Der Neustädter Friedhof in Brandenburg an der Havel
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Der Neustädter Friedhof in Brandenburg an der Havel
Seminararbeit im Seminarkurs „Denkmalschutz“ Klassenstufe 12 Betreuende Fachlehrerin: Frau Webrink Die Reichsteins: Eine Brandenburger Industriellen-Familie Sarah Arndt von Saldern-Gymnasium Europaschule Tutorium 12/2 Abgabedatum: 28.11.2014 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung.........................................................................................................3 2. Begriffsbestimmung.........................................................................................4 2.1. Der Friedhof - mit besonderem Augenmerk auf das Bestattungswesen um das 19. Jahrhundert in Deutschland.....................4 2.2. Das Grabdenkmal und die Einstufung als Denkmal..........................5 2.3. Brennabor..........................................................................................6 3. Allgemeine Betrachtung des Neustädtischen Friedhofs Brandenburg a.d.H................................................................................................................7 4. Grabmal der Gebrüder Reichstein...................................................................8 4.1. Historische Einordnung des Lebens der Gebrüder Reichstein..........8 4.2. Kunsthistorische Untersuchung des Grabmals der Familie des Kommerzienrates Carl Reichstein..........................................................10 5. Das Wirken der Familie Reichstein in der Stadt Brandenburg......................12 5.1 Die Entwicklung des Familienunternehmens Brennabor..................12 5.2 Die soziale Situation der Arbeiter in den Brennabor-Werken...........14 6. Zusammenfassung.......................................................................................16 7. Anhang..........................................................................................................17 7.1. Literatur- und Quellenverzeichnis...................................................17 7.2. Anlage 1..........................................................................................19 7.3 Selbstständigkeitserklärung.............................................................20 2 1. Einleitung Die vorliegende Seminararbeit bildet den Abschluss des zweijährigen Seminarkurses „Denkmalschutz“ am von Saldern-Gymnasium Brandenburg. In diesen zwei Jahren hat sich unser Kurs intensiv mit der Thematik Denkmalschutz auseinandergesetzt und nahm unter anderem auch an dem Projekt „Denkmalaktiv“ teil. Unter dem Thema „Unbequeme Denkmäler“ wurde in diesem Zusammenhang, als Ergebnis umfassender Recherchen, ein Flyer über den Neustädtischen Friedhof Brandenburg a.d.H. erstellt. Die Kursteilnehmer wählten eigens ein oder mehrere denkmalgeschützte und interessante Grabanlagen des Friedhofs aus, die sie später näher analysieren und untersuchen wollten. Diese Arbeit soll sich daher mit der Grabanlage des Kommerzienrates Carl Reichstein sen. beschäftigen. Die Reichsteins waren einst sehr bedeutende Industrielle und ihr Unternehmen Brennabor ist auch heute noch vielen Einwohnern Brandenburgs bekannt. So verweisen auch Spuren wie z.B. die Carl-Reichstein-Straße, die Reichstein Villa und die „Kunsthalle Brennabor“ auf die wohlhabende Familie. Weitere Schwerpunkte dieser Arbeit bilden die nähere Betrachtung des Neustädtischen Friedhofs, eine Untersuchung des Grabdenkmals der Familie Reichstein sowie die Schilderung der Entwicklungen des Familienunternehmens Brennabor. Diese Arbeit erhebt hierbei keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll lediglich einen Einblick in dieses Thema geben. 3 2. Begriffsbestimmung 2.1 Der Friedhof - mit besonderem Augenmerk auf das Bestattungswesen um das 19. Jahrhundert in Deutschland Der Begriff Friedhof spielt in meiner Seminararbeit eine thematisch tragende Rolle, von daher möchte ich im Folgenden näher auf ihn eingehen und dabei ebenfalls das Bestattungswesen im 19. Jahrhundert in Deutschland enger betrachten. Seine Herkunft findet das Wort Friedhof im Mittelhochdeutschen als vrithof, das sich später im Althochdeutschem zu frithof weiterentwickelte und schließlich seine heutige Schreibweise annahm. Es bedeutete so viel wie eingehegter Raum und ist der Ort, an dem Verstorbene, meist in einem religiösen Ritus, bestattet werden.1 Erst mit der Reformation kam es zu einer weitreichenden Reform des Bestattungswesens, die unter anderem allmählich zur Verlegung der Kirchhöfe und zum Abbau ihrer Befestigungsmauern führte. Die Kirchen und Kirchhöfe waren damals oft in einem äußerst miserablen Zustand. So herrschte in den meist überladenen Kirchen ein penetranter Verwesungsgeruch vor und auch die Kirchhöfe boten einen erschreckenden Anblick; Die Verstorbenen wurden nur knapp unter der Erde bestattet, sodass Tiere diese leicht wieder ausgraben konnten. Dies brachte hygienische und medizinische Bedenken hervor. Erstmals wurde sich im Jahre 1772 in Österreich mit den Josephinischen Hofdekreten gegen die Bestattung in Kirchen gewendet und eine Verlegung der Grüfte aus den Ortschaften wurde vorgeschrieben. Später folgten ähnliche Gesetze in den Nachbarländern. Mit der Aufklärung kam auch eine Sensibilität für hygienische Probleme auf, sodass die innerstädtischen Friedhöfe als gesundheitsschädlich für die Bevölkerung eingestuft wurden und auch daher verlegt werden sollten. So wurde 1794 im preußischen Landrecht verfügt, dass die Leichen nicht mehr in den Kirchen oder bewohnten Gegenden beerdigt werden dürfen.2 Nun entstanden neue Anlagen außerhalb der besiedelten Gebiete, wie auch der neustädtische Friedhof in Brandenburg an der Havel. Er lag bei seiner Anlegung um 1740 ebenfalls weit außerhalb der Tore der Stadt. 1 vgl.: http://www.duden.de/rechtschreibung/Friedhof Zugriff: 5.10.2014 2 vgl.: Meis, Mona Sabine S. 16-17 4 Eine weitere Richtlinie dieser Zeit besagte, dass die Friedhöfe an einem möglichst leicht erhöhten Ort errichtet werden und nur eine spärliche Bepflanzung haben sollten, da befürchtet wurde, dass diese gefürchtete Gase, die so genannten Miasmen, auf Grund mangelnder Luftzirkulation stauen würde. Zu dem gab es eine Neuerung bezüglich der Einzelbestattung; Entgegen der veralteten Praxis der Gemeinschaftsgruben sollten nun Einzelgräber für jeden Leichnam angelegt werden. Aus platzökonomischen Gründen kam es hier zur Herausbildung des Reihengrabs, ein Einzelgrab, das in chronologischer Folge und in Reihen errichtet wurde. Mit dem Reihengrab wurden auch geregelte Ruhefristen eingeführt, die eine behördliche Kontrolle erleichterte und somit zur sich schärfenden Bürokratisierung der Friedhöfe, wie wir es heute kennen, beitrug.3 2.2 Das Grabdenkmal und die Einstufung als Denkmal Laut dem Gesetz über den Schutz und die Pflege der Denkmale im Land Brandenburg vom 24. Mai 2004 sind Denkmale „Sachen, Mehrheiten von Sachen oder Teile von Sachen, an deren Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen, wissenschaftlichen, technischen, künstlerischen, städtebaulichen oder volkskundlichen Bedeutung ein öffentliches Interesse besteht.“ Sie werden gesetzlich geschützt und in ein öffentliches Verzeichnis, die Denkmalliste, eingetragen.4 Das Grabdenkmal ist eine besondere Form des Denkmals und definiert sich eindeutig durch seinen Standort. Es befindet sich auf bzw. an einem Bestattungsort und seine möglichen Funktionen sind unter anderem die Erinnerung, Lobpreisung oder Mahnung.5 3 vgl.: Meis, Mona Sabine S. 19 4 vgl.: http://www.bravors.brandenburg.de/sixcms/detail.php?gsid=land_bb_bravors_01.c. 15128.de#2 Zugriff: 10.10.2014 5 vgl.: Meis, Mona Sabine S. 11 5 2.3 Brennabor Der Begriff Brennabor ist eine Schöpfung des tschechischen Jesuiten Bohuslaus Balbinius, der ihn im Jahre 1677 in einer Abhandlung zur böhmischen Geschichte veröffentlichte. Darin bezeichnete er Brandenburg zur Zeit der Slawen freimütig mit Brannybor, was übersetzt so viel wie Schutzwald oder Wache des Waldes bedeutet. Der Brandenburger Stadthistoriker Otto Tschirch stellte um 1900 fest: „Es unterliegt keinem Zweifel, dass diese Ableitung von dem tschechischen Geistlichen selbst stammt." Tatsächlich gibt es bis heute allerdings keine Quellen, die Balbinius` Aussage stützen, sodass diese Auffassung nicht auf einer historischen Grundlage beruht. Die Verbreitung der Bezeichnung Brennabor wurde dann maßgeblich durch die Gebrüder Reichstein vorangetrieben, die, im Glauben daran, dass ihre Heimatstadt einst so hieß, im Jahre 1892 ihre Fahrräder und wenig später auch das gesamte Werk so nannten.6 6 vgl.: Geiseler, Udo und Heß, Klaus Hg. (2008) S. 58 6 3. Allgemeine Betrachtung des Neustädtischen Friedhofs Brandenburg a.d.H. Der Neustädtische Friedhof befindet sich auf einem ehemaligen Gartengelände südlich der Neustadt in der Kirchhofstraße und wurde um 1740 angelegt. Er diente als Ersatz für die aufgegebenen Kirchhöfe von St. Katharinen und St. Pauli. Die Friedhofsfläche wurde damals sehr großzügig angelegt, sodass trotz einer verstärkten Belegung infolge einer Ruhrepidemie nicht genutzte Bereiche als Ackerland, Gewerbefläche für Tuchmacher und Exerzierplatz verwendet wurden. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts überließ man wegen finanziellen Schwierigkeiten den Bürgern die Erbbegräbnisse an einer Seite des Friedhofs unentgeltlich, wenn sie im Ausgleich dazu die Einfriedungsmauer auf eigene Kosten errichteten und erhielten. Anhand von Stadtplänen lässt sich des Hauptwegsystem seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nachweisen und ab 1880 nahm das Wegenetz seine endgültige Auslegung an. Die Grundfläche des Friedhofs ist trapezförmig und wird von einer Mittelallee in zwei etwa gleich große Felder geteilt, die von einem Weg umschlossen werden. Heute werden die Wege von Linden, Kastanien, japanischen Zierkirschen und Kugelahornbäumen geziert. 7 Der Neustädtische Friedhof ist Bestandteil der Denkmalliste des Landes Brandenburg (Stand: 31.12.2013), die besagt, dass die gärtnerische Gesamtanlage, Einfriedung, Friedhofskapelle, Einfassung der Grabstellen und Grabmäler des 18. bis 20. Jahrhunderts unter Denkmalschutz stehen. 8 Die Friedhofskapelle, gelegen an der Hauptallee des Friedhofs, wurde im Jahre 1908 unter Leitung des Architekten Walter Sackur errichtet. Es handelt sich hierbei um einen Ziegelbau, der ein qualitätsvolles Beispiel für die Friedhofskapellen-Architektur des frühen 20. Jahrhunderts ist und einen leicht T-förmigen Grundriss besitzt. Die Innenausstattung samt Empore und Gestühl ist noch immer erhalten. 9 7 vgl.: Buchinger, Marie-Luise (1995) S. 58-59 8 http://www.bldam-brandenburg.de/images/stories/PDF/DML2013/01-brb-internet-14.pdf Zugriff: 8.10.2014 9 vgl.: Buchinger, Marie-Luise (1995) S. 59 7 4. Grabmal der Gebrüder Reichstein 4.1 Historische Einordnung des Lebens der Gebrüder Reichstein Die Gebrüder Reichstein waren die Söhne des Korbmachermeisters Eduard Reichstein (1810-1862), der seit 1835 in Brandenburg a.d.H. ansässig war. Der Älteste der Söhne hieß Adolf Reichstein (1839–1910), welcher später auch das Geschäft des Vaters übernahm, danach wurde Hermann Reichstein geboren (1841–1913) und später folgte sein Bruder Carl Reichstein (1847-1931). Der Jüngste war schließlich Eduard Reichstein (1850-1893).10 Da die Familie Reichstein vorrangig in der Industrie der Stadt Brandenburg tätig war, möchte ich mich im Folgendem, neben den markanten historischen Ereignissen, besonders auf die industrielle Entwicklung Brandenburgs konzentrieren. Bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war Brandenburg eine Handwerkerstadt, die sich hauptsächlich auf die Textilindustrie spezialisierte.11 Im Jahr 1850 beispielsweise zählte die Stadt 105 Tuchfabrikanten, 40 Leinenund Garnweber und fünf Spinnereien. Ripsstoffe wurden zum Exportschlager deren Hauptausfuhrland die USA waren. Diese jedoch führten hohe Zölle für Textilien ein, was, zusätzlich zu der Rückständigkeit der Technik und dem harten Konkurrenzkampf mit der kostengünstigeren Lausitzer Textilindustrie, das Ende der meisten Betriebe in Brandenburg bedeutete. Schließlich beschleunigte 1871 ein 13-wöchiger Streik den Niedergang.12 Seit der Zeit der Befreiungskriege im Jahre 1813/14 war Brandenburg eine stark verschuldete Provinzstadt, die ca. 18.000 Einwohner zählte. Von 1840 bis 1848 bildete der Oberbürgermeister Franz Ziegler die Spitze der Stadt. In dieser Zeit herrschte, trotz der Aufhebung der Zensur und der weiteren Zusicherung des Demonstrations-, Versammlungs,- und Rederechtes durch König Friedrich Wilhelm IV., das Gefühl der zunehmenden Unsicherheit. Dies machte sich z.B. in der städtischen Sparkasse bemerkbar, von der beschleunigt Geld abgehoben wurde. Mit den zunehmenden Spannungen in Berlin im Sommer 1848 erfolgte auch in Brandenburg eine Polarisation der Bürgerschaft in zwei Hauptlager das der Demokraten und der Konservativen. Die wirtschaftliche Rezession und 10 vgl.: Seherr-Thoß, Hans Christoph Graf von (2003) S. 320-321 11 vgl.: Pavel, Bertolt Hg. (1996) S. 12 12 vgl.: Heß, Klaus (1992) S. 57-59 8 wachsender sozialer Druck auf das Proletariat im Laufe des Jahres verschärften die politische Stimmung. Daraufhin wurden auf Initiative von Ziegler Maßnahmen zur Notlinderung und Wirtschaftsbelebung getroffen. So wurde z.B. Getreide verteilt und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wurden ergriffen. Die Revolution 1848/49 endete auch in Brandenburg mit der Wiedereinführung der Polizeiüberwachung und brachte auch hier eine Lähmung der politischen Aktivität und der Meinungsbildung hervor.13 Eine weitere Entwicklungsetappe begann nach der Gründung des Deutschen Reiches im Jahre 1871. Binnen weniger Jahrzehnte verwandelte sich Brandenburg in eine sehr bedeutende Industriestadt. Dies führte zu einem Anstieg der Bevölkerungszahl. So besaß die Stadt 1880 28.621 Einwohner und um 1900 schon 45.471. Die Nähe zu Berlin und die günstige Verkehrslage mit den gut ausgebauten Wasserwegen der Havel, der 1846 eingeweihten Eisenbahnlinie und dem Zusammentreffen wichtiger Landstraßen, wirkten sich als positive Standortfaktoren aus. In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden dann zahlreiche Betriebe in der Metallindustrie und um 1890 siedelte sich auch die Textilindustrie in Brandenburg wieder an. 14 Zum Ende des Jahrhunderts kam es dann auch zu einer Neuerung im Personennahverkehr. Am 1. Oktober 1897 wurde die erste Straßenbahnlinie, damals noch als Pferdebahn, von einer Kommanditgesellschaft eröffnet. Sie wurde 1910 von der Stadt für 280.000 Mark aufgekauft und auf einen elektrischen Betrieb umgestellt. 15 Mit dem Bau des Stahl- und Walzwerkes begann eine neue Etappe in der Brandenburger Industrie. Von 1912 bis 1914 errichtete der Industrielle Rudolf Weber das erste Stahlwerk in dem Gebiet des Silokanals, das die großen Stahlschrottmengen aus dem Berliner Raum als Rohstoff nutzte. In den Jahren des 1. Weltkrieges verdienten besonders Fabrikanten aus der Metallindustrie an der Kriegsproduktion. So fertigten die Brennaborwerke, die Gießerei und Werft der Wiemann Brüder, die Elisabethhütte und die Firma Richter Granaten an, die direkt an die Front geliefert wurden. Die Weltwirtschaftskrise in den folgenden Jahren traf die Stadt Brandenburg ebenfalls sehr hart. Dies lag vor allem an ihrer wirtschaftlichen Ausrichtung. Der 13 vgl.: Geiseler, Udo u. Heß, Klaus Hg. (2008) S. 308, 310 14 vgl.: Heß, Klaus (1992) S. 59, 61-62 15 vgl.: Heß, Klaus (1992) S. 66 9 Großteil der Produktion bestand aus Waren, wie z.B. Fahrräder, Spielwaren, Pianoplatten und Lederwaren, auf die während der Krisenzeiten als erstes verzichtet werden konnte. Als Folge dessen kam es zu einer großen Zahl von Konkursen, unter anderem der Corona-Fahrradwerke 1929, der Elisabethhütte 1929 und der Brennaborwerke 1931. Die noch bestehenden Betriebe mussten ihre Produktion stark beschränken, sodass es viele Entlassungen und Kurzarbeit gab. In jener Zeit galt Brandenburg zu den Städten mit der höchsten Rate an Arbeitslosen und im Jahre 1932 lebten 48 Prozent der Einwohner von Arbeitslosen-, Krisen- oder Wohlfahrtsunterstützung. 16 4.2 Kunsthistorische Untersuchung des Grabmals der Familie des Kommerzienrates Carl Reichstein Die Grabanlage der Familie des Kommerzienrates Carl Reichstein stammt aus den frühen 1930er Jahren. Die hier begrabenen Personen sind zum einen Carl und seine Frau Emma Reichstein, sowie Carl-Ernst, Hermann, Eduard, Fritz und Adolf Reichstein. Es handelt sich um eine neoklassizistische Anlage, bestehend aus einer rückwärtigen Kolonnade mit Pfeilern, auf denen Putten mit gesenkten Fackeln angebracht sind. In der Mitte befindet sich eine Nische, die aus zwei kannelierte Säulen, einer mit blauem Mosaik geschmückten Rückwand und Gebälk gebildet wird. In ihr ist eine Grabstele platziert, die von einer rosenbedeckten Urne 17 gekrönt wird.18 Die Inschrift der Stele wurde vertieft eingearbeitet und anschließend vergoldet. Sie lautet: „Es kommt die Nacht da Niemand wirken kann Kommerzienrat Carl Reichstein Ehrenbürger der Stadt Brandenburg Geb. 23. Februar 1847 Gest. 17. Januar 1931 Emma Reichstein geb. Schmidtsdorf Geb. 5. Januar 1864 Gest. 20. Juli 1940 “ 16 vgl.: Heß, Klaus (1992) S. 71 17 Anm.: Eine weitere, von Dr. Niemeyer (Archäologe) vertretene, wissenschaftliche Meinung ist, dass es sich hierbei auch um eine Blumenschale handeln könnte. 18 vgl.: Buchinger, Marie-Luise (1995) S. 64 10 Die Urne, hier von einem Lorbeerkranz umwunden, der auf die Tugenden der Verstorbenen verweist,19 als unvergängliches Gefäß der sterblichen Überreste, ist ein wichtiges Todes-, Trauer-, und Ewigkeitssymbol in der Grabplastik. Sie ist ein beliebtes Bekrönungsmotiv. 20 Ein weiteres Symbol, das einen Bestandteil der Grabanlage bildet, ist der Putto , der sich auf einer gesenkten Fackel abstützt und als Relief auf die vier Pfeiler der Kolonnade gearbeitet ist. Er taucht ebenfalls insgesamt vier mal auf. Die äußeren Putten, jeweils einer auf der rechten und linken Seite, sind allerdings nur schwer erkennbar, da sie mit Efeu überwachsen sind. Putten und Engel gelten als Seelengeleiter und Helfer beim Trauern und Gedenken an die Verstorbenen. Sie übersetzen die Empfindungen des Betrachters in eigenes Handeln und knüpfen antiken Eroten und Kinderengel im späten Mittelalter an. Die gesenkte Fackel versinnbildlicht das Verlöschen des Lebens und die damit verbundene Hoffnung auf Auferstehung. Sie erinnert an die umgestülpten Lebensfackeln der Trauer-Eroten an römischen Sarkophagen.21 Die Inschrift Es kommt die Nacht da Niemand wirken kann ist biblischen Ursprungs, stammt aus dem Johannes-Evangelium Kapitel 9 Vers 4 aus dem Neuen Testament und ist ein Ausspruch Jesu. In diesem Kapitel trifft er einen Blinden, den er heilt und ihm das Augenlicht wiederschenkt. 22 Der vollständige Vers lautet: „Wir müssen die Werke dessen wirken, der mich gesandt hat, solange es Tag ist; es kommt die Nacht, da niemand wirken kann.“ Dies kann so gedeutet werden, dass wir Menschen nur eine begrenzte Lebenszeit haben und daher in der Zeit wirken müssen, die uns Gott gegeben hat. 23 19 vgl.: Meis, Mona Sabine S.121 20 vgl.: Brehm, Knut (1994) S. 21 21 vgl.: Brehm, Knut (1994) S. 23-24 22 vgl.: Johannes 9 : 4 23 vgl.: http://www.ev.theologie.uni-mainz.de/zimmermann/gleichniskompendium/downloads/ manuskripte/090_Joh_11,9f._Koester.pdf Zugriff: 20.10.2014 11 5. Das Wirken der Familie Reichstein in der Stadt Brandenburg Die Familie Reichstein ist in Brandenburg vor allem für die Gründung ihrer Firma Brennabor bekannt. Im Folgenden werde ich nun den Aufstieg der einstigen Korbmacherfamilie hin zu vermögenden Großindustriellen näher betrachten. Da in den Brennabor-Werken zahlreiche Brandenburger und Brandenburgerinnen beschäftigt wurden, möchte ich ebenfalls kurz auf die soziale Situation in den Werken eingehen. 5.1 Die Entwicklung des Familienunternehmens Brennabor Im Jahre 1869 beschlossen die Brüder Adolf, Hermann, Carl und Eduard Reichstein, auf einen Vorschlag Adolfs, eine Kinderwagenfabrik zu gründen. Sie waren alle, wie auch ihr Vater einst, gelernte Korbmacher. Die Fertigung der Körbe der Kinderwagen übernahmen die Brüder zum Anfang selbst und die Untergestelle und Verdecke wurden von einem Sattel- und einem Schlossermeister angefertigt. Auf diese Weise produzierten sie bis zum Frühjahr 1870 einige hundert Kinderwagen, die in Berlin zum Verkauf angeboten wurden. Nach einer einjährigen Unterbrechung auf Grund des Ausbruches des Deutsch-Französischen Krieges, begann im April 1871 mit 15 Mitarbeitern die fabrikmäßige Herstellung handgeflochtener Kinderwagen. Bereits zwei Jahre später erhielt das Unternehmen erste internationale Anerkennung auf der 3. Weltausstellung in Wien. Dort bekamen sie für ihre Kinderwagenmodelle die Goldene Verdienstmedaille verliehen. 1874 vergrößerten die Gebrüder ihre Produktionsstätten und erwarben ein Grundstück in der Schützenstraße 34 (die heutige Geschwister-Scholl-Straße). Neubauten konnten nun errichtet werden und die damals 300 Mitarbeiter produzierten 100 Kinderwagen am Tag.24 Nach einer erneuten Erweiterung der Werke durch den Erwerb weiterer Grundstücke in der Schützenstraße, begann 1882, auf Betreiben Carl Reichsteins hin, die Eigenproduktion von Fahrrädern. Zu Beginn wurden dafür die Einzelteile aus England eingekauft und lediglich montiert, doch bereits 1883 fing man an, die englischen Modelle komplett selbst nachzubauen.25 24 vgl.: Pavel, Bertolt Hg. (1996) S. 12-13 25 vgl.: Pavel, Bertolt Hg. (1996) S. 16 12 Die nächste Entwicklungsetappe des Unternehmens begann 1902 mit der serienmäßigen Herstellung von Motorrädern. Die Entwicklungsarbeiten dafür begannen schon in den 1890er Jahren. Als Antrieb dienten die in einer Aachener Stahlwarenfabrik produzierten Fafnir-Motoren und die restlichen Bauteile wurden in den Brennabor-Werken hergestellt.26 Um die Qualität der Motorräder unter Beweis zu stellen nahm Brennabor im Jahre 1904 an zahlreichen Motor-Wettfahrten teil und war dabei stets unter den ersten Plätzen vertreten (vgl. Anlage 1). Das neue Jahrhundert brachte Neuentwicklungen auf dem Automobilsektor, die Carl Reichstein mit großem Interesse verfolgte. Im Gegensatz zu Firmen wie z.B. Rolls Royes, konzentrierte er sich auf die breite Mittelschicht, die nur über weniger finanzielle Mittel verfügte, sodass 1906 der erste Kleinwagen Brennabors auf den Markt kam. 27 Im Jahre 1907 arbeiteten fast 2500 Mitarbeiter in dem Werk, das ebenfalls eine Werkzeugschlosserei, Lackiererei, Korbmacherei, Tapeziererei, Sattlerei und eine Abteilung zum Bau von Spezialmaschinen umfasste. Drei Jahre später, am 10.9.1910, starb Adolf Reichstein, dessen Anteile am Unternehmen sein Bruder Carl übernahm. Da er als einziger der vier Brüder noch als Geschäftsführer tätig war, arbeitete er seine Söhne Walter, Carl jun. und Ernst mit in die Firma ein und betraute sie mit leitenden Aufgaben. 28 Nach dem Ausbruch des 1. Weltkrieges kam es in den Brennabor-Werken zur Umstellung der Produktion. Die Automobilfertigung wurde eingestellt und musste der Herstellung von Granaten und Körben zu deren Verpackung weichen. Mit seinem 70. Geburtstag im Jahre 1917 zog sich Kommerzienrat Carl Reichstein aus dem Geschäft zurück und machte seine Söhne zu Miteigentümern des Unternehmens. 29 Als 1920 Eduard Reichstein, der von seinem Vater in die USA geschickt wurde um die dortige Fließbandtechnik in den Fabriken zu studieren, nach Brandenburg zurückkehrte, begann er mit der Umstellung der Fertigungsanlagen auf Fließbandarbeit. 30 26 vgl.: Daniel, Roger (2005) S. 207 27 vgl.: Daniel, Roger (2005) S. 222-223 28 vgl.: Pavel, Bertolt Hg. (1996) S. 28-29 f. 29 vgl.: Pavel, Bertolt Hg. (1996) S. 30 f. 30 vgl.: Daniel, Roger (2005) S. 248 f. 13 Zur Mitte der zwanziger Jahre wuchs der Konkurrenzdruck in der deutschen Automobilfertigung stark an. Dies lag unter anderem auch an der stärkeren Öffnung des Automobilmarktes für ausländische Firmen, die in Deutschland Montagewerke bauten und so, mit hohen Stückzahlen, schnell Fuß fassten.31 Dies war einer der Gründe, weshalb Brennabor in eine verheerende Absatzkrise geriet. Bereits 1928 ging der Umsatz um 10 Millionen RM zurück und es kam zu einem Verlust von 0,3 Millionen RM. Auch in den Folgejahren bis 1931 gelang es dem Unternehmen nicht, die Gewinneinbußen und Verluste zu meistern, sodass die Geschäftsbanken nicht mehr bereit waren, neue Kredite zu bewilligen. Damit stand das Unternehmen vor dem Konkurs. Um diesen abzuwenden, wurde ein Vergleichsverfahren von einem Ausschuss, bestehend aus sieben gewählten Gläubigern, eingeleitet. Am 5.12.1938 wurde die Liquidation als beendet erklärt und somit endete, auch juristisch gesehen, die Geschichte des 1871 gegründeten Familienunternehmens. 32 5.2 Die soziale Situation der Arbeiter in den Brennabor-Werken Von Beginn des 20. Jahrhunderts bis 1911 betrug die Arbeitszeit in den Brennabor-Werken 60 Wochenstunden. Da sich die Gebrüder Reichstein bei den Tarifverhandlungen als sehr zähe Verhandlungspartner erwiesen, kam es oft zu Streiks, auf die, durch die Unternehmensleitung, mit Aussperrungen geantwortet wurde. Größere Arbeitskämpfe dagegen ereigneten sich in den Jahren 1906, 1912 und 1913. Die dabei vertretenen Forderungen waren zum einen eine Herabsetzung der Arbeitszeit auf 55,5 Stunden und zum anderen eine Lohnerhöhung von 5 Pf./Stunde. Es konnte sich allerdings nur auf eine Kompromisslösung geeinigt werden, die 57 Stunden Wochenarbeitszeit und eine Lohnzulage von 2 Pf./Stunde vorsah. Einer Lohntabelle ist zu entnehmen, dass Frauenarbeit stark benachteiligt wurde. Frauen verdienten damals etwa nur halb so viel wie ihre männlichen Kollegen. Dies war jedoch auch in vielen anderen Unternehmen stark verbreitet. 33 Nach dem 1. Weltkrieg wurden in ganz Deutschland der Achtstundentag und 31 vgl.: Pavel, Bertolt Hg. (1996) S. 50 f. 32 vgl.: Pavel, Bertolt Hg. (1996) S. 62 f. 33 vgl.: Pavel, Bertolt Hg. (1996) S. 33 f. 14 die 48-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich eingeführt, wodurch sich auch die Situation der Arbeiter Brennbors stark verbesserte.34 Neben den ziemlich harten Arbeitsbedingungen, die in den Brennabor-Werken herrschten, sind auch die Wohlfahrtseinrichtungen der Gebrüder Reichstein zu benennen. Im Jahre 1896 stifteten sie einen Fonds von 50.000 RM, dessen Zinsen den Arbeitern und ihren Angehörigen bei Unterstützungsbedürftigkeit zugute kommen sollte. Zu dem gleichen Zweck stiftete Hermann Reichstein , als er 1909 aus dem Unternehmen ausschied, weitere 200.000 RM. Dieser Fonds bildete die Grundlage für eine Arbeiterunterstützungskasse, die im selben Jahr durch die Firma ins Leben gerufen wurde. Nach dem Tod Adolf Reichsteins wurden ebenfalls 100.000 RM zur Bildung einer Arbeiterpensionsund Witwenunterstützungskasse. Als in den Nachkriegsjahren des 1. Weltkrieges Krankheiten, wie z.B. Tuberkulose und Rachitis, zunahmen, eröffnete Carl Reichstein sen. die „Carl Reichstein-Stiftung“ und übergab der Stadt Brandenburg 1 Million Mark um mit deren Zinsen die Gesundheit schwacher und gebrechlicher Kinder wieder herzustellen. 35 34 vgl.: Pavel, Bertolt Hg. (1996) S. 57 35 vgl.: Pavel, Bertolt Hg. (1996) S. 33 15 6. Zusammenfassung Diese Seminararbeit schilderte den beispielhaften Aufstieg eines Korbmachers der sich zum Autokönig entwickelte. Eine zentrale Rolle spielte dabei stets das Rad, das auch mit Fortschritt assoziiert werden kann, der die Reichsteins charakterisierte. Ihr Investitionsmut und Trendgespür waren die Dinge, die ihrem Unternehmen großen wirtschaftlichen Erfolg erbrachten. Sie können daher auch heute noch als Vorbild für viele Unternehmer dienen. Das Unternehmen Brennabor hielt sogar einem Weltkrieg stand und existierte selbst nach dem Konkurs in den 30er Jahren als Brennabor Aktiengesellschaft weiter. Abschließend ist zu sagen, dass ich den Friedhof als Denkmal sehr schützenswert finde, da jedes einzelne seiner Gräber eine Familiengeschichte, vergleichbar mit der, der Familie Reichstein, beinhaltet und somit ein Stück der Stadtgeschichte bewahrt. Der Friedhof ist schließlich nicht nur ein Ort der Trauer, sondern auch ein Ort des Gedenkens und der Erinnerung. 16 7. Anhang 7.1. Literatur- und Quellenverzeichnis Bücher Brehm, Knut (1994) Grabmalkunst aus vier Jahrhunderten; Berlin; Märkisches Museum, Berlin und Argon Verlag GmbH: 1994 Buchinger, Marie-Luise (1995) Denkmale in Brandenburg - Stadt Brandenburg an der Havel, Band 1.2; 1. Auflage; Worms; Wernersche Verlagsgesellschaft: 1995 Daniel, Roger (2005) Brennabor - Vom Korbmacher zum Autokönig; Originalausgabe; Lappersdorf; Kerschensteiner Verlag: 2005 Geiseler, Udo und Heß, Klaus Hg. (2008) Brandenburg an der Havel - Lexikon zur Stadtgeschichte; Erstausgabe; Berlin; Lukas Verlag für Kunst- und Geistesgeschichte: 2008 Heß, Klaus (1992) Brandenburg - so wie es war; Düsseldorf; Droste Verlag GmbH: 1992 Pavel, Bertolt Hg. (1996) Von Brennabor bis ZF Brandenburg - Eine Industriegeschichte; Berlin; Brandenburgerisches Verlagshaus: 1996 Seherr-Thoß, Hans Christoph Graf von (2003) „Reichstein, Carl Eduard Rober“, in: Neue Deutsche Biografie 21; Verlag Duncker und Humblot: 2003 17 Internet Denkmalliste Brandenburg a.d.H. Quelle: http://www.bldam-brandenburg.de/images/stories/PDF/DML2013/01brb-internet-14.pdf Denkmalschutzgesetz Brandenburg Q u e l l e : h t t p : / / w w w. b r a v o r s . b r a n d e n b u r g . d e / s i x c m s / d e t a i l . p h p ? gsid=land_bb_bravors_01.c.15128.de#2 Duden Quelle: http://www.duden.de/rechtschreibung/Friedhof Koester, Craig E. Q u e l l e : h t t p : / / w w w . e v. t h e o l o g i e . u n i - m a i n z . d e / z i m m e r m a n n / gleichniskompendium/downloads/manuskripte/090_Joh_11,9f._Koester.pdf Meis, Mona Sabine Historische Grabdenkmäler der Wupperregion; Quelle: http://d-nb.info/ 968360726/34 18 7.2. Anlage 1 Daniel, Roger (2005), S. 209 19 Selbstständigkeitserklärung: Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Seminararbeit ohne fremde Hilfe angefertigt und nur die im Literaturverzeichnis aufgeführten Quellen und Hilfsmittel benutzt habe. 20