Anti-Phospholipid
Transcription
Anti-Phospholipid
Anti-Phospholipid-Syndrome WOLF D. KUHLMANN∗ Radioonkologie, Klinische Kooperationseinheit Strahlentherapie DKFZ Heidelberg Im Neuenheimer Feld 280, D-69120 Heidelberg Klassifikation Das Anti-Phospholipid-Syndrom (APS) ist eine systemische Autoimmunerkrankung mit Thrombophilie, geburtshilflichen Komplikationen und zahlreichen anderen klinischen Manifestationsmöglichkeiten bei Anwesenheit von Anti-Phospholipid Antikörpern. Ein APS kann ohne eine andere zugrundeliegende Erkrankung auftreten (primäres APS) oder mit weiteren Autoimmunerkrankungen, insbesondere mit dem systemischen Lupus erythematodes, assoziiert sein (sekundäres APS). G.R. HUGHES (1983) gilt als Erstbeschreiber des APS. Es handelt sich um ein klinisches Syndrom von venösen und arteriellen Thrombosen, rezidivierenden Aborten und neurologischen Komplikationen in Verbindung mit dem wiederholten Nachweis von Anti-Phospholipid Antikörpern (APA). Seit 1998 gibt es Klassifikationskriterien für das APS. Im Vordergrund stehen dabei die klinischen Symptome Gefässverschluss und Schwangerschaftskomplikation und eines der beiden Laborkriterien Lupus Antikoagulans oder Anti-Cardiolipin Antikörper in mittleren oder hohen Titern. Die vorläufigen internationalen Kriterien für die Klassifikation eines Anti-PhospholipidSyndroms (sog. Sapporo-Nomenklatur; GHARAVI, A.E. et al., 1998; WILSON, W.A. et al., 1999) sind • Nachweis von Anti-Phospholipid Antikörpern: - Anti-Cardiolipin Antikörper (Isotyp IgG oder Isotyp IgM). - Lupus Antikoagulans. Pathologische Laborergebnisse müssen sich mindestens zweimal im Abstand von 6 Wochen bestätigen lassen. Außerdem müssen sie zeitgleich mit einem oder mit mehreren klinischen Krankheitsbildern auftreten, die bereits früher mit dem Nachweis von APA assoziiert waren. • Relevante klinische Krankheitsbilder: - Ein- oder mehrmalig auftretende arterielle oder venöse Thrombosen. - Wiederholte Aborte (nach Ausschluß von chromosomalen, hormonellen, anatomischen Ursachen); Spätaborte sind typischer als Frühaborte. Intrauteriner Fruchttod und Frühgeburten, assoziiert mit schwerer Präeklampsie oder Plazentainsufinsuffizienz. - Ein oder mehrere Episoden von reversibler zerebraler Ischämie. - Multiple Sklerose ähnliche Syndrome oder unerklärliche fokale neurologische Ausfälle. Weitere wichtige Kennzeichen, die allerdings nicht als Kriterien eines APS gelten, sind z.B. - Thrombozytopenie <100.000/mm3. ∗ Arzt- und Patienteninformation erstellt für das MVZ Koblenz-Mittelrhein - Hämolytische Anämie mit Retikulozytose und positivem Coombs-Test (nicht Medikamenten induziert), isoliert oder zusammmen mit einer Thrombozytopenie. Livedo reticularis. unerklärliche Mitral- oder Aortenklappenverdickung. unerklärliche Chorea. Migräne, Auftreten innerhalb eines Jahres nach Feststellung eines positiven APATests. Klinik Arterielle und venöse Thrombosen, Lungenembolie, Herzinfarkt (insbesondere bei jungen Menschen) und wiederholte Aborte sind die wesentlichen klinischen Kennzeichen. Mehr als die Hälfte der Thrombosen bei Frauen mit APS treten in der Schwangerschaft, im Wochenbett oder bei der Einnahme oraler Kontrazeptiva auf. Als assoziiertes Merkmal gilt eine Thrombozytopenie. Rekurrierende kleinere zerebrovaskuläre Verschlüsse können zur Multi-InfarktDemenz führen. Andere typische Krankheitsbilder sind z.B. Budd-Chiari-Syndrom, Chorea, pulmonaler Hochdruck, Verdickung von Herzklappen. Livedo reticularis gilt als brauchbarer Hautmarker und kann mit einem Sneddon-Syndrom (Hochdruck, zerebrovaskuläre Erkrankungen und Livedo) vergesellschaftet sein. Indikation zur Labordiagnostik sind folglich: - Arterielle, venöse Thrombosen. - Unklare Abortneigung. - Lungenembolie. - Juvenile Myokardinfarkte. - Zerebrovaskuläre Insulte. - Thrombozytopenie. - Unklare aPTT Verlängerung. - Verdacht auf einen falsch positiven VDRL Test. - Coombs positive hämolytische Anämie. - Autoimmunerkrankungen, insbesondere Kollagenosen. - Livedo reticularis, Sneddon Syndrom. Bei Vorliegen von Anti-Phospholipid Antikörpern muß zur Differenzierung zwischen einem primären und einem sekundären Anti-Phospholipid-Syndrom eine internistische Differentialdiagnostik erfolgen. Dabei müssen folgende Grunderkrankungen in Betracht gezogen werden: • Systemischer Lupus erythematodes. • Lupusähnliche Erkrankungen (mit weniger als vier ACR-Kriterien für den SLE). • Rheumatoide Arthritis. • Sjögren-Syndrom. • andere definierte Autoimmunerkrankungen, z.B. ANCA-assoziierte Vaskulitiden, M. Crohn, ITP (idiopathische thrombozytopenische Purpura). • Tumorerkrankungen. Labordiagnostik (APS-Routineverfahren) Neben der Klinik sind unklare aPTT Verlängerungen, Thrombozytopenie und Coombs positive hämolytische Anämien sowie falsch positive VDRL Tests (im Rahmen der Luesdiagnostik) wichtige Indikatoren für das Vorliegen von Anti-Phospholipid Antikörpen (APA). Basis- und Spezialdiagnostik helfen bei der gezielten Abklärung. • Basisdiagnostik: großes Blutbild, Coombs Test und aPTT. • Spezialdiagnostik: Nachweis und Messung von Anti-Phospholipid Antikörpern (APA, i.e. Antikörper gegen biologisch relevante Phospholipid-Protein Komplexe), die in der Regel mit gerinnungsphysiologischen (Koagulationsmethoden) und immunologischen Testverfahren (ELISA) detektiert werden. Diagnostisch relevante APA sind - Anti-Cardiolipin Antikörper: die Isotypen IgG und IgM mit mittleren und hohen Titern haben eine besonders hohe Bedeutung; der Isotyp IgA ist weniger aussagekräftig. - Lupus Antikoagulans (LA): zusätzlich zum LA-Screening mit dem koagulometrischen aPTT Verfahren erfolgt in Phospholipid abhängigen Koagulationstests die Identifizierung des LA als Inhibitor. - Anti-Beta-2-Glykoprotein I: Antikörper gegen Beta-2-Glykoprotein I haben nicht den gleich hohen Stellenwert wie Anti-Cardiolipin Antikörper oder Lupus Antikoagulans. Sie sind dennoch als diagnostische Marker zu bezeichnen, weil sie gelegentlich auch isoliert auftreten. Der Nachweis ist nicht unbedingt an das gleichzeitige Auftreten von Anti-Cardiolipin Antikörpern oder Lupus Antikoagulans gebunden. Den oben genannten Autoantikörpern (Anti-Cardiolipin, Lupus Antikoagulans und AntiBeta-2-Glykoprotein I) liegen trotz Auslösung vergleichbarer Krankheitsbilder unterschiedliche Phospholipid-Antigene zugrunde. Im Falle der Anti-Cardiolipin Antikörper stellen Kom-plexe aus Phospholipiden und Proteinen (vornehmlich Beta-2-Glykoprotein I als Kofaktor) die eigentlichen antigenen Epitope dar und können im ELISA gemessen werden. Beim Lupus Antikoagulans handelt es sich um Antikörper gegen bestimmte Phospholipide, die bei Gerinnungsprozessen eine Rolle spielen und dementsprechend auf Laborebene mit den Gerinnungstests interferieren. So kann beispielsweise eine Verlängerung der aPTT als Zufallsbefund auffallen. Für die diagnostische Erfassung von Lupus Antikoagulans ist eine spezielle koagulometrische gerinnungs-physiologische Diagnostik erforderlich. Labordiagnostik (weiterführende Untersuchungen) Bei Hinweisen auf ein APS im Rahmen anderer Grunderkrankungen kommen weitere Laborverfahren zur Anwendung. Am häufigsten stehen systemische Autoimmunerkrankungen im Vordergrund, für die entsprechende Untersuchungen in Betracht kommen z.B. - Antinukleäre Antikörper (ANA mittels IFT und ENA-Screen mittels ELISA; bei einem positiven ENA-Screen ist eine anschließende Differenzierung der zugrunde liegenden antigenen Entitäten erforderlich). - Anti-dsDNS Antikörper. - ANCA (cANCA und pANCA). - Rheumafaktor (RF) und Antikörper gegen cyclisches citrulliniertes Peptid (CCP). Zusätzliche Analysenparameter sind ggf. in Abhängigkeit von den vorliegenden Untersuchungsergebnissen in Erwägung zu ziehen. Therapie Die Akutbehandlung einer Thrombose unterscheidet sich nicht von der Behandlung von Thrombosen anderer Genese. Thrombosen bei APS rezidivieren häufiger als die idiopathischen Thrombosen. Eine Antikoagulation kann Rezidive senken (ggf. Kontraindikationen beachten). Antikoagulationsbehandlung und zu erzielender INR hängen ab von der Thromboselokalisation (z.B. venös INR 2,5; arteriell INR 3-4; und rezidivierende Thrombosen INR 3-4 plus ASS). Zur Abortprophylaxe werden in der Schwangerschaft Heparingaben empfohlen. Zusammenfassung Anti-Phospholipid-Syndrome (APS) sind mit schwerwiegenden Erkrankungen vergesellschaftet und lassen sich labordiagnostisch durch den Nachweis der wichtigsten APA (AntiCardiolipin und Lupus Antikoagulans) gut charakterisieren. Den Anti-Cardiolipin Antikörpern und dem Lupus Antikoagulans liegen unterschiedliche Entitäten zugrunde. Daher müssen beide APA in getrennten Testansätzen analysiert werden. Für die Unterscheidung, ob ein primäres oder sekundäres APS vorliegt, ist vor allem eine weitergehende KollagenoseDiagnostik mit geeigneten Markern (nukleäre und zytoplasmatische Antikörper) erforderlich. Die Therapie des APS richtet sich nach dem klinischen Bild, z.B. wird zwischen Akutbehandlung und Thromboseprophylaxe unterschieden. Literatur Exner T et at., Thromb Haemost 65, 320-322, 1991 Gharavi AE et al., Classification Criteria Workshop on Antiphospholipid Syndrome, Sapporo 1998 Gromnica-Ihle E, Schössler W, Int Arch Allergy Immunol 123, 67-76, 2000 Harris EN, Am J Clin Pathol 94, 476-480, 1990 Harris EN, Antiphospholipid syndrome. In: Rheumatology (Klippel JH, Dieppe PA, eds.), Mosby, London 1998 Hughes GR, Br Med J 287, 1088-1089, 1983 Koike T et al., Lupus 7 (suppl 2), 14-17, 1998 Lima F et al., Clin Exp Rheumatol 14, 131-136, 1996 Loizou S et al., Clin Exp Immunol 62, 738-742, 1985 Matsuura E et al., Lancet 336, 177-178, 1990 McNeil HP et al., Proc Natl Acad Sci (USA) 87, 4120-4124, 1990 Ordi-Ros J et al., Thrombotic manifestations in the antiphospholipid syndrome. In: The Antiphospholipid Syndrome (Asherson RA, Cervera R, Piette JC, Shoenfeld Y, eds.), pp 107-115. CRC Press, Boca Raton 1996 Piette JC et al., Lupus 5, 354-363, 1996 Salafia CM, Parke AL, Rheum Dis Clin North Am 23, 85-97, 1997 Triplett DA, Lupus 3, 281-287, 1994 Welsch S, Branch DW, Rheum Dis Clin North Am 23, 71-84, 1997 Wilson WA et al., Arthritis Rheum 42, 1309-1311, 1999 © Prof. Dr. W. D. Kuhlmann, Heidelberg 03.12.2006