Subjetive_Fremdheitslage_in_Ladakh - Phil.
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Subjetive_Fremdheitslage_in_Ladakh - Phil.
Frank Kressing Abschlußbericht für das von der Stiftung Volkswagenwerk geförderte Forschungsprojekt Fremdheitslage, Fremdheitslast und Fremdheitslösungen im buddhistischen Ladakh – Perzeptions- und Abgrenzungsmechanismen in einer Region des indischen Himalayas (1998 – 2001) Teilprojekt (1): Subjektive Fremdheitserfahrung In Ladakh1 INHALTSVERZEICHNIS Seite A. EINLEITUNG: FRAGESTELLUNG UND METHODE 4 1. Die Fragestellung 4 2. Die Untersuchungsregion 6 2.1. 2.2. 2.3. 2.4. 2.5. 2.6 2.7. Das traditionelle Ladakh - ein Überblick Die Religionen Die Sprachen Die ökonomische Grundlagen Die traditionelle Sozialstruktur Die traditionelle Familienorganisation Der Buddhismus tibetischer Prägung in Ladakh 6 6 8 9 9 9 10 Fremdheitserfahrung in Ladakh – bisheriger Stand der Forschung und Forschungslücken 11 3.1. 12 3. 1 Der bisherige Stand der Forschung 3.1.1. Der Einfluß Indiens, Kashmirs, und des Westen 3..1.2. Begegnung von Tradition und Fremdem: Symptome gesellschaftlicher Spannungen 3.1.3. Versuchte Fremdheitslösungen und Religion 17 19 3.2. 21 Forschungslücken 12 Identisch mit dem sogenannten Basisprojekt der Antragstellung, unveröffentlichter Forschungsbericht aus dem Jahre 2001. 2 4. Der theoretische Kontext der Fragestellung 21 4.1. 22 Die Begrifflichkeiten 4.2. 4.2.1. 4.2.2. 4.2.3 4.2.4. Theoretische Rahmenkonzepte Identität und Ethnizität Akkulturation und Modernisierung Konzepte von Streß und coping – Belastung und Bewältigung Zusammenhänge zwischen Akkulturation, Modernisierung, Streß und coping 4.2.5. Migration, Streß und coping 23 23 29 39 5. Forschungsleitende Hypothesen 69 6. Untersuchungsmethode und Datenbasis 72 6.1. 6.2. 72 6.3. 6.4. 6.5. Die Untersuchungsmethode Die Einordnung der Untersuchungsmethode in neuere Trends des Faches Ethnologie Die Datenbasis Die Auswertung der Daten Die regionale Verteilung der Gespräche Raumskizze zum Nubra-Tal 45 61 76 80 89 92 93 7. Übersicht über die Ergebnisdarstellung 95 B. ERGEBNISSE 96 1. Die Perzeption von Fremdheitseinflüssen in den narratives der Ladakhi-Gesprächspartner - ein Beispiel 96 2. Das Bild der Vergangenheit 106 2.1. 2.2. 107 2.3. 3. Sehnsucht: Die Werte der Vergangenheit Abgrenzung: Die Last des einfachen Lebens 110 Ursachentheorien von Verlust und Änderung 116 Das Bild der Gegenwart 119 3.1. 119 Die neuen Fakten, die neuen Werte 3.1.1. Das zwiespältige Bild der Modernisierung 3.1.2 Aussagen zur Fremdheitserfahrung in der Konfrontation mit "Indien" 120 126 3 3.1.3. Aussagen zur Fremdheitserfahrung in der Konfrontation mit Kashmir und “den Moslems" 3.1.4. Fremdheitserfahrungen in der Konfrontation mit dem Tourismus und anderen Einflüssen des "Westens" 3.2. 4. Streßhinweise Subjektive Bewältigungstheorien: Behauptete Strategien der Fremdheitsbewältigung und gesellschaftlich-politische Konzepte 4.1. 4.2. 4.3. 4.4. 4.5. 4.6. „Fremdheitslösungen“ in der Religion Bildung: religiös und säkular Die Lösung des interreligiösen Konfliktes zwischen Buddhisten und Moslems Die Bewahrung der eigenen Kultur und Religion sowie der ökonomischen und kulturellen Selbstständigkeit Engagement in nicht-regierungsgebundenen Organisationen? (NROs/ NGOs/ tshogspas) Zusammenfassung: Fremdheitslösungs- und Bewältigungsstrategien in den narratives der Gesprächspartner 133 147 158 159 160 165 167 167 168 169 C. DISKUSSION DER ERGEBNISSE 170 1. 2. Rückblende auf die Ausgangsfragestellung Interpretation der Ergebnisse im theoretischen Kontext der Begriffe von Akkulturation, Modernisierung, Streß und coping 170 Literaturverzeichnis Glossar Danksagung 171 177 193 197 4 A. EINLEITUNG: FRAGESTELLUNG UND METHODE 1. Die Fragestellung Die gering bevölkerte Himalaya-Region Ladakh liegt im äußersten Nordwesten Indiens, ist jedoch Teil des tibetischen Kulturraumes. Seitdem dieses kleine Land Bestandteil des vom Hinduismus geprägten indischen Staates wurde, den Charakter einer militärisch hochsensiblen Region im Konflikt zwischen Indien und Pakistan annahm und schließlich im Jahre 1974 für den internationalen Tourismus geöffnet wurde, erfuhr es einen massiven gesellschaftlichen Wandel in fast allen Lebensbereichen. Die dreifache Fremdheitserfahrung durch die Begegnung mit der indischen Armee und Verwaltung, mit dem moslemisch geprägten Bundsstaat Kashmir und mit dem Westen in Gestalt des Tourismus führte in der zuvor weitgehend traditionsbestimmten ladakhischen Gesellschaft zu spürbaren Spannungen. Symptome dieser Spannungen bestehen unter anderem in der Auflösung der Familienstrukturen (CROOK und SHAKYA 1994), der Verschlechterung der Position der Frauen (FAHLÉN 2000; HAY 1999; NORBERG-HODGE 1991), der Unzufriedenheit mit dem Schulwesen (NORBERG-HODGE ebd.), im Verlust religiöser Autorität (MANN und GOSH 1986, MANN 1990; TSARONG 1987) und dem Aufkommen interreligiöser Spannungen zwischen den moslemischen und buddhistischen Bevölkerungsteilen (BEEK 1996; BEEK und BERTELSEN 1997; BERTELSEN 1997b, 1997c; OSMASTON 1990). Somit läßt sich mutmaßen, daß die Fremdheitserfahrung zu einer subjektiv erlebten Fremdheitslast wurde und ein diffuser psychischer Streß entstand, welcher nach Lösung sucht. Im Forschungsprojekt verwandten wir durchgängig die drei Begriffe Fremdheitslage, Fremdheitslast und Fremdheitslösung. Mit Fremdheitslage beschrieben wir die mit objektiven Daten belegbare Begegnung mit dem "Fremdem" (vor allem dem indischen Staat, Kashmir und dem Islam, dem "Westen"). Fremdheitserfahrung bezeichnet das subjektiv empfundene Erleben von Fremdheit, mit Fremdheitslösungen werden bezeichnen wir sowohl individuell faßbare als auch sich institutionell manifestierende Strategien, welche bei gegebener Fremdheitslage versuchen, diese entweder zu reduzieren, oder aber die eigenen Ressourcen für eine positive Fremdheitserfahrung zu stärken. Die dem Projekt zugrunde liegende eigene Fragestellung läßt sich in kurzer Form wie folgt umreißen: - - Wird die oben beschriebene Fremdheit auf drei verschiedenen Ebenen von verschiedenen Individuen und Gruppen innerhalb der Bevölkerung Ladakhs eher positiv oder eher negativ empfunden? Wenn die Fremdheitslage als Fremdheitslast, also eher negativ empfunden wird, welche Hinweise auf Lösungen zur Bewältigung dieser Fremdheitserfahrung lassen sich bei den verschiedenen Gruppen und Individuen finden? 5 Dementsprechend untersucht unser Forschungsvorhaben sowohl die durch die Begegnung von Modernisierung und Tradition hervorgerufenen Spannungen in Gestalt einer präzisen Nachzeichnung der Fremdheitserfahrung von verschiedenen Gruppen der ladakhischen Bevölkerung als auch die vermuteten Fremdheitslösungen als eigenständige Antwort einiger ladakhischer Gruppen zur Lösung dieser Spannungen. Unser Ziel bestand darin, Hinweise auf Korrelationen zwischen den drei verschiedenen Momenten der Fremdheitslage (Kashmir, Indien und der "Westen"), den daraus resultierenden Fremdheitserfahrungen als Teil der subjektiven Befindlichkeit und bestimmten Fremdheitslösungen als Mittel der Spannungsreduktion zu ermitteln. Dazu sondierten wir alle drei "unabhängigen Variablen" (das dreifach Fremde in Ladakh: Kashmir, indischer Staat, der "Westen") sorgfältig im Gespräch, um zu eruieren, welche Fremdheitserfahrung (gegebenenfalls Fremdheitslast) sie jeweils möglicherweise bedingen, und welche Fremdheitslösungen sich im narrative mit den Gesprächspartnern ausmachen lassen. Wir beziehen bewußt ganz verschiedene Segmente der ladakhischen Bevölkerung ein, um eine möglichst große Bandbreite an Äußerungen zu gewinnen. Bezüglich der Modernisierung in Ladakh untersuchten wir die Hierachie der Fremdeinflüsse ("Was beeinträchtigt am meisten?") auf der Ebene von Fremdheitserfahrung und Fremdheitslast sowie die Möglichkeiten zur Bewältigung erlebter Fremdheitslast, welche verschiedene ladakhische Bevölkerungssegmente sehen - dies jeweils auf der Ebene des narratives, um so die vielfältige und durchaus zweiseitige individuelle, subjektive Fremdheitserfahrung im Sinne einer dichten Beschreibung (GEERTZ 1994) zu erfassen und nachzuzeichnen. Modernisierung stellt sich nicht notwendigerweise nur als Bedrohung, Fremdheitslast und Spannung dar, vielmehr kann sie auch - gerade auf der Ebene des individuellen, kollektiven und auch des ethnischen Selbstverständnisses - als Chance angesehen werden (vgl. BAUMANN 1992, 1996). Der von uns verwendete Ansatz der sprechenden Anthropologie lieferte uns Daten, welche es erlaubten, die narratives unserer Gesprächspartner auch bezüglich dieser innovativen Möglichkeit zu lesen. 6 2. Die Untersuchungsregion2 2.1. Das traditionelle Ladakh - ein Überblick Ladakh setzt sich aus den beiden Bezirken Leh und Kargil innerhalb des nördlichsten indischen Bundesstaates Jammu und Kashmir zusammen, umfaßt 58 321 km2 (CROOK 1999:138) und wird von knapp 200 000 Menschen bewohnt.3 Das Gebiet liegt zwischen den Ausläufern des Himalayas und den Bergzügen des Karakorum, zwischen dem Kashmir-Tal und OstTurkestan.4 In kultureller und physisch-geographischer Hinsicht stellt die Region einen Teil des tibetischen Hochplateaus dar und ist hochgradig von dessen Kultur beeinflußt, politisch war Ladakh jedoch ab dem 11. Jahrhundert von Tibet unabhängig. Zwischen 1834 und 1841 wurde das Königreich Ladakh unter Anwendung von Gewalt sukzessiv in das von der DograDynastie beherrschte Kashmir eingegliedert (BRAY 1998:47; EPPLER 1982:45; MICHAUD 1996:290) und stellt seit 1947 einen Teil Indiens dar (EBD., MICHAUD 1991:609, 610). Nach der Teilung des indischen Subkontinentes wurden die westlichen Teile Ladakhs von Pakistan besetzt, nach dem indo-chinesischen Krieg von 1962 ein östlicher Teil des Gebietes (das Aksai-Chin Plateau) von der chinesischen Volksrepublik. Dementsprechend ist der verbliebene, unter indischer Hoheit stehende Teil Ladakhs mit dem Hauptort Leh (ca. 20-25 000 Einwohner) zwischen chinesisch und pakistanisch kontrolliertem Territorium eingezwängt.5 2.2. Die Religionen Ende des 20. Jahrhunderts praktizierte etwa die Hälfte der ladakhischen Bevölkerung den tibetischen Buddhismus, die restliche Bevölkerung bestand aus Moslems sowohl der schi'itischen wie der sunnitischen Richtung und einer kleinen Gruppe von ca. 250 Christen.6 Mos2 3 4 5 6 Die folgenden Ausführungen in Kap. 1 und 2 beruhen auf einer modifizierten Version des ursprünglichen Antragstextes an die Stiftung Volkswagenwerk und gehen von Vorarbeiten von Herrn Heinz Räther M.A. und Herrn Thierry Dodin M.A. zurück, denen an dieser Stelle mein ausdrücklicher Dank dafür ausgesprochen sei. Gemäß „Mini-Census“ von 1986 / 1988 waren es genau 181 953 (BEEK 1997:35). Nach Schätzungen von 1991 lebten etwa 175 000 Menschen in Ladakh, 1981 waren es 132 966, davon 68 380 im Bezirk Leh (CROOK 1999:138; SRINIVAS 1998). Autonome Region Xinjiang-Uigur der Volksrepublik China. „Sandwiched in“, wie es WANGCHOK (1995) sehr treffend ausdrückte. Angehörige der Glaubensgemeinschaft der Herrnhuter oder Mährischen Brüder (Englisch: Moravians), welche seit 1885 versuchten, die örtliche Bevölkerung zu ihrem Glauben zu bekehren. Christen leben vor allem in Leh und den Dörfern der näheren Umgebung. CROOK (1999:138) gibt als „Predominant religious groups“ für den Bezirk Kargil „Shia Muslims“ an, für den Bezirk Leh „Nubra, Rupshu and Zanskar Buddhists“, als „minority groups“ nennt er „Sunni Muslims (influential merchants, etc.), Gara (blacksmiths), Beda (musicians), Mon, and Dards (in western areas), Christians (Moravian Protestants), Tibetan refugees and nomads (in Rupshu, Hanle)“; vgl. auch SRINIVAS (1998). 7 lems leben vor allem im Bezirk Kargil, wobei das mehrheitlich buddhistische besiedelte, ehemalige Kleinkönigreich Zanskar innerhalb dieses Bezirks eine Ausnahme darstellt. Im Bezirk Leh leben Moslems im Hauptort und als Minderheiten innerhalb einiger Dörfer,7 der Bezirk als Ganzes ist jedoch vornehmlich buddhistisch geprägt. Während sich die Schi'iten bis auf ihre Religionszugehörigkeit traditionell kaum von den buddhistischen Ladakhis unterscheiden, handelt es sich bei der wesentlich kleineren Gruppe von Sunniten um Einwanderer aus Kashmir oder Xin-jiang, welche vornehmlich im Zusammenhang mit dem Zentralasienhandel nach Ladakh kamen (bzw. von ladakhischen Königen angesiedelt wurden). Besonders Angehörige der letzteren Gruppe heirateten vielfach buddhistische Frauen, so daß es zur Bildung einer kulturell relativ heterogenen, jedoch durch den gemeinsamen sunnitischen Glauben zusammengehaltenen Gruppe kam.8 Angehörige dieser ladakhisch-uighurischen Mischbevölkerung werden als Argons bezeichnet.9 - Unter den in der Region stationierten ArmeeAngehörigen sind Hindus, weitere Moslems und Sikhs vertreten, ebenso unter den vor allem in den Sommermonaten nach Ladakh (fast auschließlich in den Leh-Bezirk) kommenden Saison-Arbeitskräften aus dem indischen Tiefland. Wie in anderen Regionen des tibetischen Kulturraumes auch, existiert in Ladakh (neben dem Buddhismus und dem Islam) eine vorbuddhistischen Volksreligion mit ausgeprägten schamanistischen Zügen. Schamaninnen und Schamanen werden auf Ladakhi lha pa (männlich) oder lha mo (weiblich)10 und von englisch-sprachigen Ladakhis oracle genannt. In Trancezuständen verkörpern sie Gottheiten oder Geistlosen und nehmen eine ausgesprochen wichtige Stellung im religiösen Alltagsleben der Laienbevölkerung ein. Auch wenn sie der vorbuddhistischen Volksreligion entstammen, werden sie von den buddhistischen Rinpoches11 legitimiert, welche auch ihre Ausbildung und ihre Aktivitäten überwachen. Die Dienste der Schamanen werden bei allen Arten von Sorgen, Kümmernissen und Beschwerden in Anspruch genommen.12 7 8 9 10 11 12 Der imam der jama masjid (Hauptmoschee) in Leh schätzte die Zahl der Moslems im Bezirk Leh auf 20 000 Personen. 1981 lebten in beiden Bezirken Ladakhs 51% Buddhisten (= ca. 69000 Menschen) und 46% Moslems (= ca. 61000), 1971 war das Verhältnis noch 51% Buddhisten zu 45% Moslems (CROOK 1999:138; vgl. SRINIVAS 1998). Der „Mini-Census“ von 1986 / 87 gibt für beide Bezirke 99 930 Moslems und 82 023 Buddhisten an (BEEK 1997:35). DOLLFUS (1995); EMMER (1996a); RADHU (1981); ROVILLÉ (1990); SHEIKH (1995). BEEK (1997:21-41); RIZVI (1996:104, 131, 211, 212, 214). Die Begriffe lha pa und lha mo bezeichnen einen von einer wohlwollenden Gottheit besessenen Menschen (vgl. SCHENK 1994:7, 228); häufig werden diese im Ladakhi auch einfach lha (= Gottheit) genannt. Das Äquivalent dafür in den indo-arischen Sprachen ist deva (männlich) oder devi (weiblich; vgl. COLEMAN 1994:317). Siehe Glossar. Vgl. BRAUEN (1980); DAY (1989, 1990); FRANK (1983); KALWEIT (1987); KAPLANIAN (1984; 1985; 1992); KRAUSE (1994); KUHN (1988); O’HARE (1996); RÖSING (1997a, 1999a, 1999b); SCHENK (1990, 1993, 1994); WIRZ (1948); YAMADA (1993, 1996). 8 2.3. Die Sprachen Die in Ladakh gesprochenen Sprachen gehören dem westtibetischen Zweig an und unterscheiden sich erheblich vom in Zentraltibet verwendeten Standard-Tibetisch,13 eine gegenseitige Verständigungsmöglichkeit mit klassischem oder umgangsprachlichem Tibetisch ist nicht gegeben.14 Die Buddhisten bedienen sich der verschiedenen Dialekte des Ladakhi,15 dessen Standardform der Leh-Dialekt ist, die Schi'iten hingegen sprechen das aus dem Kargil-Gebiet stammende Purigpa, das enger mit dem jenseits der Grenze in Pakistan gesprochenen Balti verwandt ist. Unter den Sunniten ist sowohl das Ladakhi als auch das Urdu in Gebrauch.16 Urdu bzw. Hindi17 stellen auch das bevorzugte Kommunikationsmedium mit der Bevölkerung des indischen Tieflandes dar. Weiterhin werden von den Zuwanderern aus den Tal-Landschaften Kashmirs (Kashmir Valley) und dem indischen Tiefland sowie unter den ArmeeAngehörigen, welche in ihrer Gesamtheit wohl an Zahl der Ladakhi-Bevölkerung ebenbürtig sind,18 eine ganze Reihe zumeist indo-arischer Sprachen (Kashmiri, Hindi, Panjabi, Marathi usw.) gesprochen. 2.4. Die ökonomischen Grundlagen Die ladakhische Gesellschaft ist traditionellerweise eine weitgehend dörflich organisierte Agrargesellschaft, die sich durch eine an die extremen ökologischen Bedingungen eines kalten, ariden Hochlands angepaßte Subsistenzwirtschaft auszeichnet. Bedingt durch den extrem geringen Niederschlag ist Ackerbau nur auf bewässerten Flächen möglich. Viehzucht zur Pro13 14 15 16 17 18 Innerhalb des Tibetobirmanischen gehören die Sprachen Ladakhs wie auch des angrenzenden tibetischen Hochlandes und der höher gelegenen Himalaya-Regionen zur Gruppe der tibetischkinaurischen oder Bodo-Himalaya-Sprachen; vgl. BENEDICT (1972: 5, 6); HALE (1982:11 ff.). Sehr anschaulich dadurch demonstriert, daß während des Ladakh-Besuches des 14. Dalai Lama im Mai 1999 Dolmetscher gebraucht wurden, um seine Predigten ins Ladakhi zu übersetzen. Ladakh und Ladakhi sind Urdu-Begriffe, die Ladakhis selbst nennen das Land la dags, ihr Idiom la dags si skad - Sprache von Ladakh und die Bewohner la dags pa (männlich) oder la dags ma (weiblich). BIELMEIER (1985); DENWOOD (1980); GRIERSON (1909); RÓNA-TAS (1985). Hindi und Urdu werden hier als "kommunale Dialekte" (vgl. LOCKWOOD 1972:199), d.h. an die jeweilige Religionsgemeinschaft (Hinduismus, Islam) gebundene Varianten derselben Sprache (früher Hindustani genannt) betrachtet (vgl. DERS. 1972:213-215). Nach BUßMANN (1990:308) handelt es sich bei Hindi und Urdu um "Dialekte einer Sprache, deren Unterschiede durch die kulturellen Unterschiede der Sprecher ... und durch die Verwendung verschiedener Schriften [Devanagari, arabische Nastaqli-Schrift] bedingt sind", nach GLÜCK (1993:308) um "standardsprachliche Varianten derselben dialektalen Basis." Urdu ist Amtssprache im Bundesstaat Kashmir. Genaue Zahlen dazu sind leider nicht verfügbar und unterliegen der militärischen Geheimhaltung. 9 duktion von Fleisch, Wolle und Milchprodukten wird vor allem auf den Hochebenen im Osten betrieben (DENDALETCHE 1985; OSMASTON 1995). Neben der Agrarwirtschaft trug traditionell der Handel zur Ökonomie Ladakhs bei: Ladakh stellte einen Knotenpunkt des Handels zwischen Zentral- und Südasien dar (DATTA 1970; RAWLINSON 1869; RIZVI 1996, 1997; WARI-KOO 1986, 1995), neben den Händlern selbst waren viele weitere Ladakhis als Karawanenführer oder Lagerarbeiter tätig, wobei die Schi'iten im allgemeinen nur die einfachen Arbeiten ausführten. Durch den Zentralasienhandel und die damit einhergehenden internationalen Kontakte herrschte in Leh einst eine kosmopolitische Atmosphäre (RADHU 1981; HEDIN 19091913). Der im 20. Jahrhundert ständig zurückgehende Karawanenhandel kam mit der Schließung der Grenzen zu Pakistan und China in den 1940er und 1960er Jahren vollends zum Erliegen. 2.5. Die traditionelle Sozialstruktur Die traditionelle soziale Stratifikation der ladakhischen Gesellschaft folgt einer vierteiligen Gliederung, die viele Gemeinsamkeiten mit der tibetischen Gesellschaftsstruktur aufweist: Unter einer sehr kleinen Oberschicht, die sich aus der königlichen Familie und den dem König unterstellten lokalen Fürsten zusammensetzte, stand eine ebenfalls nicht sehr breite Schicht adliger Familien. Darunter folgte der das "Volk". Eine Reihe von Gruppen, die traditionell als "unrein" galten, wie Schmiede, Zimmerleute und Musiker, war unter dem Oberbegriff "schlechte Klasse" bekannt und bildete den untersten Bereich des gesellschaftlichen Spektrums (ERDMANN 1983). Moslems standen grundsätzlich außerhalb dieser Klassifizierung; die mit dem Zentralasienhandel befaßten sunnitischen Familien der städtischen Zentren hatten jedoch eine der Aristokratie entsprechende soziale Stellung inne und pflegten vielfach Heiratsbeziehungen mit dieser Schicht (DOLLFUS 1995; RADHU 1981). Die vom indischen Staat eingeleitete Demokratisierung und die veränderten ökonomischen Bedingungen führten mittlerweile zu einem deutlich sichtbaren Aufweichen dieser Strukturen. 2.6. Die traditionelle Familienorganisation Eine Besonderheit der traditionellen ladakhischen Gesellschaft ist die auch heute noch vorzufindende weite Verbreitung polyandrischer Ehen, vor allem in Form der fraternalen Polyandrie.19. Diese Eheform wird traditionellerweise damit begründet, daß eine Aufteilung des Familienbesitzes - besonders des Landbesitzes - vermieden werden solle. Der älteste Sohn wird als Haushaltsvorstand betrachtet und erbt das gesamte Familieneigentum (Primogenitur). 19 D.h., mehrere Brüder heirateten gemeinsam eine Frau; vgl. CHANDRA (1987); CROOK (1996); DAINELLI (1922); FAHLÉN (2000), PARMAR (1975); PETER Prince of Greece and Denmark (1956, 1963); SANDER (1984), STULPNAGEL (1955). 10 Die Großfamilie lebt im Hauptsitz der Familie ("großes Haus", tib. khang chen),20 die Eltern ziehen sich nach Verheiratung des Sohnes, bzw. der Söhne in das "kleine Haus" (tib. khang chung; khang bu) zurück (vgl. CROOK und SHAKYA 1994). Ein weiteres Charakteristikum der sozialen Organisation der ladakhischen Buddhisten sind die pha spun, exogame clanartige Verbände "rituell verwandter" Familien. Die pha spun haben vor allem eine rituelle Funktion und dienen der gegenseitigen Hilfe bei Übergangsriten, insbesondere bei Todesfällen sowie bei der Bewältigung verschiedener besonders arbeitsintensiver Aufgaben wie Ernte und Hausbau (BRAUEN 1980; PETER 1956). 2.7. Der Buddhismus tibetischer Prägung in Ladakh Im Rahmen dieser Studie haben wird das Schwergewicht auf die buddhistischen Ladakhis gelegt, welche die traditionelle Mehr-heitsreligion der Region gemäß der tibetischen Tradition praktizieren. Innerhalb dieser herrschte früher die Schulrichtung der ‘bruk pa bka brgyud vor, die enge persönliche und rituelle Verbindungen zum Königshaus und damit zum Staat unterhielt (SCHUH 1983b): Die religiösen Hierarchen waren zumeist Mitglieder der königlichen Familie oder des Hochadels. In diesem Jahrhundert rückt jedoch zunehmend die dge lugs pa-Schulrichtung in den Vordergrund (SNELLGROVE und SKORUPSKI 1980). Die zentralen religiösen Institutionen Ladakhs (wie auch Tibets) sind die zahlreichen Klöster, die in einem komplexen, hierarchisch gegliederten Netz das ganze Land überspannen: An der Spitze stehen einige wenige "Mutterklöster" (ma dgon), darunter jeweils eine Reihe von "Nebenstellen" (dgon chung), und unter diesen schließlich die große Zahl der kleinen Dorfklöster, bzw. -tempel. Letztere werden von einfachen Mönchen bzw. "Dorf-Lamas" (kon gnyer) geführt, die den Kontakt zwischen den Klöstern und dem Volk herstellten und die einfachen, alltäglichen, liturgischen Bedürfnisse der Dorfbevölkerung erfüllten (DOLLFUS 1988; SINGH 1977). Die Rekrutierung der Mönche gleicht ebenfalls den tibetischen Gegebenheiten: Zumindest bis in die jüngere Vergangenheit war es üblich, daß jede Familie einen Sohn (meist den zweitältesten) ins Kloster gab (DOLLFUS 1988, 1989; GOLDSTEIN und TSARONG 1985). Traditionellerweise haben die Klöster neben der religiösen auch eine Reihe von säkularen Funktionen: Sie sind die größten und wichtigsten Landbesitzer innerhalb Ladakhs, ihre Verwalter verleihen Geld aus dem Klosterbesitz, in den Klöstern werden die wichtigsten Feste des Jahreszyklus abgehalten, und die Klosterschulen waren bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts die einzigen Bildungsinstitutionen im Lande. Allerdings war dort nur eine religiöse Grundausbildung erhältlich; für höhere Bildung waren die ladakhischen Klöster auf die großen Klosteruniversitäten Tibets angewiesen, wo denn auch viele der begabteren ladakhischen 20 Zur Schreibung tibetisch-ladakhischer Begriffe wird im folgenden die sogenannte Wylie-Umschrift ins Lateinische verwandt, vgl. WYLIE (1959). 11 Mönche für einige Jahre studierten (BRAUEN 1980; MANN 1986, 1990; SINGH 1977; TSARONG 1987). Die religiöse und weltliche Doppelfunktion der Klöster wird auch darin deutlich, daß die wichtigsten Klöster an strategisch bedeutenden Orten, wie etwa Kreuzungen von Handelsstraßen, errichtet wurden (KAPLANIAN 1981). Die Laienbevölkerung befaßt sich im allgemeinen kaum mit dem Buddhismus als Hochreligion, sondern beschränkt sich auf die Ausübung einfacher Kulthandlungen und engagiert regelmäßig Mönche des mit dem jeweiligen Dorf assoziierten Klosters für die Durchführung von Ritualen. Diese müssen in Geld oder Naturalien entlohnt werden (TSARONG 1987). Über das Geschick der Klöster entscheiden neben den Verwaltern vor allem die inkarnierten Lamas (sprul skus, Rinpoches). Ihnen, welche die höchste spirituelle Autorität in ihrem jeweiligen Geltungsgebiet darstellen, wird von Seiten der Laienbevölkerung sehr hoher Respekt entgegengebracht. Im allgemeinen gelten sie als Inkarnationen verstorbener Heiliger und gleichzeitig als Emanationen buddhistischer Gottheiten. Ihre spirituelle Funktion verleiht ihnen oftmals auch eine informelle, jedoch bedeutende säkulare Rolle: So werden sie z.B. häufig als Schlichter in Streitfällen aller Art herbeigezogen (DOLLFUS 1989; MANN und GOSH 1986; MANN 1990; KAPLANIAN 1981). Obwohl es in Ladakh eine beachtliche Zahl von Nonnen gab, waren Nonnenklöster bis in jüngste Zeit unbekannt. Die einzige Ausnahme bildet das Kloster Rizong (GRIMSHAW 1984). Die Nonnen, zum größten Teil aus erbschaftsbezogenen Erwägungen heraus unverheiratete Frauen, erhalten eine religiöse Grundausbildung in den Mönchsklöstern, leben aber im Haus ihrer Familie, wo sie neben religiösen (meist rituellen) Aufgaben alle Arten von Haushaltsund Feldarbeiten ausführen (GRIMSHAW 1984; REIS 1983). 3. Fremdheitserfahrung in Ladakh – bisheriger Stand der Forschung und Forschungslücken Im folgenden soll der Forschungsstand zur Fremdheitserfahrung in Ladakh dargestellt werden, um dann die Forschungslücken aufzuzeigen, zu deren Beseitigung das vorliegende Forschungsprojekt einen Beitrag zu leisten versuchte. Übersicht über Kap. 3 3.1. Der bisherige Stand der Forschung 3.1.1. Der Einfluß Indiens, Kashmirs, und des Westen (i) (ii) (iii) die politische Mobilisierung der kashmirischen Moslems die indische Unabhängigkeit der Tourismus 12 3.1.2. Begegnung von Tradition und Fremdem: Symptome gesellschaftlicher Spannung 3.1.3. Versuchte Fremdheitslösung und Religion 3.2. Forschungslücken 3.1. Der bisherige Stand der Forschung 3.1.1. Der Einfluß Indiens, Kashmirs und des "Westens" Die buddhistische Gesellschaft Ladakhs ist - wie sich mit Zahlen und Fakten belegen läßt einer dreifachen Fremdheitserfahrung ausgesetzt: (1) durch die Armee und Verwaltung des indischen Flachlandes und allgemeine indische Präsenz, (2) durch die Zugehörigkeit von Ladakh - wenn auch mit begrenzter Autonomie (Ladakh Autonomous Hill Development Council) - zum indischen Bundesstaat Jammu und Kashmir, welcher moslemisch dominiert ist (3) durch den Westen in Gestalt des Tourismus und allgemein westlicher Kultureinflüsse mit zuvor unbekannten Wertemustern und Verhaltensweisen. Ansatzweise läßt sich die Konfrontation mit dem Fremden auch schon in der früheren Geschichte Ladakhs nachweisen: Obwohl die Region schwer zugänglich war, unterlag sie dennoch als Handelsknotenpunkt zwischen Zentral-, Süd- und Vorderasien immer wieder den verschiedensten Außeneinflüssen (SHEIKH 1997; DOLLFUS 1997; RIZVI 1996, 1997). Begegnungen mit dem "Fremden" sind also für Ladakh nichts grundsätzlich Neues. Doch bis ins 19. Jahrhundert hinein erfolgte diese Konfrontation lediglich in kleinen Schritten und berührte immer nur Teilaspekte der Gesellschaft.21 Deshalb kam es in der Vergangenheit nie zu radikalen Veränderungen, welche die gesamte Gesellschaft betrafen. Diese Situation änderte sich grundlegend ab den dreißiger und vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts: Mit der Eroberung durch die damals aufstrebende regionale Macht der Dogras verlor Ladakh seine politische Unabhängigkeit. Die hinduistischen Dogras waren an Ladakh vornehmlich aus ökonomischen Gründen interessiert: Sie wollten Steuern einziehen und vor allem den äußerst einträglichen Handel mit Zentralasien kontrollieren, verfolgten jedoch keinerlei religiöse Ziele. Der Vertrag von 1842 zwischen dem Dogra-Herrscher Gulab Singh und der Regierung Tibets legte die kulturelle und religiöse Eigenständigkeit Ladakhs innerhalb des Dogra-Reiches fest und sicherte die Respektierung des Buddhismus und seiner Institutionen (CHARAK 1978; MADHOK 1987). 21 Vgl. dazu die Berichte der Herrnhuter Missionare aus der Misionsstation Kyelang (heute im indischen Bundesstaat Himachal Pradesh) aus den Jahren 1854-1987, z.B. das Dokument R.15.U.b.1.a. Nr.3, Teil I aus dem Unitäts-Archiv in Herrnhut, Sachsen. Für diesen Hinweis danke ich Herrn Frank Seeliger M.A., für die Mikroverfilmung der entsprechenden Dokumente dem Unitäts-Archiv der Herrnhuter Brüdergemeine. 13 1846 schlossen die britische Kolonialregierung und die Dogras in Amritsar einen Vertrag, demzufolge das Kashmir-Tal dem Dogra-Reich, das seitdem als Fürstentum Jammu und Kashmir bekannt ist, zugeschlagen wurde. Dieses Fürstentum wurde der Indirect Rule der britischen Krone unterstellt (MADHOK 1987). Die damit geschaffenen politischen Umstände bildeten die Wurzel zukünftiger tiefgreifender Veränderungen: Zum ersten Mal seit beinahe einem Jahrtausend konnte Ladakh nicht mehr frei über seine inneren Angelegenheiten bestimmen. Eines der ersten spürbaren Resultate dieser veränderten Umstände war die Ankunft von Herrnhuter Missionaren aus Deutschland, die im Jahre 1885 auf Druck des Vizekönig von Indien die Erlaubnis erhielten, in Leh eine Missionsstation zu errichten (ANON. 1891; BRAY 1983; FRIEDL 1984). Konversionen von Ladakhis zum Christentum waren jedoch nur in geringer Zahl zu verzeichnen, und die wenigen neuen Christen entstammten fast ausschließlich gesellschaftlichen Randgruppen. Zwar gelang es den ladakhischen Konvertiten dank der guten Ausbildung, die sie an der Herrnhuter Missionsschule genießen konnten, eine weit über ihren Bevölkerungsanteil hinausgehende Zahl an Verwaltungsposten zu besetzen, doch blieb der christliche Einfluß auf die ladakhische Gesellschaft letztlich marginal (BRAY 1983, 1985b). Folgenreicher waren jedoch drei weitere Begegnungen Ladakhs mit dem Fremden, welche im folgenden in ihrer chronologischen Reihenfolge dargestellt seien: (i) Die politische Mobilisierung der kashmirischen Moslems Die erste wirklich folgenreiche Begegnung Ladakhs mit dem Fremden resultierte aus der politischen Bewegung der moslemischen Bevölkerungsmehrheit in Kashmir in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts: Bei der Einrichtung der Prajya Sabha, der ersten Volksvertretung im Fürstentum Jammu und Kashmir, erhielten die Ladakhis zwei Sitze in diesem Gremium. Gegenüber der überwältigenden Mehrheit kashmirisch-moslemischer Repräsentanten ließ sich allerdings keine erfolgreiche Durchsetzung ladakhischer Interessen bewerkstelligen, und auch die Verwaltung zeigte weder Interesse noch Verständnis für die Belange der Ladakhis. Wenn auch die breite Bevölkerung Ladakhs von diesen Entwicklungen zunächst kaum direkt betroffen war, wurden damit doch die Weichen für die politische Zukunft Ladakhs gestellt. Zumindest der ladakhischen Elite wurde klar, daß sie nun einer kleinen Minderheit innerhalb eines von "Fremden", d.h. in diesem Falle von kashmirischen Moslems dominierten Staatsgebildes angehörte, auf das sie eigentlich keinen Einfluß ausüben konnte (ANON. 1936; GANHAR und GANHAR 1956; SHAKSPO 1988). Dieses Staatswesen wiederum stand z.B. im Hinblick auf die politische Organisationsform und das Bildungswesen unter britischem Einfluß. - Etwa zeitgleich zeichneten sich Veränderungen innerhalb der sunnitischen Minderheit in Ladakh ab: Diese Gruppe begann, sich einerseits in ihren Lebens- und Kleidungsgewohnheiten an westlichen Vorbildern zu orientieren, wandte sich gleichzeitig jedoch einer orthodoxeren Auslegung des Islam zu (RADHU 1981). 14 (ii) Die Integration in den indischen Staat Die zweite bedeutende Phase der Begegnung Ladakhs mit dem Fremden begann mit der Unabhängigkeit Indiens im Jahre 1947. Im indo-pakistanischen Grenzkonflikt von 1948 wurde die indische Armee zwar als Retter empfangen, doch führte die Stationierung indischer Truppen erstmals zur Anwesenheit einer signifikanten Zahl von Indern aus dem Flachland in Ladakh. Diese steigerte sich wesentlich nach dem sino-indischen Grenzkrieg im Jahre 1962, da Ladakh daraufhin endgültig zum nördlichen militärischen Bollwerk der Indischen Union ausgebaut wurde: Zu den ca. 180 000 Bewohnern Ladakhs kommt heute eine ebenso große Zahl an Soldaten hinzu. Die Armee wurde seitdem zum größten Entwicklungs- und Wirtschaftsfaktor Ladakhs: Die umfangreichen Straßen- und Flugplatzbaumaßnahmen ermöglichten erstmals eine Mobilität auf breiterer Basis, die Bauern wurden zu Zulieferern der Armeebasen, und zahlreiche Ladakhis nahmen die Möglichkeit einer militärischen Karriere wahr (KAUL und KAUL 1992). Die erhöhte Präsenz Indiens in Ladakh führte zur Begegnung mit bisher unbekannten Ansichten und Verhaltensweisen aus dem indischen Flachland, und typische lada- khische Institutionen, wie z.B. die Polyandrie, erschienen nun als "unnormal", wenn nicht sogar als schändlich. Auch fand durch die Präsenz Indiens eine Begegnung mit dem Hinduismus in einem vorher unbekannten Ausmaß statt. Gleichzeitig hatten die beiden Kriege traditionelle Wirtschaftsfaktoren und Bindungen abrupt beendet: Der Zentralasienhandel brach völlig zusammen, und die Folgen der Okkupation Tibets durch China sind in der buddhistische Gemeinschaft, die für jegliche Art höherer religiöser Ausbildung auf die tibetischen Klosteruniversitäten angewiesen war, bis auf den heutigen Tag spürbar. Auf die Unabhängigkeit Indiens folgte eine stärkere Integration Ladakhs in das indische Staatswesen. Damit kam neben neuen politischen Strukturen, mit denen man zunächst nicht viel anfangen konnte, auch eine bürokratische Verwaltung ins Land, deren Funktionsweise den Ladakhis wenig einsichtig erschien und die angesichts Korruption und Vetternwirtschaft in der Praxis auch nicht gerade überzeugte. Seit der Unabhängigkeit Indiens wurden zudem alle Ladakh betreffenden politischen Entscheidungen in Kashmir gefällt und richteten sich nach kashmirischen Empfindlichkeiten und Befindlichkeiten. Die Ladakhis waren gezwungen, sich den politischen Entscheidungsträgern in Srinagar unterzuordnen, welche aus wahltaktischen Erwägungen heraus immer wieder die ladakhischen Moslems hofierten und Entscheidungen fällten, die die Buddhisten benachteiligten (BEEK 1996a). (iii) Der Tourismus 15 Nach der Unabhängigkeit Indiens dauerte es bis 1974, bevor die ersten auswärtigen Besucher in der Region zugelassen wurden (BRAY ebd.; MICHAUD 1991:610; 1996:290).22 Seitdem stieg die Zahl der Reisenden und Forscher in Ladakh auf bis zu 25 000 Besucher jährlich an.23 Im Schnitt sind zwei Drittel der Touristen Westler bzw. Ausländer und ein Drittel Inder (SOOD 1996:119, 2000:118). Die Öffnung der Region für den Tourismus hat folgende historische Hintergründe: Der historisch so bedeutsame Karawanenhandel brach aufgrund der Grenzsperren zu Pakistan und den chinesisch kontrollierten Territorien (sowohl Xinjiang-Uigur / Ost-Turkestan als auch Tibet) spätestens Anfang der 1960er Jahre vollständig zusammen. Statt dessen ergaben sich besonders in Eh seit 1949 und verstärkt seit 1962 im Zuge des sino-indischen Krieges Erwerbsmöglichkeiten bei der Armee und Verwaltung, die vor allem von jungen Männern in Anspruch genommen wurden (MICHAUD 1996:291). Traditionelle Händlerfamilien erwarben - soweit sie nicht schon aus Leh abgewandert waren - Lastwagen, welche auf der neu konstruierten Straße nach Srinagar eingesetzt werden konnten, und wurden zu Transportunternehmern (MICHAUD 1996:292). Die Aufhebung des Sperrgebietes über Ladakh durch die indische Regierung hatte v.a. das Ziel, die Binnenwanderung von Indern aus dem Flachland in die Bergregion Ladakhs zu stimulieren (EBD.). Scheinbar sah auch der einflußreiche buddhistische Klerus von Ladakh in der Öffnung der Region eine Möglichkeit, die beständige Abwanderung junger Leute (mit der damit verbundenen kulturellen „Entwurzelung“) zu verhindern und im Tourismus einen Ersatz für den unmöglich gewordenen Fernhandel zu finden (MICHAUD 1996:291, 292). Neben den im Zusammenhang mit dem plötzlichen Einbruch des Tourismus in bislang "unerschlossene" Gebiete aus vielen Beispielen weltweit hinlänglich bekannten Folgen für das Wertesystem und das Selbstbild der Betroffenen24 sind für Ladakh vornehmlich sozio22 23 24 Auswärtig bezieht sich in diesem Fall auch auf zivile indische Staatsangehörige, für die Ladakh bis 1974 ebenfalls gesperrt war (vgl. SOOD 2 000). Genaue Angaben liegen bis 1998 vor (SOOD 2000:118): 1988 besuchten etwa 25 000 Touristen Ladakh (8608 Inder und 16 256 Ausländer; EMMER 1996:41), während des Sozialboykotts von 1989 verringerte sich die Zahl der Besucher und erreichte 1993 mit 14 401 Touristen (davon 2 000 Inder) einen vergleichsweisen Tiefpunkt, um dann bis 1998 (21 996 Besucher: 6767 Inder = ca. 31% gegenüber 15 229 Ausländern = ca. 69%) wieder beständig anzusteigen (SOOD ebd., 1996: 119). Diese Folgen bestehen im einzelnen aus: der Konfrontation mit fremden Anschauungen und Werten, der Vernachlässigung von Subsistenzarbeiten, dem Verlust von landwirtschaftlichen Flächen und Wasserressourcen für die touristische Infrastruktur, kulturellen Minderwertigkeitsgefühlen gegenüber der vermeintlich dominanten Kultur der Touristen, verstärkter intrakulturelle Konkurrenz um Bereitstellung von Unterkünften und Dienstleistungen an Touristen, der Stärkung innergesellschaftlicher Hierarchien und ökonomischer Ungleichheit sowie - in den extremsten Fällen - im Prostitutionstourismus. Als Beispiele aus dem asiatischen Raum lassen sich Goa, Bali, Sri Lanka 16 ökonomische Aspekte von Bedeutung: Es entstanden neue Wirtschaftszweige, die - entgegen der traditionellen Betonung von Kooperation - eine aggressive Wettbewerbshaltung förderten. Der Druck, die Erwartungen der Touristen zu erfüllen, erhöhte den Anreiz, Tabus zu brechen und die "Tradition" einem kurzfristigen Gewinn zum Opfer zu bringen. So wurden traditionelle Feste und Bräuche zu touristischen Darbietungen, und es kam zu einem regelrechten Ausverkauf antiker Kunstwerke und traditioneller Ritualgegenstände. Die große Nachfrage nach Arbeitskräften in der Touristensaison brachte eine beträchtliche Zahl von Arbeitern aus dem indischen Flachland nach Ladakh - besonders im Straßenbau arbeiten mittlerweile fast nur noch Arbeiter aus Bihar und anderen Regionen des Flachlandes - und führte so zu einer weiteren Ebene der Begegnung mit dem "Fremden". Qualifiziertere Arbeitsstellen im Tourismusgeschäft werden bis heute vielfach von Fachkräften vornehmlich aus Kashmir übernommen, was u.a. auf den niedrigen Ausbildungsstand der Einheimischen zurückzuführen ist. Für Ladakhis bleiben in vielen Fällen nur die vergleichsweise arbeitsintensiveren aber weniger lukrativen Arbeiten. Der Tourismus wird hauptsächlich von kashmirischen Touristikunternehmen aus Srinagar dominiert, und nicht-einheimische, meist kashmirische Fremdenführer, die nur wenig Kenntnis von Ladakh und der ladakhischen Kultur haben, vermitteln den Touristen ein entsprechend verzerrtes Bild von dieser Region. Mit der ökonomischen Konkurrenz wird auch der Konflikt zwischen ladakhischen Buddhisten und Moslems geschürt, zumal die Verbindungen des Landes mit der Außenwelt (Reisebuchungen, Transport, Versorgung mit Lebensmitteln und Konsumgütern) von Srinagar kontrolliert werden. Srinagar hat eine strategisch günstige Position am Beginn der wichtigsten Zufahrtsstraße nach Ladakh inne, und die dort tätigen Geschäftsleute bevorzugen in fast jedem Fall ihre Glaubensbrüder in Ladakh (EPPLER 1983; MICHAUD 1989, 1991, 1993, 1996; PITSCH 1985). 3.1.2. Begegnungen von Tradition und Fremdem – Symptome gesellschaftlicher Spannungen Bereits in den 1930er Jahren hinterließ der politische Aufbruch der Moslems im Kashmir-Tal ein spürbares Echo in Ladakh. Zwar erlaubt der derzeitige Forschungsstand noch keine allgemeine Aussage über etwaige Verunsicherungssymptome in jener Zeit innerhalb der breiten Masse des ladakhischen Volkes, doch ist eine frühzeitige Reaktion der buddhistischen Elite deutlich zu erkennen: oder Thailand nennen (dort in letzter Zeit auch die "Stammes"-Völker des Nordens); vgl. entsprechende Studien zu Nepal (FÜRER-HEIMENDORF 1984), Bali (NORONHA 1979; PICARD 1992), Thailand (COHEN 1983; FORSYTH 1992; MICHAUD 1994) und China (OAKES 1992). 17 Unter Zuhilfenahme auswärtiger Buddhisten (im wesentlichen aus dem Hinduismus konvertierte Kashmiri-Pandits)25 bemühte sich diese Elite, die sich vermutlich abzeichnende Gefahr für die Integrität der buddhistisch-ladakhischen Kultur abzuwenden. Dies führte zur Gründung der Ladakh Buddhist Association (LBA), damals noch unter der Bezeichnung Young Men's Buddhist Association. In diesem Zusammenhang wurden politische und kulturelle Selbstbehauptung vermengt und ladakhische Identität mit buddhistischer Identität oft - wenigstens implizit - gleichgesetzt (BERTELSEN 1997a, 1997b, 1997c). Angesichts des sich abzeichnenden Machtzuwachses der Moslems in Kashmir zeigte sich die buddhistische Elite höchst besorgt über die Gefahr, durch das weit größere Bevölkerungswachstum der ladakhischen Moslems vollends marginalisiert zu werden. So unterstützten sie die Vorlage des Anti-Polyandriegesetzes von 1941 und die anschließende gesetzliche Reform des Erbrechts mit dem Ziel, eine Aufsplitterung der buddhistischen Großfamilien zu erreichen, und so ein stabiles Wachstum ihrer Bevölkerungsgruppe sicherzustellen. Somit wurden "fremde" Normen bewußt übernommen, um den Druck des Fremden zu mindern und das Weiterbestehen des Eigenen zu garantieren (BERTELSEN 1997a). Nach der Unabhängigkeit Indiens erreichte der Einfluß des Fremden in Ladakh - wie bereits angedeutet - auch die breite Mehrheit der Bevölkerung. Unter dem Einfluß der oben geschilderten politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Neuerungen kam es zur Entwicklung einer ganzen Reihe von Symptomen, die deutlich auf eine grundlegende Verunsicherung der ladakhischen Gesellschaft hindeuten: z Es deutet sich an, daß die Auflösung der traditionellen Familienstrukturen und die Aufsplitterung der Großfamilien in mehrere Kernfamilien zu einem entsprechenden Autoritätsverlust der älteren Familienmitglieder (d.h. der früheren Haushaltsvorstände, meist der ältesten Söhne) und zu einem Gefühl der Isolation in der Kernfamilie führt. Die Zahl der Erbschaftsprozesse und Familienstreitigkeiten um die Neuverteilung des Besitzes nimmt dramatisch zu. Auch die pha spun-Verbindungen scheinen mittlerweile stark erodiert und vielfach gänzlich verschwunden zu sein (CROOK und SHAKYA 1994). z Ladakhische Frauen beklagen immer wieder die faktische Herabsetzung ihres traditionell relativ hohen Status durch die Bedeutungszunahme der Lohnarbeit, an der sie nur einen sehr geringen Anteil haben (HAY 1999; NORBERG-HODGE 1991). z Das fremde, unangepaßte Schulsystem bedingte in Ladakh eine erhebliche Zahl von vorzeitigen Schulabgängern und die höchsten Durchfallquoten ganz Indiens. Die wenigen, meist von lokalen oder internationalen Nichtregierungsorganisationen getragenen alternativen Bildungsprojekte konnten trotz teilweise spektakulärer Erfolge hier natürlich nur sehr bedingt Abhilfe leisten (NORBERG-HODGE 1991). 25 Siehe Glossar. 18 z Das von der indischen Regierung eingeführte Schulsystem bringt weitere Probleme mit sich: Der Lehrplan, identisch mit dem des indischen Flachlandes, ist in keiner Weise an die besonderen Gegebenheiten Ladakhs angepaßt, die - nicht selten zwangsversetzten - Lehrer sind oftmals völlig unmotiviert und nur daran interessiert, aus dieser abgelegenen, unwirtlichen Gegend wieder in wärmere Gefilde transferiert zu werden. Häufig fällt ihnen die Kommunikation mit ihren Schülern sehr schwer, da sie die lokale Sprache nicht verstehen und die Kenntnis des Urdu vorwiegend auf Angehörige moslemischer Familien beschränkt ist. Die Lehrbücher gehen nicht auf die Realität in Ladakh ein, sie sind ladakhischen Kindern oftmals unverständlich, ja wirken zuweilen sogar exotisch und spiegeln ein Weltbild, das wenig mit den bekannten Normen und Werten zu tun hat. Diese Situation dauert bis auf den heutigen Tag an (NORBERG-HODGE 1991). All dies legt die Bezeichnung "unangepaßte Entwicklung" für die staatlichen indischen "Modernisierungsbemühungen" nahe. z Bedingt durch die allgemeine Säkularisierung der Gesellschaft und z.T. auch durch das politische Engagement einzelner Kushoks kommt es zu einem spürbaren Autoritätsverlust der inkarnierten Lamas, die traditionell als weit über den weltlichen Angelegenheiten stehend angesehen werden (MANN und GOSH 1986; MANN 1990; TSARONG 1987). z Deutlich zu bemerken ist die Relativierung religiöser und sozialer Tabus, die sich insbesondere in Kunstdiebstahl und dem offenen Verkauf religiöser Kultgegenstände an Touristen ausdrückt. Selbst Kampagnen der Ladakh Buddhist Association und der Gompa Association zum Schutz des religiösen und kulturellen Erbes, sowie die Durchsetzung von restriktiven Maßnahmen hinsichtlich des Souvenirhandels konnten diese Entwicklung nur unzureichend aufhalten. z Es ergeben sich zunehmende Spannungen in den Beziehungen zu den moslemischen Ladakhis: Gerüchte und Berichte über "Zwangskonvertierungen" zum Islam machten die Runde und die Verheiratung von Töchtern in moslemische Haushalte wurde zunehmend zum Streitgegenstand; heute ist dieses früher verbreitete Phänomen überhaupt nicht mehr anzutreffen. Interreligiöse gesellschaftliche Aktivitäten kamen fast völlig zum Erliegen. Traditionsreiche Sportvereine z.B. spalteten sich entlang religiöser Linien. Viele buddhistische Ladakhis engagierten sich in Vereinen, die das buddhistische Moment der ladakhischen Kultur besonders hervorhoben und für entsprechende gesellschaftliche Schutzmaßnahmen für den Buddhismus agitierten (BERTELSEN 1997a; BEEK 1996a). z In jüngster Zeit flammten immer heftigere politische Unruhen auf, in deren Mittelpunkt immer wieder ausdrücklich die Angst vor dem drohenden Verlust der ladakhischen Identität stand. Kämpften anfangs Buddhisten und Moslems gemeinsam gegen eine äußere Bedrohung, so kam es im Laufe der Zeit zu einer zunehmenden Polarisierung zwischen den beiden religiösen Gruppen. Diese Entwicklung gipfelte in der "Agitation" zwischen 1989 und 1992, wo nach gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Gruppen ein totaler Boykott der Moslems durch die buddhistische Bevölkerung durchgeführt wurde. Persönliche Freundschaften und familiäre Bindungen zwischen Angehörigen der beiden 19 Religionsgemeinschaften kamen völlig zum Erliegen, und selbst nach Beendigung des Boykotts blieben tiefe, bis heute nicht verheilte Wunden zurück (BEEK 1996a; BEEK und BERTELSEN 1997; OSMASTON 1990). 3.1.3. Versuchte Fremdheitslösungen und Religion Angesichts der geschilderten eminenten Bedeutung des Buddhismus und des Schamanismus in Ladakh sowie des indisch-hinduistischen und besonders des kashmirisch-moslemischen Kontextes liegt die Vermutung nahe, daß auch im Falle der buddhistischen Ladakhis die festgestellte Verunsicherung der Gesellschaft zur Suche nach Methoden der Spannungsreduktion und nach Fremdheitslösungen im Religiösen führte. Betrachtet man die Situation in Ladakh in den letzten Jahrzehnten, so zeichnen sich in der Tat entsprechende Entwicklungen ab. Aus dem Kontext der aktuellen Forschung zeichnen sich vier Komplexe ab, die man in diesem Zusammenhang interpretierten könnte: (i) Die politischen Aktivitäten, die auf eine größere Selbständigkeit Ladakhs hinzielten, und 1995 in die Gründung des Ladakh Autonomous Development Hill Council (L.A.H.D.C) mündeten, wurden von der Ladakh Buddhist Association (L.B.A.), der buddhistischen Laienorganisation Ladakhs initiiert, durchgeführt und durchgesetzt. Die Kampagne der LBA zur Erlangung von Autonomie hatte die Gleichsetzung ladakhischer mit buddhistischer Identität zu ihrem Leitmotiv erklärt (BEEK 1996a; BERTELSEN 1997a, 1997b, 1997c; BEEK und BERTELSEN 1997). (ii) Seit ca. 10-15 Jahren haben die buddhistischen Ladakhis die Solidarität von Buddhisten und Sympathisanten aus der ganzen Welt in Anspruch nehmen können. Dabei entstanden eine Reihe von praktischen Entwicklungshilfemaßnahmen (im wesentlichen in den Bereichen Bildung und angepaßte ökonomische Entwicklung), die neben ihrer konkreten Wirkung vor Ort eine bedeutende Symbolfunktion für das ladakhische Identitätsbewußtsein hatten: (a) Das Mahabodhi Centre (ehemals Mahabodhi Meditation Centre) betreibt eine Modellschule, die sich bemüht, westlich-"moderne" Bildung zusammen mit reformbuddhistischen Inhalten zu vermitteln. Darüber hinaus zieht dieses Projekt regelmäßig prominente Persönlichkeiten aus buddhistischen Ländern (z.B. Mitglieder der königlichen Familie Thailands, taiwanesische und japanische religiöse Führungspersönlichkeiten) nach Ladakh. (b) Das Shanti Stupa-Projekt der japanischen buddhistischen Gruppierung Nipponzan Myohoji betreibt eine ähnliche Schule und errichtete oberhalb Lehs eine überdimensionale "Friedenspagode", die zu einem der markantesten Wahrzeichen des ladakhischen Hauptortes geworden ist. 20 (c) Die von dem britischen Ladakh Project initiierte Ladakh Ecological Development Group (LEDeG) betreibt ökologisch angepaßte Entwicklungsprojekte in ganz Ladakh und verbreitet weltweit ein Bild des traditionellen Ladakh als Beispiel für eine in Harmonie mit der natürlichen Umwelt lebenden Gesellschaft. Diese besondere Qualität wird ausdrücklich auf die Befolgung buddhistischer Werte zurückgeführt. Das Projekt erhielt 1986 den "Alternativen Nobelpreis" (NORBERG-HODGE 1991). (iii) Die Ladakh-Forschung hat in den letzten Jahren eine beeindruckende Proliferation des Schamanismus vor allem in den ländlichen Regionen festgestellt. Sowohl die Schamanen selbst als auch ihr die Rinpoches und andere ladakhische Gesprächspartner sehen dieses Phänomen in Zusammenhang mit Fremdheitserfahrung und Fremdheitslast. (iv) Schließlich ist in jüngster Zeit trotz einer allgemeinen Säkularisierung der ladakhischen Gesellschaft und deutlicher Erosionserscheinungen der buddhistischen Institutionen (Rekrutierungsprobleme etc., s.o.) eine starke Zunahme orthodoxer religiöser Praktiken unter der Laienbevölkerung festzustellen. Dies kommt vor allem in Krisenzeiten (wie z.B. in der Zeit des Sozialboykotts, s.o.) zum Tragen: Im lokalen Rundfunk wurden zuweilen Namen von Personen bekannt gegeben, die zahlreiche Niederwerfungen und ähnliche devotionale Praktiken absolviert haben, öffentliche buddhistische Lehrreden werden regelmäßig abgehalten und stark frequentiert, von der Jugend lange Zeit vernachlässigte Fastenpraktiken erleben einen neuen Aufschwung, die stark zunehmende Nachfrage nach Ritualen führt immer wieder zu Engpässen angesichts der rückläufigen Zahl der zu ihrer Ausführung berechtigten Mönche. In diesem Zusammenhang besonders hervorzuheben ist die dramatisch angewachsene Popularität von Pilgerfahrten zu den heiligen Stätten des Buddhismus im indischen und nepalesischen Flachland (Bodh Gaya, Sarnath, Rajgir, Lumbini, Nalanda; vgl. DOLLFUS 1995; TSARONG 1987). 3.2. Forschungslücken Seit der Öffnung für den Tourismus im Jahre 1974 ist Ladakh Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Untersuchungen gewesen. Untersucht wurde vornehmlich die "Tradition", wobei diese zu den zeitgenössischen Verhältnissen in Gegensatz gestellt wurde. Aus diesen Untersuchungen ergibt sich ein durchaus detailliertes Bild der Fremdheitslage im gegenwärtigen Ladakh. Andere Momente der Erfahrung und Bewältigung des Fremden in Ladakh blieben bislang weitgehend unerforscht; so wurde z.B. die Rolle der Religion innerhalb dieser Prozesse bisher überhaupt nicht untersucht, ebenso wenig, inwiefern die Auseinandersetzung mit dem Fremden die Definition des Eigenen bei gleichzeitiger Integration in übergeordnete Zusammenhänge ermöglicht. Eine systematische Untersuchung der Fremdheitserfahrung, welche nach der subjektiven Befindlichkeit der Betroffenen angesichts des unvermeidlichen Kon- 21 taktes mit dem "Fremden" fragt, steht ebenfalls noch aus. Ebenso wenig sind bislang die Fremdheitslösungen, die ladakhischen Buddhisten zur Spannungsminderung des Fremdheitsdruck hervorgebracht und angewandt haben, systematisch untersucht worden. Lediglich die politischen Entwicklungen des letzten Jahrzehnts haben in der Wissenschaft Beachtung gefunden. Zusammmenfassend läßt sich feststellen, daß zwar die Fremdheitslage im buddhistischen Ladakh hinreichend beschrieben wurde, die Ebene der subjektiven Fremdheitserfahrung aus der bisherigen Forschung jedoch fast vollständig ausgeklammert wurde. Diese offene Fragestellungen wurde im hier beschriebenen Projekt mit dem Ansatz der „sprechenden Anthropologie“ angegangen, bei der wir grundsätzlich von den narratives der Betroffenen ausgingen und deren Varianz, Ambivalenz oder Widersprüchlichkeit zuließen, ohne voreilige Konzeptualisierungen und Homogenisierungen durch die Forscher einfließen zu lassen. Dieser Forschungsansatz ist bislang auf eine ethnische Gruppe mit einer derart differenzierten Fremdheitslage wie in Ladakh noch nicht angewandt worden. 4. Der theoretische Kontext der Fragestellung Im Forschungsprojekt verwenden wir durchgängig die drei Begriffe Fremdheitslage, Fremdheitslast und Fremdheitslösung, welche an dieser Stelle zunächst einmal definiert und anschließend in die theoretischen Konzepte von Ethnizität und Identität (Kap. 4.2.1.), Akkulturation und Modernisierung (Kap. 4.2.2.) sowie psychischer Belastung und Bewältigung (Streß und coping, Kap. 4.2.3-4.2.5.) eingebettet werden. Übersicht über Kap. 4 4.1. Die Begrifflichkeiten 4.2. Theoretische Rahmenkonzepte 4.2.1. Identität und Ethnizität 4.2.2. Akkulturation und Modernisierung (i) Definitionen von Akkulturation (ii) Modernisierung als Form der Akkulturation (a) (b) (c) ökonomisches Wachstum und Industrialisierung Urbanisierung Verwestlichung 4.2.3. Konzepte von Streß und coping - Belastung und Bewältigung (i) Definitionen von Streß und coping (ii) Bewältigungsverhalten (coping) als sozialer Prozeß 22 4.2.4. Zusammenhänge zwischen Akkulturation, Modernisierung, Streß und coping (i) psychologische Akkulturation (ii) akkulturationsbedingter Streß - acculturative stress (iii) Adaptionsstrategien - acculturation attitudes and strategies (a) Assimilation (b) Integration (c) Separation (d) Marginalisierung (e) Die vier Adaptionsstrategien - Zusammenfassung 4.2.5. Migration, Streß und coping (i) mögliche Streßfaktoren (stressors) der Migration (ii) Die Schwierigkeiten des copings für Einwandererpopulationen (iii) Modernisierung und Migration: Ein Fallbeispiel 4.1. Die Begrifflichkeiten Mit Fremdheitslage beschreiben wir die mit objektiven Daten belegbare Begegnung mit dem "Fremdem" (vor allem dem indischen Staat, Kashmir und dem Islam, dem "Westen"). Unser Werkzeug zur Analyse der Fremdheitslage in Ladakh stellen die Theorien zu Akkulturation und Modernisierung dar (vgl. Kap. 4.2.2.). Fremdheitserfahrung bezeichnet das subjektiv empfundene Erleben von Fremdheit, wobei auf der Grundlage von Voruntersuchungen (vgl. Kap. A.2.1.) davon ausgegangen wird, daß es sich bei dieser Erfahrung im vorliegenden Fall eher um eine Belastung (Fremdheitslast) handelt. Von daher bot sich an, diese Fragestellung einerseits in den theoretischen Kontext der psychologischen Belastungsforschung (Streßforschung) einzubinden (Kap. 4.2.2., zumal bei der Datenerhebung ein individuumsbezogener Zugang verfolgt wurde; vgl. Kap. A.6.), andererseits in den Kontext von individueller Identität und kollektiver Ethnizität (vgl. Kap. 4.2.1.). Mit Fremdheitslösungen werden bezeichnen wir sowohl individuell faßbare als auch sich institutionell manifestierende Strategien, welche bei gegebener Fremdheitslage versuchen, diese entweder zu reduzieren, oder aber die eigenen Ressourcen für eine positive Fremdheitserfahrung zu stärken. Von daher boten sich auch hier Ansätze der psychologischen Belastungsforschung (zu Streßbewältigung = coping als Möglichkeit der Spannungsreduktion) als theoretischer Kontext an, insbesondere jene Ansätze, welche die ursächlichen Zusammenhänge zwischen Akkulturation, Modernisierung, Streß und Bewältigungsstrategien untersuchen (vgl. v.a. BERRY 1974, 1980, 1997, 1998), sowie Ansätze der postmodernen Ethnologie zur Konstruktion von ethnischer Identität (s.u.). 23 Theoretische Ansätze zum Komplex von Identität, Ethnizität und ethnischer Identität sind darüber hinaus in jeglicher Auseinandersetzung mit Fremdheit evident und sollen in ihrer Relevanz für das Forschungsprojekt als erstes vorgestellt werden. 4.2. Theoretische Rahmenkonzepte 4.2.1. Identität und Ethnizität Die Verwendung des Wortes Identität leitet sich aus der Psychoanalyse her (ERIKSON 1959), sein Gebrauch in der Ethnologie ist nicht immer eindeutig bestimmt.26 Während in der psychoanalytischen Tradition das Augenmerk auf der personellen oder individuellen Identität liegt, wird in der Ethnologie im allgemeinen mehr die gruppenbezogene, kollektive Identität von Familien, communities, Klassen, Nationen oder die "ethnische Identität" betont - der Begriff erhält somit Bezug zu den klassifikatorischen Segmenten (Kategorien), in die sich Individuen einzugliedern haben, sowie zur Sozialisation und Enkulturation: "Individuals' identities are ... emergent properties of their categorical memberships ... sharing the same features as the well established concept of 'status' and 'role'" (BYRON 1996:292).27 Der Begriff Ethnizität 28 ist relativ jungen Ursprungs29 und wurde seit den 1960er Jahren in die wissenschaftliche Terminologie eingeführt.30 Nachdem der Begriff aus den USamerikanischen Sozialwissenschaften auch in die deutschsprachige Ethnologie übernommen worden war, wurden seit Anfang der 1970er Jahre "ethnisch" (engl. ethnic) und "Ethnizität" auch zu Begriffen der Alltagssprache (SOKOLOVSKII und TISHKOV 1996:190-192). Der Begriff löste die früher üblichen Bezeichnungen "Stamm", "Volk", "Kulturgemeinschaft", "Nation" und zum Teil auch "Rasse"31 ab, welche das zuvor herrschende essentialistische Verständnis 26 27 28 29 30 31 "ambiguous use of the word 'identity' by anthropologists" (BYRON 1996:292) In den 1950/60er Jahren schälte sich langsam die Einsicht in intrakulturelle Variation und damit die Erkenntnis heraus, daß die individuelle Identität oft nicht mit Akzeptanz kultureller Normen übereinstimmt (ZENNER 1996:393; vgl. auch Kap. A.6) und somit keine deckungsgleiche Beziehung zwischen ethnischer Identität und Kultur gegeben ist. Die folgenden Ausführungen gehen z.T. auf Arbeitsergebnisse eines Seminars in der Abteilung Anthropologie des Universitätsklinikums Ulm mit dem Titel "Ethnizität - Identität , Eigen- und Fremdwahrnehmung" im Wintersemester 2000 / 2001 zurück; mein besonderer Dank gebührt Herrn Frank Seeliger M.A., welcher als Co-Seminarleiter einen wesentlichen Beitrag zur Erarbeitung dieser Konzepte lieferte. "of recent origin", ZENNER (1996:393). z.B. GLAZER und MOYNIHAN (1963, [1975]); vgl. PEOPLES und BAILEY (1994: 383 ff.). Diese Begriffe sind z.T. ideologisch stark belastet und wurden deshalb durch den neutralen Begriff Ethnie ersetzt. Der Begriff "Rasse" war durch seine Verwendung im nationalsozialistischen Deutschland und die damit verbundenen Implikationen endgültig diskreditiert, der Begriff "Stamm" wurde ab den 1960er Jahren zunehmend mit kolonialistischer Bevormundung der Afri- 24 von "Ethnien" kennzeichneten, und wurde auch als Synonym für "kulturelle Gruppe" verwandt.32 Der Terminus "Ethnizität" hat inzwischen in der ethnologischen Diskussion einen festen Platz, und es ist sogar eine "Proliferation der Theorien zur Ethnizität"33 zu verzeichnen (wobei sich die verschiedenen Ansätze nicht notwendigerweise gegenseitig ausschließen). Zu unterscheiden ist zwischen primordialen und situationistischen Ethnizitätsdefinitionen: Erstere kennzeichnen sich durch die Annahme gemeinsame Abstammung, gemeinsame Geschichte, gemeinsamer Tradition und einer gemeinsamen Weltsicht.34 Gemäß primordialistischen Ansätzen ist Ethnizität etwas Gegebenes und wird entweder als biologisches Phäno- 32 33 34 kaner durch Europäer assoziiert und erweckte das Unbehagen der neuen Nationalstaaten im entkolonialisierten Afrika gegenüber der "tribalen Aufsplitterung ihrer Nationen". Vgl. dazu verschiedene Definitionen: Der Begriff "Ethnos" oder "Ethnie" ist definiert als "... eine Menschengruppe mit gemeinsamer Abstammung, Stammesüberlieferung und Wir-Bewußtsein. Zusätzliche Kriterien wie Sprache, Rechts-, Siedlungs-, Religions-, und/oder Kultgemeinschaft, einheitliche materielle Kultur u.a. sind in ihrer jeweiligen Bedeutung stark veränderlich und können nicht allein zur Feststellung und Benennung einer ethnischen Einheit herangezogen werden. Der Begriff E. entspricht am ehesten dem deutschen Terminus 'Stamm'. In letzter Zeit wurde E. vielfach mit Volk gleichgesetzt, was historisch problematisch ist; meist wird E. als kleinere Einheit mit schwankender Zusammensetzung dem Volk als der großen, geschichtlich und kulturell entwickelten Einheit gegenübergestellt. Das E. wird durch Traditionsträger (Häuptling, Medizinmann, Künstler) repräsentiert. Die Eigenweltlichkeit wird durch Identifikation mit Gruppenmitgliedern und Negation der Fremdethnien konstituiert." (HÖFER 1988:134) Vgl. SOKOLOVSKII und TISHKOV (1996:190): "Since the mid-1970s the concept has acquired strategic significance with anthropological theory partly as a response to the changing postcolonial geopolitics and the rise of ethnic minorities activism in many industrial states." Im Sinne der Idee vom "Volkskörper" und vom Volk als "Schicksalsgemeinschaft". Vgl. HERDERs neo-romantisches Konzept des Volkes ("unity of blood and soil"; SOKOLOVSKII und TISHKOV 1996:191) und SHIROKOGOROVs (1929:122) Definition des Ethnos: "a group of people, speaking one and the same language and admitting common origin, characterized by a set of customs and life style, which are preserved and sanctified by tradition, which distinguishes it from others of the same kind". Nach ZENNER (1996:293) wird unter Ethnizität die Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung als Mitglied einer Gruppe auf Grundlage gemeinsamer Abstammung und eines gemeinsamen Schicksals verstanden ("sharing a common destiny"), mit ihr sei der Anspruch auf eine gemeinsame kulturelle Herkunft verbunden - nicht von ungefähr begründet sich Ethnizität häufig durch einen Ursprungsmythos, der in mehr oder weniger elaborierter Form vorliegen kann. PEOPLES und BAILEY (1994:385) sehen z.B. auch die gängigen Lehrinhalte zur Besiedlung Nordamerikas im US-amerikanischen Schulunterricht als Form eines spezifisch anglo-amerikanischen Ursprungsmythos an. 25 men35 oder aber Produkt von Kultur und Geschichte angesehen. Derartige strukturelle Definitionen von Ethnizität über linguistische, religiöse und "rassische" Charakteristika als vermeintliche primordial gegebene Grundlagen herrschten bis zur Mitte der 1970er Jahre vor.36 Das interpretative Paradigma des Postmodernismus hingegen sieht Ethnizität als "shared identy for members and non-members" (COHEN 1978:386-387) an. Situationistische und konstruktivistische Ethnizitätsdefinitionen betonen den imaginären, situativen und kontextualen Charakter der Ethnizität37 und berücksichtigen in stärkerem Maße die Eigenzuschreibung gegenüber der Fremdzuschreibung. Situationsspezifisch können verschiedene Definitionen von Ethnizität und verschiedene Kriterien der Abgrenzung von anderen Ethnien zum Zuge kommen. Diese liegen z.B. in unterschiedlichen Sprachen, Religionen oder Phänotypen ("Rasse") begründet liegen oder können auch aus einer berufsmäßigen Spezialisierung erwachsen - meist wird die Abgrenzung zwischen verschiedenen Ethnie aufgrund einer Kombination von mehreren dieser Merkmale vollzogen, deren Auswahl letztendlich willkürlich ist.38 Die jeweilige ethnische Identität ist somit vom Umfeld und der Situation abhängig (ZENNER 1996:394). Ethnische Gruppen sind beständigem Wandel ausgesetzt: bestehende Ethnien können von anderen absorbiert werden, oder es können sich neue Ethnien konstituieren - ebenso kann es zu multiplen ethnische Identitäten kommen (Fluidität der Ethnizität).39 Zuschreibungen von 35 36 37 38 39 Soziobiologische Ansätze; vgl. BERGHE (1978). Gemäß diesen Ansätzen stellt Ethnizität "a genetic disposition for kin-selection" und ein "comprehensive form of natural selection and kinship connections, a primordial instinctive impulse" dar, wobei die "recognition of the group affiliation genetically coded" sei (SOKOLOVSKII und TISHKOV 1996:191). SOKOLOVSKII und TISHKOV (1996:191). Gemäß instrumentalistischen Ansätze wurde in Theorien der Modernisierung (vgl. Kap. 4.2.2.) Ethnizität auch gern als ein Relikt der Vergangenheit ("remnant of the pre-industrial social order") angesehen, als "marginal phenomenon to be overcome by the advance of the modern state and processes of national integration and assimilation ... [this] 'melting pot' or assimilationist ideology [was] prevalent in American cultural anthropology from the 1960s to the mid 1970s." (EBD.) "Objective and perceived differences between the various groups in a society served as a basis for the production of distinctive group identity, which in its turn created the context for inter-group relations and political mobilization." (SOKOLOVSKII und TISHKOV 1996: 192); vgl. BARTHs (1969: 13) Definition: "ethnicity is a continuing ascription which classifies a person in terms of their general and inclusive identity, presumably determined by origin and background ... [with the] ability to structure inter-group relations and to serve as a basis for political mobilization and political stratification." Ein anschauliches Beispiel für Religion als marker für eine neue "imaginäre Gemeinschaft" liefert RANDERIA (1995) in ihrer Untersuchung des Hindu-Nationalismus (Hindutva) und der Kommunalisierung von Religion in Indien. PEOPLES und BAILEY (1994:387); z.B. als Jude in Rumänien oder als "Rumäne" in Israel; vgl. ZENNER (ebd.). 26 Ethnizität können Bestandteil einer hierachischen Gesellschaftstruktur40 und Ausdruck einer ethnischen Stratifizierung im Sinne eines Kastensystem oder des Kolonialismus sein. Damit wird Ethnizität zum Produkt politischer Mythen,41 und Ethnien agieren häufig als politische oder ökonomische Interessengruppen (ZENNER 1996:395). Andererseits entwickelt nicht jede kulturelle Gruppe notwendigerweise auch ein eigenes ethnisches Bewußtsein.42 Die folgenden konzeptionellen Entwicklungen sind in für die postmoderne Ethnizitätsdebatte von besonderer Bedeutung43: An die Stelle von Theorien essentialistischer Definitionen kollektiver Identitäten (Physiognomie, Abstammung) traten in der Ethnologie und Soziologie konstruktivistische Konzepte von kollektiver Identität, wonach Identität in der Interaktion (im Medium von Sprache und Verhalten) immer wieder neu ausgehandelt wird und Kriterien des Ein- und Ausschlusses sich stetig verändern.44 Weiterhin wurde der Ethnizitätsbegriff - wie auch andere Begriffe kollektiver Identität, z.B. der des nationalen Selbstverständnissse45 - 40 41 42 43 44 45 WOLF (1990) bezeichnete dies als ethnische Segmentierung von Gesellschaften. Zuschreibungen wie ethnic (USA), tribal (Indien) oder communal an sich können z.T. schon Indikatoren eines niedrigeren Sozialstatus oder des Minderheitenstatus darstellen (ZENNER 1996:394) - so beschreibt der Begriff ethnic in den USA durchweg die Angehörigen nationaler oder "rassischer" Minderheiten (Afroamerikaner, Iberoamerikaner, Indigene). "Created and manipulated by cultural elites in their pursuit of advantages and power" (SOKOLOVSKII und TISHKOV 1996:191). sog. "'latent' or 'silent' ethnicity" (DIES.:192) - ein Beispiel dafür bilden die Aromunen (Wlachen / Vlachen) in Südosteuropa; vgl. KAHL (1999, 2000); SCHWANDNER-SIEVERS (1999). Vgl. BANKS (1996); BARNARD und SPENCER (1996); CERULO (1997); JENKINS (1997); SOKOLOVSKII und TISHKOV (1996). Fluidität der Ethnizität; vgl. BARTHs (1969 [1994]) Konzept der Ethnic Groups and Boundaries. Vgl. folgende Definitionen von "Nation ... (lat. natio, ursprüngl. = Geburt, Abkunft, später auch = Gruppe), im Altertum die durch Abstammung verbundene Bevölkerung einer Stadt (polis), einer Landschaft oder eines Territoriums. Im Mittelalter wurden Studenten an Universitäten und Teilnehmer an Reformkonzilen in N. zusammengefaßt. Die Französ. Revolution strebte die Identität von Volk, Staat und Nation als höchste politische Ordnung an. Das nationalstaatliche Prinzip des Selbstbestimmungsrechtes der Völker breitete sich nach 1918 weltweit aus. Die N. ist ein Volk, der Teil eines Volkes oder ein Verband mehrerer Völker, die jeweils im Laufe der Geschichte zur Bildung eines eigenen Staates gelangt sind. Sie weist ein zentralisiertes politisches System auf und setzt sich aus sozial geschichteten, wirtschaftlich spezialisierten und auch in anderer Weise heterogenen Populationen zusammen, die ein bestimmtes Territorium bewohnen. Im Französischen bedeutet Nationalität die Staatsangehörigkeit einer Person. Die deutsche Sprache unterscheidet zwischen Volk, Volksgruppe und Nation. Dabei steht neuerdings die Bezeichnung Kulturnation für Volk und N. für Staatsbürgerschaft. In Osteuropa ist der N.-Begriff eher mit dem Volk gleichgesetzt. N. enthält über das Zusammengehörigkeitsgefühl hinaus ein staatspolitisches Willenselement, das nach Vereinheitlichung der kulturellen Normen strebt." (HÖFER 1988:336). "Der Begriff der Nation ist historisch gewachsen und hat seine Bedeutung mehrfach gewandelt: an einem Ort versammelte Gruppen unterschiedlicher regionaler Herkunft waren im Mittelalter nach 27 durch die Einbeziehung von Macht und Interesse in die Analyse von Prozessen der Identitätsbildung sowie die Einführung "postmoderner" Konzepte von multipler Identität, subethnischer Identität, intraethnischer Variation und Identitätsfrakturen erheblich bereichert. Diese theoretischen Entwicklungen erlauben es, den Widerspruch zwischen konstruktivistischer Theorienbildung auf der einen Seite und Essentialisierung der Ethnizität in Alltag und Politik auf der anderen Seite zu verstehen: Trotz ihres wandelbaren und konstruktivistischen, auf Wahrnehmung und Zuschreibung beruhenden Charakters wird Ethnizität von ethnischen Akteuren immer wieder als "Tatsache" angesehen. Dies geschieht z. B., wenn Ethnizität als Ressource eingesetzt wird, sei es zur Mobilisierung gegen Diskriminierung und Benachteiligung, sei es zur Aufrechterhaltung eines sicheren Selbstverständnisses unter Bedingungen von Fremdheit und Wandel (HECKMANN 1991) oder in wirtschaftlichen Konkurrenzsituationen (DITTRICH und LENZ 1995). Vor diesem Hintergrund sehen wir die Bestrebungen zur Aufrechterhaltung und Bewahrung einer eigenständigen ethnischen Identität in Ladakh (vgl. RIZVI 1996). Wie in vielen anderen Regionen der Welt (vgl. HECKMANN 1988) stimmen auch in Ladakh staatliche Grenzen nicht mit Siedlungs- und Sprachgebieten der Ethnien überein. Innerhalb des indischen Bundesstaanationes gegliedert. Im folgenden soll es ausschließlich um den zeitgenössischen, seit der Französischen Revolution ausgebildeten Nationsbegriff gehen. Die Entwicklung der Nation in diesem Sinne steht in einem Zusammenhang mit dem Prozeß wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Modernisierung seit dem Ende des 18. Jahrhunderts. Die Nation überwindet Ständegrenzen und Regionalismen; sie integriert die Gesamtgesellschaft unabhängig von der sozialen Lage des einzelnen. Die Nation beansprucht die Fähigkeit und das prinzipielle Recht, über einen eigenen Staat zu verfügen, der seine Existenzberechtigung als Nationalstaat erfährt. Umfang und Abgrenzung der Nation ergeben sich durch ältere ethnische Gliederungen, politische Grenzen, Sprache und Konfession der Bevölkerung. Die Nation ist eine imagined community, eine 'Gemeinschaft in der Vorstellung'; sie umfaßt diejenigen, die sich zu ihr bekennen und die von den anerkannten Sprechern dieser Nation dieser zugerechnet werden. Nationalbewegungen erheben unter Umständen konkurrierende Ansprüche auf Gruppen; sie können auch gegen den individuellen Willen Betroffener vereinnahmen oder ausschließen." (STEINDORFF 2000:14, 15) Vom etablierten Nationalismus, der Identifikation mit einem bestehenden Nationalstaat, seiner Wertschätzung und gegebenenfalls ideologischen Überhöhung ist der Ethno-Nationalismus zu unterscheiden, welcher Anspruch auf die Schaffung eines neuen Nationalstaates aufgrund ethnischer Kriterien erhebt - dies unter Bezugnahme auf ein Verständnis der Nation als einer Kulturnation, welches letztendlich auf Vorstellungen der deutschen Romantik (HERDER und FICHTE) zurückgeht (SPENCER 1996:391; vgl. auch die Gleichsetzung von Volk und Nation im östlichen Europa; HÖFER 1988:336). Zunehmend nehmen auch Ethnien, welche traditionellerweise über keinerlei staatliche Organisation verfügten (z.B. nordamerikanische Indigene), die Bezeichnung Nation statt Stamm (tribe) für sich in Anspruch, z.B. die Navajo Nation (Ethnie der Dené) im Südwesten der USA oder die First Nations Kanadas (dort offizieller Begriff für Ureinwohner = "Indianer", Métis, Inuit / Eskimos). 28 tes Kashmir versuchten die Ladakhis inzwischen, in Form des Ladakh Autonomous Hill Development Council (L.A.H.D.C.) eine eigene Verwaltungseinheit mit abgegrenztem Territorium und eigenständiger politischer Vertretung zu konstituieren (vgl. EMMER 1996b). Im Zusammenhang damit wurde in den politischen Kampagnen der letzten Jahrzehnte entweder die buddhistische Identität der Ladakhis (bei der Agitation für den Scheduled Tribe Status; S.T.) oder aber die ethnische Identität aller Ladakhis (bei den Kampagnen für Union Territory Status und Ladakh Autonomous Hill Council) in den Vordergrund gestellt und damit "Ethnizität" bewußt als Mittel der politischen Mobilisierung eingesetzt, wobei wechselweise sprachliche Gemeinsamkeiten oder aber die buddhistische Religion (im Unterschied zum Islam) als Abgrenzungskriterium zum Zuge kamen (BEEK 1996b; BEEK und BERTELSEN 1997; BERTELSEN 1997b, 1997c; vgl. MICHAUD 1996:295, 296). Aus diesen Differenzierungen ergeben sich verschiede-ne, einander ein- oder ausschließende Ebenen der ethnischen Identität, welche im Sinne der "Konstruktion ethnischer Wirklichkeiten" (ORYWAL und HACKSTEIN 1993) wechselweise auf gemeinsame Sprache, Religion oder Lebensweise rekurrieren. Für unser Forschungsprojekt geben uns die Konzepte von Ethnizität und Identität vor allem bei folgenen Teilfragestellungen einen Interpretationsrahmen: - Wir gehen nicht von einer einheitlichen ethnischen Identität der Ladakhis aus, sondern von einer Vielzahl von sub-ethnischen Identitäten, die u.a. auch solche wesentlichen Variablen wie Alter, Geschlecht, Kontaktnähe zu Tradition und Fremdem und Stadt/Land-Unterschied umfassen. Diese Prämisse hat uns bei der sample-Auswahl geleitet. - Jenseits solcher von demographischen und ethnographischen Kriterien geprägter Identitätsvariationen zielen unsere Fragen gerade im Basisprojekt (1) auch auf innovative individuelle (und von Kontext zu Kontext im Lebensbericht wandelnde) Identitätskonstrukte ab; die Daten sollen gerade unter diesem Gesichtspunkt sorgfältig gesichtet werden. - Wir gehen von einem situationistischen oder konstruktivistischen Identitätskonzept aus, demzufolge Identität je nach Kontext und Situation wechselnd interaktiv ausgehandelt wird. Deshalb differenzieren wir bei unseren Fragen nach Fremdheitserfahrungen stets nach der Art der Fremdheitslage: Verschiedene Fremdheitslagen (Indien, Kashmir, der "Westen") konstituieren auch verschiedene Identitätskonzepte, werden entsprechend unterschiedlich erlebt und können folglich auch zu unterschiedlichen Fremdheitslösungsansätzen führen. - Die erhobenen Fremdheitslösungen werden stets relativ zu den genannten Parametern des Untersuchungs-samples als auch relativ zu den Fremdheitserfahrungen interpretiert: Wir gehen zunächst von multipler und fluider Identität aus. - Das konstruktivistische Identitätskonzept werden wir auch bei der Analyse der Interaktion von Forscher und Gesprächspartner berücksichtigen: Auch der fragende und beobachtende Forscher ist ein situatives Moment, das die Identitätsdarstellung zu be- 29 einflussen vermag. Wir nehmen deshalb das Gesamtgespräch auf, um die Gesprächsdynamik und den Gesprächsverlauf rekonstruieren zu können (vgl. Kap. A.6.). - Wir gehen davon aus, daß Religion ein wesentlicher Teilaspekt ladakhischer Identitätsdarstellung ist und untersuchen, wann und wo dieses Element des Selbstverständnisses als Ressource eingesetzt und in wechselnden Interessenkontexten verwendet wird. 4.2.2. Akkulturation und Modernisierung (i) Definitionen von Akkulturation Unter Akkulturation ist durch externe Einflüsse hervorgerufener Kulturwandel aufgrund von Kulturkontakt zu verstehen.46 Es handelt sich um eine von mehreren Formen des Kulturwandels, welche dann zustande kommt, wenn Individuen oder Gruppen mit verschiedener Kultur in direkten, andauernden Kontakt zueinander kommen und Kulturzüge der einen Gruppen durch Kulturzüge der anderen Gruppe ersetzt werden.47 46 47 FRIEDL (1976:376); vgl. BARNARD und SPENCER (1996); BOCK (1996); HOWARD (1993); KOTTAK (1994); WHITTEN und HUNTER (1993). Vgl verschiedene Definitionen im einzelnen: „acculturation: the process of acquiring culture traits as a result of contact. The term was common, especially in American anthropology, until fairly recently“ (BARNARD und SPENCER 1996: 594). "acculturation, another concept of change, was the name given to investigations of the impact of dominant (colonial) societies on native cultures under conditions of sustained, first-hand contact" (BOCK 1996:301). „acculturation: A process of change that occurs when groups of individuals having different cultures come into continuos first-hand contact“ (FRIEDL 1976:376, 421). „acculturation: A cultural process in which a society acquires new traits as a result of contact with another society. In contrast to diffusion, acculturation always entails the large-scale influence of one society on another and direct contact between societies“ (HOWARD 1993:381). „acculturation: Those adaptive cultural changes that come about in a minority culture when its adherents come under the influence of a more dominant society and take up many of the dominant culture’s traits“ (WHITTEN und HUNTER 1993:309). „Acculturation is the exchange of cultural features that results when groups come into continuous first-hand contact; the original cultural patterns of either or both groups may be altered by this contact (Redfield, Linton, and Herskovits 1936). We usually speak of acculturation when the contact is between nations or cultures; elements of the cultures change, but each group remains distinct ... Repeatedly in situations of continuous contact, cultures have exchanged and blended their languages, foods, recipes, music, dances, clothing, tools, techniques, and a host of other practices and customs“ (KOTTAK 1994:56). 30 Im Unterschied zu anderen Formen des Kulturwandels (etwa Diffusion)48 wird dabei vorausgesetzt, daß dieser Kulturkontakt nachhaltige Folgen in einer oder beiden beteiligten Kulturen hinterläßt (vgl. HOWARD 1993:381). Die verschiedenen Definitionen von Akkulturation nehmen alle Bezug auf ihre klassischen Vorläufer,49 weisen darüber hinaus aber verschiedenartige Nuancierungen auf. Neuere Definitionen (z.B. BOCK 1996:301; WHITTEN und HUNTER 1993: 309) beziehen den Begriff explizit auf das Verhältnis einer dominanten Kultur zu einer Minderheitenkultur oder auf koloniale und postkoloniale Zusammenhänge; z. T. wird Akkulturation als ein inzwischen obsoleter Begriff angesehen (BARNARD und SPENCER 1996:594). Jüngere Publikationen weisen darauf hin, daß Akkulturation gemäß eines bidimensional acculturation models (vgl. BERRY 1980, 1987, 1989, 1993; ROYSIRCAR-SODOWSKY und MAESTAS 2000:135) durchaus in beide Richtungen, von der dominanten zur unterlegenen, und von der unterlegenen in Richtung der dominanten Kultur, verlaufen kann. Akkulturation ist sowohl von Assimilation50 (welche durchaus eine Variante der Akkulturation darstellen kann) als auch von Diffusion51 zu unterscheiden, welche zwar in allen Phasen 48 Vgl. KOTTAK (1994:362): "Acculturation differs from diffusion, or cultural borrowing, which can occur without firsthand contact." 49 Als diese gelten REDFIELD, LINTON und HERSKOVITS (1936), HERSKOVITS (1938), LINTON (1940) sowie BARNETT et al. (1954). Gemäß der Definition von REDFIELD et al. (1936:49) ist unter Akkulturation eine "... intensive und andauernde Kontaktsituation zwischen zwei oder mehr Kulturen zu verstehen, ... die zu extensivem Wandel in wenigstens einer der betroffenen Kulturen führt" Diese Definition wird im Originaltext ("Memorandum on the Study of Acculturation", American Anthropologist 1936:149-152) ergänzt durch die Bemerkung: "Acculturation comprehends those phenomena which result when groups of individuals having different cultures come into continuous first hand contact with subsequent changes in the original culture patterns of either or both groups". Weiterer Bestandteil der klassischen Definition ist: "Acculturation is culture change that is initiated by the conjunction of two or more autonomous cultural systems. Acculturative change may be the consequence of direct cultural transmission; it may be derived from non-cultural causes, such as ecological demographic modifications inducing by an impinging culture; it may be delayed, as with internal adjustments following upon the acceptance of alien traits or patterns; or it may be a reactive adaptation of value systems, the processes of integration and differentiation, the generation of developmental sequences, and the operation of role determinants and personality factors." 50 Vgl. die entsprechenden Definitionen: "assimilation: The process by which distinctions between ethnic groups are minimized or eliminated" (HOWARD 1993:381). "Assimilation describes the process of change that a minority ethnic groups may experience when it moves to a country where another culture dominates. By assimilating, the minority adopts the patterns and norms of its host culture. It is incorporated into the dominant culture to the point that it no longer exists as a separate culture unit" (KOTTAK 1993:56). "Assimilation, eine Form des soziokulturellen Angleichungsprozesses beim - vor allem exogamen Kulturwandel. A. in diesem Sinne ist ein mögliches und oft ideologisch erwünschtes Resultat des vollständigen Akkulturationsprozesses" (KOEPPING 1988:34). 31 des Kulturwandels auftritt, aber ebenso ohne Akkulturation stattfinden kann.52 Der Zusammenhang zwischen diesen Begrifflichkeiten läßt sich wie folgt darstellen: Diffusion È Ë Ì Kulturwandel Ë È Ì Akkulturation Ë È Ì Assimilation Akkulturation bedeutet keineswegs, daß die Gesamtheit der Individuen einer mit denen einer anderen Kultur in massiven und dauerhaften Kontakt kommen muß, häufig ist „only a selected segment of one society in contact with another“.53 Dementsprechend wird Akkulturation häufig durch besonders exponierte Schlüsselfiguren oder auch marginale Mitglieder einer Gesellschaft vorangetrieben54 und muß weder in der akkulturierenden Mehrheitsgeselllschaft oder dominanten Kultur noch innerhalb der Minderheiten-Gesellschaft oder der indigenen 51 52 53 54 Definitionen: "diffusion: the spread of culture traits from one people to another" (WHITTEN und HUNTER 1993: 313). "diffusion: 'Cultural borrowing', in which a society adopts traits from other societies (Compare acculturation)" (HOWARD 1993:383). "diffusion: the spread of an innovation from its point of origin throughout an area and ultimately, through contact with other cultures, to neighboring regions" (FRIEDL 1976:421). "Under this definition, acculturation is to be distinguished from culture-change, of which it is but one aspect, and assimilation, which is at times a phase of acculturation. It is also to be differentiated from diffusion, which, while occurring in all instances of acculturation, is not only a phenomena which frequently takes place without the occurrence of the type of contact between peoples specified in the definition given above, but also constitutes only one aspect of the process of acculturation" (Memorandum on the Study of Acculturation, American Anthropologist 1936:149, 150). FRIEDL (1976:376) nennt als Beispiel die Spanier in der Neuen Welt, von denen nur eine Minderheit in Kontakt mit den Ureinwohnern Amerikas kam. Übertragen auf Ladakh läßt sich feststellen, daß nur bestimmte Segmente der indischen (Armee, Verwaltungsbeamte, „Gastarbeiter“ aus dem indischen Tiefland und Nepal) wie auch der westlichen Gesellschaft (Abenteuer-, trekking- und Ethno-Touristen, NGO-Mitarbeiter, researcher) und der Kashmiris (Händler, Restaurantbesitzer, Lehrer und vereinzelte Geistliche) in Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung kommen. Vgl. EBD. (S. 376, 377): "The contact between the Spanish conquerors and the Mexican Indians involved only a small portion of Spanish society, surely not representative of the entire culture. Similarly, American contact with the peoples of the Pacific Islands during World War II was also limited to a small part of American culture, the military. Other examples might affect the cultural exchange differently, as in the case of contact between missionaries from one culture and an entire group in another area, or between traders, miners, or other equally marginal members of a society" - Zur Definition von Marginalität vgl. EBERTZ (1992). 32 Kultur, welche von der Akkulturation betroffen ist, alle gesellschaftlichen Schichten, Klassen oder Gruppen in gleichem Maße erfassen.55 Auch wenn die Verwendung des Begriffes "Akkulturation" im ethnologischen Kontext bis in das Jahr 1880 zurück reicht (durch POWELL) und bereits BOAS (1896) den Begriff verwandte (ebenso EHRENREICH 1905 als einer der ersten Deutschen), so erfolgte eine schwerpunktmäßige Beschäftigung mit Akkulturation erst in der US-amerikanischen Cultural Anthropology zwischen 1920 und 1950 (FRIEDL 1976:376), zunächst im Zusammenhang mit Untersuchungen zu indigenen Völkern (vornehmlich Nordamerikas).56 55 56 So wird behauptet, daß bei der Akkulturation des Inka-Reiches der spanische Einfluß fast nur die "nationale" Ebene von Verwaltung, Militär und Religion betraf und die bäuerlichen Strata davon zunächst weitgehend verschont blieben (DRABNER 1991). Ähnlich Beispiele lassen sich für Europa finden, z. B. die Orientierung des mitteleuropäischen Adels am französischen Vorbild, Französisch als Sprache von Bildung und überregionaler Kommunikation, von der die bäuerlichen Schichten, Handwerker und Kleinbürger weitgehend ausgeschlossen blieben bzw. diese Einflüsse lediglich mittelbar, als sog. gesunkenes Kulturgut, zu spüren bekamen (vgl. z.B. französischen Lehnworte im Deutschen). Vgl. BOCK (1996:301): "The typical study sympathetically examined Native Americans and Canadians who had been confined to reservations, their language and traditions surpressed, forced to adopt Anglo-American customs". Beispiele für frühe Akkulturationsstudien sind MEADs Untersuchungen aus den dreißiger Jahren zu den Folgen des Kulturkontaktes für die Plains-Indianer, HERSKOVITS' Studien zum Synkretismus in den afroamerikanischen Religionen in den 1930er Jahren und SHARPs (1952) Studie zu den australischen Yir Yoront (FRIEDL 1976:379-384). MEAD untersucht in ihrer Studie Probleme der Desorganisation in der Plains-Kultur, welche als Folge des Kulturkontaktes mit Pelzhändler, euroamerikanischen Siedlern und des Akkulturationsdrucks der angloamerikanischen Gesellschaft auftraten und zum fast völligen Zusammenbruch der autochthonen Religion, der Hinwendung zunächst zum Presbyterianertum und später zum PeyoteKult führten. Es handelt sich um ein offenkundiges Beispiel für Kulturkontakt, der zur Desorganisation und Desintegration der traditionellen Lebensweise führte als einzig positive Folge dieses Kulturkontaktes ist das Erstarken des Pan-Indianismus zu werten (s. FRIEDL 1976:379, 380). HERSKOVITS beschreibt in seinen Akkulturationsstudien in der Karibik das Phänomen des religiösen Synkretismus, definiert als "the process of reinterpreting new cultural elements to fit them in with the already existing traditions in a culture" (FRIEDL 1976:422). Davon ausgehend, daß "non Europe people do not easily abandon their native religious beliefs and practices when confronted with Christianity" (EBD.:380), kommt es entweder zur völligen Zurückweisung der fremden Glaubensinhalte, oder aber zur Übernahme der äußeren Form des neuen Glaubens, welche entsprechend den bisherigen Werten und Bedeutungsinhalten umgedeutet werden. Beispiel dafür sind die Afroamerikaner in Kuba, in Brasilien und auf Haiti, deren oberflächlicher Katholizismus "only a mask for the continuation of traditional rituals" darstellt (S. 381). - Das Beispiel der australischen Yir Yoront zeigt, daß Flexibilität im Akkulturationsprozeß nicht immer möglich ist (FRIEDL 1976:383, 384). In dieser Aborigine-Kultur waren Steinäxte traditionell im alleinigen Besitz von Männern, obwohl sie hauptsächlich von Frauen benutzt wurden. An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurden Missionsstationen im Yir-Yoront-Gebiet errichtet und Stahläxte eingeführt, 33 Die weitere Entwicklung der Akkulturationsstudien faßt BOCK (1996:301, 302) wie folgt zusammen: "Various types and degrees of acculturation were recognized , and some interesting hypothesis (e.g., about early learning and resistance to external pressure) were formulated, but by the 1960s even experiences practitioners of acculturation research came to view it as one-sided. For example, George and Louise Spindler, who had described patterns of acculturation among the Menominee, came to feel that they had portrayed native peoples as passive recipients, whereas they actually played an active, dynamic role in shaping cultural interactions. Long-term research like that of Spindler's with the Menomini, of Margaret Mead with the Manus, or Elizabeth Colson with the Tonga revealed more about change processes than could intensive, one-time studies. The recognition of native initiative and participation in change, however, was part of a larger trend in which, as Sherry Ortner (1984) suggests, individual agency came to the fore in anthropological studies, and the deliberate strategies used by men and women in shaping their lives and negotiating their status or opportunities were increasingly recognized and described. A familiar example from American culture involves the efforts of minority groups to redefine their identities, partly bye cognitive strategies of relabeling (e.g. from "negro" to 'black' to Afro-American' or African American') and partly by deliberate political and economic organization."57 Damit wird in den rezenteren Studien zum Kulturwandel die Rolle der betroffenen indigenen Völker oder Minderheitenbevölkerungen (ethnics im nordamerikanischen Kontext) als aktiv Beteiligte hervorgehoben und ihr Bestreben um die Redefinition bzw. Eigendefinition ethnischer Identität stärker betont.58 (ii) Modernisierung als Form der Akkulturation 57 58 welche jetzt auch Frauen und Kindern zur Verfügung standen. Dies führte zur schwindenden Macht der Männer, zu einem allgemeinen Verfall der Kulturmuster bezüglich persönlichen Besitzes und damit zu mehr Diebstählen und steigender Kriminalität - insgesamt zu einer zumindest partiellen Marginalisierung der Kultur und ihrer Träger; vgl. WOODS (1975:24). Vgl. FRIEDl (1976:377): "Other interests in acculturation studies have to do with the process of change. What traits were ultimately borrowed by one culture, in what order, and with what resistance? Was a new innovation adopted exactly as it existed in the original culture, or was it changed to fit in better with the borrower's culture? Was there an element of prestige involved in borrowing?" Vgl. hierzu auch Eric WOLF's (1982) epochales Werk Europe and the People without History, in dem er genau diesen aktiven, schöpferischen Beitrag der außereuropäischen Völker in der Auseinandersetzung mit den Entdeckern und Eroberern aus Europa betont. 34 In der gegenwärtigen Situation wird Akkulturation vornehmlich durch den Kontakt mit der westlichen Kultur ausgeübt59 und manifestiert sich in der Form der Modernisierung.60 WOOD (1975:50) definiert Modernisierung als "... the process by which individuals change from a traditional way of life to a more complex, technologically advanced and rapidly changing way of life". Im Unterschied dazu ist Entwicklung für ihn (EBD.): " ... the process whereby a contemporary society improves its control of the environment by means of an increasingly complex technology applied by increasingly complex organizations."61 59 60 61 "Although acculturation can be applied to any case of cultural contact and change, the term has most often described westernization - the influence of Western expansion on native cultures" (KOTTAK 1994:362). Auch nach FRIEDL (1976:394) handelt es sich bei der Modernisierung um ein als Phänomen, daß eng mit der westlichen Kultur verknüpft ist und erst in jüngerer Zeit andere Kulturen (z. B. Japan) erreichte: "... in most societies traditionally studied by anthropologists (tribal and peasant peoples), cultural patterns are changed through contact with the West" (EBD.: 395). "... Akkulturation durch den Kontakt mit westlicher Kultur in der Regel als Modernisierung gewertet. Modernisierung ist eine im wesentlichen eurozentrische Vorstellung: sie bewertet die durch die euro-amerikanische Kultur gesetzten Standards als (objektiv) besser als die Standards anderer Kulturen und benennt sie als Entwicklungsziel dieser Kulturen" (DRABNER 1991:18). Zum evolutionistischen Hintergrund der hinter dieser Aussage stehenden Prämisse vgl. HARRIS (1989: 437). Diese Definition WOODs ist einerseits sehr deutlich evolutionistisch orientiert, deutet andererseits jedoch eine generelle Unterscheidung zwischen der Übernahme materieller kultureller Objektivationen aus der dominanten euroamerikanischen Kultur einerseits und der Auseinandersetzung mit westlichen Denk- und Wertvorstellungen andererseits an, wobei die Übernahme des einen keinesfalls mit der Assimilation an das andere einhergeht. - Vgl. auch die ganz anders geartete Definition von HOWARD (1983:382): "development: Improvement in the quality of human life by ensuring an adequate level of nutrition and suitable physical surroundings, as well as by forging social, political, and economic systems that recognize individual potential and promote self esteem". Für SPENCER (1996:377) manifestiert sich das Moderne und die Modernisierung vor allem in Abgrenzung zu zeitlich vorangegangenen Stadien der Prämoderne und über die Dichotomisierung von Modernität versus Tradition: "... in applying such contrasts to empirical situations in the present we displace our subjects to another time - the primitive, savage, premodern - somewhere in our past. In this respect, evolutionary assumptions have lingered on in anthropology long after the demise of grand nineteenth-century theories of social evolution. This is most obvious in the anthropology of development, a term which itself implies a process of regular qualitative change through time. In the first phase of the Cold War, so-called modernization theory dominated social scientific understanding of development. In its crudest version, modernization theory treated development as a unilinear process toward the 'modern' (an imaginary telos apparently located in the suburban United States, but with its intellectual roots in Weber's account of the growing rationalization of capitalist societies. This process involved both social and cultural change, particularly the shedding of those aspects of traditional culture which served as a hindrance in progress to the modern" (EBD.). 35 FRIEDL (1976:395, 422) benennt als entscheidende Komponenten der Modernisierung (a) ökonomisches Wachstum durch Industrialisierung, (b) Urbanisierung und (c) Verwestlichung.62 Diese drei Elemente sollen im folgenden einzeln betrachtet werden. Sie können im Zuge des Modernisierungsprozesses zusammen auftreten, müssen es aber nicht (EBD.). (a) Ökonomisches Wachstum und Industrialisierung Industrialisierung ist definiert (1) als Übergang zu industrieller Fertigung in jeder beliebigen Gesellschaft und (2) als Einführung dieser Produktionsform in vormalige Bauern-, Hirtenoder sogar Jäger- und Sammler-Gesellschaften.63 Grundlage der Industrialisierung ist eine Produktivitätssteigerung der Landwirtschaft, um die benötigten Arbeitskräfte freizusetzen. Damit einher geht die Kommerzialisierung der Landwirtschaft, d.h. die Produktion von cash crops zur Vermarktung von Überschüssen, und der Übergang von Subsistenz- zu Marktwirtschaft. Weitere wirtschaftliche Auswirkungen der Industrialisierung auf die vormals ländliche Bevölkerung64 betreffen vor allem die Familienstruktur (FRIEDL 1976:396, 397): Jüngere Einwohner in der Altersgruppe von 15-35 Jahren wandern zunehmend ab, infolgedessen ist die zurückbleibende ländliche Bevölkerung überaltert. Die Bedeutung der Mobilität nimmt zu, statt der erweiterten Großfamilie herrscht die Zwei-GenerationenKernfamilie vor, verbunden mit wachsender Unabhängigkeit junger Leute und erhöhtem 62 63 64 "modernization: A broad term covering at least the following separate processes: economic growth, or industrialization, urbanization, and Westernization. It is usually assumed that these processes occur together, and that they are interrelated, although this is not always the case" (FRIEDL 1976:422); vgl. HOWARD (1993:318): "modernization: The process whereby social units (such as tribes or villages) are integrated into larger, overarching units (such as nation-states), while the same time being split into units of production (such as factories) and consumption (such as nuclear families) that are characteristic of industrial societies". Vgl. die folgenden Definitionen von Industrialisierung, industrieller Produktion und Industriegesellschaft: "industrial production: A system of production that uses energy resources other than human or animal to operate machinery for the extraction and conversion of resources" (HOWARD 1993: 384). "industrialism the form of prodution characterizing post-agricultural societies, in which goods are produced by mechanical means using machines and labor organized into narrowly defined task groups that engage in repetitive, physically simplified, and highly segmented work. industrialization: The process involving the growth of manufacturing industries in hitherto predominantly agrarian, pastoral, or foraging societies. industrial society: A society with a high degree of economic development that largely utilizes mechanization and highly segmented labor specialization for the production of its goods and services" (WHITTEN und HUNTER 1993:316). "industrialization The growth of industry in any society. This process has prompted concurrent changes in agriculture, the family, and various aspects of the social structure" (FRIEDL 1976:421). "economic effects of industrialization upon a formerly rural, agrarian population" (FRIEDL 1976: 397). 36 Status der Frauen.65 Es entwickelt sich die Tendenz zur freien Partnerwahl statt der arranged mariage und zur Einehe, die Zahl der Heiraten mit mehreren Ehepartnern (Polygynie, Polyandrie) sinkt. Haushalte werden zunehmend neu gegründet (neolokale Residenz), und die Ehe wird zu einer persönlichen Beziehung zwischen zwei Individuen statt eines wirtschaftlichen Arrangement zwischen zwei Familien. (b) Urbanisierung Urbanisierung als Element von Modernisierung bezieht sich sowohl auf das Wachstum der Städte an sich als auch auf die wachsende Anzahl von Städten und des Prozentsatzes der in ihnen lebenden Menschen.66 Die Landflucht und Abwanderung in die Städte führt nach FRIEDL (1976:398) zu grundlegenden psychologischen und kulturellen Wandlungsprozessen,67 u. a. von einer lokalen zu einer überregionalen und letztendlich nationalen Orientierung (MASANAT 1987). Die Begegnungen zwischen den Menschen gewinnen einen zunehmend unpersönlicheren Charakter - ein Umstand, der z.T. durch die Ansiedlung in ethnic neighborhoods sowie das Verbands- und Vereinswesen aufgefangen wird.68 Überhaupt vollzieht sich der Wandel von ländlicher zu tatsächlich städtischer Kultur (change from folk to urban culture)69 oft über mehrere Generationen hinweg. Ländliche Zuwanderer lassen sich vornehmlich in der Nachbarschaft früherer Zuwanderer aus derselben Ethnie oder Herkunftsregion nieder ("Integration durch Kolonienbildung", s.u.) und versuchen Traditionen aus der Herkunftsregion in ihrem Stadtviertel als einer Art "städtischem Dorf" nach wie vor aufrechtzuerhalten.70 65 66 67 68 69 70 Gerade dies wird von HAY (1999:174-194) mit Bezug auf Ladakh und anderen Anhängerinnen der Gender and Development Theory vehement bestritten. Vgl. WHITTEN und HUNTER (1993:324): "urbanization: The worldwide process of the growth of cities at the expense of rural populations"; FRIEDL (1976:422): "urbanism The development of cities along with a growth in population size and density. There is usually a specialization of tasks and the division of the work among people trained for special jobs“. "change in the psychological and cultural makeup of the people who move to the city"; FRIEDL (1976:398). Voluntary associations im englischen Original (S. 399), definiert als "groups in which membership is based upon any common interest (e.g. similar occupation, leisure-time activities etc.). These associations are often a reaction to the impersonalization of city life" (FRIEDL 1976:422). FRIEDL (1996:421): "folk culture A society characterized by its personalism, smallness, homogeneity and relative isolation". "maintenance of folk traditions in an urban village" (FRIEDL 1976:400). Beispiele dafür lassen sich in den türkisch bestimmten Vierteln von Berlin-Kreuzberg ebenso wie in den gecekondus türkischer Großstädte (z.B. Ankara) oder in den polnischen Vierteln Chicagos, in den little Italies und China towns nordamerikanischer Großstädte wie im japanisch geprägten Vorort Liberdade von Sao Paulo oder im indianisch geprägten El Alto als der Schwesterstadt der bolivianischen Metropole La Paz finden - evtl. auch im Buddh Vihar in Delhi. 37 (c) Verwestlichung Verwestlichung bezeichnet die Übernahme und Übertragung von Kulturmustern und Institutionen der westlichen (euro-amerikanischen) Gesellschaft in die außereuropäischen Kontinente (Mittel- und Südamerika, Afrika, Asien, Ozeanien).71 Die Anforderungen der industriellen Arbeitsabläufe machen Veränderungen in den Werten, Einstellungen und Überzeugungen der Menschen nötig, neuartige Güter sind verfügbar, und sozialer Status wird nicht mehr aufgrund einer beständigen Position (aufgrund von Abstammung, Klassen-, Schicht- oder Kastenzugehörigkeit) zugeschrieben, sondern muß erworben werden und kann auch wieder verloren gehen (change from acribed to achieved status). Bei der Durchsetzung dieses Wertewandels kommt den Massenmedien eine elementare Bedeutung zu.72 Insgesamt soll die Modernisierung mit ihren drei Komponenten Industrialisierung, Urbanisierung und Verwestlichung folgende "Charakteristika des modernen Menschen" (MASANAT 1987) hervorbringen: z z z z z z z z z z z 71 72 Offenheit für neue Erfahrungen (SMITH und INKELES 1966, 1969) Kommunikation nach außen (ROGERS 1969) Interesse an neuen Nachrichten, auch im nationalen und internationalen Maßstab (SMITH und INKELES 1966, 1969) zunehmende Unabhängigkeit von traditionellen Autoritäten (EBD.) Meinungsfreudigkeit (MASANAT 1987) Engagement in öffentlichen und lokalpolitischen Fragen (SMITH und INKELES 1966, 1969) Aufgabe von Passivität und Fatalismus (EBD.) allgemeiner Optimismus (MASANAT 1987) Glaube an die Effektivität von Wissen und Medizin (SMITH und INKELES 1966, 1969) Streben nach guter Erziehung und beruflichem Aufstieg für sich und die eigenen Kinder (EBD.) vorausschauende, terminorientierte Planung (SMITH UND INKELES 1966, 1969) FRIEDL (1976:422) versteht unter "Westernization: The adoption of cultural patterns characteristic of Western society. Changes in non-Western societies include the predominance of the nuclear family, the rising status of women, growth of a market economy and an accompanying market mentality, as well as changes in their values, attitudes and beliefs ["- the whole psychological makeup of individuals in non-Western societies ... constraints imposed by the conditions of industrial labor"; S. 402]." New products and materials are made available to people, and high prestige is attached to them." (FRIEDL 1976:402); vgl. WHITTEN UND HUNTER (1993:325): "Westernization: The transplanting of industrial European-American institutions to developing countries" "spread of mass culture... an unifying influence that affects rural people as well as city dwellers." (FRIEDL 1976:410) 38 z z z z Orientierung in Richtung Wandel, Fortschrittsgläubigkeit (ROGERS 1969) Orientierung an innovativen Führungsschichten (EBD.) zunehmende Orientierung am Nationalstaat (PELTO UND POGGIE 1972:112), allgemeine nationale und internationale Orientierung (MASANAT 1987): Empathie (LERNER 1964; MASANAT 1987) 4.2.3. Konzepte von Streß und coping - Belastung und Bewältigung Im folgenden zunächst biologische und psychologische Definitionen des Begriffs Streß gegeben werden, dessen wissenschaftliche Verwendung von seinem Gebrauch in der Alltagssprache erheblich abweicht. (1) Definitionen von Streß und coping 1936 konnte erstmals das biologische Streßsyndrom im Tierexperiment nachgewiesen werden: Der kanadische Mediziner SEYLE erkannte, daß psychische Belastungen organische Veränderungen hervorrufen und führte den Begriff des General Adaption Syndrome (GAS) oder Biological Stress Syndrome ein. Nach SELYE tritt dieses "allgemeine Adaptionsssyndrom" in ganz unspezifischer Weise bei verschiedenen Umweltreizen (Stressoren) auf ; "Streß" stellt somit die "... unspezifische Reaktion des Organismus auf jede Form der Anforderung" (FALTERMEIER 1988:48) und eine Grundkomponente menschlichen Daseins dar (vgl. SELYE 1981: 170; 1982:7, 48). Stressoren können sein:73 z traumatische Erlebnisse wie Krieg, der Aufenthalt in Konzentrationslagern, Flucht und Vertreibung, Naturkatastrophen, Unfälle, große medizinische Operationen z Lebenskrisen: Verlust von Kindern oder Lebenspartnern (Tod, Scheidung), Verlust des Arbeitsplatzes, erzwungene Umsiedlung und Anpassungsprobleme an eine fremde Umgebung (z.B. als Folge von Auswanderung, durch Kulturschock oder rapide gesellschaftliche und kulturelle Veränderungen). 73 Auf einer physiologischen Ebene führen diese Streßfaktoren zu somatischen Reaktionen des Körpers (Bluthochdruck, Hormonausschüttung etc.), auf die in diesem Zusammenhang nicht näher eingegangen werden soll 39 z Bewältigungsaufgaben: Ablösung vom Elternhaus, Heirat, Abschluß von Schul- oder Berufsausbildung / Universitätsstudium, Pensionierung.74 z chronische Strebern (vgl. PEARLIN und SCHOOLER 1978): andauernde Belastungen wie schwierige Arbeitsbedingungen, konfliktbeladene Familienverhältnisse, Sorge um die eigenen Kinder, chronische Krankheiten und Behinderungen. z All-day hassles / Alltägliche Widrigkeiten (vgl. WEBER 1992:18), z.B. Unpünktlichkeit von Verkehrsmitteln, nicht funktionierende Kraftfahrzeuge zu viele oder widersprüchliche Anforderungen am Arbeitsplatz. Psychologische Streßforschung wird seit den 1950er Jahren betrieben. Ihr Ansatzpunkt waren zunächst die besonders traumatischen Erlebnisse von Überlebenden des 2. Weltkrieges, von Kriegsveteranen, ehemaligen KZ-Insassen, Füchtlingen und Vertriebenen.75 Hier zeigte sich nun, daß verschiedene Individuen auf dieselben physischen und psychischen Belastungen in ihrer Umwelt sehr unterschiedlich reagieren können (vgl. FALTERMEIER 1988:49), worauf sich die relations-, reiz- und situationsbezogenen Definitionen von Streß beziehen: "In den reaktionsbezogenen Definitionen von Belastung werden neben physiologischen Reaktionsmustern (bei Selye z.B. Hormonausschüttung) auch psychologische und verhaltensmäßige Störungs- und Anpassungsreaktionen (wie z.B. Angst) als Operationalisierungen von Streß herangezogen. Belastung tritt demnach relativ unabhängig von der Art des auslösenden Reizes auf. In den situations- oder reizbezogenen Definitionen werden Belastungen als Situations- oder Reizmerkmale operationalisiert. die - als unabhängige Variable verstanden - bestimmte Funktionsstörungen des Organismus (als abhängige Variable) bewirken." (EBD.) Die tatsächliche Belastung (der Streß) wird demnach relativ unabhängig von der Art des auslösenden Reizes (des Stressors) wahrgenommen (vgl. LAZARUS und ERIKSON 1952; LAZARUS 1993a). Das damit implizierte Reiz - Reaktionsschema wurde ab den sechziger Jahren durch die dynamische Streßtheorie von Lazarus und seiner Forschungsgruppe in Berkeley76 verfeinert, weiterentwickelt und teilweise revidiert. Gemäß diesem Konzept stellen psychische Belastung (Streß) und ihre Bewältigung (coping) zusammen einen Prozeß dar, bestehend aus: z belastenden Umwelteinflüssen (Stressoren) 74 75 76 Diese Stressoren werden v.a. durch den Ansatz der Life-Event-Forschung (Lebensereignisforschung) näher untersucht. Vgl. BETTELHEIM (1943); GRINKER und SPIEGEL (1945); HAMBURG, HAMBURG und DEGOZA (1953); WILSON, HAREL und KAHANA (1988). Vgl. LAZARUS (1966, 1968, 1975, 1977, 1981, 1993a, 1993b); LAZARUS und LAUNIER (1978); LAZARUS, COHEN, FOLKMAN, KANNER und SCHAFER (1980). 40 z der Bewertung und Einordnung dieser Einflüsse (kognitive appraisal of stress; vgl. GOLDBERGER UND BREZNITZ 1982:3) z und ihrer Bewältigung (coping) Das dadurch in seinen einzelnen Komponenten umrissene Streßgeschehen bezieht sich gleichermaßen auf eine Person und ihre Umwelt (LAZARUS 1968:22), deshalb spricht man auch von einer relationalen Streßdefinition bzw. einer transaktionalen Belastungskonzeption, da sich die Belastung "... erst in der Interaktion bzw. Transaktion zwischen Person und Umwelt konstituiert" (FALTERMEIER, 1988:47). Diese Belastungskonzeption von LAZARUS et. al. besagt, daß "psychologischer Streß ... eine besondere Beziehung zwischen Person und Umwelt [darstellt], die von der Person so eingeschätzt wird, daß ihre Ressourcen beansprucht oder überstiegen und ihr Wohlbefinden gefährdet ist".77 Damit wird noch einmal auf die besondere Bedeutung der Bewertung, des appraisal der streßauslösenden Faktoren (Stressoren) verwiesen; Streß ist ein transpersonales Konstrukt, daß über den engen Rahmen des Individuums hinausgeht. Die Prozeßhaftigkeit erwächst aus der Dynamik von Einschätzungen und Doping durch das Individuum und seine Umwelt: "Umweltbedingte Anforderungen sind externe Ereignisse, welche eine Anpassung erforderlich machen und im Falle des Mißerfolgs einer entsprechenden Handlung zu negativen Konsequenzen führen. Interne Anforderungen beziehen sich auf die erstrebenswerte Ziele, Werte, Wertdispositionen, Programme oder Aufgaben, die einem Individuum, einem sozialen oder organischen System immanent sind oder von ihnen erworben wurden und deren Vereitelung oder Aufschub negative Folgen oder Begleiterscheinungen haben würde." (LAZARUS und LAUNIER 1978:226 f.). Die Einschätzung und Bewertung der eigenen Belastung (Streß appraisal) ist jeweils von gesellschaftlichen Normen, der lebensgeschichtlichen Erfahrung des Individuums und der sozialen Interaktionssituation abhängig (FALTERMEIER 1988:56): "Gemäß diesem Ansatz verändern sich die Einschätzungen und die Bewältigungshandlungen im Verlauf der wechselseitigen Auseinandersetzung zwischen Person und Umwelt ständig, wobei die Veränderung eines Elements zur Veränderung des gesamten Systems führt. In der transaktionalen Sichtweise von Streß verschmelzen die Person und die Umwelt zu einer Einheit, welche aus Person, Umwelt und der Beziehung zwischen beiden besteht. Ereignis, primäre und sekundäre Einschätzung, Re-Evaluation der Situation ('reappraisal') und emotionale, soziale, physische und physiologische Prozesse stehen in einem fortlaufenden Wechselspiel, das sich fortlaufend über die Zeit verändert ..." (BODEN-MANN 1997:74) 77 LAZARUS (1984:19); LAZARUS und LAUNIER (1978). 41 Zusammenfassend sind nach BODENMANN (1997:74) folgende Aspekte für das Prozeßverständnis von Streß und coping wesentlich: z kontextuale Einbettung und Situationsbezogenheit z transaktionale Aufeinanderbezogenheit von Situationsvariablen, Einschätzungsprozessen und coping (Bewältigung) z emotionale und problembezogene Homöostase-Regulation78 z Trennung von Streß und outcome (vgl. BODENMANN 1997:85) (ii) Bewältigungsverhalten (coping) als sozialer Prozeß Dementsprechend ist auch das coping, das Bewältigungsverhalten angesichts streßbeladener Situationen, ein sozialer Prozeß und als solcher nicht allein individuell orientiert: "coping refers broadly to efforts to manage environmental and internal demands and conflicts among demands" (LAZARUS 1981:24). Die Ziele des coping (=Bewältigung)-Prozesses bestehen in (LAZARUS und FOLKMAN 1984; WEBER 1992): z der Emotionsregulation (Wiederherstellung eines emotionalen Gleichgewichtes z der Regulation des zugrunde liegenden Problems z der Beibehaltung eines positiven Selbstbildes (Regeneration des Selbstwertgefühls) z der Änderung belastender Person-Umweltbeziehungen (Regulation sozialer Interaktionen) In einer groben Einteilung (MOOS UND BILLINGS 1982:218, 219) läßt sich die Bandbreite möglicher coping-(=Bewältigungs-)Strategien wie folgt klassifizieren: z Bewertungsorientiertes coping (appraisal-focused coping): - logische Analyse der Definition: Identifikation der Ursache des Problems, Konzentration auf einen Aspekt der Situation (statt hektischer Inangriffnahme aller Aspekte gleichzeitig), Vergegenwärtigung vergleichbarer Erfahrungen der Vergangenheit, Abwägen möglicher Handlungen und ihrer Folgen 78 Def. von Homöostase: "Zustand der Konstanz (dyadisches Gleichgewicht) des sogenannten inneren Milieus des Organismus, der mit Hilfe von Regelkreisen, in denen der Hypothalamus zusammen mit Hormonen und Nervensystem als Regulator fungiert, aufrechterhalten wird; elementare Regelprozesse steuern z.B. den Blutkreislauf, die Körpertemperatur, den Säure-BasenHaushalt, den Wasser- und Elektrolytehaushalt." (PSCHYREMBEL 1998:693) 42 - Kognitive Redefinition / positive Umdeutungen: Akzeptanz der gegebenen Streßsituation und ihre Umdeutung (vielleicht auch Beschönigung???), um etwas Positives daran zu finden: "Es könnte doch alles viel schlimmer sein", "Im Vergleich zu anderen Menschen geht es mir doch sehr gut", "Vielleicht kommt ja doch noch etwas Gutes dabei heraus", "Jetzt muß ich das eben zuerst machen", "Ist eben doch alles anders gekommen" etc. - kognitive Vermeidung: Leugnung von Angst in Streßsituationen, Vergessen oder Verdrängung der Situation, nicht-wahrhaben-wollen, daß die Situation (in dieser Schärfe, dieser Schwere) tatsächlich existiert, Wunschphantasien statt realistischer Problemeinschätzung; Weglaufen - Verstecken ("Vogel Strauß-Politik: Kopf in den Sand stecken") z Problemorientiertes coping - Suche nach Information oder Ratschlägen: mehr über eine belastende Situation in Erfahrung bringen, Rat und Hilfe bei Behörden, Ehepartnern, Verwandten, Freunden suchen, konkrete Bitten an bestimmte Personen herantragen. - Problemzentriertes Handeln (WEBER 1992:21): Suche nach alternativen Vorgehensweisen, konkretes Handeln, um Abhilfe zu schaffen (z.B. Fertigstellung eines längst überfälligen Forschungsberichts), Erlernen neuer Fertigkeiten zur Lösung des Problems, Verhandlungen und Bereitschaft zu Kompromißlösungen - Entwicklung alternativer Betätigungen, wenn eine Lebenssituation (z.B. Arbeitslosigkeit, Rentnerdasein, Partnerbeziehung) belastend wird: Änderung der eigenen Betätigungsfelder, neue Sozialbeziehungen, Entwicklung größerer Autonomie und Unabhängigkeit, ehrenamtliche Tätigkeit oder Aufnahme einer Ausbildung / eines Studiums z dynamisches coping: gemeinsame Streßbewältigung in Paarbeziehungen; coping durch soziale Solidarität und Unterstützung (vgl. BODENMANN 1997:85; Kaskadenmodell des coping) mit Aufschaukelungs- und Rückkoppelungseffekten. z Gefühls- (emotions-)orientiertes Bewältigungsverhalten - Affektkontrolle: Kontrolle der Gefühle, die eine belastende Situation hervorruft: "sich nicht gehen lassen", "den eigenen Stolz bewahren", "Zähne zusammenbeißen", spontane Gefühlsausbrüche verhindern - Defensive Bewältigung, distress (WEBER 1992:22), Resignation, Depressivität: Hinnahme der Situation, wie sie ist; "sich dem Schicksal ergeben"; in Lethargie verfallen; zu dem Schluß kommen: "Da kann man eben nichts machen"; "Man kann sowieso nichts ändern" - Offene Gefühlsausbrüche (offen-expressive Bewältigungsformen; WEBER EBD.); "Dampf ablassen", Angst, Wut (unkontrollierte Aggression), Schmerz, Trauer offen zeigen - eskapistische Strategien: Drogen, Alkohol, Tabletten; Kompensation durch Konsum und Statussymbole z "Pathologisches coping" 43 - Entwicklung von Krankheiten. Die typischen "Streßkrankheiten" wie Bluthochdruck, Magengeschwüre, Erkrankungen der Herzkranzgefäße, aber auch Psychosen, Asthma und Migräne und Alkoholismus (eskapistische Strategien; vgl. oben) stellen nicht nur eine Reaktion auf Streßfaktoren im Sinne des GAS dar, sonder können auch als copingStrategien verstanden werden (HOLYROYD und LAZARUS 1982:25). Eine klare Trennung zwischen diesen verschiedenen coping-Strategien (z.B. zwischen problem focused coping und emotion-focused coping) kann nicht vollzogen werden, zumal dieselbe Person häufig mehrere Strategien gleichzeitig79 oder konsekutiv (vgl. BODENMANN 1997:85) vollzieht. Als Kriterien für erfolgreiches Bewältigungsverhalten (coping) werden meist (1) Problemlösung und (2) Emotionsregulation herangezogen (WEBER 1992:20; siehe obige Übersicht). Große Uneinigkeit herrscht in der Frage, wie die Wirksamkeit der verschiedenen oben aufgelisteten coping-Strategien einzuschätzen ist. Eine adaptive coping-Strategie mag zwar in einer spezifischen Situation durchaus angemessen und problemlösungsfördernd sein, muß aber langfristig nicht unbedingt das persönliche Befinden verbessern. Überhaupt wurde persönliches Wohlbefinden bislang in der Bewältigungsforschung als Kriterium zuwenig berücksichtigt. (DIES.:24, 25). So wird der einseitigen Favorisierung adaptiver Strategien entgegengehalten, "... daß eine problemabschwächende, z.B. bagatellisierende Interpretation von Belastungen, die ja im Grunde realitätsverzerrend sein kann, ein aktives Bemühen um Problemlösung erleichtert .. Kurzfristig erweisen sich vermeidende Strategien als wirksamer denn Strategien, die eine Zuwendung zum Stressor beinhalten ... Belastungsbewältigung umfaßt eben nicht nur das 'Meistern' von Belastungen, sondern auch das 'Tolerieren' oder 'Vermeiden' [Lazarus und Folkman 1984; Hervorh. die Autoren], so schwer dieses Eingeständnis der Bewältigungsforschung, die sich allzu häufig an dem impliziten Ideal einer engagiertrationalen Problemmeisterung orientiert, fallen mag" (WEBER 1992:23). Bei den Ressourcen für erfolgreiches coping wird zwischen externen Ressourcen (in erster Linie soziales Unterstützung; siehe dyadisches coping) und internen Ressourcen unterschieden, letztere umfassen in erster Linie seelische Gesundheit und Persönlichkeitsmerkmale (traits) wie Selbstvertrauen, easy-going, Selbstwertgefühl (sowohl coping-Ressource als auch Kriterium erfolgreicher Bewältigung), aber auch Gleichmut / Phlegma ("dickes Fell"), Gleichgültigkeit, Leichtlebigkeit und Verzicht auf Perfektionismus (WEBER 1987, 1992:23). 79 Vgl. FOLKMAN und LAZARUS (1984): "A recent examination of the coping strategies used by 100 middle-aged adults during more than 1300 stressful encounters indicated that stresses encountered in the naturalistic environment are met not with a single coping response but by a dynamic constellation of both problem-focused and emotion focused coping activities." 44 Neuer Forschungen zum Doping (z. B. BODENMANN 1997) widmen sich der Frage, wie die subjektive Streßtoleranzschwelle durch zunehmende Streßbelastung (pile-up of stress; Summierung und antezedente Verkettung von Mikrostressoren bis hin zu spill-over-Effekten; DERS.: 77, 78) beeinflußt wird, ob es zu Kumulations- oder Sättigungseffekten kommt; sowie dem Prozeß des Zusammenwirkens von täglichen Mikrostressoren (alltäglicher Belastung), kritischen Lebensereignissen und Entwicklungsaufgaben (biographische Aspekte, z. B. Heirat, Elternschaft, Schul-, Berufs- oder Universitätsabschluß) soll mehr Aufmerksamkeit geschenkt, der Streß-coping-Prozeß im Rahmen sozialer Interaktionen betrachtet und das "individuums-orientierte transaktionale Streßkonzept von LAZARUS" erweitert werden (DERS.: 80), z. B. durch die Untersuchung dyadischen copings. 4.2.4. Zusammenhänge von Akkulturation, Modernisierung, Streß und Bewältigungsstrategien (coping) BERRY (1997:6) sieht Akkulturation als ein Forschungsgebiet der cross-cultural psychology an, in dem Auswirkungen von Kulturwandel (des Wechsel des kulturellen Kontextes) auf das Individuum untersucht werden.80 Schlüsselkonzepte in BERRYs Modell sind (1) das Konzept der psychologischen Akkulturation,81 (2) des vorhersagbaren, akkulturationsbedingten Streß und (3) die konzeptionelle Analyse von Einstellungen (attitudes) zur Akkulturation und daraus resultierenden Adaptionsstrategien (vgl. WARD und RANA-DEUBA 1999). Diese drei Konzepte sollen im folgenden in knapper Form erläutert werden. (i) Psychologische Akkulturation Nach BERRY (1980:20) besteht die Beziehung zwischen Kultur und Verhalten darin, daß "individuals generally act in ways that correspond to cultural influences and expectations" (1980:20). Unter psychologischer Akkulturation sind die psychologischen Veränderungen und die Veränderungen des Verhaltens zu verstehen, welche ein Mensch aufgrund dauerhaften Kontakts mit Menschen einer anderen Kultur erfährt (WARD und RANA-DEUBA 1999:423). Akkulturation hat Auswirkungen auf Sprache, kognitiven Stil, Persönlichkeit, Identität und Einstellungen (attitudes) der betroffenen Individuen (BERRY 1980:20). Sie findet in der Regel 80 81 GRAVES (1967) unterschied als erster zwischen Akkulturation als auf der Ebene von Gruppen (Ethnien, kulturtragenden Einheiten, Gesellschaften) und der psychologischer Akkulturation auf der Ebene des Individuums. Für die Untersuchung der Frage, wie sich Streß (= psychologische Belastung) im Rahmen der Akkulturation auswirkt, ist diese zweite Untersuchungsebene die entscheidende (LAFROMBOISE et al. 1998:125) - allein schon deshalb, weil nicht alle Individuen im gleichen Maße am Prozeß der Akkulturation teilhaben; vgl. BERRY (1997:7): "... because not all individuals participate to the same extent in the general acculturation being experienced by their group." Welches eine Erweiterung der oben referierten Definitionen von Akkulturation darstellt. 45 in einer Situation statt, in der eine der beteiligten Kulturen dominant ist (vgl. BOCK 1996:309; WHITTEN und HUNTER 1993:309). (ii) Akkulturationsbedingter Streß - acculturative stress Das Studium der psychologischen Akkulturation interpretiert die negativen psychologischen und psychosomatischen Begleiterscheinungen von Kulturkontakt und Kulturwandel innerhalb des Rahmens der Belastungs- und Bewältigungsforschung.82 Bezogen auf die USA,83 besteht das gemeinsame Vorverständnis der Forschung darin, daß sich Angehörige ethnischer Minderheiten mit vier kritischen Gegebenheiten (critical issues) auseinandersetzen müssen (ROYSIRCAR-SODOWSKY und MAESTAS 2 000:131): (1) Rassismus und Diskriminierung aufgrund ihres Einwanderer- oder MinderheitenStatus (2) mit der Beziehung zur dominanten Kultur (3) mit der Aufrechterhaltung der eigenen Kultur (4) und mit den daraus resultierenden psychischen Belastungen (Streß) Akkulturationsbedingter Streß tritt auf "... when an individual 's adaptive resources are insufficient to support adjustment to a new cultural environment" (DRESSLER und BERNAL 1982: 34) und ist definiert als "reduction in health status (including psychological, somatic, and social aspects) of individuals who are undergoing acculturation" (BERRY 1987:491). Als Folgen von Akkulturationsstreß können etwa Alkoholismus oder ungesundes Eßverhalten auftreten.84 Das Ausmaß der tatsächlich daraus resultierenden Belastungen, d.h., in wieweit Akkulturation zu Streß führt, hängt u.a. von den Persönlichkeitsmerkmalen des jeweiligen Individuums, wahrnehmungsgebundenen Faktoren (Selbsteinschätzung, kognitiver Stil), Geschlecht und Ethnizität sowie sozialen und politischen Faktoren (z.B. vom Grad des multikulturellen Charakters einer Gesellschaft, vom Sozialstatus der betreffenden Gruppe oder ethnischen 82 83 84 Stress and coping framework; vgl. LAZARUS (1966, 1968, 1975, 1977, 1981, 1993a, 1993b); LAZARUS und LAUNIER (1978); LAZARUS, COHEN, FOLKMAN, KANNER und SCHAFER (1980); WARD und RANA-DEUBA (1999:423, 424). Die vorliegenden Studien zur psychologischen Akkulturation und Adaption konzentrieren sich vornehmlich auf Nordamerika (BERRY 1997:8). Empirisch nachgewiesen bei untersuchten Gruppen von Chicano/as, Afroamerikanern und Indigenen Nordamerikas; vgl. ROYSIRCAR-SODOWSKY und MAESTAS (2000:139). 46 Minderheit) ab,85 in ganz besonderem Maße jedoch (nach BERRY 1980:20) von den jeweiligen Grundeinstellungen zur Akkulturation (acculturation attitudes) und daraus resultierenden Adaptionsformen (modes of adaption) bzw. Bewältigungsstrategien (acculturation strategies; synonym gebraucht). Die Grundhaltungen gegenüber Akkulturation bzw. Strategien zur Reduktion von Akkulturationsdruck (= Fremdheitslast) stehen nach BERRY (1989) in vorhersagbarer Weise in Beziehung zu anderen Dimensionen des Akkulturationsprozesses, wie Veränderungen des sozioökonomischen Status, der Erziehung, der Art und Weise, wie Freundschaften geknüpft und aufrechterhalten werden, und zum Sprachgebrauch. 86 (iii) Adaptionsstrategien - acculturation attitudes and strategies BERRY (1980:11) geht für die Begegnung zweier oder mehrerer Kulturen von einem DreiPhasen-Modell aus, bestehend aus (1) Kontakt, (2) Konflikt und (3) Adaption = Anpassung (gleichbedeutend mit der Stabilisierung der Situation). Adaption ist gemäß diesem Modell gleichbedeutend mit der Stabilisierung der Situation und der Reduktion des Konfliktes (DRABNER 1991:15), muß jedoch keinesfalls immer in Assimilation an die dominante Kultur münden. Vielmehr existierten im wesentlichen vier verschiedene Strategien der Auseinandersetzung mit Akkulturationsdruck (WARD und RANA-DEUBA 1999:423; vgl. BERRY 1980, 1998): (a) Assimilation: Angleichung an die dominante Kultur durch Anpassung und Homogenisierung (movement towards the stimulus). Assimilation ist mit einer hohen Wertschätzung der fremden Kultur und wenig Interesse an der Aufrechterhaltung der eigenen Kultur verbunden. (b) Die Integration fremder und eigenkultureller Elemente:, u.a. durch Entwicklung eines bikulturellen Stils mit situationsabhängigem code switching. Mit der Integration ist sowohl mit dem Bestreben zur Aufrechterhaltung der eigenen Kultur als auch mit der hohen Wertschätzung von Beziehungen zur anderen (dominanten) Kultur verbunden. (c) Separation: Zurückweisung der dominanten Kultur (movement against the stimulus), hohes Interesse an der Aufrecherhaltung der eigenen Kultur, aber nicht an Beziehungen zur anderen Kultur. Separation kann mit der Bewahrung der eigenen Kultur durch Tradi- 85 86 "... hypothesis that the more control people have over their relationship with the dominant culture, the less likely they are to experience the negative effects of acculturative stress" (LAFROMBOISE et. al. 1998:139); vgl. WARD und RANA DEUBA (1999:424): "The quality of acculturative stress and the adaptional problems subsequently experienced are assumed to be influenced by a number of factors that operate both on the personal and societal levels." (BERRY 1990, 1997). Vgl. WARD und RANA-DEUBA (1999:423): "acculturation attitudes (Berry et al., 1989), also refereed to as acculturation strategies ... are particularly significant predictors of acculturative stress." 47 tionalisierung hin zu Nativismus, Chiliasmus und Revitalisierungsbewegungen (s.u.) verbunden sein. Separation (z.B. Reservationspolitik) ist häufig mit politischer und sozialer Unterprivilegierung oder Diskriminierung der entsprechenden Gruppen verbunden. (d) Marginalisierung: Weder die eigene noch die fremde Kultur werden hoch bewertet. Marginalisierung durch die dominante oder Mehrheitsgesellschaft und ggf. Dekulturation kann im Extremfall hin zum Ethnozid, Genozid und Ökozid (kulturellem oder physischem Völkermord bzw. Völkermord durch Zerstörung der natürlichen Umwelt) führen.87 Diese Strategien lassen sich entlang einer Werteskala gemäß der Dichotomie von Aufrechterhaltung der eigenen kulturellen Identität versus Wertschätzung der Beziehung zu anderskulturellen Gruppen erheben (WARD UND RANA-DEUBA 1999: 423). Damit wird das Spannungsfeld von Akkulturation und Aufrecherhaltung der eigenen ethnischen Identität (acculturation versus ethnic identiy) einer Quantifizierung unterzogen; vgl. ROYSIRCAR-SODOWSKY und MAESTAS (2000: 135): "According to the model, ethnic minorities must confront two general issues: the maintainance and development of one's ethnic distivtivenes by retaining one's cultural identity, and the desire to seek interethnic contact by valuing and maintaining positive relations with the dominant society. These two general issues reprsent the domensions of acculturation, and they can be assessed by two central questions (Berry, 1980): (a) Is it considered to be of value to maintain cultural identity and characteristics?, and (b) Is it considered to be of value to maintain relationships with other groups? The combination of answers results in four acculturation attitudes: integration (yes / yes), assimilation (no / yes), separation (yes / no), and 87 Bezüglich dieser Termini besteht in der entsprechenden Literatur keinesfalls Einheitlichkeit. LAFROMBOISE et al. unterscheiden (1998) zwischen (1) Assimilation, (2) Akkulturation, (3) Alternation, (4) Multikulturalismus und Integration, (5) Fusion, (6) Separation und Segregation, (7) Marginalisierung und Dekulturation, unter Akkulturation - abweichend von den oben zitierten ethnologischen Definitionen (vgl. Kap. 2) lediglich eine von mehreren Varianten der interkulturellen Beeinflussung verstanden wird. TRIANDIS (1997:56) entwickelt in seinem Kommentar "Where is culture in the acculturation model?" zu BERRY (1997) folgende terminologische Gleichung: "Integration = biculturalism (better in indicating that two cultures are involved) Assimilation = negative multiculturalism (includes the theoretical point that one loses a culture), Marginalization = double negative multiculturalism (conveys directly that one loses two cultures), Separation = ethnic affirmation (conveys the increased ethnocentrism that is linked to this condition)". 48 marginalization (no/no)."88 Die vier Grundhaltungen gegenüber Akkulturation und bzw. Strategien zur Reduzierung von Akkulturationsdruck (= Fremdheitslast) sollen im folgenden einer eingehenderen Betrachtung unterzogen werden. (a) Assimilation Unter Assimilation ist der kontinuierliche Prozeß der Absorption in diejenige Kultur zu verstehen, welche entweder als überlegen betrachtet wird, oder bei der die Zugehörigkeit als erstrebenswerter als die Zugehörigkeit zur bisherigen Kultur betrachtet wird. In diesem Prozeß übernimmt das Individuum vollständig die neue Kultur und verliert das Bewußtsein, seiner Herkunftskultur anzugehören, und dementsprechend auch die Loyalität zu dieser Kultur.89 Nach KOEPPING (1988:34) ist Assimilation "... ein mögliches und oft ideologisch erwünschtes Resultat des vollständigen Akulturationsprozesses." Der Begriff wurde "... von M. J. Herskovits als ein Resultat von Akkulturationsprozessen definiert, '... wo der Prozeß der Akkulturation zu einer Übernahme des größeren Teils einer anderen Kultur führt und zum Verlust des eigenständigen kulturellen Erbes ... zu einer Assimilierung ... nicht nur der Verhaltensmuster, sondern auch der inneren Werte einer Kultur, mit der die empfangende in Kon- 88 89 Auf die genaue Methodik zur Messung von Akkulturation soll hier nicht weiter eingegangangen werden, ein kurzer Hinweis von WARD und RANA-DEUBA (1999:425, 426) möge genügen: "Berry and colleagues have relied on three methods to assess acculturation attitudes ... These have included the ranked preferences of the four acculturation strategies through the use of vignettes ..., the assessment of attitudes toward host and co-national communities as a basis for classifying research participants into one of the four acculturation groups ... and the simultaneous measurement of the four acculturation attitudes via separate subscales ... the bulk of acculturation research ... has used four separate scales for the measurement of Assimilation, Separation, Integration, and Marginalization". Derartige kulturspezifische Meßverfahren für die vier unterschiedlichen Grundeinstellungen wurden z.B. zur Untersuchung der Akkulturation von Frankokanadiern, portugiesischen, ungarischen und koreanischen Einwanderern in Kanada entwickelt (ebd.:426). CUÉLLAR (2000: 118, 119) listet für die Zeit von 1955 und 1995 insgesamt 31 verschiedene Skalen zur empirischen Messung des Grades der Akkulturation und der Aufrechterhaltung von Ethnizität auf, von den sieben eigens für Hispanoamerikaner (Chicanos, Puertoricaner, Kubaner) in den USA entwickelt wurden. LA FROMBOISE et al. (1997:125-127); vgl. PEOPLES und BAILEY (1994:404): "... Another form, called passive assimilation, occurs without any formal planning or political coercion. Unless strong social barriers prevent assimilation, social and economic forces frequently result in more dominant ethnic groups absorbing the members of less powerful groups with whom they are in contact. The dominant ethnic group does not necessarily have to be the larger, but it must be the most socially prestigious and economically powerful group". 49 takt gekommen ist'."90 Tatsächlich findet eine vollständige Assimilation innerhalb einer Generation selten statt91 und geht (neben der Separation) mit dem höchstem Ausmaß an Streß einher (WARD und RANA-DEUBA 1999:424). Entsprechende Fallstudien (z.B. BERRY 1980) zeigen, daß die von Assimilation Betroffenen solange unter Auswirkungen der Fremdheit und Isolierung leiden, bis sie in dieser vormals fremden Kultur anerkannt werden und diese Anerkennung innerhalb der neuen Kultur auch selbst wahrnehmen.92 Die Vorstellung einer kompletten Angleichung an eine dominante Kultur berücksichtigt zu wenig den situationistischen Charakter von Ethnizität (vgl. Kap. 4.4.3),93 welcher eher mit Modellen der Alternation, des Bi- und Multikulturalismus vereinbar ist. (b) Integration 90 91 92 93 Vgl. EBD.: "... Soziologie, Sozialpsychologie und Ethnolinguistik untersuchen heute Probleme der multikulturellen modernen Nationalstaaten, in denen Einwanderungsgruppen einerseits z.B. Eßgewohnheiten, Muttersprache und religiöse Bräuche beibehalten, andererseits aber von ihnen erwartet wird, daß sie die Wertvorstellungen, die als Leitbilder der Nationalstaaten gelten, internalisieren". Nach PEOPLES und BAILEY (1994:401 ff.) handelt es sich bei Assimilation um eine Form der ethnischen Homogenisierung, deren andere Form die ethnische Säuberung darstellt: "Ethnic homogenization is the process by which one ethnic group attempts to eliminate rival ethnic groups within a particular region or country. Historically, ethnic homogenization has taken two main forms: (1) ethnic cleansing or (2) assimilation ... Ethnic cleansing is the physical elimination of an unwanted ethnic group or groups from particular geographical areas. It involves the use of genocide and/or relocation." Dieselben Autoren (EBD.:402-404) unterscheiden bezüglich der Assimilation zwischen erzwungener und passiver Assimilierung: "Assimilation is the social absorption of one ethnic group by another, dominant one. Assimilation may be either forced or passive. Forced assimilation occurs when the government adopts policies designed to deliberately and systematically destroy or change the ethnic identity of a particular group. A key target of forced assimilation is the elimination of ethnic boundary markers: language, religion, modes of dress, and any cultural institution that readily distinguishes the population ... Another form, called passive assimilation, occurs without any formal planning or political coercion". "Vollassimilation fällt mit dem vollen Verlust einer indigenen Kulturidentität zusammen, was meist nur durch Genozid oder durch 'Kulturvernichtung' (Æ Ethnozid) geschieht. Totale Assimilation ist daher historisch und gegenwärtig selten, soweit Kollektive oder ganze Gesellschaften betroffen sind, jedoch können Individuen häufig, zumindest äußerlich, in einer neuen Gesellschaft voll aufgehen”. "[the] ... individual will suffer from a sense of alienation and isolation until he or she has been accepted and perceives that acceptance within the new culture". (LA FROMBOISE et al. 1997:125127). "Das traditionelle Bild von 'geschlossenen' homogenen Kulturen und Gesellschaften ist wohl eher ein Wunschbild. Es handelt sich um das nicht einfach zu erforschende Problem der individuellen und kollektiven Identität (des Selbst- und Fremdbildes, Æ Ethnizität), das je nach Umständen schwanken kann" (KOEPPING 1988:35). 50 Dieses Modell geht davon aus, daß zwei (oder mehr) Gruppen erfolgreich zusammen und zu ihrer gegenseitigen Zufriedenheit in einem Sozialgefüge existieren können (BERRY 1980, 1997:11 ff., 1998), und daß es für ein Individuum möglich ist, sich in zwei Kulturen gleichzeitig zu bewegen und sich in beiden gleichermaßen auszukennen (LA FROMBOISE et al. 1998: 130, 131): "... the integration approach ... allows the individual or ethnic group to both engage in the activities of one culture while maintaining identity and relationships in another." (OGBU und MATUTE BIANCHI 1986). Dies erfordert an großes Maß an bikultureller Kompetenz, welche sich allerdings streßminderend auswirkt und als coping-Strategie zu werten ist: "... individuals who have the ability to effectively alternate their use of culturally appropriate behaviour may well exhibit higher cognitive functions and mental health status than people who are monocultural, assimilated, or acculturated" (LAFROMBOISE et al. 1998:131). Im Gegensatz zu früheren Forschungsergebnissen, denen zufolge die Alternation zwischen verschiedenen Kulturen zu "marginalen Persönlichkeitsmerkmalen" führe,94 gehen LA FROMBOISE et al. (1998:136) davon aus, daß mit den wachsenden Fähigkeiten eines Individuums, zwischen zwei oder mehreren Kulturen zu alternieren, die psychologischen Belastungen (Streß) der Akkulturation reduziert werden können und das Individuum im Vergleich zu monokulturellen Persönlichkeiten zusätzliche Kompetenzen (unterschiedliche Kulturstile, Souveränität und Ich-Stärkung) erwirbt.95 Je größer die Fähigkeit eines Individuums ist, zwischen zwei oder mehr Kulturen zu alternieren, desto weniger psychologische Belastungen sind zu erwarten. Das Alternationsmodell orientiert sich an entsprechenden Modellen zum Bilingualismus, die davon ausgehen, daß zwei verschiedene oder mehr Sprachen situationsspezifisch in unterschiedlichem Kontext verwandt und beliebig gewechselt werden können (sog. switch code), wobei die Sprecher in jeder der beteiligten Sprachen die gleiche Kompetenz aufweisen.96 Es 94 95 96 Vgl. PARK (1928) und STONEQUIST (1935), welche von einem "dual pattern of identification" und "divided loyalty" ausgingen und der Ansicht waren, daß "managing the complexity of dual reference points generates ambiguity, identity confusion, and normlessness" (nach LA FROMBOISE et al. 1997:123); s.a. KOEPPING (1988:35): "Innerhalb einer unter Akkulturationsdruck stehenden Kultur finden sich oft ganz verschiedene stark ausgeprägte Formen der kulturellen Identitätskrise, die am stärksten in Individuen und Gruppen aufzutauchen scheinen, die weder ganz der indigenen noch ganz der neuen Kultur angehören, sondern sich im 'Übergangsstadium' befinden" - Zur Definition von Marginalität vgl. EBERTZ (1992). "... literature on biculturalism consistently assumes that an individual living within tow cultures will suffer from various forms of psychological distress ... inappropriate to assume that this sociological reality produces a predictable negative psychological outcome ... key to psychological wellbeing may well be the ability to develop and maintain competence in both cultures." FISHMAN (1972, 1991), SELIGER und VAGO (1991). Linguistische Studien zum switch code wurden z.B. im östereichisch-slowenisch-italienischen Grenzgebiet durchgeführt, wo Personen situationsabhängig fließend zwischen Deutsch, Italienisch und Slowenisch wechseln (vgl. BOECKMANN et 51 gibt somit die Möglichkeit einer "bikulturellen Existenz", ohne an (1) negativen psychologischen Folgewirkungen zu leiden, (2) sich völlig an die Mehrheitskultur anzugleichen (zu assimilieren), oder (3) sich dem Kontakt mit dieser zu entziehen (Separation).97 Als psychologische Faktoren, welche die Entwicklung dieser bikulturellen Kompetenz begünstigen, werden genannt: (1) Personal und kulturelle Identität (2) Lebensalter und Lebensabschnitt (3) Geschlecht und Identifikation mit der jeweiligen Geschlechtsrolle, (4) sozialer Status und wirtschaftliche Lage.98 Ich-Stärke, Selbstbewußtsein, persönliche Ausgeglichenheit und eine eher "gemäßigte Identifikation mit der eigenen und der fremden Kultur" (interkulturelle Souveränität) erleichtern die bikulturelle Orientierung und wirken dem Streß einer Auseinandersetzung mit zwei verschiedenen Kulturen entgegen. Probleme resultieren eher daraus, daß die kulturelle Identifikation zu schwach ist, als aus einer gemischten kulturellen Identifikation.99 Eine positive Einstellung gegenüber beiden beteiligten kulturellen Gruppen erleichtert die Bewältigung des Akkulturations-Stresses. Wichtig ist wiederum, darauf hinzuweisen, daß es Individuen, nicht Gruppen sind, welche bikulturelle Kompetenz erwerben. Zur bikulturellen Kommunikationsfähigkeit gehört in erster Linie Sprachkompetenz. Es besteht eine Beziehung zwischen ethnischer Identifikation und Zweitsprachenbeherrschung: je größer die Angst vor dem Verlust kultureller Identität ist, desto geringer die Zweitsprachenbeherrschung, d.h. die Bereitschaft, sich auf eine fremde Sprache und damit verbundenes geistig-kulturelles Inventar unvoreingenommen einzulassen.100 97 98 99 100 al. 1988). Weitere Beispiele dafür sind etwa Nordfriesen im deutsch-dänischen Grenzgebiet, welche zwischen Hochdeutsch und Niederdeutsch, Dänisch (und bedingt auch Friesisch) hin- und her wechseln, Mestizen in den südamerikanischen Hochanden, welche zwischen Spanisch, Aymara oder Quechua wechseln, oder Zaza-Kurden in Deutschland, welche kontextabhängig Türkisch, Deutsch und teilweise sogar die beiden iranischen Sprachen Kurmanci und Zazaki verwenden (AKTAŞ 1998). "... way of being bicultural without suffering negative psychological outcomes, assimilating, or retreating from contact with the majority culture ... bicultural competence requires a difficult set of skills to achieve and maintain. We do not doubt that there will be stress involved in the process of acquiring competence in a second culture while maintaining affiliation with one's culture of origin... ethnic minority people who develop [bicultural] ... skills will have better physical and psychological health than those who do not ... will outperform their monoculturally competent peers in vocational and academic endeavors" (LA FROMBOISE et al. 1997:146, 148). "number of psychological characteristics that may be considered significant in the development of bicultural competence: (1) personal and cultural identity, (2) age and life stage, (3) gender and gender role identification, (4) socioeconomic status" (LA FROMBOISE et al. 1997: 136). "not mixed but weak cultural identification that creates problems" (EBD.:137). "cross-cultural communication is a function of both motivation and capability" (EBD.:142) 52 Zusammenfassend läßt sich somit feststellen, daß Bikulturalität die Kompetenzen eines Individuum durchaus stärken kann, und daß bikulturelle Individuen keinesfalls randständige Persönlichkeiten sein müssen. Integration kann im Gegensatz zur Assimilation nur als kollektive Strategie (BERRY 1997:11) in Gesellschaften mit einer Reihe von Vorbedingungen verfolgt werden kann, welche sind (KALIN 1995): "... the widespread acceptance of the value to a society of cultural diversity (i.e. the presence of a positive multicultural ideology), relatively low levels of prejudice (i.e. minmal ethnocentrism, racism, and discrimination), positive mutual attitudes among cultural groups (i.e, no specific intergroup hatreds), a sense of attachement to, or identification with, the larger society by all groups." Damit werden für die Strategie der Alternation und Integration bzw. des Bi- und Multikulturalismus gesellschaftliche Rahmenbedingungen abgesteckt, unter denen sich diese Strategien überhaupt erst entfalten können; PEOPLES und BAILEY (1996: 404) beschreiben ein derartiges Konzept als Akkomodation.101 (c) Separation Nach LAFROMBOISE et al. (1998) sind entweder selbstgewählte Separation aus ideologischen Gründen (Beispiele: die Amish in den USA; die Chassidim [orthodoxe Juden] in Osteuropa, USA und Israel) oder Diskriminierung durch die Mehrheitsgesellschaft (Beispiele: nordamerikanische Indianer, australische Aborigines, Afroamerikaner) die entscheidenden Gründe für die Aufrecherhaltung separater kultureller Identitäten. Dementsprechend führt (neben Assimilation) Separation zu den höchsten Werten an meßbarem Streß (vgl. WARD und RANA-DEUBA 1999:424). Wenn die ideologischen Gründe der Separierung wegfallen oder Minderheiten, indigene Völker oder auch ethnische Mehrheiten keiner Diskriminierung und Unterprivilegierung mehr ausgesetzt sind, weil die Ideologie einer kulturellen Höher- oder Minderwertigkeit verschwindet,102 soll angeblich eine Fusion der beteiligten Kulturen 101 102 "An alternative to ethnic homogenization is some form of political accommodation that formally recognizes and supports the ethnic and cultural differences of the population"; vgl. KOEPPING (1988:35): "Das Selbstbewußtsein der Völker der Dritten Welt und der Minoritäten in Vielvölkerstaaten hat die meisten Regierungen veranlaßt, ihre politischen und ideologischen Richtlinien von dem Prinzip der A[ssimilation] zu dem der 'ethnisch-linguistischen' Autonomie zu verlagern". LA FROMBOISE et al. (1998:145) sprechen von der "importance of providing a culturally relevant environment for individuals learning a second culture"; SHUVAL (1982:682) weist darauf hin daß der (im Migrationsprozeß) notwendige mental process of adaption durch societal openness begünstigt wird. "no necessary assumption of cultural superiority" (LA FROMBOISE et al., ebd.). 53 stattfinden: "... cultures sharing an economic, political, or geographical space will fuse together until they are undistinguishable to form a new culture." (DIES. 1998:134). Die bewußte Separation einer ethnisch-kulturell bestimmten Gruppe, welche politischer und/oder sozialer Unterprivilegierung oder Diskriminierung entspringt, kann mit der Bewahrung der eigenen Kultur durch Traditionalisierung oder sogar Revitalisierungsbewegungen (etwa in Form von Nativismus oder Millenarismus) verbunden sein. Revitalisierungsbewegungen werden als Antwort indigener Gemeinschaften auf Eroberung oder Dominanz durch fremder Mächte angesehen, nachdem als Folge von Akkulturation zahlreiche traditionelle Strukturen zerstört wurden. Mögliche Fremdheitslösungen bestehen in solch einem Fall einerseits in der Assimilation an die europäisch bestimmte Gesellschaft (s.o.), andererseits in der Separation als einer beabsichtigten Rückkehr zu den alten Gegebenheiten und der Wiederbelebung (Revitalisierung) der traditionellen Kultur.103 Der Begriff Revitalisierung geht auf WALLACE (1956, 1966, 1970) zurück.104 Ihm zufolge stellt Revitalisierung eine Reaktion auf Streß dar: "When an individual is faced with a problem, he must either change himself to be able to tolerate it, or else change the stress at its source. But when a group of people experience the same stress, and they choose to do something about it, they are in effect seeking to revitalize their way of life, their culture." (FRIEDL 1976:386) Revitalisierungsbewegungen können von daher durchaus als coping-Strategie im Umgang mit Fremdheitslast verstanden verstanden. Es handelt es um 103 104 FRIEDL (1976:384-386), vgl. KOTTAK (1994: 275): "As a response to conquest or foreign domination, religious leaders often undertake to alter or revitalize a society. We call such movements nativistic movements (Linton 1943) or revitalization movements (Wallace 1956)." PEOPLES und BAILEY (1994:451) sehen in Revitalisierungsbewegungen ein "... religious movement explicitly intended to create a new way of life for a society or group"; FRIEDL (1976:422) sieht in ihnen "... a conscious process on the part of a people designed to produce change through the renewal of their old cultural patterns and traditions, which have disintegrated due to contact with Western culture... thus making it different from diffusion or acculturation as types of cultural change". Das Studium von Nativismus und Revitalisierungsbewegungen entwickelte sich in den 1940er und 50er Jahren als Seitenzweig der Akkulturationsstudien, "... to account for quite sudden, voluntary changes made by people who are seeking 'to construct a more satisfying culture by rapid acceptance of a pattern of multiple innovations' (Wallace 1970). This striking, recurrent process involves a series of stages starting from a steady state, in which a cultural system is operating normally through periods of increased individual stress and cultural distortion into the revitalization proper. As the new ways of life spreads and adapts to oft hostile conditions, the initially radical movement becomes routinized, leading to the final stage, anew steady state. As noted by Bock (1988), 'Wallace's analysis now sounds rather old-fashioned, but psychological anthropologists have yet to develop a more workable general model of rapid cultural change'" (BOCK 1996:301). 54 "... religiöse oder politisch determinierte Strömungen, denen der Wunsch zu einer Innovation der herrschenden Lebensbedingungen zugrunde liegt. Die R. sind meist eine Reaktion auf das Eindringen und Aufdrängen einer fremden Kultur. Die differierenden Weltanschauungen, die unterschiedlichen Vorstellungen von Religion, Moral, Wirtschaftsmechanismen und Formen der Gesellschaftsordnung sind nicht nur Ursache für Unzufriedenheit, sondern bringen auch den Wunsch des traditionellen Kultursystems hervor. Die Anzeichen zum Entstehen einer R. sind besonders dann gegeben , wenn sich eine Instabilität der bestehenden Sozialordnung ankündigt. Um die Solidarität der betroffenen Gesellschaft zu fördern und zu stärken, wird Religion oft als ein Mittel zur sozialen Erneuerung herangezogen. Das traditionelle Glaubenssysten wird wiederbelebt als Ausdruck der bewußten Rückkehr zu den Ursprüngen, um die alten Traditionen wieder aufleben zu lassen und so die totale Ablehnung der Fremdherrschaft zu dokumentieren. Er werden bestimmte Kulturelemente aus Vergangenheit und Gegenwart ausgewählt, deren symbolischer Wert für ein neues Bewußtsein der Zusammengehörigkeit verliehen wird. Je mehr Elemente sich von denen anderer Kulturen unterscheiden, um so größer ist ihr potentieller Wert für den Charakter der neuen Gesellschaft. Spezielle Ausformungen des Überbegriffs R. sind z.B. adventistische Bewegungen, Aufbruchs- und Befreiungsbewegungen, chiliastische Bewegungen, ...Erneuerungs, eschatologische und Heilserwartungsbewegungen, Krisenkulte, ... messianistische Bewegungen, ... nativistische Bewegungen, ... prophetische Bewegungen, Reformbewegungen, Revolutionen, Selbstfindungs- und separatistische Bewegungen." (WEIß 1988:403) FRIEDL (1976:386-391) unterscheidet in seiner Klassifikation von Revitalisierungsbewegungen zwischen nativistischen Bewegungen, Cargo-Kulten und millenaristischen Bewegungen. Nativistische Bewegungen sind vor allem auf die Eliminierung alles Fremden und die Rückkehr zu einem früheren kulturellen Zustand ausgerichtet,105 z. B. der Geistertanz106 als "Re105 106 "Nativistic Movements: An attempt to return to the traditional or native cultural patterns and to eliminate alien persons, customs, values, and materials from the culture" (FRIEDL 1976:421). "Geistertanz, Name für zwei religiöse Bewegungen, die sich im letzten Drittel des 19. Jh. im westlichen Nordamerika als Folge der raschen Veränderung der Lebensbedingungen der indigenen Völker entwickelten und den Mitgliedern die Rückkehr oder die Wiedervereinigung mit den verstorbenen Verwandten und die Wiederherstellung früherer Verhältnisse versprachen. Die erste G.-Bewegung von 1869 / 70 ging auf die Lehre des Paiute Wodziwob zurück und fand vor allem im Plateau und in Kalifornien Anhänger, wo sie zur Entstehung der Bole Maru-Religion beitrug. Eine Vision des Paiute Jack Wilson (Wovoka) löste 1889 eine zweite Welle des G. aus, der diesmal vor allem bei den durch die Ausrottung des Bisons in eine Sinn- und Existenzkrise geratenen PlainsVölkern große Hoffnungen weckte. Von den Lakota wurde die pazifistische Lehre als Aufforderung zum militärischen Widerstand gedeutet; die Unterdrückung der G.-Bewegung durch die amerikanische Armee gipfelte im Massaker von Wounded Knee (1890)" FEEST (2000:445). 55 turn to the good old days". Die Cargo-Kulte dagegen versuchen, zur Wiederbelebung der alten Kultur neue Kulturmuster aufzunehmen, statt zu traditionellen Lebensformen zurückzukehren.107 Millenaristische Bewegungen gehen vom Anbruch eines neuen Zeitalters und einer Transformation der Weltordnung durch übernatürliche Mächte aus (FRIEDL 1976:390). Es sind "... Revitalisierungsbewegungen, in denen die Hoffnung einer bedrängten Gesellschaft auf Befreiung von einer fremden Übermacht in einer dem christlichen Gedankengut entle- 107 "Imitating the new ways ... seek to adopt new cultural patterns in order to revitalize their culture, rather than return to traditional ways of life" (FRIEDL 1976:388). Der Begriff Cargo-Kult leitet sich aus dem melanesischen Pidgin-Englisch (cargo = Fracht) her; gemeinsame Merkmale der so bezeichneten Kulte sind u.a. die bald erwartete Rückkehr der Toten, die Annahme, daß die Ahnen weiß wie die Europäer seien und die Güter der Weißen eigentlich für die Einheimischen bestimmt seien, weshalb Landebahnen, Docks zu ihrer Entladung gebaut werden. Einige Führungspersönlichkeiten dieser Kulte erheben überdies den Anspruch, Jesus Christus zu sein. Nach WEISS (1988:79, 80) handelt es sich bei Cargo-Kulten um "... Ausdrucksformen religiös und politisch orientierter Heilserwartungsbewegungen ... , die sich gegen die europäische Kolonisation und Mission in Melanesien richten. Denn die Autochthonen glaubten, ohne Einblick in die kapitalistische Produktionsweise zu haben, daß die Europäer keinerlei Arbeit für die Erzeugung und den Besitz materieller und geistiger Güter leisteten und mythische und mystische Hintergründe zum Reichtum der Kolonisatoren führten. Die wachsende Unzufriedenheit mit den herrschenden ökonomischen und sozialen Mißständen führte zur Organisation von Widerstands- und Selbstfindungsbewegungen, die sich auf religiöser Basis in der Vermischung traditioneller und christlicher Glaubensinhalte formierten. In der Vision eines Propheten manifestierte sich die Botschaft von der Rückkehr der Ahnengeister, der Versicherung, daß alle Melanesier weiß und die Europäer dunkelhäutig würden, dem Glauben an das unmittelbar bevorstehende Ende der Welt durch eine Sintflut, die alles zerstören würde, der Ankunft eines Messias und von der Wiederherstellung der ökonomischen, sozialen und politischen Kontrolle durch die Eingeborenen. dann würden die Ahnen oder Gott in einem großen weißen Dampfer, Flugzeug oder Lastwagen vollbeladen mit den begehrten europäischen Gütern (Cargo) zurückkehren. In der Erwartung des Cargo (Tabak, Äxte, Gewehre, Messer, Dosennahrung, Außenbordmotoren, Schiffe, Flugzeuge, Traktoren, Zeitschriften) bauten die Eingeborenen Landungsbrücken, Flugplätze und Vorratshäuser für die Lagerung der erwarteten Güter. Sie erwarteten mit der Ankunft des Cargo den Beginn eines paradiesischen Zustandes. möglicherweise auch die komplette Umkehrung der bestehenden Weltordnung: Land wird zu Meer, Berge zu ebenen, Satan wird der wahre Gott, die Weißen werden die Diener der Melanesier. In der Erwartung des Paradieses kann auch jede wirtschaftliche Aktivität aufgegeben werden Das Nichteintreffen des Cargo wird v.a. auf Betrug und Schwindel der Europäer zurückgeführt." Vgl. HARRIS (1989:306-308) und FRIEDL (1976:388-390): "Cargo Cult An attempt to adopt new cultural patterns in order for a group to renew their culture, rather than return to traditional ways of life. These movements took place in the Pacific Islands where there was considerable contact with Western culture, but where the people were unable to participate in the higher standard of living they witnessed in the white community." 56 hnten Vorstellung von einem zukünftigen glücklichen tausendjährigen Reich Ausdruck findet". 108 (d) Marginalisierung Erfahrungen der kollektiven Marginalisierung bildeten einen Ansatzpunkt der psychologische Streßforschung in den 1950er Jahren überhaupt. Ein jüngeres, tragisches Beispiel für Marginalisierung und Dekulturation fand sich in den 1970er Jahren bei den Aché (= Guayakí) in Paraguay (MÜNZEL 1992:169, 170): "... die zwangsweise Seßhaftmachung der Aché weitab von den Wäldern ihrer Vorfahren , und die Abholzung eines Teils dieser Wälder ... werden von den Aché als eine brutale Trennung von ihren Vorfahren und Unterbrechung des Kreislaufs Vorfahr- Natur Kleinkind - Erwsachsener - Totenseele - Vorfahr empfunden ... Die Folge ist bei einigen Aché der Wunsch, möglichst rasch ... zu sterben, bei anderen eine Abkehr von den menschlichen (d.h. Aché-) Traditionen und Brutalisierung im Verhalten ... Ach [sind] in bewußter Anerkennung des eigenen Seelenverlustes ... bereit, Mitglieder der eigenen Horde zu verfolgen und umzubringen ..." 108 WEISS (1988:312); vgl. FRIEDL (1976:421): "... revitalization movement in which an oppressed and frustrated people believe in the coming of a new age. Such a movement relies upon symbolically important beliefs, usually has a charismatic leader, and is an attempt to eliminate foreign or unwanted elements from the culture"; WHITTEN und HUNTER (1993:318): "Millenarianism: A revivalistic movement reacting to the perceived disparity between ideal and real social conditions, with the belief that this gap is about to close, usually with disastrous consequences for nonbelievers," HOWARD (1993:320, 321, [385]): "A weakening or disruption of the old social order, periods of social unrest, or subjugation and a loss of power frequently result in religious movements categorized as millenarian. Millenarian movements ... expose a belief in the coming of a new world, in part through supernatural action. These are religions born of frustration, despair, or bewilderment, which seek to cut through a seemingly hopeless situation with a promise of the millenium - a period of good governments, great happiness, and prosperity. Millenarists call for a complete change, although their actual visions are, of course, limited by their own sociocultural milieu. As Kenelm Burridge (1969:141) has pointed out, their main theme is moral regeneration and the creation of a new kind of person. Such themes are often expressed or symbolized by a hero or prophet. Figures such as Haile Selassie, Jesus, or Buddha serve as focal points for the call for a new life". LINDSTROM (1996:371, 372): "Anthropologists, sociologists and historians have extended the term 'millenarism' from the Christian tradition to categorize religious movements worldwide that predict an impending, supernatural transformation and perfection of human society. Jesus Christ's Kingdom on Earth will last 1,000 years - a round and solid number - or so foretold the prophet John in the Book of Revelation ... Generalized from its Christian origins, the label 'millennial' describes a broad variety of social movements that have in common an aspiration to reform or overturn the social order with supernatural assistance". 57 Der Zustand der Marginalisierung ist damit verbunden, daß Individuen oder Gruppen von Menschen (ethnischen Minderheiten, Einwandern) weder in der einen noch in der anderen der miteinander in Kontakt stehenden Kulturen beheimatet und verortet sind.109 Seine Ursache kann sowohl in erzwungener Assimilation (vgl. PEOPLES und BAILEY 1994:402) als auch im Scheitern einer versuchten Assimilation an der Zurückweisung durch die Mehrheitsgruppe liegen.110 Marginale Persönlichkeiten werden meist auch durch ihre eigene kulturelle Gruppe zurückgewiesen, was mit Identitätskrisen und tiefgreifenden Wertkonflikten verbunden sein kann, vgl. ROYSICAR-SODOWSKY UND MAESTAS (2 000:141): "Kim ... defined identity crisis of later generation Asian Americans as 'a situation where an individual perceives certain aspects of him /herself which he / she rejects simultaneously' ... This occurs because, despite their attempts to be White identified or fully assimilated with the white culture, they cannot completely rid themselves of their Asian physical traits and of the core Asian values and ways of conducting life. As stated by Wong ... No matter how Americanized they become, no matter how similar to Whites in values, aspirations, mannerism, or actions, Chines Americans will always be perceived as different. ethnic identity and consciousness among Chinese Americans, therefore, regardless of the extent of their acculturation, are not likely to fully disappear. Thus, the marginal person is conceptualized as living 'between the margin of two different cultural traditions' ... In addition to the psychological stress of identity crisis, the marginal person's over-Westernized attitude and behaviors are frequently in conflict with the Asian values of his or her parents." 109 110 Marginalität ist nach EBERTZ (1992:1319-1320) ein "weit gefaßter, unspezifischer Begriff für soziale Rand-, Grenz- oder Zwischenlagen". Bei marginalen Persönlichkeiten handelt es sich um "soziokulturelle Zwitter ... Personen, Sozialkategorien und Gruppen, die dauerhaft zwei (oder auch mehreren) unterschiedlichen soziokulturellen Einheiten zugleich angehören wollen, müssen, oder können ... [Marginaltät] kann als Sonderform der Interkulturalität die Betroffenen mit konfligierenden Normen und Erwartungen, Anpassungsschwierigkeiten und sozialer Ausgrenzung (bis hin zum Völkermord) [konfrontieren]." Marginale Persönlichkeitem sind "... häufig Opfer des 'Sündenbockmechanismus' in Krisenzeiten." Es handelt sich bei Marginalität um eine"... sozialstrukturelle Prädisposition für die Entstehung von psychischen Konflikten, Desorientierungen, kognitiven Dissonanzen, Identitätsverwirrungen, Statusirritationen." KERCHOFF und MCCORMICK (1955; zit. bei LA FRAMBOISE et al. 1998: 126) schreiben vom "... greatest incidence of marginal personality characteristics ... among Ojibwa Indians ... in individuals who were inclined to identify with the dominant group but encountered a relatively impermeable barrier to assimilation with that group." 58 Diese Identitätskrisen wiederum können unter Umständen den Anlaß von Revitalisierungsbewegungen bilden, vgl. KOEPPING (1988:35): ".... Kulturelle Identitätskrisen von Kollektiven können in zwei Richtungen gelöst werden: entweder mit vollem Durchbruch in Form von Deprivationserscheinungen, oder durch Rückbesinnung auf die wirklichen oder subjektiv angenommenen Originalkulturen. Das ist möglich durch bewußte Rückkehr zu indigenen Lebens- und Denkweisen, durch Revitalisierung ..." (e) Die vier Adaptionsstrategien - Zusammenfassung Im Gegensatz zu früheren Forschungsergebnissen, die zu beweisen schienen, daß die Alternation zwischen verschiedenen Kulturen zu Marginalien Persönlichkeitsmerkmalen führt (PARK 1928; STONEQUIST 1935), läßt sich inzwischen belegen, daß mit den wachsenden Fähigkeiten eines Individuums, zwischen zwei oder mehreren Kulturen analog zum switch code beim Bilingualismus zu alternieren, die psychologischen Belastungen (Streß) der Akkulturation reduziert werden können und das Individuum im Vergleich zu monokulturellen Persönlichkeiten zusätzliche Kompetenzen (unterschiedliche Kulturstile, Souveränität und Ich-Stärkung) erwirbt (LAFROMBOISE et al. 1997: 123, 1998:136). Assimilation ist hingegen damit verbunden, daß die Identifikation mit der Herkunftskultur verlorengeht, und wird gegenüber integrativen Modellen (ebenso wie Separation) als streßförderlicher angesehen: "... comparative research has demonstrated that marginalization and separation are associated with high levels of accultarative stress ... integration is associated with a low level of stress, and assimilation is linked with an intermediate stress level (Berry et al., 1987." (WARD und RANA-DEUBA 1999:424) Somit trägt die Strategie der Integration, verbunden mit der Alternation (switch code) zwischen verschiedenen Kulturen, im Vergleich zu Separation, Assimilation und Marginalisierung am ehesten zur Streßreduzierung bei; vgl. ROYSICAR-SODOWSKY und MAESTAS (2000: 139): "Berry (1980) found that among nine groups of Amerindians in northern Canada, those communities with the highest stress levels were those (a) with the least cultural similarity to the dominant group, (b) who had some contact, and (c) who preferred the rejection mode of adaption Conversely, those minorities in Canada with the least amount of stress had more initial cultural similarity with the dominant group, had experienced more contact, and preferred the integration mode of adaption." Bei Untersuchungen an verschiedenen ethnischen Minderheiten und Einwanderern in Nordamerika stellte sich allerdings auch heraus, daß die beschriebenen Adaptionsstrategien kulturspezifisch unterschiedliche Wirkungen zeitigen: Unter südostasiatischen Flüchtlingen (vor allem aus Indochina) sind Depressionen bei denjenigen am geringsten ausgeprägt, welche als 59 sogenannte Kontingentflüchtlinge in großen Gruppen kommen und sich relativ schnell in Netzwerke von Landsleuten integrieren können.111 Die Strategien der Integration und Alternation werden durch entsprechende gesellschaftliche Rahmenbedingungen (Akkomodation) entscheidend begünstigt: Multikulturelle Gesellschaften tragen weniger zur Streßerzeugung im Akkulturationsprozeß bei als Gesellschaften, welche auf kulturelle, linguistische und ethnische Homogenisierung drängen.112 2.2.5. Migration, Streß und coping Im folgenden soll als Vertiefung der bereits beschriebenen Prozesse von Akkulturation, Modernisierung, Streß (Belastung) und coping (Bewältigung) auf die (oft erzwungene) massenhafte Migration von Menschen im 20. Jahrhundert eingegangen werden - ein Prozeß, der zu besonders intensiv erlebter Fremdheitserfahrung (und damit selbstverständlich auch zu spezifischen Fremdheitsbewältigungsstrategien) führte. Das 20. Jahrhundert, oft auch das "Jahrhundert der Flüchtlinge"113 genannt, führte zum Exodus von mehreren Hundert Millionen Menschen, welche entweder gezwungenermaßen, auf111 112 113 LA FROMBOISE et al. (1997:145). Dieser Ansatz erinnert an die Theorie von der "Integration durch Ghettobildung" bzw. Binnenintegration (vgl. ELWERT 1982), welche im Zusammenhang mit der Migrantenforschung im Deutschland der 1980er Jahre vertreten wurde und letztlich auf die Chicagoer Schule der Soziologie (s. THOMAS und ZNANIECKI 1979) zurückgeht; vgl. RODRIGUEZ (1975): "Puerto Ricans living in the ghetto had more positive attitudes about succeeding in the mainstream economic system than did Puerto Ricans living in Anglo-dominated suburbs. Those living in the ghetto also claimed to experience less discrimination". Es bleibt anzumerken, daß die verschiedenen Publikationen von BERRY (1980, 1997, 1998), LA FROMBOISE et al. (1997, 1998) mit psychologisch untermauerter Argumentation das Konzept einer multikulturellen Gesellschaft, verbunden mit einer Integrationsstrategie bezüglich verschiedener Einwanderer- und Indigenengruppen, befürworten. Die vorgestellten Ansätze gehen von einer Modellhaftigkeit der Akkulturation aus und betonen die Möglichkeit einer kulturellen Integration im Sinne des gleichberechtigten Aufeinanderzugehens. Die vorgestellten Modelle interkulturellen Zusammenlebens erscheinen jedoch recht künstlich und vernachlässigen die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Machtverhältnisse, welche mit dem Prozeß der Akkulturation verbunden sind (und entscheidend zu Belastungen = Streß und zur Notwendigkeit deren Bewältigung = coping beitragen; vgl. auch KÂĞITÇIBAŞI 1997:44-49 in ihrem Kommentar zu BERRY 1997). Gerade das Moment einer Ethnisierung von Bevölkerungsgruppen als Ausdruck der Konkurrenz um Ressourcen und politischen Einfluß wird dabei weitgehend ausgeklammert, ebenso wie erzwungene Segregation und Marginalisierung von Bevölkerungsgruppen oder Ethnien, welche in vielen Teilen der Welt zum Alltag gehört (vgl. KOTTAK 1996:362). Vgl. HADEED, HOFFMANN und MARTENS (1993); KOUSHK-JALALI (1993). Die Zahl der Flüchtlinge wird weltweit auf 20-50 Millionen Menschen geschätzt (KOKOT und PAPE 1999:129); vgl. DIES.: "Somit bilden Flucht und Exil weitverbreitete Lebensformen der Gegenwart, die nicht nur 60 grund ökonomischer und ideeller Anreize oder auch aufgrund wirtschaftlicher Not ihre Heimat verließen und die Erfahrung der Aus- und Einwanderung machten. Insbesondere die internationale Arbeitsmigration führte zu massenhaft erlebter kultureller Fremdheit, welche in den meisten Fällen wohl als Fremdheitslast empfunden wurde (und wird). Migration stellt eine besonders streßbelastete Situation dar, weil die Migranten (anders als eine in ihrem Siedlungsgebiet verbleibende Population) mit einem ganzen Bündel von Fremdheitserfahrungen konfrontiert werden. Dabei muß allerdings auch berücksichtigt werden, daß Migration in vielen Fällen bereits eine Bewältigungs-(coping-)Strategie als Reaktion auf häufig als unzumutbar empfundene Belastungen materieller, personeller und psychischer Natur darstellt;114 z.T. findet Migration statt, um dem Modernisierungs- und Akkulturationsdruck in der angestammten Heimat zu entkommen.115 Es gibt somit bei vielen Migrationen nicht nur ein Modernisierungselement, sondern auch ein konservierendes Element.116 (i) mögliche Streßfaktoren (stressors) der Migration Obwohl es insgesamt keine Konsistenz der verschiedenen Migrationsfaktoren und bedingungen gibt, benennt z.B. SHUVAL (1982) in ihrer Übersicht eine Reihe von Kriterien (Bedingungen der Migration), welche entscheidenden Einfluß auf den Grad der Belastungen (Streß) für die Auswanderer- bzw. Einwandererpopulation haben: z Das allgemeine politische und gesellschaftliche Klima gegenüber einer spezifischen Einwanderergruppe: Akzeptanz oder Ressentiments (rejection)?117 114 115 116 117 von traumatischen Erlebnissen, Verlust oder Marginalisierung im Gastland, sondern auch von neuen Anpassungs- und Überlebensstrategien sowie Identitätsbildungsprozessen geprägt sind. In der Diaspora wird Kultur nicht nur entwurzelt und zerstört, es bilden sich auch neue Formen von Kultur und Identität." SCHIFFAUER (1991:74 ff.) belegt dies auf eindrucksvolle Art und Weise anhand der Analyse von türkischen Migranten-Biographien. Unter Umständen "... können bestimmte wichtige soziale Veränderungen manchmal 'Migrationen aus Widerstand gegen die Veränderung' bedingen" (GRINBERG 1990:21) - man geht fort, um sich nicht verändern zu müssen: Beispiele dafür sind etwa die Flucht von Usbeken und Turkmenen aus der Sowjetunion in den 1920er Jahren nach Afghanistan, die Abwanderung altgläubiger Russen (starij raskolnikij) in den Altai (im 19. Jahrhundert) oder nach Nordamerika; Mennoniten aus Norddeutschland und den Niederlanden, welche in die USA auswanderten, um dort ihr Wertesystem aufrecht erhalten zu können, oder die Flucht von Tibetern aus der von der Volksrepublik China okkupierten Tibetan Autonomous Region (T.A.R.).. Z.B. die in der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich zur Türkei oft weit konservativere Auslegung islamischer Vorschriften durch türkische und kurdische Migranten. Vgl. die Situation deutscher Flüchtlinge nach dem 2. Weltkrieg, von "Gastarbeitern" und "Spätaussiedlern" in der Bundesrepublik in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts, von Puertoricanern in den USA, von Mujahiren (moslemischen Glaubensflüchtlingen aus Indien) in Pakistan oder von Tibe- 61 z Ist das Wertesystem der Gastgesellschaft mit dem der Migranten kompatibel?118 z Die vielfältigen, alltäglichen Ebenen der Fremdheit: fremde Sprache (vgl. SCHIFFAUER 1991:124), fremdes Klima, fremde Nahrungsmittel, fremde hygienische Standards, fremde Arbeits- und Lebensrythmen119 z Die "Pathologie der Migration": Einwanderer sind in der Gastgesellschaft häufig chronischen Krankheiten als Folge vermehrten Streß (Belastung) ausgesetzt.120 z Wirtschaftliche und soziale Unterprivilegierung gegenüber der eingesessenen Bevölkerung ("Inländer"): beengte Wohnverhältnisse, belastende und schlecht bezahlte Arbeitsverhältnisse, mangelnde gesellschaftliche Einflußmöglichkeiten. z Die Entscheidung zur Migration (Auswanderung) ist sowohl individueller als auch kollektiver Natur; sie kann den herrschenden Normen entsprechen121 oder widersprechen122 z Migration ergibt sich aus dem (dialektischen) Zusammenwirken von pusch- und pullFaktoren, klassischerweise: religiöse oder politische Verfolgung versus religiöse und demokratischer Freiheiten, Armut versus Möglichkeit zu wirtschaftlichem Wohlstand. Oft sind auch rein ideologische Gründe für die Migration ausschlaggebend (vgl. das klassische Beispiel der Mayflower). In jedem Falle trägt Migration (soweit es sich nicht um ethnisch umfassende Fluchtbewegungen wie 1999 in Kosova / im Kosovo aufgrund "ethnischer Säuberung" handelt) stets einen selektiven Charakter (z.B. die jüdische Migration aus der ehemaligen Sowjetunion; SHUVAL. 1992:679). (ii) Die Schwierigkeiten des copings für Einwandererpopulationen 118 119 120 121 122 tern in Indien. Jüdische Einwanderer in Israel als einem von Migranten begründeten Land stellen in dieser Hinsicht einen Sonderfall dar (s. SHUVAL 1982). Z.B. religiös begründete Nahrungstabus, Vorstellungen von Ehre, Stolz, sozialer Verantwortung und Verpflichtung, Männer- und Frauenrollen (vgl. SCHIFFAUER 1991). Tatsächlich sind Einwanderer nicht nur einem einzigen fremden, monolithischen Wertesystem ausgesetzt, sondern sehen sich mit einer Reihe verschiedener, einander z.T. widersprechender Wertesysteme (schicht-, statusund berufsgruppenabhängig) und der damit verbundenen Varianz der Normen konfrontiert. Vgl z.B. spanische Essenszeiten im Vergleich zu mitteleuropäischen. "There is considerable evidence linking migration with both infectious and chronic diseases and especially with mental illness" (SHUVAL 1982:684). SCHIFFAUER (1991) verweist ebenfalls auf die Pathologie der Migration, z. B. durch Schichtarbeit (S. 177), und ermittelt in den Selbstzeugnissen vieler Migranten das Gefühl, in Deutschland erkrankt zu sein: "Gesund bin ich gekommen, krank gehe ich wieder weg" (S. 182). In Regionen und Kulturen mit klassischen Migrationsmustern, z.B. Süditalien. Insbesondere bei politischer Einschränkung der persönlichen Bewegungsfreiheit wie etwa in den früheren sozialistische Staaten; vgl. SHUVAL (1982:78). 62 SHUVAL (1992:683) unterscheidet bei coping-Strategien im Zusammenhang mit Migration zwischen defensivem und instrumentellem coping: "defensive processes ... are psychological mechanisms to redefine, deny, repress, or possibly distort a disturbing reality." Unter instrumental coping versteht sie "... behavior, which utilizes skills and knowledge for problemsolving in an effort to change or ameliorate the stressful situation." Stets ist im Migrationsprozeß ein gewisses Maß an Akkulturation nötig: es muß ein mental process of adaption stattfinden, welcher durch societal openness begünstigt wird (DIES. 1982:682). Auf den dadurch entstehenden Akkulturationsdruck wendet SHUVAL das Streßmodell von LEVINE UND SCOTCH (1970) an, dem zufolge "... stress occurs when an individual confronts a situation where his usual modes of behavior are insufficient and the consequences of not adapting are serious [siehe auch HOUSE 1974) ... The availability and usability of coping mechanisms constitute the link that determines whether a situation that is perceived as disturbing will in fact result in stress for the individual." (PEARLIN und SCHOOLER 1978). Das bedeutet, daß der durch die Migration hervorgerufene soziale Wandel und erfolgreiche Anpassungsstrategien (coping) weitere mögliche Streßfaktoren darstellen123 und Fremdheitslösungen ggf. auch zu vermehrter Fremdheitslast führen können.124 (iii) Modernisierung und Migration: Ein Fallbeispiel SCHIFFAUER legte 1991 eine eingehende Fallstudie zu türkischen Einwanderern in der Bundesrepublik und Österreich dar, welche die persönlichen Erlebnisse dieser Menschen in den Vordergrund stellt und zahlreiche Aussagen zu psychosozialen Belastungen und Bewältigungen enthält. Zunächst werden die allgemeinen Werte und Normen in einem türkischen Dorf der Schwarzmeer-Region125 erläutert (EBD.:34-49), z.B. z die stets eingestandene Legitimität grundlegender Bedürfnisse. z Beziehungen zwischen Menschen sind immer auch ökonomischer und politischer Natur, niemals nur sozialer oder familiärer Natur 123 Z.B. der Wandel in der traditionellen Ämterhierarchie oder im Sozialprestige durch die Migration welcher allerdings auch im Heimatland als Resultat der Modernisierung auftreten kann. 124 Die Wandlungsfaktoren sind dabei sowohl materieller (physical change) als auch sozialer und kultureller Art (neue Normen); der soziale Wandel verläuft meist informell, nicht "über Deutschkurse für Ausländer", sondern über Kontakte zu Nachbarn und Freunden, Verhandlungen auf Ämtern oder den Berufsalltag. Der Umgang mit diesen ungünstigen Lebensverhältnissen wird in der ersten Phase der Migration zunächst als notwendig, normal und gerechtfertigt angesehen. Zusätzlicher Streß entsteht dann, wenn die erwartete Besserung nicht oder nur sehr langsam eintritt. 125 Subay im Pontischen Gebirge. 63 z Das Gewicht einer Äußerung bemißt sich nach dem Status desjenigen, von dem sie stammt126 z An respektierten Personen wird keine direkte Kritik geübt, vielmehr teilt man diese anderen Dorfbewohnern, Kindern, sogar dem Vieh oder einem Stück Holz mit - in der Erwartung, daß diese Äußerungen dann natürlich trotzdem die Runde machen z Individualität und Subjektivität verschwindet hinter dem "Platz in der Gesellschaft" - es gibt keine individuelle Ausgestaltung einer Rolle (S. 47). In den einzelnen biographischen Studien des Bandes (S. 50 ff.) finden sich zahlreiche Hinweise auf Spannungsfelder, die Streß erzeugen. Die dabei zu verzeichnenden Veränderungen des Wertesystems stehen nicht allein im Zusammenhang mit der Migration nach Istanbul, Deutschland oder Österreich, sondern sind vielmehr auch innerhalb der türkischen Gesellschaft als Folgen der allgemeinen Modernisierung (vgl. Kap. 4.2.2.[ii]) zu erkennen und stellen z.T. gerade den Grund für den Migrationswunsch der Betroffenen dar (vgl. oben: Migration als Bewältigungstrategie): Modernisierung Ó Ô Belastungen / Streß Î Migration Einige Folgen der Modernisierung im Binnengefüge der ländlichen Türkei seien hier aufgelistet: z Veränderte Stadt - Land - Beziehungen Die Muster der Binnenmigration veränderten sich seit den 1950er Jahren: während zuvor die (zeitweilige) Ansiedlung in der Stadt als Dependenz der dörflichen Höfe angesehen worden war (S. 86), wurde mit der Modernisierung das Geldeinkommen in der Stadt wichtiger als die landwirtschaftliche Produktion im Dorf; die Binnenmigranten wurden vom target worker zum abhängig Beschäftigten (S. 87), der Lebensmittelpunkt wurde in die Stadt verlagert. z Umbewertung der Arbeit: Die internationale Migration (z.B. nach Deutschland) führte zur Aufwertung des ökonomischen Stellenwerts der Arbeit und zur Abwertung des sozialen Stellenwertes von Arbeit in der Türkei (S. 93). Wurden Arbeitsverhältnisse zuvor auch in ihrer Prägung durch verwandtschaftliche und soziale Beziehungen wahrgenommen worden, so überwog nun der reine Warencharakter der Arbeit. Der Status einer Person ist nicht mehr über Alter und Geschlecht konkret bestimmbar (S. 98); es kommt zur Dichotomisierung der Berufsvor126 Eine soziale Norm, die von Migranten aus diesem Dorf z.T. scharf kritisiert wird, etwa in der Art: "Durch Heirat oder Militärdienst allein kriegt der Esel keinen schlauen Kopf". 64 stellungen (S. 104): Man kann entweder nur Chef oder Untergebener sein; der Traum ist eine "befriedigende Synthese von Müßiggang und Arbeit" (S. 105). Die dörfliche Produktion wurde zunehmend als ineffizient angesehen (S. 90). z Änderungen der generationsspezifischen Rollen wachsende Autoritätskonflikte: Als Folge des Wertewandels der 1960er und 1970er Jahre (S. 88) und mit der Individualisierung des Einkommens erwuchs der Protest der jüngeren Generation gegen die Einmischung der Väter (karışmak), Vorstellungen von Status und Ansehen, von Wert und Würde veränderten sich (S. 110; S. 206): Sparen und Kapitalbildung wurde wichtiger als bäuerliche Verschwendungssucht und prahlerische Dorfpolitik. Konfliktbelastete Vater-Sohn-Beziehungen127 führten bei den Söhnen z.T. zu Migration als Bewältigungsverhalten (vgl. S. 118; S. 199). In engem Zusammenhang damit steht, daß die Migration zu einer veränderten generationsspezifischen Rollenverteilung führt (S. 130): Jüngere Männer, die in der traditionellen Türkei stets noch in der Abhängigkeit ihrer Väter standen, müssen die Rolle des Familienoberhauptes ausfüllen und gewinnen gegenüber ihren Vätern größere wirtschaftliche Macht (S. 130) z Individualisierung und eigene Biographien Die ländlichen Solidarbeziehungen brechen auseinander. Bei den auswandernden Dorfbewohnern kommt erstmals die Vorstellung einer individuellen Zukunftsgestaltung (istikbal) und das Gefühl einer eigenen Wertigkeit der eigenen Person auf. Die Stadt wir das Ausland bieten die Chance eines freien und unabhängigen Lebens (S. 125). Mit der Individualisierung geht einher (so SCHIFFAUER 1991:185), daß auch die Selbstwahrnehmung in Form von Biographien (mit Verzweigungen und Gabelpunkten) organisiert wird und eine Reflexion über Entscheidungsfindungen stattfindet.128 SCHIFFAUER geht davon aus, daß die Deutungen des Kollektivs die individuelle Wahrnehmung und damit auch die Erinnerung strukturieren. Im Gegensatz zu den Dorfbewohnern wechseln jedoch die Migranten mit den Wohnorten und Arbeitsverhältnissen mehrfach die jeweiligen gedächtnistragenden Gruppen, weshalb ihre Biographien individualistischer als die der "zurückgebliebenen" Dorfbewohner sind (S. 186). Die Migration trägt grundsätzlich einen zwiespältigen Charakter: Zwar bietet die Stadt wie auch das westliche Ausland (Deutschland, Österreich) die Möglichkeit, ein freies und unabhängiges Leben (im Sinne der oben umrissenen Vorstellung einer eigenen Biographie, 127 128 z.B. Konflikte zwischen Autonomie und Bindung: Der Vater wollte seinen Sohn immer für seine lokalpolitischen Ziele und Machtambitionen einspannen; S. 65), Furcht vor der Übermacht des Vaters (S. 71) und das Gefühl der mangelnden Anerkennung (S. 74). Innerhalb der im eigenen Projekt erhobenen narratives findet sich eine auffällige Parallele in tonbanddokumentiertem Lebensgeschichte eines Filmemachers und Reiseveranstalters, der bereits in früher Jugend über Jammu nach Japan auswanderte. 65 einer "eigenen Zukunft" [istikbal])zu führen (S. 125), gleichzeitig geht jedoch der bisherige, im dörflichen Leben fest umrissene Sozialstatus durch die Migration verloren (S. 130). z Vorstellungen von Wert und Würde Bisherige Vorstellungen von Wert und Würde lassen sich nicht mehr aufrecht erhalten (S. 110): Aufgrund der gegenüber dem dörflichen und kleinstädtischen Milieu der Türkei veränderten Arbeitsorganisation erfahren die Migranten eine andere Wertigkeit der eigenen Person: einerseits nehmen sich selbst als eigenständige Subjekte wahr, andererseits machen sie die hautnahe Erfahrung der Diskriminierung (ayrım yapmak) und Teil einer "industriellen Reserve-Armee" zu sein (S. 113) - Streßfaktor, welche die Aufrechterhaltung des eigenen Selbstwertgefühls beeinträchtigt129 z Zerrissenheit der Lebenszusammenhänge Die Migration führt meist zu familiärer Zerrissenheit (oft mehrjährige Trennung von Männern, Frauen und Kindern); Sprach- und Anpassungsprobleme (insbesondere von Frauen und Kindern, etwa in der Schule) führen dazu, daß der Lebensmittelpunkt nicht mehr eindeutig bestimmbar ist (Mitteleuropa, Istanbul, Subay?), und daß beständige Planungsunsicherheit herrscht (S. 134, 135). Zahlreiche biographische Zeugnisse zeigen, daß die Familientrennung nur schwer verkraftet wird (z. B. S. 132). Die territoriale Zerrissenheit des Lebens führt zu Dilemma: Es müssen Prioritäten gesetzt werden, wobei sich letztendlich jede Entscheidung als falsch erweist (weder die Entscheidung für einen Verbleib in Deutschland noch die Entscheidung für eine Rücksiedlung in die Türkei kann den Bedürfnissen aller Beteiligten gerecht werden - meist entwickeln sich daraus Kompromißlösungen, welche für alle Beteiligten unbefriedigend sind (S. 170, 176). z Die Änderung der Zeit Die Migration bringt die Einführung neuer Zeitkategorien mit sich: Zeit verselbständigt sich durch die strikte Trennung von Arbeitszeit und Freizeit (S. 161), Die Migration wird als eine Übergangszeit mit fester Rückkehrabsicht konzipiert (S. 163), wobei diese Rückkehr, wie ja allgemein bekannt ist, auf unbestimmte Zeit aufgeschoben wird. Bisherige Lebensphasenkonzepte können nicht mehr aufrecht erhalten werden: Gemäß herrschender Normen setzt sich ein geachteter Bauer in der traditionellen ländlichen Türkei im Alter (zwischen 40-50 Jahren) zur Ruhe und widmet sich statt der Feldarbeit dem Handel und vor allem der Religion (läßt sich z. B. einen Bart stehen) - die Aussicht, als 65-jähriger Rentner aus Deutschland in die Türkei zu kommen, läßt sich damit natürlich nur schwer in Einklang bringen. 129 Vgl. Kap. 4.3.2. (ii): Ziele von coping-Strategien. 66 z Die Fremde als entsymbolisierter Raum Die bisherige Strukturierung des Jahresablaufs durch die islamischen Feste (kurban bayram, şekker bayram) kann so nicht mehr aufrecht erhalten werden. Zwar gebe es, wie viele Migranten in den biographischen Interviews erzählen, in Deutschland jede Menge Zerstreuungs- und Vergnügungsmöglichkeiten, jedoch weitaus weniger sinnstiftende Elemente als in der Türkei. Insbesondere die Isolation nicht-berufsstätiger Frauen aufgrund mangelnder Sprachfähigkeiten und infolgedessen fehlender nachbarschaftlicher Kontakte wird von vielen männlichen Migranten bemängelt (S. 164). z Materieller Erwartungsdruck Die ursprünglich als Übergangszeit konzipierte Migration sollte vor allem dem Geldverdienen, der Akkumulation materiellen Wohlstands und von Kapital dienen, das in eine bessere Zukunft (istikbal; s.o. ) in der Türkei investiert werden soll. Dies schafft einerseits erhebliche Belastungen (Streß) durch die verinnerlichte Forderung nach Kapitalakkumulation im "Gastland" (Überstunden, Schichtarbeit, gefährliche Tätigkeiten: Risiko- und Schmutzzulagen etc.), anderseits besteht der Erwartungsdruck der daheim gebliebenen Familienmitglieder und Nachbarn, welche sich durch die Migration ihrer Angehörigen materiellen Wohlstand, Ausstattung mit Konsumgütern und Statuszugewinn versprechen.130 SCHIFFAUER nennt die folgenden Strategien der Bewältigung als Reaktion auf modernisierungs- oder migrationsbedingte Belastungen, wobei er dezidiert auf unlösbar erscheinende Dilemmata der Migration hinweist (1991:170 ff.): z Zunächst stellt die Migration selbst häufig schon eine coping-Stratgie dar, ein Mittel, um dörflichen Abhängigkeitverhältnissen zu entgehen (S. 199) z Individuelle Lebensentwürfe Im Gegensatz zur dörflichen Türkei wird die Selbstwahrnehmung in Form von Biographien organisiert, mit Kreuzungen und Gabelungen des Lebensweges (wichtig für die Lebens-ereignisforschung) und reflektierter Entscheidungsfindung. Da die Biographien häufig sowohl territorial als auch zeitlich zerrissen sind (wechselnde Aufenthaltsorte: Deutschland - Türkei; Stadt - Land; wechselnde Arbeitsstellen), und gerade deshalb überwiegt das individuelle Moment: "Ich vertraue nur auf mich selbst" - Eine Äußerung, die im 130 SCHIFFAUER (1991:166-168). Wenn eine Heimreise in die Türkei schon in den 1980er Jahren, als die Interviews entstanden, mit DM 6 000 -7 000,-- (3 000-3 500 Euro) veranschlagt wurde, zeigt das, daß ein erheblicher Teil dieses Geldes für Geschenke, Statussymbole und Konsumgüter (z.B. Fernseher, im 21. Jahrhundert Computeranlagen) investiert wurde. Tatsächlich aber erfüllen sich die Träume vom materiellen Wohlstand und einer unabhängigen Existenz in der Türkei nicht; Migranten selber schätzen, daß 60% der Geschäftsgründungen durch Rückwanderer in Konkurs gehen. 67 traditionell-ländlichen Milieu der Türkei kaum denkbar wäre (S. 195). - So geht z. B. bei Mirganten der Gebrauch der ländlichen Sprichwörter fast komplett verloren. z Die Hinwendung zum Islam Diese Bewältigungsstrategie türkischer Migranten wird im politischen Kontext der Bundesrepublik gerne mit islamischem Fundamentalismus assoziiert. Wichtig daran ist jedoch weniger, daß sich in Deutschland lebende Türken und Türkinnen als praktizierende Moslems bekennen, sondern, welchen Wandel der Stellenwert der Religion im Vergleich zur ländlichen Türkei erfahren hat: Im dörflichen Kontext ist die Teilnahme am moslemischen Ritual (z. B. Freitagsgebet, Fasten während des ramazan) mit der Zugehörigkeit zum Gemeinwesen verbunden; in der Stadt wird diese kommunale Praxis jedoch "systematischer".131 Während der Islam auf dem Land in die Lebenspraxis eingebunden ist; wird die Religion in der Stadt und ganz besonders in der Emigration, in der Konfrontationssituation mit fremden christlichen Religionsinhalten oder westlichen Wertemustern, als Forderung der Lebenspraxis gegenübergestellt (S. 211). Viele Migranten betonen die Möglichkeit, in Deutschland überhaupt etwas über den Inhalt des Islam erfahren zu haben - dies, weil zumindest in der Vergangenheit die übermäßige Betonung islamischer Glaubensinhalte in der offiziell laïzistischen Türkei nicht gern gesehen wurde und der politische Islam sich legal überhaupt nicht artikulieren durfte (S. 148, 150). Angesichts der oben beschriebenen Belastungen (Streß) verwundert die Hinwendung zur Religion als möglicher Sinnstiftung und Bewältigung keineswegs. Allerdings findet SCHIFFAUER Belege dafür, daß sich diese Hinwendung zur Religion in der MigrationsSituation in ganz anderer Weise stattfindet als im traditionellen Kontext: - die Religionsausübung ist individualistischer, man kann sich hier in der Bundesrepublik unterschiedlichen Predigern der eigenen Wahl oder Sufi-Bruderschaften (z.B. den Nakşbendiyya) zuwenden. Einige von SCHIFFAUERs Interviewpartnern hatten eine regelrechte Karriere durch verschiedene islamische Kongregationen hinter sich, die je nach aktuellen Erfordernissen und Einschätzungen gewechselt waren (S. 148; S. 211 ff.) - Die individuelle Hinwendung zum Islam wird auch von Frauen in einer Form von Individualität und Selbstbehauptung gegenüber männlichen Familienmitgliedern praktiziert, welche im traditionellen Kontext undenkbar wäre. Insgesamt bedeutet dies, daß die tatsächliche Auseinandersetzung mit der eigenen Religion erst durch die Konfrontation mit dem Fremden stattfindet. 5. Forschungsleitende Hypothesen 131 SCHIFFAUER (1991:143) unter Bezugnahme auf Max Weber. 68 Das Projekt ging davon aus, daß die Fremdheitslage im buddhistischen Ladakh hauptsächlich von drei verschiedenen Fremdheitseinflüssen bestimmt ist (vgl. Kap. 2): (i) (ii) (iii) Indien: Armee und Verwaltung des indischen Flachlandes, indische Präsenz allgemein Kashmir: die Zugehörigkeit von Ladakh - wenn auch mit begrenzter Autonomie (Hill Council) zum indischen Bundesstaat Jammu und Kashmir, welcher moslemisch dominiert ist Der "Westen": Tourismus und allgemeine westliche Kultureinflüsse mit zuvor unbekannten Wertemustern und Verhaltensweisen. Unser Forschungsvorhaben untersuchte sowohl die durch die Begegnung von Modernisierung und Tradition hervorgerufenen Spannungen in Gestalt einer präzisen Nachzeichnung der Fremdheitserfahrung von verschiedenen Gruppen der ladakhischen Bevölkerung als auch die vermuteten Fremdheitslösungen als eigenständige Antwort einiger ladakhischer Gruppen zur Lösung dieser Spannungen. Dazu wurde im Rahmen der empirischen Erhebungen (vgl. Kap. A.6. und B.) der Frage nachgegangen, wie diese Fremdheitseinflüsse von der buddhistischen Bevölkerung Ladakhs wahrgenommen werden132 und welche Lösungsmöglichkeiten133 im Umgang mit diesen Fremdheitseinflüssen gewählt werden, wobei sorgfältig zwischen den drei verschiedenen Komponenten der Fremdheitslage differenziert wurde (vgl. Kap. B.3.). Als Begründung für die forschungsleitenden Hypothesen seien hier einige Bemerkungen zu den Auswirkungen von Fremdeinflüssen und Modernisierung auf die ladakhische Bevölkerung vorausgeschickt: Modernisierung ist im Falle Ladakhs mit Homogenisierungsbestrebungen sowohl im weltweiten Wirtschaftsgefüge (Einbindung in globale Wirtschaftsbeziehungen in Gestalt des Tourismus; vgl. EPPLER 1983; EMMER 1996a:71-74; MICHAUD 1989, 1991, 1996; PITSCH 1985) als auch innerhalb des indischen Staatswesens134 verknüpft, denen das buddhistische Ladakh als "Teil-Identität in Gestalt einer Minderheit" (vgl. KÖßLER und SCHIEL 1995; NAMGYAL 1997) gegenübersteht. Wie vergleichbare Beispiele in anderen Regionen der Welt zeigen, mobilisieren in solchen Fällen Angehörige einer Minderheit ihre spezifischen Traditionen (als little tradition im Sinne von REDFIELD 1976; vgl. HOBSBAWM 1991, 1993) gegen die "Zumutungen einer durch koloniale oder postkoloniale Staaten inszenierten Modernisierung" (KÖßLER und SCHIEL 1995:19) und die damit verbundenen Vereinheitlichungsbestrebungen (vgl. auch STELLRECHT 1994). Modernisierung führt deshalb nicht notwendig zu Vereinheitlichung und "Ent-Ethnisierung", sondern ganz im Gegenteil nicht selten zu einer forcierten Ethnisierung entsprechender Minderheitengruppen (EDER und GIESEN et. al. 1996; vgl. GELLNER 1991; SIGRIST 1995). Im Rahmen unseres Forschungsprojektes untersuchten wir 132 133 134 Perzeption als Fremdheitslast oder positive Bewertung im Sinne von "Fremdheitslust"? Im Sinne von Fremdheitslösung, Fremdheitsbewältigung oder coping (vgl. Kap. 4). Politische Integrationsbestrebungen werden vom indischen Staat seit seiner Gründung, besonders aber seit den Grenzkonflikten mit Pakistan (1948) und China (1962) forciert. 69 deshalb, welche Fremdheitserfahrungen die oben definierte Modernisierung Ladakhs als Element der Fremdheitslage bewirkt und in wieweit Tradition als tatsächlicher oder konstruierter Bestandteil des Eigenen (vgl. KÖßLER und SCHIEL 1995) in Fremdheitslösungen einfließt. Die "Tradition" als Gegenpol zur Modernisierung ist vor allem auf der Ebene der traditionellen Verfaßtheit Ladakhs mit den für sie konstitutiven Kernstrukturen im Wirtschaftsleben, der Sozialstruktur, der Familienorganisation und Religion präsent (vgl. RIZVI 1996). Gemäß den in Kap. A.1. definierten Kernstrukturen des traditionellen Ladakh waren die Menschen in eine festgefügte Lebensplanung eingebunden: Sei es als Klosterschüler, als Haushaltsvorstand einer polyandrischen Familie, als adeliger Grundherr, als buddhistischer Mönch, als Nomade im Changtang. Traditionelle Strukturen bedingen eine gewisse Vorhersagbarkeit individueller und kollektiver Lebensmodelle. Eine Folgewirkung der Modernisierung besteht darin, daß diese traditionellen Lebensentwürfe nicht mehr verbindlich sind, sondern sich vielmehr auch alternative Lebensentwürfe,135 die zu Brüchen in der persönlichen Lebensplanung und im sozialen Umfeld eines Individuums (Familie, pha spun, Kloster, Statusgruppe) führen können. Die grundlegenden Hypothesen des Projektes lassen sich wie folgt zusammenfassen: z Die oben beschriebene Fremdheitslage mit ihren verschiedenen Komponenten wird vornehmlich als Fremdheitsdruck oder Fremdheitslast wahrgenommen und erfahren; dies führt zu Streßsymptomen bei der Bevölkerung (vgl. Kap. A. 4.2.3.) z Es gibt eine Reihe von Strategien zur Bewältigung dieser Fremdheitslage im Sinne von Spannungsbewältigung (coping, vgl. ebenfalls Kap. A. 4.2.3.), welche aufgrund der traditionellen Verfaßtheit der ladakhischen Gesellschaft (vgl. Kap. A.1.) vor allem im Bereich der (buddhistischen) Religion gesucht werden.:136 Unsere Voruntersuchungen in Ladakh erbrachten konkrete Hinweise darauf. z Als Hypothesen zur möglichen Fremdheitslösungen stehen zur hier (1) die Verstärkung der buddhistischen Religiosität und das stark an Bedeutung gewinnende Pilgerwesen sowie (2) die Proliferation des Schamanismus als ursprünglich vorbuddhistischer Volksreligion zur Diskussion. z Dabei gehen wir davon aus, daß die in der Religion begründeten, flexiblen Fremdheitslösungsstrategien einerseits auf Aspekte der Tradition (buddhistische Pilgerfahrten, 135 Weltliche Ausbildung in Jammu oder Delhi, Investition in guest houses oder Restaurants, Eintritt in die Armee. Aufgrund des bisherigen Forschungsstandes läßt sich die begründete Hypothese vertreten, daß bei der Bewahrung dieser Tradition gegenüber den durch die Modernisierung hervorgerufenen Spannungen und Brüchen vor allem auf Elemente des religiösen Bereichs im Sinne einer Fremdheitslösung zurückgegriffen wird. Gerade bei einer ethnischen Gruppe, bei der Religion so stark prägend für das kulturelle Selbstverständnis ist, gehen wir von der Annahme aus, daß die Begegnung mit dem dreifach Fremden besonders im Bereich des Religiösen prägnante Wirkungen zeigt. 136 70 Schamanismus) rekurrieren und andererseits versuchen, unter Nutzung verschiedener Aspekte des Fremden eigene neue Formen zu entwickeln. In Betracht kommt hier sowohl die Hinwendung zum "politischen Buddhismus" als auch der Re-Import buddhistischer Ideen nach Ladakh (z.B. durch die Mahabodhi-Gesellschaft oder den intensiven Kontakt zu singhalesischen Buddhisten; vgl. Kap. A. 2.1.3.). Als externer Faktor darf auch die vermehrte Akzeptanz buddhistischer Glaubensinhalte im westlichen Ausland137 und das Interesse von Ostasiaten138 am Buddhismus tibetischer Prägung nicht außer acht gelassen werden. z Weiterhin gingen wir davon aus, daß die Untersuchung von religiös verankerten Fremdheitslösungsstrategien Aufschluß über die Rezeptions- und Abgrenzungsprozesse geben würde, die zu ihrer Entstehung und Annahme führten. Hier ist insbesondere in Betracht zu ziehen, daß die Hinwendung zum Buddhismus im Sinne einer politischen Bewegung als Ressource der Ethnizitätskonstruktion (vgl. Kap. A. 4.2.1.) zur Abgrenzung sowohl gegenüber moslemischen Ladakhis als auch gegenüber Moslems aus dem Kashmir-Tal genutzt und benutzt wird. 6. Untersuchungsmethode und Datenbasis Übersicht über Kap. 6 6.1. 6.2. 6.3. 6.4. 6.5. Die Untersuchungsmethode Einordnung der Untersuchungsmethode in neuere Trends des Faches Ethnologie Datenbasis Die Auswertung der Daten Die regionale Verteilung der Daten 6.1. Die Untersuchungsmethode 137 138 Die wachsende Zahl westlicher Anhänger speziell des tibetischen Buddhismus und die allgemeine Sympathie für die Politik des Dalai Lama in der westlichen Öffentlichkeit. Namentlich Japaner und Koreaner. 71 Ziel des Forschungsprojektes war es, die vielfältige und durchaus ambivalente individuelle, subjektive Fremdheitserfahrung in Ladakh im Sinne einer dichten Beschreibung (GEERTZ 1994) zu erfassen und nachzuzeichnen. Dazu diente die Methode der "Sprechenden Anthropologie", gemäß der insgesamt 121 narrative Interviews mit Personen beiderlei Geschlechts und verschiedener Altersgruppen geführt wurden. Sowie möglich, orientierten sich die Gespräche an einer Grundstruktur von Fragezugängen (s.u.), welche versucht, die Vergangenheit mit der aktuellen Lebenssituation zu konfrontieren, um dann Alternativen im Sinne von "Was ist besser? Was ist schlechter? Wünscht Du139 Deinen Kindern, so zu leben wie früher?" erfragen zu können. Gemäß der Grundkonzeption des Projektes wurden Erhebungen schwerpunktmäßig unter der buddhistischen Bevölkerung Ladakhs durchgeführt. Dies hinderte uns natürlich nicht daran, auch die Stimmen moslemischer Ladakhis und auch eines sehr exponierten Christen zu berücksichtigen (vgl. Kap. 6.3.). Grundstruktur der Fragezugänge im Projekt "Subjektive Fremdheitserfahrung in Ladakh" (i) (ii) (iii) (iv) (v) (vi) Erfragung vergangenheitsbezogener Themenkomplexe Erfragung gegenwartsbezogener Themenkomplexe Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart Ermittlung konkreter Problemfelder, die evtl. unter genannt wurden Ermittlung eigener Lösungsmöglichkeiten (des Gesprächspartners), um diese Problemfelder zu bewältigen Hypothesen zu Fremdheitslösungen Aus dieser Grundstruktur wurde folgender Frageleitfaden entwickelt, wobei konkret formulierten Fragen jeweils als verschiedene fakultative Zugänge zu den Themenkomplexen anzusehen sind: Frageleitfaden zum Teilprojekt „Subjektive Fremdheitserfahrung in Ladakh“ (i) Erfragung vergangenheitsbezogener Themenkomplexe: Herkunft/ Familie 139 Woher stammst Du, woher kommst Du (aus welchem Dorf, Ober-/ Unter-Ladakh; evtl. Zanskar, Nubra-Tal, Changtang etc.)? Wer sind / waren Deine Eltern? Was tun Deine Eltern / haben Deine Eltern getan? Die Form des "Du" orientiert sich an den englischen Sprachgewohnheiten, im Ladakhi wurde die Anrede der Person von den Übersetzern durchwegs mit dem höflichen nye-rang (entspricht in etwa dem deutschen "Sie") wiedergeben. 72 - wieviel Land hat / hatte Deine Familie? Wie habt Ihr das Land genutzt? Wer hat entschieden, was angebaut wird /was jeweils zu tun ist / war? Zu welchem Kloster gehört Dein Dorf? Wer ist / war Dein Rinpoche? - Schule und Ausbildung - Wie war es früher in der Schule? Was für eine Schule war das? Wie lange bist Du zur Schule gegangen? Wer waren Deine Lehrer? - Frühe Kindheit - Wie alt bist Du? Kannst Du Dich an die Zeit vor der Schule erinnern? Wovon hat Deine Familie gelebt? Wie war Euer Haus beschaffen? (Haustempel / lha khang, Speicher, Wohnräume, Viehstall) Wer wohnte alles im Haus? Wie verlief Dein Tag? Kamen manchmal Lamas in Haus? War einmal jemand sehr krank? Was habt Ihr gemacht, wenn jemand krank war? Habt Ihr Schamanen140 konsultiert? Wie oft? Zu welchem Anlaß? Wieviele lha pas / lha mos gab es in Eurem Dorf? Wie alt waren sie (ungefähr)? - (ii) Erfragung gegenwartsbezogener Themenkomplexe - 140 141 Wieviel Geschwister hast Du? Was haben die früher getan? Was tun sie heute (für ihren Lebensunterhalt)? Wer kümmert sich um den Familienbesitz? Was ist mit den anderen Geschwistern (Erbe geteilt, ausbezahlt141, abgewandert?) Wie oft kommen diese noch heim (falls sie außerhalb des Dorfes leben sollten: Kloster, Armee, Leh, business ...) ? Zur eindeutigen Begriffsbestimmung in der Frage mit den Ladakhi-Termini (lha pa, lha mo) oder aber dem gebräuchlichen englischen Begriff oracle bezeichnet. Für den Fall, daß die Primogenitur nicht eingehalten wurde. 73 - Kommen sie zur Ernte? Reden sie noch über die Felder? Mit wem sind sie verheiratet? Waren es geplante Heiraten (arranged marriages)? Was machen Deine Schwager und Schwägerinnen? Leben sie im Dorf, Nachbardorf, in der Stadt (Leh, Chandigarh, Delhi, Srinagar ...)? Leben Deine Eltern noch? Im khang-chen, khang-bu?142 Haben sie das Haus gewechselt? Zu welchem Anlaß, bei welcher Gelegenheit? Wie werden die Eltern versorgt? Was machst Du heute? Arbeitest Du (noch) auf den Feldern? Oder im Staatsdienst, beim Militär, im Handel ... ? Bist Du verheiratet? Wieviel Kinder hast Du? In welchem Alter hast Du geheiratet? Wo kommt Dein Ehemann / Deine Ehefrau her?143 Was machen die Kinder? Gehen sie zur Schule? Sind sie erwerbstätig? Sind sie weggezogen? (iii) Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart - Wenn Du auf Deine Kindheit zurückblickst - war das eine gute Zeit? Wenn Du Deine Kindheit mit der Kindheit Deiner Kinder vergleichst, was denkst Du? Welche Zukunftsaussichten haben die Kinder? Bist Du mit Deinem Leben so zufrieden? Gibt es Verbesserungsmöglichkeiten? Wie stellst Du Dir die Zukunft vor? Ist es in Ladakh heute besser oder schlechter als früher? (iv) Problemebene / Ermittlung konkreter Problemfelder, die unter (iii) genannt werden könnten - Wo „drückt der Schuh“? Was macht Dir Kummer und Sorgen? Was brennt tatsächlich auf den Nägeln? Wer hilft? Was sagt der Rinpoche in solch einem Fall? - Wirtschaft 142 143 Siehe Glossar. Da Polyandrie, genauso wie die seltenere Polygamie, öffentlich kaum zugegeben werden, sollte in der Frage nicht gleich auf dieses „peinliche“ Thema eingegangen werden. 74 - Lohnarbeit und Geldwirtschaft im Vergleich zu selbständiger Landwirtschaft und barter economy Konkurrenz im Geschäftsleben durch Moslems (aus Ladakh, Kashmir, Indien) und andere „Fremde“ (Sikhs, Hindus etc.) Familienbeziehungen Von der Polyandrie zur Monogamie arranged marriage versus „Liebesheirat“ Kinder arbeiten nicht mehr im Haushalt mit (Buddhistische) Religion kein Nachwuchs für die Klöster mehr Diebstahl von Sakralkunst und deren unrechtmäßige Veräußerung abnehmender Respekt vor hohen Geistlichen (Rinpoches / Kushoks) unlauterer Lebenswandel der Geistlichkeit (insbesondere politisches Engagement) Volksreligion durch stärkere Betonung des Buddhismus zurückgedrängt? (z.B. Abschaffung von Tieropfern) Anpassung der Ritualtermine an touristische Erforderlichkeiten - Soziales Leben Verfall der traditionellen Autoritäten allgemeiner „Sittenverfall“ junge Leute benehmen sich nicht mehr angemessen - Politik Bürgerkrieg in Kashmir / Grenzzwischenfälle bei Kargil Armeepräsenz - Ökologie Umweltzerstörung: Müll, Wasserverschmutzung (Abgase, Gestank, Lärm) (v) Ermittlung eigener Lösungsmöglichkeiten (des Gesprächspartners), um mit diesen Problemfeldern umzugehen: Vorgestelltes Tun und Nicht-Tun-Können - Was kann man zur Behebung dieser Probleme tun? Was hast Du getan, um diese Probleme zu bewältigen? (vi) Hypothesen zu Fremdheitslösungen, die im Dialog mit dem Gesprächspartner zu „testen“ sind (Wo wird Fremdheit erfahren? Vorgestellte Fremdheitslösungen?) - 144 Helfen Lamas und Rinpoches bei diesen Problemen?144 Denkst Du, Pilgerfahrten könnten bei diesen Problemen Abhilfe bringen? Denkst Du, die Konsultation von Schamanen (lha-pa, lha-mo, oracle) könnte helfen? Wird höchstwahrscheinlich affirmativ beantwortet. 75 - - Ist es sinnvoll/hilfreich, sich mit anderen Buddhisten in Indien/im Himalaya/(in Asien) zusammenzuschließen? Macht es Sinn, sich zu engagieren: in Kampagnen für Umweltschutz gegen Alkohol für die Erhaltung der Kultur in Organisationen (NGOs / NROs, z.B. SECMOL, Ledig, Houseless Peoples' Association, Ladakh Health Association, Ladakh Buddhist Association, Organisationen für buddhistische Laien, bei den 'Peace Stupa People,' durch den Besuch religiöser Veranstaltungen (cham-Tänze, lung-Rezitationen)?145 Hast Du schon einmal eine dieser Möglichkeiten wahrgenommen? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? 6.2. Einordnung der Methodik in neuere Trends des Faches Ethnologie Der für diese Untersuchung gewählte individuumsbezogene Zugang ergibt sich u.a. aus entsprechenden neueren Trends des Faches Ethnologie, welche hier kurz vorgestellt seien:146 - das Plädoyer für "Polyphonie in der Ethnologie" (vgl. KOHL 1998) - die Kritik an der Sicht von Kultur als einem festgefügten System von Bedeutungen (vgl. KEESING 1987) - das Plädoyer für stärkere Berücksichtigung interkultureller Diversität, verbunden mit der Kritik an dem innerhalb der US-amerikanischen Cultural Anthropology entwickelten Begriff des pattern und der assumed cultural homogeneity (vgl. PELTO und PELTO 1975). Wie im folgenden zu zeigen sein wird, unterstützt die damit umrissene Kritik verschiedener Autoren an uniformistischen Ansätzen in der Ethnologie unseren Forschungsansatz der Untersuchung von subjektiver Erfahrung von Fremdheit auf einer individuellen Ebene. Mit Verweis auf KOHL (1998), KEESING (1987) sowie PELTO und PELTO (1975) soll im folgenden auf einen weitverbreiteten bias innerhalb der Ethnologie hingewiesen werden, nämlich die stillschweigende Annahme einer weitgehenden Homogenität indigener Kulturen.147 Davon aus145 146 147 Siehe Glossar zur Erklärung dieser Begriffe Es wurde allerdings auch auf bereits seit den 1970er Jahren etablierte Zugänge der USamerikanischen Cultural Anthropology zurückgegriffen. Indigen wird hier im Sinne kleiner, außereuropäischer Ethnien verstanden, denen die kulturelle Homogenität gemeinhin aufgrund (1) ihrer begrenzten demographischen Größe, (2) aufgrund ihrer kulturellen "Anderartigkeit" im Vergleich zu den - aus einer eurozentrischen Sichtweise heraus vertrauteren europäischen Kulturen unterstellt wird. Zur Definition des Begriffs indigene Völker vgl. MÜLLER (1999:184): "... engl. indigenous peoples, im Sprachgebrauch von UNO und Menschenrechtsorganisationen Bez. für Volksgruppen, die in ihrem angestammten Lebensraum eine 76 gehend, daß diese vermeintliche Homogenität keinesfalls vorhanden ist, kritisiert z.B. KOHL (1998) die traditionelle Bezugnahme auf einen Schlüsselinformanten in der ethnologischen Datenerhebung und kommt in einer kritischen Sicht von Feldforschung als vermeintlich "dialogischem Prozeß" zu dem Schluß, daß so viele Dialoge wie möglich mit so vielen Informanten wie möglich zu führen sind (EBD.:58). KEESING (1987) stellt grundsätzlich die Aufassung von Kultur als eines Systems von Bedeutungen148 in Frage und verweist darauf, daß diese Bedeutungen in einer spezifischen Kultur weder von allen allgemein geteilt werden, noch überhaupt öffentlich zugänglich sein müssen.149 Wenn von Kultur als Text150 die Rede sei, werfe das auch immer gleichzeitig die Frage auf, wie dieser Text von den Natives gelesen wird. 148 149 150 (von der eigewanderten nationalen Mehrheitsbevölkerung oft diskriminierte) Minderheit bilden"; sowie KRESSING (1994); KRESSING und JARNUSZAK (1994). „culture as a system of shared meaning“; vgl. GEERTZ (1964); ORTNER (1973). „need not to be shared and public“ - kulturelles Wissen ist nach KEESSING - auch in Stammesgesellschaften ohne oder mit nur schwach ausgeprägter Stratifizierung - keinesfalls immer „distributed and controlled“. Als Beispiel führt er die Kultur der melanesischen Kwaio (Salomonen) an, in der zwar ein egalitärer Wissenzugang gegeben ist, trotzdem aber nur wenige Spezialisten auch über dieses Wissen verfügen (KEESING 1987:162, 163). So sah er sich in seinen Feldforschungen mit zum Teil sehr verschiedenen und völlig widersprüchlichen Aussagen zum Zustand der Seele (bzw. verschiedener Seelen oder ihrer Aspekte) nach dem Tod konfroniert - z.T. auch durch denselben Informanten. Unter Ethnographie als Text ist ein Forschungsansatz zu verstehen, "der (aufbauend auf der Tatsache, daß Ethnographien im Dialog mit Vertretern der untersuchten Ethnie entstandene Texte sind) die auf fremd- und eigenkulturelle Erfahrung gerichteten literarischen Erzeugnisse des Ethnologen als Produkt, Produktion und Analyse von Kultur untersucht. [Ethnographie als Text] ... nimmt als Material die literarische Produktion einzelner Wissenschaftler und zielt auf eine Erkenntniskritik der Repräsentationen von Kultur durch erneute Kontextualisierung. Vorausgegangen war dem die Einsicht, daß Entstehungs- und Verarbeitungsprozesse ethnographischer Texte - von Ausnahmen abgesehen - nicht mehr nachvollziehbar sind. So versucht die klassische ethnographische Monographie, durch Anhäufung minutiöser Details den Eindruck einer den realen Verhältnissen entsprechenden Darstellung zu erwecken. Dabei hat sie (im Gegensatz zu den populären Veröffentlichungen des Forschers) den Ethnographen selbst und die Art seiner Datengewinnung unsichtbar gemacht" (CZERNIK und MÜLLER 1999:103). Auch mit Bezug auf die Diskurstheorie ist KEESING (ebd.) der Auffassung, daß diejenigen, welche Kultur durch Sprechereignisse "aushandeln", dabei keinesfalls immer die gleichen Bedeutungen im Sinne von shared meanings (GEERTZ 1964) teilen müssen; zur Defintion von Diskursanalyse vgl. ILLIUS (1999:81, 82): "... seit den [19]70er Jahren fächerübergreifender Ansatz v.a. der Soziologie und Ethnolinguistik. D. untersucht nicht Sprachen (abstrakte Systeme) bzw. Texte (statische Produkte), sondern authentische Sprechereignisse im kulturellen Kontext, also v.a. den dynamischen Diskurs, der auch non-verbale Elemente (einer 'Performance') enthält, als kulturspezifischen Konstruktions- und Interpretationsprozeß.- Nach dem diskursorientierten Kulturkonzept (Sherzer, Urban) ist der Diskurs als Kommunikationsprozeß (ähnlich Habermas) die wichtigste Manifestation und in seiner Realisierung sogar die wesentliche Konstituente von Kultur. Besonders im kunstvollen und spielerischen Diskurs (Poesie, Magie, sprachlicher Wettkampf, politische Rhetorik) werden sprachliche Mittel ebenso 77 Wie PELTO und PELTO bereits 1975 darlegten, entspringt ethnographische Forschung viel zu häufig einer Sichtweise, der zufolge in tribalen Kulturen die Kulturmuster (patterns)151 der Ältesten unwidersprochen übernommen werden und keine Individualität herrscht - es sei denn bei unangepaßten Individuen, sogenannten misfits. Die dahinterstehende, unausgesprochene assumption of homogeneity führt ihrer Meinung nach zur selektiven Datenauswertung und zur kulturellen Stereotypisierung.152 Damit kritisierten die Autoren gleichermaßen die uniformist orientation of most anthropological researchers (PELTO UND PELTO 1975:2)153 und den theoretischen Ansatz der "Modalpersönlichkeitsmuster" aus der culture and personaltyForschung.154 Die PELTOs wandten sich entschieden gegen die Idee des cultural pattern, stellten die Existenz gemeinsamer, verbindlicher Muster innerhalb einer Kultur (shared cultural patterns) grundsätzlich in Frage155 und kritisierten an diesem Ansatz, daß von rein kollektiven Kulturmustern unter völliger Vernachlässigung der individuellen Ebene und der intrakulturellen Varianz ausgegangen wird (vgl. KEESING 1987). Als Gründe für diesen von ihnen kritisierten Forschungs-bias nannten die PELTOs (1975): (1) ein weitverbreitetes Schubladendenken innerhalb der Ethnologie (2) das Weiterwirken quasi-"Rasse"-ähnlicher Kategorien 151 152 153 154 155 wie kulturelle Bedingtheiten und Symbole am weitesten ausgeschöpft. Hier wird das Wesen der Beziehung von Sprache und Kultur deutlich ..." Eine Schlüsselbegriff der US-amerikanischen Cultural Anthropology der 1930er Jahre; vgl. BENEDICT, Patterns of Culture (Boston 1934), dt. Kulturen primitiver Völker (Stuttgart 1949); Urformen der Kultur (Hamburg 1955), sowie der culture and personality-Forschung. Dieser Ansatz versuchte für bestimmte Kulturen (z.B. die der Pueblos im Südwesten der USA oder der Kultur der PlainsIndianer) bestimmte kulturelle Grundmuster herauszuarbeiten, welche z.B. mit Begriffen wie apollinisch oder dionysisch belegt wurden. Im Zweiten Weltkrieg wurde versucht, ihn einer praktische Verwertung zuzuführen; vgl. BENEDICTs The Chrysanthenum and the Sword (Boston 1946) als Versuch der Analyse der antagonistischen Wirkungsprinzipien der japanischen Kultur. Bias: "May be damaging or unfair"; vgl. PELTO und PELTO (1975:2,8, 9). Dieser ist bei der Beschreibung "einfacher" Gesellschaften ausgeprägter als bei der Erforschung komplexer Gesellschaften, jedoch auch beim Versuch einer generellen Charakterisierung bäuerlicher Gesellschaften zu finden (PELTO und PELTO 1975:4). Daß dieser Ansatz nicht aufrecht erhalten werden kann, wies schon WALLACE (1961) mit der Entdeckung einer grundlegenden "kognitiven Nonkonformität" bei den Tuscarora (eine der Sechs Nationen der Irokesen-Föderation) nach. PELTO und PELTO (1975:3). Als Beleg dafür wird die Six Cultures' Study von MINTURN und LAMBERT (1964) angeführt. kulturelle Abweichungen seien in "grenznaher Lage" zu benachbarten Ethnien oder Populationen der Normalfall, keinesfalls eine Ausnahme Als Beleg dienen hierzu dienen Untersuchung zur Varianz innerhalb der Navajo-Verwandtschaftsterminologie und zu deren flexibler Handhabung (PELTO und PELTO 1975:3). Dementsprechend reagieren auch die Angehörigen einer kulturellen Gemeinschaft auf Akkulturation und Modernisierung keinesfalls in uniformer Manier, wie auch Akkulturation keinesfalls alle gesellschaftlichen Schichten, Klassen oder Gruppen in gleichem Ausmaße erfassen muß (vgl. Kap. A.3.3.). 78 (3) der generelle Abstand zur westlichen Kultur, welcher sich bei der Untersuchung außereuropäischer Kulturen dergestalt bemerkbar macht, daß diese als homogene Einheit gesehen und nicht differenziert genug betrachtet werden (Exotisierung). (4) die traditionelle Bezugnahme auf einen Schlüsselinformanten, verbunden mit der "strong tendency among key informants to assume greater homogeneity than actually exists"156 (5) eine quasi-linguistische Sichtweise von "Kultur als Standard",157 (6) die Überbetonung der Konzepte "Kultur" und "Sozialsystem" gegenüber dem Individuum (7) die Scheu der Ethnologie vor quantitativen Daten und Statistik. Dieses Plädoyer für die Berücksichtigung interkultureller Diversität hat nach PELTO UND PELTO (1975) Implikationen für die Theorienentwicklung innerhalb der Ethnologie und die gewählten Forschungszugänge: z "Crop management, trading, building, and a great many other directly economic activities appear to be extremely variable intra-societally, partly because some individuals and small groups control much more of the available scare resources than do others." z Es besteht eine große Diskrepanz zwischen eigener Beschreibung (Auto-Ethnographie) der Befragten und ihrer tatsächlichen Performanz (EBD.:11) z Die Fokussierung auf intrakulturelle Diversität bedingt auch einen Fokus auf handelnde Individuen und kleine Gruppen.158 Das Individuum muß die Analyseeinheit darstellen, der Aspekt der shared culture werde viel zu sehr betont, dementsprechend plädieren die Autoren (PELTO UND PELTO 1972:15) für ein Konzept der individuellen Kulturen und für die Fokussierung auf die Einheit des Haushalts.159 Individuen müssen als individuelle Entscheidungsträger (BARTH 1967) und das Individuum als "Manipulator" (BOUSSEVAIN 1947) angesehen werden. 6.3. Die Datenbasis 156 157 158 159 PELTO und PELTO (1975:7); mit Verweis auf POGGIE (1972). Vgl. GOODENOUGH (1970: 99, 101): "... a people's culture is like a people's language ... [ethnographers should] make a regular practice of seeking out recognized local authorities and experts in order to use them as their principal sources of information." „Focus on intra-cultural diversity requires a focus on individual actors and small groups“. Dies ist keinesfalls als psychologischer Reduktionismus zu verstehen (EBD.), vielmehr müssen Aspekte des Mikrokosmos genauso wie der Makrokosmos berücksichtigt werden. Im Einklang mit GOODENOUGH (dessen uniformistischen Untersuchungsansatz sie zuvor kritisiert hatten) sehen die Autoren in Kultur “... the totality of individuals' expectations and conscious or unconscious ideas for behavior make up a general, diverse 'cultural pool” (vgl. GOODENOUGH 1971:42-45). Wie z.B. in ROBERTS (1951), Three Navajo Households. 79 Im Rahmen des Forschungsprojektes wurden auf insgesamt vier Reisen nach Ladakh bzw. Indien (November / Dezember 1998, Mai 1999, Oktober 1999, Mai 2000)160 Feldforschungsdaten erhoben, welche sich aus zwei Teilen zusammensetzen: (1) Es wurden insgesamt 121 Informationsgespräche161 mit 102 verschiedenen Personen beiderlei Geschlechts und verschiedener Altergruppen geführt (siehe Tabelle unten), 162 (2) Ergebnisse der eigenen teilnehmenden Beobachtung wurden für jeden Aufenthalt in Tagebüchern festgehalten. Liste der im Rahmen des Teilprojektes „Subjektive Frendheitserfahrung in Ladakh“ geführten Informationsgespräche Nr. ♂♂ ♀♀ Weitere Angaben I-1 m I-2 m I-3 t I-4 m I-5 m I-6 t I-7 t I-8 t I-9 t I-10 t I-11 m ♂♀ ♂ ♂ ♂ ♂ ♂ ♂ ♂ ♂ ♂ ♂ I-12 m ♂ I-13 t ♂ Restaurantbetreiber im Buddh Vihar, 40 Jahre Verwalter des Buddh Vihar, 45 Jahre Apotheker aus Basgo, 28 Jahre Apotheker aus Basgo, 28 Jahre Lama aus dem Gyurmed Guest House, 38 Jahre Apotheker aus Basgo, 28 Jahre Verwaltungsangestellter aus Tingmosgang, 35 Jahre Bauer aus Matho, 50 Jahre trekking guide aus Leh, 60 Jahre Doktor der buddhistischen Philosophie, 28 Jahre Vorsitzender der Himalayan Buddhist Cultural Association, 65 Jahre Sekretär der Himalayan Buddhist Cultural Association, 28 Jahre Vorsitzender der Ladakh Travel Association, 40 Jahre 160 161 162 1. Aufenthalt: 22.11.-24.12.1998; 2. Aufenthalt: 03.05.-03.06.1999; 3. Aufenthalt: 01.-30.10. 1999; 4. Aufenthalt: 07.05.-05.06. 2000. Die erste Reise im November / Dezember 1998 diente allein der Forschung im Ladakh Buddh Vihar im Norden Delhis. 92 Gespräche mit männlichen Gesprächspartnern, 29 Gespräche mit weiblichen Gesprächspartnerinnen. Kurze, anekdotenhafte Begegnungen sind dabei nicht mitgezählt Bei der Bezeichnung der Gespräche steht I für Informationsgespräch, IL für ein Informationsgespräch mit schamanischen Heilern oder Heilerinnen (lha pa oder lha mo), T für Tonbandaufnahme, m für ein als schriftliches Gedächtnisprotokoll festgehaltenes Gespräch. Transkribierte Gespräche sind durch Fettdruck hervorgehoben. Die folgenden Personen wurden nicht anonymisiert: Abdul Ghani Sheikh, Schriftsteller; Elijah Gergan, Schuldirektor der Moravian Mission School und Präsident der Christian Association of Ladakh, Leh; Dr. Janet Rizvi, ursprünglich au Schottland stammende Historikerin mit Wohnsitz in Gurgaon bei New Delhi; Ayu Lhamo alias Sabu Lhamo oder Abi Lhamo (Sonam Sangmo Kuldan), Schamanin in Sabu; Dr. Ngawang Tsering Shakspo, Leiter der Jammu and Kashmir Cultural Academy in Leh (und ebenfalls in Sabu ansässig). 80 I-14 m I-15 m ♂ ♂ I-16 m I-17 t ♂ ♂ I-18 t I-19 m I-20 m I-21 m I-22 t I-23 m I-24 m I-25 t I-26 t ♂ ♀ ♂ ♂ ♂ ♀ ♂ ♂ ♂ I-27 t I-28 t I-29 m I-30 t I -31t I-32 t I-33 t I-34 t I-35 t I-36 m ♂ ♂ ♂ ♂ ♂ ♂ ♂ ♂ ♂ ♂♂♂♀ I-37 t I-38 t I-39 m I-40 t I-41 t I-42 t I-44 t I-45 m I-46 t I-47 t I-48 t ♂ ♂ ♂ ♂ ♂ ♂ ♂ ♂ ♂ ♂ ♂ 163 in Sikkim geborener Exiltibeter, 24 Jahre Sohn von ladakhischen Restaurantbetreibern im Buddh Vihar, 21 Jahre amchi aus Nurla / Leh, 40 Jahre inzwischen verstorbener trekking guide aus Tingmogang, 55 Jahre Mönch aus dem Kloster Lamayuru, 25 Jahre Dr. Janet Rizvi, 55 Jahre niederländischer Reiseorganisator, 30 Jahre Geschwister aus Matho, 50 und 55 Jahre Mönch aus dem Kloster Lamayuru, 25 Jahre Deutsche, verheiratet mit einem Ladakhi, 38 Jahre Mönch aus dem Kloster Lamayuru, 25 Jahre onpo aus Saspol / Leh, 55 Jahre Vorsitzender der Himalayan Buddhist Cultural Association, 65 Jahre Manager des Buddh Vihar, 30 Jahre Filmemacher und Reiseveranstalter aus Leh, 45 Jahre Mönch aus dem Kloster Lamayuru, 25 Jahre trekking guide aus Khardong, 26 Jahre Lama bei den Ladakhi Scouts, 28 Jahre tibetischer Ladeninhaber im Buddh Vihar, 38 Jahre Bauer und Elektriker aus Phyang, 45 Jahre Filmemacher und Reiseveranstalter aus Leh, 45 Jahre Hotelbetreiber / ex-MLA163 aus Leh, 55 Jahre Filmemacher und Reiseveranstalter, 45 Jahre, Hotelbetreiber, 55 Jahre, Restaurantbetreiber im Buddh Vihar (Ehepaar), 40 Jahre Sohn der Restaurantbetreiber im Buddh Vihar, 21 Jahre trekking guide, 25 Jahre Doktor der Philosophie, 28 Jahre Manager des Buddh Vihar, 30 Jahre Verwalter des Buddh Vihar, 35 Jahre Restaurantbetreiber im Buddh Vihar, 40 Jahre indischer Ladeninhaber südlich des Buddh Vihar, 45 Jahre ladakhischer Ladeninhaber im Buddh Vihar, 35 Jahre Gärtner des Buddh Vihar, 50 Jahre Doktor der Philosophie, 28 Jahre Doktor der Philosophie, 28 Jahre MLA = Member of Legislative Assembly, Angehöriger des Parlamentes des Bundestaates Jammu und Kashmir. 81 I-49 t I-50 t ♂ ♂♂♀ I-51 m I-52 t I-53 m ♂ ♀ ♂♂♀ I-54 m IL-55 m I-56 t IL-57 t I-58 m IL-59 t I-60 m IL-61 t I-62 t I-64 t IL-65 t IL-66 t I-67 t I-68 m I-69 m IL-70 t I-71 m I-72 t I-73 t I-74 t I-75 t IL-76 t I-77 t IL-78 t IL-79 t IL-80 t I-81 t I-82 t I-83 t I-84 t I-85 t I-86 t I-87 m I-88 m ♂ ♀ ♂ ♀ ♂ ♀ ♂ ♀ ♂ ♂ ♀ ♀ ♂ ♂ ♂ ♀ ♂ ♂ ♂ ♂ ♀ ♂ ♂ ♂ ♀ ♂ ♂ ♀ ♂ ♂ ♂ ♂ ♂ ♂ tibetischer Professor an einer Universität in New Delhi, 55 Jahre Pilger / Familie eines Schneiders aus Mangyu: Großvater (60 Jahre), Sohn (35 Jahre), Schwiegertochter (28 Jahre) Filmemacher und Reiseveranstalter aus Leh, 45 Jahre tibetische Schuhverkäuferin im Buddh Vihar, 35 Jahre Pilger / Familie eines Schneiders aus Mangyu: Großvater (60 Jahre), Sohn (35 Jahre), Schwiegertochter (28 Jahre) Ngawang Tsering Shakspo, Cultural Academy in Leh, 48 Jahre Au Lahm in Abu, 70 Jahre Bauernsohn und eh. Stipendiat der Moravier, 25 Jahre Jungschamanin aus Khardong, 24 Jahre Reverend Elijah Gergan, 50 Jahre lha mo in Leh, 42 Jahre amchi aus Nurla / Leh lha mo in Leh, 50 Jahre Reiseveranstalter und Abgeordneter aus Nubra, 52 Jahre Universitätsstipendiat in Delhi, 28 Jahre lha mo in Thiksey, 42 Jahre lha mo in Thiksey, 45 Jahre guest house-Betreiber in Leh, 40 Jahre Vorsitzender der Ladakh Travel Association, 40 Jahre Tour operator, 28 Jahre lha mo in der New Housing Colony, Leh, 45 Jahre uighurisch-stämmiger telephon operator in Leh, 26 Jahre Abdul Ghani Sheikh, Leh, 70 Jahre Student am CIBS, Choglamsar, 24 Jahre Astrologe in Dharamsala, 35 Jahre Bäuerin aus Sumur in Khardong, 25 Jahre alt lha pha in Khardong, 60 Jahre Mönch im Kloster Sumur, 35 Jahre lha ha in Diskit, 70 Jahre lha mo in Diskit, 50 Jahre lha pa in Hundar, 70 Jahre Mönch in der Diskit Gonpa, 38 Jahre Bäuerin in Rongjuk / Nubra, 65 Jahre Bauer und Elektriker in Phyang, 45 Jahre Mönch im Kloster Spituk, 32 Jahre eh. CIBS-Dozent in Choglamsar, 55 Jahre Mönch in Choglamsar, 23 Jahre Ngawang Tsering Shakspo, Cultural Academy, 48 Jahre tour operator, 24 Jahre 82 I-89 m I-90 t I-91 t I-92 m I-93 m I-94 t IL-95 m I- 96 t IL-97 t IL-98 t I-99 t IL-100 t I-101 m I-102 m I-103 t IL-103 t I-104 t I-105 t IL-106 t I-107 m I-108 t I-109 t I-110 t IL-111 t IL-112 t I-113 t I-114 t I-115 t I-116 t ♂ ♂ ♂ ♂ ♂ ♂ ♀ ♂ ♀ ♀ ♂ ♀♀♀♀♀ ♂ ♂ ♂ ♂ ♀ ♂ ♀ ♂ ♂ ♂ ♂ ♂ ♂ ♂ ♂ ♂ ♂ I-117 t I-118 t I-119 t I-120 t I-121 t ♂ ♂ ♀ ♂ ♂ amchi aus Nurla, 40 Jahre Mönch im Kloster Thagthog, 37 Jahre Mönch im Kloster Likhir, 28 Jahre US-amerikanischer Tibetologe im Kloster Likhir, 32 Jahre imam der Jami Masjid in Leh, 45 Jahre Verwaltungsangestellter aus Thiksey, 40 Jahre lha mo in Thiksey, 45 Jahre thangka-Maler und Kunsterzieher in Choglamsar, 60 Jahre lha mo in Choglamsar, 32 Jahre lha mo in Choglamsar, 55 Jahre Doktorand aus Delhi, 26 Jahre 5 lha mos in Choglamsar, 32-55 Jahre guest house-Betreiber in Leh, 32 Jahre tour operator, 24 Jahre Student am CIBS, Choglamsar, 24 Jahre lha pa in Diskit, 40 Jahre Bäuerin und Ehefrau eines lha pa in Hundar, 50 Jahre Agronom in der Animal Husbandry Station, Diskit, 28 Jahre lha mo und Ladenbesitzerin in Diskit, 50 Jahre Direktor der Lambdon School in Diskit, 30 Jahre Ladenbesitzer in Diskit, 27 Jahre Mönch und Lehrer im Kloster Diskit, 25 Jahre Mönch und Lehrer im Kloster Sumur, 27 Jahre lha pa und Bauer in Hundar, 70 Jahre lha pa in Diskit, 40 Jahre Doktorand in Delhi, 28 Jahre Stipendiat in Delhi, 24 Jahre Schuldirektor von Khardong, 31 Jahre Bauer und pensionierter Schullehrer in Khardong, 70 Jahre lha pa in Khardong, 60 Jahre tour operator in Leh, 26 Jahre Bäuerin in Thiksey, 22 Jahre Agronom in Thiksey, 32 Jahre Reverend Elija S. Gergan, 50 Jahre Von den 121 Gesprächen wurden neunzig auf Tonband aufgenommen,164 von diesen wiederum 41 vollständig transkribiert.165 Die Informationsgespräche wurden in Abhängigkeit von 164 Siebzig Bandaufnahmen mit männlichen Gesprächspartnern, zwanzig mit weiblichen Gesprächspartnerinnen. 83 den Sprachkenntnissen der Gesprächspartner auf Englisch (68 Gespräche),166 Deutsch (ein Gespräch), Ladakhi (49 Gespräche),167 Hindi (zwei Gespräche) und Tibetisch (ein Gespräch) geführt.168 Für die Verständigung in den genannten Sprachen außer Englisch wurden phasenweise drei verschiedene Übersetzer (sämtlich Ladakhis mit Kenntnissen in Englisch, Tibetisch [2 der Übersetzer] und Hindi / Urdu) zu Rate gezogen. Verteilung der Informationsgespräche, Bandaufnahmen und Transkriptionen nach Sprache Informationsgespräche insgesamt Sprache männlich weiblich n= Englisch Deutsch Ladakhi Hindi Tibetisch 62 (91%)169 (9%) (45%) 68 1 49 2 1 (100%) (55%) 6 1 22 27 2 1 Summe 92 (76%) 29 (24%) 121 (100%) (100%) - davon auf Band aufgenommen 165 24 Transkriptionen von Narratives männlicher Gesprächspartner (21 aus dem Ladakhi, zwei aus dem Hindi, und eine aus dem Englischen), 17 Transkriptionen von Gesprächen mit Frauen (sämtlich auf Ladakhi). 166 Davon 62 Gespräche mit männlichen Gesprächspartnern und sechs mit weiblichen Gesprächspartnerinnen 167 27 Gespräche männlich, 22 Gespräche weiblich. 168 In Hindi und Tibetisch jeweils auschließlich mit Männern. 169 Prozentangaben jeweils auf ganze Zahlen gerundet 84 Sprache männlich weiblich n= Englisch Ladakhi Hindi Tibetisch 40 27 2 1 (95%) (60%) 2 18 (5%) (40%) 42 45 2 1 (100%) (100 %) Summe 70 (78%) 20 (22%) 90 (100 %) - davon transkribiert Sprache männlich weiblich n= Englisch Ladakhi Hindi 1 21 2 (51%) 17 (42%) 1 38 2 (93%) Summe 24 (58%) 17 (42%) 41 (100%) Es wurde somit versucht, das Übergewicht männlicher Gesprächspartner im sample der Informationsgespräche170 durch die Auswahl einer verhältnismäßig größeren Zahl von Informationsgesprächen mit Frauen bei der Transkription auszugleichen, um spezifisch weiblichen Gesichtspunkten größeren Raum zu geben. Über die Verteilung der Gesprächspartner nach Geschlecht, Alter und Ethnizität gibt die folgende Tabelle Aufschluß, in der bezüglich der Ethnizität der Gesprächspartner folgende Kate- 170 Bedingt dadurch, daß die hier dokumentierten Informationsgespräche sämtlich durch den männlichen Mitarbeiter Frank Kressing geführt wurden, der entsprechend den Rollenmustern der traditionellen Gesellschaft in Ladakh leichter Zugang zu ebenfalls männlichen Gesprächspartnern fand. 85 gorien unterschieden wurden: buddhistische Ladakhis (nang-pa),171 moslemische Ladakhis bzw. Argons,172 christliche Ladakhis,173 (Exil-)Tibeter, "Inder"174 und "Westler".175 Überblick über die Informationsgespräche, aufgeschlüsselt nach Geschlecht, Alter,176 Ethnizität und Religionszugehörigkeit männlich weiblich Summe: n = buddhistische Ladakhis 78 (64%) 26 (21%) 104 (85%) davon 20-30 Jahre 28 (23%) 5 (4%) 33 (27%) 30-40 Jahre 19 (16%) 5 (4%) 24 (20%) 40-50 Jahre 15 (12%) 10 (8%) 25 (20%) über 50 Jahre 16 (13%) 6 (5%) 22 (18%) moslemische Ladakhis 3 (2%)177 3 (3%) christliche Ladakhis 1 (1%) 1 (1%) Tibeter 5 (4%) 6 (5%) 171 172 173 174 175 176 177 1 (1%) Eigentlich insider (im Gegensatz zu phyi-pa, gesprochen [chipa]: outsider); im Tibetischen und Ladakhi Bezeichnung für Angehörige des buddhistischen Glaubens; im ladakhischen Kontext gewöhnlich auf Buddhisten (in Abgrenzung zu moslemischen Ladakhis) angewandt; kann sich aber auch auf Ladakhis insgesamt (Abgrenzung gegenüber Indern und Westlern) oder sogar auf indische Staatsangehörige insgesamt (etwa in Abgrenzung zu Pakistanis) beziehen, vgl. HAMID (1998:169): "phyipa / chhipa non-Buddhist." Eine weitere Quelle sind ausführliche Diskusionen mit den ladakhischen Projektmitarbeiter Ngawang Namgyal "Sundar" und dem Mönch Thinley Gyurmet. Mischbevölkerung, welche aus der Heirat moslemischer Händler, vornehmlich Uighuren aus OstTurkestan (chinesisch Xinjiang Uigur), mit Ladakhi-Frauen hervorgegangen ist und bislang (2001) noch keinen Tribal Status genießt, vgl. BEEK (1997:21-41), RIZVI (1996:104, 131, 211, 212, 214). Lediglich zwei Gespräche mit Reverend Elijah, Gergan, Direktor der Moravian Mission School und Präsident der Christian Association of Ladakh. Pauschal für Bewohner des indischen Flachlandes oder von dort stammende Personen, auf Ladakhi gya kar pa (von gya kar: Indien, vgl. NORMAN 1994:17) genannt. Pauschal für Europäer und Anglo-Amerikaner gemäß den Ladakhi-Ausdrücken ang gres pa (Engländer), go-ser (Gelbkopf, im Sinne von "Blondschopf"), tu-ris (vgl. NORMAN ebd.: "All [whitish] foreigners can be called English, yellow-head, or tourist - regardless of nationality, hair-color or our purpose in Ladakh"), phyi-rgyal-pa (vgl. NORMAN 1994:18: "chhi-gyalpa / ma foreigner, male/female. The proper term ...") - Im einzelnen handelt es sich um eine britisch-stämmige Historikerin, einen Niederländer, eine mit einem Ladakhi verheiratete Deutsche und einen USamerikanischen Tibetologen. Lediglich bei buddhistischen Ladakhis als der für das Projekt wichtigsten Bezugsgruppe. Der exakte Wert ist 2,479%, gerundet also im Grenzbereich von 2 und 3%. 86 Inder 3 (3%) Westler 2 (2%) Summe 92 (76%) 3 (3%) 2 (2%) 4 (3%) 29 (24%) 121 (100%) Die Gesprächspartner verteilen sich auf folgende Berufe bzw. Betätigungsfelder:178 Berufe bzw. Betätigungsfelder der Gesprächspartner Betätigungsfeld männlich weiblich Summe n = Landwirtschaft179 6 (5%) 20 (16%) 26 (21%) Handwerk 6 (5%) 2 (2%) 8 (7%) Handel und Gewerbe180 8 (7%) 5 (4%) 13 (11%) Tourismus181 18 (15%) Schule und Hochschule182 17 (14%) Angestellte184 13 (11%) Medizinischer Bereich185 6 (5%) Geistliche187 18 (15%) 178 179 180 181 182 183 184 185 186 18 (15%) 1183 (1%) 18 (15%) 13 (11%) 1186 (1%) 7 (6%) 18 (15%) Eine eindeutige Zuordnung ist dabei nicht immer möglich: Viele Personen üben verschiedene Berufe gleichzeitig aus bzw. betätigen sich in verschiedenen "ökonomischen Nischen", so z.B. ein Angestellter des Landwirtschaftsamtes (Animal Husbandry), der sich gleichzeitig mit einem eigenen kleinen Lastwagen gewerbnliche Transporte durchführt, oder die vielen GuesthouseBesitzer, die nebenher auch weiterhin Landwirtschaft betreiben. Personen, die sich ausschließlich als Bauer oder Bäuerin betätigen Restaurant- und Ladenbesitzer bzw. Betreiber, Transportunternehmer Z.B. Personen, die ihren Lebensunterhalt im trekking business, als tour operators, guest houseBetreiber, oder auch für als Mitarbeiter von Dokumentarfilmern und Fernsehanstalten verdienen. Diese Kategoerie umfaßt Schulehrer, Dozenten am Central Institute of Buddhist Studies (CIBS) in Choglamsar oder an der Cultural Academy in Leh sowie Studierende, Stipendiaten und Doktoranden in Delhi und anderen Städten des indischen Tieflandes sowie Schriftsteller. Dr. Janet RIZVI. Inklusiv Sekretäre und "Manager" der staatlichen Verwaltung (etwa beim Hill Council oder im Animal Husbandry Department) wie auch privater und nicht-regierungsgebundener Organisationen. Allopathische Ärzte, Ärzte der traditionellen tibetischen Medizin (amchis) und Apotheker. Eine deutsche Krankenpflegerin. 87 Summe 92 (76%) 29 (24%) 121 (100%) Auffällig ist, daß Frauen innerhalb des samples in der Tourismus-Branche, im Bereich der formellen Bildung, als Angestellte öffentlicher Institutionen, im Gesundheitswesen und im Klerus aller drei erfaßten Konfessionen überhaupt nicht vertreten sind - die einzigen beiden in diesem Bereich vorkommenden Frauen sind westliche Ausländerinnen. 6.4. Die Auswertung der Daten Die zur Transkription ausgewählten Informationsgespräche wurden nach einem dreistufigen Schema mit Hilfe von vier einheimischen Mitarbeitern aus Ladakh transkribiert: (1) Grobtranskription in englischer Übersetzung (2) verfeinerter Transkription ausgewählter Textpassagen mit wortgetreuer Übersetzung von Schlüsselbegriffen (Ladakhi - Englisch) (3) eingehende Transkription besonders zentraler Gesprächspassagen nach folgendem Schema: (i) wortwörtliche Transkription in tibetischer Schrift (Bod-yig) (ii) Transliteration in Latinschrift188 (iii) eine Interlinearübersetzung (Wort für Wort) (iv) Formulierung einer Übersetzung gemäß englischer Grammatik und Syntax Anbei sei ein Muster solch einer Transkription gegeben:189 [Frage] So first I would like to thank you, Ngawang,190 that you agreed to have this conversation with me. The topic of my research are the changes that occurred in Ladakh, how people here perceive these changes, and how they deal with them. [Übers.] de ne khong nge nye rang nga yi ka spe ra kha cig mol ces poa thug rje che mo la rag. so he to you here few words for speaking thank you says 187 188 189 190 Buddhistische Mönche, islamische Geistliche (der Imam der Jama Masjid / Freitags-Moschee in Leh) und christliche Pastoren (der Reverend der Gemeinde der Mährischen Brüder) sowie Astrologen / ongpos (siehe Glossar; I-25, I-74). Soweit vom Kenntnisstand der Transkriptmitarbeiter her möglich gemäß WYLIE (1959). Allerdings galt es häufig auch dialektale Varianten des Ladakhi zu berücksichtigen, welche sich nicht in die etablierten Regeln der tibetischen Orthographie einfügen. I-84, Informationsgespräch mit einem Mönch im Kloster Spituk im Indus-Tal. Auf die Wiedergabe der tibetischen Schrift (Bod-yig) mußte aus drucktechnischen Gründen leider verzichtet werden. Pseudonym. 88 So he says 'thank you' for speaking a few words with him, ya le de ne khong nge yi zug to pig po khyer de nang nga dang nge ladags se ka right so his this topic is our on Ladakh right? So, his topic is on our Ladakh. dags sa tshug pa tsam shig rgyur zha sleb mang chea khyer de nang to ri zam de kun ne ka na now until how many changes occurred mostly from tourism etc. concerning the changes that occurred until now, mostly from tourism etc., ha la de ba‘i skor la dri ces yin mo la rag de ne de phia khong nge nye rang nga right about that will ask says so for that he to you right? He will ask about that, and therefore he says spe ra kha cig drin mo la rag. few words says he will ask a few words from you. [Antwort] nye rang yi ka skyod ces po'a thug rje che ze rang nge phyogs na you here for coming thanks say my side from. Say 'thank you' for coming from my side. [Üb.] He also thanks you for coming. [Frage/Erwiderung] Yes, for what? First of all, I would like to ask you: where are you from? And perhaps, could you describe what your childhood was like? [Üb.] de ne go ma da kho'ai de bo dri'a rag ya le nye rangde ne ka yul na so first of all he that asked right you so which village So first of all he asked from which village are you. zhugs de yin de ne nye rang chun sa na de ne ka zugs shig 'dug pin ha la le yul bo belong to so you when child so like what it was right the village and what it was like when you were a child, right? nga yin na glea skyes khan yin dgon pa bi lej la de ne nga I here in Leh was born in village called gonpa so I I was born in Gonpa Village in Leh itself. yi gcig stong dgub rgya drug bcu rab zhi nang nga skyes tog de sa ne that is one thousand nine hundred sixty four in was born at that time It was in 1964 that I was born, at that time dag se gnas dang bo na de gnas dang bo co na ma ne sa dang rnam me khyad par 'dug 89 present the situation that situation if compare very earth and sky differences are there If we compare the present situation with the situation at that time, it is like the difference between sky and earth. [Üb.] So I am from Leh itself, there is a small village called Gonpa just above Sankar, and I am from there. I was born in 1964. If we compare the situation at that time and now, there is very big difference. Diese aufwendige Transkriptionsweise dient dazu, die Ladakhi-Gesprächspartner gemäß den Anforderungen der "Sprechenden Anthropologie" auch tatsächlich zu Wort kommen zu lassen, dementsprechend werden ihre Äußerungen in den zentralen Redespassagen in all ihrer Ausführlichkeit, Redundanz, in der für Westler oft umständlich wirkenden Höflichkeit und gegebenenfalls auch ihrer Widersprüchlichkeit wiedergegeben. Darüber hinaus ermöglicht diese wortwörtliche Wiedergabe die Kontrolle des Übersetzungsvorgangs. Natürlich konnte diese aufwendige Transkriptionsweise nicht gleichermaßen auf alle 41 transkribierten Gespräche angewandt werden, so daß eine Auswahl der relevantestesten Textpassagen getroffen werden mußte. Dazu wurde in den zunächst grob transkribierten narratives (rein englisch Übersetzung gemäß Schritt [1]; s.o.) nach Hinweisen auf erfahrene Fremdheitslast,191 aber auch Bereicherungen des Lebens und Verbesserungen der Lebensverhältnisse durch Außeneinflüsse, und nach Hinweisen auf vermutete und tatsächliche Fremdheitslösungen gesucht. Weitere Kriterien bei der Auswahl von Textpassagen zur detaillierten Transkription waren die Quantität entsprechender Zustandsbeschreibungen und Aussagen (wie oft werden diese innerhalb eines narratives und im sample getroffen?) und das Qualitätskriterium: Welche Bandbreite an Aussagen ist überhaupt vorhanden, welche Akzentuierungen und auch Widersprüche gibt es? Bei der Darstellung ausführlicher Transkripte im Ergebniskapitel wurde aus Gründen der Übersichtlichkeit auf die Wiedergabe der Interlinearübersetzung (Zeile [iii]) verzichtet. Weiterhin wurden viele englische Ausdrücke, welche entweder in den Interviews selbst von 191 Und zwar differenziert nach (i) Indien, (ii) Kashmir und Moslems allgemein, (iii) der Westen (in Form des Tourismus). An dieser Stelle sei gleich angemerkt, daß viele Ladakhis nicht eindeutig zwischen ladakhischen Moslems (Baltis, Purigpas) und Moslems aus dem Kashmir-Tal oder anderen Regionen Indiens unterscheiden: Der Ausdruck für Moslem im allgemeinen lautet im Ladakhi kha ce oder kha che (HAMID 1998:19), der Ausdruck für Kashmiri kha chul pa (EBD., NORMAN 1994:17), beides wird jedoch im alltäglichen Sprachgebrauch häufig synonym verwandt (kha che für Kashmiri, vgl. HAMID 1998:19). Hinzu kommt, daß die Dichotomie von Buddhist (= nang pa) und Moslem (kha che, kha chul pa) zusätzlich von der Dichotomie nang pa (insider) versus phi pa (outsider) durchkreuzt wird - letzteres wird gegelegentlich nicht allein für Fremde aus "dem Westen", sondern auch für Moslems (vgl. DERS.:169), Inder aus dem Flachland oder outsider jeder Art (inklusive Pakistanis!) verwandt. 90 Ladakhi-Sprechern als Lehnworte oder aber vom Übersetzer verwandt wurden, auch im deutschen Text so belassen. Sie sind jeweils in den narratives durch Hochstellung gekennzeichnet. Auf die Wiedergabe der tibetischen Schrift (Bod-yig) mußte aus drucktechnischen Gründen leider verzichtet werden. Es war notwendig, bei der Übersetzung von Interviewpassagen manchmal Worte hinzuzufügen. Diese Einfügungen sind jeweils durch eckige Klammern [ ] gekennzeichnet. Zum Teil war es notwendig, die Äußerungen vorsichtig zu redigieren, um überhaupt lesbares Englisch zu erhalten. Dabei wurde versucht, allzu große Eingriffe in den Sprachstil der Gesprächspartner zu vermeiden. 6.5. Die regionale Verteilung der Gespräche Die Region Ladakh läßt sich in vier Unterregionen aufteilen: (1) Unter-Ladakh (Sham) ab Basgo Indus-abwärts, (2) Ober-Ladakh (Stod) mit dem Hauptort Leh ab Nimmu und Phyang Indus-aufwärts, (3) die hauptsächlich von Nomaden bewohnte Hochebene des Changthang am Oberlauf des Indus bis zur tibetischen / chinesischen Grenze und (4) das jenseits der Ladakh-Kette zwischen Himalaya und Karakorum gelegene Nubra-Tal, welches über den Khardong-la192 erreichbar ist. Da ungefähr ein Fünftel meiner Informationsgespräche193 entweder mit Bewohnern des Nubra-Tales oder mit Menschen, die von dort stammen, geführt wurde, wurde eine Raumskizze des Nubra-Tales angefügt. 7. Übersicht über die Ergebnisdarstellung Im folgenden Ergebniskapitel wird die Fremdheitserfahrung in Ladakh zunächst am Beispiel einer Fallstudie dargestellt, bevor ich jeweils einzelne Aspekte dieser Erfahrung anhand des empirischen Materials diskutiere. Das Fallbeispiel soll verdeutlichen, wie eng diese verschiedenen Aspekte der Fremdheitserfahrung miteinander verwoben sind, und daß sie in der Perzeption der Ladakhis keinesfalls säuberlich voneinander getrennt werden. Zur Diskussion der verschiedenen Aspekte von Fremdheitserfahrung wird in einer informantenspezifische Analyse der Aussagen ermittelt, wie diese das Bild der Vergangenheit schildern - zwischen den Polen von Sehnsucht und Romantisierung einerseits und der Abgrenzung 192 193 Über den die höchstgelegene Paßstraße der Welt führt. Insgesamt 28 Gespräche (= 23% aller Gespräche, nämlich I-30, IL-57, I- 62, I-73, I-75 t, IL-76, I77, IL-78, IL-79, IL-80, I-81, I-99, I-103, IL-103, I-104, I-105, IL-106, I-107, I-108, I-109 t, I-110, IL-111, IL-112, I-113, I-114, I-115, I-116, I-117), davon 23 mit männlichen Gesprächspartnern (82% bzw. 19% aller Gespräche) und fünf mit weiblichen Gesprächspartnerinnen (18% / 4%). 91 von der Last des einfachen Lebens, den Unbilden und der Mühsal in den "alten Zeiten" andererseits - und welche "Theorien" zu Verlust und Änderung die Informanten selbst entwickeln. Die Aussagen der Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner werden dann in einem zweiten Schritt mit Studien über das "alte Ladakh" konfrontiert. Anschließend wird das Bild der neuen Gegenwart zwischen Ablehnung und Annahme ermittelt, spezifiziert nach Einflüssen des indischen Tieflandes und der Armee, des moslemischen Kashmirs (sowohl des Islam allgemein als auch der Regierung von Jammu und Kashmir) sowie des "Westens". Ausgehend von den Hinweisen auf subjektive Belastungen (Streß), untersuchen wir schließlich diejenigen Strategien der Fremdheitsbewältigung, welche nach Aussage der Informanten von ihnen selbst verfolgt werden. Auch wenn in unserem Forschungsprojekt ganz dezidiert ein qualitativer Zugang verfolgt wurde (vgl. Kap. A.3. und 5.), lag es dennoch nahe, übereinstimmend von mehreren Gesprächspartnern und -partnerinnen getroffene Aussagen einer vorsichtigen Quantifizierung zu unterziehen, um die relative Verbreitung innerhalb des samples einschätzen zu können. Dazu wurde folgende Kodifizierung von Begriffen gewählt: "die allermeisten" "die meisten" "überwiegend", "mehrheitlich" "eine beträchtliche Anzahl" "wenige" 90-100% der Aussagen 70-90% " 50-70% " 30-50% " < 30% " 92 B. ERGEBNISSE 1. Die Perzeption von Fremdheitseinflüssen in den narratives der Ladakhi-Gesprächspartner – ein Beispiel Als Beispiel für die narratives von Ladakhis seien hier Äußerungen aus den Informationsgesprächen mit einem 45-jährigen Bauern und Elektriker aus dem Dorf Phyang (westlich von Leh) wiedergegeben. Mit diesem Forschungspartner wurden insgesamt vier ausführliche Informationsgespräche im November und Dezember 1998 sowie im Mai und Oktober 1999 (I23, I-33, I-69, I-83) anläßlich verschiedener Treffen im Buddh Vihar in Delhi, in Leh und Choglamsar sowie anläßlich verschiedener Besuche in seinem Heimatdorf geführt, bei denen mein einheimischer Mitarbeiter Sonam Wangchok Khardongpa und ich sehr zuvorkommend bewirtet und zur Übernachtung eingeladen wurden. Anhand der verschiedenen mit Dorje1 geführten Informationsgespräche soll im folgenden die Wahrnehmung der verschiedenen Fremdheitseinflüsse in Ladakh exemplarisch abgeklopft werden. Dorje bewohnt mit seinen Eltern, um die er sich kümmert, seiner Frau und drei Kindern (eine Tochter, zwei Söhne) ein khang bu2 in Phyang und erwägt, eines seiner Kinder zur Ausbildung nach Delhi zu schicken. Er hat sechs überlebende Schwestern, von denen alle verheiratet sind - seine älteste Schwester bewohnt in einer mag pa-Ehe das khang chen3 (I-33), eine andere arbeitet im Institut for Buddhist Studies in Choglamsar als Bibliothekarin (I-69). Er zeichnet ein idealisiertes Bild der Vergangenheit: Früher waren die Leute von Herzen gut, aufrichtig und klug: Ladakhi people used to be very pure (zang-po) and straight (trang-po). Other people used to say and used to think that Ladakhis do not know anything. But Ladakhi people were used to be very thoughtful (sam-pa-can) and very good, very pure (zang-po). But nowadays it is changing. In the places where there is a development (rgyur-zha), there has to be also development (rgyur-zha) - automatically.4 Früher gab es keine Fertigwaren, keine Einrichtungen (facilities) für die Menschen - alles mußte selbst hergestellt werden; Schulbildung gab es nur in den Klöstern. Die Leute waren mit dem zufrieden, was sie hatten - es gab kein Verlangen nach Autos, gut ausgestatteten Häusern, gut bezahlten Posten - alles war von der Landwirtschaft abhängig: 1 Pseudonym. Der Kontakt zu diesem Forschungspartner wurde auch im Jahr 2001 noch brieflich aufrecht erhalten. 2 Das "kleine Haus", der Altenteil. 3 Das "große Haus" - Hauptgebäude in einem Ladakhi-Gehöft und Stammsitz der Familie. 4 Englische Ausdrücke, welche als Lehnworte im Ladakhi verwandt werden, sind durch Hochstellung gekennzeichnet. 93 When I was young, facilities were very limited, there was not much of facilities. Everything was self-made - like spinning, weaving. If you wanted to go to school, there was no good schools, the monks used to teach the children. They did not have any desire for cars, bungalow, high positions in the government. Within the limitation, they used to stay. There was a lot of agriculture - everything was based on agriculture. Die inzwischen eingetretenen Veränderungen werden in durchaus differenzierter Weise wahrgenommen: Wesentliche Veränderungen spielten sich eigentlich nur in der Stadt ab - das ländliche Ladakh sei so geblieben wie zuvor: There are not much changes, if we take the whole of Ladakh. There is not much change in the villages, it is the same as it used to be before. There is not much development, there is no road, no electricity, it is the same as before how people use to come with donkeys, loaded with wood, and still they do the same. How people used to walk, loaded, still they are walking in the same way. In Stadtnähe habe jedoch eine tiefgreifende mentale Veränderungen der Bevölkerung eingesetzt: Zeitorientierung und die Notwendigkeit der Planung führten zu mentalen Spannungen (Streß): Now, if we take the central area - in the central area people automatically have to run. For instance, a person who is doing a government job, he has to run for his job, for his attendance. As soon as it is four o'clock, he has to run to his house. For such people, the tension always remains. A person who is doing a business, he has to run to his shop to open it, then he has to sell things and later he has to maintain the account. Then he has to think about bringing more things to his shop. So the tension, isn't it automatically there? Früher seien die Leute nicht diesen Spannungen ausgesetzt gewesen, ihre Gedanken und Erwägungen seien nicht über die Befriedigung der alltäglichen Bedürfnisse und die Religion hinausgegangen: In ancient times, the people neither needed to do business nor did they have a job. So they did not have any tension, they only had to think of their stomach and to do practice religion, and about clothing which was produced by themselves by spinning and weaving, making shoes if they needed them for their children. They only had these desires (dod-pa), like to make a shoe for their children, spinning their gon-ces - like that, except the thinking of their own household, automatically they did not have much bigger thinking (sam-pa). Die "Moderne" habe zwei Seiten: zum einen bringe sie materiellen Wohlstand und Annehmlichkeiten, zum anderen nehme die Unruhe des Geistes und das Verlangen nach materiellen Dingen zu: 94 There is two kinds of people: for example, those who are living in the city, they have a good income, and good to eat and drink, they are quite mobile also, they have good facilities, but their minds are very busy - like I have to go to Chandigarh, I have to go to Delhi, I have to reach here, I have to reach there, I have to talk to these people, I have to talk to those people. But they have a good income, good to drink and eat, but their desire (dod-pa) is more and more increasing. With that, the tension also increases. Die Dorfbewohner lebten einfach und friedvoll, könnten sich viele Dinge aber auch nicht leisten: For the village people, they have only one worry: how would be the harvest. For the villagers, they have self-produced things, but for them, it is difficult to buy some eatable and drinkable things with cash instantly from the bazaar. For them, it is not possible, because they stay in a peaceful way. Die Stadtbewohner hingegen hätten materielle Güter und Wohlstand, aber keinen Seelenfrieden, während die Dorfbewohner materiell arm, aber reich im Bewußtsein seien: The city people's outlook is very good with all luxury life but they do not have a peaceful mind (sem-pa skyid-po). And to the village people, the outlook is poor, but mentally they are very rich (sem-pa ma-chug-po yod-de yin-nog). Nach persönlichen Spannungen befragt, antwortete Dorje, das menschliche Verlangen sei niemals befriedigt, man solle sich mit seiner gegenwärtigen Position und seinem kulturellen Standard zufrieden geben. Ein Vergleich der eigenen Lebensumstände mit denen der Stadtbewohner sei nutzlos, wichtig sei allein der eigene Seelenfrieden und die Zufriedenheit mit begrenzten Ressourcen: If we compare Leh to Delhi, Leh is nothing, and if we compare Bombay, Delhi is nothing, and than Bombay is nothing when we compare it with Europe. Everybody has to live on his own level, and if we start running at the level of Delhi people, we will reach nowhere. Everybody has to stay on his own level. The human being's desire is never finished. So I am a tourist now, if I want to become a Delhiwalla,5 I will not succeed ... If I compare with the city people, I will reach nowhere. According to my limitations, I am happy, though I do not have much income, but my mind is very peaceful (sem-pa skyid-po), because I got time to pray, I can visit monasteries, and within this limitation, I am totally satisfied. I have to stay practicing religion (chos cho-yin-dug-ces) and accumulating mane6 (ma-ne to-nen dugces). We do not have that much to do in winter. I keep myself satisfied. 5 Hindi für Stadtbewohner von Delhi. 6 Siehe Glossar. 95 Hier sei angemerkt, daß Dorje zum Zeitpunkt dieses Gesprächs gerade von einer Pilgerfahrt zurückkehrte, so daß wir es mit einem Hinweis auf die religiös begründete Motivation zum Pilgern zu tu haben. Die eigene Erfahrung mit Spannung und Streß im Alltagsleben sei in seinem Fall begrenzt - Streß sei unvermeidlich und diene in seinem Fall der Versorgung der Familie und seinem eigenen Glück: I have tension when I am working but there is no option - It is necessary to run my family. My tension is limited. The money I get I utilize for my family. From that money all of my family members are so happy. Since they are happy, I also become happy. Bei der Feldarbeit versucht Dorje soweit wie möglich dörfliche Solidarbeziehungen aufrecht zu erhalten und die Beschäftigung von coolies7 zu verhindern, wobei er betont, daß diese traditionelle Form der dörflichen Nachbarschaftshilfe die wahre Kultur Ladakhs darstelle. Inzwischen habe jedoch mit der Modernisierung auch die Kommerzialisierung der Feldarbeit eingesetzt: Normally, if it is possible, we do not hire laborers. Like one day, my wife works in the fields of one family, and the next day somebody from another family will work on my fields ... We know each other very well, they are just helping each other, so that way it does not cost any money, except breakfast, lunch and dinner, and some wine.9 This is the culture like in our village we have about ten or eleven families, in rotation we used to do it. This was the real culture. Now the money has come, so the people are engaging laborers - especially in Leh town you do not get this kind of thing [rotation] any more. Befragt, ob der Islam, die Moslems oder der Staat Jammu und Kashmir eine Bedrohung darstelle, antwortete Dorje, daß die traditionell guten inter-religiösen Beziehungen in dieser Form fortgeführt werden sollten. Die Harmonie zwischen den Religionen hänge von den guten Absichten der einzelnen ab: In the olden days, in the king‘s times, relation between Buddhists and Muslims were so close. We always helped each other, we always visited each other, invited each other. So we had very good relationship between the communities, and I wish that this relation-ship will carry on ... If we do good to others, they will do good to us as well. Der Sozialboykott von 198910 sei allerdings allein aufgrund des Fehlverhaltens der Moslems erfolgt, die Buddhisten hätten sich zuvor immer wohlwollend gegenüber den Moslems verhalten: 7 Coolie: In Indien Hilfsarbeiter, Tagelöhner – in Ladakh meist Biharis oder Nepalis. 9 Im indischen Kontext allgemein Alkohol, auch Bier (chang). 10 Vgl. Kap. A.3. 96 That social boycott was a mistake from the Muslim community, their bad behavior, their bad habits. For an example: if you come to Leh and I beat you and take all your things, what do you feel about Ladakhis? [Erwiderung] I would be upset - not only upset, but I would be angry. [Dorje] In the same way, the Muslims were always benefited by us, and we did all the good things for them. Im selben Atemzug macht er allerdings auch deutlich, daß die als dominant wahrgenommene Rolle der Moslems in Ladakh und der Regierung von Jammu und Kashmir auf wirtschaftlicher wie auf politischer Ebene den Unwillen der Buddhisten hervorrief. Nach Aussage von Dorje beteiligen sich Buddhisten traditionellerweise nicht am Geschäftsleben, weil sie es für verwerflich halten. Das Geschäftsleben ist somit als Domäne der Moslems anzusehen, und ihre - vermeintliche oder tatsächliche - finanzielle Dominanz verschafft ihnen bessere Chancen auf dem "Heiratsmarkt", bei der Werbung um buddhistische Frauen oder Mädchen: We (nga-tang-nga)11 do not do business (tshong), except a few shops, because we think it is sin (rdig-pa) to do business. So, Buddhists do not do it,12 but they13 do the business. In olden days the Muslims used to do the business ... They were having a lot of money, and started showing the power of money - they tried to tease the Buddhist girls at the marketplaces, like that, and because of the discrimination shown by the Jammu and Kashmir government,14 the Ladakhis felt very sad, and than they started ... so all the educated people, the intellectuals who are doing more for our community, there and that, during that agitation the social boycott was done. So it was their mistake, it was not our mistake. Zu Auswirkungen des Tourismus befragt, erwiderte Dorje, daß der Tourismus in Ladakh "auch Nachteile" mit sich bringe, einen Nachahmungseffekt herbeiführe und eine allgemeine Bedrohung der Identität darstelle - allerdings hänge die Art und Weise, in der sich diese negativen Auswirkungen des Tourismus manifestierten, vom individuellen Bewußtsein ab: 11 Exklusives "wir", allein auf die ingroup der Buddhisten - in Abgrenzung von den Moslems bezogen. 12 Die Aussage, daß Buddhisten das Geschäftsleben als sündhaft ansehen, mag durchaus einer retrospektiven Idealisierung des Buddhismus früherer Zeiten entstammen. Heute sind auch buddhistische Ladakhis durchaus im Geschäftsleben (insbesondere im tourist business) vertreten. 13 Die Moslems. 14 Zwischen verschiedenen Kategorien von Moslems, nämlich den ladakhischen Moslems und den mehrheitlich moslemischen Kashmiris sowie Vertretern des Bundesstaates Jammu und Kashmir wird in den narratives der meisten Ladakhis nicht unterschieden (vgl. Kap. A.5.) - in dieser Gesprächspassage scheint sogar eine bewußte Vermischung dieser Ebenen stattzufinden. 97 There is a disadvantage also from these (tourists). That is dependent on one’s mind, isn't it? If we say how this disadvantage is, by looking at them, we also [want to be] like them or equal to them, and by saying this, if we compare (ourselves to them), there will be nothing except the repent. A threat (jigs-pa) is there, and it depends on the mind (sem-ma-rag las-te yin-nog). Negative Einflüsse der Touristen beständen in ihrem materiellen Reichtum und im kulturellen Unterschied zu den Ladakhis: im Vergleich zu diesen haben die Touristen "lockere Sitten". Dorje gibt seiner Angst vor dem Verfall der Sexualmoral und vor Geschlechtskrankheiten ebenso Ausdruck wie vor Assimilation: Wenn die Ladakhis sich den Westlern anpaßten, bedeute das den Untergang Ladakhs. Er hat auch Angst vor bevölkerungsmäßiger Überfremdung durch Westler: First, tourists are very rich compared to the Ladakhis. Second, the culture is totally different. They eat openly, they drink openly ... They wear less cloths, they stay openly, they kiss openly, and they have sex and that. We do not have that sort of things, like aids, disease, if they have bodily relation to tourists ...... If we keep relations with them, there is the threat of aids. Without thinking and looking (lta-sam ma-tang-nga), if we start doing the same as they do, then Ladakh will sink into the water (la-dags-po chu-nang-nga cha-ces yin-nog). If you ask how it will sink into the water, then Ladakh is with a very tiny population (mitsogs nyung-ngun), they have lots of population, and they will start coming in greater and greater number (khong mang-nga mang-nga yong-ngin ca-ces yin-nog), year by year. And one day, a time will come when only an example will remain (spe-zhig los-shes ma-ne), there used to be a Ladakh - you will not find any actual Ladakhi any more (la-dags-pa tong-ces ma-ne ma-nog). Die positiven Auswirkungen des Tourismus bestehen für ihn demgegenüber im direkten Nutzen für die Ladakhis und die Zukunft der Kinder sowie in der Finanzierung der NGOs durch Touristen: Besides tourism, I can not see any other business for Ladakh. Ladakhis are directly benefited by the tourists, for example ponies, guesthouses, hotels. SECMOL,15 Mahabodhi Society,16 they are all funded by the tourists. From their funds, our children are benefited (phan-thogs), and like that, it also benefits the horsemen, wage laborers, zamindars17 everybody has a benefit (tsang-ma phan-thogs), and the benefit is direct and true (ngos15 Mahabodhi Society: indisch-buddhistisch-modernistische Organisation mit Niederlassung in Leh; usprünglich in Sri Lanka beheimatet, bietet in Ladakh u.a. Meditationskurse an (vgl. Kap. A.3.). 16 SECMOL = Students' and Educational Movement of Ladakh, NGO zur Förderung kulturangepaßter Bildung und ökologisch verträglicher Technologien, publiziert das Magazin Ladags Melong (Spiegel von Ladakh / Ladakh im Spiegel). 17 Hindi-Lehnwort: Landbesitzer, Großgrundbesitzer. 98 po), and it is hand to hand (lak-pa lak-pe-nang-nga). Because of that, Ladakhi children get education. Because of that tourist benefit, Ladakh is more benefited. Auf die Frage, ob der Buddhismus in Ladakh der Stärkung (gegenüber den verschiedenen Außeneinflüssen) bedürfe, bzw. ob er panbuddhistischen Ideen nahestehe, antwortet er, der Buddhismus sollte in der Welt verbreitet werden; er betreibt seine persönliche Praxis sowie religiös-karitatives Engagement auf lokaler Ebene in einer Organisation seines Heimatdorfes, welche allerdings keine Verbindungen zur Himalayan Buddhist Cultural Association hat: According to my own wish (nga-rang-nge sams-ton), I always think of flourishing the Buddhism and always pray (so-wa smon-lam) for that - there maybe peace in the world (jigsten-na zhi-wa yong-shig). I always carry my mala18 and chant ma-ne.19 I am from Phyang village, and there we have a society for Buddhist people, we donate a 100 or 200 Rps. from our salary and try to help those who are blind, those who are helpless, but we do not have very good funds. But helping them, we get our peace of mind ... It is not the Himalayan Associatian,20 it is a Phyang village association. Im Vergleich zur großstädtischen Kultur Delhis bewertet Dorje die Ladakhi-Kultur positiv: After coming to Delhi, I feel the Ladakhi culture is rich and strong ... The same thing other people also think about their culture. I take my own culture which is Ladakhi culture. For example, while we are dancing or singing, the first word will be respect to the elders or the monks - it is always like that in Ladakhi culture. Seine Reise nach Delhi entspringt einer Kombination aus Pilgerwesen und touristischer Motivation, den Aufenthalt in Delhi empfindet er als Fremdheitslast, d.h. als spannungsgeladene Atmosphäre voller Kriminalität und Gefahr: Delhi is full of tension, there are a lot of things around here, there is robbery, a lot of busses are there, than there is so many dangers of traffic. A lot of tension is there, but I do not like that. Diese Äußerung zur Fremdheitslast bezieht sich auch auf den Buddh Vihar - gegenüber der Kommerzialisierung auf dem dortigen Gelände fühlt er sich machtlos: 18 Siehe Glossar. 19 Siehe Glossar. 20 Himalayan Buddhist Cultural Association (H.B.C.A.): Panbuddhistische Organisation unter Vorsitz des aus Zanskar stammenden Lamas Chospel Zotpa mit dem Ziel der Allianz und Solidarisierung der buddhistischen, tibetisch affiliierten Himalaya-Völker in den nordindischen Regionen Ladakh, Zanskar (Jammu und Kashmir), Lahul und Spiti, Kinnaur (Himachal Pradesh), Garhwal, Uttarkhand (Uttar Pradesh), Darjeeling (West-Bengalen) sowie in den Bundesstaaten Sikkim und Arunachal Pradesh (Nordost-Indien). 99 [Frage] When I came to this place I expected to see a Vihara, I expected a peaceful place. Now I had the same experience like you, Mr. Dorje - when I came I saw the flyover, I experienced the traffic, all the pollution in Delhi, and besides that I found out that this place is also a place of business. There are shops around the Vihara. What do you think about the combination of religion and business? [Antwort] When I came here I felt the same as you felt. Sometimes at night I am frightened by the noises. When we do the prayer like Om Mane Padme Hung, we get some noises and loose your concentration. [Frage]: What do you think about the business that is going on here? [Antwort] My thinking will not make any difference21 - it can be done by some government or an organization or the Council22 of Ladakh. In einem zweiten Gespräch im Mai 1999 (I-69) ging Dorje auf die Demographie seines Heimatdorfes Phyang,22 Reiseerlebnisse während seiner Pilgerfahrt im vergangenen Winter in Nepal und Sikkim und die Unterschiede des Buddhismus in Ladakh zu dem anderer Himalaya-Länder ein, welche ihm bei dieser Pilgerreise auffielen: Sehr befremdlich seien ihm auf seiner Reise die religiösen Praktiken der Tamang23 erschienen, welche zu Ehren der Göttin 21 Concerning all the business people who are around, ergänzte der Übersetzer hier. 22 Gemeint das Ladakh Autonomous Hill Development Council (L.A.H.D.C.), die Verwaltungsbehörde für Ladakh innerhalb des Bundsstaates Jammu und Kashmir. 22 Das Dorf Phyang bestehe aus 400 Haushalten mit insgesamt ca. 2 000-2 500 Einwohnern, davon seien siebzig Haushalte von Baltis und zehn von sunnitischen Moslems bewohnt. 23 Eines der sogenannten "Stammesvölker" in den mittleren Höhen Nepals, vgl. HOLMBERG (1980:18): "Second, in the mid-hills, live a number of Tibeto-Burman-speaking groups considered 'tribal' their past remains obscure; yet, it is reasonable to assume that they migrated from Tibet or from other regions of Nepal ... The Magar, Gurung, Thakali, Tamang, Rai, and Limbu, among others, are representatives of Tibeto-Burman speakers in hill Nepal". In Übereinstimmung damit ordnen LEWIS und RICCARDI (1995:147, 138, 139) die Tamang der tibetobirmanischsprachigen mittleren Bergregion (Tibeto-Burman mid-montane region) zu. Die Tamang bilden die viert- oder fünftgrößte ethnische Gruppe Nepals und das größte Volk der tibetobirmanischen Sprachfamilie (HOLMBERG ebd.). Nach offiziellen Angaben stellten sie zur Jahrtausendwende 5% der nepalesischen Gesamtbevölkerung von 23,4 Mio. (= 1,17 Mio.), zu Beginn der 1970er Jahre soll es 0,5-0,7 Mio. Tamang gegeben haben (FRANK 1974:169, nepalesische Volkszählung von 1971), 1987 nach offiziellen Angaben 0,522 Mio. Tamang (3,5% der nepalesischen Bevölkerung; KRAAS-SCHNEIDER 1989:153). Ihre tatsächliche Anzahl dürfte noch um einiges höher liegen; inoffizielle Angaben sprechen von bis zu vier Millionen Tamang (vgl. DODIN 1995). Viele Tamang haben sich inzwischen im Zuge von Migrationsbewegungen aus Nepal in anderen Regionen des südasiatischen Subkontinents in Sikkim, Darjeeling (West-Bengalen), Bhutan und Arunachal Pradesh angesiedelt. Für weitere Angaben zu Siedlungsräumen und Sozialstellung der Tamang vgl. BISTA (1972), FÜRER-HAIMENDORF (1956, 1974) und HOLMBERG (1980:20-44). 100 Durga24 Tiere opferten, und in einen Tempel für Yamantaka25 habe man ihn fast nicht hineingelassen, weil er zum einen Lederstiefel trug und zum anderen ein Mann war und dieser Tempel Frauen vorbehalten war. Es sei sehr seltsam, daß in Nepal viele Buddhastatuen mit Kastenmalen versehen und mit saris behängt seien, um ihnen den Anschein hinduistischer Statuen zu geben. An Buddhas Geburtstag habe er in Darjeeling zusammen mit Tamang gefeiert, die über die Bedeutung des Tages nur unvollständig unterrichtet gewesen seien. Als er mit Rücksicht auf die Heiligkeit des Tages lediglich plain rice26 bestellt habe, habe man ihn zu einer Reinkarnation aus Ladakh verklärt und gebeten, eine Predigt zu halten - dieser unwillkommenen Verpflichtung habe er sich dann durch spontane Flucht entzogen. Wie auch im Gespräch zuvor Ende 1998, stellte er die negativen Aspekte des Tourismus heraus, diesmal besonders im Zusammenhang mit nicht-regierungsgebundenen Organisationen (NGOs): viele NGOs präparierten sich eigens für die Sommermonate und würden ihre Projekte und Räumlichkeiten für die Touristensaison herausputzen, um die Spendenfreudigkeit der Touristen zu erhöhen bzw. aufrechtzuerhalten.27 Die zunehmende Zahl der Heiraten von Ladakhis mit Ausländern, speziell Ausländerinnen,28 stelle eine langfristige Gefährdung 24 "Durga - The Inaccessible; a form of Siva's wife Devi, a beautiful but fierce woman riding a tiger; major goddess of the Sakti cult." (THOMAS et al. 1997: 1142). Vgl. SAKYA (1999:36): "... wrathful form of Parvati. She is also known as Mahishamardini, one who killed the demon Mahisha. She is represented with many arms with a weapon in each hand. Her right foot is supported by her mount, the lion [Widerspruch zu obigen Angabe, daß die Göttin auf einem Tiger reite], the left poised on the subdued demon, her left hand holding the tail of the victim, thrusts the trident into the body of the demon killing him apparently at the very moment when he is about to draw his sword in self defense. She is sometimes shown sitting astride on her mount, the lion with four hands holding a sword, a club, a lotus flower and a dire. Her face always remains calm and gentle." 25 "Yamantaka (skrt.) ... gshin rje gshed [tib.] ... A class of important meditational deities belonging to Anuttarayogaranta. There are various aspects of Yamantaka including: Red Yamantaka, Black Yamantaka, and Vajrabhairava. These all function as the meditative opponents of the aspects of Yama, the forces of death, which are the embodiments of impermanence and the laws of cause and effect" (COLEMAN 1994:419; vgl. Glossar). 26 Trockener Reis ohne weitere Zutaten. 27 Dies wirft die Frage auf, ob sich in Ladakh zusätzlich zum trekking und touring business auch schon ein NGO business etabliert hat - diese Meinung vertrat z.B. mein einheimischer Forschungs-mitarbeiter Sonam Wangchok Khardongpa. Während eines längeren Gesprächs im Mai 1999 in Leh (I-64) erhielt ich von ihm fast gleichlautende Hinweise darauf. 28 Als Beispiele nannte Dorje den inzwischen mit einer US-Amerikanerin liierten Vorsitzenden des Students' and Educational Movement of Ladakh (SECMOL), einen inzwischen verstorbenen Mann in Leh-Sankar, der mit einer Deutschen verheiratet war, sowie verschiedene Paare in Stok und auch in Phyang. 101 für den Tribal Status der Ladakhis (Bod / Bot Tribe)29 dar, welcher eine reine Ladakhi-Abkunft vorsieht. - Fünf Monate später hob Dorje (I-83) ebenfalls negative Begleiterscheinungen des Einflusses der Westler hervor, nämlich das ungebührliche Verhalten von Touristen und Touristinnen bei Klosterfestspielen, vor allem der sogenannten chadpos,30 mittelloser oder low budget-Touristen (vornehmlich Israelis) dabei, welche z.T. während religiöser Zeremonien anfingen, in underwear194 zu tanzen. Bei unserer nächsten Begegnung im Oktober 1999 erwähnte Dorje von sich aus (I-89), daß die letzten vier vergangenen Sommermonate voller tension gewesen seien: erst die indopakistanischen Grenzgefechte um Kargil herum, dann die ungewöhnlich starken Regenfälle.195 Er selbst hatte während des Sommers Angst, daß sein Haus den Regen nicht werde abhalten können. Während der Grenzgefechte habe ein ladakhischer Soldat, nachdem er völlig von pakistanischen Truppen eingekesselt gewesen war, vom Dalai Lama geweihte Körner um sich gestreut, welche wie ein Schutzschild gewirkt und seine Verwundung oder weitere Behelligung verhindert hätten. Nach Aussagen von Dorje ist die Zahl der Ladakh Scouts196 auf 700 gestiegen, 3 000 weitere junge Männer sollen noch angeworben werden. Er empfindet diese Erwerbsmöglichkeit in der indischen Armee als Gewinn. Auch seine beiden Söhne haben sich zum Militär gemeldet, seine Tochter soll in Delhi auf eine gute Schule gehen. In Leh gebe es, verglichen mit dem restlichen Ladakh, starke Veränderungen: obwohl Phyang nur knapp 20 km entfernt liege, sei dort in Leh alles anders - während man in Phyang sein Gepäck und seine Habseligkeiten ganz beruhigt an der Ecke stehen lasse könne, sei in Leh 29 Vgl. BEEK (1997). Gemäß der Scheduled Tribes Order des Bundesstaates Jammu und Kashmir von 1989 werden in Ladakh acht verschiedene "Stämme" anerkannt, deren größter mit 75 154 Angehörigen in den Bezirken Leh (61 727) und Kargil (13 427) der Bot Tribe ist (EBD.: 34, 35). 30 Vgl. HAMID (1998:74): "chadpo something torn, ragged, worn out"; auch „chhadpo broken, ragged, torn, frayed" (EBD.:79) - umgangssprachliche Bezeichnung für Touristen mit zerfetzten Taschen, d.h. ohne Geld (Sonam Wangchok Khardongpa). 194 Diese Interpretation der Ladakhis von zu luftiger oder offenherziger Sommerkleidung begegnete uns häufig, und zwar sowohl bei Buddhisten (z.B. I-67, I-113) als auch bei Moslems (z.B. I-69), und insbesondere bei Buddhisten aus dem monastischen Umfeld (z.B. I-81, I-84, I-90). 195 Seit einigen Jahren ist in Ladakh eine spürbare Klimaveränderung zu verzeichnen, im Gegensatz zu früher kommt es in den Sommermonaten (ab Mai) zu Regenfällen, die dann oft ungewöhnlich heftig ausfallen; vgl. RIZVI (1996). 196 Welchen man direkt von seiner Dachterrasse aus auf der anderen Seite des Flusses bei ihren Übungen und beim Exerzieren zusehen konnte. 102 mit sofortigem Diebstahl zu rechnen. Auch könne man heutzutage nicht mehr unbesorgt alles essen und auch nicht unbesorgt Sex haben - wegen steigender Aids-Gefahr.197 Im Vorgriff auf die Auswertung der übrigen Informationsgespräche zu Fremdheitslage, Fremdheitserfahrung und Fremdheitsbewältigung soll hier angemerkt werden, daß sich Dorjes überwiegend ablehnende Haltung dem Tourismus gegenüber in dieser ausgeprägten Form nur in den wenigsten narratives findet, sowie, daß er Strategien der Fremdheitsbewältigung in seinen Gesprächen nur wenig Gewicht einräumt. Im folgenden soll das Bild der Vergangenheit in den Informationsgesprächen (zwischen Sehnsucht und Abgrenzung) mit der Wahrnehmung der durch die Fremdheitseinflüsse geschaffenen neuen (oder anderen) Gegenwart konfrontiert werden. 2. Das Bild der Vergangenheit Die Bandbreite der Bewertungen bei der Beschreibung des "alten Ladakh" ist sehr groß, die Differenzierung bei der Beschreibung der eigenen Traditionen ebenso ausgeprägt wie bei der Beschreibung der Fremdeinflüsse. Wie noch zu sehen sein wird, erstreckt sie sich zwischen den Polen einer einseitigen Idealisierung auf der einen Seite und der harschen Kritik an Armut, mangelnder Bildung und sozialen Mißständen auf der anderen Seite, zwischen der Sehnsucht nach den Werten der Vergangenheit und der Abgrenzung von der Last des traditionellen Lebens in Ladakh. Eine beträchtliche Anzahl von Gesprächspartnern (z.B. I-3, I-17, I-113, I-116) betont, daß sie eine glückliche Kindheit hatten und daß es in den alten Zeiten keine Außeneinflüsse gab (I17, I-116).1 Die meisten Aussagen stimmen darin überein, daß die Menschen in der Vergangenheit glücklicher und zufriedener gewesen seien: Es habe nicht so viel Hektik, Spannungen und Sozialneid wie heute gegeben, die Leute seien mit dem zufrieden gewesen, was sie hatten, sie hatten mehr peace of mind, wie der von den Ladakhis oft verwandte Ausdruck lautet. Andererseits werden auch Beschwernisse, Unannehmlichkeiten und Unterdrückung in der Vergangenheit sehr eindrücklich benannt, insbesondere materielle Armut und Ressourcenknappheit (vor allem unzureichende Ackerflächen), mangelnde Verfügbarkeit von Bargeld 197 Diese Verweise auf die Gefahr körperlicher Beziehungen, insbesondere zu Touristen (Touristinnen?) finden sich häufiger in Dorjes narratives, aber auch in denen einiger lha pas im Nubra-Tal (Il-112, IL-117). 1 Im Zusammenhang damit wird auch geäußert (I-22), daß die Ladakhis (nach wie vor) zu vertrauensselig seien: "The people of Ladakh were [formerly] not exposed to India, they are too honest". 103 (z.B. I-116), Unterdrückung durch Großgrundbesitzer und weltliche Autoritäten (auch die indische Armee und Polizeikräfte; z.B. I-116), mangelnde Schulbildung (z.B. I-104, I-116). Geistliche Autoritäten werden bei diesen Rückblenden in die Vergangenheit nicht angetastet, vor allem die Person von Bakula Rinpoche wird dabei immer sehr wohlwollend hervorgehoben. 2.1. Sehnsucht: Werte der Vergangenheit In den Äußerungen, welche die Vergangenheit durchwegs positiv bewerten, kommt z.T. eine tiefgreifende Sehsucht nach den Werten der Vergangenheit zum Ausdruck, welche im heutigen Leben vermißt werden oder verloren scheinen. Viele Gesprächspartner stimmen darin überein, daß die Menschen in Ladakh in früheren Zeiten glücklich und zufrieden waren (so z.B. I-33): Then, Ladakhi people used to be very pure (zang-po) and straight (trang-po). Other people used to say and used to think that Ladakhis do not know anything. But Ladakhi people used to be very thoughtful /mindful (sam-pa-can) and very good, very pure (zang-po). When I was young, facilities were very limited, there was not much of facilities. Everything was self-made - like spinning, weaving. If you wanted to go to school, there was no good schools, the monks used to teach the children. They did not have any desire for cars, bungalow, high positions in the government. Within the limitation, they used to stay. There was a lot of agriculture - everything was based on agriculture. Viele Gesprächspartner betonen, daß früher Frieden und Vertrauen zwischen den Menschen herrschte und sie religiöser als heute waren (I-80, I-81, I-83, I-105, I-109), aber auch, daß das Leben schwieriger war und es nicht die Annehmlichkeiten von heute gab (I-83, I-109). Dennoch seien die Menschen viel ausgeglichener gewesen, auch wenn in der Vergangenheit Lebensstandard und Erziehung schlechter als heute waren (I-22). Früher sei alles sehr schön gewesen (nice), "mentally life was better in former times" - die Leute waren einfacher und unbedarfter (I-113). Ein 50-jähriger Schullehrer aus Khardong (I-166) äußerte, daß es früher weder arm noch reich gab und deshalb auch keinen Neid und keine Eifersucht; die Leute waren zufriedener: On one side, now it is better, because there is development (yar-gyas) in clothing and foods, but - on the other side – there is a lot of confusion (hi-lings ha-langs).2 In earlier times, since everyone was equal (tsang-ma tsogs-yod-pa), they did not feel different from each (phar-rag cha-ma-nog), and they were not sad (khong-to cha-ma-nog). When Hundar middle school became lower high school, the students – whether from Khardong or from Hundar itself – did not have proper cloth to wear, but they did not feel sad in mind (sems- 2 HAMID (1998:299): „hi-lings crowded confusion, commotion, hurry, haste.“ 104 pa dur cha-ces-man). Now, since there is development (yar-gyas), it is hard (kaks-po) and sad (khong-to) for those who do not have any income (yong-go). Traditionellerweise habe es eine enge emotionale Verbundenheit mit den Haustieren gegeben, eine Arbeitsteilung und traditionelle Gleichwertigkeit der Geschlechter: Frauen seien für den Innenbereich, Männer für den Außenbereich (Feldarbeit oder Handelsreisen nach Tibet und Yarkand) zuständig gewesen, es habe Tauschwirtschaft geherrscht. Der Schmuck der Frauen (perak) habe als Sozialversicherung gedient; heute gebe es keine entsprechende Ausstattung der Frauen mehr.3 - Früher seien die Leute nicht den seelischen Spannungen wie heute ausgesetzt gewesen, ihre Gedanken und Erwägungen gingen nicht über die Befriedigung der alltäglichen Bedürfnisse und die Religion hinaus (I-33): In ancient times, the people neither needed to do business nor did they have a job. So they did not have any tension, they only had to think of their stomach / to eat (tod-pa za-ces) and to do practice religion (chos co-ces), and about clothing which were produced by themselves (rang-nge lak-ton) by spinning (bals kal-ces) and weaving, making shoes if they needed them for their children. They only had these desires (dod-pa) like to make a shoe for their children, spinning their cloths - like that, except the thinking of their own household, automatically they did not have much bigger thinking (sam-pa). Die alten Zeiten seien besser gewesen, heute gebe es nicht mehr so viel Glück und Zufriedenheit wie früher; Eifersucht, Haß und Trübsal nähmen zu, und die Menschen wollten immer mehr, wie eine 25-jährige Bäuerin in Khardong (I-75) ausführt. Sie würde z.B. lieber wie in den alten Zeiten leben, wenn sie wählen könnte - früher war das Leben zwar schwieriger, aber die Menschen waren glücklicher, auch wenn die materielle Versorgung kaum über das Lebensnotwendige hinausging. Gefragt, ob sie lieber in den alten Zeiten oder heute leben würde, antwortete sie: I will choose the first one because in the previous one, we may had difficulties in terms (thog-ga) of roads or relating to food (za-ces thog-ga), but we got enough which could fill our stomach (tod-pa drangs-ces), which would keep us warm (shu-lu to-shes), but we would not get that much that we could accumulate (spung-ces) it. But there was no sorrow (tser-ka), there was no sickness (zur-mu), there was no poverty (dug-po), the happiness (skyid-po) was there. Die Menschen seien heute nicht so zufrieden (happy) wie früher. Früher waren die Leute selbständig, unabhängig, bewegten sich zu Fuß oder mit dem Pferd fort, heute gibt es motorisierten Transport, aber es scheint immer noch nicht genug zu sein. Die Häuser, die vor 1980 gebaut wurden, waren klimaangepaßt (im Sommer kühl, im Winter warm), heute hat sich das durch die Verwendung von Zement und Blechdächern verändert. 3 I-47; Doktor der buddhistischen Philosophie in Delhi. 105 Früher war es viel schwieriger, den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen, heutzutage ist es viel einfacher, doch die Leute leben in more tension and excitement, z.B. aufgrund des zunehmenden Autoverkehrs und der Unfälle zwischen Nubra und Leh. Aufgrund der veränderten Ernährungsgewohnheiten gibt es heute viel mehr (und zuvor unbekannte) Krankheiten. Auch im Schulwesen habe sich viel geändert: früher lernten die Leute, um Wissen zu erwerben, heute lediglich für das Abschlußzeignis, um damit bessere Berufschancen zu haben - in jeder Gesellschaft gebe es zunehmende Konkurrenz (competition): During my childhood, it was more difficult because after completing four standard, we had to go to Leh for studies (sil-ces). The roads became good now, before we used to go in a group of seven students, and two to three people from the family had to come to give us departure. Then, the road was unpaved (tar-kol ma-tang-nga yod-pin), and the transportation also was once in a fifteen days. In those days, there was no medicines, and also not many hotels to go for meals (za-ces), like that, in the house also, there were no good facilities in terms of (thog-na) eating, in terms of clothing (gos-lag), what we have now, it was not than. Then, there was a difficulty also in work (las) and earnings (yong-go), but now there is small and big employment (las), and you can earn a little bit. In materieller Hinsicht gebe es gegenüber früher viele Verbesserungen und positive Entwicklungen, nicht jedoch bezüglich des Geistes-zustandes der Leute - heute herrsche nicht mehr so viel Glück und Zufriedenheit wie früher, Eifersucht, Haß und Trübsal nehme zu, und die Menschen wollten immer mehr: Everything is improving (rgyal-la song-ste yin-nog) like eating and drinking (za-ces thungces), clothing (gos-lag), and everything is developing (yar-gyas). But there is not that much happiness (thad-po) because in ancient times even if there was a difficulty (skang-ngal), at least the mind (sems) used to be happy (skyid-po). But nowadays (dang di-ring) there is zealous (thrag-tog) and evil wishes (sems-ngan) between each other. Even if they there are progressing (yar-gyas), still they think there should be more progress. If the other one is in progress, I should also get progress (yar-gyas) - like that there is increasing jealousy that is why there is more sadness (tser-ka) in their mind (sems). Ein aus dem Nubra-Tal stammender Universitätsstipendiat in Delhi beschrieb seine Kindheit so (I-113): Früher war das Leben einfach und beschwerlich, aber die Menschen waren glücklich: In seiner Kindheit war das Leben sowohl sehr schwer als auch sehr glücklich (happy). Er hatte sich um das Vieh zu kümmern und auf dem Feld zu arbeiten, es gab keine Freizeit. Sogar wenn sie bei den Mahlzeiten zusammensaßen, wurden ihm noch kleinere Verrichtungen aufgetragen. Dennoch war das Leben glücklich, er hatte keine weitergehenden Wünsche und kannte die Welt außerhalb von Rongjuk nicht. Wenn sein Vater ihm etwas mitbrachte, z.B. ein Paar Schuhe, machte ihn das noch glücklicher. - Ein Bauer und Schullehrer (I-116) erzählte, daß er in seiner Kindheit lediglich Vieh hüten mußte und ansonsten "wenig zu tun" 106 hatte - im bäuerlichen Haushalt hatte jeder, auch die Kinder, etwas zu tun - jeder mußte etwas zur Grundversorgung beitragen. Da es keinen Gelderwerb gab, wurde das als völlig normal angesehen - früher waren die Menschen in Ladakh weniger anspruchsvoll (I-25), in der alten Kultur von Ladakh gab es kein showoff (I-34). Ein Mönch im Kloster Likhir äußerte: wenn er sich an seine Kinderzeit erinnere, falle ihm ein, daß die Leute "sehr gut" waren und sich gegenseitig halfen (I-91). Früher herrschte der Glaube an den Wert der Einheit (I-105). Früher hätten die Leute ein gutes Herz gehabt und seien rein im Geiste gewesen (IL-66): “so ancient people had good hearted minds." Ein Bauer aus Matho (I-8) betont beim Vergleich des Alten mit dem Neuen daß es inzwischen mehr Neid innerhalb der Bevölkerung und zunnehmende soziale Ungleichheit gebe: Einige Leute bleiben sehr arm, während andere reich werden. Der Vorsitzende der Ladakh Travel Association (I-13) benennt beim Vergleich von Ladakh früher und heute den Verlust der Sprache: fast jede Schule in Ladakh sei inzwischen eine English Medium School. Ähnlich äußert sich ein Mönch aus Lamayuru (I-22): seiner Meinung nach herrscht eine falsche Vorstellung von Erziehung: Englischkenntnisse werden mit Bildung gleichgesetzt. Es finde ein Ausverkauf der traditioneller Kultur statt: Nur noch verheiratete Frauen tragen auf den Dörfern traditionelle Kleidung, es gibt keine Wertschätzung der eigenen Kultur: Während früher z.B. die tibetische Schrift (Bod-yig) allgemein verbreitet war, wird sie heute vernachlässigt, und er sehe sich mit Fragen an ihn als Mönch konfrontierte, was die eigene Kultur denn eigentlich bedeute. Bei der Interpretation der gegenwärtigen Verhältnisse in Ladakh muß vor dem Hintergrund der Sehnsucht nach der Vergangenheit in Betracht gezogen werden, daß für die Wahrnehmung "des Fremden" als Last gerade das Bild einer - zweifellos idealisierten - Vergangenheit mitverantwortlich sei kann. 2.2. Abgrenzung: Die Last des einfachen Lebens Nach Meinung von Ngawang Tsering Shakspo, Leiter der Cultural Academy in Leh, wird die Konfrontation mit dem Fremden in Ladakh keinesfalls in erster Linie als Last wahrgenommen - ganz im Gegenteil, seiner Meinung nach stellte die althergebrachte Lebensweise eine Last dar (I-55). Auch Abdul Ghani Sheikh (I-72) hob als eine der größten Errungenschaften des modernen Ladakh die Abkehr vom Feudalsystem hervor. In Übereinstimmung damit wird in einer ganzen Reihe von narratives erwähnt, daß die materielle Versorgung in der Vergangenheit oft sehr schlecht und unzureichend war: Vor 1960 herrschte allgemeine Armut in Ladakh, und der Lebensstandard war sehr niedrig (I-104), die Menschen waren von reichen Leuten abhängig (I-96). Früher gab es z.B. keinen Zucker und keinen Reis (I-104), in den hochgelegenen Bergdörfern des Nubra-Tales herrschten sehr schwierige Lebensbedingen.4 Wie ein Sohn einer armen Bauernfamilie und Zögling einer christlichen Missionsschule beschrieb (I4 Ein 25-jähriger Gesprächspartner aus Largyab (I-108). 107 56), war die Bekleidung früher unzureichend: als Kind war er häufig völlig durchgefroren; heute seien alle Leute demgegenüber gut gekleidet. Gefragt, ob die Menschen heute glücklicher als früher seien, antwortete ein Schamane in Khardong (Il-76), ja, aufgrund viel besserer materieller Ausstattung seien sie glücklicher: The ancient people (sngan-me mi-kun) used to go with animals on the passes, and now people go by vehicles. They have many things to eat and drink (za-ca thung-ca). There was no happiness like today (dak-sa tsogs skyid-po ma-na med-khan-nog). In former times they really had to make a lot of efforts – so if they wanted [a ration], they had to go to Leh with their animals, yak or so, it might take one week, and sometimes they got stuck in the snow. But now they can go by vehicle and can come back by vehicle which is very easy. Ein pensionierter Schullehrer aus Khardong (I-116) benennt sehr detailliert die sozialen Mißstände früherer Zeiten: Bis zum Bau der Straße über den Khardong-Paß herrschte völlige, einseitige Abhängigkeit von reichen Großgrundbesitzern in Leh und Gangles, bei denen die Leute in einer Art von bonded labour5 hoch verschuldet waren. Die Ackerflächen reichten zur Versorgung mit Nahrungsmitteln nicht aus: We did not have enough. In those days, most of the people were in debt of kings and ministers. Even in Khardong, there were about fifty or sixty families, but they were all in debt except Nyer-pa and Ril-dan [families]. So, since my mother was dead, I gave up school in 1969. Even at that time, everyone was in depth of me-me Guru. So he used to take interest from us, but we could not give it completely. The children used to walk without cloth and without shoes. They did not have enough to eat. We had to live as servants, and also, they used to take many things like cha-li,6 phat,7 and so on from our home. They used to take 25% interest. It means, like Rps. 25,-- from Rps. 100,--. It was just like a servant, because we had to do whatever meme Guru8 said (ci zer-khan). After that, slowly people became clever, and in 70/71, the road construction started by P.W.D.,9 and the people had some opportunity to work as coolie on the road, and that was a little support. Before that, there was no other way to earn money. They used to get seven rupees per day. Vor dem Bau der Straße über den Khardong-Paß (ab 1970) war die Geldwirtschaft in dem gleichnamigen Dorf unterhalb des Passes kaum verbreitet; die indische Armee zahlte auch nicht für die Transportdienste der Dörfler: 5 Begriff aus dem sozialen Kontext Indiens: Art von Schuldknechtschaft. 6 Decke aus Yak- oder Ziegenwolle. 7 Getreidesäcke, ebenfalls aus Yak- oder Ziegenwolle. 8 Meme heißt eigentlich Großvater, wird aber im Sinne einer Respektsbezeugung gegenüber angesehenen Personen (z.B. Mönchen jeglichen Alters) verwandt; meme Guru ist hier die devote Anrede für den Großgrundbesitzer. 108 We had very little money, and it was made of silver. I did not see it. So even when I went to school in Hundar, I used to get Rps 20,-- or something like that from my family in 1965. From where they got money ... there was no means to earn money. They were mostly used as laborer (con-la sru-la-nog) by the army (si-pa) to carry goods from Nubra to Leh and Leh to Nubra. Sometimes they paid and sometimes they did not pay anything at all. Früher habe große Furcht vor der Armee und der Polizei geherrscht, welche den Leuten z.T. mit physischer Gewalt ihre Wünsche aufzwangen: At that time, people were completely scared and afraid (bilkul dog-sa-nog) when they heard the army and police, because when we were under the English, the police used the people with sticks. Even when they did not have enough to eat, they had to serve the police and government officers. That fear was there when I was young. And even now, the fear is still there in Ladakh. People are less educated (yon-tan), and they do not know what is and what is not. Therefore, they do whatever they ask (ci-zer-nang), like for example, if they ask for a horse, whether they have or not ... they asked to bring the mayor (mgo-pa),10 and beat him. Now we all say that it was Bakula Rinpoche’s kindness (ka-tin) to make everything clear to us, saying: now we have freedom (rang-wang) from the English – no need to be afraid of them. Do not give any horse without compensation (gla)11 - he talked like that. And now, people understood. In 71, I used to bring army rations from here to Diskit on horseback, and I used to get only Rps. 12,-- from here to Khalsar, and from Khalsar to Diskit. Otherwise, there was no other means to earn money – even the soldiers (si-pa) were not many, we did not get anything from the army like today. Even for the horses, they paid after some time – we did not get the payment immediately. In vielen narratives wird das Bildungsdefizit früherer Zeiten explizit benannt (z.B. I-109): Schulbesuch sei zum Teil nur heimlich, gegen den Willen der Eltern, möglich gewesen (I104). Ein Bauer und Schullehrer (I-116) erzählte, daß sein Heimatdorf Khardong früher sehr zurückgeblieben war und es im ganzen Nubra-Tal keine angemessene Schulbildung gab. In Übereinstimmung damit beschreibt ein Mönch in Shemshin im Nubra-Tal seine Situation in den Kindertagen so: Als er jung war, gab es keine Möglichkeit der weltlichen Bildung; als junge Mönche hatte sie lediglich religiöse Bücher auswendig zu lernen, ohne daß die Schüler verstanden hätten, was sie rezitierten. Von sechs bis sieben Uhr rezitierte er religiöses Schrifttum, dann sammelte er bis zum Mittag Feuerholz, um nach dem Mittagessen mit dieser Beschäftigung fortzufahren. Zu den Mahlzeiten gab es thukpa, paba oder skyu - Reis oder anderes indisches Essen war sehr selten verfügbar (I-109): When I was a child, we were not getting education (lob-jong) like now, at that time, there was very less education (lob-jong), ecxept spe-cha. At that time, there was no teaching 10 Siehe Glossar. 11 "pay, fees, wages“ (JÄSCHKE 1998:79), nicht zu verwechseln mit lha (Gottheit). 109 (lha-wa med-pin) of Hindi, English, and mathematics. The teaching condition was very poor (lob-jong naz-lug ma-skyong-nga-dug), only spe-cha, there was no other teaching (lob-jong). At that time, the situation was very bad (ma-skyong-yong-chin) as far as money and foods (za-ces thung-ces) were concerned. Compared to the previous life, this time is changing too much (gyur-zha rgyal-la yongs-tok).12 Gegenüber dem "Bildungsnotstand" der Vergangenheit hebt ein pen-sionierter Schullehrer die Möglichkeit, heute eine Schule besuchen zu können, als größte Freiheit hervor (I-116): There are very many changes in one or two things: first, since we got freedom, there is no objection for learning (yon-tan sil-ces se-nang-nga su’i-ang gags-kil med-kyak) for anyone. In every village, they have opened schools, and there is very much development in educa-tion (yon-tan-ne nanga yar-gyas song-ste yin-nog), which is needed today. Sehr widersprüchlich sind die Aussagen der Gesprächspartner zum Ausmaß religiöser Bildung im alten Ladakh (wobei implizit die Kenntnis des Tibetischen und der heiligen Bücher (spe-cha) mit religiöser Bildung gleichgesetzt wird): so äußert ein Mönch aus Lamayuru (I-22), daß früher Kenntnisse der tibetischen Schrift gegenüber früher allgemein verbreitet gewesen seien und heute vernachlässigt werden. Ein ehemaliger Dozent am Central Institute for Buddhist Studies (CIBS) in Choglamsar (I-85) hebt hingegen gerade als positive Errungenschaft hervor, daß die tibetisch-buddhistischen Schriften heute der Allgemeinheit zugänglich seien, während ihre Kenntnis früher auf die Mönche beschränkt war - uns sagt im gleichen Atemzug, daß die Menschen in Ladakh heute im Vergleich zu früher glücklich und zufrieden seien. Ähnlich äußert sich ein Mönch im Kloster Spituk (25 Jahre alt; I-84), dessen narrative innerhalb der Bandbreite der Aussagen weitgehenden Ausnahmecharakter hat: Er widerspricht der weitverbreiteten Auffassung, daß die Menschen früher glücklicher und zufriedener gewesen seien, und hält diese für einen Trugschluß: Früher habe es kaum irgendwelche Bildungsmöglichkeiten gegeben, und die Bevölkerung legte auch keinen Wert darauf. Damals lebten die Leute nur für ihre unmittelbaren, materiellen Bedürfnisse und kümmerten sich gar nicht um Bildung und Erziehung, ihr Horizont war weitgehend auf die Landwirtschaft beschränkt - heute sind die Menschen gebildeter und deshalb glücklicher. Nur oberflächlich betrachtet waren die Menschen früher religiöser als heute, meint er - heute praktizieren zwar weniger Menschen den dharma, aber diese haben ein vertieftes Verständnis davon - auch in religiöser Hinsicht gebe es Fortschritt. Früher seien die Leute zwar sehr religiös gewesen, jedoch im Sinne von blind faith, ohne sich mit den geistigen Inhalten des dharma auseinanderzusetzen, und vollzogen die religiöse Betätigung häufig rein mechanisch, 12 In anderen Äußerungen (z.B. I-29) wird betont, daß junge Mönche und Nonnen in den Klöstern oft nicht richtig versorgt und beaufsichtigt werden - das sei etwas, was sich auch im „modernen“ Ladakh nicht geändert habe. 110 weil es - vor allem im Winter - neben der täglichen Arbeit auch wenig andere Beschäftigung als die religiöse Praxis gab: sngon me mi bo bzang nga 'dug sngon me mi bo skyid dog de bo ma shes pa'i thog shig The ancient people were better and happier, but that is due to [their] ignorance. tsog shig nang skyid po cin dug po cin ma shes khan tsog shig nang na grod bo grang pa it seems due to ignorance they did not know what is happiness and what is unhappiness, ya shu lu bo gros pa de zug bos shig co khan zhig thong 'dug just to fill the stomach or [to keep] the body warm, like that they made everything just enough, I observed that. snon me mi kun ne zer ze ra nog Actually the old people use to say that dags se mi slob sbyang yod khan kun ne sang sngon me mi kun bzang ngog the ancient people are better [in their hearts] than the modern people who have education zer ces tsogs de tshang ma nor khrul tsog shig ma na bsam ma rag I think saying [it] like these may be wrong. Wir fragten nach, ob die Menschen heute im selben Maße wie früher den dharma praktizieren, ob sie in dieser Hinsicht besser oder schlechter seien: sngan me mi kun ne chos mang po co'a nog zer Please tell him that the ancient people used to do more dharma. co'a nog pa yin nang sngon me mi chos co kan bo na dags sa nyun zhig ge co'ad nang They used to do more, but [if we compare] their dharma with the dharma followed by few people now de nyis ke nang ne dags se de bo yar rgyas na ci tshang ma che'a yod de yin nog between these two, the latter one is more developed and everything is better now, even the way of thinking. sems se kun long khur dang bo sngon me mi kun ne chos co tang bo co'a nog pa The ancient people used to practice the dharma but their way of following 111 mun thim tsog shig songs de yin nog ma ni pad me nang bla ma mkhyen zer de nang the dharma was in vain, it had become like this because they just said manipadme13 and respected lama14 bla ma ci‘a mkhyen zer kan bo ha ma go‘a yin nog dags se mi kun ne but it was not understood why they respected the lama. But the people now chos nyun zhig ge co na de khyen bo ha go‘a nog chos po few of them practice the dharma, but they understand what respect is ha gos de co rug songs pa sang sngon me mi kun ne zer ra nog and with understanding they practice the dharma. So, the elderly people say that dags se mi sang sngon me mi chos la zang po yong cen zer khan bo the ancient people were better in (practicing) the dharma than the people now le kyin ci yin dkon mchog ci yin zer khan bo ma shes sa co'a nog pa but they used to do it without knowing what the Triple Gem is. songs pa sang kho'a dan dan dri na dkon mchog ci yin nog zer sa ne so, when we ask them clearly what the Triple Gem is, ci shes bla ma mkhyen zer khan zhig ma ne shes sa ma nog pa songs pa de bo [they say we] do not know, but we respect the lama - except that we do not know. chos shig gyur ra mi rug de bo kho rang gun ne phi'a kags po yin nog ga Like that it has not become dharma, and it is a difficult for themselves, rang na rang nga go skor tsog shig da dags se mi nyun zhig ge co'a nog pa and it is like cheating oneself. Now few people practice [the dharma] co kan bo‘a cin zer kan bo ha gos de co rug songs pa sang nge bsam pa'i nang nga but what they do, they do it with understanding. So, in my thinking sngon me de co kan bo tshang ma mun 'dug zhig tsog shig dags se co kan bo whatever was done in ancient times was in vain, but what is done today don dag yod kan zhig songs pa sang dags sa yar rgyas che'a songs de yin nog mol lang [in practicing the dharma] has [some] meaning. So, tell him that now the development is better. Eine deutlich andere Ansicht wird von einer jungen Bäuerin aus Khardong (I-75) vertreten: Ihrer Meinung nach muß der dharma mit dem Herzen praktiziert werden, ein rein intellek13 Abkürzung für Om Mani Padme Hung bzw. Om Mani Peme Hung (tibetische Aussprache); vgl. Glossar. 14 bla ma mkhyen (no) ist ein Standardausdruck der Wertschätzung für den Lama, wörtlich: „der Lama weiß“. 112 tuelles Verständnis führe "zu nichts" - deshalb sei die alte Methode der Vermittlung besser gewesen: Sie weiß nicht, ob es eine tatsächliche Zunahme der Religiösität gibt: es gibt mehr Rinpoches, mehr Predigten und mehr Zuhörer als früher, aber daß damit tatsächlich ein vertieftes Verständnis der Religion einhergeht, bezweifelt sie - die Praxis des dharma sei das Wichtigste, nicht das bloße Wissen von der Religion. Die Einfühung des TibetischUnterrichtes und das intellektuell ausgerichtete Verständnis der Texte behindere dies eher, als daß es das tiefere Verständnis der Religion fördere: About religion (chos), for me it is hard to say how was the ancient people's view (snganme mi-gun-ni skor-la), but these days the Bod-yig is in every school, and every child can read it. In ancient times there was no school, and there was also no Bod-yig book (kitap),15 only if the father (a-ba) tought something at home (kham-pa). But nowadays, it is in every school, if the students (thrug-gung-gun) study (sil-na), even the textbooks (kitap) are also similar to a religious book (chos). But as much as the faith (chos) in ancient times is concerned, now there are lots of preachers (chos sal-khan-po), and lots of people who listen (nyan-khan-po) to them, but in practice (lag-len co-ces) - how it was in ancient times, and how it is now, I have not seen it - it is very hard to say ... This is not an improvement, because the most important thing is the practice - just listening to the dharma, this is not the exact chos. For that we have to practice also. So, concerning practice, I cannot tell the difference between the ancient and the present. Ein Apotheker aus Basgo (I-3) erwähnte, daß früher ein starker Ausverkauf der Kultur stattgefunden habe, indem z.B. „Dinge für die Fremden gestohlen“ wurden: Protection of the culture sei früher (im Gegensatz zu heute?) kein Thema von öffentlichem Belang gewesen. Insgesamt muß bei den jeweiligen Gesprächspartnerinnen und -partnern in Betracht gezogen werden, daß die Abgrenzung von der als negativ oder beschwerlich empfundenen Vergangenheit selbstverständlich eine positive Bewertung der neueren Fremdeinflüsse begünstigt. Zusätzlich kompliziert werden die aus der Wahrnehmung der Vergangenheit begründeten Grundeinstellungen gegenüber dem Fremden durch die ambivalente - bzw. in vielen Fällen sehr differenzierte - Sichtweise gegenüber dem Vergangenen. 2.3. Ursachentheorien von Verlust und Änderung Insgesamt schält sich in den Aussagen zur Vergangenheit in Ladakh als Gesamtbewertung heraus, daß sich die materiellen Grundbedingungen der menschlichen Existenz während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in großem Maße verbessert haben, nicht jedoch der 15 Die Tatsache, daß sie hier das aus dem Urdu-Lehnwort kitap benutzt, zeigt, daß sie von Säkularliteratur, etwa von Sprachfibeln für Tibetisch oder Lada-khi, nicht aber von religiösem Schrifttum spricht - dafür werden die Worte chos, spe-cha und eine Reihe anderer Begriffe verwandt; vgl. HAMID (1998: 1, 7, 45, 112, 130, 157, 156, 192, 318). 113 geistige Zustand der Menschen - das Glück und die Zufriedenheit der Menschen haben abgenommen, so die durchgängige Darstellung. Worin liegen die subjektiv empfundenen Ursachen dafür? Die Leute denken nur noch an sich selbst, statt dessen sollte das eigene Bewußtsein kontrolliert werden - so ein Schamane in Khardong (IL-76). Gefragt, ob die Menschen heute glücklicher als früher seien, bestätigte er dies zunächst, fügte aber gleich hinzu, daß es an innerer, geistiger Zufriedenheit mangele: Seiner Meinung nach denken die Leute nur noch an sich selbst, mit der zunehmenden Verfügbarkeit von Gütern würden die Menschen immer unzufriedener, sie wollten immer mehr, und die Spannungen nähmen zu: rang rang nge sems pa rang rang nge mnan dgos. One’s mind should be conquered by oneself. da dags sa bskyid po 'dug ci tshang ma rgya la 'dug. Now there is a happiness and everything is good. da dags sa nga dang rang nge mi tshang ma rang nga rang thob dgo shes rag 'dug zer khan bo ni rang rang nge bsam pa 'dug Now our people [think] that [every thing] should be obtained for oneself only, and that is the thinking of an individual. In vielen Äußerungen wird betont, daß der Grund für mentalen Veränderungen der Menschen in Ladakh keinesfalls nur in den Außeneinflüssen zu suchen sei, sondern daß vielmehr die Menschen selbst die Verantwortung dafür tragen. Diese Theorie der spirituell-begründeten Ursache für den heutigen, negativ zu bewertenden Geisteszustand der Menschen kommt z.B. im narrative eines 40-jährigen Schamanen (oracle), der zugleich Büroangestellter und Transportunternehmer ist (IL-103), zum Tragen: It is mainly due to one‘s own mind. Now people always think of themselves, they never consider their relatives. Something like they want to eat their own flesh and drink own blood, this is the time for that. And this is due to the change of mind that all these problems are increasing. Auch ein Bauer und ehemaliger Schullehrer in Khardong (I-116) gab als Grund für die herrschende Unzufriedenheit und die Konflikte an, daß die Menschen heute nur an sich selbst dächten, alle seien nur am Geld interessiert - die Reichen wollten noch reicher werden oder ihren Reichtum zumindest nicht verlieren, und die Armen wollen überhaupt erst reich werden, die Folge davon seien Lüge und Diebstahl: Mostly, there is not peace and happiness in people (zhis-de med-khan-bo), they became selfish (rang-dod) and busy with making money and wealth (nor pe-ne co-ces-se hi-lings 114 song). So, that is why people have this confusion (hi-lings),16 those who have [property] are sad, thinking it will vanish (med-khan lang-cha-ces), and those who are earning have to continue (yong-go co-khan-la co-yin-ne ma-dug-na), otherwise it will decrease (zhigcha-ces), thinking that he is sad in mind (sems-pe nang-nga khong-to lus-sa-nog), and those who do not have [property] are also sad (sems-pe nang-nga khong-to lus-sa-nog) because they have to wear cloths and walk with other people. For that, they are not happy. So, there is a lot of confusion (hi-lings ha-langs), stealing and lying (skun-ma dzun-ma) came into being (bing-ste yin-nog) in this developing time (yar-gyas-se tus-la). In earlier times, we did not have stealing and lying (skun-ma dzun-ma) because everyone was equal (tsang-ma tsogs), and there was no competition (khyang-rags). Because of this, there is more sadness in the minds (sems-pe nang-nga khong-to mang-nga-rig), I think (nge samspe nang-nga). Eine Schamanin in Thiksey (Il-66) äußert sich ähnlich: Nein, weder Tourismus noch Armee sind ursächlich für die Zunahme der Krankheiten verantwortlich - es liegt an den Menschen selbst, früher hatten sie ein reines Herz, es gab nicht soviel Verlangen und Wettbewerbsstreben wie heute. Heute sind die Menschen reich und haben alles, aber es gibt keine Freude und kein Glück - das ist der Grund für die Zunahme der Krankheiten: kho rang mar do ne nga dang nge sems pa ngan pa yin nog pa le In real our minds are bad in itself. mi kun ne dus dang thun de yongs de yin nog pa le ka sa with the time it has come from the people, yes. de ne sngan me mi kun ni sems pa bzang po songs pa de ne de ne cang nor So, the ancient people had good hearted minds. ca lag sag ces khyang rag khyang so zhig ma na med de yin nog pa ya le There was no competition in collecting things or wealth. dag sa mi kun nang da kho sna mi sna tshang yin nog pa ya le da kho nad dang de zugs shig zer ces shig de zugs shig gang yin nog le Now, you can say, there are also all kinds of diseases among the people, like that. de ne yi mi kun rtsog po song pa ma na mi kun la za ces thung ces So these people became very bad. They have (enough) to eat and drink, phyug po min da phyug po song pa ma na khyang rags cig dang cig ga [they] became rich, very rich and compete with each other. 16 Siehe obige Fußnote. 115 za long med khan sems pa dug po zhig ma ne yi zug ge'a ram zhig ma ne med de yin nog pa ya le [They have] no time to eat, like this, there is no comfort except unhappiness in their mind. ma ne skyid po zhig ma ne med de yin nog pa no no there is nothing at all [to be called] happiness, brother.17 tsam shig phyug po cha nang skyid po ma na med de yin nog le po ya le khyang rags po ya le [The people] become so rich, but there is no happiness at all, only competition. mchos dkon mchog po ma na nyun zhig ma ne snams ma bsams pa [They] do not think about the dharma and the (triple) gem except very little. de ne nad ma ne ci yong ngen le ka sa ju So what can be there except diseases? Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die Ursachentheorien zu Verlust und Änderung zum sehr einheitlich sind: Übereinstimmend wird geäußert, daß der materielle Reichtum der Menschen zugenommen habe und dies zu Egoismus, Konkurrenzdenken, Unfrieden und letztlich zu Unglück und Unzufriedenheit führe. 3. Das Bild der Gegenwart 3.1. Die neuen Fakten, die neuen Werte Die allermeisten Gesprächspartner und Gesprächspartnerinnen stimmen darin überein, daß sich in den vergangenen Jahrzehnten in Ladakh einschneidende Veränderungen abgespielt haben.1 Wie sehen diese neuen Fakten, wie sehen die neuen Werte in der Perzeption der Menschen konkret aus? 17 no no heißt eigentlich Junge, junger Mann (vgl. KOSHAL 1982) und wurde hier von Transkribenten (vielleicht auch als Versuch der Aufwertung der eigenen Rolle oder des eigenen Status?) als "Bruder" wiedergegeben. 1 Hier gibt es nur wenig konträre Aussagen. Z.B. behauptete ein ca. 50-jähriger, inzwischen verstorbener trekking guide, der mit einer Deutschen verheiratet war und jahrzehntelang im indischen Tiefland gelebt hatte (I-17), daß Ladakh insgesamt sehr zurückgeblieben sei. Ein junger, in Delhi ansässiger Mann (I-15), Sohn von ladakhischen Restaurantbetreibern im Buddh Vihar, der allerdings Ladakh kaum aus eigener Anschauung kennt, ist der Meinung, man könne gar nicht von Entwicklung in Ladakh reden, da diese bislang gar nicht stattgefunden habe. In Ladakh werde die traditionelle Kultur bewahrt, gleichzeitig führe die Konfrontation mit dem Fremden zur Konfusion unter den Leuten - so derselbe junge Mann. Es fällt somit auf, daß derartige Äußerungen eher von marginalen Persönlichkeiten innerhalb der Gesellschaft Ladakhs getroffen werden. 116 Zunächst soll einmal die Wahrnehmung der Einflüsse der Modernisierung allgemein untersucht werden, bevor wir auf drei die verschiedenen Fremdheitseinflüssen - (1) Indien, (2) Kashmir, (3) der Westen - im einzelnen eingehen. Insbesondere interessiert uns dabei, in wieweit diese drei verschiedenen Einflüsse als Fremdheitslast oder aber als Bereicherung des Lebens im Sinne von "Fremdheitslust" wahrgenommen werden. 3.1.1. Das zwiespältige Bild der Modernisierung Die Aussagen zu den allgemeinen Auswirkungen der Modernisierung lassen sich in folgenden Kernaussagen zusammenfassen: - - - Es gibt eine allgemeine Verbesserung der materiellen Lebensumstände, verbunden mit besseren Bildungsmöglichkeiten (I-3, I-13, , I-22, I-27, I-28, I-33, I-42, I-56, IL-76, I-77, I-79, I-81, I-82, I-84, I-85, I-91, I-94, I-96, I-104, I-106, I-108, I-109, I-110, I-116, I-122). Aufgrund der Einführung der Geldwirtschaft und zunehmenden Geldzustroms hat sich eine materialistische Lebenseinstellung verbreitet (I-10, I-13, I-80, I-82, I-102, I-105, I106, I-114). Die tradierten Familienstrukturen zerbrechen (I-10, I-13). Es hat ein allgemeiner Wertewandel eingesetzt (I-10, I-17, I-22, I-25, I-66, I-67; I-72, I75, Il-76, I-82, I-91, I-102, I-105, I-113). Es gibt einen Kultur- und Identitätsverlust bzw. die Angst davor (I-27, I-33, I-77) Ladakh ist inzwischen sehr stark von der Außenwelt abhängig (I-10, I-17, I-28). Eine Reihe von Gesprächspartnern, welche eher dem "intellektuellen Establishment" Ladakhs entstammen2, sind der Auffassung, daß Fremdheitslage nicht unbedingt mit Fremdheitslast gleichzusetzen sei. Nach Ngawang Tsering Shakspo (I-58) sind die Ladakhis weniger auf die Bewahrung der eigenen Kultur ausgerichtet als gemeinhin angenommen wird; Elijah Gergan (I-121) vertritt die Meinung, daß Ladakhis mit einem "ultranationalistischen", sehr auf die Bewahrung ladakhischer Eigenart ausgerichteten Programm nicht "hinter dem Ofen hervorzulocken" seien. Auch Abdul Ghani Sheikh (I-72) bewertet die rezenten Veränderungen in Ladakh durchwegs positiv: Insbesondere die Abkehr vom Feudalsystem sei sehr gut (vgl. Kap. B. 2.2.). Nach Veränderungen in Ladakh gegenüber früher befragt, geben viele Gesprächspartner (z.B. I-27) verbesserte Bildungs- und Erziehungsmöglichkeiten als einschneidenste Änderung an, welche zu einem veränderten Lebensstil führe. Ein Bauer aus Matho (I-8) betont, daß die 2 Namentlich Ngawang Tsering Shakspo, der Leiter der Jammu and Kashmir Cultural Academy in Leh, Elijah Gergan, der Direktor Schuldirektor der Moravian Mission School, und Präsident der Christian Association of Ladakh, sowie der Schriftsteller Abdul Ghani Sheikh, also Angehörige aller drei inzwischen "autochthonen" Konfessionen (Buddhismus, Islam, Christentum) in Ladakh. 117 zunehmende Bildung zumindest einem Teil der Bevölkerung Fremdsprachenkenntnisse vermittelt habe: Die Änderungen in Ladakh betreffen vor allem die Lebensweise und die Erziehung: Man kann jetzt im Unterschied zu früher mit den Fremden reden, bzw. einige können mit den Fremden reden, andere nicht. - Eine Bäuerin und Ehefrau eines Schamanen in Hundar (I-104) äußerte, daß Entwicklung und Modernisierung sehr gut für Ladakh seien; heute gebe es großen Fortschritt dank der Lamas und der Regierung, es gebe viel zu essen, und die Kinder könnten zur Schule gehen. Dank religiöser und weltlicher Autoritäten seien Schulbildung und moderne Annehmlichkeiten gewährleistet; es gebe rapiden Fortschritt, was begrüßenswert sei: Arbeitslose werden beschäftigt, für gute Schulbildung werde Sorge getragen. Ein in Delhi lebender Doktor der buddhistischen Philosophie (I-10) hingegen sieht in der Moderne vor allem eine Last, welche zum Zerfall der Familien, der zwischenmenschlichen Beziehungen und der Religiösität führt (I-48). Er stellt einen grundlegenden Wertewandel in Ladakh fest, welcher auf die Einführung der Geldwirtschaft zurückzuführen sei, und benennt als Elemente der Fremdheitslast eine allgemeine monetäre Orientierung gemäß der Einstellung life is money only, den leichtfertigen Umgang mit Geld, den Zerfall der Familien und der Grundwerte, mangelnde elterliche Fürsorge, Vernachlässigung der Landwirtschaft, steigende Kriminalität, Umweltverschmutzung und Krankheiten als Folge der Modernisierung sowie ein desolates, nicht ortsangepaßtes Bildungssystem. Einige seiner Äußerungen seien hier im einzelnen wiedergegeben: In Ladakh habe inzwischen eine allgemeine Geldorientierung eingesetzt, die Abhängigkeit vom Tourismus führe zur Einstellung life is money only. Nach trekking-Touren seien z.B. gegenseitige Einladungen der Bergführer üblich, bei denen Geld sehr leichtfertig (bis zu Rps. 500,-- an einem Abend mit gegenseitigen Einladungen) ausgegeben werde. Die Geldorientierung führe auch zur Gefahr von Diebstählen. Durch die Neuerungen würden viele Ehen zerbrechen, die Familien und die gesellschaftlich-kulturellen Grundwerte zerfallen: den Raub von Sakralkunst erwähnte er als besonders abschreckendes Beispiel kulturellen Verfalls. Er kritisierte die allgemeine Vernachlässigung der Landwirtschaft, den Verlust bäuerlicher Kenntnisse und die zunehmende Abhängigkeit vom "Import" und Preisschwankungen bei Lebensmitteln. Traditionellerweise habe es eine enge emotionale Verbundenheit mit den Haustieren gegeben, eine Arbeitsteilung und traditionelle Gleichwertigkeit der Geschlechter: Frauen seien für den Innenbereich, Männer für den Außenbereich (Feldarbeit oder Handelsreisen nach Tibet und Yarkand) zuständig gewesen, es habe Tauschwirtschaft geherrscht. Der Schmuck der Frauen (perak) habe als Sozialversicherung gedient; heute gebe es keine entsprechende Ausstattung der Frauen mehr (I-47). Als Folge der Vernachlässigung der Landwirtschaft befürchtet er die zunehmende Abhängigkeit der Ladakhis von unvorhersehbaren Preissteigerungen, z.B. wenn Zwiebeln Rps. 50,-- statt wie bisher Rps. 20,-- kosten, oder Speiseöl auf einmal Rps. 100,-- kostet. Die städtische Bevölkerung wisse nicht mehr, wie Felder bewirtschaftet werden, die modernen Landwirtschaftsmethoden seien ungesund: 118 verschiedene Neuerungen wie Gewächshäuser bewirkten lediglich, daß die Leute krank würden. Ohnehin gebe es eine zunehmende Zahl von Erkrankungen (Herz- und Lungenbeschwerden, Krebs) aufgrund der gestiegenen Umweltverschmutzung in Ladakh. Das Bildungssystem sei desolat, rein naturwissenschaftlich ausgerichtet und nicht an die regionalen Erfordernisse angepaßt, es gebe keine Vermittlung von Grundwerten: Die ethischmoralische Erziehung und die Vermittlung buddhistischer Werte werde im gegenwärtigen Bildungssystem völlig vernachlässigt, Buddhist knowledge should be spread to other people.3 Alle strebten nur danach, Arbeitsstellen in der Verwaltung, vornehmlich I..F.S./I.A.S. (Indian Foreign Service, Indian Administrative Service) zu erlangen. Aufgrund mangelnder elterliche Fürsorge hätten die Eltern keine Zeit für ihre Kinder, z.B. wenn diese in die Lamdon School gehen und danach fragen, ob man ihnen bei den Hausaufgaben helfen könne. - Wie der Manager des Ladakh Buddh Vihar ausführt (I-27), gibt es gegenüber früher eine größere Orientierung am Geschäftsleben: Statt Landwirtschaft herrsche Gewerbe, statt hauswirtschaftlicher Produktionsweise und Nachbarschaftshilfe herrsche inzwischen bezahlte Erwerbsarbeit auch auf den Feldern vor. Auch diejenigen Gesprächspartner, welche sich mit den gegenwärtigen Zuständen in Ladakh durchaus zufrieden zeigten (z.B. I-13: everybody is happy in Ladakh), fürchteten für die Zukunft einen Mangel an qualifizierten Arbeitsstellen für die junge Generation, steigende Arbeitslosigkeit und Ressourcenknappheit (vgl. z.B. I-94, ein Verwaltungsangestellter des Hill Councils). So hat z.B. der Vorsitzende der Ladakh Travel Association (I-13) davor Angst, daß in Zukunft aufgrund mangelnder Arbeitsmöglichkeiten viele Kinder abwandern werden und die Familienstrukturen noch weiter auseinanderbrechen. Nach seiner Meinung und eigenen Beobachtung4 haben Kinder im Westen nicht viel Gefühle für ihre Eltern. Dort lebten Kinder und Eltern in unterschiedlichen Sphären, während in Ladakh nach wie vor Familienstrukturen wie vor fünfzig oder achtzig Jahren im Westen vorherrschen. Dieselbe Entwicklung wie im Westen setze auch in Ladakh ein: oft sehen die Kinder ihre Eltern nur einmal innerhalb von Monaten. - Der zunehmende Fernsehkonsum der Kinder und die Vereinfachung aller Lebensumstände (im Sinne besserer facilities) führe zu einer materialistischen Lebenseinstellung, die Leute werden in Bewegung (busy) gehalten. - Ein Mönch aus Lamayuru (I-22) konstatiert eine allgemeine Verunsicherung in Ladakh, welche generell zu mehr trouble führe, und damit zur Zunahme der Konsultationen von Schamanen. Ein Nachteil der modernen Entwicklung sei, daß die Ladakhis ihre Kultur verlieren, so ein Bauernsohn und ehemaliger Stipendiat der Herrnhuter (I-56). Nur Leute über 60 tragen noch 3 Insgesamt stellte sich die Kritik am Bildungssystem als eine Kernaussage bei der Bewertung der gegenwärtigen Zustände in Ladakh heraus und wurde meist mit dem Einfluß der Regierung von Jammu und Kahmir (Urdu als Unterrichtssprache, keine Berücksichtigung buddhistischer Lehrinhalte im Curriculum) in Verbindung gebracht. 4 Er hielt sich auf Reisen wiederholt in verschiedenen Ländern Westeuropas auf. 119 die traditionelle Kleidung, europäische Jeans haben heute Ladakh völlig occupied. Auch die Änderung der Ernährungsgewohnheiten sei nachteilig: Alle Leute bevorzugten westliche Kleidung und westliches Essen, das lediglich den Magen fülle und keinen Nährwert habe. Reis habe die traditionellen Gerichte (z.B. skyu oder kam bir) fast vollständig ersetzt (I-56). Die Angst vor Kulturverlust (z.B. I-26) geht bei einigen Gesprächspartnern mit der Furcht vor dem Verlust der kollektiven Identität (Ethnizität) als Ladakhi aufgrund von Akkulturationsoder Assimilationsdruck einher (I-27): What I mean by "Ladakhi under India"? I feel not bad but, we got our own identity and racially we are different, we are under India and we have no problem. What I meant to say: be a Ladakhi ... Ladakhis are under India, before Ladakh was a country and of course under the king of Ladakh. Now, after independence, Ladakh is under the Indian Government. Ladakhis, when they come here, they just try to mix with Indians, forgetting their own identity. Every where change of identity change of feeling, because of being under India ... means that those who are in any place, those who are in a minority, they just try to mix up with the majority because they feel that the majority people are superior. Fast übereinstimmend wird betont, daß in Ladakh ein tiefgreifender Wertewandel stattgefunden habe, insbesondere, was das Verhältnis zur Religion (tibetischer Buddhismus) betrifft: Es gebe in Ladakh keinen richtigen Buddhismus mehr, sagte der Manager des Buddh Vihar in Delhi (I-27), es herrsche zunehmende Konkurrenz im sakralen wie im profanen Bereich, verknüpft mit Ignoranz gegenüber den buddhistischen Lehren. Heute sei der Lebenserwerb in Ladakh im Vergleich zu früher einfach, es sei easy money - but the people get spoiled (I-28, Filmemacher und Reiseveranstalter in Leh). Bis 1975 habe es keine Veränderungen gegeben inzwischen sei Ladakh sei völlig von der Außenwelt abhängig: Was würde z.B. passieren, wenn die Lebensmittellieferungen auf der Straße von Leh nach Srinagar ausbleiben? Grundsätzlich sei Modernisierung gut für Ladakh, allerdings "verderbe" der Wertewandel die Leute: Autoritätsverlust sei die Folge, die Leute würden busy und hätten mehr Probleme (I-34; dieselbe Person). Eine ganze Reihe von Gesprächspartnern beklagt den wachsenden Neid und die Mißgunst innerhalb der Ladakhi-Bevölkerung, die zunehmende Konkurrenz, Eifersucht, Ignoranz und Unruhe aufgrund steigenden Wohlstandes (I-54, IL-66, I-67, I-72, I-77, IL-78, I-80). Wie ein Mönch im Kloster Diskit (I-81) äußert, waren die Menschen früher religiöser als heute. Heute gebe es mehr materiellen Wohlstand; doch die Modernisierung führe zu nachlassendem Interesse an der Religion: Ganz allgemein habe sich das Interesse der Bevölkerung am dharma verringert, weil die Zeiten sich geändert hätten. Nach einer 65-jährigen Bäuerin in Rongjuk (I-82) sind die Veränderungen in Ladakh auch in diesem kleinen Dorf zu spüren: die Leute haben Hygiene gelernt, neue Arten der Lebensmittelzubereitung, der Kleidung usw. Einerseits ist sie zufrieden mit diesen Veränderungen, z.B. damit, daß Leute aus dem Dorf in anderen Teilen der Welt studieren und dort lernen, mit der Außenwelt umzugehen. Andererseits sehen 120 die Leute, wenn sie das Dorf verlassen, daß alle Menschen hinter dem Geld her sind, und versuchen, dem nachzueifern. Die Menschen seien heute viel konkurrenzorientierter als früher und wollten die anderen übertrumpfen - in dieser Hinsicht gibt es auch negative Effekte. Ein ehemaliger Dozent am Central Institute of Buddhist Studies meinte (I-85), daß der Fortschritt in Ladakh begrüßenswert sei - Fortschritt und Außeneinflüsse seien prinzipiell gut für Ladakh, die Menschen in Ladakh seien heute glücklich und zufrieden.6 Heute seien die tibetisch-buddhistischen Schriften der Allgemeinheit zugänglich, während ihre Kenntnis früher auf die Mönche beschränkt war, allerdings habe sich das Verhalten der Studierenden inzwischen sehr geändert, sie seien nicht mehr so disipliniert wie früher. Ferner gebe es Umweltprobleme, z.B. zunehmende Luftverschmutzung aufgrund des intensivierten KfZ-Verkehrs - LEDeG oder die LBA sollte etwas dagegen tun. Nach Aussagen eines Mönchs in Kloster Likhir (I-91) ist der Seelenfrieden (peace of mind) durch den Geldzustrom gestört. Die Menschen würden zunehmend eigennütziger, die Hilfsbereit-schaft nehme ab, die Menschen seien früher zufriedener gewesen. Auch nach Meinung einer seit mehreren Jahren in Leh ansässigen Krankenpflegerin aus Deutschland (I-102) nehmen Eifersucht und Sozialneid in Ladakh zu: Die Leute würden immer eigensinniger und ichbezogener. Der Grund dafür liege in der allgemeinen Geldorientiertheit und in Einflüssen der indischen Populärkultur. Nach Aussage eines Agronomen (I-105) in der Animal Husbandry Station in Diskit wurde früher an den Wert der Einheit geglaubt, heute hingegen gebe es zunehmendes desire: Die wesentliche Veränderung in Ladakh sei, daß die Leute sich immer mehr am Geld orientieren und bis zu ihrem Tod immer mehr haben wollten, als sie bekommen könnten, im Vergleich zu früher gebe es keine Freude und kein Glück: This is what we can see, that really speaking there is no happiness at all because people have no satisfaction and they want more and more. Even until the death they want money and wealth and every-thing. Er führt diese Verhaltensänderung auf die Fremdeinflüsse - sowohl aus dem indischen Tiefland als auch durch die westlichen Touristen - zurück. Nach Ansicht eines Mönchs und Lehrers im Kloster Diskit (I-109) hat sich in Ladakh sehr viel zum Wohle (phanthogs) der Menschen verändert; diese Veränderungen seien positiv zu bewerten (useful). Ein anderer Mönch im selben Kloster ist der Meinung, daß nur wenige Mönche den Verlockungen des westlichen Alltags verfallen würden, lediglich die jungen Mönche hätten aufgrund ihres kindlichen Gemüts das Verlangen, Filme zu sehen oder Motor- 6 In diesem Zusammenhang betonte er die seines Erachtens sehr wertvolle Arbeit von LEDeG und der Gründerin dieser Initiative, Helena Norberg Hodge. 121 rad zu fahren - er habe sogar vor, einen Fernseher anzuschaffen, um Dokumentarfilme anschauen lassen zu können. Das Curriculum der Mönchsausbildung fange früh morgens mit der Rezitation auswendig gelernter Schriften und philosophischen Debatten7 an, ab zehn Uhr beginne der Unterricht in Englisch, Hindi und Mathematik. Die Erweiterung des Stundenplans um moderne Fächer sei ein Ausdruck der modernen Zeiten. Es gebe nur wenige dropouts im Kloster; durch Einflüsse der Armee und der Westler werde die buddhistische Religion wenig beeinflußt. Ein 25-jähriger tour operator in Leh (I-118) ist der Meinung, daß die Modernisierung zu steigender Arbeitsbelastung von Frauen führe, dennoch sei bezahlte Erwerbsarbeit einfach unumgänglich: Aufgrund der Tatsache, daß immer mehr Männer Beschäftigungen außerhalb der Dörfer annehmen, steige die Arbeitsbelastung der Frauen enorm. Dennoch sollten die Männer einer bezahlten Erwerbstätigkeit nachgehen, da in den Haushalten einfach Geld benötigt wird. Gemäß einem Stipendiaten in Delhi (I-114) gab es seit seiner eigenen Kindheit viele Veränderungen in Ladakh, allerdings nicht auf den Dörfern - wo allerdings eine Straße sei, gebe es sofort Veränderungen. Dazu lassen sich auch aus meinen Feldaufzeichnungen einige Beobachtungen beisteuern: In Rongjuk, einem kleinen Dorf am Shyok im Nubra-Tal, zu dem im Jahre 2000 gerade eine offiziell noch nicht eröffnete Straße gebaut wurde, bemängelte eine Einwohnerin, daß die Leute heute sehr geldorientiert seien und keine Zeit fänden, sich an den Vorbereitungen zur Einweihung der Schule zu beteiligen. Insgesamt kümmerten sich die Menschen in den Dörfern zu wenig um Angelegenheiten von allgemeinem Belang und arbeiteten lieber im Straßenbau, da das Geld einbringe. Der Straßenbau werde auch hier zur Modernisierung führen, wenn in ein oder zwei Jahren die Straße fertig gestellt sei, sei es mit der Ruhe vorbei. Mein Mitarbeiter, ein Doktorand in Delhi, bestätigte die Vermutung, daß die Zuhause und auf dem Felde geleistete Arbeit zunehmend an Wertschätzung verliere - allein die entlohnte Arbeit zähle. Inzwischen würden die Menschen sogar ihr Vieh verkaufen wollen,8 um sich besser der bezahlten Erwerbstätigkeit widmen zu können, was natürlich einer sehr kurzfristigen Lebensplanung entspreche. 3.1.2. Aussagen zur Fremdheitserfahrung in der Konfrontation mit "Indien"9 7 Gemäß der dge lugs pa-Tradition. 8 Wie bei den Yakhaltern in Khardong, direkt an der Straße, bereits geschehen. 9 "Indien" bezieht sich in diesem Zusammenhang auf das kulturelle, sowohl hinduistisch wie moslemisch geprägte Milieu des indischen Tieflandes einerseits sowie die direkt spürbaren und erfahrbaren Einflüsse der indischen Armee und Verwaltung in Ladakh selbst andererseits. 122 Die Aussagen zur Fremdheitserfahrung bezüglich Indiens wurden in zwei unterschiedlichen Umgebungen erhoben: Zum einem im Umfeld des Buddh Vihar im Norden Delhis (1998), zum anderen in Ladakh selbst (1999/2000). Hier seien zunächst die Äußerungen wiedergegeben, welche aus der Konfrontation von Ladakhis mit der ihnen zumeist völlig fremden Umgebung in der Mega-Stadt Delhi10 erwuchsen. Delhi und der Buddh Vihar Für die Pilger sei es in der ersten Zeit völlig unmöglich, den Vihar zu verlassen, da sie mit dem Großstadtleben in Delhi überhaupt nicht zurechtkommen - so der Verwalter des Buddh Vihar (I-2). Der Manager des Vihar bekräftigte, daß es Delhi - unter anderem aufgrund der hohen Luftverschmutzung - nicht angenehm sei und die Stadt nur als zeitweiliger Aufenthaltsort für die durchreisenden Ladakhis geeignet sei, was auch ihre kurze Verweildauer erkläre (I-27). Auch stelle der Straßenverkehr eine ernsthafte Bedrohung für die Ladakhis dar und sei aufgrund ihrer mangelnden Vertrautheit mit dem Großstadtverkehr gefährlich:11 Of course for the Ladakhis it is not a good place, because if you compare the place of Ladakh with this Delhi, this is not a good place to stay here, but for example for me I am doing a job here, I am working here, that is why I am staying here, but this is not a good place to stay, because you see, Delhi is very polluted and being a Ladakhi, I feel Delhi is not a right place to stay ... Coming for few day or a month, you will not be able to differentiate a place but of course the difference between Ladakh and Delhi is huge, Delhi is o.k. to stay for few days or a month or two months, but for the lifetime it is not a good place to stay. Ladakhi people coming here stay one week, two weeks and they go to Dharamsala, they go to Varanasi, Bodhgaya and within these days they cannot differentiate the can not say that Delhi is bad place, because they do not have the experience of Delhi, within these days they see only those good places like Connaught Place and those areas. Outside of this Vihara, there is the ring road, there is a lot of traffic coming and we Ladakhis are not used to crossing such a big traffic, that is why the people they do no know how to cross the road and they meet with accidents. If you are used to it, it will not happen, but these cases are happening. Gefragt, wie es für ihn hier in Delhi sei, verwies ein Apotheker aus Basgo (I-3) auf Krach, Lärm, Verkehr, die völlig fremde Umgebung. Ein trekking guide aus Leh (I-9) beklagte die in 10 Nach Angaben von 1997 offiziell 11,3 Millionen Einwohner (THOMAS et al. 1997:193). Die tatsächliche Bevölkerungszahl dürfte um einiges höher (eventuell 15 Millionen) liegen. 11 Es gibt jeden Winter - zur Pilgersaison - durchschnittlich ein bis zwei Tote und mehrere verletzte Ladakhis auf der Schnellstraße (Mahatma Gandhi Road, die Ausfallstraße in die nördlichen Bundesstaaten Punjab, Himachal Pradesh sowie Jammu und Kashmir) vor dem Buddh Vihar. Das letzte mir persönlich bekannte Opfer war 1999 der Bibliothekar des Buddh Vihar, der von einem Verkehrsunfall einen schlecht heilenden offenen Beinbruch davontrug. 123 Indien allgegenwärtige Korruption, vor allem in Bihar. Für einen 25-jährigen Mönch aus dem Kloster Lamayuru (I-22) ist Ladakh - verglichen mit Delhi - hundred times better. Soweit es sich vermeiden läßt, verläßt er in Delhi den Buddh Vihar nicht, die Sehenswürdigkeiten der indischen Hauptstadt hält er für Blendwerk. Auch ein Schneider aus Mangyu, der sich zusammen mit seinem Großvater (60 Jahre), seinem Sohn (35 Jahre) und seiner Schwiegertochter (28 Jahre) als Pilger im Buddh Vihar aufhielt, machte deutlich (I-53), daß ihn (wie andere Ladakhis auch) sightseeing in Delhi einfach langweile. Viele Ladakhis fühlen sich nach eigenem Bekunden in Delhi überhaupt nicht wohl, z.B. ein junger Soldat, der an einem Tag sämtliche Sehenswürdigkeiten Delhis anschaute und ganz enttäuscht und gelangweilt wieder zurückkam. Bezogen auf das Alltagsleben in der unmittelbaren Umgebung des Buddh Vihar betonte dessen Manager (I-27), daß eine harmonische Beziehung zu den Hindus bestehe. Interreligiöse Eskalationen, etwa während des sehr ausgelassenen Holi-Festes, würden niemals stattfinden, es herrsche eine freundliche Atmosphäre: Yamuna is the holy river, they [the Hindus] believe, and most of the temples are built on the bank of Yamuna river, and also you will find the cremation places there - also because they think that once you are dead and you are burned near the Yamuna, it is holy. It is just a belief, and you will find this mandirs and cremation grounds always on the banks of the Yamuna, also in Varanasi near the Ganga. There is no objection to build a Buddhist temple here. [Frage] What is it when they celebrate the Holi feast, when the Hindus celebrate the Holi feast and throw colors? No, I know my friends, I can say they come and throw color on me and not on other people. They throw color on them only whom they know. Auch der bereits erwähnte Mönch aus Lamayuru (I-22) bestätigt das harmonisches Verhältnis von Hindus und Buddhisten im Buddh Vihar und seiner Umgebung: auch anläßlich des HoliFestes habe er noch nie irgendwelche Ausschreitungen oder Animositäten von Seiten der Hindus gegenüber Buddhisten erlebt. Ladakh "unter indischer Herrschaft" - eine Globalbewertung Der Manager des Budhh Vihar, welcher diesen Posten seit 1996 inne hat, äußerte - dezidierter als anderer Gesprächspartner - seine Furcht vor einem Identitätsverlust in Ladakh aufgrund der Zugehörigkeit zu Indien (I-27). Allerdings finde eine Anpassung an den Indian mainstream eher bei Studierenden als bei "einfachen Leuten" statt, er selbst habe kein Gefühl der 124 Unterlegenheit gegenüber Indern. Es sei notwendig, die eigene ethnische Identität in fremdkultureller Umgebung und das ethnische Selbstwertgefühl gegenüber der Kultur Indiens aufrecht zu erhalten, ohne seine Identität aufzugeben: Ladakhis are under India, before Ladakh was a country and of course under the king of Ladakh. Now after the independence Ladakh is under the Indian Government, Ladakhis when they come here they just trying to mix with an Indian, forgetting their own identity. Every where change of identity, change of feeling is taking place, because being under India means that those who are in any place, those who are in a minority, they just try to mix up with the majority, because they feel that the majority of the people are superior. I do not feel bad, but, we got our own identity and racially we are different, we are under India and we have no problem. What I meant to say: be a Ladakhi ... Ladakhi identities are there, but that depends on the people who feel that we should look much more Indian than Ladakhi, and that is dependent on the people who think. Students, they come here to study, and they try to mix up with the Indian, but the local people who come to visit Delhi they do not think in that way and they do not forget their identities and they think that we are Ladakhi and they do not think that we are inferior and they are superior - these things. Identity, you can identify from your outlook, also for example if I forget about Ladakh, but my look will never finish, that is why identity means how the person looks. Once I am born in Ladakh, I look like a Ladakhi, even if for the life time if I stay here, my identity will not loose. It depends on the peoples, thinking that if I try to mix up with the Indians and forget about Ladakh. O.K., to some extend I can mix up, I can speak Hindi very well, I can adopt their culture - but my identity will exist, because my look is Ladakhi, so the identity will never finish - I think so. Who are the Indians? What they can feel superior on is education, Indians are more educated, and in most of the government offices, there are Indian officers, and most of the politician and the VIPs, they are Indians. They think that Indians are more intelligent, but nowadays things are not like that, people come here, people study here and they become officer, there are so many Ladakhi officers also, and most of the people feel, like the people from villages, they feel that Indians are superior, because they are more educated, but racially they do not feel that the Indians are superior, because they know that Ladakhi people are also superior, they know the history of Ladakh. Due to education, for the education only rich people come here for their further studies. Most of the people who belong to the poor families, they cannot afford to study here, and they [the Indians] feel that they are superior to us. Education is the thing which makes superior and inferior. Because you see, if you wanted to make your child more educated, you have to send your child to study in Mussoori, Delhi, Chandigarh like this and it is very difficult and only few people can afford that. Of cause, one thing I noticed is that in Ladakh, some schools - the Lamdon School, the Mission School and the Ladakh public schools, these schools are very good. But due to competition, if I say my child is studying in Musoori or in Bangalore, they 125 feel that it is o.k., I should also sent my child there, they do not think about the education, the same education they can give your child in Ladakh also [Frage: Is that possible?] Yes, why not? For a very cheap and low expenditure, but due to competition in parents that, my child is o.k. studying in Jammu, they feel that my child will become a very good doctor, good officer, but that is not like that. It is dependent on the child's mind - I have seen so many children who finished their studies in Dehradun and they did not become a officer, they are not a good doctor or officer, but their parents expect it, and it is a pressure from their parents, and also there is no choice given to the children for example: I say to my children that you should become a doctor, whether you are interested in doctor or not, and you should become an engineer, they do not see the interest of their child, that what they want to become, if he wants to become a driver he can be a good driver - why not? And he will be more happier and he will also do very good things in that particular job, but the parents say "no" - driver is not a good job, you should become a doctor. It is a pressure and with pressure they can do nothing. I have seen so many living examples in Jammu, so many children on parents‘ pressure. This problem is in India: many of those people who speak English in India, they feel they are more educated, superior ... those who are rich, they try to speak in English because they try to show the difference, but they forget that our mother tongue is Hindi and that is more superior, that is also in Ladakh, those students who are studying in Delhi, they try to speak in Hindi more then Ladakhi, even they know that those Ladakhis, they do not know Hindi and they are trying to speak Hindi with them. Development is very important, development with the time is very important, but with the development you should not forget your own culture and identity. You should not sell your culture, your identity for the development.12 Development is very important in the field of education, of course, if one studies good things from other people, that is very important and very good, but if you forget your own important things and try to study other things that is not good. Deutlich wird in diesem Ausschnitt aus einem narrative auch das Bemühen um selbstbestimmte, eigenständige Bildungsinstitutionen in Ladakh, um dem Druck einer nationalen Homogenisierung entgegenwirken zu können. Die indische Armee und Verwaltung in Ladakh Alle Gesprächs- und Interviewpartner sind sich über die immense strategische Bedeutung von Ladakh für den gesamten indischen Subkontinent einig, z.B. der Vorsitzende der Ladakh 12 Hier ergänzte er sogleich: „Being a Ladakhi I do not know much more about Ladakh, can you imagine? I have never been to Nubra, I have never been to Zanskar, and this year only I been to Nyimu for the teaching. I am 30 year old.“ 126 Travel Association (I-13): „Ladakh is on top of India.“ Grundsätzlich wird das Wirken der indischen Armee in der Region positiv beurteilt (I-77), es sei gut, daß die Armee in Ladakh sei, heißt es (I-91). Bei fast allen Gesprächspartnern herrscht ein starker indischer Patriotismus und die Identifikation mit dem Nationalstaat vor (I-13, I-17, I-27). Eine allgemein zu hörende Äußerung war, die indische Armee treibe die Entwicklung in Ladakh voran (z.B. I13), aufgrund des Wirkens der indischen Armee gebe es einen höheren Lebensstandard als früher I-27). Der Vorsitzende der Ladakh Travel Association (I-13) sieht das Militär als wichtigsten Wandlungsfaktor an: Veränderungen würden nicht durch die westlichen Touristen, sondern durch die indische Armee bewirkt, und er sei ihr dankbar für die Bereitstellung der Infrastruktur. Zur Position Ladakhs an der indo-pakistanischen Grenze hat er eine zwiespältige Haltung: „Ladakhis are lucky, because we are on the border, but tension is always there“. Die indische Armee sei der größte Arbeitgeber in Ladakh (I-122) und sei sehr nützlich (I109), sie habe positive Veränderungen gebracht, baue Straßen (I-56, I-109) und tue viel für die Dorfentwicklung (I-109). Es gebe vor allem Vorteile durch die Armee: Transportmöglichkeiten und Gebrauchsgüter werden zu günstigen Konditionen bereit gestellt (I-104); besonders LKW-Besitzer haben Nutzen von ihr, die Armee stärkt insgesamt das Transportwesen (I-108). Die Erwerbsmöglichkeiten in der indischen Armee werden als Gewinn empfunden (I-83, Bauer in Phyang), sie bietet auch Beschäftigungsmöglichkeiten für schlecht ausgebildete Ladakhis (I-104). Ein Mönch im Kloster Dragthog (I-90) betonte, daß alle Leute in Ladakh Nutzen von der Armee hätten, sie beschütze die Grenze, die Menschen seien sehr sicher, und die Armee sei sehr freigiebig, falls irgend etwas für die gonpa benötigt werde obwohl die Soldaten keine Buddhisten seien. Positiv vermerkt wurde von einer Bäuerin in Hundar (I-104), daß auch Hindus sakrale buddhistische Plätze aufsuchen. Auch ein Mönch im Kloster Likhir (I-91) betonte, daß die Armee zur Aufrechterhaltung des Friedens in Ladakh beitrage und vielen Leuten Arbeit biete. Es sei nicht Schuld der Armee, wenn ihr sogar (ehemalige) Mönche beitreten wollten, sondern allein deren mangelnde Motivation, wenn sie die Klöster verlassen wollten. Es herrscht ein weitgehender Konsens darüber, daß die Präsenz der Armee notwendig sei und nicht störe (I-85), die Präsenz des Militärs beeinflusse die Leute nicht (I-111), und der Buddhist spirit of Ladakh werde nicht beeinträchtigt (I-114). Die Präsenz der indischen Armee bringe keine Schwierigkeiten mit sich, sie sei angesichts der Grenzlage notwendig und störe die Kultur nicht. Abgesehen davon gebe es wenige Einflüsse auf das Leben in Ladakh (I-56) und in religiöser Hinsicht weder Vor- noch Nachteile, in weltlichen Dingen hingegen nur Vorteile – so ein Mönch im Kloster Spituk (I-84). Die indische Armee sei der Bringer des Fortschritts für ganz Ladakh, man könne dies deutlich sehen, wenn man ein Dorf mit einem Armeelager in der Nähe mit einem Dorf weit ab von Militärstützpunkten vergleiche. Benefits der Armee seien z.B. Nahrungsmittellieferungen, Kerosin und die gesamte Infrastruktur, welche die Regierung von Jammu und Kashmir von sich aus nie zur Verfügung gestellt hätte. 127 Diese vernachlässige Ladakh und leiste keinen Beitrag zum Fortschritt, besonders die Klöster hätten weit mehr Nutzen vom Militär als von der Regierung in Kashmir. Auch jegliche Unterstützung für das Bildungswesen sei bislang immer von der Armee, nicht von der kashmirischen Regierung geleistet. Hilfe komme stets von der Armee, die z.B. Beschäftigungsmöglich-keiten für Schüler in ihren Camps biete. Früher zahlte die Armee nicht für Transportdienste, und die Sicherheitskräfte, welche den Leuten z.T. mit physischer Gewalt ihre Wünsche aufzwangen, waren allgemein gefürchtet, wie ein Bauer und pensionierter Schullehrer in Khardong ausführte (I-116). Diese Einstellung habe sich dank des Wirkens von Bakula Rinpoche geändert, und das Verhältnis habe sich grundlegend gewandelt: Die Armee bezahle inzwischen für Dienstleistungen, und ihr Verhältnis zur Zivilbevölkerung sei stetig besser geworden - ansonsten bestehe wenig direkter Kontakt. In einer Minderheit von Aussagen wird das Verhältnis zum indischen Militär als ambivalent beschrieben oder dessen Präsenz kritisiert, z.B. durch einen Apotheker aus Basgo (I-3) der einerseits sagte, „the dealing is good“; andererseits, es gebe „not a very good link between the army and the people“. Einerseits trage die Armee zur Güterversorgung bei und schaffe Arbeitsplätze, andererseits gebe es mutwillige Zerstörung durch Soldaten und aufgrund deren Präsenz Streitigkeiten in den Dörfern, so eine Bäuerin in Hundar (I-104). Auch ein Mönch im Kloster Sumur (I-77) räumte in einer sehr ausweichend formulierten Antwort gelegentlich Konflikte mit Militärs ein - allerdings nicht im Nubra-Tal. Ein anderer Mönch in der gonpa von Diskit (I-81) betont gute und schlechte Seiten der indischen Armeepräsenz: Zum einen würden Nahrungsmittel gebracht, zum anderen trage das Militär zu vermehrter Korruption, Schmuggel und Schwarzmarktgeschäften bei. Wie auch der oben ausgiebig zitierte Mönch im Kloster Spituk (I-84) einräumte, würden die günstigen Versorgungsleistungen der Armee hauptsächlich über den Schwarzmarkt abgewickelt. Ein Doktorand in Delhi (I-99) hob die weit verbreitete Arroganz der Armeeangehörigen und deren mangelnde Hilfsbereitschaft hervor: Wenn z.B. ein LKW eine Panne habe und deshalb die Straße blockiert sei, helfe niemand vom Militär - statt dessen werde der (zivile) Fahrer beschimpft und ihm vorgeschlagen, den LKW einfach in die Schlucht zu werfen. Ein Verwaltungsbeamter des Hill Council (I-94) räumte ein, daß die Präsenz der indischen Armee zu einem starken Akkulturationsdruck führe, welcher erst durch den Tourismus und die damit verbundene Wertschätzung der ladakhischen Kultur teilweise wieder aufgehoben worden sei. Und eine seit langem in Delhi ansässige Restaurantbetreiberin aus Ladakh (I-42) sieht greifbaren Nutzen für Ladakh vor allem vom Tourismus, weniger von der Armee. – Auffälligerweise wurden uns kritische Äußerungen zur Armeepräsenz in Ladakh vor allem von Gesprächspartnern unterbreitet, zu denen ein tieferes Vertrauensverhältnis bestand. Insgesamt überwiegt jedoch die Unterstützung der Militärpräsenz und das patriotische Gefühl, indischer Staatsbürger zu sein, und auf alle Fälle gelte, „the army is the protector“ – so 128 ein Apotheker aus Basgo (I-3) - ohne die indische Armee sähe es sehr schlecht aus. Ein Agronom in Thiksey (I-120) antwortete auf unsere Frage, warum sich so viele junge Männer beim Militär verpflichteten,13 daß Ladakhis besser für den Militärdienst in dieser Höhe geeignet seien und dieser von vielen Ladakhis als Dienst an der Gemeinschaft und für das indische Vaterland angesehen werde. Wenn es zu Zwischenfällen mit indischen Soldaten komme, sei daran der Frust dieser Soldaten Schuld: man denke nur an die israelischen Touristen, welche vor allem nach dem Abschluß ihrer Militärdienstzeit nach Indien kämen und dann ebenfalls ihren "Frust abließen". Wie ein Ladenbesitzer in Diskit (I-108) beschwichtigend erklärte, gingen die z.T. mutwilligen und willkürlichen Zerstörungen durch Armeeangehörige – besonders im hoch militarisierten Nubra-Tal innerhalb der inner line – lediglich auf einige "Verrückte" innerhalb des Militärs zurück. Bezüglich der Rolle der indischen Zentralregierung in Ladakh sieht ein Angestellter des Hill Council (I-94), der nebenberuflich auch Verwaltungsangelegenheiten der Klöster in Thiksey und Stakna bearbeitet, die Notwendigkeit stärkerer Unterstützung durch die indische Bundesregierung für die ladakhischen Buddhisten, welche eine kleine bedrohte Minderheit seien. Ein guest house-Betreiber in Leh (I-67) betont demgegenüber den grundlegend demokratischen Charakter der indischen Institutionen – dies besonders im Gegensatz zu Pakistan und zur Volksrepublik China. Auswirkungen der wirtschaftlichen Einbindung in den indischen Staat und Einflüsse der indischen Populärkultur Wie ein Mönch aus Lamayuru (I-22) ausführt, herrschte unter den Ladakhis früher nur mangelhafte Vertrautheit mit den Verhältnissen in Indien: “The people of Ladakh were [formerly] not exposed to India, they are too honest“ – Das führe dazu, daß auch heute noch viele Ladakhis übervorteilt würden. Auf dem Arbeitsmarkt hingegen gebe es keine Konkurrenz durch qualifizierte Inder, die Jobs übernehmen könnten – so der Vorsitzende der Ladakh Travel Association (I-18). Auch die Präsenz der coolies aus dem Tiefland wird von ihm nicht als Konkurrenz angesehen: Unsere Suggestivfrage, was denn mit den vielen „Fremdarbeitern“ (Nepalis und Biharis) sei, die jedes Jahr zur Sommersaison nach Ladakh strömen, beantwortete er mit „this is not the kind of jobs which the Ladakhis do“.14 13 Obwohl doch die Ereignisse im Frühsommer 1999 (Grenzkrieg in Kargil mit erheblichen Verlusten bei den Ladakh Scouts) die Gefährlichkeit des Militärdienstes vor Augen geführt hätten. 14 Zu dieser Einschätzung (I-18) mag auch beitragen, daß die Autonomiegesetzgebung für den Bundesstaat Jammu und Kashmir innerhalb Indiens (und damit selbstverständlich auf für Ladakh) den Landbesitz und die dauerhafte Ansiedlung von Zivilisten aus dem Tiefland verbietet und das winterliche Klima in Ladakh für die allermeisten Inder aus dem Tiefland zu abschreckend sein dürfte. 129 Unsere Beobachtungen in Ladakh zeigen demgegenüber jedoch das Ausmaß auf, in dem die Ladahhis von der populären indischen Medienkultur überschüttet werden, so daß kulturelle Minderwertigkeitsgefühle – und damit auch der Drang zur Angleichung und Nachahmung kaum vermeidbar sein dürften.15 Nach Einschätzung einer seit Jahren in Ladakh ansässigen westlichen Ausländerin (I-102) werden die Leute in Ladakh immer eigensinniger und ichbezogener - Schuld daran sei auch der Einfluß der populären indischen Kultur. Dieser Gefahr der Angleichung an die indische Mehrheitskultur scheinen sich auch viele Ladakhis bewußt zu sein: Auf die Frage, was passiert, wenn die gut ausgebildeten Leute nach Delhi, Bangalore oder eine andere Stadt des indischen Tieflandes gehen und dort ganz anderen kulturellen Einflüssen ausgesetzt sind, antwortet ein Student des Central Institute of Buddhist Studies in Choglamsar (I-103), daß es wichtig sei, der eigenen Kultur treu zu bleiben und nur die positiven Aspekte fremder Kulturen aufzunehmen. Und eine Restaurantbetreiberin im Buddh Vihar in Delhi (I-42) betont, daß sie ihre Identität als Ladakhi auch dort aufrecht erhält: Ihre Heimat sei nach wie vor Ladakh; dort leben ihre drei Schwestern und vier Brüder, und sie beabsichtige, dorthin mit ihrem Mann zurückzukehren. 3.1.3. Aussagen zur Fremdheitserfahrung in der Konfrontation mit Kashmir und „den Moslems" Bezogen auf das Verhältnis von Moslems und Buddhisten in Leh ist eine der augenfälligsten Erscheinungen im Alltagsleben von Leh der "akustische Krieg" zwischen beiden Konfessionen: Nachdem zunächst in der Freitagsmoschee (jama masjid) neue Lautsprecher aufgestellt worden waren, gingen die Buddhisten dazu über, von ebenfalls neu installierten Lautsprechern im Haupttempel (jo khang) aus permanent mantras abzuspielen, um ein akustisches Gegengewicht zu den Allahu-akbar16-Rufen und Koransuren zu schaffen.17 Im folgenden sollen Äußerungen von fast ausschließlich buddhistischen Ladakhis selbst zum interreligiösen Verhältnis wiedergegeben werden. Die buddhistischen Ladakhis unterscheiden diesbezüglich nur wenig zwischen ladakhischen Moslems auf der einen Seite (Purigpa-, Balti-, Ladakhi- und Urdu-Sprechern, Sunniten und Schi'iten; vgl. Kap. A.2.) und den Moslems 15 Der Drang zur Angleichung an die indische Populärkultur fiel uns besonders anläßlich eines dörflichen Festes zur Einweihung einer neuen Schule auf: Ein junger Mann zeichnete sich dabei durch eine break-dance-Einlage aus, bei der er den englischen Refrain eines aktuellen Kinofilms beständig wiederholte und die Bewegungen des Film-Heroen fast perfekt nachahmte. – Ähnliche Versuche, der indischen Populärkultur im Habitus nachzueifern, werden bereits in den Publikationen von NORBERG-HODGE (1991) erwähnt und in ihrem Film Ancient Futures deutlich vor Augen geführt. 16 Allahu akbar –„Gott ist groß“, zentraler Bestandteil des moslemischen Glaubensbekenntnisses. 17 Vgl. auch eine Karikatur aus Ladags Melong Nr. 1 / 4, 1996:3. 130 aus dem Kashmir-Tal auf der anderen Seite - beide werden meist pauschal der Kategorie ka che oder ka chul pa zugeordnet.18 Von daher erschien es berechtigt, die Äußerungen sowohl zur Fremdheitserfahrung durch die auswärtigen Moslems aus dem Kashmir-Tal als auch bezüglich der Erfahrungen mit den in Ladakh ansässigen Moslems19 in einem Themenkomplex zusammenzufassen.20 Wie auch in weitergehenden persönlichen Befragungen festgestellt werden konnte, werden im Rahmen der für den tibetischen Kulturraum typischen Dichotomisierung von nang pa versus phyi pa (gesprochen [chipa]) alle Moslems letztere Kategorie zugeordnet, der Begriff nang-pa wird hingegen ausschließlich auf buddhistische Ladakhis angewandt.21 Die Bandbreite der individuell sehr verschieden akzentuierten Äußerungen zum Verhältnis von Buddhisten (nang pa) zu Moslems (ka che, ka chul pa, phyi pa) läßt sich dabei einordnen zwischen den Polen Normalisierung und Harmonisierung der Beziehungen zwischen Buddhisten und Moslems einerseits und „Die Moslems“ als Bedrohung andererseits. Dahinter steht die Diskriminierung Ladakhs und seiner Bevölkerung durch die Regierung von Jammu und Kashmir. Normalisierung und Harmonisierung der Beziehungen zwischen Buddhisten und Moslems Einige Ladakhis meinen, es herrschten weitgehend harmonische Beziehungen zwischen Buddhisten und Moslems. Das mag in der Vergangenheit, zu Zeiten des Sozialboykotts und der darauf folgenden Auseinandersetzungen, nicht so gewesen sein - die Situation habe sich inzwischen jedoch wieder normalisiert. So erwähnte ein Apotheker aus Basgo (I-3), daß interreligiöse Verhältnis zwischen Buddhisten und Moslems sei gut – im Leh District gebe es keine Beeinträchtigung durch Moslems, grundsätzlich herrsche ein friedliches Verhältnis der beiden Religionen zueinander („generally peace in Ladakh“), persönlich habe er keine Vorbehalte gegenüber Moslems, auch nicht gegenüber Kashmiris, und durchaus gute Beziehungen zu ladakhischen Moslems. Zwischen Buddhisten und Moslems sei inzwischen wieder 18 Der Ausdruck für Moslem im allgemeinen lauet im Ladakhi kha ce oder kha che (HAMID 1998:19), der Ausdruck für Kashmiri kha chul pa (ebd., NORMAN 1994:17), beides wird jedoch im alltäglichen Sprachgebrauch häufig synonym verwandt (kha che für Kashmiri, vgl. HAMID 1998:19). Hinzu kommt, daß die Dichotomie von Buddhist (= nang pa) und Moslem (kha che, kha chul pa) zusätzlich von der Dichotomie nang-pa (= insider) versus chi pa (= outsider) durchkreuzt wird - letzteres wird gelegentlich nicht allein für Fremde aus "dem Westen", sondern auch für Moslems (vgl. DERS.:169), Inder aus dem Flachland oder outsider jeder Art (inklusive Pakistanis!) verwandt. – Im Einklang damit wird ferner tendenziell ladakhische Identität mit dem Bekenntnis zum Buddhismus (= nang pa) gleichgesetzt (vgl. BERTELSEN 1997a, 1997b, 1997c). 19 Welche ja im engeren Sinne keine "Fremden", sondern Teil der Ladakhi-Bevölkerung sind. 20 Eine Zwischenstellung nehmen dabei die Moslems des Bezirks Kargil (Purig pa-Sprecher) ein. 21 Dies im Sinne von nang pa = insider als Anhänger der Lehren des Buddha. In seltenen Fällen findet sich auch die Verwendung des Begriffs nang pa für Inder oder indische Staatsangehörige – in den erhobenen narratives vor allem im Zusammenhang mit dem Kargil-Konflikt von 1999. 131 eine gewisse Annäherung zu verzeichnen, z. B., wenn Moslems auch Bod-yig22 lernen - so ein Doktor der Philosophie in Delhi (I-10). Nach Meinung des Vorsitzenden der Himalayan Buddhist Cultural Association (I-26) bestehe keine Bedrohung von Seiten Jammus und Kashmirs oder des Westens, solange die traditionelle Kultur Ladakhs bzw. Zanskars23 bewahrt bleibe. Auch der Manager des Buddh Vihar (I-27) war der Meinung, daß der Islam keine Beeinträchtigung darstelle und es keinen schwerwiegenden moslemischen Einfluß im buddhistischen Ladakh gebe. In diesem Zusammenhang kam er sogleich auf das Thema der Konversion vom Buddhismus zum Islam zu sprechen: Eine tatsächliche, tiefgründige religiöse Konversion aufgrund rein finanzieller Erwägungen sei nicht möglich,24 deshalb sehe er in vermeintlichen Konversionen aus rein materiellen Beweggründen keine Gefahr für die buddhistische Lehre, weil diese der Essenz der Religion nicht schaden könnten: For religion there is no danger, as far as I think, because religion is one thing nobody can change. If you do not study religion, the next people will study it. It will not finish, there is no danger for religion. .. Muslim influence is not there at all, because Buddhists are in the majority in Ladakh - that is why there is no danger of the influence of another religion. Of course, there are so many cases of converting some Buddhists to Muslims, but it will not have much effect on the Buddhist religion. A few cases are there, for example, there are some Buddhist girls married to Muslims just for the sake of money, not for the religion. If I say I want to become a Muslim, not for the money, but just to know the religion - there is good things in Islam - that is why I change, but if I want to become a Muslim for the sake of money, if you are giving me money, it will not change my mentality. If you want to become a Buddhist, if you study Buddhism so that you are mentally prepared for a change - if I say: if you become a Buddhist I will give you money, I will give you a house, I will give you a good girl - that is not the change I think of. You cannot change the mentality of a man by giving him money and this thing and that thing. Ein Filmemacher und Reiseveranstalter aus Leh (I-28) erwähnte, daß Buddhisten und Moslems früher ihr Fleisch gemeinsam in einem Topf kochten. Nach den interreligiösen Zwistigkeiten träfen sich Buddhisten und Moslems in Ladakh seit drei oder vier Jahren wieder auf einer gemeinsamen Ebene.25 Ein Indiz für das verbesserte Verhältnis zwischen den Konfessionen sei, daß der Vorsitzende des Hill Councils, Thupstan Chhewang, beim Besuch des in22 23 24 Eigentlich tibetische Schrift, von Bod = Tibet und yigs = Buchstabe (vgl. KOSHAL 1982), meist im Sinne von tibetischer Sprache und Schrift gebraucht, wobei stillschweigend vorausgesetzt wird, daß Ladakhi auch Tibetisch sei oder zumindest seine geschriebene Form mit dem Tibetischen identisch sei. Er selbst stammt aus dem Kloster Phuktal in Zanskar. Hintergrund dieser Äußerung ist, daß den moslemischen Ladakhis die Möglichkeit offen steht, als Arbeitsmigranten in den Golfstaaten zu arbeiten und deshalb größeren finanziellen Reichtum anzuhäufen. 25 Das Gespräch fand im Dezember 1998 statt. 132 dischen Ministerpräsidenten Atal Bihari Vajpayee am 6. Dezember 1998 in Leh den Scheduled Tribes Status für die Argons gefordert habe.26 Abgesehen von der Agitation von 1989 sei das Verhältnis zwischen Buddhisten und Moslems generell friedfertig - so ein Bauernsohn und ehemaliger Stipendiat der Herrnhuter (I-56). Wie ein guest house-Betreiber in Leh (I-67) äußerte, seien die Konflikte mit den Moslems inzwischen bereinigt und zuvor auf die Zeit der Agitation für "einen eigenen district" beschränkt gewesen.27 Gemäß Aussage eines Mönches im Kloster Sumur (I-77) seien Moslem-Einflüsse nur dann spürbar, wenn "die Rinpoches in die Politik gingen". Gelegentlich (insbesondere zur Zeit des Besuchs des Dalai Lama in Ladakh im Mai 1999) wurde die Ansicht geäußert die interreligiösen Auseinandersetzungen seien durch den Einfluß des Dalai Lama beendet worden, und inzwischen gebe es auch keine Kämpfe zwischen den Religionen mehr - es waren schwere Zeiten und es war "nicht gut", als Buddhisten und Moslems Konflikte miteinander hatten - so ein ehemaliger Dozent am Central Institute of Buddhist Studies in Choglamsar (I-85) - die vielen Besuche des Dalai Lama hätten sich in dieser Hinsicht als sehr förderlich erwiesen. Ein Mönch im Kloster Spituk (I-84) ist sogar der Meinung, daß im Vergleich zu anderen Teilen Indiens28 sehr gute interreligiöse Beziehungen in Ladakh herrschen. Die Beziehung zwischen Buddhisten und Moslem seien gut, es gebe manchmal befristete Verstimmungen, aber abgesehen von einigen "Mißverständnissen" keine großen Spannungen: Das sei so wie in einer Familie, wo es auch manchmal "Knatsch" gebe und die Leute manchmal tagelang nicht miteinander redeten. Nach Aussage eines thangka-Malers und Kunsterziehers in Choglamsar (ebenfalls am Central Institute for Buddhist Studies; I-96), sind die moslemisch-buddhistischen Beziehungen an sich nicht schlecht, wohl aber das Verhältnis zur Regierung von Kashmir. Nach Meinung einer 50-jährigen Bäuerin und Ehefrau eines Schamanen in Hundar (I104) sei der interreligiöse Konflikt zwischen Moslems und Buddhisten inzwischen beigelegt: Die Beziehung zu den Moslems im eigenen Dorf hätten sich inzwischen normalisiert, und man teile alles. Im Nubra-Tal sei das Verhältnis zu den wenigen hier lebenden Moslems auf einer persönlichen, individuellen Ebene (face to face relations) sehr gut. Auch ein Ladenbesitzer in Diskit (I-108) betonte die guten Beziehungen zur benachbarten Moslembevölkerung, vor allem in seinem Heimatdorf Largyab, weil es dort keine interkonfessionellen Heiraten 26 27 Vgl. Ladakh Studies 11 (1999:6). Scheduled Tribes ist der Ausdruck für staatlich registrierte und anerkannte „Stämme“ im indischen Verwaltungssystem, Argons ist die Bezeichnung für die moslemische, uighurisch-ladakhische Mischbevölkerung in Leh und Umgebung (vgl. Kap. A.1.). Gemeint ist hier die Agitation für den Union Territory Status für Ladakh, welche im Frühling und Sommer 2001 erneut aufgenommen wurde. 28 Wohl als Hinweis auf die beständigen, z.T. gewalttätigen Auseinandersetzungen (riots) zwischen Hindus und Moslems im Tiefland zu verstehen. 133 gebe. Derselben Meinung ist ein Mönch im Kloster des Ortes (I-109): Das interreligiöse Verhältnis in Ladakh sei inzwischen sehr gut, es gebe lediglich gelegentlich Konflikte auf individueller Ebene, welche von Angehörigen der NGOs schnell gelöst werden. Auch mit den Moslems aus dem Kashmir-Tal solle eine gute Beziehung aufrechterhalten werden, da von dort viele wertvolle Dinge kommen. Nach Meinung eines Schamanen in Hundar (IL-111) gehören die Kontroversen zwischen Moslems und Buddhisten der Vergangenheit an: Heute seien die Beziehungen zwischen beiden Religionen gut; nur gelegentlich gibt es Auseinandersetzungen auf individueller Ebene - so ähnlich wie in einer Familie auch. Auch nach Meinung eines 24-jährigen Stipendiaten in Delhi (I-114) gibt es keine offenen Konflikte mit Moslems. Und wie ein Bauern und pensionierter Schullehrer aus Khardong (I-116) sagte, seien in Ladakh die Menschen - sowohl Buddhisten als auch Moslems - sehr religiös und hielten sich auch an die Gebote. „Die Moslems“ als Bedrohung Demgegenüber gibt auch viele narratives, in denen Moslems als Bedrohung, z.T. sogar explizit als Feinde (I-90; I-103) benannt werden. Im Zusammenhang damit wurde häufig geäußert,29 daß die Heiratspolitik der Moslems30 zu ihrer Bevölkerungszunahme und zur demographischen Verschiebung des Verhältnisses zwischen den Angehörigen beider Konfessionen führe: "Muslim? The population of Muslims will be very soon increasing in Ladakh, but do not ask for the reason [leicht verlegenes Gelächter]." Zum Teil habe es zwangsweise Konversionen von buddhistischen Frauen gegeben (z.B. I-3, I-111). Ein Apotheker aus Basgo beklagte die Beeinträchtigung durch Moslems in Ladakh, insbesondere durch die MoslemDominanz im Bezirk Kargil. Er erwähnte von sich aus die zahlreichen Konversionen zum Islam und die Vergewaltigung einer 16-jährigen jungen Frau 1998 im Nubra-Tal. Gerüchteweise habe er gehört, daß Moslems magische Mittel anwendeten, um heiratswillige Buddhistenfrauen zur Konversion zu bewegen, außerdem locke der finanzielle Hintergrund vieler Moslem-Männer, die in den Arabischen Emiraten gearbeitet hätten. Somit mache sich die finanzielle Dominanz der Moslems auch auf dem Heiratsmarkt bemerkbar. 1988 habe es Zwischenfälle zwischen Angehörigen beider Religionen gegeben, diese Spannungen zwischen den Religionsgemeinschaften seien schlecht: “communal tension [is]... very bad, but in 1988 communal tension raised“: Zuerst sei nur eine Gruppe davon betroffen gewesen, dann alle Gruppen innerhalb der ladakhischen Gesellschaft. Diese Erfahrungen der Vergangenheit seien auch der Grund dafür gewesen, daß sich der Zwischenfall von 1998 zu einem Ereignis von überregionaler Bedeutung entwickelt habe. 29 I-3, I-33, I-75, I-118. 30 Nutzung des ökonomischen Übergewichtes bei der Brautwerbung; keine Geburtenkontrolle, infolgedessen größere Kinderzahl, kein Mönchswesen und als Relikt Polygynie statt Polyandrie wie bei den buddhistischen Ladakhis. 134 Zum Verhältnis von Buddhisten und Moslems befragt, verwies ein junger Doktor der Philosophie in Delhi (I-10) auf increased tension seit dem Sozialboykott von 1989, der Vorsitzende der Ladakh Travel Association (I-13) benannte den Religionskonflikt implizit als derzeitiges Hauptproblem Ladakhs: „[I am] ...happy when there is no tension between the two religious groups.“ Es gebe starke Differenzen zwischen Buddhisten und Moslems, wobei die interreligiösen Spannungen von Moslems hervorgerufen würden („tensions are caused by Muslims“) - z.B., wenn sie keine Musik bei Festen erlaubten. Eine Verstärkung religiöser Aktivitäten sei allerdings auf beiden Seiten nicht sichtbar. Der 21-jährige Sohn von ladakhischen Restaurantbetreibern im Buddh Vihar (I-15) ist der Meinung, daß der Konflikt mit „den Moslems“ zur Beeinträchtigung des Tourismus beiträgt. Ein Mönch aus dem Kloster Lamayuru (I-18) befürchtete explizit die moslemische Überfremdung Ladakhs aufgrund der mangelnden Ausprägung einer ladakhisch-buddhistischen Identität und betonte die Notwendigkeit der Unterrichtung über die eigene Kultur zur Stärkung der eigenen Identität, „otherwise there will be no Ladakh to be invaded [by Muslims]“ (I-22). Auch ein onpo aus Saspol beklagt den steigenden Einfluß von Moslems (I-25): Er respektiere ihren Glauben, so sagte er, hasse aber ihre Gewalttätigkeit gegenüber Mensch und Tier. Angeblich seien nach dem Glauben der Moslems Tiere einzig dazu da, von den Menschen geschlachtet und gegessen zu werden, was er in dieser Form nicht billigen könne. Nach Ansicht eines Filmproduzenten und Reiseveranstalters aus Leh (I-28) eskalierte das Verhältnis von Buddhisten und Moslems in Ladakh durch den Einfluß kashmirischer Moslems bis 1989 zum Sozialboykott. Diesen sieht er als biggest setback in der bisherigen Geschichte Ladakhs an, womit das Rad der Entwicklung um 35 Jahre zurückgedreht worden sei (I-51).31 Nach Meinung eines Bauernsohnes und ehemaligen Stipendiaten der Herrnhuter (I-56) mache sich im Alltagsleben der islamische Einfluß vor allem bei der Kleidung der Frauen bemerkbar, welche sich erst seit ungefähr zehn Jahren merklich von der buddhistischer Frauen in Ladakh unterscheide. Die Beziehungen zwischen den Konfessionen seien vor allem von der Haltung der religiösen Führungspersönlichkeiten abhängig, deren Autorität die Menschen sowohl die Buddhisten wie die Moslems - rückhaltlos akzeptieren. Wie ein guest house-Betreiber in Leh (I-67) äußerte, gebe es gravierende Nachteile des buddhistischen Erziehungssystems gegenüber dem moslemischen, welches sehr viel straffer sei: Die Inhalte des Koran würden von Grund auf an alle Kinder vermittelt, während buddhistische Kinder lediglich beim Eintritt in ein Kloster mit den wesentlichen Glaubensinhalten ihrer Religion vertraut gemacht würden. Ein Mönch im Kloster von Diskit im Nubra-Tal (I-81) hält das Verhältnis zwischen Moslems und Buddhisten für sehr konfliktträchtig: Auch 31 Weiterhin denkt er, daß die Agitation der ladakhischen Buddhisten das Vorbild für die Agitation der Kashmiris in den 1990er Jahren gewesen sei. 135 wenn offiziell gern behauptet werde, das Verhältnis sei gut, entspräche dies nicht den Tatsachen. Eine harmonische Beziehung zwischen Buddhisten und Moslems könne es auch gar nicht geben, da die beiden Religionen zu verschieden und völlig gegensätzlich orientiert seien. Gleichzeitig beklagte er die Arroganz der Moslems, welche sich immer als etwas besseres als die Buddhisten fühlten. Die Einheit der Buddhisten untereinander und Vertrauen in die Religion seien nötig, um dem entgegenzuwirken. Ein Schamane in Diskit (IL-103) sieht sowohl die Regierung von Jammu und Kashmir als auch die Moslems allgemein als den äußeren Feind an: Die Regierung von Jammu und Kashmir und die Moslems versuchten immer, Ladakh im Dunkeln zu halten: "There is an outside enemy, they32 always try to keep the Ladakhis in darkness." Nach Aussage eines thangka-Malers und Kunsterziehers in Choglamsar33 werden Buddhisten von Moslems diskriminiert und herablassend behandelt - auch wenn sie lediglich für ihre eigenen Rechte eintreten. Insbesondere das Pilgerwesen jedoch unterstütze die Einheit der Buddhisten: Durch das Pilgerwesen sähen die Menschen, wie viele der ursprünglich buddhistischen Kultstätten in Indien von Moslems zerstört worden seien, und sie würden sich der ehemals buddhistischen Vergangenheit Indiens bewußt. So könne die Pilgerschaft als Anschauungsunterricht dienen, um zu zeigen, wohin mangelnde Einheit unter Buddhisten führe: There will be a benefit from that: to live in unity (cik dil), because we can see what other people do. And second, many places belonged to Buddhists in India, and when people see the ruins (zhig-dal), they feel that they will never let it happen again. For example, I myself went with my wife and my children – they also felt (sams), if we Ladakhis do not live in unity (cik-dil), our monasteries will be destroyed (shik-ces) like this. When they asked me like this, I felt very very happy (rde-mo tsor). Even this year, there were many pilgrims, and among them, many young people talked like that. In India, our Buddhist places like Bodhgaya and other places are very much ruined – they might have been destroyed due to disunity (cik-dil ma-lus-pa) among the Buddhist. When we tell this to the young people, they also think: if we do not live in unity, it will happen to the monasteries in Ladakh. The Muslims are very prosperous (gyas-dug) wherever there are Buddhists in India – the same thing will happen to us also, if we are not united. Now, even the young people - although they do not know much about Buddhism –, they say, that the Buddhists should become better (nang-pa rgyal-la cha-gos). The reason for saying this is that they must have seen these things in India. Nach Aussage eines Schamanen in Khardong bestehe das Hauptproblem im Zusammenleben mit Moslems in der Bereitschaft buddhistischer Frauen, Moslems zu heiraten - wenn sich 32 "He must be referring to the Jammu and Kashmir state, especially the Muslims," ergänzte der Übersetzer hier. 136 buddhistische Frauen mit allen möglichen Männern einließen, führt das auch zu zunehmenden Krankheiten. Ein guest house-Betreiber in Leh (I-124) erwähnte als negativen Umstand die demographische Verschiebung der vergangen Jahre, die zu einer Moslem-Mehrheit geführt habe. Es gebe viele Arten und Weisen, auf welche die Moslems versuchten, im buddhistischen Ladakh Einfluß zu gewinnen: z.B. sei das gesamte Transportwesen in moslemischer Hand - in den Bussen würden häufig keine Fahrscheine ausgestellt, das Fahrgeld fließe direkt in die Taschen der Betreiber, welche später mit dem Argument, zu wenig Fahrgäste zu befördern, Subventionen kassierten. Abgesehen von dieser Äußerung wird ökonomische Konkurrenz nur in einer geringen Zahl von narratives (I-33; IL-111; I-116) offen angesprochen. Die Moslem-Bevölkerung im Nubra-Tal sei zwar immer klein, aber gleichzeitig auch sehr reich gewesen (IL-111); Ngawang Tsering Shakspo von der Cultural Academy in Leh (I-87) führte im Zusammenhang mit dem allgemeinen Wandel in Ladakh an, daß die Moslems im Vergleich zu den Buddhisten vorausschauender planten. Die Buddhisten haben nach seiner Aussage nach wie vor die meisten Ressourcen an Acker- und Bauland in ihrer Hand, und das sei gut so. Andererseits zeige sich, daß die landlose Bevölkerung - im wesentlichen Moslems und tibetische Flüchtlinge - zu sehr viel mehr Geld kämen als die alteingesessenen Bauern, was natürlich auch zu einem generellen Wertewandel bezüglich des Stellenwertes der Landwirtschaft führe. Die Diskriminierung Ladakhs und seiner Bevölkerung durch die Regierung von Jammu und Kashmir In vielen Aussagen ist zu hören, die Regierung von Jammu und Kashmir vernachlässige Ladakh und lasse die Ladakhis auf allen Ebenen - politisch, kulturell, ökonomisch - ins Hinterteffen geraten: "They always try to keep us in darkness." (IL-103), und die Regierung von Kashmir funktioniere nicht ("politics are not running smoothly"; I-8). Auch das Autonomous Hill Council hat daran nicht so viel ändern können; der Union Territory Status wäre besser für die Region. Überdies versuche die Regierung von Jammu und Kashmir, führende buddhistische Rinpoches (Thiksey Rinpoche, Togdan Rinpoche) für die Zwecke der regierenden National Conference Party einzuspannen (I-77) - in diesem Zusammenhang wird häufig grundsätzliche Kritik am Engagement von hohen buddhistischen Klerikern in der Politik laut. Nach Meinung eines jungen Mannes aus Basgo (I-3) sind alle drei Religionen (Hinduismus, Islam, Buddhismus) wichtig für die Leute; allerdings werde der Buddhismus durch die Regierung von Jammu und Kashmir vernachlässigt. Die Zugehörigkeit Ladakhs zu Jammu und Kashmir befürwortet er nicht - im Falle der Unabhängigkeit Kashmirs von Indien würde seiner Meinung nach Ladakh einen eigenen Bundesstaat bilden. Die größere Unabhängigkeit Ladakhs von Jammu und Kashmir befürwortet auch ein Verwaltungsbeamter aus Tingmos33 Beschäftigt am Central Institute for Buddhist Studies; I-96. 137 gang (I-7): In diesem Bundesstaat gebe es Jammu, Kashmir und Ladakh als drei verschiedene Regionen, er sprach sich entweder für den Anschluß Ladakhs an Himachal Pradesh oder einen ähnlichen Status wie Sikkim für die Region aus. Ein junger Doktor der Philosophie in Delhi (I-10) beklagte, daß statt des ursprünglich erwünschten und geforderten Union Territory Status für Ladakh lediglich ein Hill Council eingerichtet worden sei, die Aktivisten des damaligen Union Territory Movements würden heute noch bei der Besetzung öffentlicher Ämter in Jammu und Kashmir diskriminiert. Auch nach Meinung des Vorsitzenden der Ladakh Travel Association (I-13) werden die Probleme Ladakhs vor allem durch die Moslemdominierte Regierung von Kashmir hervorgerufen, welche Ladakh vernachlässige. Um dem entgegenzuwirken, sei der Hill Council eingerichtet worden. Dieser sei ein großer Unterschied zum ursprünglich angestrebten Union Territory Status und bringe in erster Linie steigenden Verwaltungsaufwand, der Hill Council stelle zwar eine Verbesserung der Situation dar, aber keine echte Autonomie. Die Regierung von Jammu und Kashmir benachteilige die Buddhisten von Ladakh, der Konflikt sei von Politikern hervorgerufen worden und müsse infolge dessen auch von diesen gelöst werden. Der 21-jährige Sohn von ladakhischen Restaurantbetreibern im Buddh Vihar (I-15) ist der Meinung, daß die konfliktträchtige Situation in Kashmir im großen und ganzen dazu beitrage, den Touristenstrom in Grenzen zu halten. Insgesamt werde jedoch die gesamte ladakhische Bevölkerung durch die Regierung von Jammu und Kashmir mißachtet, aufgrund der Kashmir-Krise gebe es rückläufige Tendenzen im Tourismusgeschäft. Nach Meinung eines Bauernsohnes und ehemaligen Stipendiaten der Herrnhuter (I-56) ist der Einfluß des Bundesstaates Jammu und Kashmir vor allem mit der islamischen Beeinflussung der buddhistischen Ladakhis verknüpft, welche allerdings weiter zurückreichende historische Ursachen habe. Wie ein Mönch im Kloster Sumur (I-77) ausführte, versuche der kashmirische Ministerpräsident Farooq Abdullah und seine Partei, die National Conference, die Buddhisten Ladakhs durch Vereinnahmung von Rinpoches zu kontrollieren, und kritisierte generell das Engagement der Rinpoches in der Politik. Ein Mönch im Kloster Spituk (I-84) kritisierte, daß die Staatsregierung Ladakh vernachlässige: Kashmir leiste keinen Beitrag zum Fortschritt in Ladakh, besonders die Klöster hätten weit mehr Nutzen von der indischen Armee als von der Regierung von Jammu und Kashmir. Jegliche Unterstützung, insbesondere für das Bildungswesen, sei bislang immer von der Armee, nicht von der kashmirischen Regierung geleistet worden. Nach Aussage eines Kunstlehrers in Choglamsar (I-96), welcher sehr entschieden buddhistische Positionen vertrat (insbesondere, was das Verhältnis zu den Moslems und den Schamanismus betraf), sind die moslemisch-buddhistischen Beziehungen an sich nicht schlecht, wohl aber das Verhältnis zur Regierung von Kashmir: Die Regierung von Kashmir versuche, die Buddhisten zu spalten und Rinpoches34 auf ihre Seite zu ziehen, deshalb sollten sich die Buddhisten zusammenschließen und verstärkte Erziehungsbemühungen unternehmen. 34 Implizit deutete er an, daß dies auf dem Wege der Bestechung geschehe. 138 Auch ein junger Agronom in der Animal Husbandry Station von Diskit im Nubra-Tal (28 Jahre alt; I-105) sprach von der Benachteiligung Ladakhs durch die Regierung von Jammu und Kashmir: Da diese moslemisch dominiert sei, habe sie kein Interesse an der Entwicklung Ladakhs - Ladakh bekomme nicht die administrative und finanzielle Förderung, die ihm zustehe. Die Einrichtung des Hill Councils habe zu spürbaren Verbesserungen dieser Situation (running smooth now) geführt, weil es von Buddhisten bestimmt sei. Vor dem Hill Council könne nun nichts mehr verborgen werden, obwohl dieses noch nicht die vollen, ihm zustehende Befugnisse habe, anzustreben sei der Union Territory Status für Ladakh. Auch nach Meinung eines 24-jährigen Stipendiaten in Delhi (I-114) gibt es eine allgemeine Vernachlässigung Ladakhs durch die Regierung von Jammu und Kashmir; das Hill Council funktioniere gut. Nach Überzeugung eines Bauern und pensionierten Schullehrers aus Khardong (I-116) bringe die Zugehörigkeit zu Kashmir viele Probleme, nämlich die Diskriminierung der Ladakhis, die Unzuverlässigkeit der staatlichen Angestellten und schlechten Schulunterricht mit sich. Es gebe nach wie vor implizite Diskriminierung durch die Kashmiris. Das Hill Council brachte zwar Verbesserungen, aber wichtiger sei die Aufrichtigkeit der Regierungsangestellten. Die häufig zu beobachtende ökonomische Übervorteilung der Ladakhis durch Kashmiris entspringt der Schwäche und Unfähigkeit der Ladakhis - weil diese sich genügend anstrengten, würden Kashmiris und Nepalesen in Ladakh gebraucht.198 Insgesamt plädierte er für eine stärkere Eigenständigkeit der Ladakhis: Ganz allgemein würden die Ladakhis von den Kashmiris verachtet, viele Lehrer aus Kashmir erteilten mangelhaften Unterricht oder erschienen erst überhaupt nicht in der Schule. Die Abhängigkeit von den Warenlieferungen aus dem Kashmir-Tal könne vermieden werden, wenn die Ladakhis selbst mehr Gemüse und andere Feldfrüchte anbauten und sich stärker um die eigenen Belange kümmerten - dann seien auch Nepalis (Gurkhas), Biharis und andere Arbeitskräfte von außerhalb entbehrlich und könnten sich nicht in Ladakh niederlassen: Actually this is very difficult to say straight that these people [Muslims, Kashmiris] cause problems but indirectly we are very much looked down upon by the Kashmiris. For example in earlier times, all the teachers and all office workers were Kashmiris, and when there is a Kashmiri teacher, sometimes he comes once a month or once a year, and rest of the time he stays at home and the children did not get proper education. In the same way the Kashmiri workers in the offices also not come in time. That is why they cause many problems like that. The weakness (kam-zo-ri)199 is in the Ladakhis themselves. Since they do not work as a laborer (ku-li), many Gorkhas200 come, and from them, half might be good, and the other half might be bad (tsog-po) because nobody can see the heart of the people (sny198 Es wurde nicht ganz klar, in wieweit er damit impliziten Überfremdungsängsten Ausdruck verlieh. 199 Urdu / Hindi-Lehnwort. 200 Bezieht sich ganz allgemein auf Nepalis. 139 ing shaks-te lta nyan-ces med-kyak). If we Ladakhis cultivate vegetables etc., our money will remain in our Ladakh (la-dags-se pe-ne la-dags-la lus-shes yin-nog). Since Ladakhis could not do that, many Kashmiris (ka-chul-pa) came to Ladakh, and some of them even settled down (tshugs-kak) ... This is the weakness of Ladakhis themselves. If Ladakhis grow enough vegetables and work hard these people will not come to Ladakh and the money will remain in our Ladakh. Now since Ladakhis do not work and that is why we have so many Nepalese, since Ladakhis do not grow vegetables that is why we have so many Kashmiris. Among them some are good and some are bad. Actually we cannot see the hearts of these people. So the main thing is the weakness of Ladakhis themselves. When we do not work hard all these people will come and even they will settle in Ladakh. In den Äußerungen eines guest house-Betreibers in Leh (I-124) ist ganz deutlich das Gefühl der moslemischen Dominanz spürbar: Seines Erachtens sollten die Kashmiris frei wählen dürfen, ob sie zu Indien oder Pakistan gehören möchten. Allerdings sei eine Abstimmung darüber unweigerlich damit verbunden, daß auch Ladakh zu Pakistan käme - ein undenkbarer Zustand, selbst die politische Zugehörigkeit zum chinesisch besetzten Tibet sei dem vorzuziehen.201 Im Falle eines Volksentscheides bezüglich der Zugehörigkeit Kashmirs sollte deshalb eher nach Bezirken (districts) abgestimmt werden, denn auch für das gesamte Ladakh sei es aufgrund des demographischen Übergewichts der Moslems ziemlich klar, daß die Entscheidung zugunsten Pakistans oder eines unabhängigen Kashmir ausfallen werde. Als negativen Umstand erwähnte er das beständige Missionierungsbestreben der Kashmiris. Im Gegensatz zu den Moslems verknüpften die buddhistischen Ladakhis Religion nicht mit Politik und hätten niemals versucht, die Moslems zu missionieren - statt dessen hätten ladakhische Könige früher sogar Massaker an Moslems durch Dogra-Truppen verhindert. Die Region um Jammu sei innerhalb Kashmirs ebenso benachteiligt wie Ladakh, bei einer Teilung oder der Unabhängigkeit des Kashmir-Tales solle Jammu deshalb ebenso bei Indien verbleiben wie Ladakh (oder zumindest der Leh District). Es gebe viele Arten und Weisen, auf welche die Moslems versuchten, im buddhistischen Ladakh Einfluß zu gewinnen: z.B. sei das gesamte Transportwesen in moslemischer Hand - in den Bussen würden häufig keine Fahrscheine ausgestellt, das Fahrgeld fließe direkt in die Taschen der Betreiber, welche später mit dem Argument, zu wenig Fahrgäste zu befördern, Subventionen kassierten. Ebenso sei das Stakna-Kraftwerk sehr "korruptionsbelastet"; derartige Dinge geschähen im zentralen Kashmir nicht, da die Bevölkerung dort der Regierungspartei mehr "auf die Finger sehe". Als politisches Stimmungsbild seien hier außerdem die Äußerungen eines Angestellten des Hill Councils (I-76) nach den Wahlen zum Regionalparlament von Jammu und Kashmir im Mai 2000 wiedergegeben: er zeigte sich sichtlich zerknirscht darüber, daß die National Con201 Falls Ladakh jemals zu China gehören solle, sei dies in jedem Falle besser als die Zugehörigkeit zu Pakistan, da in China nicht das Ausmaß religiöser Unterdrückung herrsche wie in Pakistan. 140 ference Party des amtierenden kashmirischen Ministerpräsidenten Farooq Abdullah auch im Leh District erstaunlicherweise (weil mit den Stimmen vieler Buddhisten) gewonnen hatte, was er als Sieg für die moslemische Seite ansah: Die Buddhisten täten seines Erachtens besser daran, sich zu einigen und gegenüber den Moslems im Bundesstaat Kashmir zusammenzustehen. Das desolate Bildungssystem in Ladakh Die Kritik am Bildungssystem stellt sich insgesamt als eine Kernaussage bei der Bewertung der gegenwärtigen Zustände in Ladakh heraus und wird meist mit dem Einfluß der Regierung von Jammu und Kahmir (Urdu als Unterrichtsprache, keine Berücksichtigung buddhistischer Lehrinhalte im Curriculum, unfähige Lehrkräfte aus dem Kashmir-Tal) in Verbindung gebracht. In diesem Zusammenhang wird Urdu als Unterrichtssprache in Ladakh durchwegs abgelehnt und entweder dem englischen als kosmopolitischer Sprache oder aber dem "Bodyig" (Ladakhi-Tibetisch) der Vorzug gegeben. So hält ein Mönch im Kloster Sumur (I-77) Unterricht in Ladakhi (statt in Urdu oder Englisch) für anstrebenswert, auch ein ehemaliger Dozent am Central Institute of Buddhist Studies in Choglamsar (I-85) beklagte, daß Ladakhi nicht Unterrichtssprache in der Schule sei. Nach Überzeugung eines Bauern und pensionierten Schullehrers aus Khardong (I-116) ist das Bildungssystem derzeit sehr gut, weil Englisch als Unterrichtsprache verwandt wird; er selbst lehnt Urdu als Unterrichtsmedium ab202 und ist der Meinung, daß viele Lehrer aus Kashmir mangelhaften Unterricht erteilten oder überhaupt erst nicht in der Schule erschienen. Aufgrund des Wirkens der Buddhisten herrscht Friede und Gleichberechtigung zwischen den Religionen in Ladakh Zum Teil wird das inzwischen faktisch wieder normalisierte Verhältnis zwischen Buddhisten und Moslems in Ladakhis darauf zugeführt, daß (a) entweder die Buddhisten entsprechend den grundlegenden Forderungen ihrer Religion geduldig und mitfühlend mit den Moslems umgingen (I-33, I-90) oder aber (b) die Buddhisten sich in einer Art und Weise zur Wehr gesetzt hätten, welche den Moslems keine Dominanz im bisherigen Ausmaß mehr erlaube (IL111). Ein Mönch im Kloster Dragthog (I-90) äußerte sich dahingehend, daß die Beziehung zwischen Moslems203 und Buddhisten deshalb gut sei, weil die ladakhischen Buddhisten den 202 Im selben Atemzug sagte er, daß Bod yig abseits des offiziellen Curriculums auf informelle Art und Weise vermittelt werde und als Amtssprache in ganz Indien anerkannt werden solle. Unklar blieb dabei, ob mit Bod yig Ladakhi oder Tibetisch gemeint war. 203 Von ihm zunächst als Feind bezeichnet - später relativierte er diese Wortwahl. Allerdings seien die Moslems keine Feinde - ihre Religion sei sehr wichtig für sie, der dharma sei sehr wichtig für die Buddhisten. 141 Lehren des Buddha folgten und geduldig seien: Die grundlegenden Lehren des Buddhismus forderten Einigkeit und Frieden, selbst wenn man einen Feind habe. Diesen Grundsätzen folgten die Ladakhis mit aller Geduld, deshalb sei die Beziehung zwischen beiden Religionen gut. Nach Meinung eines Schamanen in Hundar (IL-111) hingegen gehören die Kontroversen zwischen Moslems und Buddhisten der Vergangenheit. Diese kamen auf, weil viele buddhistische Mädchen und Frauen von moslemischen Männern geheiratet wurden. Heute sind die Beziehungen zwischen beiden Religionen gut; nur gelegentlich gibt es Auseinandersetzungen auf individueller Ebene, so ähnlich wie in einer Familie auch. Die MoslemBevölkerung im Nubra-Tal sei zwar immer klein, aber gleichzeitig auch sehr reich gewesen; das führte auch zur Konversionen buddhischer Frauen, es gab Überfremdungsängste in der Gestalt, daß die Moslems überhand nehmen und weiter entwickelt als die Buddhisten sein könnten. Daraus habe sich eine polische Mobilisierung der Buddhisten gemäß dem Motto "Ladakh ist ein buddhisti-sches Königreich und soll es bleiben" entwickelt, und seitdem wurden keine Konversionen von Buddisten zum Islam mehr geduldet. Inzwischen herrschten wieder gute Beziehungen zwischen Buddhisten und Moslems, Probleme gebe es allein auf einer individuellen Ebene: First of all, the Muslim population (mi-trangs) is very small, even if their population is small, they were very rich (chug-po) from the beginning. Due to their richness, they converted (lhog-ste khyers) some Buddhist girls, and the Buddhists were strengthless (rus-med song), they let them go and kept quiet for a few years, and later, a few good leaders came out and decided and said: this is very wrong (galat)204, in future the Buddhists population will be disappeared (bo-tho nyams-se chak), and the Muslims (kha-che) will be more developed (tarki)205, their population also will increase (mang-nga cha-ces-'dug). Ladakh is a Buddhist kingdom and should remain Buddhist. And later that, few intellectual people (mi khas-pa) had a decision that from now onwards, no Buddhist will convert (lhog-ces) to Islam (kha-che). And now, people's views (sems-pa) are good, but anyhow, there are two, three people, and always among hundred, one, and except that one, all are now alright (thik206-songs-se yin-nog). Zum Verhältnis von Buddhisten und Moslems befragt, verweist ein Mönch und Lehrer in Kloster Sumur (I-110) explizit darauf, daß Buddhismus keine missionierende Religion sei und von daher kein Grund zu Kontroversen gegeben sei: "It was said by the Buddha: I show you the way to liberation, 204 Hindi-Lehnwort. 205 Hindi-Lehnwort. 206 Von thikke, Hindi. 142 the achievement of liberation depends on the practitioner himself. You should examine my teachings: If you find something good in it, you should follow it otherwise just leave it." Als einziger ladakhischer Moslem, mit dem ein ausführliches Gespräch zum interreligiösen Konflikt geführt wurde, soll zu guter Letzt der Imam der Freitagsmoschee (jama masjid) in Leh (I-71) zu Wort kommen. Nach seiner Meinung werden aufgrund von Modernisierungseinflüssen die religiösen Lehren sowohl von den Buddhisten wie den Moslems beider Konfessionen (Sunniten und Schi’iten) nicht mehr richtig beherzigt. Der Imam beklagte, daß viele Jugendliche den religiösen Lehren nicht immer richtig zuhören würden, z.B. bei der Predigt des Dalai Lama in Choglamsar, wo viele jugendliche Teilnehmer herumgestanden und herumgelaufen seien, statt den Belehrungen zu lauschen; dasselbe sei bei den Moslems der Fall. Die Gründe dafür liegen nach seiner Meinung im zunehmenden Fernsehkonsum und in der Vernachlässigung der jungen Generation durch die Eltern. Es seien lediglich religiöse und politische Führer, welche die Religion für ihre Zwecke mißbrauchten, zu Zeiten des Sozialboykotts habe es zum Teil Zwangskonversionen zum Buddhismus gegeben. Die Lösung bestehe im gegenseitiger Respekt von Buddhisten und Moslems, zusammen mit Schi'iten aus Leh habe er den Dalai Lama um eine Audienz gebeten und diese im vergangenen Jahr beim Besuch Seiner Heiligkeit auch bekommen, während des Konfliktes von 1989 habe er darauf gedrungen, Frieden zu bewahren, obwohl die Häuser seiner eigenen Familie niedergebrannt worden seien.207 3.1.4. Fremdheitserfahrungen in der Begegnung mit dem Tourismus208 und anderen Einflüssen des "Westens" 207 Noch andere Aspekte ergeben sich bezüglich des interreligiösen Verhältnisses, wenn man auch den Schamanismus mit einbezieht: Ein Filmemacher und Reiseveranstalter in Leh (I-120) verweist darauf, daß zunehmende Berufungen auch unter den Schi'iten zu finden seien, fünf Schamaninnen in Choglamsar (I-100) erwähnten übereinstimmend, daß es einige Moslems gebe, welche von lhas besessen werden und dann dieselben Dinge tun müssen wie buddhistische Schamanen. 208 Bezüglich der Einflüsse des Tourismus sei hier angemerkt, daß seit 1982 auch zunehmend indische Touristen nach Ladakh kommen. Ihr Anteil betrug seitdem im Durchschnitt der Jahre 1983-1998 20-30% der Gesamtbesucherzahl (vgl. SOOD 2000:118). Somit kann der Einfluß des Tourismus nicht gleich dem westlichen Einfluß gesetzt werden. Unbenommen dieser Tatsache stellt der Tourismus den wichtigsten Faktor bei der Konfrontation der Ladakhis mit dem Westen dar. 143 Erste Erfahrungen mit Westlern und heutige Auswüchse Viele Gesprächspartner erinnerten sich noch lebhaft an ihre ersten Begegnungen mit westlichen Touristen, daran, daß sie als Schulkinder Ende der 1970er Jahre hinter den Touristen herliefen, weil sie in ihnen eine Kuriosität sahen (I-56; I-67), sich über ihre "roten Haare" und ihre bleiche Haut (I-67) wunderten, oder über ihre seltsamen Eßsitten, z.B. den Verzehr roher Tomaten (I-94).209 Ein 25-jähriger ehemaliger Stipendiat der Herrnhuter (I-56) erinnert sich genau daran, daß früher der Einfluß des Tourismus sehr viel geringer gewesen sei als heute noch 1982 habe es nur zwei oder drei Hotels in Leh gegeben.210 In den letzten beiden Jahrzehnten habe es eine sprunghafte Zunahme der Touristen gegeben, und 1998 seien insgesamt 30 000 Touristen nach Ladakh gekommen.211 Früher habe der Tourismus fast eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Schulerziehung dargestellt, weil die Kinder den Unterricht verließen, um sich auf der Straße oder im Bazar Touristen anzuschauen (I-56, I-67) oder z.B. beim Kloster Thiksey - stundenlang auf diese warteten, um Geld, Stifte, Bonbons etc. zu betteln, statt zur Schule zu gehen (I-120) - so ein Agronom aus Thiksey.212 Wie ein Mönch im Kloster von Diskit (I-81) berichtete, hatten die Menschen Angst, als die ersten Touristen nach Nubra kamen - was sich seines Erachtens dann als unberechtigt erwies. Die positiven Aspekte des Tourismus in den narratives von Ladakhis Eine positive Bewertung des Tourismus findet sich naheliegenderweise vor allem bei den Personen, welche geschäftlich davon profitieren (z.B. I-9: Ein sechzigjähriger trekking guide aus Leh; I-13: der Vorsitzender der Ladakh Travel Association, 40 Jahre alt). So hält ein trekking guide und guest house-Betreiber aus Leh das Aufkommen des Tourismus selbstverständlich für gut, nach eigenem Bekunden hat er selber umfangreiche Kontakte zu Westlern in 209 Ein siebzigjähriger Bauer und ehemaliger Schullehrer in Khardong (I-116) war einer der wenigen Gesprächspartner, der keine genaue Erinnerung an die ersten Westler hatte - dazu muß allerdings angemerkt werden, daß sein Heimatdorf unterhalb des gleichnamigen Passes im Nubra-Tal bis heute abseits der gängigen Tourismus-Routen liegt. - Der Verzehr rohen Gemüses ist in der Ladakhi-Küche traditionell nicht üblich (vgl. REIFENBERG et al. 1998) und wird auch gemäß tibetischer Medizin nicht als gesund angesehen (vgl. KUHN 1988). 210 Nach Aussage eines Filmemachers und Reiseveranstalter aus Leh sind 1986 die ersten größeren Hotelbauten in Ladakh entstanden (I-28). 211 Diese Zahl dürfte wohl um einiges übertrieben sein - nach SOOD (2000:118) kamen in jenem Jahr etwa 22 000 Touristen nach Ladakh (ca. 15 000 Ausländer und 7 000 Inder). Der sprunghafte Anstieg der Besucherzahlen ist hin-gegen tatsächlich im Jahre 1980 mit mehr als 14 000 Touristen (davon 13 000 Ausländer) festzumachen. 212 Es sei besser, wenn die Touristen ihre Gaben an die Schulkinder (z.B. Hefte und Stifte) direkt dem Lehrer oder Schuldirektor übergeben, damit diese sie an die Kinder verteilen könnten, fügte der Gesprächspartner hinzu. 144 der Schweiz, den USA und Frankreich und arbeitete auch bereits für eine ganze Reihe von Ethnologen und Ethnologinnen (I-9). Nach Meinung des Vorsitzenden der Ladakh Travel Association ist Tourismus gut für Ladakh, da er die einzige „Industrie“ in dem Gebiet und außerdem ein kulturbewahrendes Element darstelle; der Tourismus führe dazu, daß die Leute „wieder aufs Feld zurückgingen“, der Tourismus „brachte den Ladakhis die Kultur zurück“ den die Touristen kommen, um authentische ladakhische Kultur zu sehen. Der Tourismus solle sogar intensiviert werden, im Moment kämen aufgrund der Kashmirkrise lediglich 18 000 Touristen jährlich,213 und Ladakh sei weltweit weitgehend unbekannt: "There should be two flights a day, capacities ... should be improved" - ebenso sollten mehr Hotels gebaut werden (I-13). Positiv hervorgehoben wird auch, daß aufgrund des Tourismus ein höherer Lebensstandard als früher in Ladakh herrsche (I-27) und der Tourismus das Wiedererstarken des Buddhismus unterstütze (I-28), inzwischen gebe es eine reintroduction of culture und eine neue Wertschätzung des Buddhismus - dies sowohl aufgrund des Einflusses des Dalai Lamas sowie hoher Rinpoches214 und auch auf Grundlage des Tourismus - so ein Filmemacher und Reiseveranstalter aus Leh. Andere positive Auswirkungen des Tourismus werden im direkten Nutzen für die Ladakhis und die Zukunft der Kinder über die Finanzierung der NGOs durch Touristen gesehen (I-33). Eine Restaurantbetreiberin in Delhi (I-42) ist der Auffassung, daß der Nutzen für Ladakh vor allem vom Tourismus, weniger von der indischen Armee komme. Nach Meinung eines ehemaligen Stipendiaten der Herrnhuter Brüder (I-56) sind die Einflüsse des Westens durchwegs positiv zu bewerten: Die westlichen Einflüsse brächten im allgemeinen mehr Vorteile als Nachteile, z.B. gab es früher mehr Krankheiten aufgrund der offenen Herdfeuer. Touristen gäben eine ganz allgemeine Orientierung, was gut und schlecht sei: Früher sei es bei Hochzeiten üblich gewesen, nach dem Vorbild der Hindus große Mitgiften zu zahlen - das habe sich inzwischen aufgrund westlicher Einflüsse völlig verändert. In einer ganzen Reihe von Aussagen (I-67, I-75, I-80, I-85) wird bekräftigt, daß der Tourismus ein kulturbewahrendes Element darstelle, daß sich die Menschen in Ladakh durch den Tourismus ihrer eigenen Kultur stärker bewußt werden und der Tourismus zur Aufrechterhaltung der Kultur beitrage - aufgrund des Tourismus gebe es keine Ängste vor Kulturverlust mehr, so eine junge Bäuerin in Khardong (I-75). Als die Fremden nach Ladakh kamen, wurden sich die Leute ihrer Kultur überhaupt erst wieder bewußt, vorher hätten sie schon fast 213 Tatsächlich entspricht dies in etwa den Besucherzahlen von 1994-1996, während des Jahres 1997 war ein leichter Rückgang der Touristen auf 16 800 Personen zu verzeichen (SOOD ebd.). Das Unbehagen darüber, daß die Kashmir-Krise auch zum Rückgang der Besucherzahlen in Ladakh führe, wird öfter geäußert (z.B. I-28). Zum Teil wird dieser Umstand allerdings auch als Regulativ angesehen, um den Touristenstrom in erträglichen Grenzen zu halten (I-15). 214 Namentlich genannt wurden Thogdan Rinpoche und Stagna Rinpoche. 145 vergessen, sagte uns ein ehemaliger Dozent am Central Institute in Choglamsar (I-85).215 Der Tourismus unterstützt den Erhalt der Klöster, der Besuch durch Touristen sei gut für die Klöster, und die Touristen würden den Anordnungen der Mönche im allgemeinen folgen - so ein Mönch im Kloster Sumur (I-81). Nach Aussage eines Mönchs im Kloster Spituk (I-84) bestehen die Vorteile des Tourismus in den vielen Beschäftigungsmöglichkeiten für junge Leute als trekking oder cultural guide und dem sponsoring vieler Ladakhis durch Westler. Auch ein Verwaltungsangestellter im Hill Council (I-94) hält die Auswirkungen des Tourismus grundsätzlich für gut,216 unter anderem, weil dieser dem starken Akkulturationsdruck der indischen Armee und Verwaltung entgegenwirke und die Wertschätzung der ladakhischen Kultur stärke. Ähnlich äußert sich ein thangka-Maler und Dozent am Central Institute for Buddhist Studies in Choglamsar (I-96): Seiner Auffassung nach haben Touristen eine große Wertschätzung für thangka-Malerei und ein gutes Urteilsvermögen, sie seien in dieser Hinsicht gebildeter als die Ladakhis selbst. Thangkas, auf denen keine machtvollen Schutzgottheiten dargestellt sind, dürfen nach entsprechender Erlaubnis von Rinpoches an Westler verkauft werden, weil diese sie immer ehrerbietig behandeln werden. Ein Mönch und Lehrer im Kloster Diskit (25 Jahre alt, I-109) sieht im Tourismus nur positive Einflüsse - aufgrund der Tatsache, daß viele Ausländer ins Land kommen, haben die jungen Leute die Möglichkeit, ihre Sprachkenntnisse217 zu erweitern; auch die Klöster profitierten von den Touristen, da diese Eintritt zahlen und Spenden geben - bezüglich der Auswirkungen auf die Mönche ist er sich nicht sicher: In this time, there are many tourists coming. The coming of tourists is a great benefit (phan thogs) for everybody. On one side it is good for leaning the language in word and script (skad-yig), and everything will be known (chi-sa tog-na gyus cha-nok). We will know how to read the spe-cha (mi-cig-pa-ta spe-cha lob-sa). In the way of life (mi-tse skyal-thang) ... foreign and Indian tourists are coming in all, even roads and development of the country (yar-gyes) are very good (yul-le pi’a phan-thogs yong-ste yin-nog). This is the effect of that (te-tsang-me kha-tin yin-nog). Ein Agronom in Thiksey (I-122) sieht insgesamt überwiegend positive Aspekte des Tourismus. Es gebe viele Westler, welche die Erziehungsbemühungen in Ladakh unterstützten (sponsorship), ein positiver Einfluß der Touristen seien deren Bemühungen zur Reinhaltung der Umwelt und ihr Umgang mit Müll - zum Glück seien ja Plastiktüten in Ladakh inzwischen offiziell verboten - sowie die Wertschätzung der Westler für organisch angebaute Le215 Der wichtigste Beitrag zur Bewahrung der Kultur, der Sprache und der natürlichen Umgebung sei allerdings von der von Helena Norberg-Hodge gegründeten Initiative Ladakh Ecological Development Group (LEDeG) geleistet worden, fügte er hinzu. 216 Er selbst hatte vor 15 Jahren Kurse für guides zu den Klöstern organisiert, um fachkundige Führungen zu gewährleisten. 217 Er erwähnt in diesem Zusammenhang Englisch und - mit Verweis auf die indischen Touristen (s.u.) - auch Hindi. 146 bensmittel und die Kultur Ladakhs, welche die Bevölkerung zur Bewahrung ihrer Kultur anstachele. Wie ein Mönch in Dragthog (I 90) berichtete, gibt es in diesem einzigen Nyingmapa-Kloster Ladakhs als spezielles Touristenklientel westliche Anhänger des Buddhismus, somit also eine Kombination aus Pilgerwesen und Tourismus aufgrund der Verbreitung buddhistischer Lehren durch Rinpoches und hochrangige Lamas, wie derselbe Mönch meint: Da die Rinpoches der verschiedenen Klöster sehr viel reisten und den Buddhismus auch im Ausland verbreiteten, kämen auch sehr viele Touristen nach Ladakh - er könne darin nichts Schlechtes sehen, denn diese Reisenden hätten bereits ein fundiertes Wissen vom dharma und benähmen sich entsprechend. 1999 seien aufgrund der Grenzzwischenfälle in Kargil wenige Touristen gekommen, ansonsten kämen viele Westler nach Dragthog, weil das Kloster sehr verschieden von den anderen gonpas218 Ladakhs sei und viele Besucher die Höhle sehen wollten. Seiner Ansicht nach habe der Tourismus insgesamt positive Auswirkungen - seines Wissens habe es noch nie irgendwelche Zwischenfälle oder ungebührliches Verhalten von Touristen gegeben, viele von ihnen seien sehr religiös, wenn sie wollten, dürften sie auch in der Höhle meditieren - die meisten Touristen kämen zur religiösen Praxis nach Dragthog. In seiner Familie hat niemand etwas mit Touristen zu tun, aber er denkt, insgesamt sei der Tourismus sehr gut für die jungen Leute: Früher hatten sie oft überhaupt keine Ahnung von den Klöstern und der Ikonographie, jetzt müssen sie darüber Bescheid wissen, wenn sie als Fremdenführer (guides) arbeiten wollten - der Tourismus stärke den Buddhismus. Insgesamt kristallisieren sich aus den Äußerungen der Ladakhis folgende positive Aspekte der Begegnung mit "dem Westen" - vorzugsweise in Gestalt des Tourismus - heraus: - - Der Tourismus ist eine profitable Einnahmequelle, einerseits durch direkten Verdienst für Hoteliers, Restaurantbesitzer, Transportunternehmer, Ladenbesitzer, tour guides und Reisebüros bis hin zu telephone operators, anderseits durch das sponsoring von Kindern sowie die finanzielle Unterstützung von Klöstern, buddhistischen und säkularen Bildungsinstitutionen (z.B. SECMOL, LEDeG). Der Tourismus trägt zur Bewahrung der buddhistisch-ladakhischen Kultur bei - dies einerseits durch das Interesse der Besucher an den Kunstschätzen und religiösen Bauten, andererseits auch durch das westliche Interesse an Inhalten der buddhistischen Lehre und einer generellen Sympathie für diese Religion und Lebensweise. Dies schafft z.T. eine Gegengewicht zu den Einflüssen Kashmirs und des indischen Tieflandes (z.B. I-94). Die negativen Einflüsse Eine mehrheitlich geteilte Aussage219 ist die, daß die Begegnung mit den Westlern die Ladakhis zur Kopie deren Lebensweise verleite, was nicht gut sei. Wie ein Verwaltungsangestell218 Siehe Glossar. 219 Z.B. I-7, I-33, I-75, I-84, I-96, I-110, IL-111, I-114, I-116. 147 ter aus Tingmosgang (I-7) aufgrund seiner Erfahrungen in Zanskar ausführt, würde auch dort die westliche, fremde Lebensweise aus „Scham“ über die eigene (vermeintliche?) Rückständigkeit nachgeahmt. Außerdem würden die Erträge aus dem Tourismusgeschäft ungleich verteilt: "not all people benefit from tourism" (ders.). Auch ein Agronom in der Animal Husbandry Station in Diskit (I-105) ist der Meinung, der Nutzen des Tourismus beschränke sich auf wenige Leute, welche z.B. über Restaurants oder Fahrzeuge verfügen: "There are some advantages also from the foreigners but it is limited to certain people and certain areas. For example, those who have restaurents and cars are benefited by the tourists, but for other people it is just normal." Diese Meinung wird von einem Schamanen (IL-103) und einem Ladenbesitzer im gleichen Ort (I-108) geteilt: Beide sind der Meinung, daß von den Touristen in Diskit nur wenige Leute - guest house-Besitzer und Taxifahrer - profitieren, und der Ladenbesitzer beklagte, das einzige, was Touristen in seinem Laden kauften, sei Mineralwasser. Nach Meinung eines Doktors der Philosophie in Delhi (I-10) führe die Abhängigkeit vom Tourismus zu zunehmender Geldorientierung. Auch nach Ansicht eines Mönchs im Kloster Likhir (I-91) sei das Schlechte am Tourismus, daß der Seelenfrieden (peace of mind) durch den Geldzustrom gestört werde: Die Leute würden selfish und dächten nur noch an ihren eigenen Vorteil. Ein Mönch aus Lamayuru (I-22) äußerte dezidiert seine Furcht vor einem Identitätsverlust in Ladakh aufgrund des Tourismus220 und beklagte den Ausverkauf traditioneller Kultur, z.B. daß Tanzdarbietungen und die traditionelle Kleidung zur reinen show herabgewürdigt worden seien. Der Manager des Buddh Vihar in Delhi (I-27) bemängelt, daß der Tourismus zu einer unzulässigen Höherbewertung des Englischen führe und fürchtet, daß die Sprache der Ladakhis aufgrund des hohen Prestige des Englischen in Vergessenheit gerate. Eine Filmemacher und Reiseveranstalter aus Leh (I-28) beklagt, daß die Menschen durch den im Vergleich zu früher einfacheren Lebenserwerb verdorben würden: "they get spoiled". Ein Bauer und Elektriker in Phyang (I-33) sieht den Tourismus als eine Bedrohung an, negative Einflüsse sieht er im materiellen Reichtum der Touristen und im kulturellen Unterschied zu den Ladakhis begründet, aufgrund der im Vergleich zu den Ladakhis "lockereren Sitten" - er hat ebenso Angst vor dem Verfall der Sexualmoral und Geschlechtskrankheiten als auch vor der bevölkerungsmäßigen Überfremdung durch die Westler und der kulturellen Assimilation an den Westen: Wenn die Ladakhis sich den Westlern anpaßten, bedeute das den Untergang Ladakhs (vgl. Kap. B.1.). - Daß durch den direkten Kontakt mit Touristen und Touristinnen zuvor unbekannte Krankheiten (z.B. AIDS) nach Ladakh eingeschleppt würden bzw. mehr Krankheiten aufgrund der von Westlern eingeführten Promiskuität auftreten, wurde sonst lediglich von zwei Schamanen (IL-103, IL-l17) geäußert: Bedingt durch westlichen Einfluß, 220 Ebenso wie aufgrund der Zugehörigkeit Ladakhs zu Indien und zu Jammu und Kashmir. 148 nähmen sich die Ladakhis inzwischen auch größere sexuelle Freiheiten heraus, was den oracles mehr Arbeit bereite - so ein älterer lha pa in Khardong (Il-117).221 Ein trekking guide (I-38) denkt, daß dem Tourismus insgesamt zuviel Aufmerksamkeit geschenkt werde und beklagt die allgemeine Kommerzialisierung in Ladakh, die sich auch im Wandel der Architektur bemerkbar mache. Ein ehemaliger Stipendiat der Herrnhuter (I-56) sieht in der Änderung der Ernährungsgewohnheiten eine nachteilige Folge des Tourismus. Ein guest house-Betreiber in Leh beklagt, daß viele Touristinnen und Touristen bei Klosterbesuchen nicht adäquat angezogen seien und daß fast alle Leute in Leh in direkter oder indirekter Weise vom Tourismus abhingen.222 Das bebaubare Land nehme beständig ab - allerdings auch durch die Aufteilung der Landparzellen an die erbberechtigte nächste Generation, nicht allein durch den Landbedarf zum Bau neuer guest houses, Hotels, Restaurants und anderer tourist facilities. Mit dem zunehmenden Geldzufluß würden die Leute neidisch aufeinander, Bedürfnisse und Forderungen (demands) würden immer größer, Konkurrenz, Eifersucht und Ignoranz nähmen zu. Zum Glück dauert die Touristensaison nicht zwölf Monate, im Winter gebe es immer noch genügend Zeit, zur Ruhe zu kommen, zusammenzusitzen, Dinge zu reflektieren und zu diskutieren - bei einer ganzjährigen Touristensaison würde sich Leh nicht von einer Großstadt unterscheiden, es gäbe Haß und noch mehr Konkurrenz (ders.). Auch der sonst so "touristenfreundliche" Vorsitzende der Ladakh Travel Association (I-68) weist ausdrücklich darauf hin, daß die Winterzeit eine Zeit der Erholung vom tourism business sei, welche die Leute dringend nötig hätten - derselben Meinung ist ein Verwaltungsangestellter im Hill Council (I-74): für ihn sei der Winter in Ladakh als Jahreszeit "more comfortable", da dann weniger los sei und es weniger hektisch zugehe. Nach Meinung eines Mönchs im Kloster von Sumur (I-77) sei insgesamt überhaupt kein Nutzen des Tourismus sichtbar, nur wenige profitierten davon. In den Klöstern müsse man sich vor den Touristen in acht nehmen - manchmal gäben sie ein schlechtes Beispiel.223 In Sumur habe es bislang keine Zwischenfälle mit Touristen gegeben, aber von anderen Klöstern sei dies bekannt geworden.224 Ein Mönch im Kloster von Diskit auf der anderen Seite des 221 Ein Hintergrund dieser Bemerkungen mag sein, daß es inzwischen zu einer zunehmenden Zahl von Eheschließungen, kurzfristigen Verbindungen und wohl auch Liebesabenteuern zwischen Westlerinnen und Ladakhi-Männern (weniger in der anderen Kombination) kam - So sind mir allein aus dem deutschsprachigen Raum drei Ehen von hiesigen Frauen mit Ladakhi-Männern bekannt, aber nur eine Heirat eines westlichen Mannes mit einer Ladakhi-Frau. 222 Dies steht im Widerspruch zu Aussagen von Abdul Ghani Sheikh, demzufolge die meisten Haushalte in Ladakh eine "diversifizierte Ökonomie" betrieben. 223 Zu näheren Erläuterungen dieses Sachverhaltes war der Gesprächspartner nicht zu bewegen. 224 Gleichzeitig erwähnte er, daß der für Touristen vorgesehene Campingplatz unterhalb des Klosters inzwischen geschlossen worden sei. Bezüglich des Klosters Sumur ist hier anzumerken, daß es dem Sras Rinpoche untersteht, welcher gleichermaßen für sein Bemühen um strenge Einhaltung 149 Nubra-Tals225 erwähnte als negative Begleiterscheinung des Touristenzustroms, daß einige Westler in unangemessener Kleidung, d.h. zu freizügig, in die Klöster kämen. Für einen Mönch im Kloster Spituk (I-84) besteht der Nachteil des Tourismus darin, daß viele Ladakhis sich am Vorbild der Touristen orientierten ("follow the path of the tourists"), weil sie schlecht ausgebildet seien: Statt an den eigenen Traditionen und der klösterlichen Bildung seien sie mehr am Erlernen des Englischen und der westlichen Bildung interessiert. Dies sei nicht der Fehler oder das Versäumnis der Touristen, sondern eine Folge der mangelhaften Ausbildung in Ladakh: die Klöster seien nicht gut ausgestattet, oft müßten die Mönche selbst für Nahrung und Kleidung sorgen - dies sei in den großen Klosteruniversitäten in Südindien ganz anders.226 Die Mönche sollten seiner Ansicht nach besser ausgebildet werden, um auch die Schattenseiten des Tourismus verstehen zu lernen. Zwei Dozenten am Central Institute of Buddhist Studies (I-85, I-96) fallen als Nachteile des Tourismus lediglich einige Kunstdiebstähle in den 1980er und 1990er Jahren ein, ansonsten seien ihnen keine Probleme mit Touristen bekannt. Einer von beiden, ein thangka-Maler und Kunsterzieher (I-96), gibt allerdings zu bedenken, daß junge Ladakhis die Touristen imitieren, statt sich um die Aneignung westlicher Bildungsinhalte zu kümmern: Still I heard, at the beginning some tourists came and tried to take some statues - at that time the people of Ladakh were careless, they used to keep these things outside. Usually we get benefits from the tourists, but our young generation here in Ladakh, instead of getting some education from the foreigners, they just try to imitate them, like their way of eating, way of dressing and thinking. These are not the faults of the foreigners, these are the faults of our people here. Maybe, because of poverty, maybe they need more money - all are money-minded -, in that way, they just try to imitate the foreigners. That is why there are also some bad effects on our culture. Ein Doktorand in Delhi (I-99) sieht im Landverbrauch durch den Tourismus und in der einseitigen Abhängigkeit von diesem Wirtschaftszweig gravierende Nachteile: Das Schlimme am Tourismus sei nicht, daß sich einzelne Westler "daneben benehmen" (misbehave) oder sich nicht den Klosterregeln entsprechend verhielten, sondern vielmehr, daß immer mehr der Klosterdisziplin wie auch um eine qualifizierte Ausbildung von Mönchen und Novizen bekannt ist. 225 I-81; derselbe Mönch, welcher erwähnte, daß die Menschen Angst hatten, als die ersten Touristen ins Nubra-Tal kamen. - Das Nubra-Tal ist erst seit 1993 für westliche Touristen zugänglich (MATTAUSCH 1996:382). 226 In Ladakh seien die Klöster fünfhundert, sechshundert oder sogar neunhundert Jahre alt, und dementsprechend folgten die Mönche ihren alten Traditionen - nur 3% versuchten sich mit den tieferen Bildungsinhalten des tibetischen Buddhismus vertraut zu machen und ihre Ausbildung zu verbessern, wie z.B. der hochgebildete Sras Rinpoche, aber dies Lamas bleiben dann zu häufig außerhalb Ladakhs, fügte er hinzu. 150 Land - sogar die ma zhing-Felder,227 welche sonst immer im Besitz der Familie verblieben verkauft werde und für den Anbau verloren gehe, und daß die gesamte Region in die einseitige Abhängigkeit vom Tourismus gerate. Nach Ansicht eines Mönchs und Lehrers im Kloster Sumur (I-110) gibt es kaum Auswirkungen des Tourismus: Die wenigen Touristen, welche das Kloster besuchen, bleiben nur kurze Zeit und beeinträchtigten das Klosterleben nicht. Allerdings gebe es Einflüsse auf die junge Bevölkerung Ladakhs, welche die Westler zu kopieren suche. Eine Bäuerin aus Sumur ( I-75) sieht im Tourismus die Gefahr, daß die Ladakhis die Kleidungs- und Ernährungsgewohnheiten der Westler kopierten. Diese Gefahr der Kopie der Touristen durch junge Ladakhis wird auch von einem Schamanen in Diskit (IL-111) gesehen: Die Menschen ahmten die Touristen nach und orientierten sich deshalb nicht mehr an der Religion. Vom Demonstrationseffekt bezüglich der Touristen, die inzwischen auch in zunehmender Zahl ins Nubra-Tal kämen, spricht ein 24-jähriger Stipendiat in Delhi (ursprünglich aus Tirit im Nubra-Tal stammend; I-114): Der Versuch der Bevölkerung, den Lebensstil der Touristen zu imitieren, greife die finanziellen Ressourcen der Ladakhis an. Traditionelle Kleidung und Musik würden durch den Tourismus zurückgedrängt. Die Tatsache, daß heutzutage kaum noch gonchas getragen werden, sei auf diese westlichen Einflüsse zurückzuführen, ebenso die abnehmende Beliebtheit traditioneller Musik und das gemeinsame Tanzen von Männern und Frauen. Dennoch werde der Buddhist spirit of Ladakh dadurch nicht beeinträchtigt. - Auch nach Meinung eines Bauern und ehemaligen Schullehrers in Khardong (I-116) führt der Tourismus zum Nachahmungseffekt bei ungebildeten Leuten, es solle nicht den Touristen nachgeeifert werden, sondern die eigene Kultur bewahrt werden: There is no need to tell about the educated people (yon-tan yod-khan), and those who are uneducated should not imitate them. We Ladakhis should live according to our standard (tshir-ka) 228 - they [the foreigners] who have a good income, they wear good cloth and speak to people according to their culture. Actually, we say we should not do what they do. They have to go with their own culture, and it is important for Ladakhis to go with their own culture (la-dags-pa la-dags-pe khrim-nang-zhin dul-gos-shes khak-can yin-nog). If we can still show them the good culture of Ladakh like not stealing and not telling lies (skunma med-khan zun-ma med-khan), and we should accept what is good from them, and should avoid the bad things (shig yod-na dzem gos-shes). Die Westler sein im Vergleich zu den Ladakhis viel weiter entwickelt, deshalb müßten die Ladakhis entsprechend ihren Möglichkeiten leben - "Die Fremden leben im Himmel - die Ladakhis auf der Erde": 227 Wörtlich "Mutter-Felder" - die Ackerflächen, deren Nutzung unmittelbar mit der Verfügung über das khang chen verknüpft ist und auch zusammen mit diesem weitervererbt wird. 228 HAMID (1998:217): „tshir system of taking turn, one’s turn“; JÄSCHKE (1998:448): „sucession, order, turn.“ 151 da de bo ten na tsog yin-nog-pa-le. Now it is like that: khong rang nge khrims bo khong kho rang ci bco na‘ang bcos Let them do whatever they do according to their rules and regulations. khong nge lad mo ma ne gos lag shig yin na‘ang. [we] should not copy them - whether it is [their] clothes khong nge ’dug zo lang zo lad mo ma ne bco gos shes ma nog. or their way of life. da khong nga nga dang nges bslab ba ni nga dang nga nyan bces med kyag. Now teaching them by us is not possible. med kyag ga le nga dang ma ne sa'i thil la ‘dug kan Isn’t it ? We are the ones who live down on earth khong gnam ma‘i mgo'a 'dug kan ne he sab yin nog. and the are living on the top, in the sky - it is like that. de ne khong nge tshir ka ba‘i ka nga dang de ne leb byes ma nog. So we will not reach their standard. nga dang khong nge lam ne ma ne cha dgos shes ma nog. We should not go by their way. Ferner sollten die Touristen in ihrem Urteil aufrichtig sein: Auch Nachteile der Kultur in Ladakh (z.B. die Hundeplage in Leh) sollten von den Auswärtigen klar benannt werden, so derselbe Gesprächspartner (I-116): Actually the foreigners should tell the truth instead of saying Ladakh is rich of culture and tradition and so on. The foreigners should point out if there is some things wrong in Ladakhi culture. Only then Ladakhi culture can be preserved. Otherwise if they say so many things just to please the Ladakhis then it is no use. For example he has heard that some people say that Ladakhis have dogs but do not know how to bind them and they take out their animals at eleven o clock like that and at the same time they say this is a good culture of Ladakh. So foreigners should point out the bad things in our culture and appreciate the good things and that is the thing that foreigners can do for us. Manche Gewohnheiten der Touristen seien für Ladakhis schwer zu akzeptieren, z.B. wenn westliche Frauen mitten auf dem Marktplatz rauchten oder in einer Bar Alkohol tränken - dies habe einen schlechten Einfluß auf die Jugend von Ladakh, sagte uns ein Agronom in Thiksey (I-122). - Insgesamt lassen sich die in den narratives geäußerten negativen Aspekte des Touristenzustroms in Ladakh wie folgt zusammenfassen: 152 - Kritisiert wird der Versuch vieler, vornehmlich junger Ladakhis, Kleidung, Lebensstil und Auftreten der Westler zu imitieren (I-7, I-33, I-75, I-84, I-96, I-110, IL-111, I-114, I-116). - Kritisiert wird auch die ungleiche Verteilung der Erträge aus dem Tourismusgeschäft: Vom Tourismus profitieren nur bestimmte Bevölkerungsgruppen, nicht die Allgemeinheit der Bevölkerung (I-7, I-10, I-103, I-108). - Der vermehrte Geldzustrom durch den Tourismus führt zu einer allgemeinen, monetärmaterialistischen Orientierung (I-10, I-91) und zur einseitigen Abhängigkeit von diesem Erwerbszweig (I-91). Es kommt zur Zunahme von Neid, Eifersucht und Unrast unter der Bevölkerung (I-67). - Touristen und Touristinnen kleiden sich zu freizügig, insbesondere beim Besuch heiliger Stätten (I-33, I-67, I-81). Es besteht Angst vor "Sittenverfall" (z.B. I-122) und der Zunahme von (Geschlechts-) Krankheiten (namentlich AIDS; I-33, Il-111; Il-117). Der buddhistischen Religion wird nicht von allen Westlern der ihr gebührende Respekt entgegengebracht (I-33, I-77, I-81, I-84, I-113) - Aufgrund des Tourismus und der damit einhergehenden Bautätigkeit gehen wertvolle Ackerflächen verloren (z.B. I-67, I-91). Differenzierte Haltungen zum Tourismus Viele Gesprächspartner heben in einer differenzierten Sichtweise sowohl die negativen wir die positiven Aspekte des Tourismus hervor, so ein Verwaltungsbeamter aus Tingmosgang (I7): Die Auswirkungen des Tourismus in Zanskar wie auch in Ladakh selbst würden sehr gegensätzlich beurteilt: es gebe "50% bad reactions to tourism." Der Tourismus habe zwei Seiten, und nur die guten Seiten des Tourismus seien zu fördern so ein 25-jähriger trekking guide (I-38). Ein guest house-Betreiber in Leh (I-67) kategorisierte im Gespräch zwischen buget tourists, middle class tourists, aristrocrat tourists und hippies, von denen - glücklicherweise, wie er sagte - nicht viele kämen. Touristen sollten sich vor ihrer Ladakh-Reise über die Region informieren und lernen, wie man sich in angemessener Art und Weise verhält. Nach Ansicht einer Bäuerin in Khardong (I-75) wie auch eines Mönch im Kloster Spituk (I84) habe die Präsenz der Fremden gute und schlechte Seiten: Die Gefahr bestehe darin, daß die Ladakhis die Westler kopieren (I-75), andererseits trage der Tourismus zur Aufrechterhaltung der Kultur bei. Es gebe Vor- und Nachteile durch den Tourismus (I-84), der Vorteil bestehe in bezahlter Arbeit und sponsorships für den Schulbesuch für Ladakhi-Kindern, der Nachteil darin, daß ungebildete Leute die Touristen nachahmten und die traditionelle Erziehung infolgedessen vernachlässigt werde. Auch nach dem Dafürhalten eines anderen Mönchs im Kloster Likhir (I-91) sind die Fremdeinflüsse, insbesondere der Tourismus in Ladakh, sowohl gut als auch schlecht: Gut daran sei, daß sich die Lebensweise verbessere und die 153 Menschen mehr Geld bekämen, aber Geld sei schließlich nicht alles: "money is not everything". Auch ein Agronom in Thiksey (I-122) sieht im Tourismus eine wichtige Einnahmequelle, allerdings sei zu beklagen, daß viel Geld bei tour operators in Delhi hängen bleibe und Ladakh gar nicht erreiche - die Touren sollten direkt von Ladakhis in Delhi vermittelt werden. Ein Schamane in Diskit ist der Meinung, daß die westlichen Fremdeinflüsse diejenigen sind, welche am meisten belasten (IL-111) - dennoch solle der Tourismus in Ladakh nicht eingedämmt werden, er trage entscheidend zur Entwicklung der Region bei. Vorteile ergäben sich besonders für Taxifahrer, guest house-Besitzer, Gemüsehändler usw. Er betonte die Eigenverantwortlichkeit im Umgang mit Touristen und Fremdheitseinflüssen allgemein: Unter der intellektuellen Führung gebildeter Leute und bei der Übernahme der Verantwortung für die Bewahrung der eigenen Identität würden Fremdeinflüsse keinen Schaden anrichten, sondern zur positiven Entwicklung der Region beitragen: We should not stop them coming, if the foreigners come, then there is a lot of development (tarki) for the country (yul), in every respect (chi-za chi-thog-na). For those who own a hotel, or who owns a taxi, or those who have vegetables, and there is benefit in all respect (chi-za chi-thog-na phan-togs yod-de yin-nog). But it totally depends on one's own mind (rang-rang-ngi sems-pe-ka rag-la-ste yin-nog) and one's own behavior (cho-tang cho-lugs). By listening to intellectual (khas-pa) people, if we keep our identity (shes-rigs), thinking (sems-pa tang-ste) it is our responsibility (khak-kur-na), then there will not be any effect (khyad) by foreign influences (phir-log-ne), rather there will be more development (yargyas). Zusammenfassend können die Aussagen zu den Auswirkungen des Tourismus innerhalb der erhobenen narratives als differenziert bezeichnet werden, die meisten Gesprächspartner gehen sowohl auf die negativen als auch auf die positiven Aspekte des Fremdenverkehrs und seiner Begleiterscheinungen in Ladakh ein. 3.2. Streßhinweise In den erhobenen narratives finden sich viele dezidierte Hinweise auf psychische Belastungen durch Fremdheitserfahrung und Modernisierung im Sinne von Streß (vgl. Kap. A.4.). So meinte ein Apotheker aus Basgo (I-3), sogar der Streß für die Kinder habe sich aufgrund verfrühter Einschulungen vermehrt; zu seiner Zeit habe es nicht solchen Druck gegeben: "We were free. We would enroll at school when we were six."229 Ein Sohn von Restaurantbe- 229 Angeblich liege das heutige Einschulungsalter bei drei Jahren, was uns sehr übertrieben erscheint: die jüngsten Schulkinder, die wir sahen, waren vier Jahre alt. 154 treibern im Buddh Vihar (I-15) sprach davon, daß die Konfrontation mit dem Fremden zur Konfusion unter den Ladakhis führe, ein Mönch aus Lamayuru (I-22) davon, daß die allgemeine Verunsicherung generell zu mehr trouble und zur Zunahme der Schamanenkonsultationen führe. Von steigenden Konsultationszahlen medizinisch-religiöser Spezialisten wußte auch ein onpo230 aus Saspol (I-25) zu berichten: Im Gegensatz zu früher würden heute oft mehrere Schamanen, amchis231 und onpos hintereinander konsultiert.232 Auf die Frage nach persönlichen Ängsten antworte der Vorsitzende der Himalayan Buddhist Cultural Association (I-26), Entwicklung und Wissen würden sich unweigerlich weiterentwickeln, das führe zu Traurigkeit und Verwirrung: In my view, in Ladakh, all these knowledge, economy and progress, even if somebody tried to stop it, it will not be possible - the progress will go on. But there is a little bit sadness in my mind (sem-be nang-nga tser-ka) and a little bit disturbance in my thinking (sems-be nang-nga mi-rde che-shig) for this religion and beautiful culture, for which many people from all over the world come to see it - to maintain and protect that culture will be difficult. Ein Doktor der Philosophie in Delhi (I-47) sagte uns, daß es aufgrund all der Veränderungen in Ladakh zu psychosomatischen Beschwerden komme, z.B. zur Furcht während buddhistischer Meditationen infolge der Visualisierung von bodyless sky persons.233 Durch die modernen Zeiten komme es zum Zerfall der Familien, der zwischenmenschlichen Beziehungen und der Religiosität (I-48; dieselbe Person). Eltern fühlten sich von ihren Kindern verlassen, es gebe Selbstmorde,234 Trauer werde nicht mehr so intensiv wie früher ausgedrückt, die junge Generation suche nach Begründungen für bestimmte Begebenheiten, statt diese wie früher einfach hinzunehmen. Häuser würden in Ladakh verschlossen zurückgelassen, niemand kümmere sich mehr um die Ländereien, weil die Kinder „aushäusig“ unterwegs seien, niemand kümmere sich mehr um die nötigen Opfergaben.235 Viele Kinder und damit auch Schüler sähen gucken bis spät in die Nacht hinein fern (vor allem sexy pictures) und seien dann in der Schule entsprechend müde; Familienmitglieder fänden keine Zeit mehr, miteinan230 Siehe Glossar. 231 Siehe Glossar. 232 Diesbezüglich wußte ein ehemaliger Stipendiat der Herrnhuter (I-56) zu berichten, daß heutzutage westliche Medizin bevorzugt werde, weil diese sehr viel schneller als die traditionellen Heilmittel wirke. Im gleichen Sinne äußerte sich eine Bäuerin und Ehefrau eines Schamanen in Hundar (I104). 233 Unklar blieb, welche Art von numinosen Wesen, die von ihm scherzhaft auch als Rinpoche’s wife bezeichnet wurden, damit gemeint waren: lha, rde, eventuell dakinis? (vgl. Glossar). 234 Z.B. unter Ladakhis in Jammu, weil ein niedrigkastiger (bezogen auf Ladakhi-Statusgruppen; vgl. Kap. A.2.) Junge in ein höherkastiges Mädchen verliebt gewesen und von ihr abgewiesen worden war. 235 In seiner Familie sei dafür sein älterer Bruder zuständig, wenn die anderen Familienmitglieder unterwegs seien - oder wie er selbst dauerhaft außerhalb Ladakhs lebten. 155 der zu reden. Auch wenn das Leben heute einfacher sei als früher, so gebe es doch "more tension and excitement" - so eine Bäuerin in Khardong (I-75). Die modernen Lebensmittel verursachten Krankheiten, es gebe mehr Trübsal und Bedrückung als früher, Konkurrenz und Eifersucht führten dazu, daß die Menschen unglücklich seien. Der Direktor der Moravian Mission School, Elijah Gergan (I-121) wies in einem Interview darauf hin, daß der Begriff der Zeit inzwischen in Ladakh ein ganz anderer als früher geworden sei: Während früher ein zyklisches Zeitverständnis vorherrschte, müßten sich die Ladakhis heute an einem linearen, westlich (und letztendlich christlich) geprägten Zeitverständnis orientieren: guest houses müßten fristgerecht zur Touristensaison hergerichtet werden, Flugpläne eingehalten werden usw. Dies führe zu einem Akkulturationsdruck, welcher Streß erzeuge. Auch ein Bauer und Elektriker aus Phyang (I-33) ist der Meinung, daß mentale Veränderungen der Bevölkerung zu verzeichnen seien, vor allem in Stadtnähe. Dort führe die Zeitorientierung und die Notwendigkeit der Planung zu mentalen Spannungen (Streß). Auch ein Bauernsohn aus Leh (I-56) ist der Meinung, daß Verhältnis zur Zeit habe sich verändert, die Leute hätten heute mehr Sorgen, seinen viel beschäftigter, nicht so zufrieden (happy) wie früher, hätten keine Zeit mehr und seien inzwischen "verrückt": "they got more and more crazy." 156 4. Subjektive Bewältigungstheorien: behauptete Strategien der Fremdheitsbewältigung und gesellschaftlich-politische Konzepte Insgesamt herrschen in den erhobenen narratives differenzierte Sichtweisen vor: Es werden sowohl die Vorteile als auch die Nachteile der verschiedenen Fremdheitseinflüsse gesehen und als solche bewertet. Einzig und allein bezüglich des Einflusses von Kashmir und der Moslems wird das Gefühl einer pauschalen Bedrohung, Übervorteilung (eher im politischen als im ökonomischen Sinne) und Diskriminierung geäußert. Die völlige Ablehnung alles Fremden fand sich lediglich in den narratives einer Person (Doktor der Philosophie in Delhi; I-10, I-28, I-47). Im Einklang mit dieser durchwegs sehr differenzierten Sichtweise wird in den meisten Äußerungen entsprechend der buddhistischen Lehre (dharma) und buddhistischen Grundüberzeugungen betont, daß der Grund für die Veränderungen in der LadakhiGesellschaft keinesfalls nur in den Außeneinflüssen zu suchen sei. Statt dessen trügen die Menschen in Ladakh selbst die Verantwortung sowohl für die derzeitigen Zustände1 als auch für die Möglichkeiten zu ihrer Veränderung. Wie im folgenden zu zeigen sein wird, werden dementsprechend Fremdheitslösungen vornehmlich auf einer individuelle Ebene gesucht (unter anderen im Bildungsbereich), und es wird ganz allgemein die Notwendigkeit betont, das eigene Bewußtsein zu kontrollieren und zu formen. Zusammenfassend können in den erhobenen narratives folgende Strategien ausgemacht werden, von denen die Gesprächspartner angeben, sie selbst zu verfolgen oder aber als sinnvolle Maßnahmen im Umgang mit den drei verschiedenen Fremdheitseinflüssen anzusehen: (1) (2) (3) (4) (5) 1 Hinwendung zur Religion. Vermehrte Bildunganstrengungen sowohl auf säkularer als auch auf religiöser Ebene. Die Lösung des interreligiösen Konfliktes zwischen Buddhisten und Moslems. Die Bewahrung der eigenen Kultur und Religion sowie der ökonomischen und kulturellen Selbständigkeit. Das Engagement in nicht-regierungsgebundene Organisationen (NROs/NGOs/ tshogspas).1 Hier handelt es sich um eine kollektive Strategie, welche nur in wenigen narratives zutage tritt (I3, I-8, I-11, I-26, I-33). 157 4.1. "Fremdheitslösungen" in der Religion Die Mehrzahl der Gesprächspartner - nicht nur Mönche, Schamanen oder andere besonders religiös orientierte Personen - gibt an, Lösungsansätze für die als belastend empfundenen Veränderungen ("Fremdheitsbewältigung") vor allem im Bereich der Religion zu suchen, z.B. ein Bauer aus Matho (I-8): I am always praying: how can we help these poor people? In dieselbe Richtung geht seine Antwort, was zur Verbesserung der Situation in Ladakh getan werden könnte: always pray.2 Andere Interviewpartner äußerten: Es gelte, die Religion im bisherigen Umfange aufrecht zu erhalten (I-27), es sei für die Buddhisten nötig, in Einheit zu leben und Vertrauen (faith) in ihre Religion zu haben, um ihre Position zu stärken. Die Lösung bestehe darin, dem Pfad des Buddha zu folgen (I-81). Alles, was die Menschen tun könnten, sei, ein gutes Herz zu haben, zu den drei Juwelen Zuflucht zu nehmen und zu ihrem yi dam3 beten (IL-70). Ein Mönch in Dragthog (I-90), den wir nach Möglichkeiten der Verbesserung der Verhältnisse in Ladakh befragten, antwortete, er könne lediglich seinen guten Wünschen für alle lebenden Wesen, seien es Menschen oder Tiere, Ausdruck geben - das Wichtigste sei, den jungen Leute die Grundsätze des Glaubens zu vermitteln und sie zur Einigkeit und zum Einsatz für das Land zu erziehen. Die Notwendigkeit der Schulung des eigenen Bewußtseins: "To control your mind" Im Einklang mit buddhistischen Grundüberzeugungen4 wird fast durchwegs die Notwendigkeit betont, das eigene Bewußtsein zu entwickeln: Wichtig ist die Kontrolle des Bewußtseins, wie beispielsweise ein lha pa in Khardong (IL-76) betont: Wenn die Leute Neid und Eifersucht aufgeben würden, könnten sie wieder glücklicher sein, aber es sei sehr schwierig, die Menschen zu ändern - letztendlich hänge es von den Einzelpersonen ab, sich zu ändern, tshogs-pas (NGOs) verwirrten die Leute eher (IL-78; ein lha pa in Diskit). So äußerte sich auch eine junge Bäuerin (25 Jahre) in Khardong: Um die gegenwärtigen Probleme zu lösen, sei ein Bewußtseinswandel der Menschen nötig, das Wirken vieler Rinpoches und NGOs zusammen mit der Regierung - sei eher verwirrend und nur bedingt sinnvoll. Statt dessen sei die Lebensweise der Menschen zu ändern (I-75): 2 Derselbe Mann gab im Gespräch eigenes Engagement auf lokaler Ebene zur Stärkung des Buddhismus durch Klosterrestauration an: Er selbst engagiert sich in der Verwaltung und bei der Restauration des Klosters von Matho und habe dort erstmals eine richtige Buchführung eingeführt. Sein persönliches Ziel sei "progress in our monastery". 3 Siehe Glossar. 4 Nämlich den Gesetzmäßigkeiten von Ursache und Wirkung und der Verantwortung für das eigene karma (Tibetisch-Ladakhi las = Arbeit), welches auch die folgenden Reinkarnationen ("Kreislauf der Wiedergeburten") transzendiert; vgl. COLEMAN (1994:291): "Cause and effect ... rgyu 'bras [tib.] hetuphala [skrt.]". 158 It is quite a difficult task - it does not depend on some individuals, it depends on the whole society. If one or two people just want to live for others, or they want to improve the society like that, it cannot be done. If it has to be changed, all the people have to be changed before. It depends on the people - so it is a very difficult task. Anzustreben sei ein Gleichgewicht zwischen den Außeneinflüssen und dem inneren peace of mind, welches durch religiöse (= dharma)-Praxis erreicht werden kann (I-91, Mönch im Kloster Likhir). Die einzige Möglichkeit zur Lösung der anstehenden Probleme sei, eine Geisteshaltung des Mitgefühls und des Helfens zu generieren.5 Nach Meinung einer Schamanin in Choglamsar (IL-97) hängen Lösungsmöglichkeiten allein vom Bewußtsein der Menschen ab es sei notwendig, in guter Absicht zu handeln, eine mitfühlende Haltung zu entwickeln - ohne das bleibe auch jede religiöse Praxis fruchtlos. Gefragt, was man angesichts zunehmend materialistischer Orientierung, Eifersucht und Neid tun könne, antwortete sie: It depends on one's mind (sems-pa). If you want to become good, you have to be good in mind (sems-pa zang-po), and then it will be possible. I will not act against him /her (nge kho'a lok-phar-zhig mi-co), I will be good in mind (sems-pa zang-po). I will cause him/her to do good work (kho'a rgyal-leg ton-zhig dug-chug-gin), I will not harm (nod-pa) him or her, I will not do like this. If you think (sam-na) like this in your mind (sems-pa). Then, whether you practice a good dharma (chos rgyal-leg) or not, it will be no benefit (phanthog) for you, if you are bad (ngan-pa). If you have a good mind (sems-pa trang-po), and practice the dharma with faith (chos-sang tad-pa cos-se), everything can be done. Es liege an den Menschen selbst, sich wieder der Religion zuzuwenden und die Dinge zu ändern, Lösungsmöglichkeiten müßten von den Menschen selbst kommen: sie sollten sich an der Religion orientieren, ihre Sozialbeziehungen verbessern (I-105, I-106). Die Änderung der individuellen Einstellung sei nötig: Wenn die Menschen diese Einstellung ändern könnten, würde das zur Verbesserung der Verhältnisse beitragen. Die Lösung der gegenwärtigen Probleme Ladakhs hänge vom eigenen Bewußtsein ab - religiöse Betätigung mit Glauben im Herzen sei nötig, z.B. das Aufhängen von Gebetsfahnen oder die Instandsetzung von mchod rten6 (I-109): The only solution is to do religious work with faith, the should take the tar-chog with lungrta7 on the clean mountains according to their age, like that. You have to repair the ma-in mchod-rten, and whatever religious service you do, it has to be done with faith, only then your lung-sta will be up again. 5 Diese sei nicht allein auf den Buddhismus beschränkt, sondern entspreche einer universellen religiösen Grundeinstellung entspreche. 6 Siehe Glossar. 7 Siehe Glossar. 159 Ob Außeneinflüsse schädlich sind, hänge nicht so sehr von diesen Einflüssen selbst als vielmehr davon ab, wie die Menschen damit umgingen. Wenn die Menschen fest im Buddhismus verwurzelt seien, könnten ihnen die Außeneinflüsse nichts anhaben, so ein Mönch und Lehrer im Kloster Sumur (I-110): ta nang pa’i rigs gzhung ba’i ka khyad bsleb byes bo da Now the effect on Buddhist culture is mang che'a kho phyi rgyal sleb na’ang ‘dra yang srid pa zhig sleb na’ang ‘dra Whether there is any effect from the coming of either foreigners or the army, de zug shig ge ka ne khyad cig de zam zhig zhu thub bya mi nog ga le that much to say about it, is not possible. ci‘a zhu na nga dang nge nang pa’i rigs gzhung bo mang che'a because our Buddhist culture is mostly mi mang gun ne shes dgos po khag can yin nog le. important for people who wish to know it. nang pa’i rigs gzhung bo tsam shig shes pa tsam gyi When they know the Buddhist culture more nang pa’i rigs gzhung bo'a dad pa cha byes yin nog ga le they will have developed faith in Buddhism [Buddhist culture] dad pa che che'a cha mnyam po mi sag ge sems pa and when they have developed more faith, the minds of the people 'e ni ci zer ren sems me nang nga nang pa’i rigs gzhung bo'a dad-pa how to say - when the faith in Buddhism brtan po zhig lus sa dang mnyam po ‘gyur zha mang ste de zam zhig remains firm, the changes will not [effect] that much. yong thub bya ma nog de phi’a mi mang tshang ma chos se slob sbyong Therefore, to have education in the dharma dgos shes po khag can tsog shig yin nog. is an important desire for all people. Es liege somit an den Buddhisten selbst, das richtige Verständnis für ihre Religion zu finden und gegenüber äußeren Einflüssen gewappnet zu sein. Ladakhis außerhalb der Region neigten dazu, ihre Kultur zu vergessen. Wenn sie zurückkämen, sollte ihnen die Ladakhi-Kultur wieder vermittelt werden, so derselbe Mönch (I-110). Bewußtseinsbildung sei von den Einzelpersonen abhängig, gebildete Leute, insbesondere Mönche und hochrangige Lamas, sollten 160 mit gutem Beispiel vorangehen, und es sei wichtig, bodhicitta8 zu entwickeln - das sagte uns ein Schamane in Diskit (IL-111) auf die Frage, welche Wege es zur Aufrechterhaltung des Glaubens und der Traditionen gebe: co thabs yod de yin nog de ne dags sa There are ways now: dge ba'i gshes bshyen bla ma kun yul yul la bskyod de the virtuous monks should go to the villages bka‘ chos gsal tsa na de na nga dang nge sems pa and give teachings that our minds bzang po cos mi'a nod ma skyal de ne phan sems should be good, not doing harm to others, thinking of benefiting others dang gzhan la phan ba cos de ne dags sa mi kun ne and do what is beneficial for others. Then now, the people, chos po zhag po gnyis gsum zhig rgyal la cos de for two or three days they listen to the teachings carefully, nyan 'dug zhag bcu co lnga zhig sems pa dul de and for ten or fifteen days their minds are controlled. yong dug sting bo na ka zug ga rgyur zheg yong ngad pi na After that, how do the changes come? de chos la lag len tshang ma rjed den songs pa ngan sems to All the practices of the dharma are forgotten and the ill will mang nga yong adug de ne dags sa nye rang nge increases and becomes more then. mol ces nang zhin la ka zug ge sems pa This is like what you said, how the minds nang nga khyong ces phi‘a ci co dgos sa nog can be brought in [a good state] and what can be done for that. zer na de bo khyong ces se phi‘a yul yul le nang nga If we say this, then for bringing back the minds [into a good state], in the villages yi ju kye tet ma mang po yod de yin nog ma yul mtha‘ many educated (people) are there, and mang po yod kyag pa ka ru kom nyer gcig yod kyag and there are many remote villages where only one monk lives. 8 Siehe Glossar. 161 de ne de kom nyer la ng khag yin nog sems pa Then it is the responsibility of that monk to dul ces dang sangs rgyas se gsungs zabs mo kun tame the people's minds [by applying] the Buddha's sacred teachings, lag len co ces phi‘a skyabs 'gro ze ra tsogs kun ne to practice the sacred teachings of the Buddha of taking refuge etc. sems pa de tshang ma slab sbya bzang po dang na de ne And if good advice is given, then sems pa rgyur ces yin nog ya le mi re re the mind of each [single] individual will change [and become good]. khag yin nog pa le de ne khang pa gcig ge nang nga It is the responsibility of the family in a house [of individuals]. mi lnga yod na a ba a mas slab sbya bzang po If there are five members in a family and the parents give good advice, dang na phru gu tshang ma de na tsogs rgyu ra nog. the children will become all the same [as them]. gcig gcig ge rtsog po co na phru gu'ang de na If one does a bad [thing], the children also will become like that [the same as him or her]. rgyu ra nog de na tsogs khag yin ca 'dug pa ka sa Like that it is the responsibility, yes. 4.2. Bildung: Religiös und säkular Die Notwendigkeit vermehrter Bildungsanstrengungen (sowohl in säkularer wie in spirituellreligiöser Hinsicht) wird von den Gesprächspartnern mehrheitlich als vordringliche Aufgabe der Fremdheitsbewältigung hervorgehoben. Intensivierung der religiösen Unterweisung – Vermehrte Bildungsanstrengungen im buddhistischen Bereich Die Suche nach Fremdheitslösungen im religiösen Bereich ist fast durchgängig bei allen Gesprächspartnern mit dem Wunsch nach der Intensivierung der religiösen Unterweisung und vermehrter Bildungsanstrengungen im buddhistischen Bereich verknüpft: Es gelte, die buddhistische Erziehung auszuweiten (I-67); viele Ladakhis wüßten weniger über den Buddhismus als manche Westler. Um diesem Bildungsdefizit abzuhelfen, würden regelmäßige Unter- 162 weisungen im Buddhismus im Haupttempel von Leh durch Angehörige des Institute for Higher Buddhist Studies in Choglamsar durchgeführt (I-51). Im Bildungsbereich gebe es keine Vermittlung von Grundwerten, sagte uns ein Doktor der buddhistischen Philosophie (I-10): Die ethisch-moralische Erziehung und die Vermittlung buddhistischer Werte werde im gegenwärtigen Bildungssystem völlig vernachlässigt, Buddhist knowledge should be spread to other people. Wie ein Mönch im Kloster Spituk (I-84) äußerte, sei die religiöse Ausbildung seit Jahrhunderten nicht mehr auf den neuesten Stand gebracht worden. Es sollten mehr Mönche in Südindien ausgebildet werden und nach Ladakh zurückkommen, und die Mönche sollten auch die Schattenseiten des Tourismus verstehen lernen. Das Engagement im (religiös gebundenen) Bildungsbereich sieht auch ein Mönch aus Lamayuru (I-22) als persönlichen Beitrag zur Fremdheitslösung an - er wolle gerne lectures in Ladakhi halten - das sei allerdings imaginative, bisher nur eine Vorstellung im Kopf. Ein anderer Mönch im Kloster Likhir (I-91) sieht die Lösung ebenfalls in vermehrter religiöser Praxis: Es solle ein verbindliches, gemeinsames Curriculum der Klöster im Sinne einer standardisierten geistlichen Ausbildung eingerichtet werden. Säkulare Bildung In den meisten Äußerungen wird auch die Notwendigkeit moderner Bildung betont, der Vorsitzender der Himalayan Buddhist Cultural Association (I-26) sieht in der modernen Erziehung sogar eine Möglichkeit der Kulturbewahrung: Religion und Kultur können seiner Meinung nach nicht allein durch Klosterbau und Mönchswesen gefördert werden. Wie ein Mönch in Dragthog (I-90) ausführt, liege es an den Behördenvertretern, etwas für die Entwicklung der Region zu tun - das Wichtigste sei jedoch, den jungen Leute Bildung zu vermitteln (to educate them), ihnen die Grundsätze des Glaubens zu vermitteln und sie zur Einigkeit und zum Einsatz für das Land zu erziehen. Erziehung und Bildung sollte in Ladakh, nicht auswärts stattfinden, und die Kinder sollten nicht in eine prestigeträchtige Ausbildung außerhalb der Region gepreßt werden, wenn doch eine qualifizierte Erziehung in Ladakh bis zur zehnten Klasse möglich sei, so der Manager des Ladakh Buddh Vihar in Delhi (I-27). Auch ein Doktor der buddhistischen Philosophie (I28) hält es für vordringlich, das Erziehungssystem in Ladakh zu ändern: Es gebe viele Schüler und Studenten, die außerhalb Ladakhs eine sehr gute Erziehung genössen und nicht mehr zurückkehrten, also einen brain drain in Ladakh, wo die Menschen nach wie vor zu 99% Bauern und die Durchfallrate der Schüler bei den Examina sehr hoch seien. Insgesamt seien verstärkte Anstrengungen zur besseren Schulausbildung für Kinder in Ladakh nötig (good schooling for children), der bisherige Ausbildungsstandard sei unzureichend (low marks for children). Dementsprechend sei es ein Hauptanliegen, die Abwanderung der jungen Generation durch verstärkte Erziehungsbemühungen (education), insbesondere Bildung in der ei- 163 genen Sprache, zu verhindern, wie der Vorsitzende der Ladakh Travel Association (I-13) betont: Er verstehe unter development vor allem Erziehung, "education is the main focus". Diese solle - nach dem Muster der indischen Bundesstaaten Kerala und West-Bengalen - in der eigenen Sprache, im Sinne einer eigenen Literatur- und Bildungstradition stattfinden. Auch ein Mönch in Dragthog (I-90) hält Unterricht in der eigenen Sprache (Ladakhi) nach dem Vorbild der Manjushri School9 in Shakti für sehr gut. Außerdem seien mehr Arbeitsstellen für gut ausgebildete Ladakhis zu schaffen, wie ein Angestellter des Hill Councils (I-102) betont. Gute Erziehung für die eigenen Kinder wird als einer der häufigsten Zukunftswünsche genannt, z.B. von einem Ladenbesitzer in Diskit (I-108). Befragt, was zum Wohle Ladakhs getan werden sollte, antwortete ein Stipendiat in Delhi (I-114) im gleichen Sinne: Wie er aus seiner eigenen Erfahrung weiß, war es um die Erziehung in Ladakh immer sehr schlecht bestellt - deshalb sollte schwerpunktmäßig das Bildungswesen in Ladakh verbessert werden, der Schulunterricht sollte nur in Bod yig und Englisch sein - Hindi lernen die Leute sowohl beim Fernsehgucken und durch die Massenmedien, die formelle Bildung sollte auf Englisch basieren. 4.3. Die Lösung des interreligiösen Konflikts zwischen Buddhisten und Moslems Die Mehrzahl der Gesprächspartner betont die Notwendigkeit, den Konflikt zwischen Moslems und Buddhisten zu schlichten: So wünscht sich ein junger Apotheker aus Basgo für die Zukunft, daß Frieden zwischen den Religionen herrsche. Sein persönlicher Beitrag dazu sei, daß er alle Patienten gleich behandle, die zu ihm kommen - etwas anderes sei nicht zu tun, nicht möglich, zu tun (I-3). Der Konflikt sei von Politikern hervorgerufen worden und müsse infolge dessen auch von diesen gelöst werden, Er sei "happy when there is no tension between the two religious groups" - so der Vorsitzende der Ladakh Travel Association (I-13). Auch der Imam der Moschee in Leh spricht sich für gegenseitigen Respekt von Buddhisten und Moslems aus (I-71), zusammen mit Schi'iten aus Leh habe er den Dalai Lama um eine Audienz gebeten und diese im vergangenen Jahr beim Besuch S.H. auch bekommen. Ein Mönch in Chemshin (I-109) ist der Meinung, auch mit den Moslem aus dem Kashmir Tal solle eine gute Beziehung aufrechterhalten werden, da von dort viele wertvolle Dinge kommen, und in früherer Zeit sei das Verhältnis tatsächlich sehr gut gewesen. Religiöse Erwägungen sollten in der Politik keine Rolle spielen. 4.4. Die Bewahrung der eigenen Kultur und Religion sowie der ökonomischen und kulturellen Selbständigkeit 9 Ein von der Deutschen Jutta Mattausch begründetes Schulprojekt in Chemre in Ober-Ladakh, in dem ausschließlich in Bod yig und Englisch unterrichtet wird. 164 Die meisten Gesprächspartner betonen die Eigenverantwortlichkeit in der Auseinandersetzung mit dem Tourismus, und daß man sich nicht zur Nachahmung der Westler verleiten lassen solle, z.B. ein Bauer und pensionierter Schullehrer in Khardong (I-116): Die Fremden leben im Himmel - die Ladakhis auf der Erde, so sagt er - ihre Lebensweisen seien sehr verschieden; die Fremden seien bezüglich ihres materiellen Reichtums und ihrer Bildung viel weiter entwickelt als die Ladakhis. Deshalb solle man auch die Westler allgemein nicht nachahmen, sondern statt dessen die eigene Kultur bewahren: da de bo den na tsog yin nog pa le Now, it is like that: nga dang nge khong nga tsog po zhig bco yin ya Whether we do bad to them or they [to us], khong kho-ri yul-le khrims-zhig [concerning] the rules and regulations of their country, there is a saying yul khrims rgyal po'a shig ga mi nyan zer ra tsog yod kyag pa that the rules of a country cannot be broken even by the king. khong rang nge khrims bo khong kho rang ci bco na’ang bcos Let them do whatever they do according to their rules and regulations. khong nge lad mo ma ne gos lag shig yin na‘ang. [We] should not copy them, whether it is [their] cloths, khong nge 'dug zo lang zo lad mo ma ne bco dgos shes ma nog. or their way of life. da khong nga nga dang nges bslab ba ni nga dang nga nyan byes med kyag. Also, teaching them is not possible for us, isn't it? med kyag ga le nga dang ma ne sa’i ‘thil la 'dug kan We are the ones living down on earth, khong gnam me mgo’a ‘dug kann ne he sab yin nog. and the are the ones living on the top in the sky - it is like that. de ne khong nge tshir ka ba’i ka nga dang de ne leb byes ma nog. So we will not reach their standard. nga dang khong nge lam ne ma ne cha gos shes ma nog. We should not go through their way. 165 4.5. Engagement in nicht-regierungsgebundenen Organisationen (NROs/NGOs/tshogspas)? Im Zuge der touristischen Erschließung Ladakhs und im Zusammenhang mit dem Interesse auswärtiger Buddhisten10 an dieser Region kam es zur Gründung einiger nicht-regierungsgebundener Organisationen (NROs / NGOs), welche auf Ladakhi schlicht mit dem Begriff tshogspa11 bezeichnet werden. Im einzelnen sind dies z.B. die Ladakh Ecological Development Group (LEDeG), das Students' Educational and Cultural Movement of Ladakh (SECMOL), welches 18 km außerhalb von Leh in Phe einen eigenen Campus unterhält, oder die Womens Alliance of Ladakh (ama‘i tshogspa). Im religiösen Bereich können auch die Ladakh Buddhist Association (LBA), die all-Ladakhi Gonpa Society, die ortsansässige Mahabodhi Society und die in Delhi (Ladakh Buddh Vihar) ansässige, maßgeblich von Ladakhis beeinflußte und von einem Mönch aus Zanskar gegründete Himalayan Buddhist Cultural Association (H.B.C.A.) unter diese tshogspas eingereiht werden. Hinzu kommen noch verschiedene Vereine und Verbände (z.B. welfare societies) auf dörflicher oder unterregionaler Ebene (etwa im Nubra-Tal) sowie Schulprojekte (etwa die Manjushri School in Chemre oder die Modellschule des Mahabodhi Centre in Leh; vgl. Kap. A.3.). Gegenüber den nicht-regierungsgebundenen Organisationen herrschte in den narratives durchwegs eine kritische Einschätzung vor, ihr möglicher Beitrag zur Lösung der gegenwärtigen Probleme Ladakhs in der Auseinandersetzung mit den Fremdheitseinflüssen wird gering eingeschätzt. Letztendlich hänge es von den Einzelpersonen ab, sich zu ändern, tshogspas (NGOs) verwirrten die Leute eher (IL-78) - sagte z.B. ein Schamane in Diskit. Ähnlich äußerte sich auch eine junge Lehrerin (25 Jahre) in Khardong: Um die gegenwärtigen Probleme zu lösen, sei ein Bewußtseinswandel der Menschen nötig, das Wirken vieler Rinpoches und nicht-regierungsgebundener Organisationen zusammen mit der Regierung sei eher verwirrend und nur bedingt sinnvoll. Statt dessen sei die Lebensweise der Menschen zu ändern (I-75). In einer Reihe von narratives wurde der H.B.C.A. vorgeworfen, sich vor allem um die Unabhängigkeit Tibets statt um die Belange Ladakhs oder des indischen Himalayas zu kümmern (z.B. I-10). Eine Ausnahme bildete in dieser Hinsicht die Äußerung eines ehemaligen Dozenten am Institute for Buddhist Studies in Choglamsar (I-85): Er befürwortet grundsätzlich eine Einigung der Buddhisten in der Himalaya-Region und die generelle Zunahme buddhistischer Aktivitäten. Auch andere NGOs setzen sich für die Stärkung des Buddhismus ein - wenn dies mit dem richtigen Verständnis geschehe, sei dies sehr wertvoll. Ansonsten fand sich eine 10 Dies bezieht sich sowohl auf westliche Anhängerinnen und Anhänger des Buddhismus als auch auf Buddhisten aus anderen asiatischen Ländern, namentlich Sri Lanka, Thailand, Korea und Japan; vgl. auch Kap. A.3. 11 Vgl. HAMID (1989:219): "tshogs 1 grove of trees, forest. 2 assembly, congregation ... tshogspa society, group, association." 166 positive Bewertung von NGOs vornehmlich bei denjenigen Personen, welche aktiv daran beteiligt sind (I-3, I-8, I-26, I-72). 4.6. Zusammenfassung: Hinweise auf Fremdheitslösungs- und Bewältigungsstrategien in den narratives der Gesprächspartner Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß eher individuelle ausgerichtete Fremdheitslösungsstrategien vorherrschen, welche vor allem im Rahmen der Bewußtseinsbildung und formeller Bildungsanstrengungen (Schule, Kloster) gesucht werden. Kollektive Lösungsvorschläge, etwa durch Beteiligung an NGOs, Verbänden, Parteien oder politischen Bewegungen, werden nur von einer Minderheit der Gesprächspartner angeführt. Im Vordergrund steht ferner das Bemühen um friedvolle Beziehungen zu den Moslems sowohl in Kashmir als auch in Ladakh selbst, verbunden mit dem Wunsch nach stärkerer Selbstbehauptung Ladakhs innerhalb des indischen Bundesstaates Jammu und Kashmir. Die einleitend formulierte Hypothese, daß Fremdheitslösungen vor allem im religiösen Bereich gesucht werden, kann somit bestätigt werden. Als weiteres Ergebnis kristallisiert sich heraus, daß diese religiös begründeten Fremdheitslösungen vor allem auf der Ebene individueller Bewußtseinsbildung, und dies auch im säkularen Bereich, gesucht werden. 167 C. DISKUSSION DER ERGEBNISSE 1. Rückblende auf die Ausgangsfragestellung Die zentrale Fragestellung unserer Studie zur subjektiven Fremdheitserfahrung in Ladakh war, ob die drei dominierenden Außeneinflüsse in Ladakh (Indien, Kashmir / Islam, "der Westen") als Last oder als Bereicherung empfunden werden, und welche Hinweise auf Fremdheitslösungen sich für den Fall finden lassen, daß diese Außeneinflüsse als Last oder Beeinträchtigung empfunden werden. Dazu wurde ausführliche, halbstrukturierte Gespräche innerhalb einer möglichst großen Bandbreite von Ladakhis geführt, um Hinweise auf Spannungen innerhalb der Bevölkerung zu erhalten und Beziehungen zwischen den drei verschiedenen Fremdheitseinflüssen, ihrer Wahrnehmung durch die Bevölkerung als Fremdheitslast oder Bereicherung und gegebenenfalls Hinweisen auf Möglichkeiten der Spannungsreduktion zu ermitteln. Dem Forschungsprojekt lag die Hypothese zugrunde, daß die beschriebenen Außeneinflüsse (die dreifache Fremdheitslage) vor allem als Fremdheitsdruck oder Fremdheitslast wahrgenommen werden, und daß Möglichkeiten zur Reduktion der daraus erwachsenen Spannungen (Streß) vor allem im Rückgriff auf die Religion (Buddhismus, Pilgerwesen, Schamanismus) gesucht werden. Unsere Ergebnisse zeigen, daß sich in Ladakh durchaus vielfältige Hinweise auf Streß und Spannungen finden lassen. Diese werden recht pauschal auf Bewußtseinsänderungen innerhalb der Bevölkerung sowie Einflüsse der Moderne zurückgeführt. Doch sowohl bei der Beurteilung der Moderne an sich als auch der westlichen Einflüsse (welche vornehmlich in Gestalt des Tourismus transportiert werden) herrschen differenzierte Sichtweisen vor, es werden sowohl die Vorteile als auch die Nachteile dieser Einflüsse benannt - und zwar sowohl in einer synchronen als auch in einer diachronen Perspektive. Das Wirken der indischen Armee und die Einbindung in das indische Staatswesen werden durchwegs positiv bewertet, allein die Konfrontation mit der Lebensrealität indischer Großstädte (vor allem der Hauptstadt Delhi) wird als Ursache von Spannungen genannt. Nur in sehr wenigen narratives (z.B. I-27) werden Ängste vor Kultur- und Identitätsverlust aufgrund der Zugehörigkeit zu Indien laut. Ganz explizit werden solche Ängste jedoch im Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zum indischen Bundesstaat Jammu und Kashmir und der Auseinandersetzung mit der Moslembevölkerung in Ladakh (sowohl ladakhischen, "einheimischen" Moslems als auch denjenigen aus dem Kashmir-Tal) genannt. Hier wird eine Bedrohung durch die demographische Überfremdung des buddhistischen Ladakhs durch Moslems (ka che, ka chul pa) gesehen und das Gefühl geäußert, von der Staatsregierung von Jammu und Kashmir in politischer, ökonomischer und kultureller Hinsicht übervorteilt zu werden. 168 In Übereinstimmung mit unseren Hypothesen lassen sich Hinweise auf Fremdheitslösungen vor allem im religiösen Bereich finden. Die Hinwendung zum bzw. Verwurzelung im Buddhismus manifestiert sich jedoch weniger im Engagement in religiös gebundenen Organisationen, sondern vielmehr im Bemühen um individuelle Bewußtseinsbildung im Sinne der Praxis des dharma sowie in Bildungsanstrengungen sowohl auf religiöser als auch auf säkularer Ebene. Im Einklang mit diesem Hinweis auf mögliche Fremdheitslösungen wird von der Mehrheit der Gesprächspartner geäußert, daß es vor allem auf das eigene Bewußtsein ankomme, ob man sich den Außeneinflüssen (im Sinne einer Kopie) ausliefere oder die eigene Identität als buddhistischer Ladakhi dagegen setze (vgl. Kap. B.4.). Es kann die Hypothese aufrecht erhalten werden, daß der Buddhismus tibetischer Prägung in Ladakh als Ressource der Ethnizitätskonstruktion genutzt wird - allerdings nicht in dem politisch motivierten Umfange, welcher in unserer Hypothesenbildung angenommen wurde. 2. Interpretation der Ergebnisse im Kontext der Begriffe von Akkulturation, Modernisierung, Streß und coping Akkulturationsstudien wurden bislang meist in westlichen Gesellschaften, vor allem in Nordamerika und auch Australien als ehemaligen britischen Siedlerkolonien, und in geringerem Maße auch in Europa durchgeführt. Aus anderen Weltgegenden (etwa dem Himalaya-Raum oder Asien insgesamt) liegen demgegenüber sehr wenige Untersuchungen vor (BERRY 1997:8) - eine Ausnahme bildet hier die Studie von WARD und RANA-DEUBA (1999) zu Nepal, in der die Untersuchten allerdings beständig im Lande wohnende ausländische Mitarbeiter von Entwicklungshilfeorganisationen sind (90% davon europäischer oder euroamerikanischer Abkunft). Von daher ist bezüglich Ladakhs nur ein eingeschränkter Vergleich mit Akkultura- tionsstudien in einem ähnlich gelagerten Umfeld möglich. Ladakh ist seit der Herrschaft der Dogras ab Mitte des 19. Jh. einer Akkulturation im Sinne eines continuous firsthand contacts ausgesetzt, zu dem neben der späteren britischen Kolonialverwaltung u.a. auch die Herrnhuter Missionare beitrugen. Dieser akkulturative Einfluß bestand z.B. in einer erdrückenden Steuerlast,2 der willkürlichen Verpflichtung zu Hand- und Spanndiensten zur Begleitung der Karawanen (vgl. RIZVI 1996) sowie der Einführung von Hindu-Rechtsnormen (Verbot der Schlachtung von Rindern, Yaks und dzo und gegebenenfalls peinlichen Körperstrafen wie Abschneiden der Nase oder Abhacken der Hände)3 und 2 Aus den testimonies vieler älterer Ladakhis (z.B. I-116) geht eindeutig hervor, mit welcher Erleichterung die von Bakula Rinpoche im indischen Parlament erwirkte Befreiung von externen Steuern aufgenommen wurde. Der allgemeine Respekt und die Wertschätzung, welche Rinpoche Bakula in Ladakh entgegengebracht wird, gründet sich zum beträchtlichen Teil auf dieses Ereignis. 3 Berichte der Herrnhuter Missionare, z.B. aus der Missionsstation Kyelang in den Jahren 18541867, Dokumente R.15.U.b.1.a., Unitäts-Archiv Herrnhut, Sachsen. 169 wurde dementsprechend durchaus als Fremdherrschaft und somit als Fremdheitslast empfunden. Dieser firsthand contact hat sich nach der Integration der Region in den unabhängigen indischen Staat nach 1947 noch um ein Vielfaches verstärkt und schließlich zu der dreifachen Fremdheitslage geführt: (1) massive Präsenz der indischen Armee und Verwaltung, Präsenz vieler Saisonarbeitskräfte aus dem indischen Flachland (2) Zugehörigkeit Ladakhs - wenn auch mit begrenzter Autonomie (Hill Council) - zum indischen Bundesstaat Jammu und Kashmir, welcher moslemisch dominiert ist (3) Einflüsse des Westens: Tourismus und allgemeine westliche Kultureinflüsse mit zuvor unbekannten Wertemustern und Verhaltensweisen. Somit besteht ein dreifacher Akkulturationsdruck durch das indische Tiefland, das moslemische Kashmir, und Einflüssen des Westens. Letztere dürften die entscheidende Komponente der Modernisierung (verstanden als Akkulturation durch westliche Einflüsse, vgl. DRABNER 1991:18; FRIEDL 1976:394, 395; KOTTAK 1994:362) ausmachen, wenngleich eine mittelbare Modernisierung - als spezifisch indischer Variante der "Moderne" - auch durch die indische Gesellschaft stattfindet. Im folgenden soll im einzelnen überprüft werden, in wieweit sich für Ladakh spezifische Einflüsse von Industrialisierung, Urbanisierung und Verwestlichung als den drei wesentlichen Komponenten von Modernisierung nachweisen lassen. Zusätzlich werden dazu einige weiterführende Thesen aufgestellt. Ladakh ist bislang überhaupt nicht durch Industrialisierung4 und nur in bescheidenen Ansätzen - in der "Hauptstadt" Leh - von Urbanisierung betroffen ist. Nach wie vor handelt es sich bei Ladakh um eine relativ überschaubare folk society (im Sinne von REDFIELD 1976). Dennoch sind Auswirkungen der Modernisierung z.B. in der Änderung der Familienstrukturen klar erkennbar: Die Abwanderung der jüngeren Generation, die Landflucht, die gestiegene Mobilität sowie die Tendenz zur freien Partnerwahl und Einehe statt Polyandrie zeigt sich auch in Ladakh und entspricht damit genau denjenigen Modernisierungsauswirkungen, welche als Folge der Industrialisierung beschrieben werden (vgl. FRIEDL 1976:396, 397). Mit den Folgen der Urbanisierung müssen sich diejenigen Ladakhis auseinandersetzen, welche über kürzere oder längere Zeit in Delhi, aber auch beispielsweise in Chandigarh, Jammu oder Bangalore leben. Zumindest in Delhi entsprechen die Reaktionen auf den durch das großstädtische Umfeld hervorgerufen Akkulturationsdruck dem aus der Literatur5 bekannten 4 Falls man darunter nicht die "weiße Industrie" des Tourismus sowie Pläne zur Mineralwasserabfüllung und dessen Vermarktung im indischen Tiefland verstehen will. 5 Z.B. ELWERT (1982); FRIEDL (1976:398-421), LA FROMBOISE et al. (1997: 145), RODRIGUEZ (1975); THOMAS und ZNANIECKI (1979). 170 Versuch, den Charakter einer folk society in Gestalt eines urban village - im Falle der Ladakhis ist dies der Buddh Vihar in Delhi - aufrecht zu erhalten.6 Wie wir aus unseren Befragungen wissen, versuchen viele Ladakhis während ihres Aufenthaltes in der indischen Hauptstadt den Buddh Vihar so wenig wie möglich zu verlassen (I-22, I-29) und zeigen auch keine ausgeprägte Neigung, sich die Sehenswürdigkeiten dieser Großstadt anzusehen. Ganz klar sind im buddhistischen Ladakh Auswirkungen der Verwestlichung zu verzeichnen, auch wenn diese lediglich durch einige "exponierte Schlüsselfiguren" (Abenteuer-, trekkingund Ethno-Touristen, NGO-Mitarbeiter und researcher aus Europa, Nordamerika und Japan)7 aus westlichen Ländern vermittelt wurde - bedeutet doch Akkulturation keineswegs, daß die Gesamtheit der Individuen einer Kultur mit denen einer anderen Kultur in massiven und dauerhaften Kontakt treten muß.9 - Mittelbar findet eine Verwestlichung auch durch die indische Gesellschaft mit ihrer spezifisch indischen Variante der "Moderne" statt. Auswirkungen dieser Verwestlichung machen sich einerseits in der Verfügbarkeit neuer und zuvor unbekannter Güter (vermittelt durch Indien und "den Westen"), neuer Erwerbsmöglichkeiten (Armee und Tourismus; begrenzt Verwaltung) und im Wandel von Werten, Einstellungen und Überzeugungen bemerkbar. Die allermeisten Informationsgespräche zeigen, daß diese Form der Modernisierung (a) als einschneidende Veränderung wahrgenommen und beschrieben wird (Fremdheitslage), und (b) überwiegend als Akkulturationsdruck im Sinne einer Fremdheitslast empfunden wird. Der Wertewandel in der Bevölkerung wird allgemein beklagt: Geldorientierung, auf Gewinnmaximierung ausgerichtetes Geschäftsgebaren, mangelnde Solidarität, das Fehlen nachbarlicher Hilfeleistung und Unterstützung. Neid und Mißgunst innerhalb der Bevölkerung bis hin zur Hexerei werden als negative Aspekte der 6 Beschrieben als maintenance of folk traditions in an urban village (vgl. FRIEDL 1976:400): Der Wandel von ländlicher zu tatsächlich städtischer Kultur (change from folk to urban culture) vollzieht sich allmählich, über mehrere Generationen hinweg. In Form einer "Integration durch Kolonienbildung" lassen sich ländliche Zuwanderer vornehmlich in der Nachbarschaft früherer Zuwanderer aus derselben Ethnie oder Herkunftsregion nieder und versuchen Traditionen aus der Herkunftsregion in ihrem Stadtviertel als einer Art "städtischem Dorf" aufrechtzuerhalten. - Unseres Wissens gibt es keine Informationen darüber, in wieweit sich auch in anderen Großstädten cluster-Bildungen durch sich ansiedelnde Ladakhis (etwa Studenten in Chandigarh, Jammu oder auch Bangalore) abzeichnen. 7 In diesen Falle auch als Westler klassifiziert. 9 Auch bezüglich der Einflüsse des indischen Tieflandes und Kashmirs läßt sich feststellen, daß nur bestimmte Segmente der indischen Gesellschaft (Armee, Verwaltungsbeamte, „Gastarbeiter“ aus dem indischen Tiefland wie auch aus Nepal) wie auch der Kashmiris (Händler, Restaurantbesitzer, Lehrer und vereinzelte moslemische Geistliche) in Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung kommen. 171 modernen Zeit hervorgehoben.10 Veränderte Ernährungs- und Kleidungsweise werden als Grund für die Zunahme an (bislang z.T. unbekannten) Krankheiten und damit ebenfalls für den steigenden Bedarf an schamanischer Heilung genannt. Gleichzeitig läßt sich aber belegen, daß die sogenannten "Charakteristika des modernen Menschen"11 in zunehmendem Maße auch auf die Ladakhis zutreffen: In fast allen Informationsgesprächen wird Entwicklung (development) als Zielvorstellung für das weitere Schicksal Ladakhs betont und die Bedeutung einer guten Erziehung und des beruflichen Aufstiegs (better education) für die eigenen Kinder betont. Die Notwendigkeit einer vorausschauenden, termin-orientierte Planung ergibt sich durch die neue Erwerbsstruktur: guest houses müssen rechtzeitig zur Touristensaison fertig gestellt und hergerichtet sein, Terminabsprachen mit trekking guides getroffen und gegebenenfalls Flüge gebucht werden. Bei der Durchsetzung dieses Wertewandels kommt den Massenmedien - dem in Indien sehr populären Kino und seit zehn Jahren auch zunehmend dem Fernsehen - eine elementare Bedeutung zu.12 Die Orientierung am indischen Nationalstaat im Sinne einer allgemeinen nationalen und internationalen (statt regionaler und kommunaler) Orientierung macht sich dadurch bemerkbar, daß die Zugehörigkeit Ladakhs zu Indien so gut wie nie in Frage gestellt wird - dies ganz im Gegensatz zur Zugehörigkeit der Region zu Jammu und Kashmir. Im Zusammenhang mit den Grenzkämpfen vom Mai 1999 wurde in Informationsgesprächen zum Teil der Begriff nang pa auf die Soldaten der indischen Armee (im Gegensatz zu den pakistanischen phyi pas) angewandt. Bei diesem Loyalitätsbekenntnis zum indischen Staat spielen natürlich auch sehr pragmatische wirtschaftliche, politische, militärische und auch religiöse Gründe eine bedeutende Rolle: Wohl für keinen Ladakhi wird die politische Zugehörigkeit der Region zu Pakistan oder zur Volksrepublik China eine denkbare Alternative zum jetzigen status quo darstel10 Typische Äußerungen in dieser Richtung sind: "people are more money-minded than they used to be before", "now, everybody is selfish", "people are more greedy than they used to be before", "by now, people try to harm each other", etc. 11 MASANAT (1987). Diese Charakteristika werden beschrieben als: "Offenheit für neue Erfahrungen, verstärkte Kommunikation nach außen, Interesse an neuen Nachrichten, auch im nationalen und internationalen Maßstab; zunehmende Unabhängigkeit von traditionellen Autoritäten, Herausbildung diversifizierter Meinungen, Engagement in öffentlichen und lokalpolitischen Fragen, Aufgabe von Passivität und Fatalismus, allgemeiner Optimismus, Glaube an die Effektivität von Wissen und Medizin, Streben nach guter Erziehung und beruflichem Aufstieg für sich und die eigenen Kinder, vorausschauende, terminorientierte Planung, Orientierung in Richtung Wandel, Fortschrittsgläubigkeit, Orientierung an innovativen Führungsschichten, zunehmende Orientierung am Nationalstaat sowie eine allgemeine nationale und internationale statt regionaler und kommunaler Orientierung"; vgl. EBD. (S. 15) sowie LERNER (1964); PELTO und POGGIE (1972), ROGERS (1969); SMITH und INKELES (1966, 1969). 12 Vgl. FRIEDL (1976:410): "[the] spread of mass culture [is] ... a unifying influence that affects rural people as well as city dwellers." 172 len. Ob sich daraus eine "moderne" Identifikation mit dem gesamgesellschaftlichen System statt kommunaler Loyalität im Sinne von MASANAT (1987:107) ableiten läßt, wagen wir allerdings zu bezweifeln. Zur Identifikation mit Indien (vornehmlich im Sinne politischer Loyalität) trägt auch der Umstand bei, daß die historischen Verbindungen nach Zentralasien (Tibet, Ost-Turkestan) inzwischen vollständig gekappt sind und die Ladakhis sich bezüglich der Außenwelt fast vollständig nach Indien orientieren - ein kleines Indiz dafür ist die Tatsache, daß Ladakh von seinen Bewohnern fast durchgängig als kältester Teil der Erde angesehen wird - einfach deswegen, weil entsprechende Vergleiche nur zu anderen Regionen Südasiens, nicht aber zum nördlichen und zentralen Asien oder Europa gezogen werden. Die Modernisierung mit ihren neuen Erwerbsmöglichkeiten und daraus resultierenden Statusveränderungen führte inzwischen zu erheblichen sozialen Umschichtungen und zur Modifikation der traditionellen Statushierachien (im Sinne des change from ascribed to achieved status), welche sich auch linguistisch nachweisen lassen (KOSHAL 1987). Im folgenden soll das Modell von BERRY13 zu Akkulturation, Streß und Bewältigungsstrategien auf das buddhistische Ladakh angewandt werden (vgl. Anhang). In diesem Modell werden vier verschiedene Bewältigungsstrategien und Grundhaltungen (= Adaptionsformen) im Umgang mit Akkulturationsdruck beschrieben, nämlich Assimilation, Integration, Separation und Marginalisierung. Im folgenden wird überprüft, ob und in wieweit diese vier verschiedenen Strategien von Ladakhis unterschiedlicher Schicht und Herkunft tatsächlich angewandt werden. (1) Assimilation Eine Assimilation an die Kultur des indischen Tieflandes und die indische Gesellschaft - wie auch immer diese definiert sein mag14 - findet nicht in nennenswertem Umfang statt. Uns ist 13 Vgl. BERRY (1980, 1997, 1998), BERRY und ANNIS (1974). 14 Das Konzept einer gesamtindischen Kultur und einheitlichen Gesellschaft ist natürlich sehr problematisch, weil es diese selbstredend nicht gibt. Dennoch zeichnen sich in immer stärkerem Maße Ansätze eines "nationalen Konsenses" darüber ab, was als typisch indisch zu verstehen ist, beruhend auf der Verwendung der Hindi, der Hinwendung zum Hinduismus und der Orientierung an der Alltagskultur der Gangesebene (des historischen Hindustans, etwa deckungsgleich mit dem heutigen Uttar Pradesh). Diese "pan-indische" oder "national-indische" Kultur wird vor allem durch die Film- und Medienindustrie des Bollywood-Zuschnitts verbreitet (zur Rolle der Massenmedien für den Modernisierungsprozeß vgl. FRIEDL 1976:410). Die jüngst zu beobachtende, kollektive und politisch motivierte Betonung des Hinduismus (Hindutva) ist eher als ethnischer Abgrenzungsmechanismus im Sinne der ethnic boundaries von BARTH denn als Ausdruck re- 173 bislang nur ein einziger Ladakhi (ein Manager des Tata National Sciene Institute in Mumbay) begegnet, den man als "indisch assimiliert" bezeichnen könnte. Von Seiten des indischen Staates und der Gesellschaft aus besteht auch kein Assimilationsdruck, der eine Angleichung an ein indisches Staatsvolk (welches ja in dieser Form nicht existiert) oder eine bestimmte Staatsreligion fordern würde - da Indien sich offiziell als säkularer Staat versteht, finden Versuche der Hinduisierung zumindest nicht in offenkundiger Weise statt. (2) Integration Lediglich eine kleine Minderheit von Ladakhis beherrscht den switch code zwischen LadakhiKultur und Hindi-/Urdu-sprachiger indischer "Nationalkultur", z.B. ein Reiseveranstalter und Filmemacher aus Leh, welcher auch längere Zeit in Japan lebte (I-28, I-36, I-51). Insgesamt gibt es allerdings nur wenige Ladakhis, die im Sinne einer Alternation in beiden Kulturen heimisch sind (z.B. I-38). (3) Separation Viele Ladakhis befinden sich in einem Zustand der Separation gegenüber der indischen, der westlichen, und insbesondere gegenüber der moslemisch geprägten Kultur von Kashmir. Eine ethnische Segregation macht sich auch im ökonomischen Bereich bemerkbar: Im Tourismusgeschäft agieren Ladakhis vor allem im Beherbergungswesen (guest houses, zunehmend Hotels) und als Fremdenführer (trekking, Klosterführungen). Die Gastronomie (Restaurants) und das Geschäftswesen (souvenir und curio shops) befinden sich weitgehend in der Hand von Tibetern und Kashmiris, was auch Anlaß zu Sozialneid darstellt. Zu überprüfen ist, ob diese Segregation im religiösen Bereich (Buddhismus, Hinwendung zum Schamanismus - auch in dialektischer Auseinandersetzung mit ähnlichen Tendenzen bei der Moslembevölkerung), den Charakter einer Revitalisierungsbewegung annimmt. (4) Marginalisierung Eine Marginalisierung, d.h. eine randständige Position in beiden der beteiligten Kulturen, ist lediglich bei einigen Persönlichkeiten15 zu verzeichnen, aber kein kollektives Phänomen im Sinne einer Dekulturation. Die Angst vor einem allgemeinen Kulturverlust und dem Verschwinden der (buddhistischen) ladakhischen Kultur wurde jedoch in vielen Informationsgesprächen geäußert. Allerdings wird in dieser Hinsicht auch durch eine Reihe politischer Kampagnen gegengesteuert, die emanzipatorisch wirken und den völligen Verlust der Kultur einzudämmen versuchen, bzw. interreligiöse Auseinandersetzungen werden zum ligiöser Überzeugung zu verstehen (vgl. RANDERIA 1995 zum Hindu-Nationalismus als Mehrheits-Ethni-zismus). 15 Eventuell bei einem Anfang 2000 verstorbenen trekking guide aus Tingmosgang; vgl. I-17. 174 Anlaß genommen, kulturelle Selbstbehauptung zu demonstrieren. Paradoxerweise bewirkt gerade der Tourismus als modernisierungsfördernde Kraft eine Rückbesinnung auf die buddhistisch geprägten kulturellen Wurzeln und den Erhalt von Bauwerken, Trachten, Tänzen und anderen Elementen der Ladakhi-Kultur - eine Einschätzung, die in vielen Informationsgesprächen zum Ausdruck gebracht wird. Insgesamt wird man sagen können, daß in Ladakh in der Auseinandersetzung mit Akkulturation und Modernisierung Grundhaltungen bzw. Bewältigungstrategien vorherrschen, die zwischen vorsichtiger Integration und Segregation anzusiedeln sind: Es werden einzelne Kulturmuster des indischen Tieflandes und des Westens übernommen, ohne daß daraus eine tiefgreifende Adaption resultieren würde. Bereits zum jetzigen Zeitpunkt scheint uns belegbar zu sein, daß diese weitgehend an der Segregation orientierten Strategien zu erheblichen Belastungen führen bzw. den vorhandenen Streß nicht umfassend reduzieren können. Zu überprüfen bleibt, ob die angenommenen Bewältigungsstrategien - zum einen Rekurs auf den Buddhismus und Stärkung des Pilgerwesens, zum anderen Proliferation der vorbuddhistischen Volksreligion (Schamanismus) aufgrund steigender Anzahl von Berufungen und steigendem Bedarf an schamanischer Heilung - tatsächlich als Bewältigungsstrategien in Anspruch genommen werden, und ob sie eventuell in das Feld nativistischer oder Revitalisierungsbewegungen als Strategien der Segregation einzureihen sind. 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Das bedeutet auf relativer Ebene die grundlegende Motivation für die Mahâyâna-Praxis, nämlich die auf Erleuchtung ausgerichtete Geisteshaltung gepaart mit Liebe und Mitgefühl für alle Wesen und der Drang, den Wunsch ihnen helfen zu wollen in die Tat umzusetzen. Auf absoluter Ebene ist es die Einsicht in die wahre Natur des Wirklichen, die Erkenntnis der Untrennnbarkeit von Leerheit und Mitgefühl". Cham: rituelle, in Klöstern aufgeführte Maskentänze, „monastic dance drama“ (Day 1989:596). Chörten (mchord rten): s. stupa. Chos skyong: "Schutzgottheiten, Beschützer der Religion [des dharma]" (SCHENK 1994.224). Chos: siehe dharma. Dakini (skrt.), "Göttin, 'Fee', 'Zauberin'" (STEIN 1993:81, 200, 216, 320, 343, 385); "mkha' 'gro ma [tib.] ... A yogini who has attained either mundane or supermundane accomplishments (siddhi), the latter referring to the realizations of the fully enlightened mind. She can be a human being who has achieved such attainments or a manifestation of the enlightened mind of the meditational deity. Dakini also refers to someone born in the 'pure realm' of the Dakinis. The Tibetan equivalent 'khandro' literally means 'space voyager', the term space here being used metaphorically to imply emptiness (the ultimate nature of reality) and 'voyager' meaning someone immersed in its existence" (COLEMAN 1994:296); vgl. auch HERRMANN-PFANDT (1992) sowie SAALFRANK (1997:165): "Dâkinî: wörtlich 'die am Himmel wandelt'. Bestimmte weibliche Meditations- und Schutzgottheiten in friedlicher oder zornvoller Erscheinungsform, aber auch Himmelsbotinnen und weibliche Boddhisattvas, die zum Wohle der Wesen wirken und die Praktizierenden auf dem Weg zur Weisheit unterstützen können". Damaru / Daru (umgangssprachlich) "... Handtrommel in Form eines Stundenglases aus zwei Schädelkalotten, Holzschalen oder Elfenbein; tantrisches Instrument, wird von den Schamanen zusammen mit der Glocke während der Séance benutzt" (SCHENK 1994:224). 236 Abkürzungen: skrt. = Sanskrit, tib. = Tibetisch. Bei Formen, welche in Aussprache und Schriftbild stark voneinander abweichen, ist sowohl die Transkription als auch die Transliteration angegeben. 191 De ('dre): "(Bösartige, feindliche) Geisterarten, Nicht-lha" (SCHENK 1994:224). DAY (1989:597) gibt als Übersetzung für 'dre einfach "demon". Dharma (skrt.), tib. chos: "A very broad term with a wide range of usage, derived from Sanskrit dhri (to hold) and rendered in Tibetan as chos (pronounced 'cho'), which literally means 'change' or 'transformation', and refers both to the process of spiritual transformation and the transformed result. Ten classical definitions are of dharma are given by Vasubandhu in his Vyakhyayukti, namely: knowable phenomena, path, nirvana, object of mind, merit, life, scripture, material object, regulation and doctrinal traditions. In terms of the doctrinal tradition of Buddhism in particular, dharma includes: the realization (adhigama) of the buddhas, both of the state of cessation and the paths leading to it, and the transmission of authoritative teachings (agama) and their oral commentary to lineages which expound the path the buddhahood" (Coleman 1994:298). Dorje: "(rdo rje) - Vajra oder Donnerkeil, ursprünglich aus Diamant oder anderem Edelstein, gilt als gebündelter Blitzstrahl und steht für das Unzerstörbare, das Transparente, ist Symbol des Absolutem und Zepter der geistigen Macht und spirituellen Zeugungskraft, wird im tantrischen Buddhismus zusammen mit der Glocke (tibu) benutzt, so auch von Schamanen, die den Dorje während der Séance zusammen mit der Glocke in der linken Hand halten" (Schenk 1994:226; vgl. Coleman 1994:301, 409). Goba ('go-pa): Ortsvorsteher (vgl. SCHENK 1994:226); "village headman, chief" (HAMID 1998:52); go ('go, mgo) heißt Kopf, auch "beginning, origin, source" (EBD.). Gonpa (dgon pa): „aranya (skrt.). An islolated place or monastic site situated remote from urban settlements, generally rendered in translation as 'monastery'." COLEMAN (1994:317); vgl. DAY (1989:597): "monastery, solitary place". Himalayan Buddhist Cultural Association (H.B.C.A.): panbuddhistische Organisation unter Vorsitz des Zanskaris Lama Chospel Zotpa mit dem Ziel der Allianz und Solidarisierung der buddhistischen, tibetisch affiliierten Himalaya-Völker in den nord-indischen Regionen Ladakh, Zanskar (Jammu und Kashmir), Lahul und Spiti, Kinnaur (Himachal Pradesh), Uttarkhand, Garhwal (Uttar Pradesh), Darjeeling (West-Bengalen) sowie in den Bundesstaaten Sikkim und Arunachal Pradesh (Nordost-Indien) und in Bhutan. I.A.S. = Indian Administrative Service. I.F.S. = Indian Foreign Service. Ladakh Autonomous Hill Development Council (L.A.H.D.C.), kurz Hill Council: Autonome Verwaltungsbehörde für Ladakh innerhalb des Bundsstaates Jammu und Kashmir. Lama: "bla ma (tib.) guru ... (skrt.). A spiritual teacher or mentor. The Sanskrit word 'guru' literally means 'heavy' or 'weighty', and by extension 'venerable teacher'. The Tibetan equivalent 'bla-ma' (pronounced 'la-ma') means 'unsurpassed' or 'supreme', indicating that the guru is unsurpassed in terms of being the perfect object towards which meritorious activity can be directed. However, it is important to note that specific qualifications are necessary on the part of the teacher in order tob considered a guru. These qualifications differ according to the level of spiritual practice at which the guru is adopted as teacher. Ultimately, the guru is one's own buddha-nature." (COLEMAN 192 1994:319, 332); vgl. SCHENK (1994:227): "... der Höchste, Beste; Lehrer der Religion, des Dharma, allgemeine Bezeichnung für Mönch". Lha mo / lha pa: Die Begriffe lhapa und lhamo lassen sich als "Gottmensch" übersetzen ("mo für die weibliche Form, pa für die männliche Form"; SCHENK 1994:228); häufig werden sie im Ladakhi auch einfach lha (= Gottheit) genannt. Das Äquivalent dafür in den indo-arischen Sprachen ist deva (männlich) oder devi (weiblich; vgl. COLEMAN 1994:298, 317). Lha: "god" (DAY 1989:598); "Gottheit, gute Geister; es gibt hoch- und niedrigstehende lha und lokale lha, von denen die Schamanen am häufigsten besessen werden; [umgangssprachliche] Kurzform für den Schamanen während der Gottbesessenheit bzw. in Trance" (SCHENK 1994:228). Lhaphok "(lha phogs) - phok heißt Belohnung, Lohn für eine Arbeit; Belohnung durch lha, Geschenk der lha; Kurzform für die Gesamtausbildung eines Schamanen, aber auch für jede einzelne Einweihungssitzung." (SCHENK 1994:229) Lha tho "Götter, Schrein einer Lokalgottheit; Meisten aus vielen aufeinandergehäuften Steinen, in denen Wacholderzweige stecken" (SCHENK 1994:229) Lung: „mündliche Übermittlung, Belehrung, Unterweisung; die Lehre des ersten Buddha; Erlaubnis, Wiederholung, Aussage; bei der Schamanenausbildung Bezeichnung für die einzelnen Ausbildungsschritte“ (Schenk 1994:229); „permission, introduction“ (Day 1989:598). Mahabodhi Society: von singhalesischen Buddhisten gegründete, nicht-regierungsgebundene Organisation (NRO / NGO) zur Förderung des Buddhismus in Ladakh; bietet u.a. Meditationskurse an. Mala: "Gebetskette mit der heiligen Zahl von 108 Perlen oder Bruchstücken davon wie z.B. 54 oder 27 Perlen. An diesen Perlen wird während der Rezitation die Anzahl der Mantras abgezählt" (SAALFRANK 1997:166). Mandir: "Hindu or Jain temple" (THOMAS et al. 1997:1144) - oft auch auf kleine Schreine, z.B. am Ufer als heilig erachteter Flüsse, bezogen. Mane: Abkürzung für das "Wurzelmantra" Om Mane Padme Hung, für mantras allgemein oder Gebetsmauern (mani walls); vgl. SCHENK (1994:230): "mani (ma ne) - Gebetsmauer; flache Steine mit Mantras darauf (geschrieben oder eingemeißelt), auch Steinhaufen." Mantra: "... sacred word or syllable used by Buddhists and Hindus to aid concentration; metrical psalms of praise found in the Vedas" (THOMAS et al. 1997:1144); "(skrt.) [tib.] snags ... Mantra is composed of two syllables, mana and tara, respectively suggesting 'mind' and 'protection'. Hence 'mantra' literally means 'protection of the mind'. The essential indication here is the protection of the mind from the overwhelming influence of ordinary perceptions and conceptions ..." (COLEMAN 1994:343. Om Mani Padme Hung (tib. Aussprache [om mani peme hung]), das sogenannte "Wurzelmantra"; vgl. COLEMAN (1993:355): "Om ... A Sanskrit letter which symbolizes the vajra body of all the Buddhas and which is also the seed syllable of the Buddha Vairocana, representing the perfect state of our aggregate of form. Om is a combination of three sounnds, A, U, and M, which respectively represents buddha-body, speech and mind. Their combination into a single composite Om signifies that buddha-body, speech and mind are essentially indivisible. The syllable is used as the prefix of many mantras, e.g., Om Mani Padme Hung". 193 Onpo (dbon po): "astrologer" (DAY 1989:599); "Astrologe in Westtibet, entspricht dem zipa (rtsis pa) in Tibet" (SCHENK 1994:231). Oracle: synonym mit lha-pa (männlich) oder lha-mo (weiblich), Ausdruck, welcher von englischsprechenden Ladakhis als Begriff für Schamane oder Schamanin verwandt wird und damit den Divinations-Aspekt des Schamanismus gegenüber dem Heilungsaspekt hervorhebt. Rinpoche: "(tib.) ... rin po che. The term literally means 'high in esteem or value', and in ordinary language indicates a precious gemstone. By extension, in Tibetan Buddhism, the term came to refer to an incarnate master who is 'high in value' or 'most precious'. Accordingly, the title 'Rinpoche' is widely used by Tibetans to refer to an incarnate lama." (COLEMAN 1994:371); vgl. SCHENK (1994:232): "'Kostbarer Juwel', reinkarnierter Lama, Abt. Höflichkeitsform für einen Lama oder Tulku"; “‚precious (jewel)‘, reincarnate lama“ (Day 1989:599). Samsara (skrt.), 'khor ba (tib.): "A state of existence, conditioned by one's karmic tendencies and imprints from past actions, i.e. recurring habitual patterns, which is characterised by a cycle of life and death and by suffering. Buddhist literature explains the process of how an individual rotatin such a cycle in terms of what are known as the 'twelve links of dependent origination', the first link in the chain being ignorance." (COLEMAN 1994:296, 373); vgl. SAALFRANK (1997:167): "... das Rad des Lebens, das ist der Kreislauf der Wiedergeburten, durch Nichtwissen entstanden und von Leiden geprägt." SECMOL = Students' and Educational Movement of Ladakh, NGO zur Förderung kulturangepaßter Bildung und ökologisch verträglicher Technologien, publizierte das inzwischen eingestellte Magazin Ladags Melong (Spiegel von Ladakh / Ladakh im Spiegel). Stupa: "(skrt.) ... mchod rten [tib.] ... Originally a symbol of Dharmakaya, constructed in a domeshape to hold the remains of the Shakyamuni Buddha, the stupa has become the most well-known sacred monument in the Buddhist world." (COLEMAN 1994:387, 388); vgl. SAALFRANK (1997:168): "Ein umwandelbares, meist mit Reliquien und symbolischen Gegenständen gefülltes, räumliches Gebilde, dessen äußere Form eine vielschichtige Symbolik der vollkommenen Erleuchtung bedeutet." Thanka (thang kha): Rollbild mit religiösen Darstellungen; "rectangular Tibetan painting on cloth" (THOMAS et al. 1997:1147). Triple Gem, die Drei Juwelen, tib. dkon mchogs bsum (Aussprache: [konchok sum]): Buddha, dharma (die Lehre) und sangha (die Gemeinschaft der buddhistischen Gläubigen). In wörtlicher Rede im Ladakhi auch als Bekräftigungsformel im Sinne von "bei Gott" gebraucht. Tshogs pa: wohltätige Vereinigung / Selbsthilfegruppe auf lokaler (= Dorf) und regionaler Ebene in Ladakh; nicht-regierungs-gebundene Organisation (NRO / NGO), z.B. die ladakhische Women's Alliance / ama‘i tshogs-pa. Tulku (sprul ku): “Wiederverkörperung, Fähigkeit sich wiederzuverkörpern; Nachfolger eines bekannten Lehrers (Schenk 1994:236); “emanation body, rinpoche“ (Day 1989:601). Yamantaka: “(skrt.) ... gshin rje gshed [tib.] ... A class of important meditational deities belonging to Anuttarayogaranta. There are various aspects of Yamantaka including: Red Yamantaka, Black Yamantaka, and Vajrabhairava. These all function as the meditative opponents of the aspects of 194 Yama, the forces of death, which are the embodiments of impermanence and the laws of cause and effect" (COLEMAN 1994:419). Yi dam (in Ladakh gesprochen [idam]): persönliche Schutzgottheit, "tutelary deity" (DAY 1989: 597), "Meditations- und Schutzgottheiten, die die 'Wurzel der Verwirklichung' sind. Sie gelten als Buddhaaspekte in Sambhogakâya-Formen, also als subtile Manifestationen des Dharmakâya, die nur von verwirklichten Bodhisatvas direkt erfahren werden können. Im Vajrayâna werden sie jedoch als Mediationsobjekte intensiv visualisiert und verkörpern die erleueuchtete Natur der Praktizierenden" (SAALFRANK 1997:171). Danksagung Für die großzügige dreijährige Förderung dieses Projektes mit insgesamt insgesamt fünf wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unter Leitung von Prof. Dr. Ina Rösing (Abteilung Anthropologie, Universitätsklinikum Ulm) durch die Stiftung Volkswagenwerk möchte ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken. Ebenso gilt mein aufrichtiger Dank meinen Kolleginnen und Kollegen Heinz Räther, Frank Seeliger, Karin André für die stets vertrauensvolle und ergiebige Zusammenarbeit, sowie der bereitwilligen Mithilfe so vieler Ladakhi-Gesprächspartner und Projektmitarbeiter, namentlich Sonam Wangchok Khardongpa, Ngawang Namgyal „Sundar“ Wanlapa, dem leider viel zu früh verstorbenen Lobzang Rinchen „Tsultrim“ Kubetpa, Gelong Thinley Gyurmed Staknapa, Tashi Thondup und Familie aus Thiksey, Tsewang Wangjor in Leh, dem leider ebenfalls mittlerweile verstorbenen Tashi Tiapa und seiner Frau Karin Müller sowie Prof. Dr. Dawa Norbu von der Jawarlahal Nehru University in New Delhi und Frau Dr. Janet Rizvi, Gurgaon, Indien, und nicht zuletzt meiner Ehefrau Ulrike Kressing-Mohl sowie meinen Kindern Tobias, Miriam und Lara, welche mich während Zeiten langer Abwesenheit während der Feldforschungsaufenthalte nur allzu oft entbehren mußten.