Mykotoxine in Silagen - Hans Eisenmann Zentrum
Transcription
Mykotoxine in Silagen - Hans Eisenmann Zentrum
Hans Eisenmann-Zentrum 3. PROFESSUR FÜR TIERHYGIENE Department für Tierwissenschaften Wissenschaftszentrum Weihenstephan der Technischen Universität München Mykotoxine in Silagen Bauer J., Ostertag, J., Meyer K. Da Silagen in der Ernährung landwirtschaftlicher Nutztiere eine zentrale Rolle einnehmen, ist auf deren Qualität besonders zu achten. Diese bezieht sich jedoch nicht allein auf die Nährstoffzusammensetzung, sondern im Hinblick auf die Tiergesundheit auch auf den Hygienestatus. Eine mangelhafte Silier- und Lagerungstechnik verursacht häufig einen starken Befall der Silagen mit Schimmelpilzen; dies kann zu einer Kontamination mit Mykotoxinen führen. Andererseits sind die Vorteile dieser Konservierungstechnik nicht von der Hand zu weisen: Weitestgehend witterungsunabhängige Gewinnung des Siliergutes, geringer Futterwertverlust, ganzjährige Verfügbarkeit und einfache Technik haben dafür gesorgt, dass Grasund Maissilagen zu festen Bestandteilen der Rinderfütterung geworden sind. Die Art der Herstellung (Zerkleinerung und Pressen des Siliergutes, Schaffung anaerober Verhältnisse) sorgt für die Bildung eines speziellen mikrobiellen Ökosystems, das das Wachstum bzw. das Überleben von bestimmten Mikroorganismen begünstigt. Dies trifft auch für bestimmte Pilzarten zu, die niedrige pH-Werte, hohen CO2Patialdruck und sauerstoffarmes Milieu tolerieren. Hierzu zählen neben Hefen bestimmte Schimmelpilzarten wie Aspergillus fumigatus, Penicillium roqueforti, und Monascus ruber. Dringt Sauerstoff in das Silo ein, dann können sich diese Arten explosionsartig vermehren und biologisch aktive Stoffwechselprodukte bilden. Vor allem aus diesem Grund unterscheidet sich das in Silagen anzutreffende Mykotoxinspektrum von demjenigen in Kraftfuttermitteln. Zwar können auch die von Feldpilzen der Gattung Fusarium gebildeten Toxine (z.B. Deoxynivalenol, Zearalenon) in Silage gefunden werden, meist dominieren jedoch Stoffwechselprodukte der „silagetypischen“ Schimmelpilze. Bei der Untersuchung von 584 Silageproben mittels LC-MS/MS auf 37 Pilzstoffwechselprodukte wurde in 410 Proben mindestens eine dieser Verbindungen nachgewiesen (Ostertag, 2010). Die Proben wurden dabei in „verpilzt“ II. Schwerpunktthemen (grobsinnliche Beurteilung), „erwärmt“ (Temperatursonden bzw. Wärmebilder) und „normal“ vorselektiert. Erwartungsgemäß wiesen vorrangig erwärmte und verpilzte Silagen eine Vielzahl von Mykotoxinen in teilweise beträchtlichen Konzentrationen auf. Dabei handelte es sich vor allem um Roquefortin C (bis zu 12,9 mg/kg), Mykophenolsäure (bis zu 21,4 mg/kg) und Monacolin K (bis zu 54,6 mg/kg). Darüber hinaus wurden u.a. Gliotoxin (bis zu 0,5 mg/kg), Verruculogen (0,5 mg/kg), Fumitremorgen B und C (bis zu 2,1 bzw. 0,5 mg/kg), TR-2 Toxin (bis zu 0,7 mg/kg), Fumigaclavin C (bis zu 18,8 mg/kg), Fumagillin (bis zu 1,7 mg/kg), Trypacidin (bis zu 3,5 mg/kg), Fumiquinazolin D (bis zu bis zu 9,9 mg/kg) und Pyripyropen (bis zu 3,5 mg/kg) nachgewiesen (Abb. 1). Abb. 1: LC-MS/MS-Chromatogramm einer natürlich kontaminierten Maissilage Die Auswertung der Daten zeigt, dass vor allem in erwärmten und verpilzten Proben mit dem Vorkommen einer großen Anzahl verschiedener Pilzstoffwechselprodukte gerechnet werden kann. In vorliegenden Untersuchungen wurden bis zu 27 Pilzstoffwechselprodukte in einer Probe nachgewiesen (Abb. 2). 30 Hans Eisenmann-Zentrum Abb. 2: Relative Häufigkeiten des gleichzeitigen Nachweises mehrerer Stoffwechselmetaboliten von Schimmelpilzen in Gras- und Maissilagen unterschiedlicher Qualitäten Eine Einschätzung der gesundheitlichen Bedeutung dieser Ergebnisse ist aufgrund der wenigen toxikologischen Daten, speziell für Wiederkäuer, nur begrenzt möglich. So bestätigten sich die Angaben zur Toxizität von Roquefortin C aus Studien, welche mit Mäusen durchgeführt wurden (Arnold et al., 1978) in einem mit Schafen durchgeführten Fütterungsversuch nicht (Tüller et al., 1998). Die hierbei gewonnenen Daten zeigten, dass praxisrelevante Roquefortin C-Mengen (25 mg/kg Silage) keine akuttoxischen Symptome beim Schaf hervorrufen. Auch wurden keinerlei Anzeichen einer Beeinträchtigung des Reproduktionsgeschehens oder Veränderungen von Hormonprofilen festgestellt. Der einzige Effekt, der beobachtet werden konnte, war ein Abfall des pH-Wertes des Pansensaftes. Dies dürfte vermutlich auf die antibiotischen Eigenschaften von Roquefortin C zurückzuführen sein. Da säurebildende Bakterien zur Pansenflora gehören, könnte eine Begünstigung dieser Gattungen zu einem Absinken des pH-Wertes führen. Neben der Gefährdung der Tiergesundheit sind bei Mykotoxinen jedoch auch das Ausmaß des Übergangs der Substanzen in tierische Gewebe („carry over“) zu beachten, wodurch die Sicherheit des Lebensmittels tierischen Ursprungs für den Verbraucher beeinträchtigt werden könnte. Es besteht kein Zweifel, dass ein „carry over“ von Roquefortin C in essbare Gewebe stattfindet, allerdings waren die gefundenen Roquefortin-C-Mengen als gering einzustufen; so sind zum Beispiel in Blauschimmelkäsen deutlich höhere Roquefortin C-Konzentrationen nachzuweisen (Finoli et al., 2001). Einige der in Silage bestimmbaren Substanzen sind weniger als Mykotoxine, sondern vielmehr aufgrund ihrer pharmakologischen Wirksamkeit II. Schwerpunktthemen bekannt. So weist die Mykophenolsäure eine relativ geringe akute Toxizität auf, doch liegt die Besonderheit in ihrer immunsuppressiven Wirkung (Allison und Eugui, 2000). Dieser Effekt wird in der Humanmedizin zur Vermeidung von Abstoßungsreaktion nach Organtransplantationen ausgenutzt, indem Patienten Mykophenolsäure-haltige Medikamente verabreicht werden. Berücksichtigt man, dass Rinder bis zu 25 kg Silage pro Tag fressen, so errechnet sich aus den dargelegten Ergebnissen eine tägliche Dosis von 1,8 bis 2,0 mg/kg Körpergewicht. Dieser Wert entspricht immerhin einem Zehntel der beim Menschen zur Verhinderung der Transplantatabstoßung empfohlenen Dosierung. Es ist daher durchaus anzunehmen, dass beim landwirtschaftlichen Nutztier die Verfütterung Mykophenolsäure-haltiger Silagen die Entstehung von Infektionskrankheiten durch Unterdrückung der Immunabwehr begünstigen kann. Eine Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens konnte nach 44-tägiger oraler Verabreichung von bis zu 5 mg Mykophenolsäure pro kg Körpergewicht und Tag bei Schafen nicht beobachtet werden (Mohr et al., 2007), allerdings wurde bei der höchsten Dosierung eine Schrumpfung der Thymusläppchen festgestellt, und im Ileum nahm die Anzahl IgG- und IgMpositiver Plasmazellen mit zunehmender Dosis ab (Baum et al., 2005). Darüber hinaus wurde eine Beeinflussung der Expression des FcRezeptors und des Polymerischen Immunglobulin-Rezeptors in unterschiedlichen Geweben beobachtet (Dzidic et al., 2004). Eine weitere pharmakologisch bedeutsame Substanz, die natürlicherweise in Silagen vorkommt, ist das Monacolin K. Diese Verbindung wird von dem häufig in Silagen anzutreffenden "Rotschimmel" Monascus ruber gebildet. Die Bedeutung des Vorkommens von Monacolin K in Silagen für die Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Wiederkäuern ist bislang weitestgehend unklar. Monacolin K wird in der Humanmedizin als Cholesterinsynthesehemmer therapeutisch angewendet. Cholesterin stellt eine Vorläufersubstanz der Steroidbiosynthese dar. Da Wiederkäuer Cholesterin nicht mit der Nahrung aufnehmen, ist davon auszugehen, dass eine Hemmung der Cholesterin-Synthese zu einem Absinken des Cholesterinspiegels führt, woraus vermutlich reproduktionsbiologische Probleme resultieren. Epidemiologische Untersuchungen in den USA haben gezeigt, dass eine niedrige Cholesterinkonzentration im Blut mit einer schlechten Herdenfruchtbarkeit korreliert (Burke et al., 2001). Darüber hinaus hemmt 31 Hans Eisenmann-Zentrum Monacolin K die Vermehrung anaerober Pansenpilze (z.B. Neocallimastix sp.). Da diese am Abbau der Rohfaser beteiligt sind (Orpin und Joblin, 1997), ist eine Beeinträchtigung der Pansenfunktion zu erwarten. Zur Bedeutung der zahlreichen Sekundärmetaboliten des Schimmelpilzes Aspergillus fumigatus auf die Gesundheit landwirtschaftlicher Nutztiere liegen bisher nur sehr wenige Daten vor. Das an anderen Spezies beobachtete Potential dieser Substanzen ist allerdings sehr vielfältig, hierzu zählen u.a. neurotoxische, antimyzetische, zytotoxische, immunsuppressive, antiprotozoische, antiangiogenetische und tremorgene Effekte (Cole und Kirksey, 1973, Braithwaite et al., 1987, Gutteridge et al., 1969, Wu et al., 2005, Lalitkumar et al., 2000, Snider und Zeng, 2003, Springer, 1979). Insgesamt sollte jedoch nicht vergessen werden, dass eine toxikologische Einschätzung dieser Einzelsubstanzen nur sehr bedingt die Realität widerspiegelt. Wie oben bereits dargelegt, wurden bis zu 27 verschiedene Pilzstoffwechselprodukte in ein und derselben Probe nachgewiesen. Wie diese Gemische an Wirkstoffen die Gesundheit von Wiederkäuern beeinflussen, ist aufgrund des derzeitigen Wissensstands nicht zu beurteilen. Da aber eher mit gesundheitsschädigenden als mit gesundheitsförderlichen Effekten zu rechnen ist, sollte in der landwirtschaftlichen Praxis größte Sorgfalt auf die Verhinderung des Wachstums von Schimmelpilzen in der Silage und in anderen Futtermitteln gelegt werden. Danksagung Besonderer Dank gilt Herrn Dr. Spiekers (Institut für Tierernährung und Futterwirtschaft der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft) für die gute Zusammenarbeit. Literatur Allison, A.C. Eugui, E.M.: Mycophenolate mofetil and its mechanisms of action. Immunopharmacology 47 (2000) 85-118 Arnold, D.L., Scott, P.M., McGuire, P.F., Harwig, J., Nera, E.A.: Acute toxicity studies on roquefortine and PR toxin, metabolites of Penicillium roqueforti, in the mouse. Food Cosmet.Toxicol. 16 (4) (1978) 369-37 II. Schwerpunktthemen Baum, B., Mohr, A., Pfaffl, M., Bauer, J., HewickerTrautwein, M.: Morphological findings in lymphatic tissues of sheep following oral application of the immunosuppressive mycotoxin mycophenolic acid. Mycopathologia 160 (2005) 167-75 Braithwaite, A.W., Eichner, R.D., Waring, P., Mullbacher, A.: The immunomodulating agent gliotoxin causes genomic DNA fragmentation. Mol.Immunol. 24 (1987) 47-55 Burke, J.M., Rorie, R.W., Piper, E.L., Jackson, W.G.: Reproductive responses to grazing endophyteinfected tall fescue by post partum beef cows. Theriogenology 56 (2001) 357-369 Cole, R.J., Kirksey, J.W.: The mycotoxin verruculogen: a 6-O-Methylindole. J Agric. Food Chem. 21 (1973) 927-929 Dzidic, A., Mohr, A., Meyer, K., Bauer, J., Meyer, H.H., Pfaffl, M.W.: Effects of mycophenolic acid (MPA) treatment on expression of Fc receptor (FcRn) and polymeric immunoglobulin receptor (pIgR) mRNA in adult sheep tissues. Croat. Med. J. 45 (2004) 130-135 Finoli, C., Vecchio, A., Galli, A., Dragoni, I.: Roquefortine C occurrence in blue cheese. J Food Prot. 64 (2001) 246-51 Gutteridge, W.E., Knowler, J., Coombes, J.D.: Growth of Trypanosoma cruzi in human heart tissue cells and effects of aminonucleoside of puromycin, trypacidin and aminopterin. J. Protozool. 16 (1969) 521-525 Lalitkumar, P.G., Sengupta, J., Dhawan, L., Sharma, D.N., Lasley, B.L., Overstreet, J.W., Ghosh, D.: Antinidatory effect of vaginally administered fumagillin in the rhesus monkey. Contraception 62 (2000) 155-159 Mohr, A., Lorenz, I., Baum. B., Hewicker-Trautwein, M., Pfaffl, M., Dzidic, A., Meyer, H.H., Bauer, J., Meyer, K.: Influence of oral application of mycophenolic acid on the clinical health status of sheep. J. Vet. Med. A Physiol. Pathol. Clin. Med. 54 (2007) 7681 Orpin, C.G., Joblin, K.N.: The rumen anaerobic fungi. In: Hobson, P.N., Steward, C.S. (eds): The rumen microbial ecosystem. Elsevier Applied Sciences (1997) 140-195 Ostertag, J. (2010): Nachweis und Vorkommen von Aspergillus fumigatus Toxinen in Gras- und Maissilagen. Dissertationsschrift, Technische Universität München Snider, B.B., Zeng, H.: Total synthesis of (-)fumiquinazolines A, B, C, E, H, and I. Approaches to the synthesis of fiscalin A. J Org. Chem. 68 (2003) 545-563 32 Hans Eisenmann-Zentrum Springer, J.P.: The absolute configuration of nortryptoquivaline. Tetrahedron Letters 20 (1979) 339-342 Tüller, G., Armbruster, G., Wiedenmann, S., Hänichen, T., Schams, D., Bauer, J.: Occurrence of roquefortine in silage – toxicological relevance to sheep. J. Anim. Physiol. Anim. Nutr. 80 (1998) 246249 Wu, X.F., Fei, M.J., Shu, R.G., Tan, R.X., Xu, Q.: Fumigaclavine C, an fungal metabolite, improves experimental colitis in mice via downregulating Th1 cytokine production and matrix metalloproteinase activity. Int. Immunopharmacol. 5 (2005) 1543-1553 II. Schwerpunktthemen 33