Spezialthema: Medizinische Forschung und Wertfragen

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Spezialthema: Medizinische Forschung und Wertfragen
Spezialthema: Medizinische Forschung und
Wertfragen
Lehrstuhl für Theoretische Philosophie, Universität Düsseldorf
Werte in den Wissenschaften
Düsseldorf, 3. Juli 2014
Darstellung der Beispiele
Bewertung der Beispiele
Inhalt
1
Darstellung der Beispiele
2
Bewertung der Beispiele
Ziele dieser Einheit:
Rekapitulation der Beispiele von James Robert Brown zu Problemen
privater medizinischer Forschung
Einordnung der Probleme gemäß der Explikation der
Wertneutralitätsforderung
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Ausgangsproblem
Gemäß einer Studie von Richard Davidson gilt ([cf. Bro13, pp.339f]):
Wenn ein Test zur Wirksamkeit eines Medikamentes von einem betreffenden
Pharmaunternehmen finanziert wird, dann schneidet das Medikament des
Geldgebers bemerkenswerterweise ohne Ausnahme besser ab als bei Tests,
welche nicht von Pharmaunternehmen finanziert wurden.
“In Anbetracht dieser Fälle versteht es sich, dass wir besorgt
darüber sein sollten, wer Forschung finanziert.” ([Bro13, p.340])
Im Folgenden werden wir eine Reihe “besorgniserregender Fälle” nach
Brown darstellen:
Nicht-Veröffentlichung von Studien
Vermittlungsprovisionen
Patentierbarkeit
Nützlichkeit kommerzieller Forschung
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Chpt.2&5: Nicht-Veröffentlichung von Studien: Problem
Fall zu selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, bekannt als SSRI
(“bildeten den zentralen Bestandteil der neuen Generation von
Antidepressiva”) ([Bro13, p.343]):
Fluoxetin (Prozac): veröffentlichte Studien: Positives
Nutzen-Risiko-Profil; Hinzunahme unveröffentlichter Studien: immer
noch positiv
Parotexin (Seroxat) und Sertralin (Zoloft): veröffentlichte Studien:
Schwaches Nutzen-Risiko-Profil; Hinzunahme unveröffentlichter
Studien: negativ
[Aufgabe: Was beinhaltet ein Nutzen-Risiko-Profil?]
Weiters ([cf. Bro13, chpt.5]):
“So könnte es sein, dass SSRI-Medikamente den Zustand depressiver Personen tatsächlich bis
hin zum Selbstmord verbessern. [. . . ] Anscheinend befinden sich äußerst depressive Personen
manchmal in einem Zustand, in dem sie auf nichts reagieren und lethargisch sind. Die
SSRI-Medikamente verbessern dann diesen Zustand bis hin zu dem Punkt, an dem sie die
Energie und Fähigkeit zum Selbstmord erlangen. [. . . ] Der entscheidende Punkt ist vielmehr,
dass es gar nicht im Interesse von Eli Lilly oder anderen pharmazeutischen Unternehmen ist,
zu ‘wissen’, dass Prozac oder andere SSRI-Medikamente Selbstmord verursachen, denn dies
würde ihre potenzielle Haftung vergrößern.” ([cf. Bro13, pp.353f])
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Chpt.2&5: Nicht-Veröffentlichung von Studien: Lösung
Zur Lösung dieses Problems haben sich “biomedizinische Zeitschriften [. . . ]
auf eine gemeinschaftliche redaktionelle Linie verständigt.” ([cf. Bro13,
p.341])
Hauptforderungen, um “selektive Berichterstattung und die Unterdrückung
negativer Ergebnisse zu verhindern”:
“Autoren müssen alle ihre finanziellen Beziehungen offenlegen.”
“Forscher sollten keine Vereinbarungen treffen, die in irgendeiner
Weise ihren Zugriff auf die vollständigen Daten einschränken.”
“Gutachter von Zeitschriften [sollen] Interessenskonflikte im Rahmen
des Begutachtungsverfahrens vermeiden.”
“Zeitschriftenherausgeber [. . . ] verlangen nun, dass jede klinische
Studie von vornherein registriert, also in einer anerkannten Form
öffentlich gemacht und ausführlich beschrieben wird.”
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Chpt.2&5: Nicht-Veröffentlichung von Studien: Lösung
Beispiel: Auszug aus den Hinweisen zur Vorab-Registrierung einer Studie
gemäß des ICMJE (International Committee of Medical Journal Editors;
<http://www.icmje.org/recommendations/browse/publishing- and- editorial- issues/
, 2014–06–01):
clinical- trial- registration.html>
“Briefly, the ICMJE requires, and recommends that all medical journal editors require,
registration of clinical trials in a public trials registry at or before the time of first patient
enrollment as a condition of consideration for publication. Editors requesting inclusion of their
journal on the ICMJE website list of publications that follow ICMJE guidance should recognize
that the listing implies enforcement by the journal of ICMJE’s trial registration policy.
[. . . ]
The purpose of clinical trial registration is to prevent selective publication and selective
reporting of research outcomes, to prevent unnecessary duplication of research effort, to help
patients and the public know what trials are planned or ongoing into which they might want to
enroll, and to help give ethics review boards considering approval of new studies a view of
similar work and data relevant to the research they are considering.”
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Chpt.2&5: Nicht-Veröffentlichung von Studien: Problem
Jedoch ist diese Entwicklung manchmal auch Rückläufig, wie z.B. die
Abschwächung dieser Forderung durch das The New England Journal of
Medicine zeigt:
“Autoren solcher Aufsätze haben keine maßgeblichen finanziellen
Interessen an einem Unternehmen (oder seinem Konkurrenten),
das das in dem Aufsatz besprochene Produkt herstellt.” ([Bro13,
p.344])
Oder z.B. auch die Verwertungspolitik der Yale University ([cf. Bro13,
p.345]):
Die Universität Yale hatte einst proklamiert, dass es dem öffentlichen
Interesse entgegen stehe, Entdeckungen oder Erfindungen zu patentieren.
Heute hält Yale eine große Zahl von Patenten.
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Chpt.3: Vermittlungsprovisionen: Problem
Es gibt einige Fälle, bei denen Ärzte bei der Akquirierung von Patienten für
Studien der Vermittlungsprovision wegen (z.B. 1000 Pfund) Daten gefälscht
haben indem Sie ein anderes Patientenprofil, als tatsächlich vorgelegen ist,
angegeben haben ([cf. Bro13, p.347]). Mit der Konsequenz:
Nicht-repräsentative Studienergebnisse
Fehlbehandlung von Patienten
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Chpt.3: Vermittlungsprovisionen: Lösung
“Viele dieser Mängel können zumindest im Prinzip durch
Regulierungen beherrscht werden. Regeln des Interessenkonfliktes
sollten geeignet sein, Missbrauch der [. . . ] genannten Art zu
vermeiden. [. . . Man sollte auch darauf achten] , dass
Vermittlungsprovisionen in so genannten Verwaltungskosten
versteckt werden können und somit den sonst offenkundigen
Konflikt verschleiern.” ([cf. Bro13, p.348])
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Chpt.4: Patentierbarkeit I: Problem
Durch Patente kommt es nach Brown zu sogenannter “Deformation von
Forschung” ([cf. Bro13, p.349]):
1 “Verständlicherweise möchten Unternehmen einen Gewinn aus ihren
Investitionen erzielen.”
2 “Der Lohn für die Forschung stammt aus den Lizenzgebühren[.]”
3 “Unternehmen werden folglich dazu neigen, nur solche Projekte zu
finanzieren, die im Grundsatz zu einem Patent führen. Andere Arten
von Informationen sind in finanzieller Hinsicht ohne Nutzen.”
4 “Einem Gesundheitsproblem kann man sich auf zwei Weisen nähern.
Eine beinhaltet die Entwicklung eines neuen Medikaments; die andere
legt ihr Augenmerk etwa auf Ernährung, Bewegung und
Umweltfaktoren.”
5 “Dieser zweite Ansatz könnte eine weit überlegene Behandlung
ermöglichen[.]”
6 “Doch wird er offensichtlich nicht durch Unternehmen finanziert, da
man aus nicht patentierbaren Forschungsergebnissen keinen Cent
herausholen kann.”
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Chpt.4: Patentierbarkeit I: Problem
Konkreter Fall: Diabetesrisiko ([cf. Bro13, p.350]):
29% der Placebo-Gruppe entwickelte Diabetes
22% der Medikament Metformin-Gruppe entwickelte Diabetes
14% der Ernährungsumstellung- und Sport-Gruppe entwickelte
Diabetes
Konkreter Fall: 10/90-gap ([cf. Bro13, p.351]):
“Selbst in der patentierbaren Forschung werden einige Bereiche
weniger erträglich sein als andere. Infolgedessen bleiben
Armutserkrankungen und Krankheiten der Entwicklungsländer
(zum Beispiel Malaria) relativ unerforscht, da die Armen es sich
nicht leisten können, hohe Lizenzgebühren zu bezahlen.”
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Chpt.4: Patentierbarkeit I: Lösung
“Eine öffentliche Finanzierung ist eindeutig die Antwort auf
etliche Aspekte dieses wissenschaftstheoretischen Problems. [. . . ]
Wir laufen zudem Gefahr, erstklassige Forscher zu verlieren, die
keine patentierbare Forschung durchführen. [. . . ] Es ist die
Aufgabe der Wissenschaftstheorie, die methodologische Einsicht
hervorzuheben, dass wir ohne gut ausgestattete alternative
Forschungsansätze niemals wissen werden, wie gut oder schlecht
bestimmte patentierbare Lösungen wirklich sind. Es ist ein
wissenschaftstheoretischer Gemeinplatz, dass Bewertung ein
vergleichender Prozess ist.” ([cf. Bro13, p.351])
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Chpt.6: Patentierbarkeit II: Problem
Ein weiteres Problem mit Patenten – der Fall Eli Lilly ([cf. Bro13, p.365]):
Der Patentinhaber Eli Lilly bringt ein neues Medikament, Sarafem, auf den Markt, das den gleichen
Wirkstoff wie Prozac enthält.
“Worin aber besteht dann der Unterschied zwischen der Einnahme von Prozac und von Sarafem? In
beiden Fällen handelt es sich um eine Dosis von 20mg Fluoxetin-Hydrochlorid [. . . ]?”
“Der Unterschied besteht laut [Eli Lilly] darin, ‘dass PMDS [(Prämenstruelle Dysphorische Störung)]
ein spezifischer klinischer Zustand ist, der von der Depression verschieden ist. PMDS ist keine
Depression. PMDS ist zyklisch – Frauen leiden bis zu zwei Wochen vor ihrer Menses unter PMDS,
und während der anderen zwei Wochen des Monats haben sie keine PMDS-Symptome.”
“Eli Lilly war kurz davor, einen Großteil seines Patentschutzes für Prozac zu verlieren. Es fällt schwer,
keine Vermutungen über die Verbindung dieses Umstands mit der Propagierung von PMDS als
Krankheit und der Werbung für Sarafem anzustellen. Patentrechte schützen eine Entdeckung, wenn es
sich um eine deutlich neue Verwendung eines bereits bestehenden Produkts handelt. Für den
Patentschutz ist es dann entscheidend, dass Eli Lilly eine neue Verwendung für
Fluoxetin-Hydrochlorid findet. Wenn PMDS eine Depression ist, dann haben sie Pech gehabt.”
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Chpt.6: Patentierbarkeit II: Lösung
Zu diesem Vorgehen von Eli Lilly gibt es drei Ansichten ([cf. Bro13,
p.357]):
“Die Krankheit PMDS hat es schon immer gegeben. Eli Lilly bringt
bloß eine Tatsache ans Licht, die ihre Forschungen aufgedeckt haben,
und wirbt für Sarafem als eine Behandlungsmethode.”
“Die Krankheit gibt es nicht. Eli Lilly versucht uns glauben zu machen,
dass es sie dennoch gibt, da dies den Verkauf von Sarafem steigert.”
“Die Krankheit gab es in der Vergangenheit nicht, aber die
Werbeaktivitäten von Eli Lilly werden diese Krankheit (vielleicht wie
andere vorübergehende psychische Krankheiten) neu schaffen, und das
wird den Verkauf von Sarafem begünstigen.”
“Im ersten Fall sollten wir Eli Lilly dankbar dafür sein, dass sie
uns ein Problem vor Augen geführt und ein Heilmittel zur
Verfügung gestellt habt. Wenn aber die zweite oder dritte
Möglichkeit zutrifft, dann sind die Gefahren der privaten
Finanzierung der marktorientierten medizinischen Forschung
offenkundig.”
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Chpt.1: Patentierbarkeit III: Problem
1980: US-Kongress verabschiedet das Bayh-Dole Gesetz.
Birch Bayh
Bob Dole
Auswirkung: “Vor dem Bayh-Dole Gesetz gab es nur einige hundert Patente
pro Jahr, die aus der Universitätsforschung in den USA stammten. Nun
beläuft sich die jährliche Anzahl auf mehrere tausend” ([Bro13, p.340]).
(Aufgabe: Relativbetrachtung: Kommt es auch zu einer Steigerung relativ zu
der Gesamtzahl an Patenten?)
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Chpt.1: Patentierbarkeit III: Problem
Zweck des Gesetzes:
“In den Vereinigten Staaten hat das ‘Bayh-Dole-Gesetz’ den
Einrichtungen, an denen Forschungsarbeiten mit Hilfe von
Bundesmitteln durchgeführt werden, vor allem den Universitäten,
das Recht auf die Verwertung ihrer Ergebnisse eingeräumt, um so
die Nutzung der Ergebnisse der akademischen Forschung zu
fördern.” ([Gem03, p.18])
Zweck des Gesetzes nach Bayh: Brief des Senators (et al.) Bayh an die
Staatssekretärin für “Gesundheit und Dienst am Menschen” Donna E.
Shalala:
“Under the Bayh-Dole Act, 35 U.S.C. par. 200 et seq., the
Secretary of Health and Human Services has the authority to issue
licenses under privately owned patents to inventions developed as
a result of government-financed research. We are writing to
request your action pursuant to that Act to ensure that an
important new medical product will be available for use in this
country.” ([CB97, p.1])
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Chpt.7: Nützlichkeit Kommerzieller Forschung: Problem
“Im Zeitraum von 1998–2002 ließ die [Bundesbehörde zur
Lebensmittelüberwachung und Arzneimittelzulassung (FDA)] 415 neue
Arzneimittel zu und stufte sie wie folgt ein” ([cf. Bro13, pp.358f]):
14% waren Neuerungen;
9% waren tatsächlich bedeutend verbesserte Neuerungen;
77% waren sogenannte “Me-Too-Medikamente”, d.h. Nachbildungen bereits existierender
Arzneimittel die nicht besser als die bereits vorhandenen sind;
“Nach dem US-Gesetz muss die FDA die Zulassung erteilen, wenn
ein neues Arzneimittel ‘wirksam’ ist, was aber bedeutet, dass es
eine bessere Wirkung als ein Blindpräparat (Placebo) im Rahmen
einer klinischen Studie haben muss. Ist das Medikament
zugelassen, übernimmt das Marketing das Steuer.” ([cf. Bro13,
p.359])
Auswirkung:
“Ein altes Diuretikum (‘Wassertablette’) erwies sich als das beste Medikament; es wirkte
genauso gut wie oder sogar besser als andere, hatte erheblich weniger Nebenwirkungen und
kostete ungefähr 37 US-Dollar pro Jahr im Gegensatz zu mehreren hundert US-Dollar jährlich
bei den anderen [durch Werbung marktanteilig durchgesetzten Medikamenten.]” ([cf. Bro13,
p.359])
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Chpt.7: Nützlichkeit Kommerzieller Forschung: Lösung
“Es überrascht nicht, dass die Forderung erhoben wird, neue
Arzneimittel in klinischen Studien mit der besten vorhandenen
Alternative und nicht nur mit Placebos zu vergleichen.” ([Bro13,
p.359])
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Browns Schlussfolgerungen
Nach Brown gibt es drei mögliche Alternativen hinsichtlich medizinischer
Forschung und Vermarktung:
1 Freier Markt (z.B. gegenwärtige Lage in den USA)
2 Teilweise regulierter Markt – mit folgender zusätzlicher Regulierung
(cf. pp.363f):
1
2
3
4
5
3
Offenlegung aller finanziellen Interessen
Vorab-Registrierung aller klinischen Studien
Medikamentenvergleich mit führenden Alternativen sowie mit Placebos
Verbot von Vermittlungsprovisionen und unternehmensfinanzierter
‘Weiterbildung’ von Ärzten
Werbeverbot für Arzneimittel
Vollständig regulierter Markt – durch verstaatlichte Forschung (cf.
p.366):
1
2
Abschaffung von Patenten in der medizinischen Forschung
Finanzielle Aufwertung öffentlicher medizinischer Forschung
Brown optiert für eine verstaatlichte Forschung, da (cf. p.366):
der freie Markt die vorhergehend genannten Probleme verursacht
der teilweise regulierte Markt zu wenig Anreiz für Alternativen schafft
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Browns Schlussfolgerungen
Dem Einwand, dass verstaatlichte Forschung ineffizient sei, begegnet er
durch ein Argument gegen die Effizienz privater Forschung:
“Pharmaunternehmen behaupten, dass es durchschnittlich mehr als 800 Millionen US-Dollar
kostet, ein neues Medikament auf den Markt zu bringen. [. . . ] Eine realistische Schätzung
beläuft sich eher auf ungefähr 100 Millionen US-Dollar, da Marketingkosten (welche
eingerechnet werden) nicht Teil der wirklichen Forschung sind. Außerdem werden viele
Forschungsprojekte an ‘Me-Too’-Medikamenten durchgeführt, die der Öffentlichkeit nur
geringen oder gar keinen Nutzen bringen.” ([cf. Bro13, p.367])
Öffentliche Forschung wäre demnach ca. achtmal effizienter als private
Forschung.
Ein weiteres Argument für verstaatlichte medizinische Forschung:
“Das Gesundheitswesen kostet in den Vereinigten Staaten [mit privatem medizinischen
Bereich] 15% des BSP und deckt gleichwohl grob ein Viertel der Bevölkerung nicht ab. In
Kanada [mit öffentlichem medizinischen Bereich] belaufen sich die Kosten auf weniger als
10% des BSP, und doch ist die gesamte Bevölkerung abgedeckt. So viel zur sozialistischen
Ineffizienz.” ([cf. Bro13, pp.368f])
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Browns Absicht
Nach Brown sind seine Bedenken nicht ethisch, sonder methodologisch
motiviert:
“Um es noch einmal zu sagen, [. . . ] die Politik, die ich fordere, ist
vielmehr wissenschaftstheoretisch motiviert.” ([Bro13, p.372])
“Es sind Tatsachen aufgedeckt worden, die eine methodologische
Antwort verlangen und nicht eine moralische.” ([Bro13, p.373])
Jedoch: Welche Beispiele von Brown betreffen nun tatsächlich
methodologische und nicht nur ethische Probleme?
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Browns Argumente im Lichte der Wertneutralität
Die methodologische Wertneutralitätsforderung betrifft hauptsächlich den
Bereich des Begründungszusammenhangs von Theorien. Forderung: Keine
kategorischen wissenschaftsexterne Werturteile in diesem Bereich ([cf.
Sch13]).
Begründet wird diese Forderung vor allem durch das wissenschaftsinterne
Hauptziel: Informative Wahrheiten aufzudecken (im Gegensatz zu z.B.
nützliche Wahrheiten aufzudecken etc.).
Betroffen von der Wertneutralitätsforderung sind deshalb nicht Probleme
durch “falsche Wertsetzungen” (z.B. vs. Nützlichkeit) im Entdeckungs- und
Begründungszusammenhang von Theorien.
Im Lichte dieser Überlegung kann Browns – an Beispielen orientierte –
Argumentation folgenderweise kategorisiert werden . . .
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Browns Argumente im Lichte der Wertneutralität
Browns Beispiele im Lichte der Wertneutralitätsforderung:
⇒
Nicht-Veröffentlichung von Studien
⇒
Vermittlungsprovisionen
vs. Wahrheitsziel
vs. Wahrheitsziel
Patentierbarkeit
⇒
vs. Nützlichkeit
aber auch vs. Entwicklung von Alternativen; damit vs. Wahrheitsziel
Nützlichkeit kommerzieller Forschung
⇒
vs. Nützlichkeit
Zusammengefasst ergeben sich folgende methodologische Probleme bei den
von Brown angeführten Fällen:
Datenunterschlagung
Datenfälschung
Keine Ausbildung von Alternativen
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Literatur I
[Bro13]
James Robert Brown. “Die Wissenschaftsgemeinschaft – The Community of Science (R)”. In: Werte in den Wissenschaften. Neue
Ansätze zum Werturteilsstreit. Hrsg. von Gerhard Schurz und Martin Carrier. Berlin: Suhrkamp, 2013, pp. 337–373. ISBN:
978-3-518-29662-2.
[CB97]
Lloyd N. Cutler und Birch Bayh. Public letter of Lloyd N. Cutler and Birch Bayh to Donna E. Shalala, Secretary, Department of
Health and Human Services, Washington. Techn. Ber. 1997–03–03. 1997. URL:
http://www.nih.gov/icd/od/foia/cellpro/pdfs/foia_cellpro1.pdf.
[Gem03]
Kommission der Europäischen Gemeinschaften. Mitteilung der Kommission: Die Rolle der Universitäten im Europa des Wissens.
Techn. Ber. 2003–02–05; KOM(2003) 58 endgültig. Brüssel, 2003. URL:
http://eur- lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2003:0058:FIN:DE:PDF.
[Sch13]
Gerhard Schurz. “Wertneutralität und hypothetische Werturteile in den Wissenschaften”. In: Werte in den Wissenschaften. Neue
Ansätze zum Werturteilsstreit. Hrsg. von Gerhard Schurz und Martin Carrier. Berlin: Suhrkamp, 2013, pp. 305–335. ISBN:
978-3-518-29662-2.
[SC13]
Gerhard Schurz und Martin Carrier, Hrsg. Werte in den Wissenschaften. Neue Ansätze zum Werturteilsstreit. Berlin: Suhrkamp,
2013. ISBN: 978-3-518-29662-2.
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