Eine Bar zum Verlieben
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Eine Bar zum Verlieben
anytime editor robert kropf photo chris plytas back to the roots. barkeeper phillipe hat in der vintage-bar im hotel amour alles im griff. was im übrigen nicht schwierig ist – sie ist nur sechs meter lang. 100 101 Eine Bar zum Verlieben An der nur sechs Meter langen Theke im Hotel Amour kann man der kleinen Französin auf dem Nebenhocker, den Drinks von Phillipe oder dem Design von Künstler André verfallen. In jedem Fall geht man verliebt nach Hause. Oder übernachtet gleich in einem der 20 Zimmer. Was haben die Leute nicht alles erzählt: An die Bar im Hotel Amour musst du gehen, da triffst du Sofia Coppola bei einem Glas Pernod, Terry Richardson wirft gierig die Augen auf neue Roll-Girls und Boys für seine delikaten Bilder (die in der Bar und in den Zimmern hängen). Wer sehen und gesehen werden will, schlürft Rotwein aus billigen Kolbengläsern im ehemaligen Stundenhotel in der Rue Navarin. Und dann das: Es ist 19 Uhr, Coppola bringt vermutlich ihr Baby ins Bett, Richardson dürfte sich noch von letzter Nacht ausschlafen. Die Bar ist leer, ein Mitt vierziger im grauen Anzug nuckelt an seinem Cosmo, keine Spur von French Bobos und Savoir-vivre. Barman Phillipe – im engen T-Shirt und mit kolossalem Dreitagebart – kümmert sich mehr um Tiara, die Hoteldirektorin. Im Garten der Bar, einem kleinen grünen Innenhof, in dem drei Kois in einem noch kleineren Becken schwimmen, balzt ein junger Franzose bei einer dunkelhaarigen Schönheit um sein Leben. Die Vintage-Bar ist verwaist. Die roten Kerzen am Tresen brennen wohl zum Gedenken an die letzten Gäste. anyway j u l y / a u g u s t 2007 „Wir sind kein Stundenhotel. Aber wenn sich in der Bar zwei finden und ein Zimmer ist frei, werden Sie es buchen können.“ barman phillipe Was haben die Leute nicht alles erzählt: An die Bar im Hotel Amour musst du gehen, da hat der Künstler André, der König des Pariser Nachtlebens, sein Paradies für Trinker und Redner gebaut. Eine Bar, ganz ohne Chi-Chi, schnörkellose Tische, rote Sitzpolster, vergilbte Silberspiegel. Ein Club, gestaltet von seinem Designerfreund Jacques Garcia, der den ehemaligen Nachtclub Nirvana in eine brasserie chic verwandelt hat. Mit André unter einer Decke stecken auch Emmanuel Delaveine und Thierry Costes, der Sohn der Costes-Familie, die mittlerweile nachgewiesenerweise 40 Lokale in Paris besitzt, darunter Kapazunder wie das Le Café Beaubourg, das Le Georges im Centre Pompidou, das Le Café Marly oder auch das L’Avenue und das Hotel Costes natürlich. Vier eloquente Herren, denen momentan ganz Paris zu Füßen liegt. Vier Stunden später: Die Bar, in der rund 100 Gäste aus Platzmangel die Körper aneinanderreiben, ist berstend voll. „Eigentlich ist es keine Bar“, sagt Phillipe zwischendurch. Von Tiara, der Direktorin, hat er längst abgelassen, sie flattert mit einem blütenweißen Kleid durch die Menge, küsst die Gäste, umarmt das ganze Lokal. Längst hat sie die Rezeption des Hotels verlassen, die fünf Schritte von der Bar entfernt ist. „Es stimmt auch nicht, was die französischen Zeitungen geschrieben haben“, sagt Phillipe. „Wir sind nicht die Pariser Version der japanischen Lovehotels, wo man die Zimmer stundenweise mieten kann. Wir sind ein normales Hotel, unprätentiös, günstig. Und wenn sich hier in der Bar Zwei finden und es ist eines der 20 Zimmer frei, dann werden sie es buchen können“, sagt er. Pas de pro blème. Schließlich ist man hier in Paris, der Stadt der Liebe. Understatement ist das, was die Szene derzeit liebt. Die Drinks in der Karte sind alles andere als außergewöhnlich, der billige Wein trotzdem süffig, er wird in einfachen Karaffen kredenzt. Fusion-Küche ist verpönt, auf den Teller jul/aug 2007 anyway in der stadt der liebe. früher was das hotel amour ein stundenhotel, jetzt drängen sich die french bobos um die wenigen plätze an der bar und dem mini-restaurant. wer der liebe vor ort ganz verfällt, kann im hotel übernachten. einzige voraussetzung: eines der 20 zimmer muss frei sein. > a n y t i m e / h o t e l a m o u r „Wir wollten einen Ort schaffen, wo man am Abend hin muss, weil man sonst nicht gut schlafen kann.“ architekt andré kolossaler dreitagebart. phillipe (ganz links) rät zum t-poche, dem drink, der alle hemmungen nimmt. hoteldirektorin tiara umarmt währenddessen alle gäste und sieht zu, dass die kleine love-terrasse vollbesetzt bleibt. 102 103 kommt, worüber man nicht groß reden muss. „Ein Steak oder ein Poulet roti mit Frites reicht, und man ist für neue Dinge offen“, wird Direktorin Tiara später noch sagen. Im Lokal toben sich die Raucher aus, als würden Marlboro & Co morgen von der Bildfläche verschwinden. „Back to the roots“, meint André, der das Haus umgebaut hat. „Wir wollten eine Bar machen, in die wir selber gerne gehen. Ein Wohnzimmer für Freunde. Einen Platz zum Verführen, einen Ort, wo man am Abend hin muss, weil man sonst nicht gut schlafen kann.“ Was haben die Leute nicht alles erzählt: An die Bar im Hotel Amour musst du gehen, da triffst du die schönsten Frauen. Etwa Tiara, die Hoteldirektorin. Es ist halb zwei Uhr früh, Tiara sitzt in der Ecke, auf dem Teller ein Steak so groß wie eine Männerhand und so blutig, als hätte es die Pfanne nur im Vorübergehen gesehen. Dazu trinkt sie schweren Rotwein. Es ist Zeit, sie nach den Gerüchten zu fragen, die es um diese Bar gibt. Etwa, dass Fotograf Terry Richardson und Designer Marc Newson immer wieder nach Mitternacht einfallen, um sich nach Frischfleisch umzusehen – und sie meinen damit kein blutiges Steak. „Schau“, sagt sie und nimmt einen kräftigen Bissen rohes Fleisch, „unsere Zimmer haben kein Fernsehen, kein Telefon, kein Internet. Wer zu uns kommt, will nicht Nachrichten schauen und arbeiten. Dafür haben wir die gleichen Matratzen wie im Ritz und die Bäder Drink, der alle Hemmungen nimmt philippes famous t-poche je ein schuss bourbon whiskey, canadian whisky, malibu, gin, wodka, absinth. dazu grandine und einen schuss cranberry-sirup für den leicht süßen geschmack. einfach den bourbon, whiskey, malibu, wodka, gin und absinth zusammenmixen und als abschluss einen schuss grenadin und cranberry-sirup für farbe dazugeben. sind mit Kiehls-Armaturen ausgestattet.“ Sie nimmt einen weiteren kräftigen Schluck. „Sieh dich doch um, sagt sie, „die Gäste kommen hierher, um sich näher zu kommen.“ Phillipe an der Bar kümmert sich um das Liebespaar, das am Tresen seiner Zink-Bar sitzt. Und um die hübsche, junge Dame, die alleine bei ihm steht. Ihr Name ist Valerie. Ja, sie kenne Phillipe schon länger, sie habe ihn hier in der Bar kennengelernt. Und sie wartet nur noch, dass er bald Dienstschluss hat. Danach werde man sehen, vielleicht gehen sie noch auf einen Drink ums Eck, in eine der Bars in der Rue de Martyres. Oder auch ganz woandershin. Im Hotel bleiben sie jedenfalls nicht. Da sind heute alle 20 Zimmer ausgebucht. > hotel amour. 8, rue navarin, 75009 paris, metro: saint georges, tel. +33-1-48783180, www.hotelamour.com anyway j u l y / a u g u s t 2007