Programm und Werkeinführungen im PDF-Format
Transcription
Programm und Werkeinführungen im PDF-Format
Musikverein Regensburg e. V. Sonntag, 30. November 2014, 19:30 Uhr, Vielberth-Gebäude der Universität (H 24) Sivan SILVER/Gil GARBURG, Klavier, Philipp JUNGK/Alexander GLÖGGLER, Schlagzeug Das Piano-Duo Sivan Silver und Gil Garburg, von dessen „lyrischer Empfindsamkeit, außergewöhnlich tiefem inneren Verständnis und hinreißender technischer Meisterschaft“ die Frankfurter Allgemeine Zeitung schwärmt, erlebt eine erfolgreiche internationale Karriere mit Auftritten in mehr als fünfzig Ländern auf fünf Kontinenten. Sivan und Gil studierten bei Arie Vardi an der Rubin Academy of Music der Universität Tel Aviv und legten später ihr Solistenexamen an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover ab. Sie erreichten den ersten Preis bei über einem Dutzend nationaler und internationaler Wettbewerbe, sowohl als Solisten und als Duo. Sivan Silver und Gil Garburg stehen bei OehmsClassics unter Vertrag. Gemeinsam mit der Bayerischen Kammerphilharmonie unter der Leitung von Christopher Hogwood nahmen sie ihre erste CD auf, die 2009 erschien. 2011 waren sie schon einmal beim Musikverein Regensburg eingeladen. Alexander Glöggler und Philipp Jungk studierten klassische Perkussion an der Hochschule für Musik in München bei Peter Sadlo. 2004 absolvierten sie ihr Studium mit dem Meisterklassendiplom und gründeten das Percussion Duo „Double Drums“. Neben Ihrer normalen Konzerttätigkeit gaben sie als Stipendiaten des von Yehudi Menuhin gegründeten Vereins „Live Music Now“ über 100 Konzerte. 2010 wurden Double Drums vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst mit dem Bayerischen Kunstförderpreis ausgezeichnet. Sie waren TVShowact beim „Frühlingsfest“ 2011 und 2013, beim „Adventsfest der 100.000 Lichter“ (ARD,ORF), bei Sebastian Pufpaffs "Happy Hour" (3Sat), bei der „Sternstunden-Gala 2010“ und beim „Bayerischen Filmpreis 2013“ im Bayerischen Fernsehen. Als Solisten traten sie mit dem Münchener Kammerorchester und dem Münchener Rundfunkorchester auf, mit dem sie bei der „20 Jahre Sternstunden“- Gala 2013 im Münchener Prinzregententheater das Stück „Emancipation for Drums“ von Franz Kanefzky und Double Drums zur Uraufführung brachten. Die ungewöhnliche musikalische Bandbreite ihrer Arbeit führte sie unter anderem zusammen mit Künstlern wie Sol Gabetta, Alexander Liebreich, Florian Silbereisen, Thilo Wolf, Jörg Widmann und Hermann Weindorf. -2- Programm Johannes Brahms 1833 – 1897 Variationen über ein Thema von Joseph Haydn für 2 Klaviere op. 56b Taklamakan Solo für Schlagzeug (P. Jungk) Savanne Duo für 2 Schlagzeuge (P. Jungk und A. Göggler) Camille Saint-Saëns 1835 – 1921 Introduction et Rondo capriccioso op. 28 Transkription für 2 Klaviere von C. Debussy --- Pause --Karton Duo für 2 Schlagzeuge (P. Jungk und A. Göggler) Béla Bartók 1881 – 1945 Sonate für 2 Klaviere und Schlagzeug (1937) Assai lento. Allegro molto Lento, ma non troppo Allegro non troppo Johannes Brahms: Variationen über ein Thema von Joseph Haydn op. 56b Tragen die Haydn-Variationen, die Johannes Brahms im Jahre 1873 komponierte, ihren Namen zu Recht? Ob ihr zugrunde liegendes Thema, der „Chorale St. Antoni“ aus einer „FeldPartita“ für Bläser in B-Dur wirklich von Joseph Haydn stammt oder wenigstens aus der Feder seines Bruders Michael, wird von der Musikforschung bezweifelt. Welcher Provenienz es auch immer ist: das von Brahms gewählte Choral-Thema bietet jedenfalls eine hervorragende Grundlage für Variationen, da es trotz seiner schlichten äußeren Gestalt mehrere reizvolle motivische Keime in sich birgt, an denen Brahms‘ Fantasie sich entzünden konnte. Die Variationen, welche in ihrer orchestralen Fassung bekannter sind, aber in der Klavierversion nicht weniger reizvoll erscheinen, lassen die melodische Gestalt des Themas meist nur sehr rudimentär erkennen. Sie sind als „Strukturvariationen“ über dem Formgrundriss des Themas gebildet, das ganz gegen die Norm der metrischen „Quadratur“ mit zwei Fünftaktgruppen beginnt, und entwickeln sich auf diesem Fundament wie eigenständige, unabhängig profilierte Charakterstücke. In deren Aufeinanderfolge herrscht, mit steter Veränderung der Tempi und Taktarten, ein striktes Kontrastprinzip. Durchwegs beibehalten wird die Grundtonart B-Dur, die lediglich in drei Fällen ins gleichnamige Moll abschattiert wird. -3- Wechseln die Charaktere, so bleibt doch stets der motivische Bezug zur Vorlage erhalten, wenn dieser sich auch auf den fünffach wiederholten Schlusston des Chorals beschränkt (Variation 1) oder auf den punktierten Rhythmus seiner ersten drei Töne (Variation 2). Ein ruhiges Duo (in der Orchesterfassung zwischen Oboen und Fagott) und eine schwermütige Moll-Variation folgen. Die fünfte Variation ist wieder dialogisch strukturiert, während die sechste muntere Jagdklänge erschallen lässt. Dann erklingt auf der metrisch-harmonischen Grundlage des Themas in Nr. 7 ein wiegendes Siciliano, worauf in Nr. 8 ein gespenstisches Scherzo vorüberhuscht, das eine aus dem Choral gewonnene Melodie mit ihrer Umkehrung kombiniert. Krönung der Variationsfolge bildet die abschließende Passacaglia, deren ostinater Bass ebenfalls die Fünftaktstruktur des „Chorale St. Antoni“ aufgreift. Kunstvoll errichtet Brahms auf diesem Fundament eine ausgedehnte Architektur. Das Prinzip der Steigerung beherrscht den kunstvollen Bau, bis das Ostinato schließlich in die Oberstimme gelangt und in eine triumphal gesteigerte Wiederkehr des „Chorale St. Antoni“ mündet. Taklamakan, Savanne, Karton: Zu diesen Stücken geben die Künstler eine kurze Einführung Camille Saint-Saëns: Introduction et Rondo capriccioso a-Moll op. 28 Seinen bekannten „Karneval der Tiere“ wollte Camille Saint-Saëns zu Lebzeiten nicht veröffentlichen, denn er befürchtete, dieses humoristische Gelegenheitsprodukt würde so populär werden, dass dadurch sein übriges Œuvre in den Schatten gestellt würde. Genau so ist es denn auch gekommen, als der „Carnaval des animaux“ posthum publiziert wurde. Camille Saint-Saëns gehört heute zu den zahlreichen Stiefkindern des Konzertbetriebs, die nur mit einem ganz geringen Teil ihres Schaffens präsent sind, obwohl in seinen von 1852 bis 1921 reichenden schöpferischen Jahren ein umfangreiches Œuvre entstand, das viel an Reizvollem enthält: Sinfonien, Konzerte, Opern, Kammermusik, Lieder und sogar eine Filmmusikkomposition, mit der Saint-Saëns noch in fortgeschrittenem Alter einen ersten Beitrag zu einer neu entstehenden Gattung lieferte. Zu entdecken wäre mit ihm ein geistvoller Klassizist von unglaublicher Vielseitigkeit, ein Mann, der als musikalisches Wunderkind begann, aber zugleich zahlreiche andere Interessen kultivierte: an Philosophie, Astronomie, Naturwissenschaft, Archäologie und Ethnologie. Und auch im künstlerischen Bereich ist Saint-Saëns nicht auf den Beruf des Komponisten festzulegen. Er betätigte sich ebenso als Musikwissenschaftler, der die ersten Gesamtausgaben der Werke Christoph Willibald Glucks und Jean Philippe Rameaus betreute, als Organisator im Musikleben, der sich für die Eigenständigkeit der französischen Instrumentalmusik gegenüber dem dominierenden deutschen Einfluss einsetzte, und sogar als Dichter, Maler und Zeichner. Zu den wenigen häufiger zu hörenden Werken von Saint-Saëns gehört das „Rondo capriccioso“ für Violine und Orchester (während Saint-Saëns’ drei Violinkonzerte von den Interpreten vorwiegend links liegen gelassen werden). Von diesem berühmten Stück stellte Georges Bizet eine Fassung für Violine und Klavier her und Claude Debussy die heute erklingende Bearbeitung für zwei Klaviere. -4Saint-Saëns‘ Komposition ist in ihrer originalen Gestalt ganz darauf bedacht, den Solisten wirkungsvoll in Szene zu setzen. Mit genauer Kenntnis der Möglichkeiten des Instruments gibt Saint-Saëns dem Geiger gleichermaßen Gelegenheit, sonor auf der G-Dur-Saite zu schwelgen wie sich gleich danach jubilierend in höchste Lagen aufzuschwingen. Das Orchester beschränkt sich dagegen meist auf reine Begleitung, kurze Überleitungen oder dient als Stichwortgeber. Vorausgeschickt ist dem Rondo eine kurze Introduktion, in der sich die Solovioline über diskreten, von Pizzicati gestützten Akkorden zunächst in leicht melancholischen Melodiebögen emporschwingt, bevor erste spielerisch-virtuose Elemente aufblitzen. Das Rondo lässt dann in seinem Refrain-Teil die Solovioline über dem gleichmäßig markierten Rhythmus der Begleitung ein aus der Höhe absteigendes, pikant synkopisch gesetztes Thema anstimmen, dessen Skalengänge in aufwärts strebende Figuren münden. Diesem rhythmisch profilierten und temperamentvollen Hauptteil des Rondos stehen in den Couplets teils kapriziöse Gedanken zur Seite, teils aber auch melodieselige Abschnitte. Béla Bartók: Sonate für zwei Klaviere und Schlagzeug Das Schlagzeug ist im klassischen Orchester nur durch die Pauke repräsentiert, allenfalls einmal, wie in Beethovens „Neunter“ zu einer „türkischen Musik“ mit Becken, Triangel und großer Trommel erweitert. Auch wenn im Laufe des 19. Jahrhunderts mancherorts der Schlagzeug-Gruppe weitere Effekt-Instrumente hinzugefügt werden, so bleibt sie doch ihrer Funktion nach stets nur Garnitur und Würze des Gesamtklangs. Die Emanzipation des Schlagzeugs zur eigenständigen Sektion innerhalb des Instrumentariums ist erst eine Angelegenheit der Moderne. Nun entstehen auch Kompositionen, die das Schlagzeug konzertant auftreten oder ganz für sich agieren lassen. Zu den Pionierwerken dieser neuen Entwicklung zählt die 1937 entstandene Sonate Bartóks für zwei Klaviere und Schlagzeug. Entstanden ist sie als Auftragswerk zum zehnjährigen Bestehen der Basler Gruppe der „Internationalen Gesellschaft für Neue Musik“. Bei der Uraufführung des Werks am 16. Januar 1938 in Basel saß Béla Bartók selbst zusammen mit seiner ehemaligen Schülerin und zweiten Gattin Ditta Pásztory an den beiden Flügeln, während der Schlagzeug-Part von den Schweizer Musikern Fritz Schiesser und Philipp Rühlig übernommen wurde. Im Dezember 1940 schuf der Komponist eine erweiterte Fassung für zwei Klaviere, Schlagzeug und Orchester, der er die Gattungsbezeichnung „Konzert“ gab. Diese neue Version wurde am 12. November 1942 in London uraufgeführt, hat sich allerdings in der Konzertpraxis nicht eingebürgert. Mit dem Basler Kompositionsauftrag, den der bekannte Kunstmäzen und Dirigent Paul Sacher initiiert hatte, verwirklichte Bartók einen älteren Plan: „Ich hatte schon seit Jahren die Absicht, ein Werk für Klavier und Schlagzeug zu schreiben. Allmählich verstärkte sich indessen in mir die Überzeugung, dass ein Klavier alleine gegen Schlaginstrumente keine befriedigende Balance ergibt. Infolgedessen änderte sich der Plan insofern, als zwei Klaviere statt einem dem Schlagzeug gegenüberstehen.“ Erfahrungen, die Bartók bei früheren Werken gemacht hatte, flossen in die Konzeption der Sonate ein, etwa solche aus dem ersten Klavierkonzert von 1926, wo der Komponist im Andante-Satz bereits die Gegenüberstellung von Klavier- und Schlagzeug-Klang erprobt hatte. -5Das Instrumentarium, das Bartók schließlich für seine Sonate wählte, besteht aus Pauke, großer Trommel, Becken, Tamtam, zwei kleinen Trommeln einmal mit, einmal ohne SchnarrSaiten sowie einem Xylophon. Der Komponist gab auf Grund der gemachten Erfahrungen auch genaue Anweisungen, wie die Instrumente räumlich anzuordnen seien, um einen optimalen Gesamtklang zu erzielen. Auf Bartóks diesbezügliche stereophone, um nicht zu sagen quadrophone Überlegungen weist auch die Bezeichnung „Quartett für 2 Klaviere und 2 Schlagzeuggruppen“ hin, die er dem Werk ursprünglich geben wollte. Diese sieben Schlaginstrumente sollen bei der Ausführung nach dem Willen des Komponisten „…bloß von zwei Spielern bedient werden. Die beiden Schlagzeug-Stimmen nehmen eine den beiden Klavierstimmen ebenbürtige Stellung ein. Die Rolle des Schlagzeugs ist verschiedenartig. In vielen Fällen ist es nur eine Farbnuance zum Klavierklang, in anderen verstärkt es wichtige Akzente, gelegentlich bringt das Schlagzeug kontrapunktische Motive gegen die Klavierstimmen, und häufig spielen namentlich die Pauken und das Xylophon sogar Themen als Hauptstimme.“ Mit der Dreisatzfolge schnell – langsam – schnell lehnt sich das Werk äußerlich an die Sonaten-Tradition an. Der erste Satz beginnt mit einer langsamen Einleitung (Assai lento), die effektvoll Spannung aufbaut. Die schleichenden Klavierklänge des Anfangs werden mehrfach von scharfen Akzenten des Schlagzeugs unterbrochen, dann verdichten sich die Energien, und das Tempo beschleunigt sich zum „Allegro molto“. Ein Paukensolo eröffnet den Hauptteil des Satzes, direkt gefolgt von einem synkopischen, in den Klavieren erklingenden Akkordthema. Aus diesem und weiteren Seitengedanken wird ein Sonatensatz entfaltet, in dem von wenigen lyrischeren Abschnitten abgesehen die rhythmischen Kräfte dominieren (so dass man fast übersieht, dass in der Reprise auch einmal ein fugierter Abschnitt erscheint). Insbesondere macht der Komponist Gebrauch von eigenwilligen Untergliederungen des Taktes, die beim Hören einen pikanten Reiz ausüben. Der Mittelsatz in schlichter dreiteiliger Bogenform bietet die neuzeitliche Version eines „Nocturne“. Mit leisen, geräusch-haften Klängen erzeugt Bartók eine unwirkliche, geheimnisvolle Nachtstimmung. Ruhige Klaviermonologe wirken in dieser Umgebung wie menschliche Stimmen in einer kosmisch weitgespannten Landschaft. Im etwas bewegteren Mittelteil treten gespenstisch klopfende Terzmotive der Klaviere hervor, die dann von der Pauke übernommen werden. Der als Sonatenrondo angelegte Finalsatz hat tänzerischen Grundcharakter. Das Xylophon intoniert nach einer motorisch bewegten Einleitung der Klaviere das fröhliche, innerhalb der diatonischen Skala aufsteigende Hauptthema, das in zahlreichen Verarbeitungen, darunter in kunstvollen Spiegelkanons, das Satzgeschehen dominiert. Diese vitale, bis auf wenige Absenkungen rhythmisch vorwärtstreibende Musik findet ein überraschendes Ende, wenn Bartok sie in der Coda des Satzes mit letzten Schlagzeug-Klängen im Pianissimo ersterben lässt.