Validierung von Untersuchungsmethoden in der analytischen Praxis

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Validierung von Untersuchungsmethoden in der analytischen Praxis
Thüringer Landesanstalt
für Landwirtschaft
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Validierung von
Untersuchungsmethoden
in der analytischen Praxis
Thüringer Ministerium
für Landwirtschaft,
Naturschutz und Umwelt
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www.tll.de/ainfo
Impressum
4. überarbeitete Auflage
Herausgeber:
Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft
Naumburger Str. 98, 07743 Jena
Telefon: 0 36 41 / 6 83 - 0 Telefax: 0 36 41 / 6 83 - 3 90
e-Mail: [email protected]
Autor:
Dr. Matthias Leiterer
10. Juni 2008
- Nachdruck - auch auszugsweise - nur mit Quellenangabe gestattet. -
Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft
2
10. Juni 2008
Validierung von Untersuchungsmethoden in der analytischen Praxis
Dr. Matthias Leiterer (Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft)
1
Einleitung
Analysenergebnisse bilden die Grundlage für Entscheidungen mit oft weit reichenden Folgen
für die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen, für Maßnahmen des Umweltschutzes
und wirtschaftliche Prozesse. Die Anwendung eines geeigneten, analytischen Qualitätssicherungssystems zur Gewährleistung der Zuverlässigkeit (engl.: reliability) und Rückverfolgbarkeit
(engl.: traceability) analytischer Daten einschließlich der Charakterisierung der Präzision
(engl.: precision) und des Nachweises der Richtigkeit (engl.: trueness) ist international
anerkannter Standard. Die Anwendung validierter Prüfmethoden bildet dabei einen wesentlichen, unverzichtbaren Bestandteil des Qualitätssicherungssystems. Mit der Validierung erfolgt
die Prüfung und Bestätigung, dass ein Analysenverfahren für die betreffende Aufgabenstellung
geeignet ist und alle Anforderungen für den speziellen beabsichtigten Gebrauch erfüllt. Ein
nach DIN ISO/IEC 17025:2005 akkreditiertes Prüflabor ist zur Anwendung angemessen
validierter Analysenverfahren verpflichtet (Thompson, 2002). Gemäß Punkt 5.4 der DIN ISO
17025:2005 bedeutet dies, dass Verfahren, die nicht in normativen Dokumenten festgelegt
sind, so genannte Hausmethoden, und Verfahren nach normativen Dokumenten, die außerhalb ihres vorgesehenen Anwendungsbereiches angewendet werden, im betreffenden Labor
selbst validiert werden müssen.
Diese Arbeit enthält eine allgemeine Anleitung zur Validierung von Analysenverfahren in
chemischen Laboratorien. Außerdem wird die Vorgehensweise bei der Überprüfung der
Einhaltung von Verfahrenskenndaten sowie der Ergänzung fehlender Verfahrenskenndaten bei
genormten Verfahren beschrieben.
In der vorliegenden Arbeit wird ganz bewusst auf die Anwendung einfacher Schätzverfahren
Wert gelegt, die in der täglichen Laborpraxis schnell angewendet und umgesetzt werden
können. Ausgehend von den Empfehlungen und Richtlinien der aktuellen Literatur wurden
deshalb vielfach Vereinfachungen in den Schätzgleichungen vorgenommen. Um die Lesbarkeit
und Routineanwendung auch für technische Labormitarbeiter/innen zu vereinfachen, wurden
die Anmerkungen zu diesen Vereinfachungen bevorzugt in Fußnoten wiedergegeben. Zum
besseren Verständnis sollen die im Text grau unterlegten Anwendungsbeispiele aus dem
Labor der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft (TLL) dienen.
Die beschriebene Vorgehensweise entspricht den internationalen IUPAC-Richtlinien (IUPAC,
2002).
2
Zuständigkeiten
Verantwortlich für die Durchführung der Validierung von Verfahren ist der jeweilige Laborleiter. Vor Einführung eines neuen Verfahrens ist das Personal zu unterweisen. Die Unterweisung muss schriftlich dokumentiert werden.
3
Festlegung der Leistungsanforderungen
Die Leistungsanforderungen ergeben sich aus der analytischen Zielstellung (fachliche Aufgabenstellung, Vorgaben des Auftraggebers) bzw. aus den in gesetzlichen Vorschriften explizit
vorgegebenen Leistungskriterien für die anzuwendenden Analysenverfahren, z. B.: VO
2007/333/EG.
Für Hausmethoden bzw. Verfahren nach normativen Dokumenten, die außerhalb ihres
vorgesehenen Anwendungsbereiches angewendet bzw. erweitert werden sollen, sind die
analytischen Zielstellungen der Validierung schriftlich festzulegen.
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4
Durchführung
4.1
Arbeitsbereich
Die Festlegung des Arbeitsbereiches richtet sich nach der analytischen Aufgabenstellung
sowie den analysen- und gerätetechnischen Bedingungen. In der Regel ist ein Arbeitsbereich
mit linearer Kalibrierfunktion anzustreben. Bei sehr großen Analysenwertebereichen kann eine
Teilung der Kalibrierung in mehrere, unterschiedliche Arbeitsbereiche notwendig und sinnvoll
sein. Der Nachweis der Linearität der Kalibrierfunktion bzw. die Ermittlung einer Kalibrierfunktion höherer Ordnung erfolgt einmalig mit Hilfe einer 10-Punkte-Kalibration1 und ist in den
Validierungsunterlagen zu dokumentieren. Die Dokumentation muss einen Ausdruck der
Original-Messdaten beinhalten.
4.2 Anzahl und Konzentration der Kalibrierstandards
Die Anzahl, Konzentration und die Vorschrift zur Herstellung der Kalibrierstandards (einschließlich der zu verwendeten Chemikalien und Standardlösungen) ist in der Verfahrens-SOP
bzw. speziellen Arbeitsanleitungen detailliert zu dokumentieren.
4.3 Nachweis- und Bestimmungsgrenze
Die experimentelle Ermittlung der Nachweis- und Bestimmungsgrenze (NWG bzw. BG)
erfolgt mittels Leerwert- oder Kalibriergeradenmethode (DIN 32645, 1994). Insbesondere in
den Bereichen der organischen sowie der mikro- und molekularbiologischen Analytik können
alternative Schätz- und Berechnungsverfahren (z. B. Signal/Rausch-Verhältnis, empirische
Ermittlung der kleinsten detektierbaren Stoffmenge/Konzentration) angewendet werden.
Die experimentell ermittelten Nachweis- und Bestimmungsgrenzen sind für alle relevanten
Untersuchungsmatrixgruppen separat zu ermitteln und zu dokumentieren. Die angewendete
Methode zur Ermittlung ist anzugeben. Ein Ausdruck der Original-Messdaten zur Ermittlung
der Nachweis- und Bestimmungsgrenze ist in den Validierungsunterlagen zu archivieren.
4.3.1 Schnellschätzung der Nachweis- und Bestimmungsgrenze nach der Leerwert- bzw.
Kalibriergeradenmethode
Bedingungen:
• Leerwertmethode: 10 Wiederholungsmessungen an einer Blindwertprobe2 (gleiche apparative Messparameter/Messmodus3 wie im Routinemessprogramm, eine Kalibration)
• Kalibriergeradenmethode: 10-Punkt-Kalibration mit äquidistanten Abständen in der Nähe
der Bestimmungsgrenze4.
• Signifikanzniveau α = 0,01 (Wahrscheinlichkeit = 99 %)
• k = 3 (relative Ergebnisunsicherheit = 33,3 %)
1
Dies gilt bevorzugt im Bereich der anorganischen Analytik. Im Bereich der Chromatographie sind Kalibrationen mit weniger Punkten zulässig und üblich (Hänel et al, 1998, Anonym, 2007).
2
Nach DIN 32645 ist anstatt der Blindwertprobe eine Leerprobe zu verwenden. Unter der Annahme von
Idealbedingungen darf diese den nachzuweisenden oder den zu bestimmenden Bestandteil nicht enthalten,
muss aber sonst mit der Analysenprobe übereinstimmen. Da dies unter realen Bedingungen nicht möglich
ist, kann näherungsweise eine Blindwertprobe, welche nur einen sehr geringen Gehalt des gesuchten Bestandteils aufweist und in der restlichen Zusammensetzung der Analysenprobe (Matrix) möglichst nahe
kommt, eingesetzt werden. Außerdem muss die Homogenität der Varianzen zwischen dem Leerwert und
dem Messwert einer Analysenprobe in der Nähe der Bestimmungsgrenze überprüft werden.
3
Die 10 Wiederholungsmessungen müssen wie 10 aufeinanderfolgende Probenmessungen ausgeführt werden
(gleiche Vorspülzeit, gleiche Anzahl messgeräteinterner Integrationen). Die durch die Probenvorbereitung
und den Aufschluss/Extraktion/Aufreinigung verursachte Streuung der Messwerte sowie der Fehler der Kalibration gehen in die Berechnung der Nachweis- und Bestimmungsgrenze nicht mit ein.
4
Bei der Ermittlung der Nachweis- und Bestimmungsgrenze nach der Kalibriergeradenmethode ist eine
Kalibrierung in einem sehr niedrigen Konzentrationsbereich, der in der Nähe der erwarteten Nachweis- und
Bestimmungsgrenze liegt, notwendig. Dies bedeutet in der Regel eine vom normalen Arbeitsbereich abweichende, separate Kalibration mit 10 äquidistanten Punkten. Außerdem ist die Homogenität der Varianzen zu
prüfen (Funk et al, 2005).
4
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Schätzgleichungen nach DIN 32645 (Funk et al, 2005):
xNWG (NWG)
Leerwertmethode
3 • sL
Kalibriergeradenmethode
3,6 • sX0
xBG (BG)
9 • sL = 3 • NWG
10,8 • sX0 = 3 • NWG
sL
sX0
Standardabweichung des Leerwertes (Blindwertes) in Konzentrationseinheiten5
Verfahrensstandardabweichung
4.3.2 Ermittlung der Nachweis- und Bestimmungsgrenze in der Organischen Rückstandsanalytik
In der organischen Rückstandsanalytik müssen häufig eine Vielzahl von Wirkstoffen gleichzeitig in einer Probe analysiert werden. Die chromatographische Analyse wird dabei sehr stark
von der jeweiligen Probenmatrix beeinflusst. Die Nachweis- und Bestimmungsgrenzen
variieren deshalb nicht nur in Abhängigkeit vom jeweiligen Wirkstoff, sondern sind zusätzlich
noch stark von der konkreten Untersuchungsmatrix abhängig. Aus diesem Grund ist eine
experimentelle Ermittlung der Nachweis- und Bestimmungsgrenzen für jeden einzelnen
Wirkstoff in der jeweiligen Untersuchungsmatrix mit angemessenem Aufwand nicht möglich.
Da die analytische Fragestellung in der organischen Rückstandsanalytik fast ausschließlich in
einem qualitativen Nachweis oder einer quantitativen Bewertung der Analysenergebnisse
hinsichtlich von Höchstmengen bzw. Grenz- und Richtwerten besteht, wird für die Ermittlung
und Angabe der Nachweis- und Bestimmungsgrenze ein vereinfachtes Verfahren eingesetzt,
welches sich an den Höchstmengen orientiert (HÄNEL et al, 1998, Anonym, 2007).
Üblicherweise werden dabei rückstandsfreie Proben der gleichen Untersuchungsmatrix mit
einem Gemisch der zu analysierenden Wirkstoffe in einer Konzentration von cdot = 0,5 ·Höchstmenge6
dotiert und das resultierende Signal/Rausch-Verhältnis im Chromatogramm für jeden Wirkstoff
bzw. für Wirkstoffgruppen analysiert. Beträgt das Signal/Rauschverhältnis S/N > 3, ist der
betreffende Wirkstoff bzw. die betreffende Wirkstoffgruppe in dieser Konzentration nachweisbar.
Ist das Signal/Rauschverhältnis S/N > 6 und beträgt die mittlere Wiederfindungsrate aus
mindestens fünf Experimenten pro Matrixgruppe 70 % # WFR # 120 % mit einer relativen
Standardabweichung RSD # 20 %, ist der betreffende Wirkstoff bzw. die betreffende Wirkstoffgruppe in dieser Konzentration mit ausreichender Genauigkeit bestimmbar (Abb. 1) (RL
91/414/EWG, RL 96/46/EG, Anonym, 2007). Als „Bestimmungsgrenze“ wird dann das niedrigste, erfolgreich validierte Dotierungsniveau definiert.
Beispiel - Abschätzung der Nachweis- und Bestimmungsgrenze für chromatographische
Verfahren aus dem Signal/Rausch-Verhältnis
Abbildung 1: Beispiel für die Überprüfung der Signalgröße hinsichtlich der Bestimmungsgrenze
(Hesse, 2007)
5
Die Ermittlung von sL bzw. sX0 erfolgt in Konzentrationseinheiten (nach der Kalibration). Bei direkter Auswertung der Messintensitäten muss sL durch den Anstieg der Kalibrierkurve b dividiert werden (sL/b).
6
Die dotierte Konzentration muss sich nicht zwingend an der Höchstmenge orientieren, sondern kann je nach
analytischer Fragestellung variiert werden.
5
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4.4 Messunsicherheit
4.4.1 Allgemeines
Die Messunsicherheit kennzeichnet einen Wertebereich um das Messergebnis, innerhalb
dessen sich der wahre Gehalt mit einer definierten Wahrscheinlichkeit befindet. Der Begriff
Messunsicherheit wird nur in der quantitativen Analyse verwendet.7 Die Angabe erfolgt in der
Regel in der Form: Mittelwert (MW) ± erweiterte Messunsicherheit (U).
Hauptdokument für die einheitliche Bestimmung und Angabe der Messunsicherheit ist
der GUM (Guide to the Expression of Uncertainty in Measurement) (GUM, 1993/1995).
Deshalb wird für spezielle Anleitungen oder Empfehlungen zur Ermittlung der Messunsicherheit, welche mit Tätigkeiten im Rahmen der EA (European Cooperation of Accreditation) nach DIN ISO/IEC 17025 verbunden sind, grundsätzlich die Übereinstimmung
mit dem GUM gefordert (DAR, 2006).
Nach DIN EN ISO/IEC 17025:2005 akkreditierte Laboratorien, die interne Kalibrierungen
durchführen, müssen über Verfahren zur Schätzung der Messunsicherheit für alle Kalibrierungen (Analysenverfahren) und alle Arten von Kalibrierungen (Matrices) verfügen und diese
anwenden (DAP 2006).
Nach DIN ISO/IEC 17025:2005, 5.10.3.1 c ist eine Angabe im Prüfbericht nur dann erforderlich,
wenn sie
• für die Gültigkeit oder Anwendung des Prüfergebnisses von Bedeutung ist,
• vom Kunden verlangt wird oder
• wenn die Messunsicherheit die Einhaltung von Grenzwerten in Frage stellt (DAR, 2005).
Die Gesamtmessunsicherheit (kombinierte Messunsicherheit) besteht aus der Kombination
aller relevanten zufälligen Fehler (Präzision) und systematischen Fehler (Richtigkeit)
(EURACHEM, 2004; DIN DEV A-04,).
Gesamtmessunsicherheit u =
uRW
ubias
2
u R2W + u bias
Unsicherheitskomponente der zufälligen Abweichung (Präzision)
Unsicherheitskomponente für die systematische Abweichung (Richtigkeit)
Entsprechend den internationalen und nationalen Vorgaben (EURACHEM, 2004; RL
2005/4/EG; RL 2005/6/EG; BAM, 2004) erfolgt die Angabe der Messunsicherheit auf der
Basis der Schätzung der erweiterten Messunsicherheit.
Erweiterte Messunsicherheit
2
U = 2 ⋅ u = 2 ⋅ u R2W + u bias
4.4.2 Übernahme aus Normen/Festlegungen des Verbandes Deutscher landwirtschaftlicher
Untersuchungs- und Forschungsanstalten VDLUFA
Unter der Voraussetzung eines separaten Nachweises der Richtigkeit (siehe 4.6) werden für
die einheitliche Bestimmung der erweiterten Messunsicherheit im VDLUFA nachfolgende
Bedingungen vorausgesetzt (VDLUFA, 2006):
• GAUSSsche Normalverteilung der Daten;
• Signifikanzniveau α = 0,05 (Wahrscheinlichkeit = 95 %);
• Vergleichsbedingungen (Ringversuchsbedingungen: unabhängige Probenaufbereitungen
und Messungen, unterschiedliche Messgeräte, Personen und Laboratorien).
7
Eine Strategie zur Handhabung der Ergebnisse aus der qualitativen Prüfung muss erst noch erarbeitet werden
(DAR, 2006).
6
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Auf der Basis dieser Annahmen wurden für die Untersuchungsmethoden des VDLUFA im
Rahmen der Fachgruppenarbeit konzentrationsabhängige Messunsicherheiten (Analysenspielräume) auf der Basis von Vergleichsdaten (Ringversuche des VDLUFA) abgeleitet. Insbesondere für die Analyse von Futtermitteln steht eine umfangreiche Zusammenstellung der
Analysenspielräume als „amtliche“ Vorgabe zur Verfügung (VDLUFA, 1997).
Die ermittelten Werte garantieren innerhalb der erweiterten Messunsicherheit eine justiziable
Vergleichbarkeit der Daten unterschiedlicher Labore.
Die veröffentlichten Werte können unter Nennung der Quelle direkt in die SOP übernommen
werden. Eine Überprüfung der Einhaltung dieser Messunsicherheiten bzw. Analysenspielräume erfolgt über die regelmäßige Ringversuchsteilnahme und/oder anhand von Mittelwertkontrollkarten8.
Beispiel: Übernahme aus gesetzlichen Vorgaben, validierten, „amtlichen“ Methoden bzw.
Literaturangaben
Aflatoxin B1 in Futtermitteln (VDLUFA, Methodenbuch Bd. III)
c ≤ 0,004 mg/kg
± 50%
0,004 mg/kg < c ≤ 0,010 mg/kg
± 0,002 mg/kg
c > 0,010 mg/kg
± 20%
4.4.3 Abschätzung aus Ringversuchen
Aus den in Ringversuchen ermittelten Vergleichsstandardabweichungen lassen sich erweiterte
Messunsicherheiten für unterschiedliche Konzentrationsbereiche oder funktionale Zusammenhänge für die erweiterte Messunsicherheit in Abhängigkeit von der Konzentration des
Analyten ableiten (ISO/TS 21748, 2004)9.
Aus den in Ringversuchen ermittelten statistischen Kenndaten für eine größere Anzahl von
Ringversuchsproben mit unterschiedlichen Konzentrationen kann ein funktionaler Zusammenhang zwischen der Vergleichsstandardabweichung und der Analytkonzentration empirisch
ermittelt werden.
Schätzgleichungen:
Erweiterte Messunsicherheit U = ± 2 · sR mit sR = f (c)
Relative erweiterte Messunsicherheit Urel = ± 2 · vR mit vR = f (c)
sR
vR
c
8
Vergleichsstandardabweichung (ermittelt aus Ringversuchen)
relative Vergleichsstandardabweichung (ermittelt aus Ringversuchen)
Konzentration des Analyten in der Ringversuchsprobe (Ringversuchsmittelwert)
Bei der Überprüfung der Einhaltung der festgelegten Messunsicherheiten ist neben der 2fachen laborinternen
Wiederholstandardabweichung (Warngrenze) zusätzlich die systematische Abweichung des Kontrollkartenmittelwertes vom Sollwert (Ringversuchsmittelwert bzw. zertifizierter Wert) einzubeziehen. Es gilt: uges =
[u(sr)2 + u(bias)2]-2 (Koch, 2004).
9
Bei der Berechnung/Übernahme der erweiterten Messunsicherheit aus Ringversuchsdaten muss geprüft
werden, ob das eigene Labor die Ringversuchskenndaten (Präzision und Richtigkeit) in der laborinternen
Qualitätssicherung auch tatsächlich erreicht und dauerhaft einhält, d. h., sr (Mittelwertkontrollkarte) ≤ sR
(Ringversuch) und MW (Mittelwertkontrollkarte) innerhalb Toleranzbereich für MW (Ringversuch) (ISO/TS
21748, 2004).
7
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Beispiel – Ermittlung aus Ringversuchsdaten (Funktioneller Zusammenhang)
U [mg/100 g Boden] = ± 2 · (0,26 + 0,057 · cP(CAL) [mg/100 g Boden])
Gültigkeitsbereich: 1,20 mg/100 g Boden # U # 41,1 mg/100 g/Boden, r2 = 0,90
Urel [%] = U / cP(CAL) [mg/100 g Boden] · 100 %
U in mg P / 100 g Boden
U = 0,1128 cP + 0,5824
5
70
60
4
50
40
3
30
2
Urel = 41,862 cP
-0,3646
20
1
Urel in % des P-Gehaltes
80
6
10
0
0
0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
P-Gehalt des Bodens in mg / 100 g Boden
Abbildung 2: Aus 15 Ringversuchen (27 Proben) der Fachgruppe II Bodenuntersuchung des VDLUFA
ermittelter funktioneller Zusammenhang der erweiterten Messunsicherheit U bzw. Urel in Abhängigkeit
vom P-Gehalt des Bodens (CAL-Methode) (Munzert et al, 2007)
Unter der Bedingung: c > 10 BG ist die relative Vergleichsstandardabweichung vR häufig
näherungsweise konstant.10 Damit ist eine vereinfachte Abschätzung einer einheitlichen
relativen erweiterten Messunsicherheit aus Ringversuchskenndaten oberhalb der 10fachen
Bestimmungsgrenze möglich.
Schätzgleichung:
vR
Relative erweiterte Messunsicherheit Urel = ± 2 · vR
relative Vergleichsstandardabweichung (ermittelt aus Ringversuchen)
Beispiel - Ermittlung aus Ringversuchsdaten (konstante relative Messunsicherheit)
Urel ≈ ± 2 • vR = ± 2 • 9 % = ± 18 %
Ermittelt für: 2 mg/kg # cCd # 12 mg/kg (obere Grenze erweiterbar)
Gültigkeitsbereich: cCd $ 2 mg/kg, BG # 0,2 mg/kg
10
Die Bedingung, dass der Messwert oberhalb des 10fachen Wertes der Bestimmungsgrenze liegen muss, ermöglicht die für viele Analyseverfahren näherungsweise gültige Vereinfachung einer konstanten relativen Vergleichsstandardabweichung. Dies ist im Einzelfall ggf. zu prüfen.
8
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35
30
vR in %
25
vR = - 0,0182 cCd + 8,9037
20
vR . 9 % (2 mg/kg # vR # 12 mg/kg)
15
10
5
0
0
2
4
6
8
10
12
14
Cd-Gehalt des Klärschlamms in mg/kg TS
Abbildung 3: Aus 20 Klärschlammringversuchen in Sachsen und Thüringen (1996 bis 2006) ermittelte
Abhängigkeit der relativen Vergleichsstandardabweichung vR von der Cadmiumkonzentration (Klose et
al, 2007)
Die Abschätzung für den Bereich BG # c # 10 BG kann näherungsweise durch lineare Interpolation zwischen der ermittelten konstanten Urel und dem „theoretischen Wert“ der erweiterten
Messunsicherheit an der Bestimmungsgrenze erfolgen.11
Eine Plausibilitätsprüfung und Qualitätsabschätzung der aus Ringversuchen abgeleiteten
Messunsicherheiten ist über den HORRAT-Koeffizienten möglich (Horwitz et al., 1980;
Thompson, 2000; Horwitz et al., 2006).
HORRATR = vR/vR,Soll mit
xm
vR,Soll
v R ,Soll [% ] = 2 ⋅ x m
−0 ,15
Massenanteil der Kontrollprobe, xm = mAnalyt/mgesamt (z. B.: 1 mg/kg = 0,000.001)
Soll-Vergleichsvariationskoeffizient (PRSDR, predicted relative standard deviation)
VR ist akzeptabel, wenn gilt: 0,5 ≤ HORRATR ≤ 2. In diesem Fall liegt die aus Ringversuchen
abgeleitete, erweiterte Messunsicherheit in einem plausiblen Bereich (Anonym, 2004)12.
11
Unter den Bedingungen α = 0,01 und k = 3 beträgt die theoretische relative Ergebnisunsicherheit 33,3 % und
damit die theoretische erweiterte Messunsicherheit 66,6 %. Durch die Anwendung einer linearen Interpolation werden im Vergleich zum exponentiellen Zusammenhang höhere, in der analytischen Praxis mit höherer
Sicherheit erreichbare Werte für Urel erhalten. Diese stark vereinfachte Vorgehensweise ist durch die im Vergleich zu Richt-, Höchst- und Grenzwertenbereichen deutlich geringere praktische Relevanz der Genauigkeitsanforderungen an die Messunsicherheit im Bereich der Bestimmungsgrenze gerechtfertigt.
12
Der HORRAT-Wert ist eine grobe, aber sehr einfache und praktikable Kenngröße zur Charakterisierung der
Präzision. Er überschätzt jedoch die Präzision in extremen Konzentrationsbereichen und ist deshalb für die
Bereiche < 10 ppb und > 10 % nur eingeschränkt gültig (Anonym, 2004). Für die Abschätzung in diesen
Konzentrationsbereichen können modifizierte Gleichungen angewendet werden. Es gelten sR,Soll = 0,22Axm für
xm < 1,2A10-7 sowie sR,Soll = 0,01Axm0,5 für xm > 0,138 (Thompson, 2000). Der HORRAT-Koeffizient gilt nicht für
empirisch definierte Analysenverfahren (z. B.: Wassergehalt, Rohasche, Rohfaser, organische Substanz),
physikalische Eigenschaften und Methoden (z.B.: pH, Viskosität, Trockenmasse) sowie biologische Verfahren.
9
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4.4.4 Abschätzung aus laborinternen Mittelwertkontrollkarten
Die auf der Basis von Mittelwertkontrollkarten ermittelte Laborwiederholstandardabweichung
sr (bei identischer Methode, identischem Probenmaterial und identischem Gerät) ist in der
Regel kleiner als die in Ringversuchen ermittelte Vergleichsstandardabweichung sR. Durch die
Ermittlung der Analysenwerte der Referenzproben aus unabhängigen Analysen über einen
längeren Zeitraum (ggf. durch unterschiedliche Personen) nähert man sich jedoch den
Vergleichsbedingungen an (ERM, 2005; VDLUFA, 2006). Damit wird sr ≈ sR.
Schätzgleichung:
U ≈ ±2 ⋅ u RW + u bias = ±2 ⋅ s r + (MW Kontrollka rte − MW zertifizie rt )
2
2
2
2
sr Laborwiederholstandardabweichung (ermittelt aus einer Mittelwertkontrollkarte)
Eine Plausibilitätsprüfung und Qualitätsabschätzung der aus Mittelwertkontrollkarten ermittelten Laborwiederholstandardabweichung vr ist über den HORRAT-Koeffizienten für die Intralaborpräzision HORRATr möglich.
HORRATr = vr/vR,Soll
xm
vR,Soll
v R ,Soll [% ] = 2 ⋅ x m
mit
−0 ,15
Massenanteil der Kontrollprobe, xm = mAnalyt/mgesamt
Soll-Vergleichsvariationskoeffizient (PRSDR, predicted relative standard deviation)
vr ist akzeptabel, wenn gilt: 0,3 ≤ HORRATr ≤ 1,3 (Anonym, 2004). Außerdem sollte die aus
Mittelwertkontrollkarten abgeleitete, erweiterte Messunsicherheit U nicht größer als der
doppelte, mittlere Vergleichsvariationskoeffizient vergleichbarer Ringversuchsproben sein.
Beispiel - Ableitung aus einer Mittelwertkontrollkarte
25
cNi in mg/kg
20
15
10
12.02.2007
08.02.2007
08.02.2007
11.01.2007
22.11.2006
06.11.2006
24.10.2006
24.10.2006
19.10.2006
16.10.2006
06.10.2006
06.10.2006
06.10.2006
28.09.2006
28.09.2006
28.09.2006
22.09.2006
19.09.2006
13.09.2006
13.09.2006
12.09.2006
06.09.2006
30.08.2006
28.08.2006
24.08.2006
22.08.2006
14.08.2006
14.08.2006
08.08.2006
01.08.2006
0
01.08.2006
5
Abbildung 4: Mittelwertkontrollkarte für die quantitative Nickelbestimmung mit Flammen-AAS im
Königswasserextrakt der Bodenprobe der 3. Ringanalyse Thüringen 2000 (Kirmse, 2007) - Ringversuchsergebnis: MW = 15,9 mg/kg, sR = 1,59 mg/kg, sr = 0,68 mg/kg, n = 23 (Leiterer, 2000)
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10
10. Juni 2008
Die aus dem Ringversuch ermittelten Kenndaten dienen als Vorgabe für die Mittelwertkontrollkarte und ersetzen damit die Vorperiode.
Mittelwert der Vorperiode = Ringversuchsmittelwert, MWRingversuch = 15,9 mg/kg
Standardabweichung d. Vorperiode = Vergleichsstandardabweichung, sR = 1,6 mg/kg
Mittelwert der Kontrollperiode, MWKontrollkarte = 15,65 mg/kg
Standardabweichung = Laborwiederholstandardabweichung, sr = 0,84 mg/kg
Variationskoeffizient = Laborwiederholvariationskoeffizient, vr = 5,4 %
Varianzen F-Test
Prüfgröße: 3,61
Vergleichsgröße: 1,84, signifikanter Unterschied13
Mittelwert t-Test
Prüfgröße: 0,74
Vergleichsgröße: 2,04, zufälliger Unterschied
Plausibilitätsprüfung von sr
(
HORRAT r = vr / v R , Soll = vr [% ] / 2 ⋅ x m
(
−0 ,15
)[%]
)
HORRAT r = 5,4% / 2 ⋅ 0,00001565 −0,15 % = 0,51
0,3 ≤ 0,51 ≤ 1,3, Plausibilität ist erfüllt.
Berechnung der erweiterten Messunsicherheit:14
U ≈ ±2 ⋅ u RW + u bias = ±2 ⋅ s r2 + (MW Kontrollka rte − MW Ringversuc h )
2
2
U ≈ ±2 ⋅ u RW + u bias = ±2 ⋅
2
2
2
(0,84mg / kg )2 + (15,65mg / kg − 15,9mg / kg )2
= ±1,76 mg / kg
Urel [%] ≈ ± 2 · u [mg/kg] / MWKontrollkarte [mg/kg] · 100 %
Urel [%] ≈ ± 2 · 0,88 mg/kg / 15,65 mg/kg · 100 % = ± 11,2 %
4.4.5 Abschätzung aus Wiederfindungsexperimenten
Stehen keine ausreichenden Daten aus Ringversuchen oder Mittelwertkontrollkarten zur
Verfügung, kann die erweiterte Messunsicherheit aus der Standardabweichung der Analysenwerte von mindestens 5 parallelen Wiederfindungsexperimenten abgeschätzt werden. Die
Konzentration des dotierten Analyten sollte dabei möglichst in der Nähe des entscheidungsre13
Die Annahme sr ≈ sR ist nicht erfüllt. Die aus der Mittelwertkontrollkarte berechnete laborinterne Wiederholstandardabweichung (0,84 mg/kg) liegt zwischen der im Ringversuch ermittelten Wiederholstandardabweichung (0,68 mg/kg) und der im Ringversuch ermittelten Vergleichsstandardabweichung (1,6 mg/kg).
14
In der verwendeten vereinfachten Formel für die Abschätzung der Messunsicherheit aus der Mittelwertkontrollkarte wurde die Unsicherheit des Sollwertes der verwendeten Kontrollprobe vernachlässigt. Bei Einbeziehung dieser Unsicherheitskomponente würde die resultierende kombinierte Messunsicherheit in jedem Fall
größer als die Vergleichsstandardabweichung des Ringversuches werden. Diese vereinfachte Vorgehensweise
widerspricht den Vorgaben des DIN-Leitfadens DEV A-04, ergibt jedoch aus Sicht des Autors ein realistischeres Abbild der Genauigkeit des vom jeweiligen Labor erzeugten Analysenergebnisses. Der „Zuschlag“ einer
möglicherweise großen Unsicherheit einer als Kontrollprobe eingesetzten Referenzprobe zur Messunsicherheit eines aktuellen Analysenwertes ist im Sinne der Rückführbarkeit von Analysenergebnissen richtig, jedoch
für die Bewertung der Genauigkeit aktueller, unter anderen Bedingungen erzeugter Analysenergebnisse nicht
hilfreich.
11
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10. Juni 2008
levanten Grenz- oder Richtwertes bzw. der Höchstmenge liegen. Zusätzlich ist die Auswahl
einer etwa 10fach niedrigeren, dotierten Analytkonzentration empfehlenswert15.
Die Dotierung sollte zum frühestmöglichen Zeitpunkt (Analysenschritt) im Ablauf des Gesamtanalysenverfahrens erfolgen. Die Messung erfolgt mit einer Kalibration.
Schätzgleichung:
Erweiterte Messunsicherheit
sr
cgem
cdot
n
16
U ≈ ±2 ⋅ u RW + u bias = ±2 ⋅ 4 s r
2
2
2
∑ (c
+
− c dot )
2
gem
n
Standardabweichung für die Konzentrationsmesswerte (ermittelt aus mindestens
5 Parallelanalysen)
Messwert der dotierten Konzentration
dotierte Konzentration
Anzahl der parallelen Wiederfindungsexperimente
Die Unsicherheitskomponenten der Dotierung (Einwaage, Volumenzugabe) können bei
sorgfältiger Arbeitsweise vernachlässigt werden.
Zur Vermeidung überhöhter Ergebnisse für die erweiterte Messunsicherheit sollten Ausreißerwerte der Mehrfachbestimmungen vor der Berechnung der Messunsicherheit entfernt
werden.
Beispiel – Abschätzung aus der Ermittlung der Wiederfindungsrate für die quantitative
Iodbestimmung in einer gefriergetrockneten Milchprobe mit TMAH-Extraktion nach § 64
LFGB, L 49.00-6 (9/1998) und Messung mit ICP-MS (ELAN DRCe, Perkin Elmer) (Fechner,
2007)
Proben-Nr.
1
2
3
4
5
sr
4sr2
3(cgem - cdot)2
c1 [μg/l]
25,07
25,15
24,58
24,99
24,68
0,25
0,25
c2 [μg/l]
43,44
44,18
44,81
44,18
44,01
cdot [μg/l]
20,00
20,00
20,00
20,00
20,00
c1 Konzentrationsmesswert der undotierten Probe
c2 Konzentrationsmesswert der dotierten Probe
15
cgem [μg/l]
cgem - cdot [μg/l]
18,37
-1,63
19,03
-0,97
20,23
0,23
19,19
-0,81
19,33
-0,67
4,80
cdot dotierte Konzentration
cgem gemessene Konzentration
Wegen der teilweise sehr niedrigen Höchstmengen (Grenzwerte) wird bei Validierungen im Bereich der
organischen Rückstandsanalytik häufig die Höchstmenge als niedrigste zu validierende Zielkonzentration
(untere Grenze des Anwendungsbereiches bzw. “Bestimmungsgrenze”) angesetzt. Die Ermittlung der Messunsicherheit erfolgt dann anhand der Mehrfachbestimmung der Wiederfindungsraten im Bereich der
Höchstmenge (“Bestimmungsgrenze”) und der 10fachen Konzentration (Hänel et al., 1998).
16
Der Faktor 4 für sr2 ist ein pragmatischer Wert und unterstellt, dass die laborinterne Streuung von Mehrfachbestimmungen unter idealen Wiederholbedingungen (identisch: Methode, Testmaterial, Gerät, Kalibration,
Mitarbeiter, kurzer Bearbeitungszeitraum) etwa halb so groß ist wie die Streuung zwischen Labors (VDLUFA,
2006). Damit werden unter Vergleichsbedingungen zusätzlich auftretende zufällige Fehlerkomponenten
näherungsweise berücksichtigt.
12
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10. Juni 2008
U ≈ ± 2 ⋅ u RW + u bias = ±2 ⋅ 4 ⋅ 0, 25 2 +
2
U . 2,2 μg/l
2
4,80
µg / l
5
Urel . 9 %
Für die Ermittlung der erweiterten Messunsicherheit in Bezug auf die Originalproben muss
dann noch die Umrechnung unter Einbeziehung des Einwaage/Volumenverhältnisses beim
TMAH-Aufschluss und des Gefriertrocknungsfaktors erfolgen.
Bei Abschätzung der Messunsicherheit aus Wiederfindungsexperimenten über einen langen
Zeitraum unter Routinebedingungen, z.B. aus Wiederfindungskontrollkarten nähert man sich
wiederum den Vergleichsbedingungen an (siehe 4.4.4). Der zusätzliche Faktor 2 (Faktor 4 für
sr2) kann dann in der Schätzgleichung für die erweiterte Messunsicherheit entfallen.
Erweiterte Messunsicherheit U ≈ ±2 ⋅ u RW + u bias = ±2 ⋅ s r
2
2
2
∑ (c
+
− c dot )
2
gem
n
Wird die im Rahmen der Validierung bzw. Validierungsüberprüfung ermittelte Wiederfindungsrate auf dem Prüfbericht explizit angegeben, ist damit der systematische Anteil der
Messunsicherheit ubias benannt. Die Messunsicherheit kann dann auf den Anteil des zufälligen
Fehlers uRw reduziert werden17.
Beispiel – Abschätzung aus Wiederfindungsexperimenten für die Rückstandsanalytik des
Wirkstoffes pp-DDT in Pflanzen mit Dotierungskonzentrationen in Höhe der aus der Höchstmenge gemäß RHmVo (3 o,p’DDT, p,p’DDT, p,pDDD, p,p’DDE für „andere Lebensmittel“ =
0,05 mg/kg) abgeschätzten, notwendigen Bestimmungsgrenze BG sowie 10x BG, über einen
Zeitraum von drei Monaten im Routinebetrieb, L 00.00-34, 11/1999, § 64 LFGB (Hesse, 2008)
Proben-Nr.
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
MW
sr
cdot [μg/kg]
2,00
2,00
2,00
2,00
2,00
2,00
2,00
2,00
2,00
2,00
cgem [μg/kg]
1,69
1,42
1,80
1,45
1,52
1,63
1,36
1,45
1,56
1,38
1,53
0,144
U ≈ ±2 ⋅ u RW + u bias = ±2 ⋅ ( 0,144 ) 2 +
2
U . 1,03 μg/kg
2
cgem - cdot [μg/kg]
-0,31
-0,58
-0,20
-0,55
-0,48
-0,37
-0,64
-0,55
-0,44
-0,62
(cgem - cdot)2
0,096
0,336
0,040
0,302
0,230
0,137
0,410
0,302
0,194
0,384
3 = 2,431
WFR [%]
84,5
71,0
90,0
72,5
76,0
81,5
68,0
72,5
78,0
69,0
76,3
2, 431
µg / kg = ±2 ⋅ 0,021 + 0,243 µg / kg
10
Urel . 67,2 %
17
Bei expliziter Anwendung der Wiederfindungsrate zur Berechnung eines korrigierten Analysenwertes muss die
Messunsicherheit der Wiederfindungsrate u(R) bei der Ermittlung der Gesamtmessunsicherheit des korrigierten
Analysenwertes ukorr zusätzlich berücksichtigt werden u korr =
13
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u (c) 2 + u (WFR) 2 (IUPAC, 1999).
10. Juni 2008
Proben-Nr.
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
MW
sr
cdot [mg/kg]
20,0
20,0
20,0
20,0
20,0
20,0
20,0
20,0
20,0
20,0
cgem [mg/kg] cgem - cdot [mg/kg]
17,7
-2,3
17,2
-2,8
16,4
-3,6
15,4
-4,6
15,4
-4,6
15,8
-4,2
13,7
-6,3
12,2
-7,8
14,2
-5,8
14,7
-5,3
15,3
1,65
U ≈ ±2 ⋅ u RW + u bias = ±2 ⋅ (1,65 ) 2 +
2
U . 10,5 μg/kg
2
Urel . 68,6 %
(cgem - cdot)2
5,29
7,84
12,96
21,16
21,16
17,64
39,69
60,84
33,64
28,09
3 = 248,31
WFR [%]
88,5
86,0
82,0
77,0
77,0
79,0
68,5
61,0
71,0
73,5
76,4
8,26
248 ,31
µg / kg = ± 2 ⋅ 2,72 + 24 ,83 µg / kg
10
Bei expliziter Angabe der Wiederfindungsrate auf dem Prüfbericht oder Korrektur des Ergebnisses hinsichtlich der Wiederfindung:
cdot = 2,0 μg/kg
cdot = 20 μg/kg
WFR = 76,3 %
WFR = 76,4 %
U ≈ ±2 ⋅ s r = ±2 ⋅ 0,144 µg / kg
U ≈ ± 2 ⋅ s r = ± 2 ⋅ 1,65 µg / kg
U . 0,288 μg/kg
U . 3,30 μg/kg
Urel . 18,8 %
Urel . 21,6 %
Die mittlere Wiederfindungsrate WFR beträgt 76,4 %.
Die relative erweiterte Messunsicherheit Urel beträgt 22 % (ohne systematischen Fehleranteil).
Beispiel – Abschätzung aus der Streuung der Analysenwerte bei der Ermittlung der Wiederfindungsrate für die quantitative Bestimmung von Monensin-Natrium in Futtermitteln (Deklarationskontrolle) bei expliziter Angabe der Wiederfindungsrate; Extraktion: Methanol/Wasser,
Messung mit LC-MS-MS (Bähr, 2008)
Proben-Nr.
cgem(Dotierung von 60 mg/kg)
cgem (Dotierung von 125 mg/kg)
Massenübergang
Massenübergang
MW
MW
688/635
688/461
688/635
688/461
mg/kg
1
64,1
63,6
63,9
126
128
127
2
59,0
59,7
59,4
133
136
134,5
3
60,6
59,8
60,2
137
136
136,5
4
62,8
62,6
62,7
120
120
120
5
56,9
56,0
56,5
118
119
118,5
6
130
129
129,5
MW
60,1
127,4
sr
2,78
6,75
Urel . 4vr
18,5 %
21,2 %
Die mittlere Wiederfindungsrate WFR beträgt 101 %.
Die relative erweiterte Messunsicherheit Urel beträgt 22 % (ohne systematischen Fehleranteil).
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14
10. Juni 2008
4.4.6 Abschätzung durch Plausibilitätsbetrachtungen
Stehen keine Daten aus Ringversuchen und laborinternen Mittelwertkontrollkarten zur
Verfügung und ist eine Abschätzung aus laborinternen Wiederfindungsexperimenten nicht
möglich bzw. nicht sinnvoll, können die Messunsicherheiten von vergleichbaren Analysenparametern (z. B. Wirkstoffen, Wirkstoffgruppen) übernommen werden (EURACHEM, 2004).
Voraussetzung ist die Übertragbarkeit der analytischen Bedingungen (ähnliches Analysenverfahren, gleichwertige Gerätetechnik). Die Übertragbarkeit ist in einer fachlichen Stellungnahme zu begründen.
4.4.7 Abschätzung mit Hilfe der empirischen Horwitzfunktion
Für eine schnelle, grobe Abschätzung der Messunsicherheit kann die empirisch abgeleitete
Horwitzgleichung verwendet werden (IUPAC, 2002). Diese Vorgehensweise sollte jedoch nur
in Ausnahmefällen Anwendung finden und ist zu begründen. Die resultierende Schätzung
sollte nach Möglichkeit mit eigenen Ergebnissen verifiziert werden.
Schätzgleichung für die erweiterte Messunsicherheit:
U = 2 ⋅ u = 2 ⋅ 0,02 ⋅ xm
bzw.
0 ,8495
U rel = 2 ⋅ urel = 2 ⋅ 2 ⋅ xm
= 0,04 ⋅ xm
−0 ,15
= 4 ⋅ xm
0 ,8495
−0 ,15
4.5 Selektivität/Spezifität und Robustheit
Selektivität ist die Fähigkeit einer Analysenmethode, verschiedene, nebeneinander zu bestimmende Komponenten ohne gegenseitige Störung zu erfassen und sie somit eindeutig zu
identifizieren (Kromidas, 2000).
Spezifität ist die Fähigkeit einer Methode, eine Substanz oder eine Substanzgruppe ohne
Verfälschung durch andere in der Probe vorhandene Komponenten zu erfassen und sie somit
eindeutig zu identifizieren (Kromidas, 2000).
Die Notwendigkeit einer separaten Prüfung der Selektivität/Spezifität einer Analysenmethode
ist durch den Analytiker mit Hilfe seines Fachwissens sowie anhand von Literaturangaben
einzuschätzen.
Liegen Zweifel an der Selektivität/Spezifität vor, gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten der
Überprüfung. Entweder wird das zu validierende Trenn- oder Detektionsverfahren mit einem
Verfahren höheren Informationsgehaltes (z. B. GC-MS-MS statt GC-MS oder GC-MS statt GCFID) verglichen, oder potenziell störende Matrixbestandteile werden addiert und deren
Auswirkung auf das Messsignal beobachtet (z. B. Addition potentiell störender Ionen zur
Prüfung der Querempfindlichkeit ionenselektiver Elektroden) (MSDA, 2004).
Robustheit ist die Fähigkeit einer Analysenmethode, gleich bleibende Resultate unter variierenden Bedingungen zu liefern.
Im Rahmen der Validierung einer Hausmethode oder der Erweiterung des Anwendungsbereiches eines genormten Analysenverfahrens sind Überlegungen zur Robustheit der Methode
anzustellen. Dabei sind kritische Einflussfaktoren der Probenlagerung, Probenvorbereitung,
Aufbereitung und Messung zu hinterfragen (MSDA, 2004). Sind Zweifel oder Anhaltspunkte
(z. B. Trends oder Abweichungen in Regelkarten) vorhanden, dass eine Methode hinsichtlich
ausgewählter Einflussfaktoren (Probenmatrix, Stabilität von Reagenzien, Proben und Standards, Geräte- oder Umgebungsbedingungen) instabil ist, sind die Ursachen aufzuklären und
einschränkende Maßnahmen in die SOP aufzunehmen.
4.6 Richtigkeit
Der Nachweis der Richtigkeit kann über die Vergleichsanalyse von zertifizierten Referenzmaterialien (ggf. auch Ringversuchsmaterialien) über die Vergleichsmessung mit einer validierten
Referenzmethode oder durch die Bestimmung der Wiederfindungsrate erfolgen.
Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft
15
10. Juni 2008
4.6.1 Zertifiziertes Referenzmaterial
Die beste Möglichkeit des Nachweises der Richtigkeit einer Analysenmethode besteht in der
Durchführung von Vergleichsanalysen mit zertifiziertem Referenzmaterial. In die Vergleichsanalysen sollten nach Möglichkeit zertifizierte Referenzproben für alle relevanten Probenmatrices
einbezogen werden. Mangels geeigneter zertifizierter Referenzmaterialien können auch Standards
(mit Herstellerzertifikat)18 oder gut charakterisierte Ringversuchsproben19 eingesetzt werden.
4.6.2 Referenzverfahren
Steht kein zertifiziertes Referenzmaterial und kein ausreichend gut charakterisiertes Ringversuchsmaterial zur Verfügung, kann der Nachweis der Richtigkeit mit einer validierten Zweitmethode (Referenzmethode) erfolgen. Das Analysenverfahren der Referenzmethode muss
sich dabei von der zu validierenden Methode unterscheiden.20
Die Durchführung erfolgt durch Vergleichsmessungen an mindestens 6 bis 10 ausgewählten
typischen Proben, deren Analytkonzentrationen einen möglichst großen Konzentrationsbereich abdecken (MSDA, 2004).
4.6.3 Wiederfindungsrate
Stehen weder zertifizierte Referenzmaterialien noch ein validiertes Referenzverfahren zur
Verfügung, ist zum Nachweis der Richtigkeit der Methode für alle relevanten Untersuchungsmatrixgruppen einmalig eine Bestimmung der Wiederfindungsrate für mindestens zwei
unterschiedliche Konzentrationen des dotierten Analyten in mindestens fünffacher Wiederholung erforderlich.
Die Dotierung muss zum frühestmöglichen Zeitpunkt (Analysenschritt) im Ablauf des Gesamtanalysenverfahrens erfolgen.21
Wiederfindungsrate:
5
WFR [% ] =
c gem (Pr obe dotiert ) − c gem (Pr obe undotiert )
c dot
⋅ 100 %
Dokumentation
In der SOP müssen folgende Validierungsdaten dokumentiert sein:
• Arbeitsbereich,
• Ergebnis der Überprüfung der Linearität,
• Nachweis- und Bestimmungsgrenze (inkl. Benennung der Berechnungsmethode),
• Messunsicherheit (inkl. Benennung der Berechnungsmethode),
• Ergebnisse des Nachweises der Richtigkeit (inkl. Erläuterung der Berechnungsmethode),
• Aussage zur Selektivität/Spezifität der Methode, ggf. Ergebnisse der Überprüfung, 22
• Aussage zur Robustheit der Methode, ggf. Ergebnisse der Überprüfung.22
In den Validierungsunterlagen bzw. im Validierungsbericht22 müssen folgende Validierungsdaten dokumentiert sein:
• Analytische Zielstellung bzw. geforderte Leistungsparameter,22
• Originalmessdaten und Berechnungen der Überprüfung der Linearität des Arbeitsbereiches,
18
Der Einsatz von zertifizierten, synthetischen Standards zur Überprüfung der Richtigkeit erfordert zwingend die
zusätzliche Durchführung von Wiederfindungsexperimenten zum Nachweis der Robustheit (Matrixunabhängigkeit) der Methode.
19
Die Teilnehmerzahl am Ringversuch sollte möglichst groß (Mindestzahl 8) sein. Die aus den Daten des
Ringversuchs ermittelte Vergleichsstandardabweichung muss der analytischen Aufgabenstellung und dem
aktuellen Stand der Analytik angepasst (nicht zu groß) sein.
20
Unterscheidet sich lediglich das Messprinzip der Referenzmethode von der zu validierenden Methode ist nur
der Nachweis der Richtigkeit des Messschrittes möglich.
21
Eine Dotierung der Aufschluss- bzw. Messextraktlösung überprüft lediglich die Richtigkeit der Messung und
ist für den Nachweis der Richtigkeit des Gesamtanalysenverfahrens nicht ausreichend.
22
nur bei Hausmethode oder Anwendungsbereichserweiterung eines Normverfahrens
16
Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft
10. Juni 2008
• Originalmessdaten und Berechnungen zur Ermittlung der Nachweis- und Bestimmungsgrenze,
• Originalmessdaten und Berechnungen zur Ermittlung der erweiterten Messunsicherheit für
unterschiedliche Matrixgruppen (ggf. einschließlich Kopie der Mittelwertkontrollkarte),
• Originalmessdaten und Berechnungen zum Nachweis der Richtigkeit,
• Originalmessdaten und Berechnungen zur Überprüfung der Selektivität/Spezifität und/oder
Robustheit (wenn erforderlich),
• Formelle Erklärung, dass die Methode die Anforderungen der Zielstellung bzw. anlytischen
Aufgabenstellung erfüllt,22
• Formelle Erklärung, dass die Konformität mit dem Normverfahren nachgewiesen wurde.23
Bei Hausverfahren bzw. der Erweiterung des Anwendungsbereiches normierter Verfahren ist
die Dokumentation in Form eines Validierungsberichts mit Unterschrift notwendig.
6
Begriffsbestimmungen
Der Arbeitsbereich (engl. range) ist das durch die Kalibrierung festgelegte Intervall zwischen
niedrigster und höchster Massen- bzw. Stoffmengenkonzentration für das die Kalibrierfunktion uneingeschränkte Gültigkeit besitzt24.
α Rate falsch positiver Ergebnisse (Irrtumswahrscheinlichkeit für Fehler 1. Art). In der Regel
wird α = 0,01 (1 %) oder α = 0,05 (5 %) gewählt.
β Rate falsch negativer Ergebnisse (Irrtumswahrscheinlichkeit für Fehler 2. Art). In der Regel
wird β = 0,01 (1 %) oder β = 0,05 (5 %) gewählt.
Die Leerprobe (Leerwert = Messwert der Leerprobe) ist unter Idealbedingungen eine Probe,
welche den nachzuweisenden oder den zu bestimmenden Analyten nicht enthält, sonst aber
mit der Analysenprobe übereinstimmt. Unter Realbedingungen kann eine Probe verwendet
werden, welche den Analyten nicht oder nur in einer sehr geringen Konzentration enthält und
in ihrer Matrixzusammensetzung den Untersuchungsproben möglichst nahe kommt (matrixangepasste Aufschluss- oder Extraktionsblindwertprobe25).
HORRATR
Der HORRATR-Koeffizient ist ein aus der empirischen Horwitzfunktion abgeleiteter Koeffizient, mit dessen Hilfe eine Abschätzung der Güte der Vergleichspräzision
zwischen unterschiedlichen Laboratorien erfolgen kann.
HORRATR = vR/vR,Soll
Der HORRATr-Koeffizient ist ein aus der empirischen Horwitzfunktion abgeleiHORRATr
teter Koeffizient, mit dessen Hilfe eine Abschätzung der Güte der Wiederholpräzision
in einem Labor erfolgen kann.
HORRATr = vr/vR,Soll
mit der Annahme: ½vR ≤ vr ≤ ⅔vR
u
Messunsicherheit26 (engl.: uncertainty of measurement) eines quantitativen Analysenergebnisses unter Berücksichtigung des gesamten Analysengangs (ohne Probenahme).
23
nur bei Überprüfung der Erreichung der Kenndaten eines Normverfahrens
Im Falle einer linearen Kalibrierfunktion kann der Arbeitsbereich in der Regel nach unten bis zur Bestimmungsgrenze ausgedehnt werden.
Die Matrixanpassung kann im einfachsten Fall lediglich unter Verwendung der Aufschluss- oder Extraktionsmittel durchgeführt werden (Aufschluss- bzw. Extraktionsblindwertlösung).
Geeigneter wäre eigentlich der Begriff „Ergebnisunsicherheit“, da sich die Betrachtung auf die Gesamtheit der
24
25
26
Fehler des gesamten Analysenganges und nicht nur auf den Fehler der Messung bezieht.
Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft
17
10. Juni 2008
urel
Relative Messunsicherheit eines quantitativen Analysenergebnisses unter Berücksichtigung des gesamten Analysengangs (ohne Probenahme). Es gilt: urel [%]
= uabs/Analysenwert · 100 %.
U
Erweiterte Messunsicherheit (engl.: expanded uncertainty of measurement) eines
quantitativen Analysenergebnisses (P = 0,95) unter Berücksichtigung des gesamten Analysengangs (ohne Probenahme) nach dem „Guide to the Expression of Uncertainty in
Measurement“ (GUM, 1993/1995).
Es gilt: U = 2 · u.
U rel Relative Erweiterte Messunsicherheit eines quantitativen Analysenergebnisses (P = 0,95)
unter Berücksichtigung des gesamten Analysengangs (ohne Probenahme) nach dem
„Guide to the Expression of Uncertainty in Measurement“ (GUM, 1993/1995).
Es gilt: Urel [%] = U/Analysenwert · 100 %.
Unter analytischer Richtigkeit (engl.: trueness) versteht man das Ausmaß der Annäherung zwischen Analysenwert und einem anerkannten (zertifizierten) Referenzwert.
Stehen keine zertifizierten Referenzmaterialien zur Verfügung, kann als „anerkannter“
Referenzwert auch der Mittelwert einer Ringanalyse oder der zertifizierte Sollwert eines
synthetischen Standards zur Überprüfung der Richtigkeit verwendet werden.
Robustheit (engl.: ruggedness, robustness) bezeichnet die relative Unempfindlichkeit
eines Analysenverfahrens gegenüber Änderungen der analytischen Randbedingungen (z. B. Raumtemperatur, Luftfeuchtigkeit, Mahlfeinheit d. Probe u. a. m.).
Selektivität (engl.: selectivity) ist die Fähigkeit einer Methode, verschiedene, nebeneinander zu bestimmende Komponenten ohne gegenseitige Störung zu erfassen und
sie somit eindeutig zu identifizieren.
Spezifität (engl. specifity) ist die Fähigkeit einer Methode, eine Substanz oder eine
Substanzklasse ohne Verfälschung durch andere in der Probe vorhandene Komponenten zu erfassen und sie somit eindeutig zu identifizieren.
sr
Die Wiederholstandardabweichung (engl.: repeatability) ist ein Maß für die zufälligen
Messabweichungen (Streuung der Messwerte), die unter möglichst konstanten Bedingungen, d. h. in kurzen Zeitabständen mit einem Analysengerät im gleichen Labor vom
gleichen Mitarbeiter ausgeführt wurden.
sR
Die Vergleichsstandardabweichung (engl.: reproducibility) ist ein Maß für die Streuung
von Analysenergebnissen27, die unter weithin unterschiedlichen Bedingungen (Vergleichsbedingungen), d. h. von verschiedenen Bearbeitern in verschiedenen Labors mit
unterschiedlichen Geräteausrüstungen erzielt wurden.
sX0
Die Verfahrensstandardabweichung charakterisiert die Präzision der Kalibrierung.
∑ (y
sX 0 =
27
i
2
− yˆ i )
n−2
b
mit yˆ i = a + bx i
n Anzahl der Kalibrierpunkte
a Ordinatenabschnitt der Kalibriergeraden
b Anstieg der Kalibriergeraden
Da in Ringversuchen eine Trennung zwischen den zufälligen und systematischen Fehleranteilen eines
Teilnehmers nicht möglich ist, enthält die aus Ringversuchen ermittelte Vergleichsstandardabweichung häufig
auch Anteile systematischer Fehler.
18
Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft
10. Juni 2008
vr
Die relative Wiederholstandardabweichung bzw. der Wiederholvariationskoeffizient ist
der Quotient aus Wiederholstandardabweichung dividiert durch den Gesamtmittelwert
vr [%] = sr/MW · 100 %.
vR
Die relative Vergleichsstandardabweichung bzw. der Vergleichsvariationskoeffizient ist
der Quotient aus Vergleichsstandardabweichung dividiert durch den Gesamtmittelwert
vR [%] = sR/MW · 100 %.
vR,Soll Aus der empirischen Horwitzfunktion berechneter Soll-Vergleichsvariationskoeffizient
bzw. relative Soll-Vergleichsstandardabweichung (engl.: PRSDR = predicted relative
standard deviation)
v R ,Soll [% ] = 2 ⋅ xm
−0 ,15
WFR Wiederfindungsrate ist der Quotient aus der gemessenen und der dotierten bzw. durch
einen Referenzwert vorgegebenen Konzentration eines Analyten in einer dotierten Probe
bzw. zertifizierten Referenzprobe.
xNWG Die Nachweisgrenze NWG (engl.: limit of detection) ist der niedrigste Konzentrationsmesswert eines Analyten, der sich mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit von P = 1 " (meist P = 0,99 bzw. 0,95) vom Blindwert unterscheidet.28
xEG
Die Erfassungsgrenze EG ist der (kleinste) Gehalt einer gegebenen Probe, bei dem mit
einer Wahrscheinlichkeit von 1 - $ ein qualitativer Nachweiß erfolgreich (möglich) ist.29
Die Erfassungsgrenze ist doppelt so hoch wie die Nachweisgrenze xNWG.
xBG
Die Bestimmungsgrenze BG (engl.: limit of determination, limit of quantification) ist
diejenige Konzentration ab der ein Analyt mit einer vorgegebenen Präzision (Ergebnisunsicherheit) quantifiziert werden kann.30
xm
Massenanteil des Analyten [einheitslos], z.B.: 0,5 mg/kg = 5 · 10-7
28
29
30
Wurde ein Messwert in der Höhe von xNWG erhalten, ist der Analyt mit der statistischen Sicherheit von P = 1 - "
tatsächlich in der Probe enthalten. Für P = 99 % beträgt die Irrtumswahrscheinlichkeit " für eine falsch positive Entscheidung (Fehler 1. Art) 1 %. Andererseits wird bei Mehrfachmessungen einer Probe mit einer Analytkonzentration in Höhe der Nachweisgrenze xNWG in durchschnittlich der Hälfte der Fälle das Ergebnis „negativ“ also n. n. sein. Die Irrtumswahrscheinlichkeit $, d. h. die Wahrscheinlichkeit für eine falsch negative
Entscheidung (Fehler 2. Art) an der Nachweisgrenze beträgt 50 %.
Bei Mehrfachmessungen einer Probe mit einer Analytkonzentration in Höhe der Erfassungsgrenze xEG wird
der qualitative Nachweis mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von $ = 1 % (Fehler 2. Art), positiv ausfallen. Der
Messwert wird in 99 % der Fälle tatsächlich ≥ xNWG sein.
Die Ergebnisunsicherheit wird durch die Wahl des Faktors k mit
1 Δx BG
bestimmt. Für k = 2 bzw. k = 3
=
k
x BG
beträgt die relative Ergebnisunsicherheit 50 % bzw. 33 % (DIN 32645, 1994).
19
Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft
10. Juni 2008
7
Literatur
Anonym, 2004/ Definitions and Calculations of HORRAT Values from intralaboratory Data,
http://www.aoac.org/dietsupp6/Dietary-Supplement-web-site/HORRAT_SLV.pdf
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Anmerkung
Über Kommentare, Ergänzungs- oder Korrekturvorschläge würde sich der Autor sehr freuen.
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