Blick ins Buch

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Blick ins Buch
Friedrich-Wilhelm Tuttlies
Die DDR -Finanzen
und was aus ihnen wurde
ZWISCHEN
PLANUND MARKTWIRTSCHAFT
Das Neue Berlin
INHALT
Einleitung
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1. GAB ES IN DER DDR ZWANGSKREDITE?
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Thesen zur angeblichen Zwangskreditierung
War der Kreditbedarf der volkseigenen Wirtschaft
eine Folge von Gewinnabschöpfungen?
War die Nettogewinnabführung ein Instrument der
Zwangskreditierung?
Der Fiskus verlagerte die Wohnungsbaufinanzierung auf das Kreditsystem
Das zentralisierte Planungssystem der DDR und
seine Auswüchse
Kreditentscheidungen im Entwurfs- und
Beschlussverfahren
Markt und Plan im Kreditsystem nach den
gescheiterten Reformen
Flexible Handhabung der im Plan enthaltenen
Kredite
Zusätzliche Kredite zur Rationalisierung
Kredite in fremden Währungen
Kredite in konvertierbaren Währungen
Autobiografischer Exkurs in die Deutsche
Notenbank ab 1955
Schematische Darstellung des Bankensystems
der DDR per 31. 12. 1989
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Die Fachabteilungen des Zentralkomitees als
»Oberregierung« der DDR
Wie vertrug sich die Geschäftsbankfunktion mit
den Kontrollaufgaben der Staatsbank?
Die Vor-Ort-Finanzierung eines großen Investitionsprojekts durch die Sonderbankfiliale Schwedt
Zusammenfassung zum ersten Kapitel
2. WIE VERSCHULDET WAR DIE DDR ODER WAR
SIE SOGAR PLEITE?
War der Staat bei der Staatsbank verschuldet?
Wurden Defizite im Staatshaushalt durch
Abgaben der VEW kaschiert?
Zur Rolle der Nettogewinnabführung bei einer
Defizitverschleierung
Wurden Defizite durch die Verlagerung von
Haushaltsfinanzierungen auf das Kreditsystem
verschleiert?
Hat der Staatshaushalt Schulden bei der
Bevölkerung gemacht?
Zur Höhe und Bewertung der verschleierten
Defizite
Staatsschulden kaschieren oder transparent
machen?
Gibt es eine Analogie der Staatsschuldenkrise in
der Eurozone zur finalen Lage der DDR ?
War die DDR außenwirtschaftlich pleite?
Die Verwirrung über die Zahlenbasis der
(geheim gehaltenen) DDR -Verschuldung
Die vier Segmente der DDR -Zahlungsbilanz
inklusive KoKo
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Verschiedene Zahlenwerke zur
DDR -Verschuldung ab 1990: BMF , Bundesbank,
Schürer-Bericht, Norbert Schindler
Die mit Antritt Honeckers in Schwung
gebrachte Schuldenspirale
Fazit: Die DDR war nicht zahlungsunfähig
Exkurs: Die Deutsche Handelsbank AG (DHB )
als KoKo-Hausbank
Die Rolle von Schalcks KoKo
Der von Strauß und Schalck verhandelte Milliardenkredit – Fazit zur DDR -Verschuldung
Konföderation BRD /DDR – Ausweg aus dem
Dilemma?
3. WURDE DIE DDR-WIRTSCHAFT DURCH DIE
WÄHRUNGSUNION RUINIERT?
Die gesamtdeutsche Diskussion einer
Konföderation war im Februar 1990 bereits
obsolet
Diskussionen über den Umtauschkurs zur
Währungsunion 1990
Offizielle, interne und realistische Wechselkurse –
der sogenannte »Richtungskoeffizient«
Welche Folgen konnte ein realitätsferner
Wechselkurs damals überhaupt haben?
Debatten über die Umstellungskurse der
Flussgrößen (Löhne, Renten, Tarife)
Die tatsächlichen Gründe für die
Deindustrialisierung Ostdeutschlands
Der DDR -Wirtschaft brechen die Märkte weg
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Marktverlust und Strukturschwäche waren die
Hauptgründe der ostdeutschen
Deindustrialisierung
Entgegnung auf Richard Schröders Skizze der
DDR -Planwirtschaft
Privatisierung und Ausverkauf einer vorsätzlich
diskreditierten Wirtschaft
Wie privatisiert man anonymes Volkseigentum
unbekannten Werts?
Erste Aufgabe der Treuhandanstalt im Zuge der
Privatisierung: Liquiditätskredite
Mythen zur angeblich fehlenden Liquidität der
DDR -Betriebe im Sommer 1990
Direktive an Rohwedder: (Schnelle) Privatisierung
ist die beste Sanierung!
Zweierlei Scheitern von Privatisierung am
Beispiel Wittenberge
Problem der Kaufpreisfindung: Substanz-,
Ertrags- und Opportunitätswert
Treuhandpraxis bei der Kaufpreisfindung am
Beispiel der kriminell verlaufenen Privatisierung
des VEB Wärmeanlagenbau Berlin (WBB )
Textima-Export/Import GmbH – ein Beispiel
für erfolgreiche Privatisierung
Die tatsächliche Höhe der verbliebenen
Treuhand-Schulden
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4. WAR DIE TRANSFORMATION DES BANKWESENS
DER DDR IN DIE MARKTWIRTSCHAFT EIN
CHAOTISCHES ABENTEUER ODER EINE
GEORDNETE ÜBERLEITUNG?
Transformation der Staatsbank: Gründung und
Namensfindung der Deutschen Kreditbank
(DKB )
Anlaufphase der DKB : Erste informelle Kontakte
mit der Deutschen Bank; Richtigstellung
vielfältiger Mythenbildung
Erster Joint-Venture-Partner der DKB : die
Deutsche Bank – Mythen und Korrekturen
Zweites Joint Venture der DKB mit der
Dresdner Bank
Reprise und Fazit zum Joint Venture
DKB – Deutsche Bank
Übernahme des Berliner Stadtkontors durch die
Berliner Bank AG
Resümee zur Transformation des gesamten
Bankensektors der DDR
Weiterer Verlauf der DKB -Geschichte ab
der Währungsunion
Mein persönlicher Werdegang bis 1995
Die Entwicklung der DKB von einer »Abwicklungsbank« der Treuhand zur erfolgreichen
»fokussierten« Universalbank
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Über den Autor
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Literaturverzeichnis
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Über den Autor
Nach dem Abitur absolvierte Friedrich-Wilhelm Tuttlies
die Lehre zum Bankkaufmann bei der Landeskreditbank
Brandenburg, Filiale Wittenberge, und arbeitete ab 1950
als Kreditsachbearbeiter. 1952 wurde er stellvertretender
Direktor der Filiale Wittenberge der Deutschen Notenbank.
Ab 1955 war er Hauptreferent und ab 1964 Referatsleiter
in den Bereichen Grundsätze sowie Industriefinanzierung
in der Zentrale der Deutschen Notenbank in Berlin. In den
Jahren 1969–72 war er Leiter der Grundsatzabteilung der
aus der Staatsbank ausgegründeten Industrie- und Handelsbank der DDR . Nach deren Rückfusionierung auf die
Staatsbank wurde er 1973 Leiter der Abteilung Leicht-, Lebensmittel-, Glas- und Keramikindustrie sowie die bezirksgeleitete Industrie und blieb dies bis in die Wendezeit.
1989/90 war er Mitbegründer und Mitglied des Gründungsvorstandes der Deutschen Kreditbank AG (DKB ) bis
zum November 1990. In dieser Funktion gestaltete er die
Joint Ventures der DKB mit der Deutschen Bank und der
Dresdner Bank mit aus. In der Deutschen Bank übte er anschließend die Funktion als Direktor im Firmenkundengeschäft noch bis 1991 aus. Von 1992 an arbeitete er schließlich bis zu seinem Ausscheiden aus dem Berufsleben zum
Jahresende 1995 als Abteilungsdirektor im Firmenkundengeschäft der Dresdner Bank Berlin.
Zu seinen Qualifikationen zählt F.-W. Tuttlies die Abschlüsse als Finanzwirtschaftler (1956) und Diplomwirtschaftler (1961) sowie die Promotion als Wirtschaftswissenschaftler (Dr. rer. oec., 1967), außerdem die Funktionen
als Mitglied in diversen wissenschaftlichen Forschungsge221
meinschaften und als berufenes Mitglied des Wissenschaftlichen Rates für sozialistische Betriebswirtschaft bei
der Akademie der Wissenschaften der DDR .
Mit dem vorliegenden Buch will der Autor seinen Beitrag als Zeitzeuge zu einer objektiven und differenzierten
Wertung der Rolle der Staatsbank, der Geld- und Kreditpolitik im Wirtschafts- und Finanzsystem der DDR sowie
dessen Transformation in die Marktwirtschaft leisten.
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2. WIE VERSCHULDET WAR
DIE DDR ODER WAR SIE
SOGAR PLEITE?
Kanzleramtsminister Horst Teltschik soll vor Pressevertretern am 9. Februar 1990 erklärt haben, was die Bundesregierung befürchtete: »Zweitens den drohenden wirtschaftlichen Kollaps; es zeichne sich ab, dass die DDR in wenigen
Tagen völlig zahlungsunfähig sei und erhebliche Stabilitätshilfen benötigen werde.«1
Am Runden Tisch soll am 12. Februar 1990 die bevorstehende Reise des Ministerpräsidenten Modrow nach Bonn
erörtert worden sein. Das liest sich bei Laabs so: »Der Runde Tisch will ihm Leitlinien an die Hand geben. Auf keinen
Fall soll er kapitulieren. Doch Modrow muss die Regierung
Kohl um viel Geld bitten, da die finanzielle Lage der DDR
bedrohlich ist. […] Und für die laufenden Gehälter ist auch
kein Geld mehr da. 15 Milliarden D-Mark hätte der Runde
Tisch gern von der Bundesregierung« (Laabs, S. 34).
Schon seit Mitte der achtziger Jahre hieß es immer wieder, dass die DDR vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch stünde und bis heute wird sie als verschuldet, hoch
verschuldet oder überschuldet charakterisiert.
Dass sich das wirtschaftliche Wachstum in der DDR in
den Achtzigern verlangsamte, die Effizienz der Volkswirtschaft rückläufig war, die Innovations- und Investitionskraft
schrumpfte und dass es hohe Schulden in konvertierbaren
Währungen gab, bedarf sicherlich keiner neueren Analyse.
Die Beantwortung der Fragen aber ob sie mittel- oder langfristig aus eigener Kraft – gegebenenfalls mit tief greifenden
wirtschafts-, finanz- und sozialpolitischen Reformen – hätte
überleben können, wie hoch sie verschuldet oder ob sie sogar pleite war, und welche Chancen für einen wirtschaftlichen Umschwung vor diesem Hintergrund bestanden haben, bedarf sehr wohl eines differenzierenden Rückblicks.
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War der Staat bei der Staatsbank
verschuldet?
Zuerst will ich mich der Frage widmen, ob die DDR nach
innen verschuldet war, ob der Staat also Schulden bei der
Bank, der Wirtschaft und der Bevölkerung angehäuft hat.
Weder in den Bilanzen des Kreditsystems noch in der
Finanzbilanz des Staates wurden solche gegenüber der
Bank bestehenden Schulden ausgewiesen – mit einer Ausnahme! Eine Forderung der Bank an den Staatshauhalt gab
es schon seit 1948. Rund 4 Mrd. Mark waren damals für die
Erstausstattung mit Banknoten und Münzen im Zuge der
Währungsreform emittiert worden. Dafür standen dem
Bankwesen keine Aktiva zur Verfügung, weil die Guthaben
der geschlossenen Banken nicht auf die neuen Banken übertragen worden waren. Diese Verbindlichkeit sollte später
aus Rückzahlungen auf Altkredite getilgt werden.2 Als Indiz
für eine Verschuldung taugt dieser Posten aber sicherlich
nicht.
Der Staatshaushalt musste laut Verfassung ausgeglichen sein, d. h. er durfte weder Anleihen begeben noch
Bankkredite aufnehmen. Bis zum Dezember 1989 bzw. Januar 1990 wurde dieses zum Dogma erhobene Prinzip
mehr oder weniger »durchgehalten«. Nach dem Mauerfall
blieben dann aber Betriebe und Kombinate zunehmend
ihre an den Staatshaushalt zu zahlenden Abgaben schuldig, reduzierten ihre Kredite oder füllten ihre Buchgeldbestände auf. Damit der Staatshaushalt seinen Verpflichtungen (und das waren nicht nur die ihm obliegenden
Gehaltszahlungen) nachkommen konnte, blieb nur der
Weg, Schulden bei der Bank zu machen. Es wurde ein sogenannter Kassenkredit bei der Staatsbank der DDR bean78
tragt. Dieser Kredit wurde mit Zustimmung der Regierung
in Höhe von 15 Mrd. Mark gewährt. Das waren die zur Endzeit der DDR offengelegten Bankschulden des Staatshaushalts, durch die dessen Liquidität gesichert wurde. Solch
eine Kreditaufnahme bei der Staatsbank war bis dahin
strikt tabuisiert. Ein hinreichendes Indiz für eine Überschuldung und für einen bevorstehenden Kollaps der DDR
war das wohl eher nicht.
Mit der Hilfszahlung in Höhe von 15 Mrd. DM, um die
Modrow sich auf Vorschlag des Runden Tisches in Bonn
bemühen sollte, hatte es meines Wissens eine ganz andere
Bewandtnis. Für Gehaltszahlungen und andere laufende
Haushaltsausgaben benötigte man zu dieser Zeit wirklich
noch keine D-Mark! Dass die DDR -Regierung die 15 Mrd.
DM dann in Wechselstuben zum Kurs von 1 : 5 oder wie
auch immer in Mark umtauschen würde, kann man ihr
wohl kaum unterstellen.
Aber im Ernst: Mit einer solchen Hilfe wollte die
DDR -Regierung nach meiner Erinnerung vor allem einen
»Devisenfonds« bilden, der die Ausstattung der DDR -Bürger mit Reisedevisen absichern und die erlangte Reisefreiheit praktisch umsetzbar machen sollte. Ferner mussten
die Verkehrsverbindungen zwischen den beiden Staaten
für den boomenden Personen- und Güterverkehr erweitert
und durchlässiger gestaltet werden. Auch z. B. dafür wurden D-Mark gebraucht. Auf Einnahmen aus Exporten in
konvertierbaren Währungen konnte man dafür schlecht
zurückgreifen. Die waren schon für die Verzinsung und
Tilgung außenwirtschaftlicher Schulden und die Bezahlung weiterer volkswirtschaftlich notwendiger Importe
disponiert.
Bei der Bank war der Staat offensichtlich kaum verschuldet. Wenn er aber nicht überschuldet war, konnte
ihm auch keine Pleite bevorstehen.
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Wurden Defizite im Staatshaushalt
durch Abgaben der VEW kaschiert?
Verbargen sich aber in den Finanzen der volkseigenen Wirtschaft, einschließlich der Wohnungswirtschaft, verdeckte
Haushaltsdefizite? Hatte der Staat Schulden über seine
Geldbeziehungen zu den Unternehmen dort abgeladen?
Die Unternehmen hatten Abgaben an den Staatshaushalt abzuführen und erhielten Zuweisungen aus dem
Staatshaushalt. Die Abgaben der volkseigenen Wirtschaft
bildeten die Haupteinnahmequelle des Staates. Deshalb
drängt sich die Frage auf, ob mit diesen Abgaben eine Verschuldung des Staatshaushalts umgangen oder verborgen
wurde. Um das schlüssig und verständlich beantworten zu
können, sind die Beziehungen zwischen der volkseigenen
Wirtschaft und dem Staatshaushalt – die bereits im ersten
Kapitel bei der Suche nach »Zwangskrediten« eine Rolle
spielten – noch einmal aus diesem Blickwinkel zu betrachten. Die Abgaben der volkseigenen Wirtschaft ließen sich
zwar als Ursache für eine Zwangskreditierung weitgehend
ausschließen, ob damit aber Haushaltsdefizite kaschiert
worden sind, ob sich also die volkseigene Wirtschaft anstelle des Staatshaushalts verschulden musste, kann daraus nicht schlüssig abgeleitet werden.
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