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Das TV-Elend
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einer macht mehr für mich Programm. Ich bin raus. Irgendwie bin ich
vergessen worden – und mit mir ein paar Millionen weitere
Fernsehkunden zwischen 35 und 45 Jahren. Wir existieren aber. Wir
hören manchmal Popmusik, wir essen gerne etwas Gutes, gehen ins
Kino, lesen Bücher und manchmal machen wir den Fernseher an, weil
wir hoffen, dass für uns etwas kommt. Kommt aber nix. Neulich habe
ich es wieder mal versucht.
Es war ein ganz schöner Abend, eigentlich. Aber mir war nach
Fernsehen. Ich sah in der Tageszeitung nach, aber so lange ich auch schaute, ich fand nur
Ödnis und Quatsch. Und öden Quatsch. Zum Beispiel Die Verleihung des Goldenen Herzens
für Tiere, eine Übertragung vom Gut Aiderbichl mit den Stargästen Andy Borg, den
Kastelruther Spatzen, DJ Ötzi und Stefanie Hertel. „In der Sendung werden die schönsten
Tiergeschichten prämiert, die die Zuschauer selbst erlebt haben.“ Für einen Moment geriet
ich in Versuchung, mich in diese TV-Vorhölle zu wagen, denn ich war neugierig auf die
Tiergeschichten über DJ Ötzi, Andi Borg und Stefanie Hertel. Die ist mit Stefan Mross
verheiratet, dem trüben Traunsteiner Trompeten-Trampel. Was gibt es noch? Hurra! Das
Frühlingsfest der Volksmusik! Florian Silbereisen begrüßt unter anderem Karel Gott, „der
hier in der Erdgas-Arena in Riesa sein 40jähriges Bühnenjubiläum feiert.“ In der ErdgasArena. Soso. Passender wäre ja die Methangas-Arena. Vielen Dank.
Es läuft aber auch noch „Die Liebe kommt selten allein.“ Mit Thekla Carola Wied als
eiskalter Witwe, die von zwei Herren umworben und emotional aufgeheizt wird. Das mag
passieren, ich bin ein toleranter Mensch und habe nichts gegen postmenopausale Erotik,
solange sie nicht am Samstagabend in meinem Wohnzimmer stattfindet. Wahrscheinlich
denken die Programmverantwortlichen, dass nur sehr alte oder verzagte Menschen am
Samstag überhaupt zuhause sind. Wer noch laufen kann, flüchtet ins Kino, ins Theater oder
ins Nachtleben. Alle anderen müssen „Rum aus Jamaika“ sehen, einen Schwank aus dem
Ohnsorg Theater, oder heimatlos herum zappen.
Man hat mich ausgebürgert. Dabei bin ich sicher, dass ein Publikum jenseits des DoofenFernsehens existiert. Nur: Das schläft immer, wenn es interessant wird. Ich würde zum
Beispiel gerne mal wieder „Alamo“ sehen. Oder „Snatch.“ Aber der eine Film beginnt um 0.15
Uhr und der andere um 1.15 Uhr. Während ich wach bin kommt „Lüders Krug“ im NDR. Dort
erzählt Günther Willumeit gemeinsam mit Judith und Mel und den Klostertalern Witze.
Denkt er jedenfalls.
Warum machen die das bei den Sendern? Ich bin doch kein nachtaktiver Nager. Könnte
nicht mal genau umgekehrt geplant werden? Könnte man nicht darüber nachdenken, für
eine gewisse Zeit zu tauschen? Es war doch jetzt lange genug üblich, dass die interessanten
Dinge lediglich für Nachtportiers ausgestrahlt wurden. Für eine Woche wäre das doch ein
toller Versuch: Wir verlegen den ganzen Volksmusikmist und die Schundfilme auf Termine
nach Mitternacht und von dort die besten Filme in die so genannte Prime Time. Dann
könnten ich und die anderen zehn Millionen bislang ausgegrenzten Zuschauer folgende
Filme sehen: „Die zwölf Geschworenen,“ „Der Swimmingpool,“„Die letzte Nacht des Boris
Gruschenko,“ „Die Farbe der Lüge“ sowie „Dogville.“ Nach hinten wanderten dafür: „Musik
für Sie,“ „Liebe unter weißen Segeln,“ „Schöne Aussicht,“ „Hansi Hinterseer Open Air 2006 in
Kitzbühel“ sowie „Der Kahn der guten Laune.“ Na? Wäre das nicht eine gute Idee? Will keiner
außer mir? Okay. Dann eben nicht. Ich besitze einen DVD-Player und kann mir mein
Programm selber machen.
Ich habe also an jenem Abend kein Fernsehprogramm angesehen. Die Kinder wollten
unbedingt „Findet Nemo“ angucken. Also rein mit der DVD. „Findet Nemo“ lief bei uns
bereits gefühlte 300 Mal. Um zwanzig vor neun schlief ich ein. Mitten in der Prime Time. Am
Samstag. Was für ein Jammer, welch ein Elend. •
28. JUNI 2007