ila fidel nadal

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ila fidel nadal
Vom Punk zum
Rastafari
Kleine Geschichte des argentinischen Reggae
am Beispiel von Fidel Nadal
gende Stück ist für alle
Hippies, Ex-Hipppies oder
zukünftige Hippies – El
Reggae de Paz y Amor!“
„Frieden und Liebe“ waren in
den wilden Postdiktaturjahren
bestimmt nicht vorherrschend.
Waren Sumo noch deutlich
subkulturell und punkig, auf
jeden Fall aber ironisch, schlugen
gegen Ende der 80er-Jahre die
Péricos einen anderen Pfad ein und
machten den Stil mit ihrem PopSpaßreggae und Hits wie „El Ritual de
la Banana“ massenkompatibel. Zu der
Zeit begannen auch Los Cafres Reggae
zu spielen, die ihre erste CD 1994 herausbrachten. Den richtigen Durchbruch
hatten sie jedoch zehn Jahre später mit
dem Album „Quién da más“ und ihrem
Erfolgssong „Si el amor se cae“.
Mittlerweile gehören sie zu den Top 5
der argentinischen Reggaeacts. Der
jüngste Reggaedurchstarter ist Dread Mar
I – mit bürgerlichem Namen Mariano
Castro –, der in den letzten fünf Jahren
von sich reden machte. 2010 landete er
zusammen mit seiner Band Los Guerreros
del Rey einen Hit mit der romantischen
Reggaeballade „Tú sin mí“.
Einen wahren Boom des Genres samt seiner
Subgenres Roots, Dub, Dancehall erlebt
Argentinien definitiv seit Anfang des Jahrhunderts. Zu dem Zeitpunkt begann auch
Fidel Nadal sich voll und ganz seiner wahren
musikalischen Leidenschaft, dem Reggae, zu widmen.
Angenommen, wir sind
gerade in Buenos Aires,
haben viel Zeit, ein wenig
Geld und möchten gute
Bücher und Musik aufstöbern, auf die konservative Art,
nämlich in einem Geschäft.
Dafür bietet sich der Laden
Zivals an, mitten im Zentrum an
der Avenida Callao gelegen. Hier
gibt es sogar noch CDs zu kaufen
und man kann in die Musik reinhören. Angenommen, wir suchen
argentinischen Reggae. Bei welcher
Abteilung gucken wir nach, bei
Música tropical vielleicht? Fehlanzeige. Argentinischer Reggae firmiert
unter Rock nacional, ganz klar. Diese
für europäische Ohren zunächst
merkwürdige Einordnung leuchtet
ein, wenn man sich ein wenig mit der
Geschichte des Genres in Argentinien
beschäftigt, das in den letzten zehn
Jahren einen beeindruckenden Boom
erlebt hat. Ein Künstler hat die Entwicklung des Reggae in Argentinien fast von
Anfang an miterlebt, mitgeprägt und ist
einer seiner schillerndsten Repräsentanten: Fidel Nadal.
I
VON
BRITT WEYDE
n Argentinien hat Reggae schon richtig Wurzeln geschlagen. Anfang der 80er-Jahre integrierten Rockgruppen wie die
Abuelos de la Nada Versatzstücke von dem ursprünglich
jamaicanischen Genre in ihre Musik. Letztlich war es jedoch
die legendäre Band Sumo, die einen entscheidenden Einfluss
bei der Etablierung des Sounds hatte. Sumo begannen in den
letzten Jahren der Diktatur die argentinische Rockmusikszene
aufzumischen mit einer Mixtur aus Postpunk, Ska und Reggae. Mitunter spielten sie auf ihren Livekonzerten BobMarley-Coverversionen. Oder ihr charismatischer Sänger Luca
Prodan kündigte einen Song mit den Worten an: „Das fol-
Z
uvor war Fidel keine unbekannte Größe im argentinischen Musikgeschäft. 14 Jahre lang war er Sänger der
Punk-Skaband Todos tus Muertos gewesen. Als die französische Ska-Reggae-Punkband Mano Negra in Lateinamerika
anlandete und mit ihrem damals ungewöhnlichen Stilmix
nachhaltigen Eindruck bei einer ganze Generation von
Musikern hinterließ, war Fidel Nadel sofort mit am Start, als
es darum ging, dass lateinamerikanische Gastmusiker bei der
Aufnahme des Albums „Casa Babylon“ mitwirken und auch
Die Zeitschrift Rolling Stone Argentina veröffentlichte 2009 einen Schwerpunkt, Lo Mejor del Reggae,
darunter ist auch eine Liste mit den besten 50 Alben des argentinischen Reggae zu finden:
www.rollingstone.com.ar/1183639
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auf Tour durch Lateinamerika gehen sollten. Weitere Kooperationen kamen zustande, z.B. zwischen Todos Tus Muertos
und der baskischen Ikone Fermin Muguruza; über dessen
baskisches Label Gora Herriak erreichten die argentinischen
Punkrocker ein europäisches Publikum, das offen war für die
Erweiterung des klassischen Punk um Reggae- und Skaelemente.
Todos tus Muertos trennten sich im Jahr 2000 im Streit, dabei
waren nicht nur die verschiedenen Musikerpersönlichkeiten
inkompatibel. In einem Interview mit dem US-amerikanischen
Webradio NPR erzählt Fidel rückblickend, dass die musikalischen Vorstellungen auseinanderdrifteten: „Der eine wollte
mehr Hardcore machen, der andere Salsa, bei mir hingegen
war klar, dass Reggae anstand.“ Auf dieser Musikrichtung hatte
auch schon der Fokus von Fidels Bandnebenprojekt mit dem
symbolträchtigen Namen Lumumba gelegen.
M
it seinem ausladenden Turban und dem charakteristischen Bart erinnert das aktuelle Äußere des 47-Jährigen ein bisschen an einen weltweit gesuchten Islamisten, der
letztlich zur Strecke gebracht wurde. Im Hinblick auf diese
Ähnlichkeit findet sich manch hämischer Kommentar in den
Abgründen des Internet. Aber Fidel Nadal ist kein fanatischer
Dschihadist, sondern ganz das Gegenteil, nämlich Rastafari.
Und wie: Eines seiner ersten Soloalben trägt den Titel „Repatriación“, meint also die Rückkehr der Nachkommen der
SklavInnen nach Afrika, einer der zentralen Grundsätze der
Rastafaribewegung. Der argentinischen Tageszeitung Clarín
offenbarte Fidel Nadal: „Ich glaube an Rastafari, Haile Selassi, den Kaiser von Äthiopien. Das ist eine Kultur, eine Bewegung und ein Glaube. Ich glaube nicht an einen weißen
Jesus, der gekreuzigt wurde und bluten musste. Das ist
ein Totenkult. Mein Gott ist Symbol für
das Leben.” Als er seinem
Sohn den Namen
Tafari geben wollte,
stieß er auf Probleme bei den Behörden. „Sie erzählten
mir was von ihren
Gesetzen, woraufhin
ich zu ihnen sagte, dass meine
Vorfahren illegal hierher verschleppt wurden und ich deshalb
nichts von ihren Gesetzen hören
wolle. Die Schwarzen kamen doch
auch nicht mit ihren Reisepässen,
sondern in Ketten auf Schiffen“,
so Fidel Nadal im Interview mit
der Tageszeitung Página 12. In
seinem Elternhaus war der Sohn
einer Anthropologin und eines
Filmemachers mit viel schwarzer Musik aufgewachsen. Als er
zum ersten Mal Bob Marley
und Peter Tosh hörte, war er
„total geflasht“. Fidel ist
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Afroargentinier, Ururenkel von angolanischen Sklaven: „Wir
sind die fünfte Generation in Argentinien, die von Afrika
nach Retiro gekommen ist.“ Sein Vater führte ihn in die
Gedankenwelt von Malcolm X, Martin Luther King und den
Black Panthers ein. Enrique Nadal gehörte zudem zu den
Gründern des ersten argentinischen Komitees gegen die
Apartheid in Südafrika.
Fidels Solokarriere ließ sich zunächst mühselig an. Während
er mit Todos Tus Muertos noch vor Tausenden von Leuten
gespielt hatte, war seine erste Show ein Fehlschlag. Er trat
ohne Band auf, lediglich mit Musik aus der Konserve, vor
sage und schreibe 20 Personen. Fidel Nadal musste sich
komplett neu erfinden, fast ein bisschen wie das ganze Land
Argentinien, das durch die Krise 2001/2002 einen totalen
wirtschaftlichen Absturz erlebt hatte. Das Land berappelte
sich langsam wieder. Und Fidel rödelte unermüdlich. Seit
seinem Neustart hat er 18 Alben aufgenommen (Kooperationen und Remixes nicht mitgerechnet). Vor etwa fünf Jahren
zeigten sich die Früchte: Sein Album „International Love“
(2008) war ein Riesenerfolg. Wie der Titel schon zeigt, überwiegen darauf die romantischen Songs.
Zu den Studioproduktionen kamen unzählige Liveauftritte
und Tourneen. Nach wie vor zeigt Fidel Nadal keine Berührungsängste mit anderen Genres. So ist er bereits mehrere
Male zusammen mit der Cumbia-Villeralegende Pablo Lescano aufgetreten, macht Reggaecoverversionen von Corridos
der mexikanischen Tigres del Norte und lädt immer wieder
Gastmusiker für seine CD-Aufnamen ein. Sein Album „Forever Together“ aus dem Jahr 2010 brachte ihm zwei Nominierungen für den Latin Grammy 2011 ein.
Dieses Jahr hat Fidel Nadal seine nunmehr 18. Platte aufgenommen: „Llegó el momento“. Ihm war der italienische
Reggaeproduzent Alborosie empfohlen worden, um
sein Album abzumischen. Der
mexikanischen
Zeitschrift Revista
Kuadro erzählt Fidel
Nadal, dass alles
übers Internet abgelaufen
wäre. Die verschiedenen Parts
wären in Buenos Aires und
Kingston eingespielt, per Internet verschickt, dann im Kingstoner Studio abgemischt worden.
Neben den unvermeidlichen
Liebessongs schlägt Fidel auch
wieder nachdenkliche Töne an,
so reflektiert er z.B. in „No hay
Paz“ über Krieg und Frieden.
Fidel Nadal meinte einmal,
sein Ziel sei es, auch NichtReggaefans mit seiner Musik
anzusprechen. Das dürfte
ihm auf jeden Fall gelungen
sein. ■
Fernsehauftritt von Todos Tus Muertos im Jahr 1992, Fidel Nadal als junger Punkrock-Hüpfer in
neckischen Shorts: www.youtube.com/watch?v=LrilXnAKX-E
Kleiner Kontrast, Video vom neuen Album „Llegó el momento“ (2013): /www.youtube.com/
watch?v=5nu-zOpZ4bc