HIV/AIDS

Transcription

HIV/AIDS
Guideline
HIV/AIDS
Erstellt von: Andrea Forgo
Zuletzt revidiert: Februar 2010
Epidemiologie:
Global: Schätzung Ende 2007 weltweit 33,2Mio Menschen (davon 2,5Mio Kinder unter 15 Jahren) mit
HIV, 2007 gab es 2,5Mio Neuansteckungen und 2,1 Mio verstarben an AIDS, über 2/3 davon in Afrika,
südlich der Sahara. Weltweit die häufigste Todesursache bei 15-59 jährigen. Ein Grossteil hat keinen
Zugang zu medizinischer Behandlung.
Sub-Sahara Afrika sehr stark betroffen. Ende 2007 war jede 6. junge erwachsene Person mit HIV
infiziert.
Asien Ende 2007 mit 4,9Mio HIVpos, davon über 50% in Indien. Prävalenz in Myanmar, Thailand,
Kambodscha abnehmend, in Indonesien, Vietnam zunehmend.
Osteuropa/Zentralasien: Nach Zusammenbruch des Sowjetregimes in 90er-Jahren grosser Anstieg
der HIV-Infizierten. Ende 2007 1,6Mio, das waren 20x mehr, als 10 Jahre zuvor, zuerst hauptsächlich
durch Drogeninjektion, dann auf heterosexuellem Weg.
Westliche Industrieländer: Ende 2007 2,1Mio infizierte Menschen, Zahl am Ansteigen, v. a. wegen
lebensverlängerndem Effekt der antiretroviralen Therapie. In 80er Jahren v. a. Männer mit
gleichgeschlechtlichem Kontakt (MSM) und Drogen, aktuell v. a. durch heterosexuellen
Ansteckungsweg.
Schweiz: 1. Fall 1981, danach Anstieg der Aidskranken bis >750/Jahr (erst Drogen, MSM, erst ab
Mitte 80er Jahre Zunahme der Ansteckung auf heterosexuellem Weg. Nach 1995 ermöglichten
antiretrovirale Kombinationstherapien das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen. Ab 2002 stieg
die Anzahl der neu gemeldeten HIV-Infektionen an und verharrte auf hohem Niveau, 2006 wieder eine
leicht steigende Tendenz. Bei Homosexuellen und anderen MSM wurde auch häufig noch eine
weitere STD diagnostiziert, was für eine Zunahme des Risikoverhaltens in den letzten Jahren spricht,
wie dies auch in anderen westeuropäischen Ländern festgestellt wird. In der Schweiz leben ca. 25000
HIV/Aids-Erkrankte. Während 1994 noch 686 daran verstarben, sterben seit 2001 ca. 100/Jahr (1).
Ansteckung:
Sexuell :
Häufigster Übertragungsweg sexuell, weswegen Kondome die wichtigste Rolle in der HIV-Prävention
spielen. Ungeschützter Analverkehr ist die risikoreichste Praktik für beide Personen (rezeptiv 0,5%,
insertiv 0,07%). Ungeschützter Vaginalverkehr gilt als zweitrisikoreichster Ansteckungsweg. Auch
ohne Ejakulation besteht bei vaginalem oder analem GV ein Übertragungsrisiko, da enger GenitalSchleimhautkontakt für die Übertragung ausreichen. Bei zusätzlicher STD oder genitalen Ulcera ist
das Risiko für eine Übertragung von HIV erhöht.
Eine Übertragung ist auch durch oralen Geschlechtsverkehr (Sperma (Risiko<0,01%),
Menstruationsblut im Mund) möglich, Vaginalsekret beinhaltet jedoch kein Infektionsrisiko.
Frauen haben bei ungeschütztem vaginalen GV mit einem HIV-pos. Mann ein höheres Risiko (0,1%)
als Männer mit HIV-pos. Partnerinnen (0,05%) (2), %-Zahlen aus (3).
Seite 1 von 10
Drogen:
Durch gemeinsames Benutzen von Spritzenbesteck, Löffel, Filter, Tupfer (2) (Risiko 0,7% (3)).
Mutter-Kind:
Kinder von HIV-pos. Müttern können in der SS, bei Geburt und beim Stillen angesteckt werden. Die
Übertragungsrate ist abhängig vom Gesundheitszustand der Mutter. Ohne medizinische Massnahmen
betrug das Übertragungsrisiko in der CH 25%, bei optimalen Bedingungen (Kombinationstherapie in
der SS, Verzicht auf Stillen, 4wöchige medikamentöse Therapie des Babys) sinkt das Risiko auf <1%,
deswegen wird auch ein Test bei SS-Beginn empfohlen (2). Bei einer Viruslast <1000 RNA-Kopien/ml
konnte kein zusätzlicher Nutzen einer elektiven Sectio gegenüber der vaginalen Geburt gezeigt
werden, weswegen bei supprimierter Virämie eine vaginale Geburt empfohlen wird (4).
In Ländern ohne diese medizinische Versorgung ist dies einer der häufigen Ansteckungswege (2).
Blut/Blutprodukte:
Seit Mitte der 80er Jahre werden alle Blutspenden auf HIV-Antikörper untersucht (Ag und Ak). Wegen
der diagnostischen Lücke bleibt dennoch ein minimales Restrisiko von ca. 1:60000 (2).
Prävention:
Kondome können das Risiko einer Ansteckung um 85% reduzieren. Sie reduzieren ebenfalls das
Risiko für Chlamydien, Gonorrhoe, Herpes simplex und HPV.
Eine Zirkumzision kann das Risiko für den Mann von einer HIV-pos. Frau angesteckt zu werden um
50-60% reduzieren, es gibt keine Evidenz, dass dies umgekehrt oder von Mann zu Mann ebenfalls
das Risiko reduzieren würde.
Kein gemeinsamer Gebrauch von Injektionsmaterial.
Kein Sperma oder Blut in den Mund.
Kliniker sollten das sexuelle Risiko ihrer Patienten einschätzen, speziell das der Adoleszenten und
MSM.
Allen Patienten, bei denen eine STD nachgewiesen wurde, sollte ein HIV-Test empfohlen werden.
Allen HIV-Positiven, MSM, Pat. mit vielen Sexpartnern und Personen mit Risiko für eine STD sollte
eine Hepatitis-B-Impfung empfohlen werden. Die Effizienz der Impfung kann bei HIV-Patienten
beeinträchtigt sein, weswegen eine Titerkontrolle 1 Monat nach der 3. Impfung erfolgen sollte. Allen
HIV-Positiven mit Lebererkrankung oder Risiko für Hep. A inklusive i.v.-Drogenabusus und
seronegtiven MSM sollte eine Hepatitis-A-Impfung empfohlen werden (5).
Infektiosität:
Patienten mit akuter HIV-Infektion haben einen hohen viral load im Blut und Männer auch in der
Samenflüssigkeit; sie sind Hochrisikoüberträger. Am höchsten ist der Virusgehalt 20 Tage nach
Ansteckung oder 6 Tage nach Symptombeginn (5).
Diagnose:
HIV-Testindikationen:
Systematisch sollte ein HIV-Test bei folgenden Situationen empfohlen werden:
SS, STD (Chlamydien, Syphilis, Gonorrhoe, Lymphogranuloma venereum, Herpes genitalis, Hepatitis
B und C, Condylomata acuminata), Tuberkulose, Mononukleose/CMV ähnliches Syndrom (d.h. bei
Vd.a EBV oder CMV immer HIV-Test machen!), mukokutane Läsionen (Zoster v.a. bei Personen < 50,
persist.H. simplex, seb. Dermatitis, orale Haarleukoplakie, Exanthemen, periphere Lymphadenopathie,
Thrombo/Lymphopenie, risikoreiches Sexualverhalten, i.v. Drogenkonsum mit gemeinsamem
Spritzengebrauch und bei Vorliegen von Transfusionen (6, 4). Auch bei rez. bakteriellen Pneumonien,
jedem schweren oder prolongierten viralen Infekt, unklarem Gewichtsverlust, Durchfall, persist. Fieber,
unklarer Demenz, peripherer Neuropathie ist ein HIV-Test indiziert. Auch bei einem Check up bei
sexuell aktiven Patienten sollte ein HIV-Test dazugehören (4).
Seite 2 von 10
Beratungsgespräch vor dem HIV-Test :
Ein HIV-Test ohne Testberatung ist eine verpasste Gelegenheit zur HIV-Prävention. Personen, die
sich wiederholt auf HIV testen lassen, gehen meist ein wiederholtes Risiko ein.
Vor HIV-Test nach Zeitpunkt des Risikokontaktes, nach Fieber, Hautausschlag oder anderen
Symptomen fragen. Präventionsverhalten wie Kondombenutzung ansprechen (7).
Der HIV-Test wird, falls er nicht anonym durchgeführt wird, von der Krankenkasse übernommen.
Häufige Fehlinterpretation bei neg. Testresultat:
Ich kann sicher sein, dass mein bisheriges Verhalten in Ordnung war.
Falsch, Verhalten kann durchaus hohes Risiko beinhalten, es hat bisher evtl. einfach noch zu
keiner Infektion geführt.
Dann muss ich jetzt meinem Partner nichts sagen.
Falsch, wenn die Risikoexposition noch nicht drei Monate zurückliegt, kann eine Infektion
noch nicht sicher ausgeschlossen werden (7). Andere STDs sind ebenfalls nicht
ausgeschlossen.
HIV-Nachweis:
Mit dem p24-Ag-Test verkleinert sich das diagnostische Fenster auf 4 Wochen (8) . Für eine
höchstmögliche Sicherheit sollte der Test jedoch 3 Monate nach Risikoexposition wiederholt
werden (9). Die Zeit bis zur Antikörperbildung beträgt 6-12 Wochen, selten auch länger (5,8) .
Analytica führt den HIV-Combo-Schnelltest (Ag/Ak, HIV1/2) durch, dessen Durchführung 30min
benötigt. Bei Bedarf eines schnellen Resultates (z.B. Frage nach PEP) soll mit dem Labor Kontakt
aufgenommen werden.
Zur Bestätigung einer Infektion bei reaktivem Resultat müssen gemäss HIV-Testkonzept 2006
des BAG alle der folgenden Punke erfüllt sein (10):
1) Reaktivität in mind. 2 verschiedenen Testmethoden
2) Reaktivität in mind. 2 separaten Proben (Ausschluss Verwechslung/Kontamination).
3) Identifizierung des HIV-Typs (HIV1 und/oder 2) (bestimmt danach Methode der
Viruslastbestimmung und Wahl der optimalen antiretroviralen Therapie)
4) bei HIV-1 Identifizierung der Virusgruppe M oder O (wichtig für Viruslastbestimmung/Therapiewahl)
5) Bestimmung der Viruslast im Bestätigungslabor (Genf, Lausanne, Basel, Zürich) und Beurteilung
der Plausibilität der gemessenen Viruslast (HIV-RNA-Kopien/ml Plasma, wichtig für Virusmonitoring).
Bei niedriger Viruslast müssen suboptimal nachweisbare Virusvarianten ausgeschlossen werden,
insbes. Viren der Gruppe 0, da spezielle Th notwendig.
6) HIV-Resistenztest durch den HIV-Spezialisten (für Vorhersage des Ansprechens auf ART wichtig,
sollte auch durchgeführt werden, falls aktuell keine Therapie begonnen wird, da resistente Viren ohne
Therapie auf eine nicht nachweisbare Menge abnehmen können und das Risiko eines
Therapieversagens erhöhen können (11). Falls ein Pat. auf keinen Fall zugewiesen werden will, kann
das Laborblatt z.B. vom USZ auch an HA zur Blutentnahme geschickt werden).
Seite 3 von 10
HIV-Neudiagnose: was tun?
Zur Quantifizierung der Immundefizienz soll die CD4-Zellzahl bestimmt werden (normal>ca. 600/ul).
Bei einer CD4-Zellzahl <200/ul steigt das Risiko von opportunistischen Erkrankungen beträchtlich an.
Eine Tbc oder auch eine Pneumocystis-Pneumonie kann aber auch bei höheren CD4-Zellen auftreten.
Der CD4-Wert und opportunistische Komplikationen ergeben das Stadium.
Latente Infektionen sollten auch dokumentiert werden (z.B. Toxoplasmose, Tbc, CMV, Syphilis,
Hepatitis B, C). Ein HIV-Resistenztest (durch HIV-Spezialisten) erlaubt eine zuverlässige Vorhersage
bezüglich dem viralen Ansprechen auf eine ART (4).
Jeder neu diagnostizierte Patient sollte von einem HIV-Spezialisten gesehen werden. (Einschluss in
schweizerische HIV-Kohortenstudie; bei akutem retroviralen Syndrom Therapiestart im Rahmen einer
Studie; Abklärung von Komorbiditäten, Information über HIV, heutige Therapiemöglichkeiten (ändert
immer wieder), Indikation zum Therapiestart (ändert immer wieder). Im USZ kann telefonisch mit dem
Dienstarzt der Infektiologie das weitere Prozedere für den bestimmten Patienten besprochen werden.
Einige Patienten werden gemeinsam betreut (6 monatlich im USZ und dazwischen Betreuung beim
HA).
Verlauf der Erkrankung (5):
1) Primoinfekt
Klinik:
Ca. 2-4 Wochen nach Infektion, während starker Vermehrung des Virus, Beginn von Symptomen
(auch nur milde grippeähnliche Symptome möglich, dies in 50-70% der Fälle), wobei auch schon eine
Inkubationszeit von bis zu 10 Monaten beschrieben wurde:
Häufige Symptome: Fieber 38-40°C (fast immer)
- Lymphadenopathie axillär, zervikal, occipital meist in der 2. Woche mit
nachfolgender Grössenabnahme, jedoch Persistenz einer mässigen
Lymphadenopathie
- Halsschmerzen mit pharyngealer Rötung, meist ohne Tonsillitis
- Schmerzhafte, scharf begrenzte Ulcerationen oral, anal, am Penis,
ösophageal
- Generalisierter Ausschlag typischerweise 48-72Std nach Fieberbeginn, 5-8
Tage persistierend. Oberer Thorax, Kopfhaut, Hals, Gesicht, Extremitäten,
Palmae, Plantae können betroffen sein. Typischerweise kleine 5-10mm
grosse gut abgegrenzte, runde bis ovale, rosane bis dunkelrote Maculae
oder Maculopapeln, selten vesikulär, pustulös oder urtikariell.
- Myalgie, Arthralgie
- Kopfschmerzen, oft retroorbital mit Zunahme bei Augenbewegungen
- Nausea, Diarrhoe, Gewichtsverlust ca. 5Kg.
Diese Symptome sind unspezifisch; v.a. prolongierte Symptome und das Vorhandensein von
mukokutanen Ulcera sind suggestiv für HIV.
Pulmonale Manifestationen, ausser trockener Husten ist für den Primoinfekt ungewöhnlich. Selten
kann es zu einer Pankreatitis oder Hepatitis kommen.
DD: EBV (kein Exanthem, häufig Tonsillitis), CMV (kein Exanthem), Toxoplasmose (kein Exanthem),
Rubella (kein Ausschlag an Palmae, Plantae), Syphilis, Virushepatitis, disseminierte Gonorrhoe,
Pityriasis rosea (keine Allgemeinsymptome), andere virale Infekte.
Neu aufgetretener SLE kann sich ähnlich manifestieren, jedoch pos ANA
Labor: Initial Absinken der Leukozytenzahl, evtl. Leberenzymerhöhung, milde Anämie und
Thrombopenie.
Seite 4 von 10
2) Asymptomatische Latenzphase
Nach dem Primoinfekt folgt eine asymptomatische Latenzzeit (6-14 Jahre) ohne wesentliche klinische
Zeichen, häufig aber periphere Lymphadenopathie.
3) Vollbild von AIDS
Schliesslich folgt bei fortgeschrittener Infektion die symptomatische Phase mit opportunistischen
Erkrankungen, die in der Regel bei immunkompetenten Personen nicht ausbrechen. (6)
Aids-definierende Erkrankungen: Candidose (ösophageal, tracheal, bronchial, pulmonal), CMV
(ausser Leber, Milz, LK), Herpes simplex Ulcera >1Mt, Pneumocystis carinii Pneumonie,
Histoplasmose extrapulmonal, Kryptokokkose extrapulmonal, Kryptosporidiose >1Mt, Tuberkulose,
Toxoplasmose zerebral, rez. bakterielle Pneumonien >2 in 1 Jahr. , progressive multifokale
Leukencephalopathie (JC Virus), Kaposi-Sarkom, Burkitt Lymphom.
Impfung von HIV-Patienten (5):
Inaktivierte Impfstoffe sind im Allgemeinen möglich, Lebendimpfstoffe sollten bei HIV-Patienten
vermieden werden, bei CD4-Zellen unter 200/ul sind sie kontraindiziert. Gewisse Lebendimpfstoffe,
z.B. Varizellenimpfung und MMR, sind aber bei HIV-Pat. mit CD4-Zellen >200/ul. empfohlen.
Befürchtungen vor einer immunologischen Verschlechterung durch Aktivierung/Proliferation der TZellen nach einer Impfung konnten nicht bestätigt werden, obwohl ein transienter Anstieg der HIVirämie beobachtet wird (12).
Tetanus und Diphtherie sollten gemäss Impfplan für Kinder und Erwachsene aufgefrischt werden.
Poliogrundimmunisierung mit IPV sollte ebenfalls durchgeführt werden, falls keine dokumentiert ist.
Boosterung wie bei Allgemeinbevölkerung.
Pneumokokkenimpfung und eine einmalige Boosterung nach 5 Jahren ist bei HIV empfohlen, da
HIV ein erhöhtes Risiko für invasive Pneumokokkenerkrankungen haben. Es gibt aber auch
Nonresponder. Gemäss (4) bei CD4-Zellen >200/ul empfohlen.
Haemophilus influezae HIB ist bei erwachsenen HIV-Patienten nicht empfohlen, da das Risiko bei
HIV klein ist, ausser bei fortgeschrittener HIV-Erkrankung, bei welcher die Impfung nicht vor den
Symptomen schützt.
Grippreimpfung wird mit inaktiviertem Impfstoff jährlich empfohlen.
Schweinegrippeimpfung Allen HIV-Patienten empfohlen. Nebenbei: Es sind keine Interaktionen von
Tamiflu/Relenza mit der HIV-Therapie bekannt (Prof. Dr Günthard, Infektiologie USZ). Impfstoff
Pandemrix 2x0,5ml im Abstand von 3 Wochen (BAG).
Hepatitis-A-Impfung wird allen HIV-Patienten mit Lebererkrankung (z.B. Hepatitis B oder CKoinfektion) und zwar möglichst früh im Erkrankungsverlauf oder nach verbesserter Immunität unter
antiretroviraler Therapie empfohlen.
Hepatitis B-Impfung: Erwachsene HIV-Patienten sollten bezüglich Hepatitis-B gescreent und wenn
negativ, geimpft werden (mit Ak-Titerkontrolle 1Mt nach 3. Impfung), da sie ein erhöhtes Risiko für die
Entwicklung einer chronischen Hepatitis B haben.
Meningokokken C Impfantwort suboptimal. HIV-Ptienten mit funktionaler oder anatomischer
Asplenie, Reiseexposition oder in Schlafsälen übernachtende Patienten sollten geimpft werden.
HPV wird bei HIV nicht speziell empfohlen, kann aber erwogen werden, da es keine Lebendimfung ist.
Zosterimpfung (Lebendimpfstoff) bei HIV und CD4-Zellen<200 Zellen/ul kontraindiziert.
Gelbfieberimpfung (Lebendimpfstoff) kann bei HIV und CD4-Zellen > 200 Zellen/ul verabreicht
werden.
BCG-Impfung: Trotz erhöhtem Risiko bei HIV wird wegen der Gefahr einer disseminierten
Erkrankung nach Impfung bei HIV davon abgeraten.
Seite 5 von 10
CDC-Stadieneinteilung:
A
B
C
Asymptomatisch oder
Symptomatisch aber
AIDS-definierende
akute HIV-Erkrankung
nicht A od. C
Erkrankungen
1) >500
A1
B1
C1
2) 200-499
A2
B2
C2
3) <200
A3
B3
C3
Es findet keine Rückklassifizierung statt. Die CD4-Zellen sollen alle 3 Monate bestimmt werden.
CD-4-Lymphozyten/ul
Antiretrovirale Therapie (ART):
Aufgrund der dramatischen Abnahme der Mortalität kann angenommen werden, dass ein guter Teil
der behandelten HIV-infizierten Menschen heute eine nahezu normale Lebenserwartung hat. Neuere
Studien der Schweiz. HIV-Kohortenstudie zeigen, dass die Ersttherapie, trotz häufiger Anpassung
wegen meist leichten NW mit einem Ansprechen von >90% sehr erfolgreich ist. Aktuell gibt es 6
Klassen von Medikamenten mit 25 zugelassenen Medikamenten, welche meistens 1-2x/Tag
verabreicht werden. Viele ältere Medikamente bleiben hochwirksam und sollen nicht ohne Grund
gewechselt werden. Für den langzeitigen Therapieerfolg müssen die Medikamente sehr zuverlässig
eingenommen werden. Bei einer Therapieunterbrechung können infizierte schlafende Zellen aktiviert
werden und zur HIV-Replikation in grossen Mengen führen (13).
Eine ART besteht meist aus einer Kombination von 3 Medikamenten. Eine komplette Suppression der
Virämie sollte in weniger als 6 Monaten erreicht werden. Der CD4-Wert sollte im 1. Jahr um 150/ul
steigen, danach flacht die CD4-Kurve ab. Die Langzeitprognose ist bei einem CD4-Anstieg >350/ul bei
den meisten Patienten exzellent. Bezüglich Interaktionen ist bei PPIs (kontraind. mit Atazanavir),
Statinen (Lovastatin und Simvastatin unter PI-Thearpie kontraindiziert) und Benzodiazepinen
(Lorazepam, Oxazepam haben geringes Interaktionspotenzial) Vorsicht geboten (s. auch HIVdruginteractions.org) (4).
Therapieindikationen für eine ART (14):
1) Patienten mit einer AIDS-definierenden Erkrankung
2) Patienten mit einer CD4-Zellzahl <350 Zellen/ul
Der pos. Effekt einer antiretroviralen Therapie ist bei Pat. mit CD4 T-Zellen <200 Zellen/ul am besten
erwiesen. Aufgrund der Datenlage sollte sie jedoch schon bei CD4 T-Zellen <350 bei asympt. Pat
diskutiert werden, wobei eine Viruslast von >100000Kopien/ml ein zusätzliches Argument dafür ist.
Durch einen früheren Therapiestart soll im Verlauf eine deutlich robustere Immunabwehr erreicht
werden (15).
3) Schwangeren HIV-pos. Patientinnen
4) Patienten mit einer HIV assoziierten Nephropathie
5) HIV-Pat. mit einer HBV-Koinfektion, welche behandlungsbedürftig ist
6) bei gewissen Pat. mit CD4 T-Zellzahl >350 Zellen/ul (z.B. bei rapidem Abfall der CD4 T-Zellen z.B.
>120 Zellen/ul/Jahr)
Die Notwendigkeit der lebenslangen Therapietreue sollte mit dem Patienten gründlich diskutiert
werden, um potentielle Hindernisse bezüglich Compliance zu erkennen und anzugehen, bevor eine
Therapie begonnen wird, da die Therapie ohne Unterbruch durchgeführt werden sollte.
Potentieller Benefit einer frühen Therapie: Erhaltung einer höheren CD4 T-Zellzahl und Prävention
eines potentiell irreversiblen Schadens des Immunsystems, Verminderung von HIV assoziierten
Komplikationen (Tbc, NHL, Kaposi Sarkom, periphere Neuropathie, HPV-assoz. Malignome, Kognitive
Beeinträchtigung), vermindertes Risiko für kardiovaskuläre, renale, hepatische Morbidität,
vermindertes Übertragungsrisiko.
Seite 6 von 10
Potentielles Risiko einer frühen Therapie: Nebenwirkungen, Toxizität, Resistenzentwicklung,
kürzere Zeit für den Pat., um über HIV zu lernen und sich genügend auf eine zuverlässige
Therapieeinnahme vorzubereiten, grösseres Risiko für Therapiemüdigkeit, Übertragung resistenter
Viren, von Patienten, welche keine vollständige Virusunterdrückung erzielen, zu frühe Therapie vor
Entwicklung effektiverer, weniger toxischer, oder besser erforschter Kombinationen einer
antiretroviralen Therapie.
Nadelstichverletzung (16):
HIV ist gegenüber äusseren Einflüssen sehr empfindlich und bleibt ausserhalb des menschlichen
Körpers nur Minuten infektiös. Das Risiko einer HIV-Infektion bei einer Nadelstichverletzung ist gering.
HBV hingegen kann bis zu 7 Tagen auf Oberflächen überleben und infektiös bleiben, HCV gilt als
empfindlicher gegenüber Umwelteinflüssen. Das Übertragungsrisiko von HBV hängt davon ab, ob der
Indexpatient HBs-Ag pos ist (Risiko 23-37%) oder zusätzlich auch HBe-Ag pos (Risiko 37-62%).
Die Verletzung und die zur Verletzung führenden Umstände müssen unter anderem auch aus
rechtlichen Gründen in der Krankengeschichte des Exponierten genau dokumentiert werden. Dazu
gehören auch die Angaben des Indexpatienten. Zudem erfolgt die Unfallmeldung an den Arbeitgeber.
Sofortmassnahmen:
Wunde mit Wasser und Seife waschen und desinfizieren.
Risikobeurteilung:
1) Tiefe der Verletzung: höchstes Risiko bei tiefer Verletzung, die geblutet hat, geringes Risiko von
Kontakt von Blut mit nicht-intakter Haut oder Schleimhaut, kein Risiko bei Kontakt von Blut mit intakter
Haut.
2) Art der Körperflüssigkeit: Blut hat das höchste Risiko, potentielles Risiko bei Liquor, Fruchtwasser,
Synovial-, Pleural-, Peritonealflüssigkeit, Perikarderguss. Kein Risiko bei Urin, Stuhl, Sputum,
Speichel.
3) Hohlnadel, die in ein Blutgefäss eingelegt worden ist, birgt höheres Risiko als Skalpell oder
Nähnadel.
4) Subcutane oder intramuskuläre Applikation bergen tieferes Risiko als intravenöse.
5) Beurteilung des Indexpatienten bezüglich Risiko für HBV, HCV, HIV:
- Symptome eines Primoinfektes vorhanden?, i.v. Drogenabusus?, Tätowierungen, Piercing,
Partner
mit bek. Infektion. Immigration aus HIV-Endemiegebiet od. ein med. Eingriff in einem
solchen und sexuelles Risikoverhalten in den letzten 3 Mte.
- Abklärung, ob Exponierter gegenüber HBV geimpft ist.
BE: Beim Indexpatienten HIV-Ag/Ak-Test, anti-HCV, falls Exponierter nicht oder unvollständig gegen
HBV geimpft ist HBs-Ag sowie AntiHBc-IgG/IgM. Es empfiehlt sich beim Exponierten eine BE
durchzuführen (kann bei HIV, HCV, HBV neg. Indexpatient auch eingefroren werden, um evtl
später aus versicherungstechnischen Gründen darauf zurückzugreifen). Verweigert der Indexpat.
die BE, ist unbekannt oder pos. auf eines der 3 genannten Viren, sollen beim Exponierten HIVAg, Ak, Anti-HCV und Transaminasen, bei inkompletter HBV-Impfung zusätzlich anti-HBs und
HBs-Ag bestimmt werden.
Seite 7 von 10
Postexpositionsprophylaxe:
Die Transmissionsrate bei einer perkutanen Nadelstichverletzung beträgt 0,3 % (3).
Vor Beginn einer HIV-PEP, sowie nach 2 und 4 Wochen sollen BB, Kreatinin, Glukose und
Transaminasen bestimmt werden. 4 und 6 Monate nach der Exposition soll nach Durchführung einer
PEP die HIV-Serologie kontrolliert werden. Ohne PEP soll 3-4 Monate nach Exposition eine HIVSerologie durchgeführt werden.
Eine HIV-PEP sollte innert 1-2 Std (>48Std wenig wirksam, spätestens innerhalb 72Std (17)), die
HBV-PEP innert 7 Tagen nach Exposition begonnen werden. Bei unklaren Situationen sollte die
Indikation zur PEP eher grosszügig gestellt werden.
Bei Exposition mit HIV-pos Blut muss das Infektrisiko gegen die Toxizität einer PEP abgewogen
werden. Eine PEP reduziert die Ansteckungsrate um >80%, nicht aber um 100%. Grundsätzlich wird
eine PEP mit einer 3er-Kombination mit 2 Nukleosidanaloga und einem Proteaseinhibitor
durchgeführt, die Einnahmedauer beträgt 1 Monat.
Der Exponierte muss darüber aufgeklärt werden, dass er selber eine potentielle Infektionsquelle
darstellt und bis zum negativen HIV-Test 4-6Monate nach Exposition geschützten GV praktizieren soll,
kein Blut, Organe, Samen oder Gewebe spenden darf; eine stillende Frau sollte einen Unterbruch des
Stillens erwägen. Meldung an Unfallversicherer nicht vergessen.
Vorgehen bei PEP bezüglich HBV siehe Referenz 16 Seite 1124.
Vorgehen bei möglicher HCV-Exposition
Vorgehen bei möglicher HIV-Exposition
Seite 8 von 10
HIV und Recht :
1. Ein HIV-Test darf nur mit Wissen des Patienten durchgeführt werden.
2. Meldepflicht: Die anonymisierte Meldung von bestätigt pos. Resultaten an das BAG erfolgt
nach dem Bestätigungstest (Strebt möglichst lückenlose Erfassung aller Erstdiagnosen an.
Meldungen von Wiederholungstests sollen vermieden werden, da sonst epidemiologische
HIV-Überwachung verfälscht wird). Die Bestätigungslabors sind verpflichtet, diese Resultate
dem BAG und dem Kantonsarzt zu melden, sowie dem ärztlichen Testauftraggeber den
Fragebogen bei Personen mit pos. HIV-Test zu senden (18).
3. Es ist wichtig, das ärztliche Berufsgeheimnis gemäss Art 321 Strafgesetzbuch einzuhalten,
wobei es folgende Ausnahmen zu beachten gilt:
- Der Pat. kann dem Arzt erlauben, Drittpersonen über das Vorliegen einer
HIV-Infektion zu informieren (evtl. im Gespräch zu dritt in der Sprechstunde).
- Wenn der Pat. seinen Partner/In selbst nicht für den Arzt nachprüfbar
informiert und dem Arzt diese Einwilligung nicht gibt, kann sich der Arzt von
der kantonalen GD vom Patientengeheimnis entbinden lassen. Vom
Patientengeheimnis wird entbunden, wenn ein Paar in einigermassen fester
Beziehung lebt und der HIV-positive Patient seine(n) Partner/In nicht von sich
aus informiert oder durch den Arzt informieren lässt. Wer hingegen sexuelle
Gelegenheitskontakte pflegt, muss sich selber schützen: gegen eine
Entbindung in solchen Fällen sprechen schon praktische Aspekte: wen
müsste und könnte man denn informieren? Man soll sich also als
behandelnder Arzt fragen: liegt nach meiner Einschätzung eine regelmässige
und damit schützenswerte und auch schüztbare Sexualpartnerschaft vor?
Wenn die infizierte Person die Information des Partners verweigert, wird empfohlen mit dem
Kantonsarzt Kontakt aufzunehmen und den Fall zum Bsp. mündlich und ohne
Namensnennung zu besprechen. Die Erfahrung zeigt, dass die infizierte Person oft doch noch
in die Information des Partners einwilligt, wenn der Arzt/Ärztin mitteilt, dass die Situation mit
dem Kantonsarzt vorbesprochen wurde und nötigenfalls ein Entbindungsgesuch gestellt
werde, das voraussichtlich bewilligt würde (19).
Literatur/Links für Ärzte und Betroffene:
Interaktionen mit HIV-Medikamenten: www.hiv-druginteractions.org
Aids und Kind leistet finanzielle Direkthilfe an Kinder, Jugendliche und Familien in der CH, die von
HIV/IDS betroffen sind. www.aidsundkind.ch, 044 422 57 57
Wir empfehlen die Webseite der Aidsaufklärung Schweiz nicht.
Schweizer Aidshilfe www.aids.ch mit Adressen von HIV-Sprechstunden, Beratungszentren,
Selbsthilfeorganisationen, Partnervermittlung, Aids-Seelsorge, Rechtsberatung, vielen Broschüren, im
Folgenden eine kleine Auswahl, zu bestellen bei www.shop.aids.ch, 044 447 11 14
Prävention:
• Broschüren für 13-17Jährige junge Frauen/junge Männer zu Aufklärung, Sexualität, HIVPrävention: Hey Girls/Hey Jungs
• HIV/Aids, wo Risiken bestehen und wo nicht, Broschüre für Migranten/Innen in 18 Sprachen
erhältlich
• Liebe, Lust und Schutz, Broschüre für Männer/ Frauen, was sie über STD wissen sollten
• Sicheres Vergnügen: Sextips von Mann zu Mann, Broschüre für MSM
Seite 9 von 10
Für HIV-Betroffene:
• Dokumentation für Menschen, die vor kurzem erfahren haben, dass sie HIV-positiv sind:
HIV-positiv- was tun? In Französisch, portugiesisch, Englisch, Spanisch, Italienisch.
• Für Menschen mit HIV und ihre Partnerinnen und Partner: Beziehung und Sexualität
• Abonnierbare Zeitschrift zu HIV-Themen zu Medizin, Gesellschaft, Recht: Swiss Aids News
• Job und HIV, Datenschutz
• Wegweiser für eine erfolgreiche Kombinationstherapie für HIV: Bereit für die Therapie?
• HIV und Schwangerschaft
Bücher zum Thema HIV/Aids:
Positiv im Leben stehen, Geschichten von Jugendlichen mit HIV/AIDS 16.90Fr
Michael Walter: Aids ein Gesicht geben - Geschichten von Menschen mit HIV, 34.90Fr
Urs Hofmann: Grenzfall Zärtlichkeit in Familie, Schule und Verein, 24.90Fr
bestellen bei rex verlag Luzern, www.rex-verlag.ch
Nachschlagewerk zu Grundlagen, Gesundheitsvorsorge und Therapiealltag: leben mit HIV und Aids.
Literatur:
(1) www.bag.admin.ch/hiv_aids und www.unaids.org
(2) Aidshilfe Schweiz www.aids.ch
(3) Empfehlungen zur HIV-Postexpositionsprophylaxe ausserhalb des Medizinalbereiches, Update 2006. BAG-Bulletin
2006;36: 712-15.
(4) P. Tarr, S. Erb et al. HIV-Infektion Update für 2009 für Hausärzte. Schweiz Med Forum 2009;9 (45): 813-16, (46):
830-35.
(5) up to date
(6) Karen Klaue, BAG, HIV-Test und Beratung auf Initiative des Arztes, der Ärztin. Schweiz. Ärztezeitung 2007; 88:
27/28, p 1207-09
(7) Vademecum für HIV-Testberatung in der Praxis. BAG-Bulletin 2005;39: 698.
(8) T. Klimkait. HIV-Nachweis.Schweiz Med Forum 2008;8(15):278-281.
(9) Empfehlungen des BAG zum HIV-Combo-Schnelltest (Ag/Ak), Version Sept 09.
(10) Neuerungen in der HIV-Diagnostik. BAG-Bulletin 2007; 36:643-644.
(11) Clin Infect Dis. 2009: 49: 651-681.
(12) Stanley S.K. et al. Effect of Immunization with common recall antigen on viral expression in patients infected with
human immunodeficiency virus typ 1. N.Engl J Med 1996. 334.p 1222-30.
(13) Daten aus Dankesbrief zum Jahreswechsel 08/09 zur swiss HIV cohort study, Infektiologie USZ.
(14) USA Department of Health and Human Services: Panel on antiretroviral Guidelines for Adults and Adolescents Nov
08 aus up to date
(15) E. Mossdorf, M. Battegay, J. Fehr. Update HIV/ AIDS 2007, med Art 2007.
(16) A.K. Georgi, C. Ruef, S.K. Rampini. Nadelstichverletzung- Gefährdung durch und Vorbeugung von blutübertragbaren
Infektionen. Praxis 09;98: 1119-29.
(17) V. Gruber, M. Cavassini, M. Battegay. Exposition gegenüber HIV, Hepatitis B und C in Praxis und Spital. Schweiz
Med Forum 2008;8(36): 650-655.
(18) Das schweizerische HIV-Testkonzept. BAG-Bulletin 2006;51: 1022-34.
(19) H. Binz und H.P. Kuhn. HIV und Patientengeheimnis. Schweiz. Ärztezeitung 2006;87:20. 873-74.
Autorin:
Dr. med. Andrea Forgo
Fachärztin für Allgemeine Medizin FMH
mediX Gruppenpraxis
Rotbuchstrasse 46
8037 Zürich
044 365 30 30
[email protected]
Seite 10 von 10