Das beste draus machen

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Das beste draus machen
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I Kosmos Eintracht
Diva vom Main I 29
Gerre, dreißig Jahre Tankard sind eine lange
Zeit. Wie fing eigentlich alles an?
Das war so um Ostern 1982, ich war vierzehn. Wir sind schon vorher alle zusammen in die Schule gegangen, und die
Klassen waren quasi gespalten. Die eine
Hälfte stand auf Abba, die andere auf
Smokie. Ich gehörte zur Smokie-Fraktion.
1978, ich war gerade elf, habe ich zum
ersten Mal AC/DC gehört. Unser Bassist
Frank hat damals „If you want blood“
angeschleppt, und da war es um uns geschehen, wir waren mit dieser Art von
Musik infiziert – und dieser Virus hält bis
heute an. Ich glaube, letztlich kamen unser damaliger Gitarrist Axel und Frank auf
die Idee, eine Band zu gründen. Axel hat
Gitarrenunterricht genommen, Frank und
ich Bass. Erst sollte ich Bass spielen und
Frank singen – aber dann haben wir festgestellt, dass das doch keine so gute Idee
war, und switchten um. Wir nannten uns
erst Vortex, dann Avenger, aber diese Metalbands gab‘s schon. Wir haben dann ein
Englisch-Wörterbuch durchgeblättert und
sind auf das Wort Tankard gestoßen, ein
alter englischer Begriff für Bierkrug – und
das hat gepasst wie die Faust auf‘s Auge.
Und so ging‘s los. Anfangs haben wir im
Heizungskeller in der Matthäuskirche am
Hauptbahnhof geprobt, die gibt’s immer
noch. Wir haben halt Lärm gemacht, unseren ersten Auftritt hatten wir 1983 auf
dem Schulfest vom Goethe-Gymnasium.
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Andreas Geremia,
bei den Eintrachtlern unter dem Namen „Gerre“ bekannt, ist Sänger der
Frankfurter Thrash-Metalband Tankard, die demnächst ihr fünfzehntes Studioalbum mit dem Titel „A
Girl called Cerveza“ veröffentlichen wird. Dreißig Jahre Tankard, da gibt es natürlich viel zu erzählen.
Und gefeiert wird auch. Am 13. Oktober in der Batschkapp.
Habt ihr anfangs Sachen nachgespielt?
Nee, wir haben von Anfang an eigenen
Mist kreiert. Wir hatten natürlich unsere Vorbilder, Anfang der Achtziger gab‘s
ja die New Wave of British Heavy Metal,
Iron Maiden, Judas Priest, wie die ganzen
Bands hießen, dann kamen schon die härteren Sachen, die erste Exodus, die erste
Metallica, das war genau unsere Mucke.
Eure erste Platte erschien 1986…
Genau, die „Zombie Attack“. Direkt zum
Abitur. Eigentlich sollten wir schon früher ins Studio, doch das ging nicht, weil
ein großer Teil von uns im April noch Abi
geschrieben hat. Deshalb ging‘s erst im
Sommer ins Studio. Die Achtziger Jahre
waren eine komplett andere Zeit. Wir haben billige, miese Demotapes produziert,
sprich Cassetten. Heute weiß ja keiner
mehr, was das ist. Wenn du heute einem
Jugendlichen sagst, „Hör auf, mir ne Cassette ins Ohr zu schieben“, guckt er dich
mit großen Augen an. 1984 machten wir
das erste Demotape, 1985 das zweite.
Die haben wir dann an diverse Plattenfirmen geschickt. Es gab sogar mehrere
Interessenten, aber Noise-Records haben
uns einfach nen Plattenvertrag zuge-
eher verlängerte Wochenenden, drei, vier,
fünf Gigs am Stück. Wir nehmen uns dann
immer Urlaub und stecken unsere ganze
freie Zeit da rein.
1990 wart ihr eine der ersten West-Bands,
die in der damaligen DDR gespielt haben …
Da kann ich mich noch dunkel daran erinnern. Im Februar 1990 spielten wir zwei
Konzerte in Aue, Solidaritätskonzerte für
Rumänien. Unser damaliger Gitarrist hatte
die griechische Staatsbürgerschaft, es war
ein ganz schönes Hin und Her, bis er sein
Visum für die DDR hatte. Wir sind dann
in einem Kleinbus zehn Stunden bis nach
Aue gefahren. Die Autobahnen und Land-
“Hör auf,
mir ne Cassette
ins Ohr zu schieben”
schickt. Wir sind in eine Kneipe gegangen,
haben uns das Ding durchgelesen, nichts
verstanden und unterschrieben. So ging‘s
los. Buffo kam erst später dazu, als die
erste Platte schon draußen war, und hat
dann die Sache in die Hand genommen.
Ich meine, wir waren 18, 19 und dachten:
Geil, Plattenvertrag. Ich weiß noch genau,
wie im Metal-Hammer unser erstes Demo
besprochen wurde, mit einem Zehnzeiler –
und Hunderte von Leuten daraufhin das
Demo bestellten. Wir waren nur noch am
Kopieren und stolz wie Harry. Die beiden
Demos sind übrigens letztes Jahr nochmal
auf Vinyl rausgekommen und erscheinen
jetzt als CD.
Nach der zweiten Platte haben wir angefangen, richtige Tourneen zu spielen. Das
hat bis Mitte der Neunziger angehalten,
dann kam die Metal-Flaute und wir gaben
eher Einzelkonzerte. Heutzutage ist es so,
dass wir alle noch unseren Hauptjob haben und wir gar nicht mehr drei Monate
auf Tour gehen können, das sind jetzt
straßen in der DDR, das war ein Abenteuer. Was wir wussten war, dass es eine
ungeheuer große Szene in der DDR für unsere Art von Musik gab. Die Leute erzählten uns, dass sie sich auf abenteuerlichste
Weise unsere Scheiben besorgt hatten, in
Ungarn für Hunderte von Mark.
Wir haben auch damals Anfang März
vor sechs- bis siebentausend Leuten ein
Riesenfestival in der Ost-Berliner WernerSeelenbinder-Halle gespielt, zusammen
mit Kreator, Coroner und Sabbat, Labelkollegen von Noise-Records. Das war ein
unvergessliches Erlebnis, die Leute waren
ausgehungert, ausgezehrt und lechzten
nach Live-Mucke, nach Metal.
Als Mitte der Neunziger Metal kaum gehört
wurde, habt ihr euch mal überlegt, wie bei­
spielsweise Aerosmith mit Run DMC andere
Art von Musik zu machen?
Nee, das einzige, was wir gemacht haben,
war ein Projekt mit dem Namen Tankwart.
Wir hatten zuvor schon einen deutschen