Im Fokus: Orthomolekulare Medizin
Transcription
Im Fokus: Orthomolekulare Medizin
Im Fokus: Orthomolekulare Medizin Antje Siuts Hinter dem Begriff Orthomolekularer Medizin verbirgt sich die wissenschaftliche Grundlage für den gezielten Einsatz von Mikronährstoffen zur Vorbeugung und adjuvanten Therapie ernährungsbedingter und chronisch degenerativer Erkrankungen. Ziele der orthomolekularen Medizin sind: - Prävention ernährungsbedingter (z.B. Diabetes mellitus Typ 2) und chronischdegenerativer Krankheiten. - Verbesserung des individuellen Gesundheitsstatus - Optimierung der Pharmakotherapie sowie Erhaltung der Vitalität und Leistungsfähigkeit bis ins hohe Lebensalter Einführung „ Lass die Nahrung Deine Medizin sein und Medizin Deine Nahrung“ Hippokrates von Kos Die Orthomolekulare Medizin ist eine integrative Behandlungsmethode, die in den USA bereits seit 1978 als offizielles Heilverfahren anerkannt ist. In Europa gewinnt sie mehr und mehr an Bedeutung, als jemals eine ausschließliche Substitutionstherapie hätte. „ Orthomolekulare Medizin ist die Erhaltung guter Gesundheit und die Behandlung von Krankheiten durch Veränderungen der Konzentrationen von Substanzen im menschlichen Körper, die normalerweise im Körper vorhanden und für die Gesundheit erforderlich sind.“ So definierte 1968 der Nobelpreisträger Professor Dr. Linus Pauling das Prinzip der orthomolekularen Medizin. Damit formulierte er ein neues Ernährungsparadigma. Dieses basiert nicht mehr, wie etwa bei den offiziellen Referenzwerten für die Nährstoffzufuhr der Ernährungsgesellschaften auf der Vorbeugung eines Nährstoffmangels bei gesunden Personen, sondern auf einer individuellen und bedarfsgerechten Versorgung mit essentiellen Nährstoffen. Der Begriff orthomolekular bedeutet soviel wie die richtigen Moleküle (ortho= gut, richtig, molekular= kleinste Bausteine), im übertragenen Sinne die richtigen Nährstoffe. Zum Erreichen einer guten Gesundheit ist der Mensch auf die Zufuhr von lebensnotwendigen Nährstoffen in Konzentrationen angewiesen, die auch normalerweise in den Körperzellen vorhanden sind. Diese Nährstoffe bilden die Grundlage für eine physiologisch intakte Zellfunktion und damit für eine optimale Leistungsfähigkeit des Organismus. Heutzutage ist die klassische Rolle der Mikronährstoffe zur Verhinderung von Mangelkrankheiten (z.B.Skorbut bei Vitamin C- Mangel) nicht mehr von großer Bedeutung. Ihre neue Rolle besteht in der Optimierung der Gesundheit und der Prävention chronischer Erkrankungen. Es werden gezielt Mikronährstoffe in zum Teil sehr hohen Dosierungen zur Therapie und Prävention von Krankheiten eingesetzt. Diese neue Therapieform, die so genannte orthomolekulare Medizin, ist Teil eines ganzheitlichen Therapiekonzeptes, in dessen Mittelpunkt der Mensch als ganze Funktionseinheit steht und nicht nur das einzelne erkrankte Organ. Beim orthomolekularen Therapiekonzept gibt es keine festen Referenzwerte zur Vorbeugung spezifischer Mangelerkrankungen. Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, Aminosäuren und essentielle Fettsäuren bekommen eine neue präventivmedizinische und therapeutische Bedeutung. Der subklinische Nährstoffmangel und seine krankheitsspezifische Prognose treten in den Mittelpunkt des ernährungsmedizinischen Interesses. Die Orthomolekulare Medizin wird damit zu einem wichtigen Teil effizienter präventiv- und komplementärmedizinischer Therapie-Konzepte. Geschichte Die therapeutische Anwendung von Vitamin B3 und Vitamin C in der Psychiatrie durch die amerikanischen Wissenschaftler Dr. Abram Hoffer und Dr. Humphry Osmond in den 50er Jahren des 20.Jahrhunderts zählt zu den Anfängen der orthomolekularen Medizin. Sie entwickelten die Hypothese, dass an der Entstehung schizophrener Psychosen ein halluzinogen wirkendes Stoffwechselprodukt des Adrenalins, das so genannte Adrenochrom beteiligt ist. Aminochrome wie Adrenochrom können bei der Oxidation von Katecholaminen entstehen. Eine Möglichkeit der Senkung des Adrenochromspiegels besteht laut Hoffer und Osmond in der hochdosierten Gabe von Vitamin B3 und Vitamin C. Vitamin B3 soll als Methylgruppenakzeptor die Umwandlung von Noradrenalin zu Adrenalin durch die NMethyl-Transferase verringern, Vitamin C die Oxidation von Adrenalin zu Adrenochrom herabsetzen Bei der Behandlung schizophrener Psychosen setzten die beiden Ärzte sehr hohe Tagesdosen von Niacin/Niacinamid (>3000mg/Tag) und Vitamin C (>1500 mg/Tag) ein, die die offiziellen Tagesdosierungen mehrfach übersteigen. Daher auch der Begriff „ Megadosis “- Therapie. Die therapeutischen Erfolge dieser neuartigen Behandlung publizierten Hoffer und Osmond 1962 im Lancet . 1968 formulierte dann Linus Pauling (siehe oben) in der Zeitschrift Science sein Konzept der orthomolekularen Psychiatrie. Grundregeln der orthomolekularen Medizin Die orthomolekulare Medizin gibt gezielte Information und Beratung zur Ernährung und möchte die Selbstverantwortung des Patienten zur Erhaltung seiner Gesundheit fördern. Dadurch soll dem Entstehen chronischer Erkrankungen vorgebeugt werden. Sie ist keine Reparaturmedizin sondern Krankheitsprävention. Sie behandelt nicht die Symptome einer Erkrankung, sondern geht auf deren Ursachen ein. Sie beruht auf wissenschaftlichen Methoden wie Pharmakologie und Toxikologie, Biochemie und Molekularbiologie, Physiologie und Pathophysiologie, Ernährungswissenschaften und Immunologie. Sie beginnt vor der klassischen Schulmedizin mit der Beseitigung der Krankheitsursache. Da sich chronische Erkrankungen langsam über einen längeren Zeitraum entwickeln, muss eine wirksame Prophylaxe rechtzeitig beginnen. Das heißt, dass eine frühzeitige und langfristige Anwendung von Mikronährstoffen sinnvoll ist. Die orthomolekulare Medizin kann eine notwendige schulmedizinische Therapie nicht ersetzen, sondern ist eine sinnvolle Ergänzung. In der Schulmedizin werden meist Monosubstanzen zur Beseitigung von Symptomen eingesetzt. In der orthomolekularen Medizin dagegen verwendet man Mikronährstoffkombinationen. Diese Mikronährstoffe spielen im Intermediärstoffwechsel eine große Rolle. Da es sich hierbei um sehr komplexe Vorgänge handelt, an denen viele Mikronährstoffe beteiligt sind, werden sie im Regelfall nicht einzeln, sondern in sinnvollen Kombinationen hochdosiert eingesetzt. Die orthomolekulare Medizin versteht sich als Partner der Schulmedizin. Man spricht daher auch von einer komplementären Medizin. Wirkstoffe in der orthomolekularen Medizin, Dosierung und Anwendung Im Gegensatz zur Schulmedizin verwendet die orthomolekulare Medizin keine körperfremden Arzneimittel, sondern essentielle Mikronährstoffe wie z.B. Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente etc. Jeder Mensch hat bedingt durch seinen persönlichen Lebensstil einen individuellen Bedarf an Mikronährstoffen. Dieser ist durch wechselnde äußere Bedingungen nicht jeden Tag gleich. Alter, Gewicht, körperliche Aktivität und Umwelt spielen ebenfalls eine große Rolle. Deshalb lässt sich der Vitalstoffbedarf nicht exakt bestimmen, sondern wird grob geschätzt. Die Aufnahme von Mikronährstoffen aus der Nahrung kann bedingt durch Herstellung, Transport, Lagerung, etc. der Lebensmittel nicht genau erfasst werden. Daraus resultiert, dass eine erhöhte Vitalstoffzufuhr in jedem von Vorteil ist, da der Körper durch das Überangebot die Möglichkeit erhält, diejenige Wirkstoffmenge zu assimilieren, die er benötigt. Ein Überschuss an Mikronährstoffen wird entweder im Darm nicht resorbiert oder über den Urin ausgeschieden. Kritiker bemängeln dieses Ausscheiden von Vitalstoffen als teuren Urin. Allerdings können solche Überschüsse grundsätzlich akzeptiert werden, wenn man bedenkt, dass dadurch der Körper ausreichend mit Nährstoffen versorgt ist Da z.B. nach L. Pauling das in den Harntrakt gelangte Vitamin C einen Schutz vor Blaseninfektionen und Blasenkrebs darstellt, kann dies auch von Vorteil sein. Zahlreiche der im Darmlumen verbleibenden und nicht resorbierten Vitalstoffe erfüllen dort ferner wichtige Aufgaben. In den tieferen Darmabschnitten entstehen durch die Abbautätigkeit der Darmflora und durch über die Nahrung zugeführte Schadstoffe zahlreiche Radikale. Für diese benötigt der Organismus zur Neutralisation Antioxidantien z.B. Vitamin C. Dieser Vorgang ist ein körpereigener Mechanismus zur Verhütung von Darmkrebs. Mikronährstoffe haben somit auch in den Ausscheidungsorganen wertvolle Schutz- und Wirkfunktionen. Die Zufuhr von Mikronährstoffen als Nahrungsergänzung kann natürlich kein Ersatz für eine gesunde Ernährung sein. Wer glaubt die Folgen von Übergewicht, einseitiger Ernährung, Alkoholmissbrauch, Rauchen etc. allein mit Mikronährstoffpräparaten zu behandeln, irrt. Die orthomolekulare Medizin ist ein Zusammenspiel aus gesunder Ernährung und gezielter Zufuhr von Mikronährstoffen, die auf die individuellen Bedürfnisse und Krankheitsbilder angepasst wird. Die Pharmakologie von Mikronährstoffen ist eine komplexere als die von Arzneimitteln. Sie haben eine größere therapeutische Breite und wirken durch ihre gegenseitigen Abhängigkeiten im Stoffwechsel in Kombination. Die orthomolekulare Medizin versucht die positiven Wechselwirkungen ( Synergismus ) zwischen den einzelnen Mikronährstoffen zu berücksichtigen und therapeutisch umzusetzen. Die Dosierungsempfehlungen der orthomolekularen Medizin ergeben sich einerseits aus den ernährungswissenschaftlichen, pharmakologischen und biochemischen Grundlagen, andererseits berufen sie sich auf Beobachtungen und empirische Erfahrungen bei ihrer Anwendung. Sie stützen sich auf epidemiologische und prospektive Studien sowie Ergebnisse zahlreicher kontrollierter, klinischer Studien. Der Einsatz essentieller Mikronährstoffe sollte immer speziell auf die individuellen Bedürfnisse und die unterschiedlichen Krankheitsbilder angepasst sein. Dabei müssen eventuell auftretende Interaktionen zwischen Arzneimitteln und Mikronährstoffen genauso beachtet werden wie ein krankheitsspezifisch erhöhter Nährstoffbedarf. Vitamine Mit Ausnahme der fettlöslichen Vitamine A, D und K werden Vitamine in der Regel hochdosiert. Wasserlöslich: Vitamin C, Vitamin B-Komplex (B1, B2, B3, B5, B6, B12) Folsäure, Biotin, Cholin, Inositol Fettlöslich: Vitamin A, ß-Carotin/Carotinoide, Vitamin D, E und K Vitaminähnliche: Carnitin, Coenzym Q10 Mineralstoffe und Spurenelemente Mineralstoffe und Spurenelemente werden entsprechend ihres physiologischen Bedarfs dosiert, da sich gezeigt hat, dass durch eine Erhöhung der Dosierung keine relevante Verbesserung erfolgt. Es sollte deshalb beachtetet werden, dass Mineralstoffe und Spurenelemente nicht über die empfohlene Mindestmengen hinaus dosiert werden. Eine Überschreitung der der zulässigen Höchstmengen sollte vermieden werden. Mineralstoffe: Calcium, Magnesium, Kalium Spurenelemente: Chrom, Fluor, Jod, Eisen, Kobalt, Kupfer, Mangan, Molybdän, Selen, Zink, Antioxidantien Hauptsächlich Vitamin C und E, ferner Glutathion, essentielle Fettsäuren ( Omega-6Fettsäuren, wie Gamma- Linolsäure, Omega-3-Fettsäuren wie Eicosapentaensäure), Coenzym Q10, Harnsäure Einige Mikronährstoffe wirken als Radikalfänger (Antioxidantien). Radikale, auch freie Radikale genannt, sind äußerst reaktionsfähige Verbindungen oder Stoffwechselprodukte. Freie Radikale reagieren mit Zellbestandteilen oder auch mit den Blutfetten und können diese körpereigenen Strukturen durch übermäßige Oxidations-Reaktionen verändern, so dass sie in ihren Funktionen und in ihrem Aufbau geschädigt, teilweise sogar zerstört werden können. Freie Radikale werden im Stoffwechsel ständig in physiologischen Mengen gebildet. Darüber hinaus gibt es eine Menge äußerer Einflüsse (Umweltbelastungen, Zigarettenrauch, Alkohol, Medikamente, intensive Sonneneinstrahlung), die für ein unphysiologisch hohes Aufkommen von freien Radikalen sorgen. Antioxidantien wie Vitamin C und E können diese freien Radikale binden bzw. abfangen und in unschädliche Produkte überführen. Sie stellen, da sie den Körper vor einer übermäßigen radikalischen Oxidation bewahren, eine Art biologischen Rostschutz dar. Antioxidantien werden hoch dosiert eingesetzt. Aufgrund ihrer gegenseitigen Abhängigkeit in der Redoxkette empfiehlt sich immer die Kombinationsgabe von Antioxidantien. In der häufig zitierten CHAOS-Studie erhielten die Teilnehmer 400-800 I.E. Vitamin E. täglich über einen Zeitraum von zwei Jahren. Dabei reduzierte sich die Zahl nicht tödlicher Herzinfarkte und größerer Koronarerkrankungen, die Sterblichkeit jedoch blieb unverändert und stieg in den ersten Monaten sogar an. Deshalb sollte Vitamin E einschleichend dosiert werden, da dieses die Thrombozytenadhärenz und Blutgerinnung moduliert. Auch bei Vitamin C sind Nebeneffekte denkbar, da es die gleichen Glut-Rezeptortypen für den Eintritt in die Zelle benutzt wie Glucose. Dies sollte überlegt werden, wenn z.B. Diabetikern hohe Dosen von Vitamin C verabreicht werden. Praktische Hinweise zur Dosierung In der Prävention und Therapie der klassischen Zivilisationskrankheiten wird als Grundlage eine qualitativ hochwertige und ausgewogene Multivitamin-Mineralstoffkombination empfohlen. Dazu empfehlen sich eine Kombination von Antioxidantien und die Einnahme von Omega-3-Fettsäuren in Form von Fischöl-Kapseln und kaltgepresstem Leinsamenöl (1 bis 2 Esslöffel pro Tag). Die Tagesdosis sollte regelmäßig und im Idealfall über den Tag verteilt eingenommen werden. Dadurch wird die Bioverfügbarkeit der einzelnen Mikronährstoffe gesteigert und unnötige Verluste infolge erhöhter Urinausscheidung werden weitestgehend vermieden. Biochemische Individualität Ein weiterer wichtiger Begriff in der orthomolekularen Medizin ist die „ Biochemische Individualität“. Dies beschreibt ein Konzept des Biochemikers Dr. R.Williamson. Basierend auf der Grundidee, dass jeder Mensch unterschiedliche geistige und körperliche Fähigkeiten besitzt, muss es auch grundlegende Unterschiede auf biochemischer Ebene geben. Das bedeutet, dass jeder Mensch einen individuellen Nährstoffbedarf hat. Dieser individuelle Nährstoffbedarf wird zusätzlich von zahlreichen äußeren Einflußen beeinflusst. Die wichtigsten sind: Alter, Gewicht, Körpergröße und Geschlecht Schwangerschaft und Stillzeit Ernährungsgewohnheiten, Nahrungsmittelintoleranzen, Arzneimittel, Alkohol und Tabakkonsum Stress, körperliche Aktivität, Verwertungsmöglichkeiten der zur Verfügung stehenden Nährstoffe Gesundheitsstatus, Krankheit, Operationen, Chemotherapie Die nationalen und internationalen Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr erfassen diese äußeren Einflüsse nur ungenügend, da sie mit dem Ziel entwickelt wurden, die Häufigkeit nährstoffspezifischer Mangelkrankheiten (z.B. Skorbut Vit. C , Pellagra Niacin, Beriberi Vit. B1) zu reduzieren. Dementsprechend sind diese Nährstoffangaben sehr knapp bemessen. Die Referenzpersonen sind junge, gesunde Menschen, Nichtraucher, etc. Ausnahmen bilden lediglich Empfehlungen für Schwangere und Stillende. Die biochemische Individualität wird durch diese Empfehlungen nicht ausreichend berücksichtigt. Z. B. wird der Nährstoffbedarf älterer Menschen (70+) genauso berechnet wie bei jüngeren, obwohl im Alter viele andere Faktoren dazu kommen, die für die Ermittlung des optimalen Nährstoffgehaltes von Bedeutung sind. Ein Beispiel sind Zahnprobleme, die zu einer Mangelernährung führen können. Auch psychische Störungen wie Depressionen und Demenz wirken sich auf die Ernährung aus. Alte Menschen haben häufig einen Mangel an B-Vitaminen, Vitamin C und den fettlöslichen Vitaminen E und D. An dem Beispiel der Älteren Menschen ist gut zu erkennen, dass es sehr schwierig ist den Nährstoffbedarf zu standardisieren, da der Nährstoffbedarf des einzelnen sich signifikant von den offiziellen Empfehlungen unterscheiden kann. Entwicklung und Diagnose eines Mikronährstoffmangels Brubacher hat die Entwicklung des Vitaminmangels in insgesamt sechs Stadien unterteilt, wobei die Übergänge zwischen den einzelnen Stadien fließend sind. Die Entwicklung eines Vitaminmangels ist die Folge einer längeren Unterversorgung des Organismus mit essentiellen Nährstoffen. Ein Nährstoffmangel entwickelt sich schleichend. Am Anfang reagiert der Organismus mit dem Versuch das reduzierte Nährstoffangebot auszugleichen, indem er auf die körpereigenen Reserven zurückgreift. Gleichzeitig wird die Urinausscheidung reduziert. Später kommt es zu einer Aktivitätsabnahme der vitaminabhängigen Enzyme. Hierbei handelt es sich nach Brubacher um das Stadium 3 mit einem latenten Mangel. Das 4. Stadium ist durch unspezifische Symptome wie vermehrte Erkältungen (Vitamin C), sowie eingeschränkte körperliche und geistige Leistungsfähigkeit gekennzeichnet. Stadium 6 führt bei Vitamin A Mangel zur Erblindung und Vitamin C Mangel zur schweren Herzschädigung mit Todesfolge. Echte Avitaminosen sind in den Industrienationen sehr selten, latente Mangelzustände mit unspezifischen Symptomen wie Reizbarkeit, depressiven Verstimmungen, körperlichem und geistigem Leistungsabfall kommen dagegen häufig vor. Vor allem Schulkinder, stark beruflich beanspruchte Frauen und Männer, Raucher, Sportler, Schwangere, ältere Menschen und chronisch Kranke sind betroffen. Grundlage für den gezielten Einsatz von Mikronährstoffen in der orthomolekularen Therapie ist das ausführliche Beratungsgespräch. Hierbei werden die Ernährungsgewohnheiten, die Krankheitsgeschichte und die klinischen Befunde des Patienten genau dokumentiert. Nährstoffmangelzustände werden mit klassischen laborchemischen Analysen von Blut und Urin erfasst. Allerdings werden diese latenten Mangelzustände durch diese Methoden häufig nicht erfasst. Serumanalysen geben oft keine genaue Auskunft über den tatsächlichen Nährstoffgehalt. Bei Mineralien wie Magnesium oder Zink, die überwiegend intrazellulär vorliegen kann ein Mangel über den Serumgehalt nicht erfasst werden. Neben den Methoden der klassischen Labordiagnostik werden in der orthomolekularen Medizin weitere Parameter wie oxidativer Stress oder Homocystein -Plasmaspiegel zur Ermittlung des individuellen Mikronährstoffstatus herangezogen. Kennzeichnung orthomolekularer Produkte Orthomolekulare Wirkstoffe sind biochemisch definiert und in der Herstellung standardisiert. Es sind Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, Aminosäuren, essentielle Fettsäuren, Enzyme und sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe. Die verwendeten Nährstoffe werden überwiegend aus natürlichen und schadstofffreien Ressourcen gewonnen. So liefert z.B. Dunaliella salina (Meeresalge) Betacarotin und gemischte Carotinoide. Orthomolekulare Produkte sind in der Regel hypoallergen und erhalten keine Konservierungsstoffe, künstlichen Farb- und Aromastoffe, Zucker, Salz, Stärke und Gluten. Mineralstoffe und Spurenelemente liegen wegen der besseren Bioverfügbarkeit häufig als Aminosäurechelate vor. Schrifttums-Referenzen: Uwe Gröber, Orthomolekulare Medizin, Ein Leitfaden für Apotheker und Ärzte Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart, 2.Auflage 2002 Uwe Gröber, Das Geheimnis richtiger Ernährung, Deutsche Gesundheitshilfe Service GmbH 2003 Orthomolekulare Medizin und Immunsystem, Forum-Medizin Verlagsgesellsschaft, 1999 Prof.Dr.Hans Konrad Biesalski, Vorsicht vor Vitamin-Megadosen , Pharmazie Pharmacon Meran 2002 Vortrag Osmond, H., Hoffer, A., Massive Niacin treatment in schizophrenie: Review of a nine-year study. Lancet, 1,316-320, 1962 Pauling, L., Orthomolecular Psychatrie. Science 160, 265-271, 1968 Pauling, L., Orthomolecular Somatic and Psychiatric Medicine. Journal of Vital Substances and Diseases of Civilization, 14 1-3, 1968 Challem, Jack, B.A., Nutritional therapy at the crossroads. Journal of orthomolecular Medicine 9 (3) ,145 -150, 1994 Hoffer, A. M.D., Ph.D. and Morton Walker, D.P.M., Putting it all together: The new orthomolecular Nutrition. Keats Publ., Inc. 1996 Williams, R. J., Biochemical Individuality. University of Texas Press, Austin, 1975 Mutschler, E. Arzneimittelwirkungen. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, 2001 Korrespondenzadresse: Frau Dr. rer. nat. Antje Siuts, Lindenstrasse 1, 26892 Heede, [email protected]