Die Einkommensverteilung in Österreich
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Die Einkommensverteilung in Österreich
Soziales DIE EINKOMMENSVERTEILUNG IN ÖSTERREICH IMPRESSUM Medieninhaber und Herausgeber: Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumetenschutz, Stubenring 1, A-1010 Wien ■ Verlags- und Herstellungsort: Wien ■ Druck: Sozialministerium ■ ISBN: 978-3-85010-371-8 ■ Redaktion: agnes streissler - wirtschaftspolitische projektberatung e.U., 1090 Wien; Sozialministerium Abteilung V/B/4 ■ Titelbild: © fotolia.com – massimo_g ■ Stand: November 2015 Alle Rechte vorbehalten: Jede Verwertung (auch auszugsweise) ist ohne schriftliche Zustimmung des Medieninhabers unzulässig. Dies gilt insbesondere für jede Art der Vervielfältigung, der Übersetzung, der Mikroverfilmung, der Wiedergabe in Fernsehen und Hörfunk, sowie der Verarbeitung und Einspeicherung in elektronische Medien, wie z. B. Internet oder CD-Rom. Zu beziehen über das kostenlose Bestellservice des Sozialministeriums unter der Nummer 0800 20 20 74 sowie unter der Internetadresse: https://broschuerenservice.sozialministerium.at DIE EINKOMMENSVERTEILUNG IN ÖSTERREICH Drei Fragen zur Einkommensverteilung werden im Folgenden behandelt: ■ Welche Teile des Volkseinkommens haben sich günstiger entwickelt: die Löhne oder die Gewinne und Vermögenseinkommen? ■ Sind die Unterschiede zwischen niedrigen und höheren Löhnen sowie Frauen- und Männereinkommen kleiner oder größer geworden? ■ Welchen Einfluss haben die staatlichen Sozialleistungen, die Sozialabgaben und das Steuersystem? Die Lohnquote: Sinkender Anteil der unselbstständig Beschäftigten am Volkseinkommen Mehr als 3,5 Millionen Menschen beziehen in Österreich Einkommen aus unselbstständiger Arbeit. Diese Einkommen sichern sowohl direkt ihre Existenz als auch indirekt über Sozialversicherungsansprüche den Lebensabend (Pensionshöhen). Die Verteilung der Erwerbseinkommen und die Veränderung über die Zeit geben einen Einblick in die Lebensgrundlagen der Bevölkerung. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht ist die Summe aller Löhne und Gehälter auch deshalb bedeutsam, da sie ein bestimmender Faktor der Nachfrage eines Landes ist. Anteil der Unternehmens- und Vermögenseinkommen mittelfristig steigend Seit Anfang der 1990er Jahre bis 2008 sind die Unternehmens- und Vermögenserträge deutlich stärker angestiegen als die Einkommen aus unselbstständiger Arbeit. 3 DIE EINKOMMENSVERTEILUNG IN ÖSTERREICH Unternehmens- und Vermögenserträge steigen deutlich stärker als ArbeitnehmerInnenentgelte Alle Größen wurden indexiert auf 1995 = 100 220 200 180 160 140 120 100 1995 1998 2001 2004 2007 2010 2013 Unternehmens- und Vermögenserträge ArbeitnehmerInnenentgelte Quelle: Statistik Austria, WIFO Zwar führte die Finanzkrise 2009 zu einem Einbruch bei den Unternehmens- und Vermögenseinkommen und auch die Jahre 2012 und 2013 zeigen im Vergleich zu den Arbeitseinkommen eine schwächere Entwicklung der Gewinneinkommen. Bei einer längerfristigen Betrachtung ist aber der überproportionale Anstieg der Unternehmens- und Vermögenserträge offensichtlich. Seit den 1980ern sind Produktivitäts- und Lohnentwicklung voneinander abgekoppelt Zwischen Ende der 1980er Jahre und 2007 ist die Lohnquote (gemessen an der Lohn- und Gehaltssumme als Anteil am Volkseinkommen) von 75% auf 66% gesunken. Das war der niedrigste Wert seit Beginn vergleichbarer Aufzeichnungen. Eine sinkende Lohnquote bedeutet, dass Fortschritte in der Arbeitsproduktivität nicht, wie lange Jahre üblich, an die Beschäftigten weitergegeben werden, sondern verstärkt in Unternehmens- und Ver mögenserträge münden. 4 DIE EINKOMMENSVERTEILUNG IN ÖSTERREICH Auf Einkommen aus selbständiger Arbeit und aus Kapitalerträgen entfällt daher ein immer größerer Anteil des Volkseinkommens. Gleichzeitig stieg die Abgabenbelastung auf Lohneinkommen im Vergleich zu den Unternehmens- und Vermögenserträge stärker an. Die Nettolohnquote sank von 67% Ende der 1980er Jahre auf 58% im Jahr 2008 noch stärker als die Bruttolohnquote (von 75% auf 67%), der Abstand zwischen Brutto- und Nettolohnquote wurde laufend größer. Der krisenbedingte Einbruch bei den Unternehmens- und Vermögenserträgen ließ die Bruttolohnquote 2009 vorübergehend wieder auf 70% und die Nettolohnquote auf 63% ansteigen. Beim Vergleich von Brutto- und Nettolohnquote zeigt sich auch der Effekt von Steuerreformen: Eine Entlastung der Arbeitseinkommen wie etwa 2000 oder 2009 verringert (allerdings nur kurzfristig) den Abstand zwischen Brutto- und Nettolohnquoten. Lohnquote sinkt, bei den Nettolöhnen noch mehr 75% in % des Volkseinkommens 70% 65% 60% 55% 50% 1995 1998 2001 2004 2007 2010 2013 Bruttolohnquote Nettolohnquote Quelle: Statistik Austria, WIFO. Es handelt sich um die so genannte „unbereinigte“ Lohnquote. 5 DIE EINKOMMENSVERTEILUNG IN ÖSTERREICH Lohnquoten im internationalen Vergleich In den meisten europäischen Ländern sind für die drei vergangenen Jahrzehnte sinkende Lohnquoten zu beobachten. Bis in die 1970er Jahre stiegen die Lohnquoten bzw. entwickelten sich im Gleichklang mit der Produktivität und sind stabil geblieben. Seit den 1980er Jahren sehen wir eine Trendumkehr. Österreich gehörte bis zu Beginn der Krise 2009, gemeinsam mit Deutschland, zu jenen europäischen Ländern, wo der Rückgang besonders stark ausgeprägt war. Umgekehrt gibt es Länder, in denen die Lohnquote gestiegen ist. Ein Anstieg der Lohnquote muss nicht bedeuten, dass alle ArbeitnehmerInnen davon im selben Ausmaß profitieren. In Großbritannien etwa ist die Erhöhung der Lohnquote mit einer zunehmenden Ungleichverteilung der Unselbständigeneinkommen einhergegangen: Managergehälter und die Einkommen in der Finanzindustrie sind stark angestiegen (und haben damit die Lohnquote erhöht), während niedrigere Einkommen immer mehr zurückblieben. 80% 75% 74% 70% 69% 67% 66% 66% 72% 70% 68% 65% 69% 67% 67% 63% 62% 65% 59% 60% 60% 57% 56% 55% Quelle: Statistik Austria, WIFO n lie Ita n Sp an ie e nd la er ed Ni Fr an kr ei ch n ie Gr oß br ita nn hl an sc De ut te rre i ch d 50% 1995 2008 2013 6 72% 72% 70% Ös Anteil der Bruttolöhne am Volkseinkommen, in % Lohnquote in Österreich ist bis zur Krise besonders stark zurückgegangen DIE EINKOMMENSVERTEILUNG IN ÖSTERREICH Arbeitslosigkeit, Globalisierung und boomender Finanzsektor sind Gründe einer sinkenden Lohnquote Die Arbeitsmarktlage ist entscheidend für die Lohnquotenentwicklung: Steigende Arbeitslosigkeit verringert direkt den Lohnanteil am Volkseinkommen und schwächt die Verhandlungsposition der Interessensvertretungen der ArbeitnehmerInnen. Auch die flexiblen Arbeitsmärkte in Form eines vermehrten Einsatzes von Leih- oder Teilzeitarbeit, und die Neustrukturierung bzw. Auslagerung von betriebsgebundenen Tätigkeiten an (Schein-)Selbständige übt mittelfristig einen Druck auf die Lohnquote aus. Die technologische Entwicklung kann die Lohnquote reduzieren, wenn durch neue Technologien gering qualifizierte bzw. gering verdienende Arbeitskräfte ersetzen werden und der steigende Bedarf nach Höherqualifizierten den Rückgang an Geringqualifizierten nicht ausgleicht. Ein weiterer wichtiger Grund für eine sinkende Lohnquote ist die Globalisierung: Durch die Zunahme des internationalen Handels profitiert in entwickelten Länder eher der Produktionsfaktor Kapital, in Schwellenländern eher der Faktor Arbeit durch Standortverlagerungen in diese Länder mit einem geringeren Lohnniveau. Die Offenheit der österreichischen Volkswirtschaft hat seit Mitte der 1990er Jahre stärker als in anderen Industrieländern den Rückgang der Lohnquote bedingt. Weiters findet seit Mitte der 1970er Jahre eine wirtschaftliche Transformation („Finanzialisierung“) statt, die ebenfalls dämpfend auf die Lohnquote wirkt: Aufgrund des stärkeren Wachstums der höheren und hohen Einkommen steigt die Nachfrage nach Finanzprodukten. Finanzinstitute gewinnen an Bedeutung, da sie mehr und mehr Vermögenswerte und Beteiligungen verwalten. Auch Unternehmensgewinne werden stärker in Finanzanlagen reinvestiert, da sie oft höhere Renditen abwerfen können als reale Anlagegüter. Zusätzlich sind die AktionärInnen als KapitaleignerInnen durch diese Entwicklung in ihrer Verhandlungsposition gestärkt worden – die Folgen sind drastische Rationalisierungsmaßnahmen, Kosteneinsparungen und Arbeitsplätzeabbau. Globalisierung und Finanzialisierung verstärken einander gegenseitig, da Unternehmen nicht nur in Bezug auf den Inhalt ihrer Investitionen (Maschinen oder Finanzanlagen), sondern auch in Bezug auf die geographische Lage (Anlagenbau in Österreich oder in China) eine größere Auswahl haben. Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Lohnquote Wenn die Lohnquote sinkt, dämpft das die Konsumnachfrage der privaten Haushalte. Ihr Konsum bedeutet aber wirtschaftliche Nachfrage und ist ein wesentlicher Konjunkturimpuls. Bleibt die Nachfrage aus, dämpft das die Wirtschaftsentwicklung und führt zu einer steigenden Arbeitslosigkeit. Höhere Arbeitslosigkeit bedeutet wiederum eine Schwächung der Lohnverhandlungsposition (wer „zu viel“ verlangt, wird eben gegen jemanden ausgetauscht, der um weniger Geld dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht). Es entsteht ein sich selbstverstärkender Mechanismus, der die Lohnquote weiter drückt. 7 DIE EINKOMMENSVERTEILUNG IN ÖSTERREICH Sind es wiederum Haushalte mit niedrigem Erwerbseinkommen deren Einkommen vergleichsweise geringer wachsen, dann verstärkt sich dieser Effekt, da gerade diese Gruppe eine besonders hohe Konsumneigung hat, also anteilsmäßig viel mehr von ihrem laufenden Einkommen konsumieren (muss) als wohlhabendere Gruppen. Auf der anderen Seite führt ein Rückgang der Lohnquote zu einem Sinken der (relativen) Lohnstück kosten. Für die Exportindustrie steigt die preisliche Wettbewerbsfähigkeit. Dies belebt die Wirtschaft und damit auch den Arbeitsmarkt. Für kleine offene Volkswirtschaften wie Österreich ist dies ein nicht zu vernachlässigender Effekt. Er hat aber auch eine Kehrseite: Internationale Wirtschaftsabschwünge sind in einer stark exportorientierten Wirtschaft rascher und deutlicher spürbar und bedrohen daher auch die Inlandskonjunktur. Die Entwicklung und Verteilung von Löhnen und Gehältern Mäßiges Lohnwachstum durch zunehmend mehr Teilzeitarbeit Während die Zahl der Beschäftigten stetig steigt, geht die geleistete Wochenarbeitszeit zurück. 2013 lag die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden der unselbstständig Beschäftigten in Österreich sogar unter dem Wert von 2008. Die Teilzeitarbeit verdrängt zunehmend die Vollzeitbeschäftigung. Große Lohnunterschiede nach sozialrechtlichem Status und nach Alter Bereits beim Berufseinstieg gibt es Einkommensunterschiede zwischen ArbeiterInnen und Angestellten. Die weitere Einkommensentwicklung in der Berufskarriere hängt stark davon ab, ob man Arbeiter, Arbeiterin, männlicher Angestellter und Beamter oder weibliche Angestellte oder Beamtin ist. Ältere Arbeiterinnen und Arbeiter verdienen kaum mehr als ihre KollegInnen zu Beginn ihrer Erwerbskarriere. Sehr wohl gibt es aber ein starkes Senioritätsprinzip bei männlichen Angestellten und Beamten. 60-jährige Angestellte und Beamte verdienen im Durchschnitt etwa das Doppelte ihrer um 30 Jahre jüngeren Kollegen. Auch bei weiblichen Angestellten und Beamten ist eine Senioritätskomponente in der Bezahlung festzustellen, sie ist aber geringer als bei den männlichen Angestellten und Beamten. 8 DIE EINKOMMENSVERTEILUNG IN ÖSTERREICH Mit zunehmendem Alter werden die Lohnunterschiede von Vollzeitbeschäftigten bei männlichen Angestellten und Beamten größer, 2012 7.000 6.000 5.000 4.000 3.000 2.000 1.000 19 - 25 angestellte Männer beamtete Männer Arbeiter 26 - 30 31 - 40 41 - 50 51 - 55 56 - 60 angestellte Frauen beamtete Frauen Arbeiterinnen Quelle: Statistik Austria, WIFO. Die angegebenen Einkommen sind Jahreszwölftel. Einkommen ist unterschiedlich nach Branchen Das Einkommen hängt wesentlich davon ab, in welcher Branche jemand beschäftigt ist. In der Gruppe der Vollzeitbeschäftigten variieren die Bruttolöhne und Bruttogehälter zwischen dem Bereich der Energieversorgung mit 5.360 EUR (12x jährlich) und dem Beherbergungs- und Gaststättenwesen mit 1.920 EUR. Der Energiebereich liegt damit um 50% über, der Tourismus um 46% unter dem gesamtwirtschaftlichen Durchschnittseinkommen aller Vollzeitbeschäftigten (3.580 EUR; 12x jährlich). Unter dem Durchschnitt liegen der Handel, der Bau und „Sonstige Dienstleistungen“. Überdurchschnittlich viel wird hingegen in der Industrie, in den Informations- und Kommunikationstechnologiesektoren und in der Finanzbranche verdient. Diese Vergleiche beziehen sich auf vollzeitbeschäftigte Personen. Immer mehr Menschen finden aber keine oder wünschen sich zum Teil keine Vollzeitbeschäftigung. 9 DIE EINKOMMENSVERTEILUNG IN ÖSTERREICH Fraueneinkommen liegen nach wie vor weit hinten Frauen verdienen weniger als Männer. In Arbeiter- und Angestelltenberufen beträgt der Unterschied mehr als ein Drittel. Anteil des durchschnittlichen Verdienstes einer Frau an dem eines Mannes, 2012 120 96 100 80 63 61 60 40 20 0 Arbeiterberufe Angestelltenberufe Beamtenberufe Quelle: Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, Statistik Austria, WIFO-Berechnungen Gründe sind u.a. die Teilzeitarbeit ... Teilzeitarbeit ist sehr ungleich verteilt: 52% der Arbeiterinnen, 49% der weiblichen Angestellten und 21% der Beamtinnen sind teilzeitbeschäftigt, aber nur 14% der männlichen Arbeiter und Angestellten und 2% der beamteten Männer arbeiten in Teilzeit. Erwerbstätige in Teilzeitarbeit haben deutlich niedrigere Einkommen: Bei ArbeiterInnen beträgt das durchschnittliche Einkommen von Teilzeitbeschäftigten ein Viertel des Einkommens von Vollzeitbeschäftigten, bei Angestellten ist es ein knappes Drittel und bei BeamtInnen fast zwei Drittel. 10 DIE EINKOMMENSVERTEILUNG IN ÖSTERREICH Bruttomonatsbezüge inkl. Sonderzahlungen in EUR Deutlich geringere Teilzeit- als Vollzeiteinkommen, 2012 4.500 4.031 4.000 3.723 3.500 3.000 2.500 2.476 2.171 2.000 1.500 1.103 1.000 555 500 0 ArbeiterInnen Angestellte BeamtInnen ganzjährig Vollzeit Teilzeit Quelle: Statistik Austria, Lohnsteuerstatistik, WIFO-Berechnungen Aber selbst bei Nichtberücksichtigung der Teilzeitarbeit, also bei einer Betrachtung der Stundenlöhne, besteht ein großer geschlechtsspezifischer Unterschied. ... sowie die großen geschlechtsspezifischen Unterschiede bei den Stundenlöhnen Gegenüber 2008 sind die Unterschiede in der Stundenentlohnung zwar etwas kleiner geworden, dennoch verdienen in Österreich Frauen 2013 noch immer um 23% weniger als Männer. Dieser Wert wird als G ender-Pay-Gap bezeichnet und spiegelt die geschlechtsspezifischen Einkommensungleichheiten in Bezug auf die durchschnittlichen Bruttostundenverdienste wider. Auch wenn nur die Gruppe der ganzjährig Vollzeitbeschäftigten betrachtet wird, liegt das Bruttojahreseinkommen von Frauen in Österreich deutlich unter jenem der Männer: Im Jahr 2013 beträgt die Einkommensdifferenz 18%. Gründe für Einkommensunterschiede, selbst bei Vollzeitarbeit, liegen darin, dass Frauen weniger häufig in hoch bezahlten Führungspositionen tätig sind (vertikale Segregation) und sie viel stärker in Branchen mit einem niedrigen Einkommensniveau vertreten sind (horizontale Segregation). Das betrifft vor allem den Handel und den Tourismus. Diese geschlechtsspezifische horizontale Arbeitsmarktsegregation führt 11 DIE EINKOMMENSVERTEILUNG IN ÖSTERREICH dazu, dass Männer, die in „Frauenberufen“ arbeiten, ebenfalls geringere Verdienste als der Durchschnitt haben. Steigendes Gefälle zwischen höheren und niedrigeren Lohneinkommen Bei den Lohn- und GehaltsempfängerInnen waren in den letzten zwanzig Jahren die Zuwächse in den oberen Einkommensgruppen stärker als in den unteren. Betrachtet man alle lohnsteuerpflichtigen ArbeitnehmerInnen, so liegt bei knapp einem Viertel das Jahresbruttoeinkommen unter 10.000 EUR und damit unter der Steuergrenze. In diese Gruppe fallen die steigende Zahl der Teilzeitbeschäftigten wie auch die nicht ganzjährig Beschäftigten (vor allem wegen Arbeitslosigkeit, aber auch Saison- oder Ferialarbeit). Die Summe der Einkommen im obersten Einkommensfünftel ist heute fast so hoch wie die Gesamtsumme der anderen vier Fünftel der Lohn- und GehaltbezieherInnen. 48% der lohnsteuerpflichtigen Einkommen gehen an die bestverdienenden zwanzig Prozent, 1995 betrug dieser Anteil 44%. Im Gegensatz dazu ist der Anteil in den drei unteren Einkommensfünfteln deutlich gesunken. Anteil der fünf Einkommensgruppen (Quintile) am gesamten Bruttoeinkommen 48% 50% 44% 45% 40% 35% 30% 24% 25% 18% 20% 15% 11% 10% 3% 5% 25% 17% 9% 2% 1995 2012 Quelle: Statistik Austria, Lohnsteuerstatistik, WIFO-Berechnungen 12 en m en eis 20 de t % ve rd i ve zwe rd it ie m ne e n is 20 de t % 0% re 2 le itt m zw ve eit rd w ie en ne ig n s 20 de t % ve rd w ie en ne ig n s 20 de t % 0% DIE EINKOMMENSVERTEILUNG IN ÖSTERREICH Nettoeinkommen sind etwas weniger ungleich verteilt als Bruttoeinkommen: Die progressive Lohnsteuer führt zu einer Abschwächung der Schieflage. Aber auch bei den Nettoeinkommen gilt: Der Anteil der oberen Einkommensgruppen hat sich seit 1995 erhöht und jener der unteren Einkommensgruppen verringert. Anteil der fünf Einkommensgruppen am gesamten Nettolohneinkommen 45 42% 44% 40 35 30 24% 25 18% 20 15 12% 25% 18% 11% 10 3% 5 2% en m en eis 20 de t % ve rd i ve zwe rd it ie m ne e n is 20 de t % 0% re 2 le itt m zw ve eit rd w ie en ne ig n s 20 de t % ve rd w ie en ne ig n s 20 de t % 0 1995 2012 Quelle: Statistik Austria, Lohnsteuerstatistik, WIFO-Berechnungen Zunehmende Niedriglohnbeschäftigung als ein Grund der schiefen Einkommensverteilung Hohe Managergehälter machen die Einkommensverteilung schiefer, aber auch Veränderungen am unteren Einkommensende haben massive Auswirkungen. Je mehr Personen in Teilzeit, (kurzfristiger) Leiharbeit oder Geringfügigkeit beschäftigt sind und je größer der Anteil vom geringer bezahlten Dienstleistungsbereich wird, umso größer wird der Niedriglohnbereich. Schließlich bedeutet Arbeitslosigkeit für viele Menschen, dass die Wiederbeschäftigung mit deutlich geringeren Löhnen einhergeht. Als Niedriglohnschwelle wird dabei jener Bruttomonatslohn definiert, der bei zwei Drittel des Durchschnittseinkommens von Vollzeitbeschäftigten liegt. Im Jahr 2012 waren das etwas über 1.700 EUR brutto im Monat (12x jährlich, d.h. 1.450 EUR 14x jährlich). 13 DIE EINKOMMENSVERTEILUNG IN ÖSTERREICH Insgesamt verdienen 16% aller Vollzeitbeschäftigten zwischen 25 und 54 Jahren weniger als dieses Bruttoeinkommen. Dieser Wert ist seit 2000 angestiegen – damals betrug er 14%. Auch hier gibt es enorme geschlechtsspezifische Unterschiede: Das Einkommen von einem Drittel aller vollzeitbeschäftigten Frauen liegt unter dieser Schwelle! Frauen in Vollzeitbeschäftigung sind damit etwa mehr als drei Mal so häufig von Niedriglohnbeschäftigung betroffen als Männer Ein Drittel der vollzeitbeschäftigten Frauen – im Alter zwischen 25 und 54 Jahren – gehört zu den NiedriglohnbezieherInnen 35% 32% 32% 30% 25% 20% 16% 15% 14% 9% 10% 6% 5% 0% 2000 2012 Gesamt Frauen Männer Quelle: WIFO Berechnungen, auf Basis von Daten des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger Summe der Nettoeinkommen der erwerbstätigen Haushaltsmitglieder und die Sozialtransfers bestimmen das Wohlstandsniveau eines Haushalts Um den Lebensstandard von Personen vergleichen zu können, kann nicht nur das individuelle Einkommen betrachtet werden. Entscheidend dafür ist außerdem das Wohlstandsniveau eines Haushaltes. Die finanzielle Lage der Haushalte ist von der Zahl und Höhe der Erwerbseinkommen und den Transfers (Familienbeihilfe, Arbeitslosenunterstützung etc.)abhängig. Zudem ist bedeutsam, wie viele Haushaltsmitglieder mit den erzielten Erwerbseinkommen und Sozialleistungen auskommen müssen. 14 DIE EINKOMMENSVERTEILUNG IN ÖSTERREICH Rechenbeispiel „Verfügbares Pro-Kopf-Haushaltseinkommen“: Werden die Nettohaushaltseinkommen (die Nettoerwerbseinkommen, die Sozialleistungen und andere Einkünfte aller Haushaltsmitglieder) mit der Haushaltszusammensetzung „gewichtet“, kann eine vergleichbare Aussage über das Wohlstandsniveau in verschiedenen Haushaltskonstellationen gemacht werden: Eine alleinlebende erwachsene Person wird mit 1 gewichtet, jede/r weitere Erwachsene mit 0,5. Kinder unter 14 Jahren bekommen ein Gewicht von 0,3. Das verfügbare Nettoeinkommen in zwei Haushalten beträgt 2.500 EUR im Monat. In einem Haushalt wohnen zwei Erwachsene allein, im zweiten Haushalt wohnen die zwei Erwachsenen mit zwei Kindern. Das so genannte Äquivalenzeinkommen (gewichtetes Pro-Kopf-Einkommen) beträgt für Haushalt 1: 2.500 EUR : (1+ 0,5) = 1.667 EUR für Haushalt 2: 2.500 EUR : (1+ 0,5 + 0,3 + 0,3) = 1.190 EUR. Anmerkung: Für eine Alleinerzieherin mit einem Kind würde das Äquivalenzeinkommen in diesem Beispiel 2.500 EUR : (1 + 0,3) = 1.923 EUR betragen. Allerdings müsste diese Mutter alleine 2.500 EUR an verfügbarem Einkommen zusammenbringen, während in den beiden anderen Fällen zwei mögliche VerdienerInnen vorhanden sind. Für höhere Erwerbseinkommen müssen anteilsmäßig mehr Steuern bezahlt werden. Haushalte in unteren Einkommensgruppen erhalten mehr Anteile an den Sozialleistungen. Aufgrund der Steuern und Sozialleistungen wird das Einkommensgefälle zwischen individuellen Markteinkommen und verfügbaren Haushaltseinkommen geringer. Das verfügbare Nettoeinkommen des untersten Einkommensfünftels als Anteil am Gesamteinkommen aller Haushalte steigt im Vergleich zur Betrachtung der Verteilung der individuellen Bruttoerwerbseinkommen von 2% auf 8%, während der Anteil des bestverdienenden Einkommensfünftels von 48% auf 37% fällt. 15 DIE EINKOMMENSVERTEILUNG IN ÖSTERREICH Wie Steuern und Sozialtransfers umverteilen Verteilung der 2% 9% Bruttolöhne 17% Verteilung der 2% 11% Nettolöhne* Verteilung der verfügbaren Pro-Kopf-Haushaltseinkommen** 8% 25% 18% 14% 0% wenigst verdienende 20% mittlere 20% zweit meist verdienende 20% 25% 18% 20% 48% 44% 23% 40% 37% 60% 80% 100% zweit wenigst verdienende 20% meist verdienende 20% Quelle: Statistik Austria, Lohnsteuerstatistik, WIFO-Berechnungen, Sozialministerium * Bruttolöhne minus Steuern und Sozialabgaben ** die Nettolöhne , Sozialleistungen und andere Einkünfte aller Haushaltsmitglieder Gäbe es keine Steuern und Sozialleistungen, wäre das Pro-Kopf-Einkommen im obersten Einkommensfünftel um mehr als das Zwanzigfache höher als im untersten Einkommensfünftel. Steuern und Sozialleistungen reduzieren das Einkommensgefälle deutlich: Das Pro-Kopf-Einkommen des obersten Einkommensfünftels ist aber noch immer vier bis fünfmal höher als jenes des untersten. 16 DIE EINKOMMENSVERTEILUNG IN ÖSTERREICH Seit der Krise entwickeln sich auch die höheren und niedrigeren verfügbaren Pro-Kopf-Haushaltseinkommen auseinander Während bei den individuellen Erwerbseinkommen schon seit längerer Zeit ein Auseinanderdriften der unteren und oberen Einkommen zu beobachten ist, ist dies bei den Pro-Kopf-Haushaltseinkommen erst seit der Krise 2008/09 der Fall. Bis dahin konnte die steigende Erwerbsbeteiligung der Frauen das unterdurchschnittliche Wachstum der unteren Erwerbseinkommen ausgleichen. Die Krise hat zu einem starken Anstieg der Arbeitslosigkeit und einer Zunahme der Teilzeitjobs geführt, eine Dynamik die überwiegend in den unteren Einkommensgruppen stattfand. Trotz der gut ausgebauten Sozialschutzleistungen entwickeln sich nun auch die unteren und oberen verfügbaren Haushaltseinkommen auseinander. Haushaltseinkommen: Niedrigeinkommenshaushalte von Krise stärker betroffen 2011 8,1% 2008 9,2% 14,1% 17,9% 22,6% 36,2% 2003 8,7% 14,1% 17,9% 22,6% 36,6% 0% 13,8% 17,9% 20% wenigst verdienende 20% mittlere 20% zweit meist verdienende 20% 22,7% 40% 37,3% 60% 80% 100% zweit wenigst verdienende 20% meist verdienende 20% Quelle: Statistik Austria, Lohnsteuerstatistik, WIFO-Berechnungen, Sozialministerium Bis zur Krise hat sich der Anteil des untersten Einkommensfünftels am verfügbaren Haushaltseinkommen von 8,7% auf 9,2% erhöht, der Anteil ist seit der Krise innerhalb von drei Jahren stark auf 8,1% gefallen. Bei der Gruppe mit den höchsten Haushaltseinkommen war die Entwicklung genau umgekehrt. Sie konnte ihren Anteil seit 2008 erhöhen. Trotz der nach unten umverteilenden Wirkung der direkten Steuern und Sozialleistungen gelang es nicht mehr, die Krisenfolgen voll zu kompensieren. 17 DIE EINKOMMENSVERTEILUNG IN ÖSTERREICH Literatur WIFO: Entwicklung und Verteilung der Einkommen in Österreich, in: Sozialbericht 2013/2014, S. 249-290 Eurostat: ec.europa.eu/eurostat Mehr Informationen Zu diesem Thema wurde ein gleichnamiger Folder erstellt. Weitere Informationen finden Sie im Sozialbericht 2013-14 www.sozialministerium.at > Soziales > Allgemeine Sozialpolitik > Sozialberichte 18 RAUM FÜR NOTIZEN sozialministerium.at BUNDESMINISTERIUM FÜR ARBEIT, SOZIALES UND KONSUMENTENSCHUTZ Stubenring 1, 1010 Wien Tel.: +43 1 711 00 - 0 sozialministerium.at