Paritätische Stellungnahme

Transcription

Paritätische Stellungnahme
Stellungnahme des Paritätischen Gesamtverbandes zum Referentenentwurf des
Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum Entwurf eines
Gesetzes zum Ausbau der Hilfen für Schwangere – Regelung der vertraulichen Geburt
I. Einleitung
Seit 1999 gibt es in Deutschland Angebote zur anonymen Kindesabgabe, anonymen Geburt
oder die Möglichkeit, das Kind in eine Babyklappe zu legen. Bis zum Jahr 2011 wurden
durch verschiedene Träger und Krankenhäuser insgesamt 973 Kinder in Obhut genommen.1
Eine Pflicht zur Dokumentation der Fälle oder eine gesetzliche Aufsicht gibt es derzeit nicht.
Die Anbieter von anonymen Kindesabgaben und die Krankenhäuser, die anonyme Geburten
durchführen, bewegen sich im rechtlichen Grenzbereich. Zwar werden anonyme Geburten
und Babyklappen geduldet – gesetzlich erlaubt sind sie jedoch nicht.2
Mit der Veröffentlichung der Studie des Deutschen Jugendhilfeinstituts „Anonyme Geburt
und Babyklappen in Deutschland“3 ist die Thematik um die anonyme Kindesabgabe zu
Beginn des Jahres 2012 in den Mittelpunkt der medialen Berichterstattung gerückt.4 Die im
Auftrag des BMFSFJ durchgeführte Studie zeigt auf, dass es in Deutschland keinen
einheitlichen Umgang mit anonym geborenen oder abgegebenen Kindern gibt.
Der am 30.10.2012 vorgelegte Referentenentwurf soll Rechtssicherheit für die Anbieter von
anonymen Kindesabgaben schaffen, die Mütter dazu ermutigen, sich qualifizierten
Beraterinnen und medizinischen Fachleuten anzuvertrauen und sicherstellen, dass
betroffene Kinder die Geschichte ihrer Herkunft erfahren können.
Die juristische Diskussion um Babyklappen und anonyme Geburten wird nahezu parallel seit
dem Entstehen der ersten Angebote zur anonymen Kindesabgabe geführt. Dabei stehen
sich seit jeher Befürworter und Gegner kontrovers gegenüber. Während die eine Seite die
Angebote aufgrund des Lebensschutzes für das neugeborene Kind als übergeordnetes
Interesse über die möglichen Einwände stellt,5 zieht die ablehnende Seite die lebensrettende
Funktion der anonymen Kindesabgabe grundsätzlich in Zweifel.6 Der Deutsche Ethikrat hat
in seiner Stellungnahme im Jahr 2009 jedoch angemerkt, dass eine alleinige Abschaffung
und Schließung der Möglichkeiten anonymer Kindesabgabe ohne eine vermittelnde
Alternative nicht ausreichend und politisch kaum umsetzbar sei.7 In seinen Empfehlungen
1
Vgl. Coutinho/Krell, „Anonyme Geburt und Babyklappen in Deutschland – Fallzahlen, Angebote und Kontexte“, DJI 2011, S. 11.
Vgl. Paulitz, „Babyklappe und anonyme Geburt“, ZKJ 10/2010, 360 ff. (361).
3
Coutinho/Krell, „Anonyme Geburt und Babyklappen in Deutschland – Fallzahlen, Angebote und Kontexte“, DJI 2011.
4
Vgl. Der Tagesspiegel vom 29.März 2012, „Die verlorenen Kinder“.
5
Vgl. Hassemer/Eidam, „Babyklappen und Grundgesetz“, 2011, S. 101.
6
Vgl. Deutscher Ethikrat, „Das Problem der anonymen Kindesabgabe“, 2009, S. 83; Swientek in „Babyklappen und anonyme Geburt –
ohne Alternative?“, Sammelband terre des hommes 2007, S. 18; Busch, „Nur ein gerettetes Kind und es hätte sich gelohnt!“,
Sozialextra, 05/2005, S. 31 ff. (34).
7
Deutscher Ethikrat, „Das Problem der anonymen Kindesabgabe“, 2009, S. 86.
2
1
sprach der Ethikrat sich für eine gesetzliche Regelung aus, die eine „vertrauliche
Kindesabgabe“ ermöglichen sollte.8 Mit der Forderung nach einem rechtlichen Rahmen
stimmen Kritiker und Fürsprecher überein. Auch die DJI-Studie hat aufgezeigt, dass der
Umgang mit den Frauen, die anonym gebären wollen, und den betroffenen Kindern
gesetzlich festgelegt werden muss und es einer einheitlichen Beratungs- und
Vermittlungspraxis bedarf.9 Der Paritätische begrüßt die Veröffentlichung des
Referentenentwurfs zur Regelung der vertraulichen Geburt. Der bisherige Status Quo ist
aufgrund seiner unklaren rechtlichen Ausgestaltung nicht länger hinnehmbar. Die anonyme
Kindesabgabe ist ein hochsensibles Thema, das mit Bedacht und Umsicht behandelt werden
muss, um allen Interessen gerecht werden zu können. Eine gesetzliche Einordnung schafft
dafür die nötigen Voraussetzungen. Der Referentenentwurf des BMFSFJ regelt allein die
vertrauliche Geburt.
II. Die vertrauliche Geburt
Die vertrauliche Geburt soll laut Referentenentwurf einem bestimmten Ablauf folgen. Zur
besseren Veranschaulichung wird das Verfahren kurz umrissen.10
Sucht eine schwangere Frau eine Beratungsstelle auf und stellt sich hierbei heraus, dass
sie ihr Kind anonym zur Welt bringen möchte, bekommt sie von der Beraterin ein
entsprechendes Beratungsangebot. Die Beratung soll unverzüglich, unentgeltlich,
ausführlich und ergebnisoffen erfolgen. Bei der Beratungsstelle muss es sich um eine
anerkannte Fachberatungsstelle zur vertraulichen Geburt handeln.11 Die Schwangere wird
über ihre Rechte, die Rechte des Kindes und des Vaters und den praktischen Ablauf der
vertraulichen Geburt informiert. Dabei soll die Bedeutung der Kenntnis über die eigene
Herkunft und deren Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung im Vordergrund stehen.12
Auch wird die Frau über den Verlauf eines möglichen Adoptionsverfahrens sowie über alle
damit verbunden Vorgaben und Fristen informiert.13 Entscheidet sich die betroffene Frau für
eine vertrauliche Geburt, legt sie gemeinsam mit der Beraterin einen Aliasnamen für sich
und einen Vornamen für das Kind fest.14 Beides wird auf der sogenannten Herkunftsurkunde
vermerkt.15 Anschließend meldet die Beratungsstelle die Schwangere in der geburtshilflichen
Einrichtung an und informiert das Jugendamt.16 Das vertraulich geborene Kind erhält eine
Geburtsurkunde, einen Vormund und die deutsche Staatsbürgerschaft.
8
Deutscher Ethikrat, „Das Problem der anonymen Kindesabgabe“, 2009, S. 93
Vgl. Referentenentwurf des BMFSFJ zum Entwurf eines Gesetzes zum Ausbau der Hilfen für Schwangere – Regelung der vertraulichen
Geburt“ (im Folgenden: Referentenentwurf), S. 13.
10
Vorliegend wird der Ablauf beschrieben, wenn eine schwangere Frau eine Beratungsstelle aufsucht. Geht eine schwangere Frau, die
ihre Identität nicht preisgeben möchte, direkt zur Geburt in eine geburtshilfliche Einrichtung, ohne zuvor bei einer Beratungsstelle
gewesen zu sein, muss eine anerkannte Beratungsstelle informiert werden. Die Frau soll unverzüglich über die vertrauliche Geburt
beraten werden. In diesem Fall sucht die Beraterin die Einrichtung der Geburtshilfe auf. Das weitere Verfahren entspricht dem
Folgenden.
11
Vgl. Referentenentwurf S. 6, § 2 Abs. 4 SchKG-E.
12
Vgl. Referentenentwurf S. 7, § 25 Abs. 5 SchKG-E.
13
Ebenda.
14
Vgl. Referentenentwurf S. 7, § 26 Abs. 1 SchKG-E.
15
In diese Herkunftsurkunde werden die Personenstandsdaten der Schwangeren eingetragen. Zur Überprüfung der Richtigkeit der
Daten ist im Gesetzentwurf vorgesehen, dass die Beraterin sich den Personalausweis zeigen lässt. Die Beraterin verschließt die
Herkunftsurkunde und weist die Schwangere darauf hin, dass nur das Kind nach 16 Jahren Einsicht nehmen darf. Auf den Umschlag
werden der Aliasname der Mutter sowie später das Geburtsdatum des Kindes und die geburtshilfliche Einrichtung eingetragen. Vgl.
Referentenentwurf S. 7 f., § 26 Abs. 1, 4 SchKG-E.
16
Vgl. Referentenentwurf S. 8, § 26 Abs. 4 SchKG-E.
9
2
Das Adoptionsverfahren soll direkt im Anschluss an die vertrauliche Geburt beginnen. Denn
der Aufenthalt der Mutter gilt nach der vertraulichen Geburt als unbekannt, ihr Sorgerecht
ruht.17 Nach der Geburt wird die Herkunftsurkunde an das Bundesamt für Familie und
zivilgesellschaftliche Aufgaben (BaFzA) gesendet und dort 16 Jahre lang aufbewahrt.18 Nur
das Kind ist berechtigt nach 16 Jahren Einsicht in die Herkunftsurkunde zu nehmen.
Allerdings kann die Mutter bei einer Beratungsstelle Widerspruch gegen die Einsichtnahme
einlegen, wenn „wichtige Belange“ entgegenstehen.19 Möchte die Mutter das Kind
zurücknehmen, muss sie ihre Personenstandsdaten beim Standesamt anzeigen und ihre
Mutterschaft beweisen.20 Das Familiengericht prüft, ob die elterliche Sorge der Mutter wieder
aufleben kann. Maßstab hierfür ist das Kindeswohl. Eine Rücknahme ist möglich, solange
das Adoptionsverfahren andauert.21
III. Rechtliche Einordnung
Bei der vertraulichen Geburt stehen sich im Wesentlichen die Rechte der Mutter und die
Rechte des Kindes gegenüber.
1. Rechte der Mutter
a. Recht auf unbedingt anonyme Beratung
„Jede Frau (…) hat das Recht, sich (…) in allen eine Schwangerschaft unmittelbar oder
mittelbar berührenden Fragen von einer hierfür vorgesehenen Beratungsstelle auf Wunsch
anonym informieren und beraten zu lassen.“22 Seit der Einführung des
Bundeskinderschutzgesetzes am 01.01.2012 steht jeder schwangeren Frau das Recht auf
unbedingt anonyme Beratung zu. So sollen das Vertrauen gestärkt und Zugangshindernisse
abgebaut werden.23 Problematisch hierbei ist, dass die Möglichkeit einer anonymen
Beratung in der breiten Bevölkerung nicht ausreichend bekannt ist.24 Durch den
Gesetzentwurf soll aus diesem Grund die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
beauftragt werden, der mangelnden Kenntnis durch zielgruppenspezifische Maßnahmen
entgegen zu wirken.25 Der Paritätische unterstützt dieses Vorhaben. Eine frühzeitig Beratung
und psychosoziale Betreuung sind eine wirksame Hilfestellung für Mütter, die ihr Kind
anonym zur Welt bringen möchten. Durch eine umfassende Beratung kann sichergestellt
17
Vgl. Referentenentwurf S. 5 f., § 1674a, § 1747 Abs. 4 BGB-E.
Vgl. Referentenentwurf S. 7, § 26 Abs. 2 SchKG-E.
19
Gemäß § 30 SchKG-E kann die Mutter dieses Widerspruchsrecht erst nach 15 Jahren ausüben. Vgl. Referentenentwurf S. 9.
20
Beispielsweise durch Nennung des Aliasnamens und der Geburtsklinik, durch Zeugnis der Beraterin und/oder anderen bei der
Geburt anwesenden Personen.
21
Vgl. Referentenentwurf S. 23f. Mit der Schwangeren wird eine Möglichkeit zur Kontaktaufnahme vereinbart, damit sie von der
Beratungsstelle über den Stand des ihr Kind betreffenden Adoptionsverfahrens unterrichtet werden kann (bspw. über
Kontaktpersonen, Brief o.ä.).
22
entspr.§ 2 Abs. 1 SchKG.
23
Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und
Jugendlichen (Bundeskinderschutzgesetz – BKiSchG)“, 14.03.2009, S. 59.
24
Vgl. Coutinho/Krell, „Anonyme Geburt und Babyklappen in Deutschland – Fallzahlen, Angebote und Kontexte“, DJI 2011, S. 295.
25
Vgl. Referentenentwurf des BMFSFJ zum Entwurf eines Gesetzes zum Ausbau der Hilfen für Schwangere – Regelung der
vertraulichen Geburt“, S. 6; § 1 Abs. 4 SchKG-E: „(4) Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung macht die Hilfen für
Schwangere und Mütter einschließlich des Anspruchs auf anonyme Beratung nach § 2 Absatz 1 und die vertrauliche Geburt in
zielgruppenspezifischer Weise bekannt. Die Informationen über die vertrauliche Geburt beinhalten auch die Erklärung, wie eine Frau ihr
Kind nach einer vertraulichen Geburt zurück erhalten kann und wie sie der Herausgabe der Herkunftsurkunde nach § 30 Absatz 1
widersprechen kann. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung steigert durch bewusstseinsbildende Maßnahmen die
gesellschaftliche Akzeptanz der Adoption.“
18
3
werden, dass das Kind Details seiner Herkunft und seiner leiblichen Familie erfährt.26 Ziel
einer vertrauensvollen und kompetenten Beratung ist es, Mütter dazu zu bewegen, ihr Kind
unter medizinischer Aufsicht zu gebären. Daher ist es von großer Wichtigkeit, auch Frauen
mit verdrängter oder verheimlichter Schwangerschaft möglichst frühzeitig zu erreichen und
über die Möglichkeit zur vertraulichen Geburt zu beraten.
Die DJI-Studie hat auch aufgezeigt, dass die meisten Frauen den Zugang zu den
Beratungsstellen über Telefon oder Internet gesucht haben.27 Eine bundesweite Hotline und
ein entsprechender Internetauftritt, um Hilfesuchende an fachkundige Beraterinnen und
Berater vermitteln zu können, wären aus Sicht des Paritätischen sinnvoll. Die Suche nach
einer geeigneten Beratungsstelle im Internet kann sich als sehr schwierig gestalten, da sich
die fachliche Kompetenz einer Beratungsstelle nicht anhand der Position auf der Trefferliste
von Internetsuchmaschinen ablesen lässt.
b. Recht auf Anonymität
Das deutsche Familienrecht regelt in § 1591 BGB, dass Mutter eines Kindes die Frau ist, die
das Kind geboren hat.28 Eines Aktes der Anerkennung oder Eintragung bedarf es hierbei
nicht.29 Jedoch verpflichtet das Personenstandsgesetz (PStG) gemäß § 18 in Verbindung mit
§ 19 PStG die Person, die bei der Geburt anwesend war, innerhalb einer Woche zur
Meldung beim Standesamt.30 Die bisherige Rechtslage sieht vor, dass bei der Beurkundung
im Geburtenregister auch die Personalien der Mutter erfasst werden.31 Der
Referentenentwurf hingegen regelt, dass diese Angaben bei vertraulichen Geburten nicht
einzutragen sind und schließt darüber hinaus Ermittlungen der Behörden nach der leiblichen
Mutter aus.32 Die Mutter wird nach einer vertraulichen Geburt als unbekannt behandelt,
deren Aufenthalt dauerhaft nicht festgestellt werden kann.33 Dadurch soll ihr Recht auf
Anonymität gegenüber den zuständigen Behörden gewahrt bleiben. Die Zusicherung der
Anonymität ist laut Referentenentwurf entscheidend für die Akzeptanz der vertraulichen
Geburt.34 Es ist daher ein logischer Schritt, dass die Anforderungen an die
Verschwiegenheitspflicht der Beraterinnen erhöht werden und eine Geheimnisoffenbarung
strafrechtliche Konsequenzen hat.35 Die Angleichung an die ärztliche oder anwaltliche
26
Vgl. Deutscher Ethikrat, „Das Problem der anonymen Kindesabgabe“, 2009, S. 90.
Vgl. Coutinho/Krell, „Anonyme Geburt und Babyklappen in Deutschland – Fallzahlen, Angebote und Kontexte“, DJI 2011, S. 242.
28
§ 1591 BGB: „Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat.“
29
Deutscher Ethikrat, „Das Problem der anonymen Kindesabgabe“, 2009, S. 35
30
§ 18 PStG: „Die Geburt eines Kindes muss dem Standesamt, in dessen Zuständigkeitsbereich es geboren ist,
1. von den in § 19 Satz 1 genannten Personen mündlich (…) schriftlich binnen einer Woche angezeigt werden. (…).“
§ 19 PStG: „Zur Anzeige sind verpflichtet 1. jeder Elternteil des Kindes, wenn er sorgeberechtigt ist, 2. jede andere Person, die bei der
Geburt zugegen war oder von der Geburt aus eigenem Wissen unterrichtet ist. Eine Anzeigepflicht nach Nummer 2 besteht nur, wenn
die sorgeberechtigten Eltern an der Anzeige gehindert sind.“
31
§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PStG: „(1) Im Geburtenregister werden beurkundet (…) 4. die Vornamen und die Familiennamen der Eltern(…).“
32
Vgl. Referentenentwurf zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der vertraulichen Geburt, S. 4f., 22f.: § 21 Abs. 1, S. 2 PStG-E:„(1)
(…) Die Angaben nach Nummer 4 werden bei einer vertraulichen Geburt nach Abschnitt 6 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes nicht
eingetragen.“; § 24 Abs. 1, S. 3 PStG-E: „(1) (…) Bei einer vertraulichen Geburt nach Abschnitt 6 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes
werden keine Ermittlungen nach der leiblichen Mutter angestellt.“
33
Vgl. Referentenentwurf zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der vertraulichen Geburt, S. 5 f., S. 22: § 1747 Abs. 4 BGB-E: „(4)
(…) Der Aufenthalt der Mutter eines gemäß Abschnitt 6 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes vertraulich geborenen Kindes gilt als
dauerhaft unbekannt bis sie gegenüber dem Familiengericht die Angaben nach § 21 Absatz 1 Nr. 4 des Personenstandsgesetzes
macht.“
34
Vgl. Referentenentwurf S. 23.
35
Die Strafbarkeit der Geheimnisoffenbarung wird um die anerkannten Beratungsstellen zur vertraulichen Geburt erweitert. Vgl.
Referentenentwurf S. 11; 34; § 203 Abs. 1 Nr. 4a StGB-E.
27
4
Schweigepflicht ist aus Sicht des Paritätischen durchaus dazu geeignet, das Vertrauen in die
Beratungsstellen zu stärken.
Der Paritätische begrüßt es, dass der Referentenentwurf eine Verpflichtung der
Beratungsstellen vorsieht, die Mutter über die negativen Folgen für das Kind aufgrund ihrer
Anonymität zu beraten. Betroffene Frauen führen als Grund für ihren Anonymitätswunsch die
Angst vor Verantwortung und Überforderung an, aber auch Druck von Seiten des Partners.36
Für den Paritätischen ist es von großer Wichtigkeit, die Tragweite einer vertraulichen Geburt
zu erläutern und der werdenden Mutter deutlich zu machen, dass sie sich bis zum Abschluss
des Adoptionsverfahrens noch für das Kind entscheiden kann.
c. Recht auf Rücknahme des Kindes
Entscheidet sich eine Mutter für eine vertrauliche Geburt, sieht der Gesetzentwurf das
Ruhen ihrer elterlichen Sorge vor.37 Dieses gesetzliche Ruhen der elterlichen Sorge ist
notwendig, da das deutsche Familienrecht keine Elternlosigkeit kennt.38 Nach deutschem
Recht ist Mutter die Frau, die das Kind geboren hat,39 die elterliche Sorge besteht ab der
Geburt.40 Da ein Nebeneinander von mütterlicher Sorge und der Sorge des Vormundes nicht
möglich ist, ruht die Sorge der Mutter, die als unbekannt gilt, kraft Gesetzes.41
Entschließt sich die Mutter innerhalb der ihr zugestandenen Zeit vor Ablauf des
Adoptionsverfahrens dazu, ihr Kind zurück zu nehmen, muss sie sich nach Plänen des
Gesetzentwurfs beim Standesamt melden, Angaben zu ihrer Person machen und die
Mutterschaft beweisen42. Zudem wird anschließend in einem familiengerichtlichen Verfahren
geprüft, ob eine Rückübertragung des Sorgerechts dem Kindeswohl entspricht. Der
Referentenentwurf argumentiert, dass dadurch nicht unverhältnismäßig in das Sorgerecht
der Mutter eingegriffen würde, „da diese durch die vertrauliche Geburt dokumentiert hat,
dass sie nicht in der Lage und willens ist, für ihr Kind zu sorgen.“43
Für den Paritätischen darf die Rückübertragung der elterlichen Sorge auf die Mutter nicht an
eine Art Eignungsprüfung geknüpft werden. Dies würde zum einen zu einer Vorverurteilung
der Mütter, die vertraulich gebären, führen und zum anderen eine hohe Hürde für die
Rücknahme des Kindes aufbauen, die sich negativ auf den Entscheidungsprozess zu einer
vertraulichen Geburt auswirken könnte. Frauen, die bereits Kinder haben, entscheiden sich
für eine anonyme Geburt und gegen eine Adoption, da sie Angst haben, ihre
Erziehungsfähigkeit könnte generell in Zweifel gezogen werden.44 Die Sorgen dieser Mütter
würden durch das familiengerichtliche Verfahren bei der Rückübertragung manifestiert.
36
Vgl. Coutinho/Krell, „Anonyme Geburt und Babyklappen in Deutschland – Fallzahlen, Angebote und Kontexte“, DJI 2011, S. 138.
Vgl. Referentenentwurf (…) S. 5; § 1674 a BGB-E: „Die elterliche Sorge der Mutter für ein nach Abschnitt 6 des
Schwangerschaftskonfliktgesetzes vertraulich geborenes Kind ruht. Ihre elterliche Sorge lebt wieder auf, wenn das Familiengericht
feststellt, dass sie die Angaben nach § 21 Absatz 1 Nr. 4 des Personenstandsgesetzes gemacht hat.“
38
Vgl. Deutscher Ethikrat, „Das Problem der anonymen Kindesabgabe“, 2009, S. 35.
39
Vgl. § 1591 BGB, siehe Fn. 32.
40
Vgl. § 1626a BGB: " (1) Sind die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, so steht ihnen die elterliche Sorge
dann gemeinsam zu, wenn sie 1. erklären, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen (Sorgeerklärungen), oder 2. einander
heiraten. (2) Im Übrigen hat die Mutter die elterliche Sorge.“
41
Vgl. Referentenentwurf S. 23.
42
Beispielsweise durch Nennung des Aliasnamens und der Geburtsklinik, durch Zeugnis der Beraterin und/oder anderen bei der
Geburt anwesenden Personen.
43
Vgl. Referentenentwurf S. 5, 23, 24; § 1674a BGB-E.
44
Vgl. Coutinho/Krell, „Anonyme Geburt und Babyklappen in Deutschland – Fallzahlen, Angebote und Kontexte“, DJI 2011, S. 16.
37
5
Zudem wird bei dieser Norm vollkommen außer Acht gelassen, dass die Mutter durch ihre
Entscheidung für eine vertrauliche Geburt bereits gezeigt hat, dass sie verantwortlich
handeln und eine gewisse Fürsorgeverpflichtung für das Kind übernehmen wollte. Darüber
hinaus darf die Neuregelung nicht dazu führen, dass die Mutter gegenüber anderen Formen
der anonymen Kindesabgabe schlechter gestellt wird. Dies würde den Regelungszweck der
vertraulichen Geburt ad absurdum führen.
Der Paritätische regt an, den Frauen, die sich für eine Rücknahme des Kindes entscheiden,
eine Familienhebamme im Rahmen der Frühen Hilfen nach dem BKiSchG45 zur Seite zu
stellen. Mütter, die vertraulich entbunden haben, benötigen mehr Unterstützung – vor allem
nach der Geburt, wenn sie sich doch noch für ihr Kind entschieden haben.
d. Recht auf nachgehende Beratung
Der Gesetzentwurf sieht vor, die Mutter auch nach der Abgabe des Kindes zu beraten.46 Die
Beratungsinhalte beziehen sich hierbei jedoch nur auf Fragen, die die Rücknahme oder die
Adoption des Kindes betreffen. Weiter soll die Mutter vor Abschluss des
Adoptionsverfahrens informiert werden und über die Rechtsfolgen unterrichtet werden.
Die nachgehende Beratung erachtet der Paritätische als sehr sinnvoll und sehr wichtig. Der
Gesetzentwurf berücksichtigt hier die Interessen der Mutter, die ihr Kind unter Umständen
doch wieder zurücknehmen möchte und will Sorge dafür tragen, der Mutter diese Option bis
zum letztmöglichen Zeitpunkt offen zu halten.
Der Paritätische kritisiert hier, dass eine nachgehende Beratung für Mütter, die sich
endgültig gegen ihr Kind entschieden haben, nicht in den Gesetzestext aufgenommen
wurde. Die langfristigen Folgen, die aus der Entscheidung, das Kind abzugeben, für Mutter
und Kind entstehen, sind für die meisten Frauen zum Zeitpunkt der Geburt nicht absehbar.
Auf der einen Seite wirkt die Abgabe des Kindes entlastend, während auf der anderen Seite
die tatsächliche und anonyme Trennung vom Kind die Lebenssituation der Mutter belastet.47
Die Frauen sehen sich nach der vertraulichen Geburt einer vielfältigen und zwiespältigen
Belastung ausgesetzt, der mit Beratung und Begleitung begegnet werden muss.
Die anerkannten Beratungsstellen sollen den schwangeren Frauen im Vorfeld vertrauensvoll
und offen zur Seite stehen – der Paritätische fordert diesen Einsatz spiegelbildlich auch für
den Zeitraum nach der Geburt.
e. Recht auf Widerspruch
Die Mutter soll nach dem Vorhaben des Referentenentwurfs ein Widerspruchsrecht
eingeräumt bekommen, das auch nach Vollendung des 16. Lebensjahres des Kindes der
Einsicht in die Herkunftsurkunde entgegenstehen kann. Voraussetzung ist, dass die Mutter
ab Vollendung des 15. Lebensjahres des Kindes „wichtige Belange“ hervorbringt. 48
45
Vgl. § 1 KKG; § 16 Abs. 3 SGB VIII.
Vgl. Referentenentwurf (…) S. 9; § 29.
47
Vgl. Coutinho/Krell, „Anonyme Geburt und Babyklappen in Deutschland – Fallzahlen, Angebote und Kontexte, DJI 2011, S. 291.
48
Vgl. Referentenentwurf (…), S. 9; § 30 SchKG-E: „(1) Die leibliche Mutter eines vertraulich geborenen Kindes kann ab Vollendung des
15. Lebensjahres des Kindes bei einer Beratungsstelle durch einen Widerspruch geltend machen, dass auch nach der Vollendung des 16.
Lebensjahres des Kindes wichtige Belange der Einsicht in die Herkunftsurkunde entgegenstehen. Die Beratungsstelle zeigt den
46
6
Die Begründung des Gesetzentwurfs konkretisiert die wichtigen Belange mit „einer nicht
zumutbaren Situation“, in die die Mutter geraten könne, „wenn ihre Mutterschaft ihrem
sozialen Umfeld bekannt wird.“49 Um vorzubeugen, dass ein solch erdachtes Szenario von
vornherein zur Ablehnung der vertraulichen Geburt führt, wurde der Mutter das
Widerspruchsrecht eingeräumt. Die Möglichkeit zur Wahrnehmung des Widerspruchsrechts
erst ab Vollendung des 15. Lebensjahres des Kindes soll sicherstellen, dass die Gründe für
einen Widerspruch tatsächlich bestehen.50
Der Paritätische betrachtet das Widerspruchsrecht äußerst kritisch. Der vorbeugende
Charakter des Widerspruchs und die Möglichkeit, die Einsichtnahme zu einem sehr späten
Zeitpunkt noch verhindern zu können, werden als sehr problematisch beurteilt. Dazu kommt
noch, dass eine zeitliche Begrenzung des spät eingelegten Widerspruchs nicht vorgesehen
ist, was einer endgültigen Verhinderung der Kenntnis auf die eigene Abstammung
gleichkommt. Die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung erscheint dem Paritätischen mit
Blick auf die Rechte des Kindes fraglich. Denn die Vorschrift über das Widerspruchsrecht
der Mutter vereitelt unter Umständen das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen
Abstammung.
2. Rechte des Kindes
a. Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung
„Jeder Mensch hat aufgrund seines Persönlichkeitsrechtes nach Art. 2 Abs. 1 GG in
Verbindung mit seiner Menschenwürde, Art. 1 Abs. 1 GG ein Grundrecht auf Kenntnis
seiner biologischen Abstammung.“51 Die grundrechtliche Ausgestaltung des Rechtes auf die
Kenntnis der eigenen Abstammung räumt dem Kind keinen Anspruch gegenüber dem Staat
ein, Kenntnisse zu erhalten, sondern schützt es vor der Vorenthaltung von erlangbaren
Informationen.52 Ein Eingriff in das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gemäß
Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG liegt auch dann vor, wenn der
Gesetzgeber es unterlässt, die Verwirklichung des Grundrechts auf Kenntnis der
Abstammung in einem dafür geeigneten Verfahren zu ermöglichen.53
Das bedeutet, dass die zeitlich unbegrenzte Widerspruchsmöglichkeit in die Grundrechte
des Kindes eingreift. Der Paritätische gibt hier zu bedenken, dass durch das
Widerspruchsrecht die Mutter faktisch allein über das kindliche Recht auf Kenntnis seiner
Abstammung disponieren kann. Weder die im Referentenentwurf angeführte Begründung,
eine größere Akzeptanz des Angebotes durch eine Widerspruchsmöglichkeit erreichen zu
wollen, noch das Selbstbestimmungsrecht der Mutter rechtfertigen aus Sicht des
Paritätischen den Grundrechtseingriff. Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass die
Widerspruch dem Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben unter dem Aliasnamen der Mutter an, das den
Widerspruch auf der Herkunftsurkunde vermerkt. Die mit einem Widerspruch versehene Herkunftsurkunde wird vom Bundesamt nicht
herausgegeben. (2) Bei einem Widerspruch nach Absatz 1 wirbt die Beratungsstelle unter Erläuterung der Bedeutung der Kenntnis der
eigenen Herkunft für ein Kind dafür, dass die Mutter herkunftsrelevante Informationen für das Kind schriftlich niederlegt; § 26 Absatz 3
Satz2 gilt entsprechend.“
49
Vgl. Referentenentwurf, S. 31.
50
Ebenda.
51
Deutscher Ethikrat, „Das Problem der anonymen Kindesabgabe“, 2009, S. 60; BVerfGE 79, 256 ff.
52
Deutscher Ethikrat, „Das Problem der anonymen Kindesabgabe“, 2009, S. 61.
53
BVerfG, 1 BvR 421/05 vom 13.2.2007, Absatz-Nr. 1 – 102, (62);
http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20070213_1bvr042105.html
7
„wichtigen Belange“, aufgrund derer die Mutter die Einsichtnahme sogar dauerhaft
verhindern kann, nahezu unkommentiert bleiben. Die Begründung des Referentenentwurfs
spricht von einer „nicht zumutbaren Situation“. Dies stellt für den Paritätischen eine viel zu
unkonkrete Formulierung dar und birgt die Gefahr einer sehr weiten Auslegung.
Der Paritätische spricht sich gegen die vorgesehene Widerspruchsmöglichkeit aus und weist
daraufhin, dass eine Regelung, die massiv in die Grundrechte des Kindes eingreift, den
Ausnahmecharakter betonen und strenge Anforderungen an einen Widerspruch stellen
müsste. Ein zeitlich unbegrenztes Widerspruchsrecht lehnt der Paritätische ab.
Der Gesetzentwurf knüpft die Möglichkeit zur Kenntniserlangung der eigenen Abstammung
an eine zeitliche Frist von 16 Jahren. Dies entspricht der Möglichkeit zur Einsichtnahme in
den Geburtseintrag beim Standesamt von Adoptivkindern.54 Der Paritätische respektiert den
Wunsch nach Anonymität der Mutter und erachtet den Zeitraum von 16 Jahren als
verhältnismäßig.
b. Recht auf körperliche Unversehrtheit
Auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit wird durch das Widerspruchsrecht der Mutter
verletzt. Das Nichtwissen um die eigene Herkunft kann zu schwerwiegenden
Entwicklungsstörungen und zu Nachteilen bei der Identitätsfindung führen. 55
3. Rechtliche Rahmenbedingungen
a. Schwangerenberatungsstellen
Die anerkannten Schwangerenberatungsstellen tragen die Organisationslast des
Referentenentwurfs. Ob es die Weiterbildung der Beraterinnen ist, die Gewährleistung einer
24-h-Erreichbarkeit, die Rufbereitschaft oder der besondere personelle Einsatz, wenn eine
Schwangere zur vertraulichen Geburt direkt im Krankenhaus aufgesucht werden muss. .
Auch liegt die Verwaltung der Herkunftsurkunde bis zum Geburtstermin bei der
Beratungsstelle. Der Paritätische gibt hier zu bedenken, dass eine Erreichbarkeit rund um
die Uhr die Beratungsstellen an ihre personellen und zeitlichen Grenzen bringen kann. Wie
bereits erwähnt, spricht sich der Paritätische für eine bundesweite Hotline aus, die betroffene
Frauen an eine geeignete Beratungsstelle weitervermitteln kann.
Ferner wird angemerkt, dass die anonyme Beratung mittels Internet in das weitere
Gesetzgebungsverfahren einbezogen werden sollte. Die DJI-Studie hat bestätigt, dass viele
Frauen den Erstkontakt zu Beratungsstellen über das Internet gesucht haben.56
Darüber hinaus stellt der Paritätische die Frage, wie der niedrigschwellige Zugang zum
Beratungsangebot zur vertraulichen Geburt sichergestellt werden kann. Da die qualifizierte
Beratung nicht von jeder Schwangerenberatungsstelle durchgeführt werden kann, bedeutet
54
Vgl. § 61 Abs. 2 PStG: „(2) Ist ein Kind angenommen, so darf nur Behörden, den Annehmenden, deren Eltern, dem gesetzlichen
Vertreter des Kindes und dem über sechzehn Jahre alten Kind selbst Einsicht in den Geburtseintrag gestattet oder eine
Personenstandsurkunde aus dem Geburtenbuch erteilt werden.“
55
Vgl. Busch, „Nur ein gerettetes Kind und es hätte sich gelohnt!“, Sozialextra 05/2005, S. 31 ff. (34); Deutscher Ethikrat, „Das Problem
der anonymen Kindesabgabe“, 2009, S. 62.
56
Vgl. Coutinho/Krell, „Anonyme Geburt und Babyklappen in Deutschland – Fallzahlen, Angebote und Kontexte“, DJI 2011, S. 21.
8
die Weitervermittlung an eine Fachberatungsstelle für die schwangere Frau einen weiteren
Aufwand. Nicht zuletzt deshalb, weil sie ihren Wunsch nach einer vertraulichen Geburt ein
weiteres Mal äußern muss. Der Paritätische stellt hier die Frage nach der praktischen
Umsetzbarkeit und regt an, möglichst viele Beraterinnen zur vertraulichen Geburt
weiterzubilden. Zum einen um die Niedrigschwelligkeit gewährleisten zu können und zum
anderen um dem personellen und zeitlichen Einsatz neben der allgemeinen
Schwangerschaftsberatung gerecht werden zu können.
b. Einrichtungen der Geburtshilfe
Der Paritätische unterstützt es sehr, dass Fragen nach der Kostenerstattung der
vertraulichen Geburt nicht in der Sphäre der betroffenen Frau liegen. Die Angst, durch den
Krankenhausaufenthalt nicht anonym bleiben zu können, kann durch die Regelung der
direkten Kostenerstattung zwischen Krankenhaus und Bundesland genommen werden.
Die geplante Regelung, dass eine Beraterin die schwangere Frau vor und nach und evtl.
auch während der Geburt begleitet, wird als schwierig bewertet. Zum einen verfügen
Beratungsstellen nicht immer über ausreichend personelle Kapazitäten, um einen
langfristigen Einsatz abdecken zu können. Zum anderen sollte auch die gesundheitliche
Versorgung der Frau im Anschluss an eine Geburt sichergestellt werden. Aus Sicht des
Paritätischen wäre es sehr sinnvoll, auch eine medizinische Vor- und Nachsorge bei der
vertraulichen Geburt zu regeln. Wie bereits erwähnt, könnten hier Familienhebammen
unterstützend eingesetzt werden. Dies hätte den Vorteil, dass die Vor- und Nachsorge und
eine evtl. Begleitung während der Geburt von einer Person durchgeführt werden könnte. Das
würde nicht nur gesundheitliche Risiken für Mutter und Kind minimieren, sondern auch zu
mehr Vertrauen in das Angebot der vertraulichen Geburt führen.
Darüber hinaus regt der Paritätische an, dass schwangere Frauen auch die Möglichkeit
haben sollten, ihr Kind auf Wunsch in einem Geburtshaus oder an einem anderen
geschützten Ort mit Hilfe einer Hebamme zur Welt zu bringen. In diesem Fall wären die
Hebammen in die Regelungen zu den geburtshilflichen Einrichtungen mit aufzunehmen.
IV. Fazit
Der Referentenentwurf versucht der bisher geduldeten Praxis der anonymen Kindesabgaben
einen rechtlichen Rahmen zu geben. Die geplante Neuregelung der vertraulichen Geburt
schafft Sicherheit für die Mütter und führt die längst überfällige Dokumentationspflicht ein.
Der Paritätische befürwortet die gesetzliche Regelung, gibt aber zu bedenken, dass ein neu
eingeführtes Angebot sich erst etablieren muss. Aus diesem Grund ist es von großer
Wichtigkeit, die Zielgruppe über dieses Angebot zu informieren und die Zusammenarbeit mit
Anbietern von anderen anonymen Kindesabgaben zu suchen. Neben dem Bestreben,
Schwangere für die vertrauliche Geburt zu gewinnen und ihnen ihre Anonymität zu
garantieren, muss auch das Kindeswohl im Blick behalten werden. Zu einem gesunden und
unbeschwerten Aufwachsen gehört auch die Kenntnis der eigenen Abstammung. Deshalb
lehnt der Paritätische ein zeitlich unbegrenztes Widerspruchsrecht der Mutter ab.
9
Berlin, 27. November 2012
Ansprechpartnerin:
Franziska Pabst
Referentin für Familienhilfe/-politik und
Frauen
Paritätischer Wohlfahrtsverband
Gesamtverband e.V.
Tel.: 030/24636-465
Fax: 030/24636-140
www.paritaet.org
[email protected]
10