Elvis-Interpret Janicello: «Ich rief am Scientology

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Elvis-Interpret Janicello: «Ich rief am Scientology
08/09 August/September 2011
Elvis-Interpret Janicello: «Ich rief am Scientology-Hauptsitz in L. A. an, um mir Priscilla vom Leibe zu halten. Vergeblich.»
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Mark Janicello Allein gegen alle marketing & management
Mark Janicello
Allein gegen alle
Der lange Jahre in der Schweiz lebende Opernsänger Mark Janicello gilt offiziell als weltbester Elvis-Interpret.
Doch seine Karriere bekam einen Knick: Als Scientology-Mitglied wurde er von den deutschen Behörden und Medien
drangsaliert, von seiner Kirche aber im Stich gelassen. Jetzt hat er ein Buch darüber geschrieben.
Interview: Matthias Ackeret Bilder: Mark Janicello
Herr Janicello, Sie gelten als weltbester Dann sind Sie die Reinkarnation von Elvis-Interpret. Wie kommt man zu dieser
Elvis Presley …
Auszeichnung?
Überhaupt nicht. Ich verstehe mich auch nicht
als Elvis-Imitator, sondern wie ein Elvis-Interpret. Ich bin auch überhaupt kein Elvis-Fan.
Ich habe mich nie wie Elvis angezogen oder
bewegt, doch die Leute drehen durch, wenn
ich seine Lieder singe. Warum, weiss ich nicht.
Für Ben Weisman war ich der beste ElvisInterpret überhaupt, obwohl ich eigentlich
ausgebildeter Opernsänger bin. Unter anderem habe ich zusammen mit Liza Minnelli gesungen oder habe ein Duett mit Frank Sinatra
aufgenommen. Wegen meiner ScientologyZugehörigkeit habe ich mir aber selbst die
ganz grosse Karriere verbaut.
Diese Bezeichnung stammt vom kürzlich
verstorbenen Musiker Ben Weisman, welcher mit 57 Titeln der erfolgreichste Liederschreiber von Elvis Presley war. Als er
mich zum ersten Mal hörte, war er von meinem Gesang so angetan, dass er mich bat,
den Titel «Will you still be there» zu singen.
Dies war das letzte Lied, welches Elvis bearbeitete. Es handelte von seiner Scheidung
«Für viele Scientologen bin ich ein
‹Verräter›, obwohl sie mir heimlich
recht geben.»
von Priscilla. Leider ist Elvis während der
Aufnahmen gestorben. Während zwanzig
Jahren lag der halb bespielte Tonträger in
einem Tresor, Ben Weisman hat ihn hervorgeholt, als er mich hörte, und zu mir gesagt:
«Du musst es singen.» Das habe ich getan.
Zusammen mit diesem Lied habe ich eine
eigene Elvis-Show mit dem Titel «Elvis:
The Hollywood Years» konzipiert, welche
ihre Premiere im Zürcher Kongresshaus
hatte. Aufgrund des Erfolges bekam ich zuerst einen Plattenvertrag, «Will you still be
there» aufzunehmen, und kurz danach, die
Hauptrolle in einem Elvis-Musical, welches
im ganzen deutschsprachigen Raum aufgeführt wurde.
Das ist tragisch ...
Ja, vielleicht. Mittlerweile habe ich mich aber
von Scientology gelöst und ein Buch darüber geschrieben. Für viele Scientologen bin
ich deswegen ein «Verräter», obwohl sie mir
heimlich recht geben. Den Stempel «Scientologe» werde ich aber nie verlieren.
Überraschung hatte ich anschliessend keine
Kopfschmerzen mehr. Das machte Eindruck.
Heute weiss ich aber, dass ich meine Probleme hätte selber lösen müssen und nicht
an die Scientologen delegieren. Doch diese
gaben vor, auf jede Frage eine Antwort zu
wissen. In meiner Verzweiflung und meinem
Unglück war dies äusserst angenehm.
Warum gelten die Scientologen im deutschsprachigen Raum als gefährlich?
Die Scientologen vermarkten sich genial.
Wenn man aber bedenkt, eher es sich weltweit
lediglich um weniger als 50 000 Mitglieder
handelt, so ist es doch eine kleine Gruppierung. Im deutschsprachigen Raum bekennen
sich nur einige wenige Tausende Menschen zu
den Scientologen. Das ist wirklich lächerlich
und widerspricht den Vorstellungen, die von
den Medien und dem Verfassungsschutz der
Bevölkerung vorgegaukelt werden. Ich war
aber viel zu naiv und glaubte, mich für die Religionsfreiheit wehren zu müssen.
Aber trotzdem: Warum gelten gerade ausge-
Sind Sie wegen Elvis in die Fänge der rechnet die Scientologen als so gefährlich?
Scientologen geraten?
In Deutschland wird Scientology als Sekte
betrachtet. Da Deutschland in Europa meinungsführend ist, wird diese Meinung auch
von andern Ländern geteilt. Da sich Scientology gegen den Gebrauch von Psychopharmaka stellt, erklärt man den grossen Pharmafirmen, die sich in Deutschland befinden,
einen Krieg, der nicht zu gewinnen ist. Deren
Lobbyisten finden in der Regierung ein offenes Ohr, um eine Hexenjagd zu eröffnen.
Nein, ich bin den Scientologen bereits 1993 in
New York, also lange bevor ich nach Europa
kam, beigetreten. Der Grund war banal: Ich
hatte grosse psychische Probleme, die sich in
ständiger Migräne ausdrückten. Ein Freund
drückte mir daraufhin ein Dianetikbuch in
die Hand. Obwohl ich sehr skeptisch war,
liess ich mich überzeugen und besuchte eine
Sitzung bei den Scientologen. Zu meiner
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Warum sind so viele Stars bei den Scientologen?
Disziplin ist für die Scientologen sehr wichtig. Man nimmt keine Drogen, nicht einmal
Aspirin oder andere Schmerzmittel, ausser
es wird einem von einem Arzt verschrieben.
Ich glaube, dass viele Menschen der Unterhaltungsbranche mehr Inhalt als nur «Unterhaltung» in ihrem Leben haben möchten,
Scientology bietet dazu den Zugang. Ich
singe, seit ich vier Jahre alt bin, und habe in
kürzester Zeit sehr viel erreicht. So bin ich
an vielen Opernhäusern der Welt aufgetreten. Plötzlich hat man Allmachtsfantasien
und bekommt das Gefühl, man müsse auch
noch die Welt retten. Künstler haben grössere Träume als andere Menschen. Scientlogy
weiss, wie man auf deren Klaviatur spielt und
auch diese Bedürfnisse befriedigt.
schuldet. Wenn dies – wie bei mir – nicht der
Fall war, hat man keine Probleme. Als Künstler war ich aber keineswegs verpflichtet, einen Teil meiner Gage abzugeben. Dies im
Gegensatz zur katholischen Kirche, wo man
Kirchensteuer bezahlt.
Man bezahlt den Scientologen nur, was
man auch nutzt. Selbstverständlich gibt es
sogenannte «Berater», die einem mehr aufschwatzen, als man schlussendlich benötigt.
Ich habe erst kürzlich einen langjährigen
Kollegen getroffen, der die höchste Ausbildungstufe in Scientology schon erreicht hat,
sehr viel Geld bei den Scientologen verloren hatte und dessen Ehe nach fast zwanzig
Jahren in Brüche ging. Er hatte soeben zwei
äusserst schwierige Operationen und ist todkrank. Eigentlich müsste er sterben, doch er
fühle sich – sagte er mir – völlig fit. Dank den
Scientologen. Das ist doch verrückt.
Mark Janicello: Karrieknick wegen Scientology-Zugehörigkeit.
Tom Cruise, John Travolta, Kristin Alley oder
Juliette Lewis bekennen sich zu den Scientolo-
Sie waren Aushängeschild in Deutschland.
gen. Hatten Sie Kontakt mit denen?
Welchen Auftrag haben Ihnen die Scientolo-
Mit Kristin Alley und anderen bin ich in Los
Angeles in einem Weihnachtsmärchen aufgetreten. Mit den ganz grossen Stars hatte
ich aber keinen Kontakt. Als für mich die
Situation in Deutschland unerträglich wurde
und mich der Verfassungsschutz dauernd behelligte, baten wir John Travolta und einige
andere Hollywood-Stars um Hilfe. Vergeblich. Höchstwahrscheinlich war es für ihn
viel zu riskant, sich in Deutschland für mich
einzusetzen. Man darf nicht vergessen, für
diese Stars geht es immer auch um sehr viel
Geld. Denken Sie nur an die Probleme, die
Tom Cruise hatte, als er Oberst Stauffenberg
spielte. Sollten sich diese Stars einmal wie
ich von den Scientologen abwenden, wird es
für die Kirche sehr schwierig.
gen gegeben?
Aber hatten Sie Kontakt mit Scientology-Chef
David Miscavige?
Nein, er ist auch ein bisschen ein Mysterium.
Ich war ein paar Mal in L. A., habe ihn aber
nie gesehen. Ich kenne aber einige Menschen,
die direkt unter ihm arbeiten.
Ich hatte überhaupt keinen Auftrag, ich
musste auch bei niemandem rapportieren
oder Befehle entgegennehmen. Aber ich bin
Amerikaner. In unserer Gesellschaft gibt es
viele Probleme und Ungerechtigkeiten, die
Religionsfreiheit wird aber bei uns sehr hochgehalten. Deswegen war ich entsetzt, als ich
sah, dass viele Scientologen in Deutschland
aus den politischen Parteien gejagt oder deren Kinder von den Schulen verstossen wurden, nur weil sie sich zu L. Ron Hubbards
Lehre bekannten. Das hat mich wütend gemacht. Als blöder Amerikaner glaubte ich
mit meiner John-Wayne-Mentalität dagegen
ankämpfen zu müssen. Es war schlussendlich
meine Idee, in diesen absurden Kampf einzusteigen, den Scientologen kann ich dafür
nicht einmal Schuld geben. Innerhalb der EU
ist die Religionsfreiheit bekanntlich garantiert. Das war das Einzige, was ich öffentlich
gesagt habe. Dass ich deswegen mit dem Verfassungsschutz solche Probleme bekommen
würde, war wirklich nicht vorauszusehen.
Vielleicht war ich auch ein bisschen naiv.
Wie viel Geld mussten Sie den Scientologen
zahlen?
Wie hatte sich dies geäussert?
90 Prozent aller Geschichten über Scientology sind Schwachsinn. Ich habe die Scientologen lediglich für die Kurse bezahlt, die
ich auch besuchte. Die Situation wird nur
ungemütlich, wenn man Scientology Geld
Ich stand auf einer inoffiziellen schwarzen
Liste, was aber niemand zugeben würde.
Menschen mit «Scientology kills»-T-Shirts
kamen in meine Vorstellungen, fotografierten oder störten diese oder zwangen mich
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zum Abbruch. Ich bekam Morddrohungen,
meine Post wurde geöffnet. Man belegte
mich mit einem faktischen Berufsverbot. Ich
nahm ein Duett mit einem deutschen Schlagerstar auf. Ein grosser deutscher Fernsehstar
wurde dann bedroht – wegen mir: Liesse er
mich auftreten in seiner Musiksendung, würde er als «Scientology-Förderer» geoutet. Er
nahm sofort Kontakt auf mit beiden Schlagerstars und meiner Plattenfirma. Innerhalb
24 Stunden wurde das Single von der Plattenfirma zurückgezogen und die geplanten­
14 Fernsehauftritte sowie eine bereits vorbereitete Tournee und Solo-Album abgesagt. Ich
war faktisch tot. Innerhalb weniger Minuten
verlor ich auf diese Weise 250 000 Deutsche
Mark. Am schlimmsten waren aber die Hetzkampagnen in der Presse, in denen ich mit
völlig konstruierten Vorwürfen behelligt wurde, die jeglicher Wahrheit entbehrten. Da ich
keinen Job mehr bekam, war ich gezwungen,
nach Alternativen zu suchen. Ich schrieb ein
Musical über den amerikanischen Sänger Mario Lanza, welcher mit 38 Jahren in Italien an
einem Herzinfarkt verstarb. Als dies bekannt
wurde, schrieb die Presse «Scientologen finanzieren Janicello-Musical», was überhaupt
nicht stimmte. Ich habe von den Scientologen
niemals einen einzigen Rappen gekriegt.
Wirklich?
Ja, das ist ja das Paradoxe. Ich habe von den
Scientologen nie Geld gekriegt. Noch besser,
Mark Janicello Allein gegen alle marketing & management
als ich sie um Hilfe bat, liessen sie mich im
Stich. Aus der Zentrale in Los Angeles hörte
ich nur, dass die ganze Angelegenheit nichts
mit Scientology zu tun habe. Wie kann man
so etwas sagen? Ich setzte meinen ganzen
Ruf und meine ganze Karriere für ihre Anliegen aufs Spiel, und sie liessen mich buchstäblich verhungern, obwohl ich weltweit ihr
erfolgreichster Foundraiser war. Ich habe für
sie x-Tausende Dollars gesammelt. In jenem
Moment, wo ich wegen Morddrohungen nur
noch mit Polizeischutz auftreten konnte, bekam ich von der Hauptzentrale weder moralische noch finanzielle Unterstützung. Ich
befand mich zwischen zwei Fronten. Auf der
einen Seite der Verfassungsschutz und die
Medien, die mich als Scientologen diskreditierten. Auf der andern Seite die Scientologen, die nichts mehr von mir wissen wollten.
Das war der Moment, in dem ich beschloss,
aus der Kirche auszutreten.
Priscilla Presley, die Ehefrau von Elvis Presley,
ist ein sehr bekanntes Scientology-Mitglied.
Die hatte sicher Verständnis für Ihre Anliegen.
(Lacht.) Im Gegenteil. Dass einem die Scientologen keine Unterstützung gewähren, ist
vielleicht noch nachvollziehbar. Dass einem
aber einzelne Scientologen das Messer in
den Rücken stossen, ist völlig unbegreiflich.
Ich hatte mit meinem Musical «Elvis» sehr
grossen Erfolg. Aus diesem Grund schickte
ich ihr und ihrer Tochter Liza-Maria, welche
auch Scientologin ist, das Drehbuch, in der
Hoffnung auf ein paar wohlwollende Worte.
Stattdessen klagte mich Priscilla auf Urheberrechtsverletzung ein. Doch in Europa ist die
Urheberrechtssituation eine völlig andere. Ich
rief in Los Angeles an, mit der Bitte, mir Priscilla vom Leibe zu halten. Ein vergebliches
Unterfangen. Stattdessen hatte ich am Telefon ein paar wüste Wortgefechte mit Elvis’
Ex-Frau, die glaubte, ihr Erbe verteidigen zu
müssen. Es war unglaublich, Scientologen in
Amerika bedrohten ihren Glaubenskollegen,
den «Religionsfreiheitskämpfer» und Scientology-Fundraiser, der sich in grösster Not
befand, mit Klagen. Spätestens da musste ich
einsehen, dass es sich bei den Scientologen um
eine äusserst egoistische Bewegung handelt,
bei der jeder zuerst auf sich selber schaut. Für
mich der richtige Moment, um zu gehen. Nein,
ich war wirklich kein Held, ich war vielmehr
ein Idiot.
Wieso haben Sie Deutschland in dieser
schwierigen Zeit nie verlassen?
Weil meine geschiedene Frau mit unseren
beiden Kindern hier lebt. Zu denen wollte
ich den Kontakt nicht verlieren.
Zum Buch
Das Buch «Nackt im Rampenlicht» erzählt die Geschichte von Mark Janicello, einem amerikanischen
Per former und ehemaligen Aushängeschild der umstrittenen Scientology-Organisation in Europa. Janicello kennt die internen Vorgänge bei Scientology
wie kaum ein anderer. Aufgrund seines öffentlichen
Einsatzes für Religionsfreiheit in Europa befand er
sich auf einmal im Kreuzfeuer einer internationalen
Hasskampagne. Erschienen im Ibera-Verlag, Wien.
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1/2 Inserat Romandie Combi
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