisten verbreiten das Gerücht, die Rote Armee lasse Warschau
vorsätzlich im Stich. Bis auf den heutigen Tag erhebt die Propaganda des
Westens dreist diese Behauptung, allen militärischen Tatsachen zum Trotz.
Die Zwickmühle
Schon als der Aufstand ausbrach, war die Front im Raum Warschau zum
Stehen gekommen. Ende Juli war die 1. Belorussische Front Rokossowskis
vor der mittleren Weichsel nach Norden geschwenkt. Der sowjetische
Marschall wollte die geschlagene Heeresgruppe Mitte in der Flanke fassen.
Deren neuer Chef, Model, verstand sich jedoch darauf, ermattete Truppen
von Neuem in die Schlacht zu werfen. Seine Feldgendarmen hetzten jeden,
der noch ein Gewehr halten konnte, wieder nach vorn. Auch trafen
südostwärts Warschau starke Reserven ein.
Am 27. Juli stieß Rokossowskis Westflügel bei Garwolin und Siedlce auf
frische deutsche Kräfte. Von Bialystok war das IV. SS-Panzerkorps
herangebracht worden, die 19. Panzerdivision aus Holland, die FallschirmPanzerdivision „Hermann Göring" aus Italien. Deutsche Schlachtflieger
griffen am folgenden Tag 560-mal in den Erdkampf ein. Dennoch brach der
sowjetische Stoßkeil durch und schob sich bis zum 31. Juli siebzig Kilometer
vor, an Warschau vorbei auf Radzymin. Dabei aber wurde er von der 9.
Armee und der zurückbrechenden 2. Armee in die Zange genommen, seine
Spitze am 2. August abgekniffen. Es gelang nicht mehr, das weit
vorgepreschte III. Panzerkorps aus der faschistischen Umklammerung zu
befreien. Die sowjetischen Truppen waren vom langen Vormarsch erschöpft,
ihre Nachschublinien überdehnt, Treibstoff und Munition aufgebraucht.
Das eingeschlossene Korps wehrte sich bis zuletzt. Alle Entsatzangriffe
scheiterten. Im Kessel nordostwärts Warschau schwiegen am 5. August die
Waffen. Die sowjetischen Geschütze feuerten nicht mehr, weil ihre
Kanoniere zerfetzt oder in den Panzern verbrannt waren. Rokossowski
konnte den eigenen Männern nicht helfen, die diesseits der Weichsel
zugrunde gingen. An eine Flussüberquerung, an einen Stoß auf Warschau
war noch viel weniger zu denken. Der Londoner Rundfunk jedoch meldete in
jenen Tagen, Rokossowski sei dabei, Warschau einzukreisen. „Der Gürtel
verengt sich", behauptete die BBC in einer ihrer polnischsprachigen
Nachrichtensendungen. „Der Angriff wird von drei Seiten vorgetragen ...
Warschau langsam umzingelt." Durch Falschmeldungen führte Radio
London die Aufständischen irre, versprach den Polen Unterstützung und
appellierte im Übrigen an das „Gewissen der Welt".
Obwohl örtlich geschwächt, griff die Rote Armee den vierzig Kilometer tiefen
deutschen Brückenkopf ostwärts Warschau weiterhin an. Sie engte ihn
allmählich ein. Es dauerte aber mehrere Wochen, ehe sie - über zunächst
zerstörte Transportwege - genügend Nachschub heranbringen und erneut
das Übergewicht erlangen konnte. In dieser Zeit bedrängten westalliierte
Ministerpräsidenten die Sowjetregierung mit Hilfsgesuchen. Besonders
Churchill und der nach Moskau geeilte polnische Emigrantenchef
Mikolajczyk erhoben hartnäckige Forderungen.
In seiner Botschaft vom 16. August sicherte Stalin dem britischen Premier
Waffenabwürfe zu, lehnte aber die Verantwortung für den Aufstand mit
folgenden Worten ab: .... bin ich, nachdem ich mich gründlicher über die
Warschauer Affäre informiert habe, zur Überzeugung gelangt, dass die
dortige Aktion ein tollkühnes, furchtbares Abenteuer darstellt, das der
Bevölkerung schwere Opfer auferlegt. Das hätte nicht sein müssen, wäre
das Sowjetkommando vor Beginn der Warschauer Aktion informiert worden
und hätten die Polen die Fühlung mit ihm aufrechterhalten."
Im Zusammenhang mit der Niederlage bei Radzymin stellte der Aufstand die
sowjetische Führung vor schwierige Entscheidungen. „Vom militärischen
Standpunkt aus", telegrafierte Stalin sechs Tage später an Roosevelt und
Churchill, „ist die entstandene Situation, die die Aufmerksamkeit der
Deutschen in zunehmendem Maße auf Warschau lenkte, für die Rote Armee
ebenso ungünstig wie für die Polen. Die Sowjettruppen, die kürzlich auf neue
und beachtenswerte Anstrengungen der Deutschen gestoßen sind ..., zur
Gegenoffensive überzugehen, tun ihr Möglichstes, ... im Raum Warschau
einen neuen groß angelegten Angriff auszulösen. Es besteht kein Zweifel
darüber, dass es die Rote Armee nicht an Anstrengungen fehlen lässt, die
Deutschen rund um Warschau niederzuringen und Warschau für die Polen
zu befreien."
Was die sowjetische Führung zum gegebenen Zeitpunkt in dieser Sache
auch tat, es musste ihr schaden. Ein Frontalangriff auf Warschau von Osten
her hätte die im Vorfeld der Stadt konzentrierten faschistischen Kräfte
niederkämpfen müssen, die gut vorbereitete Stellungen verteidigten. Ein
solches Unternehmen hatte in diesen Augusttagen keine Aussicht auf Erfolg,
weil die Frontlage Vorbereitungen, die zu diesem Schlag unbedingt
notwendig waren, nicht zuließ. Improvisierte die sowjetische Führung in der
unmittelbaren Nähe Warschaus eine Weichselüberquerung, riskierte sie auf
dem Westufer eine zweite Niederlage. Ließ sie sich aber auf ein so
unverantwortliches Wagnis nicht ein, hatte sie mit politischen
Verleumdungen zu rechnen. Die britische liberale „News Chronicle"
umschrieb diesen Sachverhalt Mitte August so: Die polnische Exilregierung
habe aus Prestigegründen den Aufstandsbefehl zu früh gegeben und damit
„politisch und militärisch Moskau aufs Eis geführt". Im Allgemeinen indes
vermied es die Westpresse, nach den Schuldigen zu forschen. Neutrale
Zeitungen urteilten meist wie das St. Gallener Tageblatt: „Das einzig Sichere
in der düsteren Warschauer Episode ist, dass hier wieder einige Tausend
Menschenleben um Prestigeansprüche verspielt werden ..."
Der britische Premier selbst war es, der als einer der Ersten dem
allgemeinen Unbehagen eine für sein Kabinett vorteilhafte Richtung gab. Er
hatte die Möglichkeit, aus der von ihm mitverschuldeten Tragödie politisches
Kapital zu schlagen, längst erkannt, als er am 23. August seinen
Informationsminister telegrafisch fragte: „Steht die Veröffentlichung der
Tatsachen über das Martyrium Warschaus unter Zensur, dass die Zeitungen
Nachrichten darüber praktisch unterdrücken? Es ist nicht unsere Sache, der
Sowjetregierung Vorwürfe zu machen; aber sollte es nicht gestattet sein, die
Tatsachen für sich selbst sprechen zu lassen?"
Das war eine geschickte Regieanweisung zum behutsamen Umlenken der
öffentlichen Meinung. Presse und Funk sollten den Bundesgenossen, der
die Hauptlast des Kampfes trug, indirekt verdächtigen und eine
antisowjetische Stimmung schaffen, indem sie ihrem Publikum die Leiden
Warschaus ausmalten. Später übten reaktionäre Kreise des Westens nicht
mehr die von Churchill damals noch empfohlene Zurückhaltung. Sie
verdrehten den Sachverhalt gründlich. Von Anfang an hatten sie damit
gerechnet, in jedem Falle etwas zu gewinnen: Wenn Bór sich hielt, sollte die
von ihnen geförderte Exilregierung in Warschau landen; ging er jedoch
unter, konnte man die Sowjetunion des Verrats bezichtigen. Man hoffte, mit
dieser Geschichtsfälschung den polnischen Kommunisten erheblich zu
schaden.
Mordbrigade Dirlewanger
Das kämpfende Warschau weiß nichts von solchen Spekulationen. Hier geht
es um Sein oder Nichtsein einer Millionenstadt. An ihrem Westrand sind
inzwischen fünf regimentsstarke faschistische Kampfgruppen zur
Rückeroberung angetreten, die sich aus Posener Polizeiformationen,
rückwärtigen Verbänden der 9. Armee, sogenannten Kosaken, der
ukrainischen SS-Brigade „Rona" und deutschen Kriminellen
zusammensetzen. Sie werden kommandiert von General Rohr, dem
Infanterieoberst Schmidt, dem SS-Brigadeführer Dr. Dirlewanger und dem
russischen Faschisten und Kollaborateur Kaminski, einem Konkurrenten des
Verräters Wlassow. Die Gesamtführung der SS-Kräfte hat Polizeigeneral
Heinz Reinefarth, Höherer SS- und Polizeichef des Distrikts Posen.
Dirlewangers Horden - zur Partisanenbekämpfung ausgewählte SSSträflinge und Zuchthäusler - dringen am 5. August plündernd in Wola ein,
treiben Zivilisten als lebende Deckung vor ihren Panzern her und ermorden
im Handumdrehen vierzigtausend Warschauer Bürger. Ein „Führerbefehl"
ermächtigt sie dazu. Sofort nach Aufstandsbeginn hat Hitler verfügt, keine
Gefangenen zu machen. Er hat Himmler zur Mobilisierung aller verfügbaren
SS-Kräfte nach Posen geschickt und den als „Verteidiger Wilnas" erprobten
Luftwaffengeneral Stahel zum Kampfkommandanten von Warschau
bestimmt. Stahel aber ist - wie Warschaus Polizeichef, General Geibel -, in
seiner Kaserne an der Schuch-Allee, zusammen mit dem aus Berlin
zurückbefohlenen Gouverneur Dr. Fischer, im Regierungsviertel
eingeschlossen worden. Er kann von dort aus den Gegenschlag nicht
lenken; ein halbes Dutzend faschistischer Kommandeure wütet zunächst auf
eigene Faust,
Der Brutalste von allen ist Dr. Oskar Dirlewanger, ein Sadist, der dem eben
erst zum SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Polizei beförderten
Heinz Reinefarth persönlich untersteht. Die ganze Ostfront munkelt über
seine Untaten in Polen und Belorussland, jeder seiner Vorgesetzten kennt
Dirlewangers sensationelles Strafregister. Auch die Wehrmachtsgeneralität
weiß, dass er 1933 als Leiter eines Rollkommandos im Ruhrgebiet
Antifaschisten folterte, dass er bald darauf, nach Vergewaltigung mehrerer
minderjähriger Mädchen, sogar aus der SS ausgestoßen wurde und zwei
Jahre Zuchthaus absaß, dann aber nach Franco-Spanien gehen durfte, um
sich in der Legion Condor zu „bewähren"; und dass er um die Jahreswende
1941/42 „zur weiteren Rehabilitierung wegen begangener Verfehlungen" von
Himmler damit beauftragt wurde, aus Sträflingen ein „Sonderkommando zur
Bandenbekämpfung" zu bilden.
Für dieses Sonderkommando gibt es in der gewiss nicht fleckenlosen
deutschen Militärgeschichte kein Vorbild. Es besteht anfangs aus einem
Bataillon von „Wilddieben", wie die Generalität den ihr peinlichen
Tatbestand, rechtskräftig Verurteilte zu Waffengefährten zu haben, lange
Zeit umschreibt. Durch straffällig gewordene SS-Leute, kriminelle Häftlinge,
Diebe, Plünderer, Sexualverbrecher, Totschläger und Raubmörder immer
wieder aufgefüllt, schwillt es zur „.Sturmbrigade" an und trägt schließlich die
Bezeichnung „36. SS-Grenadierdivision". Die Wehrmachtsführung fordert
von diesem Abschaum nichts als Draufgängertum, als Gegenleistung hat sie
ihren Banditen erlaubt, während der Partisaneneinsätze beliebig zu
»morden, rauben, brennen und schänden" - so drückt sich Göring selbst im
September 1942 aus. Und das gilt jetzt für Warschau. Dabei hat Dirlewanger
seine Strolche fest im Griff. Für leichte Vergehen verhängt er 25 bis 50
Stockhiebe, für schwerere 75 bis 100; ab 50 muss der Delinquent ins
Lazarett geschafft werden. Als schweres Vergehen gilt versuchter
Ungehorsam. Vollendete Widersetzlichkeit bestraft Gerichtsherr Dirlewanger
sofort mit dem Tode. Eine vom Brigadeführer erdachte Sonderstrafe ist der
„Dirlewanger-Kasten": Der Verurteilte wird tagelang in einen aufgerichteten
Sarg gezwängt.
Gegenüber der Bevölkerung kennt man bei einer derart barbarischen
Selbstjustiz natürlich überhaupt keine Gnade. Auf sogenannten
Strafexpeditionen im Hinterland der deutschen Ostfront treibt die Brigade in
der Regel die gesamte Einwohnerschaft in eine Scheune und zündet sie an.
Oft lässt Dirlewanger Straßen dadurch auf Verminung prüfen, dass er die
eingefangenen Dorfbewohner darüber jagt. Aktenkundig ist ferner, dass er
Juden unter der Beschuldigung des Ritualmordes verhaften, sie um hohe
Summen erpressen und bei Nichtzahlung erschießen ließ. Er hat das
Lubliner Getto auf eigene Faust geplündert.
Das alles weiß Polizeigeneral Reinefarth, als er die Brigade in den ersten
Augusttagen zum Sturmbock gegen das aufständische Warschau macht.
Sogar ein SS-Richter hat gegen Oskar Dirlewanger Haftbefehl beantragt,
gegen den beim Obersten SS- und Polizeiführer Ost schon Ende 1942 zehn
Strafanzeigen vorliegen. Eines seiner abscheulichen Verbrechen beschreibt
der Hamburger „Spiegel" vom 4. 4. 51 folgendermaßen: „Zeugenaussagen
und Meldungen von Kriminalbeamten besagten, dass er u. a. ein halbes
Dutzend Jüdinnen von 13 bis 18 Jahren festgenommen, dann ein paar
Freunde eingeladen und Radiomusik angestellt habe. Danach wurden die
Frauen nackt ausgezogen und mit Lederpeitschen bis zum
Zusammenbrechen bearbeitet. Zum Abschluss der Orgie wurde ihnen eine
Strychninspritze injiziert, die zu wilden Todeszuckungen der Vergifteten"
führte.
Es ist heute unfassbar, wie deutsche Soldaten solche Bestien neben sich
dulden konnten. Bei allem Furchtbaren, zu dem sie sich missbrauchen
ließen, war das Bestehen einer Verbrecherdivision, die Schulter an Schulter
mit Wehrmachtseinheiten focht, doch eine besondere Schande für unser
Volk. Die Mehrheit der nazitreuen Generäle freilich hat das nicht empfunden.
Sie war 1944 schon so verkommen, dass sie vor Gräueltaten dieser Art die
Augen schloss. Trotz hoffnungsloser Gesamtlage wollte sie Erfolge
erzwingen und nahm dabei den Blutrausch eines pathologischen Wüterichs
bewusst in Kauf, wenn er ihr nur half, „Führerbefehle" auszuführen. Ihr ging
es einzig darum, von Hitler gelobt, ausgezeichnet, mit Landgütern oder
sechsstelligen Schecks beschenkt und immer wieder befördert zu werden.
Nach Kriegsende beeilte sie sich, von der SS abzurücken. „Das sind nicht
meine Kameraden!", entrüstete sich Generaloberst Guderian, der als
Generalstabschef des Ostheeres letzter Verantwortlicher für die Warschauer
Vorgänge war, als ihm der polnische Staatsanwalt Sawicki am 29. 1. 46 im
Nürnberger Zeugengefängnis vorhielt, die SS habe Frauen und Kinder an
seine, Guderians, Panzer gebunden, um die Aufständischen moralisch zu
lähmen. „Diese Herren der SS sind nicht meine Kameraden und waren es
niemals." Wenige Jahre später jedoch pries Guderian in seinem Geleitwort
zu den Memoiren des SS-Obergruppenführer Hausser die soldatischen
Tugenden gerade dieser Truppe. Als man ihn 1954 mit großem Pomp
begrub - die alte Reichskriegsflagge schmückte den Sarg, eine
Hundertschaft des Bundesgrenzschutzes feuerte drei Ehrensalven -
erwartete die SS in Westdeutschland ihre endgültige Rehabilitation. Und
heute, 1960, ist ein so furchtbar belasteter Mann wie Reinefarth, der mehr
als irgendein anderer die ersten Warschaugräuel zu verantworten hat,
Abgeordneter im schleswig-holsteinschen Landtag zu Kiel und, durch die
Ortsgruppen des BHE und der CDU dazu gewählt, Bürgermeister von
Westerland auf Sylt.
Zerstückeln!
Zu Beginn der zweiten Augustwoche 1944 traf vor der Stadt der SSObergruppenführer Erich von dem Bach-Zelewski ein. Er war Chef der
gesamten Partisanenbekämpfung seit 1942 und nun Sonderbeauftragter zur
Niederwerfung des Warschauer Aufstands. Der polnischen
Vernehmungskommission schilderte er 17 Monate später seinen ersten
Eindruck so: „Nachdem ich angekommen war ..., stellte ich eine große
Verwirrung fest. Jede Einheit schoss in eine andere Richtung, niemand
wusste, auf wen man schießen muss, und es war sehr schwierig, die
Situation militärisch zu meistern. Auf dem Friedhof sah ich mit eigenen
Augen, wie eine Gruppe Zivilisten von Angehörigen der Kampfgruppe
Reinefarth erschossen wurde ... Ich ging persönlich zu Reinefarth und traf
ihn auf seinem Befehlsstand, wo er sich eingegraben und, soviel ich mich
erinnere, eine eigene Radiostation hatte. Ich ... lenkte seine Aufmerksamkeit
auf die Missstände, die ich beobachtet hatte, und auch darauf, dass seine
Abteilungen die unschuldige Zivilbevölkerung erschossen. Darauf machte
mich Reinefarth auf den bestehenden, ausdrücklichen Befehl Himmlers
aufmerksam. Er sagte mir, er habe Befehl erhalten, keine Gefangenen zu
machen; jeder Einwohner Warschaus sei zu töten. Ich fragte ihn: ,Frauen
und Kinder auch?' Er antwortete: ,Jawohl, Frauen und Kinder auch'."
Bach-Zelewski entschied, quer durch Warschau drei Keile zur Weichsel
vorzutreiben, die Viertel Zoliborz, Altstadt, Innenstadt und Mokotów
voneinander zu trennen und die isolierten Kessel der Reihe nach zu
zerschlagen. Seine Sturmkolonnen hatten im Norden über Ringbahn und
Danziger Bahnhof die Zitadelle zu erreichen; in der Mitte längs der
Ostwestachse Wolska-Chlodna auf das Regierungsviertel, dann weiter zur
Kierbedz-Brücke durchzubrechen; im Süden das Polizeiviertel zu entsetzen
und einen Sperrriegel zur Poniatowski-Brücke vorzuschieben. Später sollten
die Aufständischen gänzlich vom Weichselufer abgedrängt und zur
Kapitulation gezwungen werden.
Der Zentralstoß führte über den Fabrikvorort Wola, der den Faschisten nach
pausenlosen Luftangriffen und einem unbeschreiblichen Gemetzel bis zum
7. August in die Hände fiel. Das sozialistische Bataillon, das Wola befreit
hatte, klammerte sich an jeden Mauerrest. Doch unter den Donnerschlägen
der Artillerie, der Stukabomben sank ein Haus ums andere über ihm
zusammen. In der folgenden Nacht musste General Bór seinen Befehlsstand
nahe dem jüdischen Friedhof räumen. Durch die alten Schutthalden des
Gettos pirschte sich sein Stab nebst dem Londoner Regierungsvertreter ins
Stadtinnere zurück.
Am 9. August erreichte der mittlere Angriffskeil die belagerten
Regierungsgebäude am Sächsischen Garten. Dirlewanger hetzte seine
schwerbewaffneten Berufsverbrecher über den Theaterplatz. Er hatte kurz
zuvor die gewalttätigsten Kriminellen von Sachsenhausen erhalten, und
diese Horde war noch nicht militärisch ausgebildet worden. „Dann sollen sie
eben mit dem Gewehrkolben dreinschlagen, wenn sie noch nicht schießen
können", hatte er angeordnet und reichlich Schnaps verteilen lassen.
Betrunken stürmten seine Leute vor, halb wahnsinnig vor Angst, die eigene
Verzweiflung durch Grausamkeitsexzesse niedertobend. Am Königsschloss
vorbei stießen sie zur Kierbedz-Brücke durch. Altstadt und Innenstadt, die
Herzstücke des Aufstandsgebiets, waren damit auseinandergerissen. Und in
dem eroberten Schlauch sprengten Pioniere Wohnblocks und Denkmäler,
walzten die Trümmer platt, um freies Schussfeld zu schaffen für die
Sicherung der Ostwestachse. Über diese Straße rollte von nun an wieder
Nachschub ostwärts, stärkte die 9. Armee, die den sowjetischen Truppen
zunächst den Weg nach Warschau verlegte.
Als Reinefarth vier Wochen später für Dirlewanger das Ritterkreuz
beantragte, schrieb er: „Lediglich den taktischen Fähigkeiten, der Kühnheit
und Kaltblütigkeit des SS-Oberführers Dirlewanger ist es zu verdanken, dass
der Angriff fließend vorgetragen werden konnte und die befohlenen
Tagesziele erreicht wurden. Dirlewanger... war hierbei seinen Männern ein
Vorbild an Mut, Tapferkeit und Pflichterfüllung."
Denselben Vorgang stellten deutsche Augenzeugen folgendermaßen dar:
„Als das Kernkommando Dirlewangers die Nowy Swiat hinabstürmte, einen
schreienden, schießenden, sich verheddernden Menschenhaufen von Alten
und Jungen vor sich hertreibend, musste der ostpreußische Dirnenmörder
Petrat von einer 'Dirlewanger-Charge' mit dem Gewehrkolben erschlagen
werden, weil der Kerl im Blutrausch seinem verwundeten Nebenmann, über
den er beim Stürmen gestolpert war, mit den Zähnen das Fleisch aus der
klaffenden Beinwunde herauszuzerren begann. Ein Sachse wurde von
einem degradierten Untersturmführer, Rottenführer Kramer, durch
Genickschuss erledigt, weil er in einem Hauseingang eine Jüdin vergewaltigt
und hernach erdrosselt hatte. Hätte er zuvor die Leinenbinde mit dem blauen
Davidstern vom Arm seines Opfers gerissen, kein Mensch hätte ihm den
Lustmord verübelt. Er war ja Dirlewanger-Mann. Aber dies da war
Rassenschande."
Von all dem freilich bemerkten die deutschen Generale nichts. In seiner
Begründung zum Ritterkreuzantrag urteilte Heinz Reinefarth: „Dirlewanger
hat durch seine wiederholten Taten gezeigt, dass er zu den Tapfersten der
Tapferen gehört." Und Bach-Zelewski, als „Kommandierender General des
Raumes Warschau", jetzt Reinefarths Vorgesetzter, schloss sich an: „Die
erzielten Erfolge sind in erster Linie das persönliche Verdienst des SSOberführers Dirlewanger, der seinen Männern durch persönlichen Mut und
Draufgängertum stets leuchtendes Vorbild ist ... Ich befürworte den Antrag
wärmstens."
Schlacht um die Altstadt
Mitte August hat Bach-Zelewski sein erstes Ziel zwar erreicht. Die
Aufständischen fechten, in Gruppen zerteilt, mit dem Rücken zur Weichsel,
an deren Ostufer Deutsche liegen. Aber je schmaler ihr Hinterland wird,
desto teurer verkaufen sie jeden Meter des blutgetränkten Bodens. „Der
deutsche Versuch, durch Panzereinsatz den Angriff zu beschleunigen,
scheiterte schnell und musste bald ganz eingestellt werden", erklärte Bach
später vorm Nürnberger Tribunal. „Jedes Panzerfahrzeug wurde in kürzester
Zeit von todesmutigen Jünglingen und Mädchen mittels Brandflaschen
zerstört. Sämtliche Straßen waren sehr geschickt durch unzählige fünf bis
zehn Meter hohe Barrikaden gesperrt ... Jeder Häuserblock musste einzeln
in blutigstem Nahkampf genommen werden, ohne Sprengung von Breschen
und unterirdische Minenstollen war überhaupt nicht heranzukommen."
Die Fronten erstarren. Quer durch das Stadion, mitten durch Kirchen,
Kaufhäuser und Parks verlaufen die polnischen Stellungen: Vorm
Nationalmuseum gräbt man sich ein, verschanzt sich in Mietskasernen,
denen der oberste Stock schon fehlt. Die Aufständischen durchbrechen
Kellerwände und Brandmauern, sie untertunneln Straßen, die der Feind mit
Maschinengewehren bestreicht, und legen ein Netz rückwärtiger
Verbindungswege und Auffangstellungen an.
Dahinter drängt sich die nicht kämpfende Zivilbevölkerung zusammen,
hungert in den Kellern, wird von Bomben verschüttet, bohrt Brunnen und
sammelt Regenwasser, hebt Gräben aus, pflegt Verwundete und fertigt
Waffen: 42 000 Handgranaten, 87 Flammenwerfer, 10 Granatwerfer, 90
Maschinenpistolen, zahllose Brandflaschen und Geschosse werden im
Laufe der Belagerung in primitiven Werkstätten hergestellt. Den nötigen
Explosivstoff schaffen Frauen-Pioniergruppen heran; sie entnehmen ihn
nichtdetonierten deutschen Granaten und Bombenblindgängern.
General Bór und Oberst Monter, die sich im Innenstadtkessel befinden, sind
in ihrer Kampfführung sehr behindert. Der Mut der Aufständischen, das
tapfere Ausharren der Bevölkerung können weder den immer drückender
werdenden Materialmangel wettmachen noch die zerrissene Verbindung zu
den anderen Vierteln ersetzen. Weil eine direkte Befehlsübermittlung durch
Funk meist missglückt, lassen sie Durchsagen von Stadtbezirk zu
Stadtbezirk mehrmals über die starken Londoner Stationen laufen. Dennoch
lähmen Missverständnisse die gemeinsame Verteidigung. Da aber springen
Hunderte Warschauer Jungen ein. Unter Lebensgefahr, oft vor den Augen
der Faschisten, tragen sie Meldungen durch das Trümmermeer.
Bach-Zelewski braucht Erfolge. Am 19. August zieht er zehn Bataillone
Infanterie und zwei Pionierbataillone im Halbkreis um die Altstadt
zusammen. Dort haben auf engem Raum eine Viertelmillion Menschen
Zuflucht gesucht. Die Angriffstruppen unterstehen wiederum dem
Generalleutnant Reinefarth, dem einige Wochen später das Eichenlaub zum
Ritterkreuz verliehen wird. Reinefarth verfügt über 9 „Tiger"-Panzer, 20
Sturmgeschütze, 50 ferngelenkte „Goliath"-Tanks, 6 Feldhaubitzen, zwei 28cm-Kanonen, zwei 38-cm-Mörser und den 60-cm-„Titan" mit seinen 30Zentner-Granaten. Hinzu kommen Minen- und Flammenwerfer, ein schwer
bestückter Panzerzug und Stukas. Von der Weichsel her feuert ein
Kanonenboot.
Ein 1000 Meter langes, 700 Meter breites Häusergeviert, mit
mittelalterlichen, krummen Gassen wird systematisch vernichtet. Historische
Bauten stürzen zusammen, die Sonne ertrinkt in einem ungeheuren
Qualmstrudel. Dann brechen Dirlewangers Mordbanden vor. „Sie kämpfen
wie die Raubtiere", sagt der SS-Oberführer zu seinem Stabschef Brandt.
Immer wieder jagt er seine Mannschaft bis an die Rauchwand, dort jedoch,
vor Feuer speienden Löchern, bleibt sie liegen und flüchtet zurück. Ganze
neun Hausruinen hat sie am ersten Abend erobert, keine einzige Barrikade.
Ein Korrespondent der Goebbelszeitschrift „Das Reich" notiert mit
unverhohlener Freude an der Zerstörung: „Unsere Minenwerfer, Schmeißer,
schweren Geschütze reißen alles in Fetzen; Fliegerbomben vernichten Höfe,
knacken Hinterhäuser; und die Tanks ... verjagen mit ihrem mörderischen
Feuer die Verteidiger aus den oberen Stockwerken. Doch in den
reichverzweigten Kellern, den unterirdischen Gängen und Gewölben tobt der
Kampf weiter, sogar dann noch, wenn ein großes Gebäude sich in einen
einzigen Trümmerhaufen verwandelt, über dem ständig Rauch und Staub
schwebt."
Während sich die Schlacht um die Altstadt zum Inferno steigert, während
auch die Widerstandszentren im Norden und Süden Warschaus
konzentrisch bedrängt werden, gelingt es den Aufständischen in der
Stadtmitte, zwei seit Langem eingeschlossene Hochhäuser zu stürmen. Sie
erbeuten viele Waffen und machen Gefangene. Von den 2 000 Deutschen,
die ihnen im Laufe der Zeit in die Hand fallen, urteilen sie nur diejenigen ab,
die sich an der Bevölkerung vergriffen oder andere Verbrechen begangen
haben. Die übrigen teilen das Schicksal der Einwohner; oft kommen sie
durch die Bomben und Geschosse der eigenen Kameraden um. Den
Nazibefehl zur unterschiedslosen Vernichtung vergelten die Polen an ihnen
nicht.
Vierzehn Tage hindurch wehren sich die Verteidiger der Altstadt. Unter den
Trümmern eines vierstöckigen Hauses findet dort am 26. August die
Warschauer Führung der Volksarmee den Tod; an ihrer Spitze Major
Ryszard, der Kommandeur, und Kapitän Edward, sein Stabschef. Die
polnischen Einheiten verlieren 80 bis 90 Prozent ihres
Mannschaftsbestandes, aber sie ergeben sich nicht.
In dieser Hölle fehlt es an allem: an Munition, an Verbandstoff, an Milch für
die Säuglinge. Stinkende Abwässerkanäle dienen als Nachschublinien.
Junge Frauen leisten die Hauptarbeit. Sie setzen Wegweiser in den
verschlammten Rohren, regeln den Wasserstand oder spannen Seile, an
denen sich die Kolonnen - unter den faschistischen Stellungen hinweg vorwärtszerren. Es kommt zu Begegnungen mit SS-Trupps, die auf die
gleiche Art ihre belagerten Stützpunkte versorgen. Zuletzt werden die Rohre
zum Rückzugsweg. In der Nacht des 2. September räumen die Reste der
Verteidiger das, was einmal Warschaus Altstadt gewesen ist.
Geheime Fäden
Unterdessen hotte sich auch Bach-Zelewski für „korrekte"
Gefangenenbehandlung entschieden. Weil er anders mit ihnen nicht fertig
wurde, ließ er die Aufständischen wissen, er werde sie als reguläre Truppe
anerkennen, falls sie die Waffen niederlegten. Erst ihre Tapferkeit nötigte
ihn, Himmlers Vernichtungsorder außer Kraft zu setzen. Er wagte das nicht,
ohne sich beim Chef des Heeresgeneralstabs, Guderian, rückzuversichern.
„Ich sagte ihm: 'In erster Linie ist es wichtig, den Aufstand schnellstens zu
beenden'", erklärte Guderian am 29 1. 46 in Nürnberg. „'Die Kapitulation
aber können wir nur dann erreichen, wenn die Aufständischen die
Gewissheit hoben, dass sie als Soldaten behandelt werden.'"
Während Bach versuchte, die Aufständischen durch Flugblätter und
Parlamentäre zur Übergabe zu veranlassen, verbot er auf dem Höhepunkt
der Schlacht allen ihm unterstellten Einheiten plötzlich das Plündern, Foltern
und Morden. Auch hierbei leiteten ihn keineswegs humanitäre Erwägungen
oder Rücksicht auf das Völkerrecht. Er hoffte vielmehr, dem Feind durch
vorgetäuschte Menschlichkeit die Waffenstreckung schmackhaft zu machen
und zugleich die Kampfdisziplin der eigenen mehr und mehr verwildernden
Formationen zu heben. Er drang jedoch mit dieser Weisung bei verrohten
Kommandeuren vom Schlage eines Dirlewanger und Reinefarth nicht durch.
Der Freiburger Professor Dr. jur. Hans Thieme, damals Adjutant des Chefs
der Artillerieabteilung, schildert Reinefarths zynische Reaktion: „Dieser stand
an einer breiten Warschauer Ausfallstraße, während auf der anderen Seite
polnische Bevölkerung in einer endlosen Kolonne von deutschen Soldaten
oder Polizisten aus der Stadt getrieben wurde. Es war ein Bild des Jammers,
bei dem uns die Tränen kamen. Herr Reinefarth aber äußerte zu meinem
Kommandeur: 'Sehen Sie. das ist unser schweres Problem: So viel Munition
haben wir nicht, um alle umzulegen!'"
Als die Barbarei kein Ende nahm, bestrafte Bach-Zelewski zwar keinen
seiner deutschen Untergebenen, ließ aber den Brigadeführer Kaminski samt
Stab standrechtlich erschießen. „Weil ich selbst die Beweise gesehen habe,
Herr Staatsanwalt", erklärte er hierzu in Nürnberg. „Nämlich einen ganzen
Wagen mit geraubten Wertsachen, voll bis obenhin. Er selbst hatte ganze
Koffer voll Silber, Gold und Brillanten."
Wenn Bach einen Mann, der ihm bei der Partisanenjagd im Gebiet von
Witebsk und Borissow jahrelang gute Dienste geleistet und dessen
Methoden er bis dahin stets gebilligt hatte, nun auf einmal töten Iieß, dann
geschah das nicht nur zur Abschreckung. Guderian bemerkt in seinen
Memoiren („Erinnerungen eines Soldaten", 1951) zu diesem Vorgang, BachZelewski habe „damit einen nicht einwandfreien Zeugen beseitigt". Und die
britische Zeitschrift „lllustrated" veröffentlichte am 12. 7. 58 die Zuschrift
eines Augenzeugen, wonach der Kollaborateur Kaminski erschossen wurde,
weil er auch zur polnischen Widerstandsbewegung Verbindung unterhielt.
So hart Bach-Zelewski zuschlug, wenn es ihm darum ging, Fäden
durchzuschneiden, die sich seiner Kontrolle entzogen, so intensiv bemühte
er sich selbst um Kontakt zur Leitung der polnischen Heimatarmee. Solche
Kontakte hatte es schon vor dem Aufstand gegeben. Wie Bachs Stabschef.
Polizeigeneralmajor Ernst Rode, am 28. 1. 46 dem polnischen Staatsanwalt
Sawicki verriet, war es dem deutschen Geheimdienst lange vor jener Zeit
gelungen, in den Führungskreis der Armija Krajowa einzudringen. Befragt,
ob er von dem bevorstehenden Aufstand gewusst habe, gestand Rode:
„Jawohl, wir waren über alles genau informiert. Ich wusste es schon im Juli,
etwa 14 Tage vorher, aus dem geheimen Informationsdienst, den der SSGruppenführer Koppe herausgab." Seinen Angaben zufolge war es der SS
„durch Vermittlung von Spionen" sogar bekannt, dass der Befehlshaber der
Heimatarmee, Bór, die Warschauer Aktion persönlich leiten wollte. Auf die
Frage: „Wenn Sie davon wussten, warum haben Sie dann keine
Vorbeugungsmaßnahmen getroffen?", antwortete Rode: „Es wurde nichts
dagegen versucht, weil Himmler unbedingt davon überzeugt war, dass bei
der bestehenden Lage der Aufstand nicht losbricht."
Um diese merkwürdige Aussage richtig zu werten, muss man wissen, dass
die SS ihre Informationen vor allem über die NSZ (Nationale Streitkräfte)
erhielt, eine polnische faschistische Untergrundorganisation, die im Kampf
gegen die Deutschen eine höchst zwiespältige Haltung einnahm.
Rechtsradikale polnische Splittergruppen wie „Szaniec" (Schanze) und NSZ
lehnten die Londoner Exilregierung ab, da sie ihnen zu liberal und zu
nachgiebig gegenüber der Sowjetunion war. Der von der Besatzungsmacht
betriebenen Judenverfolgung stimmten sie aus ganzem Herzen zu,
erschraken aber vor weitergehenden Vernichtungsabsichten, die sich
letztlich auch gegen sie selbst richteten. Die deutsche Ausrottungspraxis
gegenüber den slawischen Völkern und die nazistischen Versklavungspläne
vereitelten das Aufkommen einer breiten, dauerhaften Kollaboration der
einheimischen Rechtskräfte mit den deutschen Faschisten, wie sie im
übrigen besetzten Europa bestanden hat. Dennoch kam es namentlich im
Kampf gegen die kommunistische Partisanenbewegung, oft zur
Zusammenarbeit zwischen NSZ und SS.
Die NSZ spielte der Besatzungsmacht nicht nur Mitglieder der polnischen
Volksarmee in die Hände, sie wühlte auch innerhalb der Heimatarmee und
schuf dort unterirdische Kanäle zu den Deutschen, besonders nachdem sie
sich im Frühjahr 1944 dem Kommando der Armija Krojowa offiziell unterstellt
hatte. Ihre antikommunistische Grundhaltung entsprach völlig der
rechtsradikalen sowjetfeindlichen Einstellung einer kleinen Offiziersgruppe in
der Spitze der Heimatarmee. Am Warschauer Aufstand nahm die NSZ aus
Furcht vor dem eigenen Volk nicht teil. Sie lehnte es ab, die deutschen
Faschisten zu bekämpfen, während ihr Hauptfeind, die Rote Armee, sich
bereits der Weichsel näherte. „Angesichts der bestehenden Lage", wie
Generalmajor Rode es ausdrückte, rechnete sie nicht mehr damit, dass Bór
wirklich losschlagen würde - und Himmler hatte sich auf die Berichte seiner
Vertrauensmänner verlassen.
Mit dem Beginn des Aufstandes war diese Verbindung zerrissen, und BachZelewski versuchte nun, sie neu zu knüpfen. Er tat das um so eifriger, je
härter der polnische Widerstand wurde. Schließlich bediente er sich, wie
Guderian später bestätigte, der Vermittlung des Obergruppenführers
Fegelein, eines Alkoholikers, der Verbindungsoffizier zwischen Hitler und
Himmler war und im „Führerhauptquartier" Sonderrechte genoss. Vor dem
Krieg hatte er auf Reiterturnieren Bór-Komorowskis Bekanntschaft gemacht;
diese alte Beziehung aufzuwärmen, entsprach den Zwecken der SSFührung. Fegelein sollte an jene Zeiten erinnern, in denen die Interessen der
deutschen und der polnischen Nationalisten noch miteinander zu
harmonieren schienen. Er sollte auf die Bedrohung aus dem Osten
hinweisen und Bór nicht nur zur Kapitulation veranlassen, sondern ihn jetzt,
in letzter Minute, sogar als Waffengefährten gegen „den Bolschewismus"
gewinnen - ein freilich recht unrealistisches Vorhaben.
In die Gespräche schaltete sich bald auch das Rote Kreuz, Angehörige des
polnischen Adels und der katholische Klerus ein; sie mündeten allmählich in
Kapitulationsverhandlungen. So mühsam jedoch angesichts des
fortdauernden faschistischen Gemetzels diese Kontakte auf höherer Ebene
zustande kamen, noch weit größere Schwierigkeiten hatte Bach-Zelewski
mit einfachen Menschen, wenn er sie für seine Ziele einspannen wollte. Die
meisten seiner polnischen Unterhändler kehrten nicht ins Stabsquartier
zurück; sie schlossen sich den verzweifelt ringenden Aufständischen an.
Selbst unter Lebensgefahr weigerte sich mancher, auch nur als Parlamentär
dem verhassten Feind zu dienen.
Bach-Zelewski sagte darüber in Nürnberg: „Ich erinnere mich, dass ich eines
Tages einen neuen Versuch durch Absendung einer polnischen Studentin
machte ... Sie trug (bei der Gefangennahme) Uniform sowie die Rote-KreuzBinde und war mit einem Revolver bewaffnet. Ich empfing sie wie einen Gast
und bat sie während der Unterredung, für mich die Kampflinie als
Parlamentär zu überschreiten. Das Mädchen erklärte, ... sie tue es nur,
wenn sie über den Inhalt meines Briefs an die Aufständischen genau
informiert würde. Ich schrieb solchen Brief, doch sie lehnte die Überbringung
desselben sofort ab, da - wie sie erklärte - die Überbringung eines Briefs an
ihre Landsleute, der die Aufforderung zur Kapitulation enthält, gegen ihre
nationale Ehre verstößt."
Befragt, ob er eine bedingungslose Kapitulation verlangt habe, antwortete
Bach: „Nein, ganz und gar nicht. Das hatte ich nicht geschrieben. Der Brief
enthielt nur die Aufforderung zu kapitulieren. Das Mädchen antwortete:
'Nein!' Zugleich mit der Ablehnung erklärte sie mir ihre Bereitwilligkeit, in
Angelegenheiten, die die Zivilbevölkerung betrafen, als Parlamentär zu
gehen; das heißt, wenn ich in Unterhandlungen über das Los der
Zivilbevölkerung eintreten wolle, würde sie gern als Vermittlerin tätig werden.
Dazu aber brauchte ich sie nicht."
Aus all dem folgt, dass die SS den Kampfwillen des polnischen Volkes
zwangsläufig unterschätzte, solange sie sich auf Berichte der NSZFaschisten und anderer rechtsradikaler Elemente stützte. Denn diese
verräterischen Subjekte hofften sehnlichst, die Heimatarmee werde sich im
Falle eines weiteren sowjetischen Vormarsches eher gegen die Rote Armee
und die einheimischen Fortschrittskräfte wenden als gegen die
zurückweichenden Deutschen. Die SS-Führung glaubte dem um so mehr,
als eine solche Annahme ihren eigenen Wünschen und Vorstellungen
entgegenkam. Erst am beispiellosen Widerstand Warschaus und an der
Unmöglichkeit, polnische Patrioten auch nur für die geringsten Hilfsdienste
zu gewinnen, erkannte sie das Ausmaß ihres Irrtums.
Hilfe von außen
General Bór, vom Londoner Hauptquartier mittlerweile ehrenhalber zum
Oberbefehlshaber der gesamten polnischen Auslandsstreitkräfte ernannt,
hatte ursprünglich an eine Parade der Heimatarmee zum fünften Jahrestag
des deutschen Überfalls gedacht. Doch in der ersten Septemberhälfte wurde
die Lage hoffnungslos. Am 4. September fiel das Elektrizitätswerk. Im
Zentrum erlosch das Licht. Am 7. ging der Stadtteil Powisle verloren und
damit ein wichtiges Stück Weichselufer, am 15. das untere Mokotów. Nach
sieben Kampfwochen standen, bei einer Verpflegungsstärke von 32 000,
noch 18 000 Soldaten der Heimatarmee an den Kesselfronten. Die übrigen
Widerstandsgruppen waren auf weniger als 3 000 Mann
zusammengeschmolzen. Da man nun kaum noch Waffen erbeutete und die
eigene Munitionserzeugung ständig sank, hätten die Aufständischen sich
ohne Abwürfe aus der Luft nicht länger wehren können.
Von Anfang an allerdings war die versprochene britische Luftunterstützung
weit hinter Bors Erwartungen zurückgeblieben. Churchill, der sich damals in
Süditalien aufhielt, urteilt in seinen Erinnerungen selbst: „Die wackeren
Versuche britischer Maschinen mit polnischen, britischen und DominienBesatzungen, von den (1100 Kilometer entfernten) italienischen
Stützpunkten aus nach Warschau zu fliegen, waren ebenso unzureichend
wie aussichtslos. Zwei Maschinen überflogen Warschau in der Nacht des 4.
August, drei weitere erschienen dort vier Nächte später."
Auf Bórs Notrufe hin begonnen die Westalliierten erst in der dritten
Augustwoche, die Luftversorgung der Heimatarmee besser zu organisieren.
Das 334. britische Bombergeschwader flog mit schwachen Teilkräften
insgesamt 24 Einsätze; es warf im Laufe von acht Wochen 36 Tonnen an
Waffen, Munition und Verpflegung ab. Meist trieb ein erheblicher Teil der
Fallschirmkanister hinter die deutschen Linien ab. In London verwies man
entschuldigend auf die weite Flugstrecke und übertrug die Hauptlast einer
kleinen polnischen Fliegertruppe. Sie büßte im August sieben, im September
acht Maschinen ein. Nur zwei Besatzungen blieben übrig.
Weshalb beförderte man nicht mehr als 36 Tonnen, den Inhalt zweier
Güterwagen? Das gleich weit entfernte Königsberg überschüttete die Royal
Air Force in einer einzigen Nacht - am 26. August 1944 - mit 1 500 Tonnen
Bomben. Eine großzügige Hilfe für Warschau aber blieb aus. Die britischen
Stäbe nahmen die militärische Seite des mit ihrem Wissen begonnenen
Unternehmens niemals so ernst, wie sie es verdiente. Die eigenen Fronten
in Italien und Frankreich genossen Vorrang, und das große, sinnlose
Zerstörungswerk an deutschen Städten erschien ihnen wichtiger.
Inzwischen hatte die Rote Armee begonnen, Warschau aus der Luft zu
versorgen. Ab 12. September überflogen sowjetische Doppeldecker Nacht
für Nacht das Stadtzentrum, Mokotów und Zolibórz. Sie warfen ihr
Nachschubgut im Tiefflug, oft ohne Fallschirm, in Säcken und Kisten
treffsicher ab. Das 1. polnische Jagdfliegerregiment „Warszawa" sicherte
diese Einsätze gegen die deutsche Abwehr. 100 Tonnen Lebensmittel vorwiegend Zwieback, Grütze, Konserven - und 50 Tonnen Waffen, darunter
200 Panzerbüchsen, 68 Granatwerfer, 160 Schnellfeuergewehre und 15 000
Handgranaten, stärkten die Abwehrkraft der Verteidiger und machten ihnen
Mut.
Am 18. September starteten auch amerikanische Maschinen zu einer
einmaligen Hilfsaktion. In England stiegen 107 „Fliegende Festungen" auf,
überquerten die Ostsee, erschienen um 13 Uhr sehr hoch über Warschau,
warfen Fallschirmkanister ab und landeten weit hinter den sowjetischen
Stellungen. Nur zwei der Langstreckenbomber gingen verloren. Die meisten
Fallschirme freilich wurden in faschistisch besetzte Stadtteile abgetrieben;
die Zielflächen waren schon sehr klein geworden. Immerhin konnten die
Aufständischen 16 Tonnen Versorgungsgut bergen.
Wenig später nahte entscheidendere Hilfe. In einwöchigem Ansturm hatten
Rokossowskis Divisionen die 9. deutsche Armee erneut zurückgeworfen.
Nun brachen Sowjetpanzer zur Weichsel durch. Panik ergriff die Besatzung
von Praga. Sie floh, da sie ihren Rückzugsweg durch die Stadt bedroht
glaubte, Hals über Kopf auf dem Ostufer stromabwärts. Es gelang der
faschistischen Führung eben noch, die Brücken in die Luft zu jagen - dann
musste sie über den Fluss vorgetragene Angriffe abwehren.
Bach-Zelewski schilderte dies später so: „Ein besonders kritischer Moment
entstand, als die Rote Armee Praga nahm, die deutsche Besatzung aber
nicht wie vorgesehen sich über die Weichselbrücken auf Warschau
zurückzog, sondern ... nach Norden abgedrängt wurde. Glücklicherweise
hatten meine Truppen gerade einen schmalen Uferstreifen von den
Aufständischen säubern können. Hier, auf engstem Raum
zusammengedrängt, jenseits der Weichsel die Rote Armee, die einen
Übersetzversuch nach dem anderen unternahm, im Rücken die
Aufständischen, verbluteten meine Verbände. Das gut liegende
Artilleriefeuer des Feindes ... machte unsere Lage zur Hölle."
Unter diesem Feuerschirm setzte das 9. Infanterieregiment der polnischen 1.
Armee in Sturmbooten nach Czerniakow über, wo die Aufständischen noch
ein Stück Stromufer beherrschten. Die 1. Armee, die seit über einem Jahr an
der Seite der Sowjettruppen für ein neues Polen kämpfte, hatte im Juli Lublin
befreit und zuletzt bei Pulawy gestanden. Nun setzte sie alles daran, zu
ihren eingekesselten Landsleuten durchzustoßen. Doch Bór versuchte nicht,
sich zu den polnisch-sowjetischen Auffangstellungen durchzuschlagen. „Das
war strategisch möglich", erklärte Guderian im Laufe der Vernehmung vom
29. 1. 46. „Wir sind niemals zu einer klaren Schlussfolgerung gelangt, warum
er die deutsche Gefangenschaft der russischen Armee vorzog."
Als die deutsche Führung sah, dass Bór darauf verzichtete, seinen
Verbündeten entgegenzustoßen und nach Osten abzuziehen, warf sie
sämtliche Reserven an die Uferfront, um dort jedes Fußfassen polnischsowjetischer Kräfte zu verhindern. Ihre ganze Weichselstellung stand mit
Warschau auf dem Spiel. In wütenden Stößen drückte sie binnen acht
Tagen den Brückenkopf ein. Zusammen mit dem Rest der Czerniakower
Aufständischen durchschwammen die Überlebenden des 9. Regiments den
Fluss. Sie hatten bis zur letzten Patrone gekämpft. Heute bezeichnet ein
Denkmal die Stelle, an der dieser heroische Entsatzversuch scheiterte.
Das bittere Ende
Bach-Zelewski befiehlt, die noch verbliebenen drei Kessel zu liquidieren. Im
Norden, für Zolibórz, erhält er die 19. Panzerdivision; im Süden, für das
obere Mokotów, unterstützt die Elitedivision „Hermann Göring" den
Umfassungsangriff seines Generals Rohr. Dank brutalster Methoden kommt
er zum Ziel. In die Kanäle lässt er ein Sprenggas blasen; es verschüttet das
Abwassernetz auf weite Strecken und zerreißt die letzten Verbindungen.
Vor dem Sturm auf Zolibórz versucht Bach-Zelewski mehrmals, den
Befehlshaber dieses Stadtteils zur Waffenstreckung zu bewegen vergebens. „Mit ihm konnte ich irgendwelche Unterhandlungen überhaupt
nicht beginnen", klagt er später, „Jede seiner Antworten war eine
Beleidigung für mich ... Er sagte mir ständig, dass er mir trotz aller
Zusicherungen, die ich im Namen des deutschen Volkes abgebe, nicht
glauben kann angesichts der Art, wie sich die Deutschen während der
Besetzung verhalten haben. Keine Zusicherung würde von den Deutschen
eingehalten." - Fort Mokotów widersteht bis zum 27., Zolibórz fällt am 30.
September.
Die Aufständischen wehren sich noch in der Stadtmitte, rings um die
Kreuzung Marszalkowska/Jerozolimska-Allee, verzweifelt. Doch Bór schickt
jetzt von sich aus Unterhändler zu Warschaus Henker. „Erst als alle
Übersetzversuche gescheitert waren", erläutert dieser später, „entschloss
sich die polnische Aufstandsführung aus Mangel an Munition und
Lebensmitteln zu kapitulieren. Auch die Tatsache, dass Zehntausende von
Frauen und Kindern sich weigerten, die Stadt zu verlassen, wenn nicht ihre
kämpfenden Väter und Brüder mitgingen, unterstützte die
Kapitulationsbereitschaft. Eine bedingungslose Übergabe verlangte ich nicht,
noch wäre die polnische Führung auf eine solche eingegangen."
Die Verhandlungen dauern tagelang. Bach-Zelewski sichert jedem
Aufständischen Straffreiheit zu. Am 2. Oktober acht Uhr abends
unterzeichnet er die Urkunde. Mit den Worten: „Herr General, ich habe den
Befehl und die Ehre, Sie in Gefangenschaft zu nehmen", empfängt er
anderntags Bór betont ritterlich. Gleich darauf bietet er ihm mit echt
faschistischer Frechheit die Hand zu künftiger Zusammenarbeit:
Deutschland und Polen hätten einen gemeinsamen Feind, den
„Bolschewismus", da müssten sie ihren Streit vergessen.
Bór hört verblüfft, wie derselbe Mann, der soeben mit beispielloser Härte den
Aufstand niedergeworfen hat, ihm nun unverfroren erklärt, er sei immer ein
Gegner der Unterdrückungspolitik gegenüber Polen gewesen; man habe
Fehler gemacht, müsse aber angesichts der „roten Gefahr" endlich
zueinanderfinden ... Steif erwidert er, die Kapitulationsbedingungen werde er
loyal erfüllen, doch könne die Übergabe Warschaus nichts an der Haltung
Polens gegenüber Deutschland ändern, mit dem es seit dem 1. September
1939 im Kriege sei.
Denn Bór ist zwar ein Feind der Sowjetunion, aber er weiß, die deutschen
Faschisten haben nicht nur fast ein Fünftel des polnischen Volkes
umgebracht, sie sind auch militärisch bankrott. So ehrlos und verblendet,
noch zuletzt mit der geschlagenen Wehrmacht zusammenzugehen, sind nur
wenige seiner rechtsradikalen Anhänger: Ein Teil der faschistischen NSZ
verlässt unter Leitung des berüchtigten Kommandeurs Bohun-Dombrowski
bald darauf das Land im Gefolge der Deutschen. Andere Splittergruppen der
Armija Krajowa, kommandiert von nationalistischen Offizieren wie Okulicki
und Boguslawski, bleiben in Polen und führen Bandenkrieg im Rücken der
Roten Armee. Ihre letzten Reste verüben bis in die Jahre 1947/48 hinein
Terrorakte gegen kommunistische Funktionäre. Bór selbst jedoch distanziert
sich von diesen Rechtsextremisten. Er erklärt, dass er sich als
Kriegsgefangener betrachte und für die Dauer des Krieges auf jede
politische Tätigkeit verzichte.
Am 5. Oktober 1944 lässt er die verbliebenen Barrikaden öffnen. Die größte
aller Aktionen einer Untergrundbewegung während des Zweiten Weltkriegs
ist zu Ende. „Achtzig Prozent der Warschauer Aufstandsbewegung haben
meine Sonderkommandoleute unterdrückt", prahlt Dirlewanger in seinem
Abschlussbericht an Himmlers Stab. Hohlwangig, mit entladenen Waffen,
tritt das Aufstandsheer den Marsch in die Gefangenschaft an. 13 000
Männer und 2 000 Frauen zählt es noch. Die meisten sind verletzt, und
5 000 Schwerverwundete liegen transportunfähig in den Kellerlazaretten.
15 000 Gefallene lassen sie zurück - in Gräbern auf den Höfen, unter
qualmendem Schutt, im Schlamm der Kanäle.
Wie diese Schar gekämpft hat, beweisen die deutschen Verlustziffern.
Während der 63 Kampftage hat die 9. Armee 25 Prozent ihrer Ausfälle hinter
der Front erlitten, in Warschaus Straßen. 17 000 SS-Leute, Soldaten und
Polizisten sind laut Bach-Zelewski getötet, 9 000 verwundet worden - ein
Zahlenverhältnis, das von grauenvollen Nahkämpfen und der Treffsicherheit
polnischer Scharfschützen zeugt. Den Aufstand niederzuschlagen hatte die
Faschisten ebenso viel Blut gekostet wie fünf Jahre zuvor die Eroberung
ganz Polens.
Das entsetzlichste Opfer brachte Warschaus Bevölkerung. Sie verlor
150 000 Menschen. Unter den Trümmern ruhten mehr Tote als später in
Hiroshima und Nagasaki. Dirlewangers und Reinefarths Formationen hatten
gründlicher gearbeitet als es zwei Atombomben vermochten. Nun trieben sie
die Überlebenden aus der Stadt, westwärts, durchs Lager Pruszkow, zur
Zwangsarbeit, ins Nichts.
Den Befehl zur Errichtung des Lagers Pruszkow hatte Bach-Zelewski erteilt.
Es lag auf dem Gelände eines Reichsbahnausbesserungswerks. Dort
konnte man nicht eine Million Menschen unterbringen. Tausende starben vor
Kälte und Hunger. Bach-Zelewski gestand, dass weder er noch Bórs
Stabsoffiziere sich um das Schicksal der Zivilbevölkerung und um die Masse
der Aufständischen auch nur im Geringsten gekümmert hatten.
„Nach dem Ausmarsch aus Warschau überließ ich ihm (Bór) zu seiner
Verfügung und für alle höheren Offiziere einen Sonderzug und schickte sie
in mein Hauptquartier Gansenstein in Ostpreußen", erklärte Bach. „Es waren
rund zwanzig. Dazu kamen die Adjutanten, Ordonnanzen und BórKomorowski selbst. Ich bewilligte ihnen die Ordonnanzen, damit sie ihr
ganzes Gepäck und alles, was nötig war, mitnehmen konnten ... Mein
Vertreter Rode sorgte für sie. Sie wohnten in einer von meinen Baracken,
die für deutsche Offiziere bestimmt waren. Sie wurden so verteilt, dass ein
Zimmer mit nicht mehr als zwei Offizieren besetzt war ... Sie erhielten
dasselbe Essen wie meine Offiziere sowie Tabak und alkoholische Getränke
nach Wunsch. Ich habe sie dort besucht und mich persönlich erkundigt, ob
sie sich wohlbefinden." - Auf die Frage: „Haben die Offiziere Sie gefragt, was
aus der grauen Masse der Aufständischen geworden ist?", erwiderte Bach:
„Die einzige Sache, für die sie sich interessierten, waren entweder
Geldfragen oder Privilegien, die sich aus den militärischen Dienstgraden
ergaben."
Schuld – und Sühne?
Der Versuch bürgerlicher Exilpolitiker, durch Fehllenkung des polnischen
Freiheitswillens den fortschrittlichen Kräften zuvorzukommen und die Macht
in Polens Hauptstadt an sich zu reißen, endete mit Warschaus Zerstörung.
Während die wirklichen Helden des Aufstands im Elend verkamen, wurde
Warschau aufgrund eines Hitlerbefehls vom 11. Oktober dem Erdboden
gleichgemacht. Pioniertrupps bohrten Löcher in jede noch unversehrte Wand
und jagten jedes Gebäude in die Luft, das die Wehrmacht nicht brauchte.
Zuvor jedoch zerrten Gouverneur Fischers Räumkommandos das polnische
Privateigentum an Kleidung, Möbeln, Kunstgegenständen und Rohstoffen
aus den zur Vernichtung bestimmten Häusern. Um diesen Punkt entspann
sich 15 Monate darauf zwischen Staatsanwalt Sawicki und Bach eine
bezeichnende Kontroverse. Staatsanwalt: „Wer ist also verantwortlich für die
Räumung der Häuser?" Bach: „Für das Wegnehmen der Wertsachen ..."
Staatsanwalt: „Erlauben Sie, dass ich es Raub nenne, das kommt der
Wahrheit näher." Bach: „Wenn es aufgrund eines Befehls geschah, dann ist
es doch kein Raub!" Staatsanwalt: „Wenn aber sowohl der Befehl als auch
seine Ausführung gegen das internationale Recht verstößt?" Bach: „Es war
doch ein Befehl ergangen. Wir bezeichnen als Raub nur, wenn es gegen die
Befehle verstößt."
Während Sprengkommandos die weichselnahen Viertel restlos niederlegten,
während das in Jahrhunderten gewachsene Kulturerbe der polnischen
Nation zu Staub zerfiel, wurde der General, der versucht hatte, das Rad der
Geschichte aufzuhalten, in ein Offizierslager bei Nürnberg gebracht. Man
behandelte ihn weiterhin ehrerbietig. Die Naziführung hoffte bis zuletzt, mit
einer Handvoll polnischer Weißgardisten den Vormarsch der Roten Armee
zu stören. Im Durcheinander des Zusammenbruchs gelangte Bór über die
Schweiz nach London, wo er heute - von der Öffentlichkeit kaum noch
beachtet - polnische Emigranten empfängt und seinen alten Auffassungen
lebt.
Von ihrer antisowjetischen Haltung, die den schweren Befreiungskampf
Polens gehemmt und ihrem Vaterland so viel Leid gebracht hat, lassen die
Emigranten um Bór nicht ab. Sie unterscheiden auch nicht das faschistische
Deutschland vom deutschen Volk. In ihren Memoiren übergehen sie die
Rolle der linken Gruppen im Widerstandskampf, den sie als einen
angeblichen Kampf gegen zwei Fronten entstellen. Bis auf den heutigen Tag
konnten sie sich zu keiner wahrhaftigen Darstellung der tragischen
Warschauer Vorgänge entschließen. Ohne historische Einsicht, seit 16
Jahren auch räumlich von ihrem Volke abgesondert, ist es ihr Schicksal, in
der Fremde vergessen zu werden.
Nicht vergessen aber sollten wir die Namen der Henker. Bach-Zelewski,
Reinefarth und Dirlewanger leben noch; es ist ihnen fast so gut wie den
Hintermännern des deutschen Faschismus gelungen, sich ihrer Strafe zu
entziehen. Den ersten sandte Hitler Ende 1944 nach Budapest, als auch dort
die Rote Armee vor den Toren stand. Während Bach dann ein Korps an der
Oder führte, ließ Reinefarth die „Festung" Küstrin bis zum letzten
Untergebenen verteidigen. Unter seinem Kommando wurden
fünfzehnjährige Jungen wegen „Feigheit vor dem Feinde" exekutiert. Um
seine Haut zu retten, befahl er zuletzt einen selbstmörderischen
Durchbruchsversuch. Die meisten seiner Leute blieben zwischen den
Fronten tot oder verwundet im Artilleriefeuer liegen. Der SS-General aber
floh, genau wie Bach und Dirlewanger, den Westalliierten entgegen.
Hier machte sich besonders Bach-Zelewski durch genaue Aussagen über
die Bekämpfung sowjetischer Partisanen bald unentbehrlich. Nicht als
Angeklagter, sondern als bevorzugter Kronzeuge stand er vor dem
Nürnberger Tribunal, wo er Reinefarth und viele andere Spießgesellen
schwer belastete. Trotz wiederholter Auslieferungsgesuche schützten ihn die
Amerikaner. Sie liehen ihn 1947 zum Warschauer Prozess gegen den
Nazigouverneur Fischer nur unter der Bedingung aus, dass er unbehelligt
zurückkehren werde. 1949 übergaben sie ihn der westdeutschen Justiz, die
ihn zwei Jahre später auf freien Fuß setzte. Nun jedoch warf ihm die alte
Generalsclique seine belastenden Aussagen vor; er erhielt weder
Haftentschädigung noch die übliche hohe Pension, sondern hatte sich als
Angestellter einer Schließgesellschaft mit 400 DM monatlich zu begnügen.
Ende 1958 wurde Bach festgenommen und des Mordes überführt: Er hatte
beim Röhmputsch 1934 einen ostpreußischen Rittergutsbesitzer
eigenmächtig erschießen lassen ... Seine Beteiligung am tausendfachen
Massenmord in der Sowjetunion und in Polen freilich kümmerte kein
westdeutsches Gericht.
Um das Ungeheuerliche dessen ganz zu begreifen, muss man sich an die
„Erklärung über die faschistischen Grausamkeiten" erinnern, die im Oktober
1943 von Roosevelt, Stalin und Churchill unterzeichnet wurden. Es heißt
darin, dass „alle Deutschen, die sich eines Verbrechens schuldig gemacht
haben, an den Schauplatz ihrer Verbrechen zurückgebracht und an Ort und
Stelle von den Völkern abgeurteilt werden, denen sie Gewalt angetan
haben." Die Erklärung schließt mit der Feststellung, dass „die alliierten
Mächte die Schuldigen bis an das äußerste Ende der Welt verfolgen werden,
um sie ihren Anklägern auszuliefern."
Aber fast alle Kriegsverbrecher, die sich in den Händen der Westalliierten
befanden, kamen billig davon, denn sie wurden noch gebraucht. Am 1. 12.
47 teilte die französische Besatzungsmacht der polnischen Militärmission
mit, Dirlewanger sei bereits am 7. 7. 45 im Althausener Gefängnis
verstorben. Tatsächlich befand sich der SS-Mörder in britischem
Gewahrsam. So wie die Franzosen deutsche Faschisten für ihren
schmutzigen Vietnamkrieg warben, stellten die Briten zu jener Zeit aus 6 000
Nazisoldaten eine Fremdenlegion für den Nahen Osten auf. Sie sollte
englandhörige Arabergruppen stärken und dazu beitragen, die einstürzende
britische Kolonialposition zu halten. Höhere SS-Offiziere wurden, soweit sie
nicht auch in Westeuropa gewütet hatten, bevorzugt. Man schaffte sie aus
den Lagern der britischen Zone Deutschlands im Flugzeug nach Jordanien,
Syrien und dem Irak. Im Rahmen dieser Aktion gelangte Dirlewanger in das
damals noch von den Briten beherrschte Kairo, wo sich in den fünfziger
Jahren seine Spur verlor.
Reinefarth auszuliefern weigerte sich US-General Clay am 17. 7. 48 mit der
lapidaren Begründung, dass seine Dienststellen ihn „für eine beträchtliche
Zeitspanne brauchen". Später übergab er ihn den britischen
Besatzungsbehörden, und diese lehnten mehrere Auslieferungsanträge der
polnischen Kommission für Kriegsverbrechen am 24. 7. 50 kurzerhand „for
security reasons" - „aus Sicherheitsgründen" - ab. Westdeutsche
Spruchkammern unterließen es, nach jenem Belastungsmaterial zu
forschen, dass in Warschau gegen den SS-General vorlag. Sie reihten ihn
schließlich unter die „Entlasteten" ein. So durfte Reinefarth, den man in
Polen allgemein „den Schlächter von Warschau" nennt, Bürgermeister eines
Nordsee-Luxusbads werden und, wie der „Spiegel" vom 7. 1. 59 es
ausdrückte, „heute als Abgeordneter ... am bundesrepublikanischen Aufbau
mitarbeiten".
Die Wunden, die der deutsche Imperialismus durch solche Werkzeuge
unseren Nachbarn schlug, sind noch nicht vernarbt. Sie heilen nicht, solange
man in Westdeutschland nach Grenzrevision oder gar Revanche ruft. Das
polnische Volk war das erste Opfer der faschistischen Aggression, es hat am
längsten aufs Entsetzlichste gelitten. Die Zerstörung der Landeshauptstadt,
die Austreibung der Einwohnerschaft war eine Katastrophe, die anderen
schwer heimgesuchten Völkern erspart geblieben und in der neueren
Geschichte überhaupt ohne Beispiel ist
Wir achten den Mut, den es erforderte, eine derartige Trümmerstätte wieder
aufzubauen. Am 17. Januar 1941 hatte die polnische 1. Armee, im Verband
der 1. Belorussischen Front operierend, Warschau befreit. Während sie, fünf
Divisionen stark, über Kolberg und Küstrin auf Berlin vordrang, und während
die polnische 2. Armee half, Posen und Breslau dem Faschismus zu
entreißen, begann an der Weichsel das entbehrungsreiche Ringen mit
Millionen Kubikmetern Schutt. Inzwischen ist Warschau als Hauptstadt eines
neuen Staates wiedererstanden. Denn das, wofür Polens Patrioten sechs
bittere Jahre hindurch kämpften, ist Wirklichkeit geworden. Ihr einst
rückständiges, ausgesaugtes Land wurde ein junger Industriestaat. Und das
beweist die Lebenskraft einer Nation, die ihre sozialen Fesseln gesprengt
hat.
Wolfgang Schreyer
Wolfgang Schreyer, geboren 1927 in Magdeburg. Oberschule, Flakhelfer,
Soldat, US-Kriegsgefangenschaft bis 1946. Debütierte mit dem
Kriminalroman "Großgarage Südwest" (1952), seitdem freischaffend, lebt in
Ahrenshoop. 1956 erhielt er den Heinrich-Mann-Preis für den Kriegsroman
"Unternehmen Thunderstorm". Schreyer zählt zu den produktivsten und
erfolgreichsten Autoren spannender Unterhaltungsliteratur in der DDR,
schrieb Sachbücher, Szenarien für Funk und mehr als zwanzig Romane mit
einer Gesamtauflage von 6 Millionen Exemplaren.
Bibliographie:
Großgarage Südwest, Das Neue Berlin, Berlin 1952
Mit Kräuterschnaps und Gottvertrauen, Das Neue Berlin, Berlin 1953
Unternehmen „Thunderstorm“, Das Neue Berlin, Berlin 1954
Die Banknote, Das Neue Berlin, Berlin 1955
Schüsse über der Ostsee, Verlag Neues Leben, Berlin 1956
Der Traum des Hauptmann Loy, Das Neue Berlin, Berlin 1956
Das Attentat, Verlag des Ministeriums für Nationale Verteidigung, Berlin
1957
Der Spion von Akrotiri, Verlag des Ministeriums für Nationale Verteidigung,
Berlin 1957
Alaskafüchse, Verlag des Ministeriums für Nationale Verteidigung, Berlin
1959 (verfilmt: DEFA 1964, Regie: Werner W. Wallroth)
Das grüne Ungeheuer, Das Neue Berlin, Berlin 1959 (verfilmt: DFF
1961/62, Regie: Rudi Kurz)
Entscheidung an der Weichsel, Verlag des Ministeriums für Nationale
Verteidigung, Berlin 1960
Tempel des Satans, Verlag des Ministeriums für Nationale Verteidigung,
Berlin 1960
Die Piratenchronik, Kongress-Verlag, Berlin 1961
Vampire, Tyrannen, Rebellen, Deutscher Militärverlag, Berlin 1963
(zusammen mit Günter Schumacher)
Preludio 11, Militärverlag der DDR, Berlin 1964 (verfilmt: DEFA 1963,
Regie: Kurt Maetzig)
Fremder im Paradies, Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale)
Augen am Himmel, Deutscher Militärverlag, Berlin 1967
Aufstand des Sisyphos, Deutscher Militärverlag, Berlin 1969 (zusammen
mit Jürgen Hell)
Der gelbe Hai, Das Neue Berlin, Berlin 1969
Bananengangster, Militärverlag der DDR, Berlin 1970
Der Adjutant (Die dominikanische Tragödie 1. Band), Mitteldeutscher
Verlag, Halle (S.) 1971
Der Resident (Die dominikanische Tragödie 2. Band), Mitteldeutscher
Verlag, Halle (Saale) 1973
Tod des Chefs oder Die Liebe zur Opposition, Eulenspiegel-Verlag, Berlin
1975
Schwarzer Dezember, Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1977
Die Entführung, Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1979
Der Reporter (Die dominikanische Tragödie 3. Band), Mitteldeutscher
Verlag, Halle (Saale) 1980
Die Suche oder Die Abenteuer des Uwe Reuss, Das Neue Berlin, Berlin
1981
Eiskalt im Paradies, Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1982
Die fünf Leben des Dr. Gundlach, Militärverlag der DDR, Berlin 1982
Der Fund oder Die Abenteuer des Uwe Reuss, Das Neue Berlin, Berlin
1987
Der Mann auf den Klippen, Militärverlag der DDR, Berlin 1987
Der sechste Sinn, Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1987
Unabwendbar, Das Neue Berlin, Berlin 1988
Die Beute, Hinstorff Verlag, Rostock 1989
Endzeit der Sieger, Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1989
Alpträume, Verlag Harry Ziethen, Oschersleben 1991
Nebel, Eulenspiegel Das Neue Berlin, Berlin 1991
Das Quartett, Eulenspiegel Das Neue Berlin, Berlin 1994
Der zweite Mann, Das Neue Berlin, Berlin 2000
Der Verlust oder Die Abenteuer des Uwe Reuss, BS-Verlag, Rostock
2001
Das Kurhaus, BS-Verlag, Rostock 2002
Die Legende, Das Neue Berlin, Berlin 2006 (zusammen mit Paul Schreyer)
Ahrenshooper Begegnungen, BS-Verlag, Rostock 2008
Der Leuchtturm, Scheunen-Verlag, Kückenshagen 2009
Die Verführung (Erzählungen), Das Neue Berlin, Berlin 2010
Der Feind im Haus, Das Neue Berlin, Berlin 2011
E-Books von Wolfgang Schreyer
Großgarage Südwest
ISBN: 978-3-86394-081-2
Mit Kräuterschnaps und Gottvertrauen
ISBN: 978-3-86394-082-9
Unternehmen "Thunderstorm"
ISBN: 978-3-86394-083-6
Die Banknote
ISBN: 978-3-86394-084-3
Schüsse über der Ostsee
ISBN: 978-3-86394-085-0
Der Traum des Hauptmann Loy
ISBN: 978-3-86394-086-7
Das Attentat
ISBN: 978-3-86394-087-4
Der Spion von Akrotiri
ISBN: 978-3-86394-088-1
Alaskafüchse
ISBN: 978-3-86394-089-8
Das grüne Ungeheuer (Der grüne Papst)
ISBN: 978-3-86394-090-4
Entscheidung an der Weichsel
ISBN: 978-3-86394-091-1
Tempel des Satans
ISBN: 978-3-86394-092-8
Die Piratenchronik
ISBN: 978-3-86394-093-5
Vampire, Tyrannen, Rebellen
ISBN: 978-3-86394-094-2
Preludio 11
ISBN: 978-3-86394-095-9
Fremder im Paradies
ISBN: 978-3-86394-096-6
Augen am Himmel
ISBN: 978-3-86394-097-3
Aufstand des Sisyphos
ISBN: 978-3-86394-098-0
Der gelbe Hai
ISBN: 978-3-86394-099-7
Bananengangster
ISBN: 978-3-86394-100-0
Der Adjutant
ISBN: 978-3-86394-101-7
Tod des Chefs oder Die Liebe zur Opposition
ISBN: 978-3-86394-102-4
Der Resident
ISBN: 978-3-86394-103-1
Schwarzer Dezember
ISBN: 978-3-86394-104-8
Die Entführung
ISBN: 978-3-86394-105-5
Der Reporter
ISBN: 978-3-86394-106-2
Die Suche oder Die Abenteuer des Uwe Reuss
ISBN: 978-3-86394-107-9
Eiskalt im Paradies
ISBN: 978-3-86394-108-6
Die fünf Leben des Dr. Gundlach
ISBN: 978-3-86394-109-3
Der Fund oder Die Abenteuer des Uwe Reuss
ISBN: 978-3-86394-110-9
Der Mann auf den Klippen
ISBN: 978-3-86394-111-6
Der sechste Sinn
ISBN: 978-3-86394-112-3
Unabwendbar
ISBN: 978-3-86394-113-0
Die Beute
ISBN: 978-3-86394-114-7
Endzeit der Sieger
ISBN: 978-3-86394-115-4
Alpträume
ISBN: 978-3-86394-816-0
Nebel
ISBN: 978-3-86394-817-7
Das Quartett
ISBN: 978-3-86394-818-4
Der zweite Mann
ISBN: 978-3-86394-819-1