Franz Jakob Braun – Ein Odenwälder Uhrmacher
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Franz Jakob Braun – Ein Odenwälder Uhrmacher
Franz Jakob Braun – Ein Odenwälder Uhrmacher (1735-1813) Von Oskar Kilian (Eberbacher Geschichtsblatt 1957) Unter den Eberbacher Handwerkern der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ragt der Uhrmacher Franz Jakob Braun (geb. 28. April 1735) durch seine Arbeiten besonders hervor. Er war Spezialist für Turmuhren. Gleichzeitig gingen aber auch zahlreiche formschöne Hausuhren aus seiner Werkstatt hervor. Nicht nur bei seinen städtischen Mitbürgern hat er die Standuhr heimisch gemacht, sondern seine „Kastenuhren“ auch in viele Bauernhäuser des Odenwaldes geliefert. Zum großen Teil sind auch heute noch in Gebrauch. Braun stammt aus einem Geschlecht, dessen Ahnherr Michael Braun während des Dreißigjährigen Krieges aus Strümpfelbrunn nach Eberbach kam und das dann 300 Jahre hindurch hier ansässig war. Nach den Kirchenbüchern der Ev. Kirchengemeinde verehelichte sich Michael Braun am 7. August 1643 mit Christine Geradt. Sein Sohn, Wullenweber Johann Matthes Braun, geb. 28.5.1644, heiratete am 28. November 1671 Anna Rosina Kolb, die Tochter des Stadtschreibers Hermann Kolb; später scheint es ihm nicht gut gegangen zu sein, wie aus dem Schatzungsprotokoll von 1683 zu ersehen ist. Von 1683 – 1690 war er Pförtner am Unteren Tor. Dessen Sohn, der Strumpfstricker Philipp Heinrich Braun, ging am 15. April 1698 mit Maria Barbara Neuer die Ehe ein. Der am 8. April 1733 geschlossenen Ehe des Krämers Franz Ludwig Braun (geb. 15. März 1711) mit Maria Sibylla Sigmund (geb. 26. Januar 1715) entspross unser Franz Jakob Braun. Er wurde am 28. April 1735 in Eberbach geboren. Am 28. Februar 1764 verheiratete sich der Uhrmacher Franz Jakob Braun mit Maria Magdalena Ludwig aus Eppelheim. Gleichzeitig wurde er als Bürger in Eberbach zugelassen. Auch seine Geschäftsgründung erfolgte wohl zu diesem Zeitpunkt. Aus der Ehe gingen drei Söhne und drei Töchter hervor, welch letztere alle drei ledig blieben. Der älteste Sohn wurde nach dem Vater genannt: am 2. August 1766 wurde Franz Jakob geboren, bereits am 4. Januar 1768 als Lehrjunge bei der Zunft eingeschrieben und 1790 als Uhrmacher und Schlosser bei offener Zunftlade freigesprochen; sein weiteres Schicksal ist nicht ersichtlich, wahrscheinlich hat er sich auswärts niedergelassen. Der zweite Sohn Karl Ludwig wurde 1778 geboren, schon 1779 und nochmals 1783 bei der Zunft als Uhrmacherlehrling eingetragen. Als Meister ging er im Jahre 1810 mit Anna Maria Krauth die Ehe ein, übernahm das väterliche Haus und Geschäft und verstarb hier am 6. Mai 1846. Brauns jüngster Sohn, Ludwig Kornelius, starb im Alter von 24 Jahren an Auszehrung. Er selbst verschied am 22. Dezember 1813 im Alter von 78 Jahren. Seine Frau war bereits 1811 im Tode vorhergegangen. Franz Jakob Braun war Schlosser- und Uhrmachermeister zugleich. Wahrscheinlich hat er zunächst in Eberbach eine gründliche Lehre als Schlosser durchgemacht und ist dann während der Wanderjahre zur Uhrmacherei übergegangen. Als Geselle mag er in Neustadt (Pfalz) den Leitfaden der Uhrmacherkunst erworben haben, der noch erhalten ist. Das in Schweinsleder gebundene Lehrbuch trägt auf der Innenseite des Deckels den handschriftlichen Vermerk „Franz Jacob Braun in Eberbach.“ Der weitschweifige Titel des Werkes lautet: „Des P. Dom Jacob Alexanders Benedikctiner -Ordens der Congregation St. Maur. Ausführliche Abhandlung von den Uhren überhaupt, mit vielen Kupfern, aus dem Französ. in das Teutsche übersetzt, auch mit Anmerkungen erläutert und vermehret von Dr. Christian Philipp Berger, Gräfl. Schaumburgisch-Lippischen Land-Physico“, Lemgo, Gedruckt von Johann Heinrich Meyer 1738. Das Buch ist heute im Besitz des hiesigen Urmachermeisters Otto Bingler. Braun soll seine Werkstatt bei dem früheren Radiogeschäft König in der Hauptstraße gehabt haben. Im Eberbacher Grundbuch von 1823 ist sein Sohn Karl Ludwig als Eigentümer eines dreistöckigen Wohnhauses in der oberen Straße (der jetzigen Hauptstraße) eingetragen. Sein Nachbar war der Zirkelschmied Konrad Erkenbrecht. Meister Braun spielte verständlicherweise auch bei der „Kleinen Bauzunft“ eine Rolle und gehörte jahrelang zu deren Zunftmeistern. Früher war Mosbach für die Eberbacher Handwerker zuständig gewesen, bis am 8. April 1767 der Kurfürst Karl Theodor die Gründung einer eigenen Eberbacher Bauzunft genehmigte. Hierin waren die Schlosser, Schreiner, Glaser, Dreher, Nagelschmiede, Uhrmacher, Windenmacher und Zirkelschmiede zusammengeschlossen. Der erste Jahrtag der Kleine Bauzunft wurde am 4. Januar 1768 unter dem Vorsitz des Amtskellers Serarius abgehalten. Als Zunftmeister wurde auch Braun gewählt, „ein Uhrmacher und Schlosser“, der sich zur Zunft doppelt eingekauft hatte. Nach Artikel 42 der Zunftordnung mussten die künftigen Uhrmacher als Meisterstück eine Repetieruhr verfertigen, welche Stunde und Viertelstunde anzeigte. Aus der Einschreibungs- und Lossprechungsliste des Zunftbuches ist ersichtlich, dass Brauns Ruf auch auswärtige Eltern veranlasste, ihre Söhne als Lehrlinge zu ihm nach Eberbach zu schicken. Als solche sind eingetragen: 1773 David Möllinger aus Mannheim, 1774 Valentin Alt aus Horn bei Alt-Simmern, 1774 Franz Josef Armbruster aus Wolfach im Kinzigtal, 1755 Jakob Engelhard aus Worms, 1776 Heinrich Möllinger aus Mannheim, 1787 Willibrordus Pohzinn aus Trier. Der Mehrzahl von Brauns Lehrlingen stammt demnach aus dem pfälzischen Raum. Dass auch zwei Angehörige der bekannten pfälzischen Uhrmacherfamilie Möllinger, die in Frankental, Neustadt an der Haardt und Kaiserslautern ihren Sitz hatte, als Lehringe nach Eberbach kamen, dürfte nicht nur in Brauns meisterhaftem Können begründet sein, sondern deutet auf alte Geschäftsverbindungen hin. Der Gedanke, Braun selbst habe einst in Neustadt bei den Möllinger die Kunst des Uhrenmachens gelernt, liegt nahe. Andererseits ist aber auch die Beziehung nach Wolfach interessant, die bestätigt, dass Brauns Kunstfertigkeit im Schwarzwald, dem Hauptsitz der Uhrmacherei, ebenfalls anerkannt wurde. Dem Stadtrat gegenüber bezeichnet sich Braun einmal als Großuhrenmachen. Der Bau und die Reparatur von Turmuhren war seine Spezialität, die ihn berühmt machte. So erhielt er im Jahre 1789 den Auftrag, für das Mannheimer Kaufhaus eine Uhr zu bauen, die ein dortiger Hofuhrmacher später als „ein Meisterstück von einer Arbeit“ bezeichnete. Im Jahre 1792 reparierte er die Uhren am Mannheimer und am Schwetzinger Schloss und verfertigte im Auftrag des pfälzischen Fürsten Karl August von Bretzenheim für das Schloss in Zwingenberg am Neckar eine Uhr, die bis zum heutigen tag die Zierde des efeuumsponnenen Uhrturmes am Rondell in Südwestecke ist. Noch manche Turmuhr in der weiteren Umgebung Eberbachs wird sein Werk sein. Für Eberbach selbst sind schon verhältnismäßig früh städtische Uhren bezeugt. Nach de r Stadtrechnung wurde 1491 eine neue Rathausuhr von Meister Hans Münch im Taglohn gefertigt, wozu hiesige Handwerker die Einzelteile lieferten. Nach den Ratsprotokollen gab es im Jahre 1603 schon drei städtische Uhren: auf dem Rathaustürmchen, auf dem Unte ren und dem Oberen Torturm. In den Jahren 1685, 1690 und 1693 traf der Rat mit dem Uhrmacher Thomas de Bonde aus Heidelberg die Übereinkunft, „dass derselbe die dahiesigen drei Uhren, nemblich die am Oberenthor, welche gar nicht mehr ginge, repariert, die anderen zwey aber alß die auf dem Rathaus und unterthor wieder ausgeputzet und gebessert.“ Dieser erhielt dafür 11 Gulden und 30 Kreuzer und versprach dem Rat, auf Jahr und Tag dafür gut zu sein. Aus der Bürgermeisterrechnung von 1766 geht hervor, dass Franz Jakob Braun um den Preis von 240 Gulden eine neue Uhr für den Oberen Torturm mit „Stunden- und Schlaguhr zu 24 Stunden samt Minutenschub“ in Auftrag bekam. Auch brachte er auf der Stadtuhr einen Kompass an. Gleichzeitig reparierte er um 40 Gulden die Uhr auf dem sechs Stockwerke hohen Unteren Torturm „meysterhaft.“ Die 1766 für den Obertorturm gelieferte Uhr muss nach dessen Abbruch (um 1834) auf den Unterturm gekommen sein. Bei dessen Beseitigung im Jahre 1872 wurde sie auf den Pulverturm versetzt, der neben der Kellerei das Wahrzeichen des heutigen Eberbach ist. Auf dem oberen Eisenband ihres Abschlussgitters sehen wir die Signatur des berufsstolzen Meisters: „Franz I A Braun AN 1766“. Im Jahre 1807 führte Braun eine Renovation der Uhren auf dem Rathaus und dem Unteren Tor durch. Seine Rechnung über 145 fl. 10 kr. ist noch erhalten und enthält den abschließenden Vermerk: „ Vor die beschriebene Arbeit stehe ich gut, so lang ich am Leben bin.“ Für die Unterhaltung der städtischen Turmuhren, die wöchentlich zweimal aufzuziehen waren, bekam Braun jährlich 31 fl 20 kr. nebst einem Malter Korn; außerdem war er von Wach- und Frondiensten befreit. Gerichtet wurden die Uhren nach der Sonnenuhr, die sich seit 1564 am Neckartor befand und nach dessen Abbruch im Jahre 1812 an der zum Neckar gelegenen Front des Hotels „Krone-Post“ angebracht wurde. Später gab es oft Klagen, die Eberbacher Uhren gingen gegenüber denen Heidelbergs bis zu einer Stunde nach. Als dann der Telegraph erfunden war, mussten die Uhrmacher Heinrich und Alexander Krust dienstags und freitags die Zeit auf dem Postbüro erheben und die Uhren danach Stellen. Das Verbreitungsgebiet der Braunschen Standuhren erstreckt sich über das untere Neckartal und den ganzen Odenwald. Ihre Qualität mag sich herumgesprochen haben; andererseits scheint Meister Braun ein guter Organisator gewesen zu sein. Wenn er auch nicht, wie die Schwarzwälder, mit seinen Uhren im fremden Lande wanderte, so wird er doch die heimischen Märkte, die ja früher eine erhebliche Anziehungskraft ausübten, mit seinen Erzeugnissen beschickt haben. Nur so ist es zu erklären, dass seine Standuhren nicht nur in den kleinen Odenwald, sondern auch in den hinteren Odenwald und in das Bauland gelangten. Domänenrat Walter schreibt in seiner „Volkskunst im badischen Frankenlande“, welche die Ämter Mosbach, Buchen, Adelsheim, Wertheim und Tauberbischofsheim umfasst: „Vor allem ein Uhrmacher Braun aus Eberbach ist häufig als Hersteller solcher Uhren genannt.“ Auch Herr Fachschulvorstand Heimberger aus Adelsheim bestätigt mir, dass er vor 1939 auf seinen volkskundlichen Streifzügen in manchem Bauernhaus diese Standuhren sah. In Eberbach und Umgebung gab es früher kaum ein Gasthaus, das nicht eine Braunsche Uhr aufzuweisen hatte. Solche stehen noch im „Karpfen“, in der „Sonne“, im „Odenwald“ und „in der Rose“, in Wimmersbach in der „Pfalz“, in Pleutersbach im „Löwen“. Verschiedene sind auch in privatem Besitz, z.B. von Frau Neuer, geb. Strohhauer, Fräulein Epp. Ein sehr schönes Stück befindet sich im Heimatmuseum in Amorbach. Ein Prachtexemplar, als Wanduhr gestaltet, ging aus dem Besitz von Herrn Josef Becker in Bad Homburg v. d. H in das Eigentum der Stadt Eberbach über und schmückt nun das Amtszimmer des Herrn Bürgermeisters. Zwei andere Braunsche Uhren, die leider ziemlich beschädigt wurden, gehören zum Inventar des einstigen Eberbacher Heimatmuseums. Frau George F. Hunt in Heidelberg konnte eine Braunsche Uhr aus dem Jahre 1783 erwerben, deren Kasten besonders reich geschnitzt und mit Ornamenten bemalt ist, zwischen denen zahlreiche volkstümliche Verse eingefügt sind. Der ehemalige Inhaber des Sanatoriums Rockenau, Herr Dr. Führer, hatte eine große Sammlung Braunscher Uhren, die er bei seinem Wegzug nach Bayern mitnahm. Hinsichtlich der äußeren Form machen die etwas über zwei Meter hohen Standuhren einen harmonischen Eindruck. Auf den breiten Sockel folgt nach einem von mehreren Leisten gebildeten Übergang der schlanke Kasten mit hoher Türe, die ihrerseits mit schlichten Rechtecken oder auch mit geschwungenen Linien und Ornamenten ausgeschmückt ist. Im unteren Teil ist ein mit Glas bedeckter Kreis ausgeschnitten, so dass das Pendel zu sehen ist. Auf weiteren, simsartig vorspringenden und mitunter geschnitzten Leisten sitzt dann, wie Nische des Bildstockes auf dem steinernen Schaft, das eigentliche Uhrgehäuse. Den oberen Abschluss desselben bildet meist ein stark hervorgehobener, manchmal geschnitzter Bogen. Keine der Uhren ist in der äußeren Form der anderen gleich, wodurch das handwerkliche Können des Schreiners, der sie herstellte, besonders gekennzeichnet wird. Das Werk der Braunschen Kastenuhren besteht aus sorgfältig gearbeiteten eisernen und messingenen Teilen. Manche Uhren besitzen schon Aufzugketten und Gewichte aus Messing, andere werden noch mittels eines Strickes aufgezogen, an dem ein Stein als Gewicht hängt. Bei aller Altertümlichkeit gehen aber auch diese Uhren äußerst genau und sind seit Generationen der Stolz der Besitzer. Das Ziffernblatt, das Antlitz einer jeden Uhr, ist verschieden gestaltet. Bei dem einen Typ ist auf einer kreisrunden, am Außenrand gepunzten Eisenplatte ein vielleicht aus der Mosbacher Fabrik stammendes Fayenceblatt angebracht, das die Stundenzahlen in römischen Ziffern, die Sekunden auf einem darüber verlaufenden Kreis in arabischen Ziffern angibt. Bei der prunkvolleren Ausführung besteht das Vorderblatt aus rot gestrichenem Schmiedeeisen, auf das Flächen mit goldfarbenem Rankenwerk verziert sind. Bei einer weiteren Form ist ein zinnenes Ziffernblatt verwendet, auf dem sich zwischen den Stundenzahlen verschiedene Ornamente befinden. Das schon oben genannte Prunkstück aus Bad Homburg hat über dem messingenen Vorderblatt ein kunstvoll aus Kupfer getriebenes Zifferblatt mit vielfachen Verzierungen, z.B. Schalen mit Flammen, Fahnen und Trommeln, Schilden mit Speeren oder einem Posthorn. Auch die Zeiger sind sehr sorgfältig ausgestaltet. Meister Braun war sich seines Könnens bewusst und versah seine Uhren mit Namenszug. Bei einigen findet sich auf dem Ziffernblatt ein einfaches J. B. oder F. I. B. oder auch der ausgeschriebene Namen. Bei anderen ist oberhalb des Ziffernblattes ein mit Lorbeerkranz und Engelsköpfchen verzierter bronzierter Schild angebracht, der verkündet, dass „Franz Jakob Braun Eberbach am Neckar“ der Hersteller ist.