CSU schäumt - Menschenrechte verletzt! PDF

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CSU schäumt - Menschenrechte verletzt! PDF
Die CSU schäumt: Menschenrechte verletzt!
Nockherberg 2002
Abendzeitung München, Freitag, 8. März 2002
Die bayerische Art des gespielten Anarchismus
„Der Höhepunkt der Salvatorprobe ist seit Menschengedenken die
Derblecker-Rede. Was haben wir gelacht (ob live oder später im Fernsehen)
über den unvergesslichen Walter Sedlmayr. Gott hab ihn selig. Heuer mühte
sich der brave Bruder Barnabas (alias Gerd Fischer), dem Autor Hannes
Burger einen sauberen, manchmal hinterfotzigen Text verpasst hatte. Bloß:
Das Highlight war's nicht.
Der Nockherberg 2002 war die Stunde der Komödianten. Das freche
Singspiel - eine moderne Mixtur von Kabarett und Comedy:
So ein bisserl Lach & Schieß, und oben drauf satte Bösartigkeit á la Harald
Schmidt & Dario Fo.
Dass das Autoren-Trio Uli Bauer, Franz Messner und Holger Paetz vom
manchmal als CSU-Sender verunglimpften Bayerischen Rundfunk kommt,
hat keiner gemerkt. Hier waren bajuwarische Anarchisten am Werk, die den
Großkopferten und Gwappelten ordentlich einen einschenkten. Und das
muss den (an- und abwesenden) Damen und Herren Merkel, Scharping,
Beckstein, Goppel, Joschka Fischer oder Yuppie Westerwelle stärker auf den
Magen geschlagen haben als drei Maß Salvator. Edmund Stoiber war am
Ende ziemlich sauer. So macht der Nockherberg richtig Spaß.“
Von Rudolf Schröck
Abendzeitung München, Samstag, 9. März 2002
Hoppel-Goppel: CSU schäumt
Staatskanzleichef Huber: »Grenze des Zumutbaren beim Derblecken weit
überschritten«
Der Gaudi-Gipfel vom Nockherberg wird jetzt zum bierernsten Krach.
Ministerpräsident Edmund Stoiber war das Lachen schon während des
Polit-Kabaretts vergangen - wegen der Darstellung seines Generalsekretärs
Thomas Goppel als polit-brauner Hoppel-Hase. “Das akzeptiere ich nicht",
schäumte er am Ende des Salvator-Auftriebs.
Sein Staatskanzleichef Erwin Huber ging am Freitag in die Vollen:
“Da wurde die Grenze des Zumutbaren weit überschritten. Politiker müssen
zwar mehr ertragen. Aber sie haben auch Menschenrechte. Und die darf der
Salvator nicht außer Kraft setzen."
Wird das Politiker-Derblecken 2002 jetzt ein Fall für die
Menschenrechtsorganisationen? Was die CSU zum Toben brachte:
Die Nockherberg- Autoren Uli Bauer, Franz Messner und Holger Paetz
ließen den CSU- Generalsekretär als gedeckeltes Langohr auf der Bühne
herumhoppeln. Im Singspiel durfte “Desinfektor" Günther Beckstein auf
seinen Rücken springen und ihn mit einer riesigen Fliegenpatsche traktieren.
Während “Oddo Schily" mit Ungeziefer-Vernichtungsmittel gegen den
Hoppel-Goppel sprühte. Beckstein: “Der wird eh bald abgschossn."
Der echte Goppel im Publikum war tief betroffen und lachte für die Kameras
nur gequält. Staatskanzleichef Erwin Huber, der in früheren Aufführungen
immer kräftig gewatscht worden war: “Das, was da abgezogen wurde, hat
mit der Kunst und Tradition des bayerischen Derbleckens nichts mehr zu
tun. Da wurden nicht Schwächen eines Politikers aufs Korn genommen,
sondern seine ganze Persönlichkeit und Arbeitsleistung niedergemacht.
Als Freund und Kollege von Thomas Goppel hat mich das sehr getroffen.
Da konnte ich auch nicht mehr lachen."
Nockherberg-Autor und Ude-Double Uli Bauer versteht die Aufregung nicht:
“Ich weiß gar nicht, was die alle gegen einen Hasen haben. Der ist doch sehr
intelligent und gehört nicht zu den unterwürfigen Tieren. Wir halten den
Politikern ja nur den Spiegel vor. Ich fand das Ganze ausgewogen, es kamen
alle gleichmäßig dran." Stoiber habe sich in den letzten Jahren auch schon
immer über die Darstellung von Erwin Huber beklagt. Mit-Autor Holger
Paetz: “Vielleicht wollen Stoiber und Huber im Wahljahr einfach nicht wahrhaben, was gelaufen ist. Ich kann schon verstehen, dass ihnen das im
Moment nicht gefällt. "
Offiziell hat die CSU noch nicht Druck auf das Bayerische Fernsehen gemacht, die Goppel-Szene herauszuschneiden. Der BR zeigt das SalvatorSingspiel trotz des Krachs am Sonntag um 19 Uhr. Ungekürzt.
Angela Böhm
Süddeutsche Zeitung, Freitag, 8. März 2002
Salvator-Probe am Nockherberg:
Starkbier, Singspiel und deftige Sprüche
Humor ist, wenn sogar Schily lacht
Beim traditionellen Politiker-Derblecken spielt das Duell Schröder gegen
Stoiber die wichtigste Rolle
(Von Wolfgang Görl)
Stoiber gegen Schröder _ das Duell des Kandidaten gegen den Kanzler hat
auch das Politiker-Derblecken bei der Salvator-Probe am Nockherberg
geprägt. Während der Zweikampf auf der Singspiel-Bühne remis ausging,
beherrschte Stoiber die Szene der leibhaftig anwesenden Polit-Größen. Der
Kanzler fehlte, nur die Minister Schily und Werner Müller waren zugegen.
Nach dem üblichen Ritual _ Defiliermarsch, Einzug des Ministerpräsidenten,
feierliche und umjubelte Verkündigung der Salvator-Stammwürze _ wagte
Edmund Stoiber ein kühnes Versprechen: “Ich komme das nächste Jahr
wieder, ganz gleich in welcher Funktion." Erfahrene NockherbergHonoratioren erinnerten sich da an den einzigen Salvator-Auftritt von
Gerhard Schröder, der im Wahljahr '98 alle Kameras auf sich zog und
seither nicht mehr gesehen ward. So war es mal wieder OB Christian Ude,
der den meisten Applaus von allen Sozialdemokraten erhielt. Nach seinem
Wahlsieg hatte er das noch viel größere Kunststück geschafft, seine Frau
Edith von Welser-Ude in die Festhalle zu schleusen ein Privileg, das bisher
nur der Ministerpräsidenten-Gattin zuteil wurde.
Gerd Fischer alias Bruder Barnabas begann seine Festrede musikalisch, und
zwar dergestalt, dass er das Wildschütz-Jennerwein-Lied mit neuem Text
vortrug: “Es war ein Schütz in seinen besten Ja-ha-ren. Er wollte Kanzler
werden drobn in Berlin. Zerst streckt er d´Merkel-Gams, die mit den
schönen Ha-ha-ren, mit einem Schuss beim Frühstück hin." Im weiteren
Verlauf geriet die Rede, die wie stets Hannes Burger verfasst hat, zur
Bußpredigt, die das Publikum über sich ergehen lassen muss, ehe es dem
Vergnügen, sprich: dem Singspiel frönen darf. Pointen waren selten, und
selbst Sozis und Grüne, früher Burgers Lieblingsfeinde, bekamen nur sehr
sparsam ihr Fett weg. Und dass die CSU stets Gnade vor Bruder Barnabas'
Augen findet, gehört ohnehin zur Salvator-Tradition. Ausnahme: Thomas
Goppel, der in der Bußpredigt als “zuverlässigster Bumerang" Stoibers
auftauchte, und der auch im Singspiel zur Lachnummer wurde, als er im
Hasenkostüm tollpatschig über die Bühne hoppelte.
Überhaupt das Singspiel: Selbst den nicht gerade als Frohnatur geltenden
Innenminister Otto Schily konnte man mehrmals beim Lachen beobachten,
sogar dann, wenn er selbst auf der Bühne stand, dargestellt von Hellmuth E.
Schnoor. Was aber so einem Singspiel-Schily auch alles zugemutet wird!
Sogar ein Gespräch mit dem Franken-Sozi Hoderlein (Michi Altinger), der da
sagt: “Wir sind doch Verwandte in Seele, Geist und Depressionen:
bayerische Sozialdemokraten." Darauf Schily: “Was bin ich? Werd bloß nicht
frech, du!" Ans Büßen dachte zu diesem Zeitpunkt keiner mehr. Der famose
Michael Lerchenberg ist vom echten Stoiber kaum mehr zu unterscheiden,
was sein Liebesduett mit Angela Merkel (Corinna Duhr) umso witziger
machte: “Ich möcht so gerne wieder mal mit dir allein in Wolfratshausen
frühstücken." Alexander Duba als in der Blechwanne badender Scharping,
Paul Neuhaus als Play-Paradies-Chef Schröder, Uli Bauer als Ude, die
g'schnappige Christine Neubauer, und so weiter - der Applaus war heftig
und verdient.
Abendzeitung München, Samstag, 9. März 2002
Die CSU schäumt: Menschenrechte verletzt
MÜNCHEN Der Gaudi-Gipfel auf dem Nockherberg
jetzt wirds plötzlich bierernst: Kanzlerkandidat Stoiber fand die Darstellung
seines Parteigenerals Goppel als ahnungsloser Hoppel-Hase gar nicht lustig,
schäumte deswegen schon beim Salvator-Anstich. Jetzt setzt StaatskanzleiChef Huber noch eins drauf: Da sei eine Grenze überschritten worden.
"Politiker haben auch Menschrechte." Der Riesenstreit ums Derblecken:
CSU-Ärger übers Salvator-Singspiel
Dankbare Opfer
Das Schicksal meint es nicht gut mit Politikern. Vor allem nicht mit
wahlkämpfenden Volksvertretern. Als ob die bevorstehenden Urnengänge
nicht schon nervig genug wären, werden sie auch noch bei jeder
Gelegenheit öffentlich durch den Kakao gezogen.
Für Masochisten ist das vielleicht eine prima Sache. Doch einigermaßen
normal schmerzempfindliche Naturen leiden etwa beim Salvator-Anstich
doppelt: Sie werden als Blödmänner hingestellt, ihre Makel und Fehler
werden lustvoll zelebriert und sie müssen auch noch fröhlich dazu lächeln.
Eine undankbare Rolle.
Dass Ministerpräsident Edmund Stoiber und sein Staatskanzleichef Erwin
Huber nicht Attacken auf sich selbst, sondern solche auf CSU-GeneralSekretär Thomas Goppel als besonders gemein empfinden, ehrt sie.
Aber es hilft alles nichts: Je mehr im Vorfeld über die Reaktion der
Abgewatschten diskutiert wird, desto mehr Menschen schauen sich das
spannende Spektakel am Sonntag Abend im Bayerischen Fernsehen an.
Ganz einfach, weil die Schadenfreude halt doch die schönste Freude ist.
Vor allem, wenn’s unseren Großkopferten an den Kragen geht.
Rudolf Huber
Die einen sind beleidigt - die anderen geben alles zu
Das Derblecken auf dem Nockherberg hat in diesem Jahr für viel Wirbel
gesorgt. Ministerpräsident und Kanzlerkandidat Edmund Stoiber ist
zusammen mit seinem CSU-Generalsekretär Thomas Goppel gleich im
Doppelpack beleidigt. Und Staatskanzlei-Chef Erwin Huber sieht sogar die
Menschenrechte verletzt. Kleiner Tipp von mir: Auch wenn man sich noch so
ärgert, sollte man zumindest öffentlich Coolness und Humor demonstrieren.
Der Spruch des großen Spötters Kurt Tucholsky ist zwar schon über 70
Jahre alt, gilt aber immer noch: "Wer öffentlich Kegel aufstellt, muss sich
gefallen lassen, dass sie gezählt werden."
Da können unsere Politiker von den ständig Derbleckten des Showbusiness
noch viel lernen. Schlagerkönig Ralph Siegel, der Mann, der jede Woche eine
neue Liebe fürs Leben findet und mit ihr 100 Jahre alt werden möchte, wird
deswegen selbst von den schmeichlerischsten Hofberichterstattern ständig
durch den Kakao gezogen. Ist der Ralph etwa sauer, redet er nicht mehr mit
Journalisten? Im Gegenteil. Als bei der Jubiläumsparty von Kabel 1 Ralph
und seine neues Gschpusi Kriemhild ausnahmsweise einmal fünf Minuten
nicht beim Schmusen abgelichtet wurden, zog Mr. Tränensack los wie JungSiegfried, um die Fotografen-Meute persönlich an den Tisch zu schleppen.
So reagiert ein echter Masochist.
Eine andere zum Derblecken aus der Schlagerbranche ist die
mitteilungsfreudige Michelle . Während andere Frauen auch noch nach dem
dritten Lifting die guten Gene oder den Rotwein für das faltenfreie Gesicht
verantwortlich machen und jedem, der anderes behauptet mit Klage drohen,
hat die kleine Schlagermaus ihre in den Busen implantierten Silikoneinlagen
persönlich abgewogen und die veränderte Körbchengröße via "Bild-Zeitung
der Fangemeinde verkünden lassen. Das nennt man Öffentlichkeitsarbeit.
Davon könnte sogar unser Medienkanzler Gerhard Schröder noch etwas
lernen. Anstatt sich voll auf den Spendensumpf in seiner SPD zu
konzentrieren, lässt er per Anwalt die Echtheit seiner Haarfarbe garantieren.
Probleme hat der Mann _ und wie viele Politiker wenig Humor. Vielleicht war
er ja deshalb auch nicht beim Derblecken auf dem Nockherberg . . .
hub
Die Abendzeitung, Montag, 11. März 2002
Derblecken am Nockherberg: Die Singspiel-Autoren entschuldigen
sich
Der Gaudi-Gipfel und die Folgen: Die CSU schäumt übers Salvator-Singspiel,
Ministerpräsident Edmund Stoiber ist sauer über die Derblecker _ und
Staatskanzleichef Erwin Huber sieht durch die Darstellung von CSUGeneralsekretär Thomas Goppel als Hasen sogar die Menschenrechte
verletzt (AZ berichtete). Diese harsche Kritik hat die Singspiel-Autoren tief
geschockt. Und zum Umdenken bewogen _ Holger Paetz und Uli Bauer
entschuldigen sich jetzt in einem offenen Brief (siehe unten): "Wir haben die
Hasenrechte verletzt!"
"Wir haben nicht im entferntesten mit solch einer Reaktion gerechnet",
sagten Uli Bauer und Holger Paetz gestern der AZ. "Vielleicht hat sich Erwin
Huber so geärgert, weil er heuer nicht vorgekommen ist." Oder aber er habe
als Stoiber- Sprachrohr dessen Ärger weitergegeben. Jetzt sind die Autoren
gespannt, wie die CSU ihre schlimme Menschenrechts-Verletzung ahnden
will.
hub
Hoppla! Wir haben die Hasenrechte verletzt.
Wir Singspiel-Autoren sind völlig geknickt, denn uns sind leider erst im
Nachhinein unsere gravierenden Fehler im Manuskript aufgefallen. Wir
haben die internationalen Hasenrechte verletzt, indem wir einem Politiker
wie Thomas Goppel das (künstliche) Fell eines harmlosen, kuscheligen
Osterhasen über die Ohren gezogen haben. Das war ein Verstoß gegen
Artikel 1: "Alle Hasen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren."
Ebenso war es unser Fehler den Hasen der CSU zuzuordnen, denn Art. 2
Abs. 2 besagt: "Kein Hase darf gezwungen werden, einer Vereinigung
anzugehören." Des Weiteren ist die dargestellte Misshandlung des Hasen
durch die Desinfektoren "Gündää" Beckstein und "Oddo" Schily ein Verstoß
gegen Art. 5: "Kein Hase darf der Folter oder grausamer, unhäsischer oder
erniedrigender Behandlung unterworfen werden.
Die untertänig dargestellte Haltung gegenüber seinem Chef Edmund Stoiber
war ein Verstoß gegen Art. 4 der Allgemeinen Erklärung der Hasenrechte:
"Kein Hase darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden."
Wir hoffen, dass die Hasenrechtsorganisationen unsere Selbst-Anzeige als
strafmildernd ansehen und wollen unserem Bedauern mit einer Spende an
den Kaninchenzüchter-Verein Hasenbergl Nachdruck verleihen.
Insbesondere möchten wir uns auch bei Staatskanzleichef Erwin Huber
alias "Hadschi Huber" alias "Erwinio Hubsi" dafür entschuldigen, dass wir
ihn heuer beim Singspiel gar nicht dargestellt haben. Aber wenn er uns
weiterhin so tolle Schlagzeilen liefert, steht einem grandiosen Comeback
nichts mehr im Wege.
In untertänigster Demut
Ihre Hasenfreunde
Uli Bauer und Holger Paetz
-------------------------------------------------Nockherberg - Salvatorprobe
Holger Paetz ist Autor des alljährlichen Singspiels auf dem Münchner
Nockherberg anlässlich der traditionellen "Salvatorprobe" und gibt dort
das bedrückende Double des FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle
O-Ton Westerwelle: "Ich fühle mich unangenehm genau getroffen".