Fangemeinschaften im Internet
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Fangemeinschaften im Internet
Exposé Fangemeinschaften im Internet Eingereicht von Hanna Christina Kuhn, Matr.nr.0647057 Reinhard Presslaber, Matr.nr.0506709 Alexander Gottschlich, Matr.nr.0403909 Robert Misar, Matr.nr.0306419 Judith Forster, Matr.nr. 0504030 Christiane Pichler, Matr.nr.0504885 Lisa Palmetshofer, Matr.nr. 0525946 Lisa Kampel, Matr.nr.0603021 Franziska Moosbrugger, Matr.nr.0609663 Laura Angermann, Matr.nr.0505006 VO – PAED, bei o.Univ.Prof. Dr. Thomas A.Bauer WS 2007/2008 1 Fangemeinschaften im Internet Fangemeinschaften im Internet sind Gruppen, die versuchen Welten zu schaffen, die nach ihren Wünschen gestaltet sind. Diese Welten können aufgrund technischer Hilfsmittel visuell dargestellt und ausgekleidet werden. Fans von Spielfilmen, TVSerien oder Idolen gestalten Webseiten und beteiligen sich aktiv an der Gestaltung und Schaffung von Fangemeinschaften und Fanwelten. In diesen selbst geschaffenen Welten können sich die Fans austauschen, informieren, ihre Meinungen weitergeben und Themen zur Diskussion stellen. Ausgehend von den Annahmen der Cultural Studies beschreibt die Studie von Johanna Mutzl ein Modell in dem es drei Ebenen gibt. Diese Ebenen verdeutlichen was auf solchen Websites zu finden ist, wie intensiv Fans in diese Welten eintauchen, wodurch die Internet-Fankulturen gestaltet werden und was sie auf Fanpages zu finden hoffen. Als Beispiel für diese Studie wurde die TV-Fernsehserie Charmed herangezogen. Es wurde dafür eine Website programmiert, auf der Fragen über die drei Hexenschwestern aus der Serie und über Internet-Fangemeinschaften, sowie Fanpages abgerufen werden konnten. Teilweise gab es sogar Links auf verschiedenen Fanpages um an dieser Befragung teilzunehmen. Schließlich beteiligten sich 700 Charmed-Fans an dieser Untersuchung. Die durch die Fans zur Verfügung gestellten Informationen und Themenbereiche wurden verglichen und in einem Modell übertragen. Dieses Modell konnte dadurch auf weiteren Fanpages, die andere TV-Serien zum Mittelpunkt haben, angewandt werden. Fans im Blickpunkt der Wissenschaft Der Schwerpunkt liegt auf der Kreation von Fankultur im Rahmen der Cultural Studies, wobei Fankultur nicht im Sinne von Hochkultur verstanden, sondern als Praxis allgemeiner Lebensumstände assoziiert wird. 2 Dieser positive Begriff des Fantums, der diese als aktive RezipientInnen definiert, die produktiv Inhalte diskutieren, selbst kreativ Texte gestalten etc., also am „Kampf um Bedeutungen“ teilnehmen (Jenkins 1992, 24), steht im Gegensatz zu vielen Meinungen, die Fans als realitätsferne oder unreife Individuen definieren. So proklamiert Jenkins Fans gerade als intelligente Menschen, die sich z.B. aufgrund beruflicher Unterforderung eine Wochenend-Welt als Ausgleich schaffen, die sie zur Realisierung ihres kreativen Potentials nutzen können. Wenn vom Kampf um Bedeutungen die Rede ist, so muss bedacht werden, dass diese nicht an sich existieren, sondern erst durch die menschliche Sprache und kulturelle Praktiken entstehen und deshalb einem steten Wandel unterliegen. Fans setzen sich spezifisch mit Personen und Produktionen auseinander (durch die Art, darüber zu sprechen und bestimmte Handlungen mit ihnen in Verbindung zu bringen) und verleihen ihnen dadurch bestimmte Bedeutungen. Resümierend kann festgestellt werden, dass Fans erst durch ihre Auseinandersetzung mit Personen und Produktionen diese im Sinne der Cultural Studies bedeutend werden lassen, wobei mit dem Begriff Kultur in diesem Sinne allerdings die Texte und Praktiken des alltäglichen Lebens gemeint sind. Fanpage- Modell Das Internet bietet Fans die ständige Möglichkeit Zugriff auf Informationen und Neuigkeiten zu haben, oder sich virtuell mit Gleichgesinnten auszutauschen. Diese verschiedenen Aspekte beinhaltet das Modell der Fanpages. Es gründet auf einer Strukturierung sämtlicher Bestandteile, die auf Websites gefunden werden können. Je nach Grad der Intensität in der sich Fans einbringen, interaktiv partizipieren oder sich mit den Inhalten der Websites auseinandersetzen können, unterscheidet man drei Ebenen der Fanpages: 1. Ebene Fanspace 2. Ebene Fanplace 3. Ebene Fanstage 3 Fanspace Die erste Ebene, der Fanspace, bildet das Fundament der Fanpages und beinhaltet prinzipiell den Zugriff auf Informationen, welche die WebdesignerInnen der Seite bereitgestellt haben. Im Rahmen dessen, unterscheiden sich drei verschiedene Bereiche, die das Modell des Fanspaces umfasst: 1. Contact: bietet den Fans die Möglichkeit über E-Mails, Gästebücher, etc. Kontakt zu den WebdesignerInnen aufnehmen zu können. 2. Background: beinhaltet Informationen über die Produktion, Schauspieler und Neuigkeiten, welche die Serie betreffen. 3. Story: gibt Einblicke in die Handlungsstränge der Serie und stellt Berichte über Charaktere und aktuelle/vergangene Folgen zur Verfügung. Der Kern des Fanspaces liegt somit darin Informationen abzurufen und bereitzustellen und bietet den Fans die Möglichkeit sich lesend zu informieren, weshalb der 1. Ebene auch das Attribut ‚read’ zugeordnet wird. Das Format des Fanspaces basiert auf der Konstruktion eines sozialen Netzwerkes. Obwohl sich die Fans in diesem Konstrukt noch nicht klar entfalten können und somit keinen direkten Einfluss auf die Inhalte des Fanspaces haben, sind diese keineswegs zufällig. Durch die Selektion der WebdesignerInnen gestalten sie einen Bedeutungsrahmen, indem sie entscheiden welche Inhalte der Öffentlichkeit und den Fans zugänglich gemacht werden sollen. Die zweite Auswahl erfolgt durch die Fans, die aufgrund ihrer Interessen entscheiden welche Informationen sie abrufen. Bis auf diese Auswahl erfordert das Modell des Fanspaces keine Eigenaktivität der Besucher. Aus diesem Grunde ist die Einrichtung Fanspace zwar Ausdruck einer Fankultur, da diese durch die Konstruktion eines Bedeutungsrahmens entsteht, doch aufgrund der fehlenden Eigeninitiative und Interaktion der Fans, keine Fangemeinschaft. 4 Fanplace Fanplace ist die zweite Ebene und Weiterführung des Fanspaces, welche die erste Ebene in der Fanspace-Fanplace-Fanstage-Modells darstellt. Diese Ebene kennzeichnet sich durch drei wesentliche Aspekte aus, welche auf dem Charakteristikum der ersten Ebene aufbauen. 1. Communications: - Chat, Forum etc. Unter dem Aspekt Communication versteht man, dass sich die Benutzer des Fanplaces direkt oder auch indirekt austauschen können. Sie können sich gegenseitig Tipps geben, sich im Forum mit spezifischen Themen auseinander setzen und gegenseitig weiterhelfen oder aber sich auch einfach nur im Chat unterhalten. 2. Specials : - Elemente, die der Serie entnommen werden Unter der Rubrik Specials findet man vertiefende Literatur, Themen und Gegenstände, die den Fans ermöglichen weiter in die Materie der Serie einzutauchen. 3. Extras - Spiele, Tests - Awards - Wallpapers, Computer decorations - Bildergalerien, Musik, Fanartikel, Umfragen Die Extras sind den Specials sehr ähnlich. Sie unterscheiden sich in dem konkreten Punkt, dass Extras nicht auf spezifischen Fanplaces zu finden sind, sondern auch in beliebig anderen Foren. Abschließend sollte konkret darauf hingewiesen werden, dass der Fanspace ein Beziehungsgeflecht im sozialen Raum darstellt, wohingegen der Fanplace einen konkreten Schnittpunkt innerhalb diesem sozialen Geflechts einnimmt. 5 Fanstage Die Fans können auf der Fanstage ihr Fan-sein am Intensivsten ausleben. Zusätzlich zu den vorher vorgestellten Bereichen finden sich hier auch folgende Elemente: 1. Fanfiction/-Art: Darunter versteht man die von Fans kreierten Geschichten und künstlerische Werke. Als Fanart können jedenfalls Wallpapers und Banner angesehen werden, jedoch muss man hier differenzieren. Häufig werden aus mangel am technischen Verständnis bestehende Bilder und Fotos geringfügig abgeändert, z.B. wenn nur eine Überschrift eingefügt wird. Richtige Fanart zeichnet sich dadurch aus, dass sie vom Künstler selbst kreiert werden und die Charaktere und Geschichten in einem neuen Zusammenhang bringen. Ein besonderes technisches Verständnis vor allem bzgl. Computerprogrammen ist hierbei unabdingbar. Schon die Konstruktion der Fanpage, egal ob als Infoquelle oder als Interaktionsplattform, kann man immer der Ebene der Fanstage zuordnen. Man kann sie durchaus als Art/Kunst bezeichnen weil viel Mühe und spezifische Kenntnis erforderlich sind um sie zu gestalten. 2. Rollenspiele: Hierbei zählt vor allem die Entwicklung von Charakteren, die im Spiel interagieren. Sie müssen ihre eigene Persönlichkeit einbringen, müssen sich emotional darauf einlassen und die Online-Welt aktiv mitgestalten. Aus diesem Grund wird der Fanstage auch die Tätigkeitsbeschreibung live zugeordnet. 3. Rangtitel: Ergänzend zu den Rollenspielen bieten Foren die Möglichkeit sich auszutauschen. Bemerkenswert ist hierbei dass man in der Hierarchie steigen kann indem man besonders viele Beiträge liefert. Quantität zählt dabei mehr als Qualität. Allen Punkten ist gemeinsam, dass nicht das Aneigenen von Wissen im Vordergrund steht sondern die Personen selbst stärker in den Vordergrund rücken. Es gleicht sozusagen einer Bühne (deshalb auch Fan-STAGE), auf der die Fans selbst agieren 6 und ihren Emotionen/Gedanken Ausdruck verleihen können. Sie nehmen neue Identitäten an, spielen ihre Rolle und erwecken dadurch das virtuelle Theater zum Leben. Durch dieses intensive Miterleben der Fanwelt entstehen Gemeinschaften die immer enger zusammenwachsen. Ihre Online-Identität überträgt sich dabei auch in ihr reales Leben. Gemeinschaftsbildungen entstehen in erster Linie auf den Ebenen Fanplace und Fanstage, weil dort das Interesse an persönlichen Beziehungen und emotionalem Austausch vorhanden ist. Fans, die sich auf Internetseiten bewegen, die dem Fanplace oder der Fanstage zugeordnet werden können, geben folgende fünf Schwerpunktbereiche an, die eine Teilnahme an Internet-Fangemeinschaften begründen: 1. Verständnis: Fans stoßen in Internet-Fangemeinschaften auf Verständnis für ihre Begeisterung. Fansein ist nicht immer leicht - Familienmitglieder und FreundInnen teilen oft nicht die Interessen der Fans. Deshalb fühlen sie sich in der Internetgemeinschaft verstanden und schätzen den Austausch mit Gleichgesinnten. 2. Freundschaft: Neue Leute kennen zu lernen und neue Freundschaften zu knüpfen ist ein weiterer Grund für die Teilnahme an InternetFangemeinschaften. Mitglieder geben weiters an, dass sie durch ihre Bekanntschaften aus verschiedenen Ländern zugleich fremde Kulturen kennen lernen und somit ihr interkulturelles Verständnis gestärkt wird. 3. Anerkennung: In Internetgemeinschaften finden Fans Anerkennung für ihr Wissen und ihre eigenen Produktionen. Die anderen Mitglieder wissen ihre Arbeit und ihr ExpertInnenwissen zu schätzen und finden, wenn es ihnen angebracht scheint, lobende Worte für gelungene Produktionen. 7 4. Anregungen: Fans sind bereit konstruktive Kritik anderer Mitglieder anzunehmen und ziehen diese Beiträge in ihre Überlegungen mit ein. Kritikübende versuchen dabei bewusst nicht als BesserwisserInnen aufzutreten. 5. Ausdrucksmöglichkeiten: Das Internet bietet vielfältige Möglichkeiten sich auszudrücken. Fans können nicht nur für ihre Produktionen und Meinungen verschiedene Darstellungsformen nutzen, sie können auch ihre eigene Persönlichkeit auf vielfache Weise präsentieren. Information und Gemeinschaft Das größte Interesse der Fans und auch das der Interessierten orientiert sich an der Information. Dies spiegelt sich in der Nutzung der Webpages wieder, so gab eine Mehrzahl der Befragten an, zuerst die News zu lesen und erst anschließend bei gegebenem Interesse weitere Bereiche durchzusurfen. Das Überraschende an diesem Ergebnis ist die Tatsache, dass der Faktor Information eher dem Fanspace zuzuordnen ist, wohingegen sich das Angebot an Fanwebpages in eine ganz andere Richtung bewegt. So ergab eine Untersuchung von etwa 200 Websites, dass nur 4,5% dem reinen Fanspace zuordenbar waren und im Gegensatz dazu dem Fanplace 52,8% und der Ebene des Fanstage 42,2%. Die Elemente eines Fanspace dienen dabei lediglich als Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche höhere Ebene. Eine Einstufung der verschiedenen Ebenen in besser oder schlechter wäre an dieser Stelle unangebracht, da sie sich jeweils an unterschiedliche Formen der Teilnahme bzw. an neue Möglichkeiten der Bedeutungskonstruktion anlehnen. Ein weiteres interessantes Ergebnis dieser Studie ergab, dass Websites, die als Fanstage sowie Fanplace zu deklarieren sind, so gut wie ausschließlich von tatsächlichen Fans gestaltet und verwaltet werden. 8 Im Auftrag von z.B. Filmstudios hingegen werden zumeist nur Fanspace-Ebenen betreut. Daraus resultierend kann festgestellt werden, dass Fangemeinschaften von und für Fans geschaffen werden, in denen es allen Interessierten möglich gemacht wird miteinander zu arbeiten, zu lernen und zu leben. Die Motivationsgründe für solch eine Gemeinschaft lassen sich in den fünf zentralen Gründen Verständnis, Freundschaft, Anerkennung, Anregungen und Aus- drucksmöglichkeiten wieder finden. Literatur: Mutzl, Johanna (2006): Fangemeinschaften im Internet: Fanspace – Fanplace – Fanstage. In: Tillmann, Angela; Vollbrecht Ralf (Hrsg.): Abenteuer Cyberspace. Jugendliche in virtuellen Welten. Frankfurt/Main: Peter Lang 9