Von Museen und Mathematik

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Von Museen und Mathematik
Von Museen und Mathematik
Andreas Daniel Matt
In diesem Artikel möchte ich Ihnen einen kleinen Einblick
in die Welt der Mathematikmuseen geben. Die folgenden Seiten sind ein persönlicher Streifzug durch einige
Museen und eine Gedankensammlung zu der Frage, wie
Mathematik in Museen gezeigt wird oder gezeigt werden
könnte. Was birgt die Zukunft der Mathe-Museen? Was
ist inhaltlich, technisch oder konzeptionell wichtig?
Mathe-Museen weltweit
Das Mathematikum in Gießen, das ix-Quadrat in Garching oder das MiMa in Oberwolfach sind interaktive
Mathematikmuseen, die alle durch große Eigeninitiative
– meist einzelner Personen oder einer kleinen Gruppe –
aus dem akademischen Umfeld entstanden sind und fortleben. Sie beherbergen Exponate, die die BesucherInnen
zum Experimentieren anregen. Wie bei der inhaltlichen
Gestaltung von Museen ist für mich auch bei der Vermittlung der Mathematik die menschliche Komponente
unabdingbar: Exponate ohne Erklärungen der (oft studentischen) BetreuerInnen mutieren zu Spielstationen –
die durch ihre kreative Komponente zwar nicht an Reiz
verlieren, deren Verbindung zur Mathematik aber manchmal nur schwer zu spüren ist.
Mathematikum, Gießen für Alt und Jung. Mit Seifenblasen spielen
und einen Einblick in die Mathematik von Minimalflächen erhalten?
(Foto: Andreas Daniel Matt)
Daher funktionieren betreute Museumskonzepte auch
wunderbar: Kleine Museen, die nur über Führungen
arbeiten und inhaltlich nahe an den mathematischen
Interessen der Initiatoren sind, wie beispielsweise das
neue Mathe-Museum der Universität Passau oder das
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MoMath, New York. High-Tech-Maths-Entertainment. Die interaktive Station Formula Morph in Zusammenarbeit mit Oberwolfach ist
hands-on und interaktiv. Visualisierung von algebraischen Flächen und
ein Cockpit mit physikalischen Eingabereglern. (Foto: Rory Nugent)
math.space in Wien, ein Vortragszentrum, das von spannenden Live-Veranstaltungen lebt, die oft lange im Voraus
ausgebucht sind. Ein Hybridkonzept verfolgt das 2012 eröffnete Maison des Mathématiques et de l’Informatique
(MMI) in Lyon, das Ausstellungen, Konferenzen und
Workshops entwirft, verbindet und auch an Schulen
bringt. Auch hier ist die starke Anbindung an eine Universität (Ècole Normale Superieure Lyon) wichtig. MateMatita definiert sich als interuniversitäre Forschungseinrichtung von vier Universitäten in Mailand, Trento und Pisa zur Kommunikation und dem informellen Lernen von
Mathematik.
Der Giardino di Archimede in Florenz hingegen ist ein
Science Center mit Exponaten aus der Geometrie. Das
Meet Math Museum befindet sich an der Al-Quds Universität in Jerusalem, und Ende 2012 startete das Museum of Mathematics (MoMath) in New York, das mit
einem großen Budget einen zweistöckigen Exponatevergnügungspark in Manhattan schuf. Das Arithmeum in
Bonn ist ein „klassischeres“ Museum, das im Gegensatz
zu den Science Centern auf Archivierung, historische Zusammenhänge und eine museale Präsentation setzt und
weniger auf Besucherinteraktion.
Eine weitere Kategorie stellen Museen dar, die noch keine sind: Aktive MathematikerInnen, die an Exponaten
und Ausstellungen arbeiten, das Museum schon geplant
haben und um das permanente physische Gebäude und
dessen Finanzierung kämpfen. Zwei Beispiele dafür sind
das erfolgreiche „Museu de Matemàtiques a Catalunya“ in
Barcelona und das inhaltlich innovative Projekt Atractor
in Porto. Viele Mathe-Museen sind aus WanderausstelDOI 10.1515/dmvm-2013-0039
den großen Museen zusammen. Viele der Science Centers sind von solchen Firmen erstellt bzw. aus dem Katalog bestellt. Die Exponate werden oft einfach kopiert.
Gerade für den Bereich Mathematik sehe ich hier mögliche Probleme, da mehr Wert auf das Design, die Benutzerfreundlichkeit und die Interaktion gelegt wird, als
auf die mathematischen Inhalte. Nur selten arbeiten auch
MathematikerInnen in solchen Firmen, und die Kontakte
zu Universitäten sind rar.
MiMa, Oberwolfach. Neue Technologien? 3D-Druck von mathematischen Objekten und Touch-Screens mit 3D-Visualisierung (Foto: Andreas Daniel Matt)
lungen entstanden, die nach temporären Präsentationen
einen permanenten Ort fanden.
Die Welt der Wissenschaftsmuseen
Nicht nur in den reinen Mathe-Museen finden sich mathematische Exponate, sondern – meistens genau dieselben – in Wissenschaftsmuseen und Science Centers. In
Deutschland gibt es in über 20 großen und kleinen Städten solche Science Centers (deren Name meistens etwas
„physikalisches-experimentelles-phänomenales“ beinhaltet). Mathematik spielt eine Nebenrolle neben der Physik. Sie ist aber fast immer auch irgendwie präsent, und
ich glaube, auch immer stärker nachgefragt. Drei große
Vorbild-Science-Centers und Museen sind das Deutsche
Museum in München, das Technorama in Winterthur und
das Exploratorium in San Francisco.
Das Mathematische Kabinett im Deutschen Museum
wurde vor wenigen Jahren mit interaktiven Stationen aufgerüstet, und in den nächsten Jahren ist auch eine Erweiterung und ein Umbau geplant.
Große Wissenschaftsmuseen und Science Centers findet
man inzwischen in fast allen großen Städten der Welt.
Ich nenne hier nur den klassischen Palais de la Decouverte in Paris, das moderne Kopernikus Science Center in Warschau, den Parque de las Ciencias in Granada oder zwei geplante Großprojekte, den National Interactive Park in Astana, Kasachstan und das Museo de la
ciencia y la tecnología in Montevideo, Uruguay. Es scheint
so, als ob man sich gegenseitig übertrumpfen wolle und
es gerade einen wahren Museumsboom gäbe. Diese Museen sind mit viel Know-how ausgestattet, haben eigene
Werkstätten und Designer und große Finanzgeber wie
z.B. Banken im Rücken. Sie sind inzwischen eine eigene
Industrie geworden. Exponatebauer agieren weltweit und
bieten ihre Kataloge mit Mathematik-Exponaten an. Die
Firma Hüttinger in Schwaig bei Nürnberg hat über hundert Mathe-Exponate im Angebot und arbeitet eng mit
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Das europäische Science-Center-Netzwerk Ecsite umfasst über 400 institutionelle Mitglieder in 50 Ländern.
In großen Konferenzen werden neue Trends der Museumspädagogik und neue Technologien vorgestellt. Die
„Szene“ ist sehr gut organisiert, auch viele EU-Projekte
fördern die Zusammenarbeit und den Austausch der Erfahrungen. Speziell für den Mathematik-Bereich habe ich
bisher kein größeren Initiativen gesehen.
Fast alle Science Centers organisieren temporäre Ausstellungen mathematischer Natur. Als Beispiel sind die
IMAGINARY-Ausstellungen in Tecnópolis in Buenos Aires
und in den CosmoCaixa-Museen in Madrid und Barcelona zu nennen. Im Mai startete im phaeno in Wolfsburg
eine neue Matheausstellung „Mathe × anders – Die Magie der Formen und Muster“, die bis Januar 2014 zu sehen
sein wird.
Nationale und internationale Mathejahre sind ein nachhaltiger Motivator dafür, neue Ausstellungen und Inhalte zu entwerfen. Das Jahr der Mathematik 2008 in
Deutschland und die Initiative Mathematik des Planeten
Erde 2013 (MPE2013) haben international großen Einfluss
auf Mathematikmuseen. Für das Internationale Jahr der
Kristallographie 2014 sind gerade neue (Mathematik-)
Ausstellungen in Planung.
Unterhaltung vs. Wissen und interaktiv vs.
hands-on
In vielen Science-Museen findet man dieselben Exponate.
„Klassiker“ sind Möbiusbänder, Doppelpendel, Brachistochronen und Pythagoraspuzzles in allen Varianten. Nur
selten sieht man mathematische Notation, moderne Mathematik oder offene Probleme erklärt.
Ob die Frage „Was habe ich gelernt?“, nach dem Besuch
von Mathe-Museen gestellt werden sollte oder die Frage
„Habe ich jetzt mehr Lust auf Mathe und weiß ich wo
ich mich weiter einlesen kann?“, ist nicht klar. Wichtig ist
aber auf jeden Fall die Frage, wie viel Mathematik prinzipiell in den Exponaten steckt, und ob das Museum nicht
auch ein Spiel- oder Bastelmuseum sein könnte. Geht es
um Inhalte oder Unterhaltung und in welchem Ausmaß?
In einer Science-City in Indien hat man mir eine Achterbahn als Physiksimulation verkauft – die mir viel Spaß
machte und keinerlei Physik beibrachte.
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bzw. verlangen mehr Computer-Know-how. Sie können
dafür einfacher kopiert werden und auch als Heim- oder
Schulversion angeboten werden. Viele Science Centers
haben ihre eigenen Richtlinien und verfolgen den „HandsOn“-Ansatz. Ich bin ein Vertreter der interaktiven Exponate, die durch Visualisierung und auch die dynamische
Anzeige von Objekten und Inhalten mehr Freiraum und
Möglichkeiten bieten. Die BesucherInnen können selbst
kreativ werden und in weniger starr vorgegebenen Bahnen agieren.
Neue Technologien werden im Museumsbereich eingesetzt, um etwas Exklusives und ein Erlebnis zu bieten.
Die Technologien ändern sich schnell. Vor fünf Jahren waren Touchscreens noch eine Besonderheit, heute haben
wir alle kleine Touchscreens in unseren Hosentaschen.
Als Beispiel interaktiver Exponate möchte ich das Programm SURFER nennen, mit dem die BesucherInnen algebraische Flächen in Echtzeit visualisieren können, durch
Eingabe und Abänderung von algebraischen Gleichungen. Das Programm Morenaments zum Erleben der 17
Symmetriegruppen der Ebene und seine Vorgänger und
Nachfolger sind ein Publikumshit. Begonnen als Atariprogramm für eine Ausstellung in Darmstadt 1986 gibt
es inzwischen auch eine iPad-Version, iOrnament, mit
viel Hintergrundinformation. Das Programm ist in vielen
Wissenschaftsmuseen als Exponat installiert.
Der open source Ansatz hat sich für die Verbreitung der
Inhalte und die Einbindung des Publikums sehr bewährt.
Im März 2013 starteten wir von Oberwolfach aus mit
Unterstützung der Klaus Tschira Stiftung die Plattform
„IMAGINARY – open mathematics“ für interaktive Mathematikvermittlung mit dem Ziel, Mathematik-Exponate
für Ausstellungen und Museen zu sammeln und zur Verfügung zu stellen. Exponate der Plattform sind bereits für
viele Museen adaptiert worden, wie z. B. das Deutsche
Museum oder das MoMath.
Die Zukunft der (Mathe-)Museen
Dynamische Ornamente. Es begann mit einem Atari-Programm und
wurde zu einem Exponat in vielen Ausstellungen und Museen. Neu
ist die iPad-Version iOrnament, die das Exponat nach Hause bringt.
Oben: Interaktive Wall-Papers im Science Park Tecnópolis in Buenos
Aires, unten Screenshots der iPad-Version mit viel Hintergrundmaterial. (Fotos: Joaquin Ezcurra und www.science-to-touch.com)
Bei den Exponaten herrscht eine nicht im Detail definierte Einteilung in interaktive und hands-on Exponate.
Unter Ersteren versteht man Exponate, die eine starke
Software-Komponente beinhalten, also auch einen Bildschirm. Bei Letzteren handelt es sich um physische Exponate, wie Puzzlespiele oder reale greifbare Objekte. Interaktive Exponate sind in Museen schwieriger zu warten
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PUBLIKUM
Im Idealfall werden sich in Zukunft die mathematischen
Inhalte, die noch dazu aus der aktuellen Forschung und
einer Wissenschaftsumgebung stammen, mit der Expertise und den finanziellen Möglichkeiten der Museumswelt
treffen. Ein Hauptaugenmerk wird auf den Inhalten liegen, die die moderne Mathematik spannend zu vermitteln
vermögen. Neue Technologien wie z. B. gestenbasierte
Steuerung oder veränderbare physische Objekte (realtime-rapid-prototyping?) werden neue Design-Konzepte
fordern und noch mehr Interaktion und Partizipation bieten.
Die MuseumsbesucherInnen werden immer mehr auch
zu MuseumskuratorInnen, und die Grenzen zwischen
Museen und zu Hause werden verschwimmen. Exponate kann man mit nach Hause nehmen, von zu Hause aus
wird man das Museum gestalten können. Beispiele für
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diesen Trend ist der offene Wettbewerb zur Erstellung
von open source Exponaten der Initiative MPE2013. Eine eigene Ausstellung wurde aus den Gewinner-Modulen
des Wettbewerbs erstellt, die Ausstellung wird laufend
erweitert. Das Mathemuseum Tirol ist ein Museum, das
von SchülerInnen selbst erstellt wurde und auch verwaltet wird. Sie können sich vorstellen, dass es noch spannender ist, ein Museum selbst zu kreieren, statt ein Museum zu besuchen.
Portale zum Austausch von Exponaten und Inhalten, wie
IMAGINARY, werden auch im Schul- und Museumsbereich stärker aufkommen. Spiele und Wettbewerbe sind
Techniken, die in der Wissensvermittlung immer wichtiger werden. Der Grad der Interaktion wird steigen, BesucherInnen wollen Teil des Prozesses werden, die Exponate gemeinsam erstellen oder auch selbst mitforschen.
Ich glaube, dass die Inhalte näher mit der aktuellen Forschung verbunden werden, was eine Herausforderung an
die ForscherInnen und KommunikatorInnen darstellt. In
Oberwolfach überlegen wir z. B. gerade die Möglichkeit
einer Anbindung der Mathematikvermittlung an die Themen der Workshops, um hier auch einen Nährboden für
neue Exponate und Inhalte zu generieren.
Assistant Professor
of Mathematics
The Department of Mathematics at ETH Zurich
(www.math.ethz.ch) invites applications for
an assistant professor position in mathematics.
Candidates should hold a PhD or equivalent and
have demonstrated the ability to carry out independent research work. The new professor will
be expected to teach undergraduate (German
or English) and graduate courses (English) for
students of mathematics, natural sciences and
Mathe-Museen werden zur nationalen Museumslandschaft gehören. Konkrete neue Museen sind schon in
Planung: im Vereinigten Königreich Großbritannien gibt
es seit 2012 das ambitionierte Unternehmen MathsWorldUK, mit dem Ziel der Erstellung eines Mathematikmuseums und neuen Exponaten aus vielen mathematischen Welten. Es soll bald mit einer Pilot-Ausstellung im
Museum of Science and Industry in Manchester losgehen. Auch in Brasilien ist ein neues Mathematikmuseum
geplant – hier bin ich auf nähere Informationen gespannt.
engineering.
Um der Nachfrage an Inhalten standhalten zu können,
wird es neben den neuen Mathematikmuseen auch immer mehr MuseumsmathematikerInnen geben (müssen).
Please apply online at www.facultyaffairs.ethz.ch
Die Webadressen der in diesem Artikel genannten Museen
und Projekte finden Sie an folgender Stelle: http://imaginary.org/
user-blog/links-to-maths-museums-science-museums.
and a list of publications. The letter of applica-
This assistant professorship has been established
to promote the careers of younger scientists.
The initial appointment is for four years with
the possibility of renewal for an additional
two-year period.
Applications should include a curriculum vitae
tion should be addressed to the President of
ETH Zurich, Prof. Dr. Ralph Eichler. The closing
Dr. Andreas Daniel Matt, Mathematisches Forschungsinstitut
Oberwolfach, Schwarzwaldstraße 9–11, 77709 OberwolfachWalke. [email protected]
date for applications is 30 September 2013.
ETH Zurich is an equal opportunity and family
friendly employer and is further responsive to
Andreas Daniel Matt hat in Innsbruck und Sevilla Mathematik, Informatik und Philosophie studiert und in Mathematik promoviert (stochastische Prozesse, Maschinelles Lernen). Seit 2007
arbeitet er am Mathematischen Forschungsinstitut Oberwolfach im Bereich Mathematikkommunikation. Er kuratierte das Museum für Mineralien und Mathematik (MiMa) in Oberwolfach und koordiniert das
Projekt IMAGINARY, eine internationale Wanderausstellung und
seit 2013 eine open source Plattform für interaktive Mathematikvermittlung.
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the needs of dual career couples. In order to
increase the number of women in leading
academic positions, we specifically encourage
women to apply.
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