Frau Holle - Kathi-Lampert

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Frau Holle - Kathi-Lampert
Buchtipp aus unserer Bibliothek
Eugen Drewermann, Ingritt Neuhaus
Frau Holle
Grimms Märchen tiefenpsychologisch gedeutet
Olten 1990; 8. Aufl., Walter Verlag
Es ist Winter und es schneit! Was ist nahe liegender als sich in eine Decke zu kuscheln, eine Tasse Tee zu
trinken und ein Märchen z.B. das der „Frau Holle“ inklusiv einer Märcheninterpretation zu lesen. Hierfür
möchte ich Buch „Frau Holle“ von Eugen Drewermann und Ingritt Neuhaus – Grimms Märchen
tiefenpsychologisch gedeutet empfehlen, weil seine Interpretationen und gedanklichen Winkelzüge sehr
interessant und spannend zu lesen sind.
Nach Drewermann ist das Märchen der „Frau Holle“ keine Entwicklungsgeschichte seelischer Reifung,
sondern in diesem Märchen wird geschildert wie die metaphysischen Gegensätze im Erleben der Welt sich
begründen und auswachsen. Die Geschichte der Frau Holle stellt dar, wie bestehende Gegensätze im
Erleben der Welt sich in der Erfahrung einer tieferen Gerechtigkeit miteinander verbinden. Nach seiner
Ansicht lehrt dieses Märchen im Umgang mit dem scheinbaren Unrecht der Welt die verborgene Weisheit
der Weltordnung trotz allem nicht aus den Augen zu verlieren. Dieses Märchen ist für Drewermann
sozusagen ein Modell archaischer Weltanschauung und daher interpretiert er es wie einen alten Mythos.
Seine Deutung des Märchens von der Frau Holle kreiste um die Frage: Weshalb muss das Gute (die Gute Goldmarie) in dieser Welt leiden und sich demütigen lassen, während das Böse (die Böse - Pechmarie)
und das Unzulängliche triumphieren. Es ging ihm um die Frage der Gerechtigkeit in der Welt - eine
philosophische und theologische Fragestellung.
Im Märchen der Frau Holle wird die Antwort auf die Frage nach dem Unrecht in der Welt nicht in
abstrakter Weise gegeben. Dieses Märchen ist nach seiner Ansicht eine Erzählung, "welche die
Infragestellungen und Gefährdungen der kosmischen und sittlichen Ordnung zu überwinden sucht, indem
sie die Erschütterungen und Widersprüche der Natur und des menschlichen Lebens als Teile einer höheren
Ordnung deutet und begreifen lehrt." (Drewermann)
Die Polarisierung in Gut und Böse war schon ein Hauptthema der klassischen Metaphysik und der meisten
Religionen. Z.B. Nach „Der Sprung in den Brunnen“ wandern die 'Marien' über grüne Wiesen. Homer und
Platon erzählten von den Wiesen und Matten, auf denen die Toten wandeln. Es sind Lebensfrüchte, die
dort geerntet werden: Wie die Saat, so die Ernte. So kann die Goldmarie hier ernten: Sie zieht das Brot
heraus und sammelt die Äpfel.
Die Personen stellen keine konkreten Individuen dar, sondern sind Wesensgestalten: Goldmarie ist das
Sonnenmädchen, also die Sonne (d.h. das Gute an sich) und Pechmarie ist das Mondmädchen also der
Mond (d.h. das Böse an sich). Beide sind Stiefschwestern, also eng verwandt und haben eine Mutter;
diese ist die Frau Welt. Frau Holle verkörpert sowohl die Erd- als auch die Himmelsgöttin, die große
Mutter, die sowohl gütige als auch erschreckende Züge hat. Frau Holle ist keine andere als die
germanische Göttin Hulda (oder Berta). In ihr lebt die Gestalt der Erde fort, zu der man gelangt, wenn
man durch den Weltenbrunnen in die Unterwelt hinabsteigt. Zugleich ist sie als die große Göttin die
Königin des Himmels, deren Bettfedern als Schnee zur Erde fallen. Die absolute Macht dieser Göttin lässt
sich daran erkennen, dass sie es ist, die der Sonne und dem Mond ihre heutige Gestalt verliehen hat.
Petra Rappitsch