Wie im Märchen

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Wie im Märchen
Musicals in Europa
Wie im Märchen
»My Fair Lady« auf der Walensee-Bühne in Walenstadt
»My Fair Lady«
Abb. oben:
Ball in der Botschaft (Ensemble)
Fotos: swiss-image.ch / Andy Mettler
My Fair Lady
Frederick Loewe / Alan Jay Lerner
Deutsch von Robert Gilbert
Schweizerdeut. Texte von Patrick Scott
TSW Musical AG
Walensee-Bühne Walenstadt
Premiere: 16. Juli 2014
Regie ........................... Stanislav Moša
Musikalische Leitung ..... Dan Kalousek
Choreographie ................ Igor Barberic
Bühnenbild ............. Christoph Weyers
Kostüme ................... Andrea Kučerová
Maskenbild ........... Sandra Wartenberg
Lichtgestaltung ............... Rüdiger Benz
Tongestaltung ................. Andreas Brüll
Eliza Doolittle ................. Eveline Suter
Prof. Higgins .......... Alexander Franzen
Oberst Pickering .... Christoph Wettstein
Freddy ................................ Patric Scott
Mrs Higgins ........... Sabina Schneebeli
Mrs Eynsford-Hill ....... Dorothée Reize
Alfred P. Doolittle .............. Urs Affolter
Mrs Pearce ............... Cécile Gschwind
Harry / Karpathy ..... Theodor Reichardt
Jamie .............................. Karel Škarka
Ensemble:
Christian Bindert, Stefanie Bruckner,
Sven Olaf Denkinger, Angela Hunkeler,
Samuel Tobias Klauser, Eva Kuperion
(Dance Captain), Stephan Luethy,
Laura Luppino, Judith von Orelli, Elena
Otten, Paulina Plucinski, Guido Rupf
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enn es ein Musical gibt, das wohl auf keinen
Fall eine Beschreibung als »Rarität« und »selten
gespielt« verdient, dann ist es »My Fair Lady« von Frederick Loewe und Alan Jay Lerner: Seit der deutschsprachigen Erstaufführung mit der – auch nach über fünfzig
Jahren noch immer hervorragenden – Übersetzung von
Robert Gilbert am Theater des Westens (1961) wird das
Stück im deutschsprachigen Raum rauf und runter gespielt, und so mancher Intendant scheint sich zu denken: »My Fair Lady? Das geht immer!« – und der Erfolg
beim Publikum gibt ihm in der Regel recht.
Bei über 50 deutschsprachigen Neuproduktionen in
den vergangenen drei Jahren besteht die Herausforderung dementsprechend nicht nur darin, eine passable
Inszenierung abzuliefern, sondern aus der Masse der
Produktionen aller Qualitätsstufen hervorzustechen.
Ganz hervorragend gelingt dies der Walensee-Bühne, die sich mit dem Broadway-Klassiker erstmals vom
Konzept der Schweizer Themen, das immerhin drei
Uraufführungen hervorbrachte, verabschiedet. Der erfahrene Regisseur Stanislav Moša vom Stadttheater im
Tschechischen Brno, welches auch weitere Leistungen
für diese Produktion lieferte und das Orchester stellt,
inszeniert die Geschichte des einfachen Blumenmädchens Eliza als klassisch schönes Märchen auf der großen Bühne am Seeufer, die eigens für diese Produktion
nach Plänen von Bühnenbildner Christoph Weyers
errichtet wurde.
Über die Handlung des Stücks muss wohl kaum
viel gesagt werden: Phonetik-Professor Henry Higgins
und Oberst Pickering schließen eine Wette ab, in der
Higgins behauptet, das einfache Blumenmädchen Eliza
Doolittle nur durch Umerziehung der Sprache pünktlich zum Botschaftsball in eine Lady verwandeln zu
können, um sie dort einzuführen, ohne dass jemand
ihre einfache Herkunft erkennt. Auch wenn der erste
Versuch, Eliza in Ascot der Gesellschaft vorzustellen,
scheitert, gewinnt Higgins die Wette, doch Eliza ist unglücklich mit dem Ergebnis und erkennt, dass nicht die
Sprache das Blumenmädchen von einer Herzogin unterscheidet, sondern wie sie von anderen behandelt wird.
Sie verbündet sich daher mit Higgins’ Mutter, die ihrem Sohn ordentlich die Leviten liest. Higgins erkennt,
dass er Eliza braucht und sie kehrt zu ihm zurück – was
danach passiert, bleibt offen. In weiteren Handlungssträngen kommt Elizas Vater durch Higgins’ Zutun unbeabsichtigt zu einem großen Vermögen und heiratet,
und Freddy Eynsford-Hill lernt in Ascot Eliza kennen,
verliebt sich und wirbt um sie.
Dass »My Fair Lady«, bedingt durch die streng vorgegebene Endzeit der Vorstellung, um dem Publikum
die Möglichkeit zur Weiterreise zu geben, deutlich gekürzt wurde, gibt dem Stück deutlich mehr Schwung
und Tempo, ohne dabei jedoch die Qualität des Werks
von Frederick Loewe und Alan Jay Lerner anzugreifen.
So gelingt es sogar, die in anderen Inszenierungen oft
vollständig ausgelassene Ballszene auf die Bühne zu
bringen. Der Fokus dieser gekürzten Fassung liegt ganz
klar erkennbar auf den vom Publikum erwarteten musikalischen Höhepunkten, was bei einem Stück wie »My
Fair Lady«, dessen Ohrwürmer, wie ›Ich hätt’ getanzt
heut’ nacht‹, ›Es grünt so grün‹, ›Bringt mi pünktli zum
Altor‹ (so der schweizerdeutsche Titel des Liedes) und
›Weil ich weiß, in der Straße wohnst du‹, wohl jeder
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kennt, keine schlechte Entscheidung ist. Dennoch wirkt
der zweite Akt nach all den herrlichen Melodien im ersten Teil etwas blass.
Regisseur Stanislav Moša scheut die Nähe zur Operette nicht, und seine Inszenierung zeigt deutliche Anzeichen von K.-u.-k.-Operettenkitsch im besten und
unterhaltsamsten Sinne, dabei setzt er mit gelungenen
Ideen ganz eigene Akzente in seiner Regiearbeit. Neben
dem Rollschuh-laufenden Freddy ist dies besonders gelungen, wenn Eliza in ›Wart’s nur ab‹ ihre Macht- und
Mordphantasie nicht nur singt, sondern diese auch dadurch dargestellt wird, dass sie Englands König wie eine
Marionette an unsichtbaren Fäden führt und schließlich
den gefesselten Henry Higgins von uniformierten Palastwachen erschießen lässt. Insgesamt ist Stanislav Mošas
Inszenierung eng am Text angelehnt und versucht nicht,
das Libretto von Alan J. Lerner in irgendeine Richtung
umzudeuten, stattdessen erzählt er die Geschichte deutlich fokussiert und als das Märchen, das in ihr steckt.
Anstelle der üblichen Mischung aus Hochdeutsch
und Berlinerisch wird – passend zum Aufführungsort –
in der Gosse in verschiedenen Dialekten des Schweizerdeutschen gesprochen und gesungen. Während
der hochdeutsche Teil fast vollständig der bekannten
Übersetzung von Robert Gilbert folgt, wurden die
Dialekt-Passagen von Patric Scott, der bereits seit der
Uraufführung von »Heidi« zum regelmäßigen Ensemble der Walensee-Bühne gehört und in diesem Jahr als
Freddy zu sehen ist, neu übersetzt. Seine neuen Texte
orientieren sich an dem bekannten berlinerischen Text
und bieten somit einen hohen Wiedererkennungswert.
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Gleichzeitig fügen sie sich harmonisch in die Musik ein
und sind laut einigen hierzu befragten Schweizern im
Premierenpublikum auch sprachlich gelungen.
Eveline Suter überzeugt in der Rolle des Blumenmädchens Eliza sowohl als »Mädchen aus der Gosse« als
auch in Gestalt der nach der erfolgreichen Verwandlung
formvollendeten Lady. Ihr glaubwürdiges Schauspiel
und der hervorragende Gesang machen die Schweizerin
zur absoluten Traumbesetzung für diese Rolle.
Auch in allen anderen Rollen ist dem Kreativteam
eine herausragende Besetzung mit in Walenstadt bekannten und neuen Gesichtern gelungen, mit welcher
der oft gesehene Klassiker viel Vergnügen bereitet:
Alexander Franzen als Henry Higgins zeigt vom arroganten Professor über den superstrengen Sprachlehrer, bis zum verzogenen Sohn, was alles in dieser Rolle
steckt. Dabei springt er über Tische und Stühle, und
nicht einmal das in seinem letzten Song nach einem
Mikrofonausfall hereingereichte Handmikrofon, gegen
Ende der Premiere, kann ihn aus seiner Rolle bringen.
Walensee-Bühnen-Urgestein Christoph Wettstein
spielt Oberst Pickering als echten britischen Gentleman
– eine Rolle, die man ihm sofort abnimmt.
Eine besondere Herausforderung hat Moša für Patric Scott als Freddy parat: Die meiste Zeit schwebt er
als verliebter Jüngling auf Rollschuhen über die Bühne, wobei er sich während ›Weil ich weiß, in der Straße
wohnst du‹ dreht, rückwärts fährt und über Treppen
steigt, als gäbe es nichts Natürlicheres für ihn.
Ganz auf sein herausragendes komödiantisches Talent verlassen kann sich Urs Affolter als »originellster
»My Fair Lady«
Abb. oben:
Eveline Suter als Blumenmädchen Eliza
Abb. unten von oben links:
1. ›Ich hätt‘ getanzt heut Nacht‹
2. ›Wäri das nid wunderschö?‹
3. Eliza (Eveline Suter, l.) und Mrs
Higgins (Sabina Schneebeli, r.) beim
Pferderennen in Ascot
4. Eliza (Eveline Suter, l.) ist von Higgins‘
(Alexander Franzen, r.) Sprachübungen
erschöpft
5. Beim »H« soll sich die Flamme bewegen – Eliza (Eveline Suter, l.), Oberst
Pickering (Christoph Wettstein, Mitte) und
Prof. Higgins (Alexander Franzen, r.)
Fotos (6): swiss-image.ch / Andy Mettler
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Musicals in Europa
»My Fair Lady«
Abb. oben von oben links:
1. Eliza (Eveline Suter, l. ) erhält Unterstützung von Mrs Higgins (Sabina
Schneebeli, Mitte) gegen ihren »missratenen« Sohn (Alexander Franzen, r.)
2. Freddy (Patric Scott) wartet vor der
Haustür von Prof. Higgins auf Eliza
3. Eliza (Eveline Suter) wird auf dem Ball
in der Botschaft eingeführt
4. »Wo sind meine Pantoffeln?« –
Higgins (Alexander Franzen, l.) und
Eliza (Eveline Suter, r.)
5. ›Bringt mi pünktli zum Altor‹
Abb. unten:
Eliza (Eveline Suter) im »Prinzessinenkleid« auf dem Ball in der Botschaft
Fotos (6): swiss-image.ch / Andy Mettler
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Moralist Englands«, Alfred P. Doolittle, der sich nur äußerlich in einen Gentleman verwandelt, dabei aber ganz
der Alte bleibt.
Nur sparsam aber umso gezielter eingesetzt sind in
dieser Produktion die Choreographien von Igor Barberic, die natürlich in Ensemblenummern, wie ›Heut’
feier’ ich Hochzeit‹ zum Tragen kommen. Neu und sehr
gelungen ist jedoch eine aufwendige Spiegelchoreographie in ›Ich hätt’ getanzt heut’ Nacht‹, bei der Mitglieder des Ensembles große Spiegel, hinter denen sie selbst
verborgen sind, auf Rollen über die Bühne schieben und
Eliza damit in einen Spiegelsaal versetzen, der sich um
sie herum ständig neu arrangiert.
Besonderes Highlight der Walensee-Bühne ist auch
in diesem Jahr das Bühnenbild von Christoph Weyers,
welches erneut von fast allen Plätzen einen Blick auf den
Walensee bietet. Nachdem vor zwei Jahren bei »Tell«
Holz das Bild dominierte, besteht das Bühnenbild von
»My Fair Lady« nun in einer als Stahlskelett ausgeführten, nicht ganz geographisch akkuraten Skyline von
London mit St. Paul’s Cathedral, Palace of Westminster inkl. Elizabeth Tower und Nelson’s Column sowie
selbstverständlich der Tower Bridge. Unter Letzterer befindet sich ein Lücke zwischen den beiden monumentalen Freitreppen links und rechts der Hauptspielfläche,
sodass, zumindest für den mittig sitzenden Zuschauer,
der Blick auf den Walensee frei ist, welcher somit zur
Themse wird. Dies alles bildet den Rahmen für die eigentliche Hauptspielfläche, die als große Drehbühne
ausgeführt ist, auf der ein variabel genutztes Bauwerk
auf eckigen Stahlrohren steht, das im Zusammenspiel
mit beweglichen Elementen und wenigen Requisiten
alle Orte der Handlung abbildet. Erst im zweiten Akt,
als die Sonne langsam untergegangen ist, zeigt sich mit
der stimmungsvollen Beleuchtung (Lichtgestaltung:
Rüdiger Benz) das volle Potenzial der variablen Bühne
mit den zum Großteil transparenten Elementen.
Andrea Kučerová setzt für diese Produktion von »My
Fair Lady« auf ein klassisch-konservatives Kostümbild:
Klassisch-britische Anzüge sowie Kleidung in Schwarz
und Braun dominieren das Bild, doch beim üblicherweise ganz in Weiß dargestellten Pferderennen in Ascot und auf dem Botschaftsball wird das Bild bunt mit
farbenprächtigen Kostümen. Das Kostüm-Highlight
der Produktion ist Elizas Kleid für den Ball, denn dieses
wäre durchaus einer Evita oder Kaiserin Elisabeth würdig und verdeutlicht die Verwandlung zur »Prinzessin«
auch optisch.
Das 14-köpfige Orchester der Produktion unter Leitung von Dan Kalousek kommt, genau wie Regisseur,
Kostümbildner und Choreograph, vom Stadttheater
Brno in Tschechien, wo das Musical bereits seit Mitte der
1990er Jahre dauerhaft mit großem Erfolg auf dem Spielplan steht und dessen Produktion auch die Grundlage
für mehrere Tourneen durch Deutschland bildete. Entsprechend routiniert und gekonnt spielen die Musiker –
beim Schlussapplaus dann auch ohne Dirigenten, da
dieser auf der Bühne steht.
Die Inszenierung von Stanislav Moša zeigt eindrücklich: Man muss »My Fair Lady« nicht neu erfinden, um
ein mehr als sehenswertes Stück auf die Bühne zu bringen – viel wichtiger ist es, sich nicht einfach auf den
bekannten Titel zu verlassen, sondern die märchenhafte
Geschichte als solche zu behandeln und die Stärken des
Stücks deutlich herauszustellen. Auch 2014 zeigt die
Walensee-Bühne so eine gelungene Inszenierung mit
überregionaler Strahlkraft, was aber schon in der Vergangenheit kein Erfolgsgarant für das zuletzt finanziell
angeschlagene Unternehmen war. So bleibt zu hoffen,
dass diese mehr als gelungene »My Fair Lady« die erhofften 50.000 Besucher an den Walensee zieht und es auch
2016 eine neue Produktion geben wird.
Michel Honold
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Musicals in Europa
Eingesperrt in Traditionen
»The King and I« am Théâtre du Châtelet in Paris
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951 feierte »The King and I« am Broadway Premiere. Erst 2013 interessierte sich Frankreich für den
Klassiker von Rodgers & Hammerstein II, der seine Premiere in Lyon feierte. Das Théâtre du Châtelet in Paris
produzierte das Musical nun in Englisch (mit französischen Übertiteln), und Haus-Regisseur Lee Blakeley hat
es in klassischem Glanz inszeniert.
Das Stück basiert auf dem Roman »Anna and the
King of Siam«, den Margaret Landon 1944 nach den
Memoiren von Anna Leonowens schrieb, die von 1861–
1867 die Kinder von König Mongkut von Siam (heute
Thailand) unterrichtete. Vor einem riesigen Segel machen sich Anna (Susan Graham) und ihr Sohn Louis
(James Clack) während der Schiffsreise nach Bangkok
Gedanken, was sie am Hof des Königs von Siam (Lambert Wilson) erwartet. Bei ihrer Ankunft erweist dieser
sich als ein Mann, der seine Versprechen, wie das eines
eigenen Hauses, ignoriert. Da Anna eine selbstsichere
Frau ist, kommt es zu Diskussionen mit dem Herrscher,
bei denen er sie immer wieder daran erinnert, dass sie
sich seinen Befehlen zu fügen hat, auch wenn sie keine
Siamesin ist. Anna freundet sich mit den vielen Kindern
des Königs an, wie auch mit dessen Lieblingsfrau Lady
Thiang (Lisa Milne) und seiner Konkubine Tup Tim (Je
Ni Kim), die er als Geschenk vom benachbarten König
von Birma erhielt. Nach und nach wird spürbar, dass
sich der König in Anna verliebt, aber da er zu stark mit
seinen Traditionen verwachsen ist, gelingt es ihm nicht,
über seinen Schatten zu springen. Doch Anna soll ihm
helfen, den britischen Diplomaten Sir Ramsay (Robert
Dauney) von der Weltoffenheit Siams zu überzeugen
und dass der Königs alles andere als ein Barbar ist.
Dagegen steht sein Verhalten, als er erfährt, dass Tup
Tim heimlich Lun Tha (Damian Thantrey) liebt und
vorhatte, mit ihm zu fliehen. Um sein Gesicht nicht zu
verlieren, lässt er sie hinrichten. Anna erträgt dieses barbarische Verhalten nicht und bricht jede Verbindung zu
ihm ab. Erst als der Herrscher auf dem Sterbebett liegt,
kehrt sie zu ihm zurück.
Die Ausstattung der Produktion ist sehr einfach gehalten. So ziert den Thronsaal lediglich ein hohes, goldfarbenes Podest, von dem der König auf seine Untertanen herabschaut. Im Schulsaal hängt nur eine riesige
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Weltkarte. Seitliche und von der Decke eingefahrene
Wände reduzieren häufig die Spielfläche, sodass sich der
Blick auf einen oder zwei Darsteller fokussieren kann.
Der Hauptvorhang wird ebenfalls am Ende vieler Szenen
heruntergelassen, wodurch dahinter ungehindert umgebaut werden kann, während sich der Übergang zur
nächsten Szene ohne Pause vor dem Vorhang abspielt.
Die farbigen Kostüme sind der Zeit angepasst. Unter
den Choreographien von Peggy Hickey ist insbesondere
das Ballett zu ›The Small House of Uncle Thomas‹ mit
zahlreichen Einfällen beeindruckend geglückt.
Die Rolle des Königs spielt der französische Schauspieler Lambert Wilson. Im Châtelet war er bereits in
»Candide« und »A Little Night Music« zu sehen. Barfuß
und mit weiß gefärbten Haaren kann er schauspielerisch voll überzeugen und verleiht mit seinem asiatisch
gefärbten Akzent der Rolle mehrmals eine humorvolle
Note. Doch er kann auch anders, wie in der Szene, in
der er Tup Tim auspeitschen will. Zuerst ist er wutentbrannt, dann zögert er, weil ihm Annas Belehrungen in
den Sinn kommen. Auch wenn seine gesanglichen Einsätze eher Sprechgesang gleich kommen, zeigt er, dass er
singen kann.
Die zum Ensemble des Châtelets gehörende Susan
Graham strahlt als Lehrerin, die genau weiß, was sie
will, viel Selbstbewusstsein aus. Sie wickelt mit Diplomatie und Charme den König um ihren Finger. Herausragend sind zudem Je Ni Kim und Lisa Milne wie auch
alle Kinder, die mit viel Begeisterung spielen.
Die unsterblichen Melodien von Rodgers & Hammerstein II, wie u. a. ›I Whistle a Happy Tune‹, ›Hello
Young Lovers‹, ›Getting to Know You‹, ›We Kiss in the
Shadow‹ und ›I Have Dreamed‹, haben auch nach über
60 Jahren nicht an Kraft verloren.
Das Stück ist noch heute ein starkes Plädoyer für
Toleranz und beschreibt die packende Beziehung einer
emanzipierten Frau zu einem Mann, der in den Landestraditionen verhaftet ist und sich keine Blöße geben will,
auch wenn er zugleich versucht, einen Schritt in eine
neue Ära zu machen. Somit ist »The King and I« eine
weitere geglückte Produktion des Théâtre du Châtelet.
Christian Spielmann
»The King and I«
Abb. von oben links:
1. Anna (Susan Graham) streitet mit
dem König (Lambert Wilson) über
die Erziehung seiner Kinder
2. Tuptim (Je Ni Kim) trifft heimlich
Lun Tha (Damian Thantrey)
Fotos (2): Marie-Noëlle Robert /
Théâtre du Châtelet
The King and I
Richard Rodgers / Oscar Hammerstein II
Théâtre du Châtelet Paris
Premiere: 13. Juni 2014
Regie .............................. Lee Blakeley
Musik. Leitung .............. James Holmes
Choreographie ............... Peggy Hickey
Ausstattung ........... Jean-Marc Puissant
Kostüme .............................. Sue Blane
Lichtgestaltung ................... Rick Fisher
Anna Leonowens........ Susan Graham /
Christine Buffle
The King .................... Lambert Wilson
Lady Thiang ......................... Lisa Milne
Tup Tim ................................ Je Ni Kim
Sir Edward Ramsay ...... Robert Dauney
Lun Tha .................... Damian Thantrey
Captain Orton.................. Joe Sheridan
The Interpreter ....... Jean-Baptiste Phou
The Karlahome ........... Akihiro Nishida
Phra Alac ............... Benoît Nguyen Tat
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