Förderung der Kommunikation bei ´nichtsprechenden
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Förderung der Kommunikation bei ´nichtsprechenden
Uta Herzog Förderung der Kommunikation bei „nichtsprechenden“ Menschen, die blind und mehrfachbehindert sind Erste Staatsexamensarbeit ––– 2001 ––– föpädn.et www.foepaed.net Hinweise zum Urheber- und Nutzungsrecht Das Urheberrecht am vorliegenden Texten liegt allein beim Autor bzw. bei der Autorin. Der Nutzer bzw. die Nutzerin dürfen die vorliegende Veröffentlichung für den privaten Gebrauch nutzen. Dies schließt eine wissenschaftliche Recherche ein. Für das Zitieren sind die entsprechenden Regelungen zu beachten (sieh unten). Der Nutzer bzw. die Nutzerin des vorliegenden Textes erkennen das Urheberrecht des Autoren bzw. der Autorin an. Vervielfältigung und Verbreitung der vorliegenden Veröffentlichungen bedarf der Genehmigung des Autors bzw. der Autorin. Hinweise zum Zitieren von Online-Dokumenten Die Veröffentlichungen auf den Seiten von föpäd.net sind ebenso wie Texte in Druckmedien zitierfähig. 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Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung............................................................................................... 3 2 Beschreibung des Personenkreises ................................................... 5 2.1 Sehschädigung und Blindheit...................................................................................... 5 2.2 „Nichtsprechende“ Menschen ..................................................................................... 6 2.3 Blindheit und nicht vorhandene Lautsprache als Komponenten einer Mehrfachbehinderung ................................................................................................. 7 3 Kommunikation und Sprache .............................................................. 9 3.1 Kommunikation............................................................................................................ 9 3.1.1 Begriffsdefinition..................................................................................................... 9 3.1.2 Verschiedene Formen der Kommunikation ......................................................... 12 3.1.3 Bedeutung und Funktion von Kommunikation ..................................................... 13 3.2 Sprache ..................................................................................................................... 14 3.3 Kommunikations- und Sprachentwicklung bei nichtbehinderten Kindern ................ 14 3.3.1 Interaktionales Entwicklungsmodell ..................................................................... 15 3.3.2 Ganzheitliches Entwicklungsmodell..................................................................... 15 3.3.3 Entwicklung von Kommunikation und Sprache.................................................... 17 3.4 Zwei Spracherwerbsstile ........................................................................................... 20 3.4.1 Referenzieller Spracherwerb ............................................................................... 20 3.4.2 Expressiver Spracherwerb................................................................................... 21 3.5 Sprachverständnis..................................................................................................... 21 3.6 Kommunikations- und Sprachentwicklung unter erschwerten Bedingungen............ 22 3.6.1 Früheste Kommunikation, ungezielte Äußerungen.............................................. 22 3.6.2 Gezieltes Verhalten.............................................................................................. 23 3.6.3 Gezielte Partnerkommunikation........................................................................... 24 3.6.4 Konventionelle Kommunikation............................................................................ 24 3.6.5 Symbolische Kommunikation............................................................................... 24 3.6.6 Der weitere Spracherwerb ................................................................................... 25 4 Konzepte zur Anbahnung von kommunikativen Fähigkeiten ......... 26 4.1 Basale Kommunikation nach Mall ............................................................................. 26 4.1.1 Primäre Kommunikation als Grundlage für einen Austausch .............................. 28 4.1.2 Prinzipien der Förderung ..................................................................................... 29 4.1.3 Kritische Würdigung des Konzeptes .................................................................... 30 4.2 Hinführung zur Kommunikation nach der Methode Jan van Dijks ............................ 31 4.2.1 Stufe der Resonanz ............................................................................................. 32 www.foepaed.net 1 Inhaltsverzeichnis 4.2.2 Stufe der co-aktiven Bewegung ........................................................................... 32 4.2.3 Stufe des nicht-repräsentationalen Bezugs ......................................................... 33 4.2.4 Stufe der verzögerten Imitation............................................................................ 33 4.2.5 Stufe der natürlichen Gebärden........................................................................... 33 4.2.6 Kritische Würdigung des Konzeptes .................................................................... 34 5 Unterstützte Kommunikation (UK)..................................................... 36 5.1 Definition und Ziele.................................................................................................... 36 5.2 Geschichtliche Entwicklung....................................................................................... 37 5.3 Zielgruppe ................................................................................................................. 38 5.4 Abgrenzung zur „Gestützten Kommunikation“ (FC= Facilitated Communication) .... 39 5.5 Besonderheiten der Gesprächssituation ................................................................... 40 5.6 Kommunikationsformen im Rahmen Unterstützter Kommunikation ......................... 43 5.6.1 Körpereigene Kommunikationsmodi .................................................................... 44 5.6.2 Extern unterstützte Kommunikationsformen........................................................ 50 5.6.3 Elektronische Kommunikationshilfen ................................................................... 66 5.6.4 Ansteuerung und Auswahlverfahren bei externen Kommunikationshilfen .......... 69 5.6.5 Beginn einer Förderung: diagnostischer Prozess................................................ 72 5.6.6 Auswahl des Vokabulars für eine Kommunikationshilfe ...................................... 75 6 Fallbeispiel des Jungen R. ................................................................. 77 6.1 Fallbeschreibung: ...................................................................................................... 78 6.1.1 Diagnose: ............................................................................................................. 78 6.1.2 Entwicklungsbeschreibung: ................................................................................. 78 6.1.3 Hilfsmittel/ Medikamente:..................................................................................... 79 6.1.4 Förderungen......................................................................................................... 79 6.1.5 Kommunikative Verhaltensweisen und linguistische Fähigkeiten ....................... 79 6.1.6 Kognitive Fähigkeiten........................................................................................... 82 6.2 Erweiterung der kommunikativen Möglichkeiten durch UK....................................... 85 6.2.1 Ausgangspunkt der Therapie............................................................................... 85 6.2.2 Bisherige Ziele und Ergebnisse der Förderung ................................................... 86 7 Fazit .....................................................................................................100 8 Anhang................................................................................................103 8.1 Glossar .................................................................................................................... 103 8.2 Schema der Förderung ........................................................................................... 106 8.3 Fragebogen zur Abklärung verschiedener Fähigkeiten .......................................... 108 8.4 Abbildungsverzeichnis............................................................................................. 111 8.5 Literaturverzeichnis ................................................................................................. 111 www.foepaed.net 2 Kapitel 1: Einleitung 1 Einleitung „Schwerstbehindert, nicht sprechend, kaum oder gar nicht sehend, aber offensichtlich gut ansprechbar und sie würden reden, wenn sie es könnten“ (Hück 1998, S. 538). Dieses Zitat bezieht sich auf einen Personenkreis, der in den letzten Jahren im Bereich der Blinden- und Sehbehindertenpädagogik vermehrt anzutreffen ist. Mehr als die Hälfte der Schüler1 an Schulen für Blinde und Sehbehinderte weisen neben der Sehschädigung mindestens eine weitere Behinderung auf (vgl. Appelhans 1992, S. 31). Dies lässt sich sicherlich auch durch die Entwicklung der medizinischen Möglichkeiten begründen. Immer mehr Frühgeborene werden durch spezielle Hilfsmittel am Leben erhalten. Gerade bei diesen Personen erhöht sich aber auch das Risiko für eine Mehrfachbehinderung. Zu der Blindheit kommen unterschiedliche Beeinträchtigungen. In vielen Fällen liegt eine körperliche oder geistige Behinderung vor. Spezielle Sprachstörungen, die als Folge der Blindheit auftreten, sind, nach Meinung vieler Autoren, nicht zu benennen. Dennoch weisen gerade mehrfachbehinderte Kinder mit einer Sehschädigung gehäuft Probleme im sprachlichen Bereich auf. Einem nicht unerheblichen Teil der Schüler an Schulen für Blinde, Sehbehinderte und Mehrfachbehinderte steht die Lautsprache nicht oder kaum zur Verfügung. Aktuelle Daten über den Anteil der Schüler mit Sprachproblemen sind in der Literatur nicht zu finden. Die veränderte Klientel der Schule für Blinde und Sehbehinderte macht auch ein Umdenken bei den Pädagogen nötig. Das Nicht-Sprechen-Können gilt oft als Indiz für eine geistige Behinderung oder völlige Sprachlosigkeit. Eine solche Ansicht wird den „nichtsprechenden“ Menschen aber nicht gerecht, denn „nicht sprechen können bedeutet weder, über Sprache nicht verfügen können noch, nicht denken können“ (Gangkofer 1992, S. 243). Um das Bedürfnis dieser Personen nach Kommunikation zu erkennen, wie es in dem Zitat zu Anfang geschildert wurde, müssen wir mit ihnen in Kontakt treten. Da ihnen die Lautsprache als expressives Medium nicht zur Verfügung steht, sind individuelle Kommunikationsformen zu erarbeiten. Weit verbreitet sind an den Schulen Konzepte, die auf basale Bedürfnisse eingehen oder die Anbahnung der kommunikativen Fähigkeiten auf einer bestimmten Stufe zum Ziel haben. Ein weniger bekanntes Konzept ist die Unterstützte Kommunikation. Sie möchte nicht nur Grundbedürfnisse befriedigen oder einzelne Voraussetzungen zur Kommunikation schaffen, 1 Alle in dieser Arbeit aufgeführten Gruppenbezeichnungen, wie Schüler, Lehrer, Nutzer etc., beinhalten jeweils die männliche und weibliche Form. www.foepaed.net 3 Kapitel 1: Einleitung sondern den im Zitat geschilderten Wunsch des Menschen nach Kommunikation erfüllen. Ziel ist der Aufbau eines „inneren und äußeren Symbolsystems“ als Grundlage für das Denken (Gangkofer 1992, S. 243). Man orientiert sich hierbei nicht nur an der oralen Sprache (vgl. Gangkofer 1992, S. 243). Diese Arbeit stellt die drei Konzepte Basale Kommunikation, van Dijk Methode und Unterstützte Kommunikation vor. Der Schwerpunkt liegt auf der Unterstützten Kommunikation. Da sie bislang nur wenig bekannt ist, erläutere ich die Prinzipien des Konzeptes ausführlich. Es soll herausgestellt werden, welche der im Rahmen der Unterstützten Kommunikation verwendeten Methoden und Hilfsmittel sich für die Arbeit mit blinden Menschen eignen und welche angepasst werden müssen. Die Faktoren, die das Ziel der Erweiterung der kommunikativen Möglichkeiten beeinflussen, werden herausgearbeitet. Zu diesem Zweck stelle ich das Fallbeispiel eines „nichtsprechenden“ Jungen vor, der blind und mehrfachbehindert ist. Ich führe bei ihm seit fast zwei Jahren eine Sprachtherapie im Sinne der Unterstützten Kommunikation durch. Die Beschreibung macht die Vorgehensweise im Rahmen einer Therapie deutlich. Es lässt sich erkennen, welche Bedingungen sich auf die Förderung auswirken. Diese Arbeit ist in einen Theorie- und einen Praxisteil gegliedert. Im Theorieteil werden grundlegende Begriffe geklärt. Neben der Beschreibung des Personenkreises soll die Entwicklung von Kommunikation und Sprache verdeutlicht werden. Zunächst steht die Entwicklung bei nichtbehinderten Kindern im Vordergrund. In einem zweiten Teil werden Phasen herausgestellt, in denen sich eine Sehschädigung negativ auf die Sprachentwicklung auswirken kann. Im Anschluss folgt die Vorstellung von Konzepten zur Anbahnung kommunikativer Fähigkeiten. Da die Basale Stimulation und die van Dijk Methode bereits vielfach in den Schulen verwendet werden, stelle ich diese nur kurz dar. Der Schwerpunkt liegt auf dem Konzept der Unterstützten Kommunikation. Der Praxisteil stellt das Fallbeispiel einer Kommunikationsförderung im Sinne der Unterstützten Kommunikation vor. Zu Beginn stehen eine ausführliche Entwicklungsbeschreibung und die Erfassung der kommunikativen Verhaltensweisen des Jungen. Dies ist die Grundlage für die Förderung. Im Anschluss werden einzelne Schritte der Therapie erläutert. Bisherige Ziele und Fortschritte sind daran zu erkennen. Auf Grenzen, die eine Festlegung neuer Ziele beeinflussen, gehe ich ebenfalls näher ein. www.foepaed.net 4 Kapitel 2: Beschreibung des Personenkreises 2 2.1 Beschreibung des Personenkreises Sehschädigung und Blindheit Sehschädigung bezeichnet jede Art von Beeinträchtigung der Sehfähigkeit (vgl. Rath 2000, S. 104). Nach W. Rath ist Sehschädigung ein Kontinuum, d.h. eine „stufenlose Abfolge von Schweregraden herabgesetzten Sehvermögens“ (Rath 2000, S. 104). Die Einteilung in Blindheit und Sehbehinderung erfolgt entlang dieses Kontinuums (vgl. Rath 2000, S. 104). Die beiden Pole sind Normalsichtigkeit auf der einen und Vollblindheit als schwerste Schädigung auf der anderen Seite (vgl. Rath 2000, S. 104). In der Regel unterscheidet man innerhalb der Pole zwischen Sehbeeinträchtigung, wesentlicher Sehbehinderung und Blindheit. Die Zuteilung zu den Kategorien erfolgt durch Messwerte (vgl. Rath 2000, S. 105). Zur Festlegung von Grenzen wird meist der Fernvisus2 herangezogen (vgl. Rath 1998, S. 11). Personen, deren Sehfähigkeit unter 1/50 liegt, gelten als blind. Von diesem Wert sind Unterstützungsleistungen wie Blindengeld und Sozialhilfe abhängig (vgl. Rath 1998, S. 10). Der Bruch nennt im Zähler, aus welcher Entfernung ein Optotyp3 von der Person erkannt wird. Der Nenner gibt darüber Auskunft, aus welcher Entfernung normalsichtige Menschen diesen Optotypen identifizieren können (vgl. Rath 2000, S. 105). Aus dem Wert 1/50 lässt sich also ableiten, dass ein Individuum einen Optotypen aus 1 Meter Entfernung erkennt, der von normalsichtigen Personen aus einer Entfernung von 50 Metern gesehen wird (Rath 2000, S. 105). Die Untergrenze für die Kategorie Blindheit stellt der Wert 0 = Vollblindheit dar (vgl. Rath 2000, S. 105). Landläufig gilt eine Person als blind, die „keinen Lichtschein wahrnimmt“, d.h. „die gar nichts sieht“ (Rath 1998, S. 10). Aus einer solchen Definition ergibt sich die Vollblindheit als einzige Form der Blindheit (vgl. Rath 2000, S. 108). Außer dem Fernvisus sind aber noch andere Teilfunktionen des Sehens von Bedeutung. Für ein ausreichendes Verständnis sind, neben dem Nah- und Fernvisus, die Bereiche Gesichtsfeld, Farbensinn, Lichtsinn und Blendungsempfindlichkeit und das beidäugige Sehen zu betrachten (vgl. Appelhans 1992, S. 22f). Unter Berücksichtigung dieser verschiedenen Teilbereiche macht der Begriff Blindheit in der Einzahl keinen Sinn. Es ergeben sich verschiedene Formen der Blindheit, wie z.B. Farbblindheit oder Nachtblindheit (vgl. Rath 2000, S. 108). 2 Visus: Maß für das Sehvermögen (vgl. Fritsch 1993, S.90). 3 Optotyp: Sehzeichen zur Visusbestimmung (vgl. Fritsch 1993, S.79) www.foepaed.net 5 Kapitel 2: Beschreibung des Personenkreises Blindheit lässt sich beschreiben als eine „interne Variable, deren Wirkungen mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit in Bereichen wie Psychomotorik4, mimischem Ausdruck, Wahrnehmung und Denken, Motivation, Affekte, Entwicklung zu beobachten sind“ (Rath 1998, S. 16). Die fehlenden visuellen Informationen müssen von einem blinden Menschen durch andere Sinneswahrnehmungen ausgeglichen werden. Vorwiegend geschieht dies über den Tastsinn und das Gehör (vgl. Appelhans 1992, S. 22). 2.2 „Nichtsprechende“ Menschen Als „nichtsprechend“ werden Menschen bezeichnet, die „die Lautsprache nicht oder nur unzureichend beherrschen“ (Thümmel 1998, S. 1). Es handelt sich hierbei um eine sehr heterogene5 Gruppe. Die vielfältigen Probleme bei der Sprachentwicklung haben unterschiedlichste Ursachen. Pickl unterscheidet zwischen sechs Ursachengruppen: kognitive oder emotionale Beeinträchtigung, Sinnesbehinderungen, neurologische Schädigungen, Schädigungen der Sprechorgane und fortschreitende Erkrankungen. Häufig fallen mehrere dieser Ursachen zusammen. Wie sich die einzelnen Störungen auf die Sprachentwicklung auswirken, hängt nicht unwesentlich von der Persönlichkeit ab (vgl. Pickl 1994, S. 26f). Pickl weist ausdrücklich darauf hin, dass der Begriff „nichtsprechend“ für die Bezeichnung eines Personenkreises ungünstig ist. Er suggeriert, dass eine Person über gar keine Lautsprache verfügt. Auch wenn die so bezeichneten Menschen die expressive Sprache im konventionellen Sinne nicht beherrschen, können sie doch Laute produzieren oder einzelne Wörter sprechen (vgl. Pickl 1994, S. 26). Weid-Goldschmidt weist ebenfalls auf die Unzulänglichkeit der Bezeichnung hin. Sie erklärt, dass auch „Nichtsprechende“ in der Lage sind zu „reden“. Sie verständigen sich mit alternativen Kommunikationsformen, die von der Umgebung nicht oder kaum verstanden werden (vgl. Weid-Goldschmidt 1995, S. 26). Das Gleiche gilt für die Bezeichnung „Menschen ohne Lautsprache“. Da man sich aber noch nicht auf einen zufrieden stellenden Begriff geeinigt hat, werde ich die Bezeichnungen in der vorliegenden Arbeit verwenden. Ich setze sie in Anführungsstriche, um die Unzulänglichkeit der Ausdrücke zu verdeutlichen. 4 Psychomotorik: alle willkürlich gesteuerten und bewusst erlebten Bewegungsabläufe, die von psychischen Komponenten beeinflusst werden, z.B. Gehen, Sprechen, Mimik (vgl. Duden 1999) 5 heterogen: sehr ungleich zusammengesetzt (vgl. Duden 1997) www.foepaed.net 6 Kapitel 2: Beschreibung des Personenkreises 2.3 Blindheit und nicht vorhandene Lautsprache als Komponenten einer Mehrfachbehinderung Mehrfachbehindert sind Menschen, die neben ihrer Blindheit noch mindestens eine weitere Behinderung aufweisen. Der Begriff Mehrfachbehinderung ist unabhängig von der Schwere der einzelnen Behinderung (vgl. Appelhans 1992, S. 30). Die Gesamtheit der Schädigungen macht eine spezifische Förderung, über das übliche Maß der Schule für Blinde und Sehbehinderte hinaus, erforderlich (vgl. Appelhans 1992, S. 31). Aus der Kombination der Beeinträchtigungen ergibt sich ein kompliziertes Gefüge von Bedingungen, die sich je nach Art unterschiedlich beeinflussen. Rath unterscheidet zwischen „Behinderungen mit zwangsläufigem Kausalzusammenhang6“, Behinderungen „ohne Kausalzusammenhang“ und solchen ohne „zwangsläufigen Kausalzusammenhang“ (vgl. Rath 1984, S. 195). Bei dem im Folgenden dargestellten Personenkreis können prinzipiell alle drei Formen vorliegen. Man rechnet mit über 50 % mehrfachbehinderten Schülern an den Schulen für Blinde und Sehbehinderte (vgl. Appelhans 1992, S. 31). Durch die Tatsache der wechselseitigen Beeinflussung der Behinderungen ist die Gruppe der Mehrfachbehinderten sehr inhomogen7. Daher sind auch individuelle Erziehungs- und Förderprogramme nötig (vgl. Rath 1985, S. 402). Der in dieser Arbeit vorgestellte Personenkreis hat als Gemeinsamkeit, dass die Personen alle im Sinne des Gesetzes blind sind. Sie erreichen somit einen Visuswert, der kleiner als 1/50 ist. Die zweite Komponente der Mehrfachbehinderung soll die nicht oder kaum vorhandene Lautsprache sein. Gerade im Umgang mit mehrfachbehinderten Menschen „ohne Lautsprache“ ist es besonders wichtig zu erkennen, dass jede Handlung für den Handelnden einen Sinn ergibt. Die Aufgabe des Beobachters ist es, diesen Sinn zu suchen und die Äußerungen des Menschen als Vorschlag zu erkennen und aufzugreifen (vgl. Walthes 1998, S. 9). Unter diesem Aspekt sind vor allem zwei Erziehungsschwerpunkte, die W. Rath für Menschen mit einer Mehrfachbehinderung angibt, besonders wichtig: Sie nennt die Förderung der „menschlichen Beziehungen“ und „Interaktionen und Sprachentwicklung und Kommunikation“ (Rath 1985, S. 402). Um diese Schwerpunkte soll es auch in der weiteren Arbeit vorwiegend gehen. Im Titel der Arbeit werden „nichtsprechende“ Jugendlichen, die blind und mehrfachbehindert sind genannt. Dies könnte den Eindruck erwecken, dass Blindheit und „Nichtsprechen“ als zusätzliche Komponenten zu einer Mehrfachbehinderung gesehen werden. In diesem Fall 6 Kausalzusammenhang: „Auf den Prinzipien von Ursache und Wirkung beruhender Zusammenhang von Ereignissen“ (Duden 1999) 7 inhomogen: „nicht gleichartig“, heterogen (Duden 1997) www.foepaed.net 7 Kapitel 2: Beschreibung des Personenkreises ergäben sich mindestens vier Behinderungen. Ich möchte das Thema jedoch so auslegen, dass die Begriffe Blindheit und „Nicht-Sprechen-Können“ als Komponenten innerhalb der Mehrfachbehinderung gelten. Weitere Beeinträchtigungen sind damit nicht ausgeschlossen, müssen aber nicht zwingend auftreten. Ein nicht geringer Anteil der mehrfachbehinderten Schüler mit einer Sehschädigung weist zusätzlich eine körperliche oder geistige Behinderung auf. Häufig findet dann die Förderung nicht an Schulen für Blinde und Sehbehinderte, sondern an Schulen für Körper- oder Geistigbehinderte statt (vgl. Fischer 1992, S. 157). Diese weiteren Beeinträchtigungen wirken sich zusätzlich erschwerend auf den Kommunikationsprozess aus. Im folgenden Kapitel werde ich einige Behinderungen und ihre Auswirkungen auf den Kommunikationsprozess kurz erwähnen. Auf eine genaue Definition möchte ich jedoch verzichten. Die Arbeit soll sich im Wesentlichen auf Jugendliche beziehen. Bei der Entwicklung von Kommunikation und Sprache liegt es aber zunächst einmal nahe, von Kindern zu sprechen, da sich dieser Prozess normalerweise im Kindesalter vollzieht. Im Bereich der eigentlichen Förderkonzepte benutze ich dann die Ausdrücke Kinder, Jugendliche oder auch Menschen mit Behinderung. Dies hat den Hintergrund, dass die Konzepte in der Regel nicht spezifisch für eine Altersgruppe entwickelt wurden. Sie sind auf alle Altersstufen anwendbar. Wichtig ist jedoch, dass eine altersgemäße Behandlung erfolgt (vgl. Nirje 1994, S. 20). Die spezifischen Probleme, die sich bei Jugendlichen ergeben, werden in dem Fallbeispiel am Ende der Arbeit erläutert. www.foepaed.net 8 Kapitel 3: Kommunikation und Sprache 3 Kommunikation und Sprache Lautsprache kann und darf nicht als einzige Kommunikationsform gesehen werden. Nur, wenn wir uns die vielfältigen anderen Möglichkeiten bewusst machen, sind wir in der Lage, mit „nichtsprechenden“ Menschen zu kommunizieren. Um dies zu verdeutlichen, möchte ich zunächst die Begriffe Kommunikation und Sprache näher erläutern. Zusätzlich halte ich es für sinnvoll, Ausdrücke wie „kommunikative Möglichkeiten", „kommunikative Kompetenz“ oder auch „kommunikative Fähigkeiten“ zu erklären, da sie häufig in der Fachsprache genutzt werden, aber ihre Bedeutung oft nicht klar ist. Die Kommunikations- und Sprachentwicklung wird zunächst unter normalen Bedingungen beschrieben. Anschließend erfolgt eine Darstellung der Schwierigkeiten, die bei verschiedenen Behinderungen während dieser Entwicklung auftreten können. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf den Auswirkungen von Blindheit bzw. Mehrfachbehinderung. 3.1 3.1.1 Kommunikation Begriffsdefinition Der Begriff Kommunikation wird in verschiedenen Bereichen verwendet. Nicht nur in der Pädagogik bemüht man sich, vermehrt den Blick auf die Prozesse zu lenken, die in der Kommunikation stattfinden. Die Kommunikationsprozesse sind so vielfältig, dass eine einheitliche und vollständige Definition schwer zu finden ist (vgl. Fröhlich 1998, S. 62f). Ich werde daher verschiedene pädagogische Sichtweisen vorstellen. Das Organon-Modell beschreibt Kommunikation als einen Informationsaustausch zwischen „Sender und Empfänger“ (vgl. Bühler 1982, S. 28). Einige Autoren bezeichnen die Beteiligten auch als „Sprecher und Hörer“ (vgl. Baun 1980, S. 13f). Ich möchte mich in der vorliegenden Arbeit auf die Begriffe „Sender und Empfänger“ beziehen, da der Ausdruck „Sprecher und Hörer“ bei Menschen „ohne Lautsprache“ irreführend sein kann. Der Sender enkodiert8 seine Mitteilungen. Diese werden durch einen Kanal zum Empfänger übertragen, der sie dann wahrnimmt und dekodiert9. Bei der Dekodierung bezieht der Empfänger die jeweilige Situation mit ein. Die Grundlage für die De-, bzw. Enkodierung ist ein gemeinsamer Kode, in diesem Fall die Lautsprache (vgl. Baun 1980, S. 13f). Ausgeweitet auf „nichtsprechende“ Menschen können auch non-verbale Signale diese Funktion übernehmen und den gemeinsamen Kode darstellen. Die einzelnen Autoren nennen unterschiedliche Komponenten, die 8 enkodieren: Verschlüsseln einer Nachricht mit Hilfe eines Kodes (vgl. Duden 1997) 9 dekodieren: Entschlüsseln einer Nachricht mit Hilfe eines Kodes (vgl. Duden 1997) www.foepaed.net 9 Kapitel 3: Kommunikation und Sprache sich auf den Dekodierungsprozess auswirken. Neben der Situation sieht z.B. Frühwirt die Kompetenzen des Empfängers als Einflussfaktoren für die Kommunikation (vgl. Frühwirt 1994, S. 13). Dieses Modell wird jedoch der eigentlichen Situation in der Kommunikation nicht gerecht. Der Empfänger übernimmt dabei eine passive Rolle. Gerade im Umgang mit „nichtsprechenden“ Menschen ist aber eine große Aktivität des sprechenden Partners, auch in der Rolle des Empfängers, gefordert. Er muss die non-verbalen Äußerungen interpretieren und entsprechend beantworten. Die wörtliche Übersetzung des Begriffes Kommunikation macht bereits deutlich, dass es um mehr geht, als das reine Versenden und Aufnehmen von Informationen. Kommunikation lässt sich aus dem lateinischen Begriff „communicare“ ableiten. Übersetzt bedeutet es „gemeinsam machen, teilnehmen lassen, Anteil nehmen, sich beraten, besprechen“ (Pickl 1994, S. 24). Dies betont den Aspekt der Gemeinsamkeit, d.h. der gegenseitigen Beeinflussung. Die Kommunikation verläuft nicht einseitig vom Sender zum Empfänger, sondern sie ist ein „interpersonaler Prozess zwischen gleichermaßen beteiligten Partnern“ (vgl. Pickl 1994, S. 24). Dieser Aspekt wird von verschiedenen Definitionen in den Vordergrund gestellt. Grohnfeldt sieht Kommunikation als „vitales Verhalten der lebenden Materie, das dem Austausch von Informationen dient, mit dem Ziel gemeinsamen, bzw. aufeinander abgestimmten Handelns der Kommunikationspartner“ (Grohnfeldt 1994, S. 77). Durch verbale und non-verbale Signale beeinflussen sich die Kommunikationspartner gegenseitig (vgl. Grohnfeldt 1994, S. 78). Dieser Prozess kann die Partner entweder „be- oder auch entlasten“ (vgl. Fischer 1993, S. 32). Einige Autoren setzen Kommunikation mit Verhalten gleich, indem sie die non-verbalen und paralinguistischen Aspekte betonen (vgl. Watzlawick 1990, S. 23). Nach Hörmann ist Kommunikation die „Fortsetzung des Handelns mit anderen Mitteln“ (Grohnfeldt 1994, S. 78, zit. nach Hörmann 1977). Das Axiom von Watzlawick „Man kann nicht nicht kommunizieren ist auf diese Weise zu erklären (Watzlawick 1990, S. 51). Unsere körperlichen Reaktionen, d.h. die non-verbalen Zeichen, lassen sich nicht abschalten. Sie sind in der Kommunikation mit einem Partner immer präsent. Eine solche Sichtweise macht es auch möglich, bei Menschen „ohne Lautsprache“ Verhaltensweisen als kommunikative Angebote zu interpretieren und aufzugreifen. Man kann kommunikative Kreisprozesse initiieren, bei denen die Gesprächspartner immer wieder auf das Tun des anderen reagieren (vgl. Mall 1998, S. 34). Neben der Kommunikation findet man auch den Ausdruck „Interaktion“. Es gibt keine eindeutige Trennung der beiden Begriffe. Viele Autoren benutzen sie synonym (vgl. Franzkowiak in Braun 1996b, S. 59). Wenn unterschieden wird, dann gilt Interaktion in der Regel als wechselseitige Beeinflussung beim Austausch von Mitteilungen (vgl. Watzlawick 1990, S. 51; Franzkowiak 1996b, S. 59). Dagegen meint Kommunikation den einfachen Austausch www.foepaed.net 10 Kapitel 3: Kommunikation und Sprache von Informationen oder Mitteilungen (vgl. Watzlawick 1990, S. 51). In diesem Sinne ist Kommunikation ein Teilbereich der Interaktion. Der Übergang von einem Prozess zum anderen ist fließend und damit nicht eindeutig festlegbar. 3.1.1.1 Kommunikative Kompetenz Kompetenz bedeutet, sprachwissenschaftlich betrachtet, „die Summe aller sprachlichen Fähigkeiten, die ein Muttersprachler besitzt“ (Duden 1999). Kommunikative Kompetenz bedeutet daher die Fähigkeit, Gespräche einzuleiten, aufrecht zu erhalten und zu beenden (vgl. Franzkowiak 1996b, S. 59). Dies geschieht unter „unter Berücksichtigung von Sozialstatus und Informationsstand des Kommunikationspartners“ (Franzkowiak 1996b, S. 59). 3.1.1.2 Kommunikative Fähigkeiten Sie sind das Fundament der Sprache. Kommunikative Fähigkeiten sind bereits vor der Lautsprache vorhanden. Koerselmann führt folgende Kommunikationshandlungen an: - Aufmerksamkeit für den Partner - Bemerken, wann ein Spiel oder eine Aktivität unterbrochen wird - seine Gefühle zum Ausdruck bringen - während einer Aktivität beachten, wer an der Reihe ist - Annehmen eines angebotenen Objekts - Protestieren oder Abweisen - Wählen - Grüßen - Bitten um Hilfe - Bitten um einen Gegenstand oder eine Aktivität in der direkten Umgebung außerhalb der direkten Umgebung - Ja-Nein-Fragen beantworten - Auskunft erteilen über etwas oder jemand - Bitten um Information - Ausdrücken von Gefühlen, Gedanken und Meinungen - Spaß machen, so-tun-als-ob und necken (Koerselmann 1997, S. 3f) Zu Anfang werden diese Kommunikationshandlungen non-vokal zum Ausdruck gebracht, später vokal (vgl. Koerselmann 1997, S. 4). Die Aufstellung macht deutlich, dass bereits vor dem Erwerb deutlicher Ja-Nein-Symbole, erhebliche Fähigkeiten vorhanden sein können. Diese gilt es bei „nichtsprechenden“ Menschen aufzudecken und auszuweiten. Die kommunikativen Fähigkeiten werden durch andere Komponenten beeinflusst. Frühwirt führt die Bereiche der sprachsystematischen und der sozial-emotionalen Fähigkeiten an. Zur Sprachsystematik gehören Sprachverständnis, Grammatik und Aussprache. Der Begriff so- www.foepaed.net 11 Kapitel 3: Kommunikation und Sprache zial-emotionale Fähigkeit meint Selbstsicherheit und Selbstvertrauen. Frühwirt hält die Förderung der sozial-emotionalen Fähigkeiten für besonders wichtig (vgl. Frühwirt 1994, S. 43). 3.1.1.3 Kommunikative Möglichkeiten Der Begriff „kommunikative Möglichkeiten“ umfasst mehr als kommunikative Fähigkeiten. Fähigkeit bezieht sich auf die Kompetenz eines Individuums (vgl. Duden 1999). Möglichkeit beinhaltet nicht nur das Können, sondern auch die Gelegenheiten zur Kommunikation, die im Umfeld vorhanden sind (vgl. Duden 1999). Dies ist vor allem bei „nichtsprechenden“ Menschen von Bedeutung. Nur wer die Erfahrung macht, dass er erfolgreich kommunizieren kann, hat auch die Motivation dazu. Wenn ein Mensch aber keine Möglichkeit zur Kommunikation bekommt, fehlen ihm auch die positiven Erfahrungen. Häufig sind Eltern verunsichert, wenn ein Kind nicht deutlich auf Ansprache und Kommunikationsversuche reagiert. Gerade bei motorisch eingeschränkten Kindern kann dies erschwert sein. Die Mutter reagiert nicht selten auf undeutliche Signale, mit einem geringeren Einsatz von Mimik und Ansprache dem Kind gegenüber. So bekommt das Kind noch weniger Gelegenheit, seine Reaktionen zu erproben. Es entsteht ein Teufelskreis (vgl. Pickl 1994, S. 28f). Daher gilt im Bereich der Unterstützten Kommunikation die Erweiterung der kommunikativen Möglichkeiten als Ziel. Es sollen bewusst Kommunikationsangebote geschaffen werden (vgl. Kristen 1993, S. 14). 3.1.2 Verschiedene Formen der Kommunikation Eine typische Ausdrucksform der Kommunikation ist die Lautsprache. Sie ist ein „geordnetes System konventioneller Lautzeichen, das zur symbolischen Darstellung von gedanklich erfassten Sinn- und Sachverhalten tauglich ist“ (Pickl 1994, S. 24, zit. nach Kainz). Neben dieser Form gibt es noch andere Kommunikationsarten. Die einzelnen Autoren nehmen hierbei verschiedene Einteilungen vor. Ich möchte zunächst einige Sichtweisen erläutern, um daraus die Aufteilung abzuleiten, die in dieser Arbeit gelten soll. Pickl unterscheidet verbale Sprache, non-verbale und paralinguistische Kommunikationsformen sowie einfache Laute (vgl. Pickl 1994, S. 24). Paralinguistische Phänomene sind nach ihrer Aufteilung Gesichtsausdruck, Körperhaltung, Gestik und Pantomime (vgl. Pickl 1994, S. 24). Unter non-verbalen Formen versteht Pickl Gestik, im Sinne von Gebärden, Symbolsysteme und sogar sämtliche Arten von Kommunikationshilfen, auch solche mit Sprachausgabe (vgl. Pickl 1994, S. 33-47). Es sind also alle Formen, mit denen man Mitteilungen macht, ohne die eigene Lautsprache zu nutzen. Autoren aus dem Bereich der Sprachwissenschaft bezeichnen mit paralinguistischen Formen die Aspekte Tonfall, Tonhöhe etc. Dies sind „Informationen, die nicht selbst sprachlicher Art sind, sich aber im sprachlichen Ausdruck manifestieren“ (vgl. Linke 1996, S. 24). Non- www.foepaed.net 12 Kapitel 3: Kommunikation und Sprache verbale Formen sind, im Unterschied zu Pickl, lediglich Gestik, Mimik, Blickkontakt, Körperhaltung etc. (vgl. Linke 1996, S. 25). Im Rahmen der Unterstützten Kommunikation gilt folgende Unterteilung: der Begriff verbal beschränkt sich nicht nur auf die Lautsprache. Er bezieht generell Sprache, d.h. alle symbolischen Zeichen, die der Kommunikation dienen, mit ein. Lautsprache, Gebärdensprache, Symbolsysteme und auch Sprachgeräte sind damit verbale Kommunikationsformen. Diese Gruppe lässt sich noch weiter untergliedern in vokale und non-vokale Kommunikationsmodi. Elektronische Sprachgeräte und die eigentliche Lautsprache sind vokale Systeme, da sie irgendeine Form der expressiven Sprache nutzen. Non-vokal ist in diesem Sinne jede Kommunikationsform, die sich körpereigener oder externer Formen ohne Sprachausgabe bedient. Gebärden und Symbolsysteme sind daher verbale non-vokale Kommunikationsformen. Non-verbal dagegen, sind Ausdrucksformen, die keinen Symbolcharakter haben, d.h. für die keine Bedeutung vereinbart wurde. Auch hier gibt es non-vokale Formen, wie Mimik und Körperbewegungen. Diese entsprechen den von Linke genannten non-verbalen Aspekten. Vokale Modi sind lachen, wimmern etc. (vgl. Weid-Goldschmidt 2000, S. 25, zit. nach Shane 1980). Ich möchte im folgenden Text die Definition von Linke für den paralinguistischen Aspekt übernehmen. „Paralinguistische“ Kommunikationsformen beziehen sich auf Bereiche, wie Stimmlage, Tonfall und Tonhöhe, die im lautsprachlichen Ausdruck zur Geltung kommen (vgl. Linke 1996, S. 25). Bei der Unterteilung von verbalen/ non-verbalen und vokalen/ nonvokalen Formen beziehe ich mich auf die Definition von Weid-Goldschmidt. Normalerweise sorgen wir unbewusst dafür, dass die verbalen und non-verbalen Verhaltensweisen übereinstimmen. In diesem Sinne „kommentieren“ die non-verbalen Signale unsere Äußerungen (vgl. Grohnfeldt 1999, S. 50). Wenn sich allerdings die beiden Formen widersprechen, verlassen wir uns in der Regel auf den non-verbalen Eindruck. Wir gehen davon aus, dass die Körpersprache „weniger manipuliert werden kann“ (Grohnfeldt 1999, S. 50). Mall beschreibt solche Prozesse als „Doppelbindungs-Situation“. Der Empfänger deutet die Körpersprache des Gegenübers. So kann es zu Missverständnissen kommen, da diese in der Regel nicht bewusst gesteuert wird (vgl. Mall 1998, S. 40). 3.1.3 Bedeutung und Funktion von Kommunikation „Kommunikation ist lebensnotwendig“ (Kristen 1993, S. 9). So oder ähnlich beschreiben die meisten Autoren die Bedeutung von Kommunikation. Da der Mensch „ein zutiefst kommunikatives Wesen“ ist, hat er auch das Bedürfnis, zu kommunizieren (Mall 1998, S. 31). Wird dieser Wunsch erfüllt, indem der Prozess erfolgreich verläuft, kann Kommunikation die „Selbstverwirklichung“ und „persönliche Entfaltung“ fördern (Kristen 1993, S. 9). Wer die www.foepaed.net 13 Kapitel 3: Kommunikation und Sprache Erfahrung macht, dass er verstanden wird und mit seiner Kommunikation seine Umwelt beeinflussen kann, der ist motiviert zu kommunizieren (vgl. Kristen 1993, S. 9). Fröhlich zitiert nach Scherer sechs Funktionen der Kommunikation: „- Kennzeichnung der Identität - Ausdruck des inneren Zustandes - Herstellen von Interaktion - Aufforderungen - Wissensvermittlung - Regulation von Beziehungen“ (Fröhlich 1998, S. 63 zit. nach Scherer) Diese Funktionen sind nicht getrennt zu sehen. Sie müssen als Gesamtheit gefördert werden, da die gesonderte Behandlung einer Funktion eine „Verarmung“ bedeuten würde (Fröhlich 1998, S. 63). Die Motivation zur Kommunikation kann gesteigert werden, indem eine Person die Möglichkeit bekommt, erfolgreiche Kommunikation zu betreiben. Bei Menschen ohne Lautsprache ist es daher besonders wichtig, auch die non-vokalen Kommunikationsfähigkeiten zu fördern (vgl. Frühwirt 1994, S. 29). 3.2 Sprache Wie bereits deutlich wurde, ist die Lautsprache ein mögliches Kommunikationsmittel. Sprache ist „als aktives Handeln zu verstehen, das sich die Aneignung von Umwelt zum Ziel setzt“ (vgl. Rath 1995, S. 233). Sie beginnt bei der „Verwendung des ersten sinnvoll genutzten Begriffes“ (vgl. Grohnfeldt 1999, S. 52). Sprache ermöglicht es, „nichtaktuelle Ereignisse zu repräsentieren bzw. hervorzurufen“ (vgl. Holler-Zittlau 1997, S. 248). 3.3 Kommunikations- und Sprachentwicklung bei nichtbehinderten Kindern Um die kommunikativen Möglichkeiten bei „nichtsprechenden“ Kindern zu fördern, sind Kenntnisse über die Entwicklung von Kommunikation und Sprache notwendig. Am bedeutsamsten ist in diesem Zusammenhang der Bereich der vorsprachlichen Entwicklung. Die präverbale Kommunikation ist die Grundlage für die symbolische Kommunikation (vgl. Kane 1992, S. 303). Daher soll der Schwerpunkt auch auf der Darstellung dieses Bereiches liegen. Dennoch möchte ich kurz die Sprachentwicklung darstellen. Dies hat zwei Gründe: zum einen wurde bereits im Kapitel 2.2 erwähnt, dass „nichtsprechende“ Menschen meistens über geringe Fähigkeiten im Bereich der Lautsprache verfügen. Zum anderen möchte ich unter den Bereich der Sprachentwicklung auch das Sprachverständnis fassen. Das Sprachverständnis spielt eine entscheidende Rolle beim Spracherwerb (vgl. Zollinger 1991, S. 119). Gerade bei „nichtsprechenden“ Menschen entsteht schnell die Diagnose einer „geistigen Behinderung“. Wer nicht sprechen kann, ist scheinbar auch nicht in der Lage, Sprache zu www.foepaed.net 14 Kapitel 3: Kommunikation und Sprache verstehen. Dies ist jedoch eine falsche Schlussfolgerung. Nach Szagun ist das Sprachverständnis bereits vor der aktiven Sprache vorhanden (vgl. Szagun 1996, S. 100). Auf die Darstellung von lerntheoretischen und strukturtheoretischen Modellen zur Erklärung des Spracherwerbs möchte ich hier verzichten. Sie berücksichtigen den vorsprachlichen Bereich nur sehr wenig. In welchem Ausmaß sich die verschiedenen Behinderungen auf die Entwicklung der Kommunikation bei Kindern auswirken, ist noch nicht untersucht worden (vgl. Adam 1993, S. 86). Man geht in der Regel davon aus, dass sich die Blindheit verlangsamend auf die Sprachenwicklung auswirken kann, dies aber nicht zwingend ist. Ob sich die Sprachenwicklung generell von der nichtbehinderter Kinder unterscheidet, ist nicht klar zu sagen (vgl. Gerlinger 1985, S. 68). Ich möchte im Folgenden die normale Entwicklung darstellen, da sie vielfach die Grundlage für eine Kommunikationsförderung ist (vgl. Adam 1993, S. 87). 3.3.1 Interaktionales Entwicklungsmodell Dieses Modell wurde 1987 von Bruner entwickelt. Es geht davon aus, dass Kind und Umwelt sich gegenseitig beeinflussen. Das Kleinkind ruft durch seine Handlung eine Reaktion bei den Bezugspersonen hervor. Dieses Verhalten der Bezugsperson wirkt sich wiederum auf die Entwicklung des Kindes aus. Das Kleinkind erwirbt neue Fähigkeiten, die von den Eltern erkannt und angesprochen werden. Wichtig ist nicht nur die Quantität der Reize, die von Bezugspersonen geboten werden, sondern vor allem auch, wie weit sie auf das Verhalten des Kindes eingehen (vgl. Kristen 1997, S. 32). Eine ständige Über- oder Unterforderung wirkt sich negativ auf die Entwicklung der kommunikativen Fähigkeiten des Kleinkindes aus. Diese Gefahr ist vor allem bei Kindern gegeben, die auf Grund einer schweren Behinderung nur wenige Ausdrucksmöglichkeiten haben. Ihre Signale werden von den Eltern häufig missverstanden (vgl. Kristen 1997, S. 33). Die Unterstützte Kommunikation sieht deshalb die „Beobachtung und Beurteilung der sozialen Interaktion zwischen Eltern bzw. Partner und Kind“ als bedeutend an (Kristen 1997, S. 33). Ihr muss genauso viel Aufmerksamkeit geschenkt werden wie der Anpassung eines geeigneten Kommunikationsmittels (vgl. Kristen 1997, S. 33). 3.3.2 Ganzheitliches Entwicklungsmodell Fröhlich sieht die Entwicklung der Kommunikation in einem ganzheitlichen Gefüge (siehe Abbildung 1) aus sieben verschiedenen Bereichen (vgl. Fröhlich 1998, S. 63). Kommunikation, Bewegung, Gefühle, Wahrnehmung, Kognition, soziale Entwicklung und Körpererfahrung beeinflussen sich gegenseitig (vgl. Kristen 1997, S. 33). Der Begriff „Ganzheitlichkeit“ entzieht sich „weitgehend wissenschaftlicher Beschreibung“ (Fröhlich 1998, S. 63). Fröhlich erläutert ihn in dem Sinne, dass die sieben Bereiche einander gleichwertig beeinflussen. „Es www.foepaed.net 15 Kapitel 3: Kommunikation und Sprache besteht eine Gleichzeitigkeit, Gleichwirklichkeit und Gleichgewichtigkeit dieser Entwicklungsbereiche“ (Fröhlich 1998, S. 64). Abbildung 1: Ganzheitliches Entwicklungsmodell. (entnommen aus: Fröhlich 1998, S. 64) Die Kommunikation steht zwar im Mittelpunkt des Schemas, allen anderen Komponenten wirken aber gleichermaßen auf sie ein. Umgekehrt beeinflusst die Kommunikation auch die übrigen Bereiche (Fröhlich 1998, S. 64). Hieraus folgt zweierlei: Zum einen beeinflusst die Förderung der kommunikativen Fähigkeiten gleichzeitig alle übrigen Bereiche (Bewegung, Körpererfahrung, Gefühle, Kognition, Sozialerfahrung und Wahrnehmung), zum anderen kann die Unterstützung eines anderen Entwicklungsbereiches auf die Kommunikation Einfluss nehmen (vgl. Kristen 1996, S. 10). Keiner der Bereiche darf isoliert betrachtet werden. Die motorische Handlung eines Kindes verursacht z.B. eine taktile Wahrnehmung und ermöglicht auch eine soziale Erfahrung. Das Kind kann durch eine einfache Bewegung eine Interaktion mit der Bezugsperson auslösen. Der Kommunikationspartner geht auf die Bedürfnisse des Kindes ein. Dies wiederum ermöglicht eine Anpassung an die veränderte Umwelt wodurch alle Entwicklungsbereiche beeinflusst werden (vgl. Kristen 1997, S. 34). Ein Kind, das in seiner Motorik und den körperlichen Ausdrucksformen eingeschränkt ist, kann seine Bedürfnisse oft nicht eindeutig vermitteln. Es erlebt wesentlich seltener, dass seine Signale Auslöser für ein passendes Verhalten der Bezugsperson sind (vgl. Kristen 1997, S. 34). www.foepaed.net 16 Kapitel 3: Kommunikation und Sprache 3.3.3 Entwicklung von Kommunikation und Sprache Je nach Autor, wird der Beginn der Kommunikation zu unterschiedlichen Zeiten beschrieben. In den folgenden Ausführungen ist sie, nach G. Kane, ein Austausch zwischen Eltern und Kind, der „von Geburt an“ existiert (Kane 1992, S. 303). Die Entwicklung der Kommunikation verläuft als Kontinuum, d.h. von unspezifischen Äußerungen zu immer differenzierteren Botschaften (vgl. Kane 1992, S. 303). In diesem Sinne stelle ich im Folgenden die Entwicklung von der präverbalen Kommunikation bis hin zur Erwachsenensprache dar. Sprachentwicklung ist der Erwerb von Regeln zur Bedeutung und Verknüpfung von Begriffen (Wortschatz und Grammatik). Gesetzmäßigkeiten zur Artikulation werden erfasst und müssen umgesetzt werden (vgl. Roddewig 1995, S. 32). Sprache entsteht durch „Wechselwirkungen zwischen den Ressourcen des Kindes und der Umwelt“ (Roddewig 1995, S. 32). 3.3.3.1 Früheste Kommunikation, ungezielte Äußerungen In der ersten Phase kann der Säugling nur durch ungezielte Äußerungen seine Bedürfnisse ausdrücken. Die Eltern reagieren auf solche Signale. Die Mutter interpretiert das Verhalten des Kindes durch ihre eigenen Handlungen oder Verbalisierungen. Der Säugling lernt so, dass auf seine Handlungen stets eine Antwort folgt (vgl. Szagun 1996, S. 177f, zit. Bruner). Es entstehen wechselseitige Aktivitätsphasen, da die Reaktion der Mutter wiederum eine Reaktion des Kindes hervorruft. So wird bereits eine erste Dialogfähigkeit angebahnt (vgl. Kane 1992, S. 304). 3.3.3.2 Gezieltes Verhalten (ab ca. 5 Monaten) Der Säugling erkennt einen Zusammenhang zwischen seinem Verhalten und der Reaktion der Umwelt. Er beginnt, gezielt zu handeln. Durch Schreien kann er Mitmenschen herbeirufen (vgl. Kane 1992, S. 306). Die Aufmerksamkeit des Kindes ist zu diesem Zeitpunkt noch auf ein Objekt oder eine Person fixiert. Wenn es etwas erreichen möchte, konzentriert es sich zunächst auf das jeweilige Objekt. Im Laufe dieser Phase erkennt das Kleinkind, dass die Eltern helfen können. Es lernt, die Aufmerksamkeit zwischen der helfenden Person und dem Objekt zu teilen. Dies ist der „wichtigste Schritt zum Erlernen gezielter, d.h. intentionaler, Kommunikation“ (Kane 1992, S. 307). Zu diesem Zeitpunkt lässt sich der Beginn der „Lallperiode“ einordnen. Das Kind produziert nicht nur Laute der eigenen Sprache, sondern auch solche, die in anderen Sprachen vorkommen. Vermutlich ist diese Lautproduktion angeboren, da auch gehörlose Säuglinge Lalltöne von sich geben (vgl. Zimbardo 1995, S. 68). 3.3.3.3 Gezielte Partnerkommunikation (ab ca. 8.-9. Monat) Das Kind übt, Objekte zu beobachten und mit dem Partner darüber zu kommunizieren. Diese Interaktion geschieht durch Mimik, Gestik und Laute. Außerdem findet ein Hin- und Ab- www.foepaed.net 17 Kapitel 3: Kommunikation und Sprache wenden zwischen dem Gegenstand und dem Kommunikationspartner statt. Blicken und Zeigegesten folgt das Kind mit den Augen (vgl. Kane 1992, S. 308). 3.3.3.4 Konventionelle Kommunikation Das Kind macht vermehrt Mitteilungen mit Hilfe konventioneller Signale, z.B. Zeigegesten. Eine Interaktion findet statt, wenn die Eltern Objekte benennen, auf die das Kind zeigt. So wird eine wichtige Grundlage für die nächste Stufe, die Stufe der Benennung oder „symbolischen Kommunikation“ gelegt (vgl. Kane 1992, S. 310). Neben der Zeigegeste gibt es vielfältige andere „konventionelle Gesten“. Lautliche Äußerungen nehmen immer mehr zu. Das Kind ahmt Sprachmelodien nach und führt „Lallmonologe“ (Kane 1992, S. 310). Eltern betonen in der Kommunikation mit dem Kleinkind einzelne Wörter und heben sie so hervor. Dadurch kann das Kind bestimmte Vokabeln herausfiltern und erlernen (vgl. Szagun 1996, S. 192). 3.3.3.5 Symbolische Kommunikation (ab ca. Ende des ersten Lebensjahres) Das Kind spricht bereits erste Wörter, die es in verschieden Situationen anwendet. Gesten bleiben ein wichtiges Kommunikationsmedium, da die lautsprachliche Kommunikation überwiegend erst ab dem 20. Monat eingesetzt wird (vgl. Kane 1992, S. 311). Untersuchungen haben gezeigt, dass visuelle Symbole leichter zu erlernen sind als akustische. Daher kann auch die Gebärdensprache schneller erlernt werden als die konventionelle Lautsprache (vgl. Kane 1992, S. 312). 3.3.3.6 Beginn des Sprechens Die Sprache besteht aus Symbolen. Symbole sind „innere Vorstellungsbilder“ von einem Objekt. Bevor Kinder den Erwerb konventioneller Symbole erreichen, schaffen sie sich selbst so genannte individuelle Symbole (vgl. Szagun 1996, S. 76). Sie ersetzen z.B. Lebewesen durch Gegenstände. Ein weiches Fellstück kann z.B. eine „Katze“ darstellen. Die Objekte werden nach bestimmten Kriterien als Ersatz verwendet. Sie weisen Ähnlichkeiten mit dem Original in Farbe, Form oder Oberflächenbeschaffenheit auf. Diese Symbole sind sehr flexibel. Sie werden häufig erneuert (vgl. Szagun 1996, S. 76). Am Ende des Spracherwerbs steht die Verwendung konventioneller Symbole in Form von Wörtern. Die Lautsprache besteht aus willkürlichen Lautfolgen, die etwas Bestimmtes repräsentieren. Diese Symbole werden dem Kind „von außen angeboten“ (Szagun 1996, S. 77). Sie sind einheitlich festgelegt und nicht veränderbar. Wenn das Kind eine Lautfolge benutzt, ohne die Bedeutung zu verstehen, spricht man von „Verbalismus“ (Bretz u.A. 1994, S. 225). Sprache befähigt uns, erkannte Realitäten durch Symbole zu repräsentieren (vgl. Szagun 1996, S. 77). www.foepaed.net 18 Kapitel 3: Kommunikation und Sprache Erste Wörter Begriffe beinhalten das Wissen eines Individuums über die Welt. Sie entstehen aus dem handelnden Umgang mit der Umgebung (vgl. Grohnfeldt 1991, S. 6). Somit ist ein Begriff eine individuelle Bedeutung. Die Wortbedeutung ist die „verbale Form des Begriffs“ (Szagun 1996, S. 105). Sie ist konventionell festgelegt (vgl. Szagun 1996, S. 138). „Das Wort erhält seine Bedeutung durch die Verknüpfung mit dem Begriff“ (Szagun 1996, S. 139). Ein Kind kann bereits einen Begriff für ein Objekt haben, ohne die Bedeutung erworben zu haben. Das heißt, es erkennt z.B. einen Hund wieder, aber kann ihn nicht benennen (vgl. Szagun 1996, S. 103). Das Kind muss lernen den Bezug zwischen einem Begriff und einem Objekt herzustellen. Dies geschieht vielfach über die unmittelbare Wahrnehmung des Gegenstandes (vgl. Schmalohr 1985, S. 62). Zum ersten Vokabular gehören oft „Gegenstände und Personen, die sich im direkten Umkreis des Kindes befinden“ (Szagun 1996, S. 100). Es lernt die Namen der Gegenstände kennen, mit denen es ständig umgeht. Dies sind in der Regel zunächst Substantive. Ab dem 2. Lebensjahr kommen Adjektive hinzu, die einen Zustand beschreiben, z.B. heiß, kalt etc. (vgl. Szagun 1996, S. 100). Innere Zustände, z.B. Gefühle, werden ab dem dritten Lebensjahr über Verben wie „wollen“, „freuen“ etc. ausgedrückt (vgl. Szagun 1996, S. 100). Sobald die ersten 50-100 Wörter gelernt sind, beginnt ein „Vokabelspurt“. Die Kinder haben dann begriffen, dass jeder Gegenstand einen Namen hat. Sie wollen immer mehr Wörter erlernen und erweitern so ihren Wortschatz schnell (vgl. Szagun 1996, S. 101). Zu Beginn verbindet das Kleinkind mit einem Wort immer nur wenige Merkmale. Es kann die eigentliche Wortbedeutung noch nicht erfassen (vgl. Szagun 1996, S. 105). Das Wort wird daher zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedlich genutzt. Häufig findet eine Über- oder Unterdehnung statt (vgl. Szagun 1996, S. 120). Bei der Überdehnung verwendet die Person den Namen für viele Gegenstände. Z.B. ist alles, was fährt ein Auto. Diese Gegenstände haben dann entweder ein gemeinsames Merkmal oder sie treten in ähnlichen Situationen auf (vgl. Szagun 1996, S. 125). Zu einer anderen Zeit kann der gleiche Begriff unterdehnt werden. Das bedeutet, das Wort „Auto“ gilt z.B. nur für alle roten Autos (vgl. Szagun 1996, S. 119). Je mehr Merkmale das Kind mit einem Begriff verbindet, desto näher kommt es an die eigentliche Wortbedeutung heran (vgl. Szagun 1996, S. 105). Zwei-Wort-Sätze Das Kind benutzt die Kombination von zwei Wörtern, um etwas auszudrücken. In unterschiedlichen Sprachen lassen sich diesen Sätzen ähnliche Bedeutungskategorien zuweisen. Sie symbolisieren Handlungsträger und Handlung (z.B. „Ball rollt"), Handlung und Objekt (z.B. „gib Ball") oder Person und Lokalisierung (z.B. „Mama da") (vgl. Szagun 1996, S. 78). www.foepaed.net 19 Kapitel 3: Kommunikation und Sprache Brown u.a. folgerten aus Untersuchungen von 1973, dass diese Äußerungen universell sind (vgl. Szagun 1996, S. 78). Für die Interpretation der Sätze muss der Kontext bekannt sein (vgl. Zimbardo 1995, S. 69). Telegrammstil Zu dieser Zeit machen die Kinder Aussagen, ohne Funktionswörter, z.B. Artikel, zu verwenden. Sie beschränken sich auf Inhaltswörter, meist Substantive und Verben. Es fehlen Plural- und Tempusendungen (vgl. Zimbardo 1995, S. 69). Die Sätze können unterschiedlicher Länge sein. Kinder erlernen die Sprache, indem sie das Gehörte in seine einfachsten Bestandteile zerlegen. Sie „entwickeln dann Regeln, auf Grund derer sie die Teile der Sprache selbst zusammensetzen“ (Zimbardo 1995, S. 72). Diese Regeln entsprechen dem jeweiligen Entwicklungsstand des Kindes (vgl. Zimbardo 1995, S. 72). Frühgrammatische Phase Die Kinder beginnen, aus dem Gehörten Flexionsregeln10 abzuleiten. Langsam erlernen sie den Zeitbegriff. Zu diesem Zeitpunkt erreicht das Fragealter seinen Höhepunkt. Zum Ende der Phase beginnt die Annäherung an die Erwachsenensprache (vgl. Grohnfeldt 1999, S. 56). 3.4 Zwei Spracherwerbsstile Szagun u.a. unterscheiden zwei Typen von Spracherwerbsstilen. Sie scheinen zwar zunächst grundsätzlich verschieden zu sein, schließen sich aber nicht gegenseitig aus. In der Regel folgt ein Kind zunächst dem einen Stil und wechselt später zu dem anderen über. Die beiden Stile unterscheiden sich stark in der Menge des Vokabulars, das aktiv und passiv bekannt ist (vgl. Szagun 1996, S. 241). Es lässt sich aber aus keinem der beiden Stile ein langsamerer oder schnellerer Spracherwerb ableiten (vgl. Szagun 1996, S. 250). 3.4.1 Referenzieller Spracherwerb Die referenziellen Lerner benutzen vorwiegend Objektwörter, die Hälfte der Begriffe sind Nomen (vgl. Szagun 1996, S. 235). Diese Kinder sprechen die bekannten Wörter sehr deutlich aus. Die Aussprache ist unflexibel. Auch bei einer Korrektur von den Bezugspersonen wird eine falsche Aussprache zunächst nicht verändert (vgl. Szagun 1996, S. 246). Die Kinder sind in der Lage, die erworbenen Begriffe auch kontextunabhängig zu verwenden. In der Phase des Telegrammstils benutzen sie kaum Grammatik, sondern lediglich Inhaltswörter (vgl. Szagun 1996, S. 241f). 10 Flexion: Deklination oder Konjugation eines Wortes (vgl. Duden 1997) www.foepaed.net 20 Kapitel 3: Kommunikation und Sprache 3.4.2 Expressiver Spracherwerb Diese Kinder verwenden viele Pronomen und stereotype Ausdrücke, wie „hör auf“ (vgl. Szagun 1996, S. 235f). Sie beziehen sich mit ihrer Sprache auf andere Menschen oder auf sich selbst (vgl. Szagun 1996, S. 235f). Es werden bereits einige wenige Funktionswörter mit Inhaltswörtern kombiniert. Die Kinder imitieren die Lautsprache ihrer Bezugspersonen. Daher kommt es auch zur Verwendung von Floskeln (vgl. Szagun 1996, S. 243). Dies sind längere Ausdrücke, die vermutlich durch Nachahmung gelernt werden. Durch das Imitieren der sprachlichen Strukturen scheint diese Gruppe „grammatisch fortgeschrittener“ zu sein (Szagun 1996, S. 243). In der Spontansprache sind die grammatischen Strukturen allerdings noch nicht verinnerlicht (vgl. Szagun 1996, S. 243). Die Kinder spielen mit der Intonation von Tonhöhe und Lautstärke. Die Aussprache ist oft so undeutlich, dass die Wörter verständlich sind (vgl. Szagun 1996, S. 246). Diese Kinder gehen insgesamt ganzheitlich an die Sprache heran und segmentieren weniger die referenzielle Gruppe (vgl. Szagun 1996, S. 247). 3.5 Sprachverständnis Das Verstehen der Welt und das Sprachverständnis sind zwei unterschiedliche Dinge. Sprachverständnis erfordert ein Verständnis der Welt. Das Weltverständnis dagegen kann sich bis zu einem gewissen Punkt ohne ein Sprachverständnis entwickeln (vgl. Zollinger 1991, S. 111). Die Voraussetzung für ein Sprachverständnis stellen Prozesse der Individuation und Identifikation dar. Der Mensch muss erfahren, dass andere Personen, je nach Situation, ähnliche oder auch völlig andere Gefühle zeigen wie er selbst (vgl. Zollinger 1991, S. 111). So kann er sich selbst gegenüber der Umwelt als eigene Person wahrnehmen. Der nächste Schritt ist die Erkenntnis, dass die anderen Dinge Namen haben. Daher nennt Zollinger einige Grundbedingungen für die Entwicklung des Sprachverständnisses: Das Kind muss sich zunächst für einen Gegenstand oder eine Handlung interessieren. Es lernt, dass in der Umwelt verschiedene Personen und Objekte vorhanden sind und beschäftigt sich mit ihnen. Die Bezugspersonen reagieren darauf. Das Kleinkind muss aufmerksam zuhören und sich für die Kommentare der Eltern interessieren, damit es die Bezeichnung für einzelne Objekte oder Personen kennen lernt. In einem weiteren Schritte entwickelt das Kind Strategien, um neue Wörter zu erlernen. Es findet heraus, wie es die Eltern zum Benennen von Gegenständen bringen kann (vgl. Zollinger 1991, S. 113). Im 2. Lebensjahr wird einzelnen Wörtern eine Bedeutung zugeordnet. Sie ist zunächst noch eng an die Handlung gebunden. Als Reaktion auf eine sprachliche Äußerung führt das Kind eine Handlung aus (vgl. Zollinger 1991, S. 114). Das Sprachverständnis spielt eine entscheidende Rolle beim Spracherwerb. Eine Störung wirkt sich auch auf die Produktion der Sprache aus (vgl. Zollinger 1991, S. 119). www.foepaed.net 21 Kapitel 3: Kommunikation und Sprache 3.6 Kommunikations- und Sprachentwicklung unter erschwerten Bedingungen Die verschiedenen Autoren betonen, dass sich keine eindeutige Sprachstörung beschreiben lässt, die ihre Ursache in einer verminderten Sehfähigkeit hat (vgl. Rath 1995, S. 234). Blindheit scheint eine Komponente zu sein, die sich auf die Sprachentwicklung nur in sehr geringem Maße negativ auswirkt (vgl. Rath 1995, S. 230). Einzelne Phasen in der Kommunikations- und Sprachentwicklung können jedoch durchaus beeinträchtigt sein, wenn ein geringes Sehvermögen vorliegt (vgl. Rath 1995, S. 234). Hudelmayer u.a. geben an, je früher eine Sehbehinderung eintritt und je stärker sie ausfällt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Sprachstörung (vgl. Hudelmayer 1982, S. 385). Kinder mit einer Mehrfachbehinderung, bei der eine Komponente die Blindheit ist, zeigen auffällig oft Sprachstörungen (vgl. Rath 1995, S. 232). Es fehlt jedoch jegliche Erläuterung, ob die Blindheit die entscheidende Komponente für die Sprachstörung ist. Ich möchte im folgenden Teil darauf eingehen, wie sich verschiedene Behinderungen auf die Sprachentwicklung auswirken können. 3.6.1 Früheste Kommunikation, ungezielte Äußerungen In dieser Phase werden die Grundlagen für eine Dialogfähigkeit gelegt. Indem Eltern mit ihrem Kind wechselseitig interagieren, schaffen sie entsprechende Voraussetzungen. Bei Kindern mit einer Behinderung liegen oft ungünstige Bedingungen für die Sprachentwicklung vor. Vor allem bei Mehrfachbehinderten treten häufig Probleme in mehreren Bereichen auf. Für die Eltern ist es zunächst schwierig, die Schädigung des Kindes anzunehmen und damit umzugehen. Statt in Interaktion mit dem Säugling zu treten, ziehen sie sich von ihm zurück (vgl. Rath 1995, S. 234). Das Kind, das eigentlich besonders viele Dialogsituationen bräuchte, um gut kommunizieren zu lernen, bekommt weniger Gelegenheiten geboten als nötig. Gerade Kinder mit einer Mehrfachbehinderung bringen in frühen Lebensjahren viel Zeit im Krankenhaus zu. So sind die Eltern nicht so viel Zeit mit dem Kind zusammen, wie wenn es sich zu Hause aufhält. Es entstehen insgesamt weniger kommunikative Situationen, in denen das Kind Lernmöglichkeiten hat (vgl. Kane 1992, S. 305, vgl. auch Gerlinger 1985, S72). Signale, die einen Dialog initiieren, sind oft ganz spezifisch durch die jeweilige Behinderung geprägt. Sie können für die Bezugspersonen zunächst schwer zu deuten sein. Im schlimmsten Fall ist es möglich, dass sie negative Gefühle oder sogar Abwehrreaktionen hervorrufen, statt den Wunsch zu helfen (vgl. Kane 1992, S. 305). Bei Kindern mit einer Sehschädigung ergibt sich weiterhin, dass die Kommunikation über Mimik erschwert ist. Frühe Dialoge zwischen Eltern und Kind geschehen meist auf der Grundlage von Blicken. Dies ist bei blinden Kindern gar nicht oder nur in sehr geringem Ma- www.foepaed.net 22 Kapitel 3: Kommunikation und Sprache ße möglich (vgl. Kane 1992, S. 305). Oft fehlen bestimmte Signale, die positive Gefühle bei den Kommunikationspartnern auslösen (vgl. Kane 1992, S. 305). Für blinde Säuglinge ist das Zuhören besonders wichtig. Statt bei Ansprache das Gesicht in Richtung des Gesprächspartners zu drehen, wenden sie anfangs den Kopf ab. Dies dient der Verbesserung der Aufmerksamkeit, da das Verknüpfen der lautlichen Erfahrungen beider Ohren erst später gelernt wird. Die Eltern können ein solches Verhalten schnell missverstehen und als Desinteresse deuten. Das Hinwenden des Kopfes zum Kommunikationspartner geschieht erst, wenn die aufgenommenen Reize der beiden Ohren miteinander verknüpft werden können (vgl. Dik 1985, S. 77f). Es ist einsichtig, dass bei mehrfachbehinderten Kindern die oben angeführten Probleme verstärkt auftreten. Als Kompensation ist es nötig, taktile und akustische Erfahrungsmöglichkeiten zu schaffen, in denen sich die Bedürfnisse des Kindes wiederfinden (vgl. Rath 1995, S. 235). Wenn es den Kommunikationspartnern gelingt, erste Dialogformen, die über Mimik und Gestik ablaufen, durch differenzierte „Körperspiele und Lautproduktionen“ zu ersetzen, muss sich die Blindheit nicht negativ auf die Sprachentwicklung auswirken (vgl. Schmalohr 1985, S. 60) 3.6.2 Gezieltes Verhalten Während das nichtbehinderte Kind gezielt nach Gegenständen greift, die sein Interesse wecken, geschieht dies bei Kindern mit Einschränkungen meist in viel geringerem Maße. Sie scheinen oft passiv und wenig interessiert zu sein. Die Ursachen hierfür sind vielfältig. Ein Kind mit einer motorischen Einschränkung kann zwar vielleicht einen interessanten Gegenstand sehen, ist aber nicht in der Lage, ihn zu erreichen. Wenn es nicht gelernt hat, von den Eltern Hilfe einzufordern, verliert das Kleinkind schnell das Interesse an dem Objekt (vgl. Kane 1992, S. 307f). Bei sehgeschädigten Kindern kommt erschwerend hinzu, dass sie kaum visuelle Reize aus der Umwelt wahrnehmen. Interessante Gegenstände in der Umgebung fallen ihnen nicht auf, solange keine akustischen oder taktilen Reize vorliegen. Somit ist die Umgebungserkundung weitgehend auf den direkten Tastraum beschränkt. Die Greifbewegung ist zwar schon früh entwickelt, aber eine gezielte Orientierung an Geräuschen gelingt erst gegen Ende des ersten Lebensjahres. Dann kann die Bewegung gezielt an der Lokalisation von Geräuschen ausgerichtet werden (vgl. Dik 1985, S. 80). Die Produktion der Lalltöne erfolgt als Reaktion auf die Erkundung der Umgebung. Wenn diese nur in einem geringen Ausmaß wahrgenommen wird, ist möglicherweise auch die Lautproduktion verzögert (vgl. Zuckrigl 1975, S. 215). Daher sollten die Kinder gezielt Erfahrungsmöglichkeiten geboten bekommen, damit ihr Interesse an der Umwelt geweckt wird (vgl. Rath 1995, S. 235). Bei blinden Kindern fehlt die visuelle Kontrolle, ob ein Zuhörer anwesend ist. Um sich zu vergewissern, dass jemand zuhört, benötigt es Kontrollsysteme wie Körperkontakt, Rufen www.foepaed.net 23 Kapitel 3: Kommunikation und Sprache oder Schreien. Die Bezugspersonen können evtl. gerade Formen wie Schreien missverstehen und ihren Kontakt zu dem Kind abbrechen (vgl. Schmalohr 1985, S. 61). 3.6.3 Gezielte Partnerkommunikation Diese Phase beruht weitgehend auf dem Austausch von Blicken. Bei blinden Kindern ist dieser Teil der Kommunikation erheblich erschwert, da „das sehgeschädigte Kind nur in geringem Maße in der Lage ist, Mimik und Gestik seiner Mitmenschen aufzunehmen“ (vgl. Hudelmayer 1976, S. 3). Die Teilung der Aufmerksamkeit, die auf Blicken beruht, ist unter den Bedingungen von Blindheit oder Sehschädigung nicht oder nur eingeschränkt möglich. Beobachtung und Nachahmung von Gestik und Mimik des Gegenübers beschränken sich weitgehend auf taktile Reize (vgl. Kane 1992, S. 305). Das Kind muss außerdem sichergehen, dass der Kommunikationspartner den gemeinten Gegenstand ebenfalls wahrnimmt und seine Aufmerksamkeit darauf lenkt (vgl. Schmalohr 1985, S. 61). Hierbei ist das blinde Kind auf taktile und akustische Reize angewiesen. 3.6.4 Konventionelle Kommunikation Zeigegesten sind ein wichtiger Faktor beim Bedeutungserwerb. Indem das Kleinkind auf etwas deutet, bekommt es ein Wort genannt, das es mit seinen visuellen Erfahrung verknüpfen kann. Bei blinden Kindern ist es wichtig, den Begriffserwerb durch taktile und akustische Erfahrungen zu unterstützen. Die Handlungen des Kindes sollten grundsätzlich durch sprachliche Äußerungen begleitet werden. So bekommt das Kind Gelegenheit die Sprache mit der taktilen Erfahrung zu verbinden. Wenn dies nicht entsprechend geschieht, kann es zu „Verbalismus“ kommen. Das Kind benutzt leere Worthülsen, die nicht mit Inhalten aus der Vorstellung gefüllt sind (vgl. Rath 1995, S. 237). Oft wird diese Stufe bei Mehrfachbehinderten nicht als kurzer Übergang durchlaufen, sondern zieht sich über eine lange Zeit hin (vgl. Kane 1992, S. 311). 3.6.5 Symbolische Kommunikation Sehende Kinder beginnen mit der Lautbildung, indem sie die Artikulation von ihrem Kommunikationspartner imitieren (vgl. Schmalohr 1985, S. 56). Bei verschiedenen Behinderungsformen ist dies erheblich verzögert. Kinder mit geistiger Behinderung können durch vielfältige Möglichkeiten, wie Gebärden oder bildliche Darstellungen in ihrem Spracherwerb unterstützt werden (vgl. Kane 1992, S. 312). 1983 führte Mills eine Untersuchung durch, um zu überprüfen, ob bei blinden Kindern die Lautbildung generell erschwert ist. Sie unterschied zwischen Lauten, deren Artikulationsweise deutlich visuell zu erkennen ist (z.B. [p], [m]) und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist (z.B. [g], [t] (vgl. Schmalohr 1985, S. 56). Die Untersuchung ergab, dass die blinden Kinder www.foepaed.net 24 Kapitel 3: Kommunikation und Sprache lediglich bei den zuerst genannten Lauten Schwierigkeiten in Vergleich zu den sehenden Altersgenossen zeigten. Mills stellte einen „begrenzten Ausfall“ fest (Schmalohr 1985, S. 56). Es fehlt allerdings eine Erklärung darüber, wie weit sich solche Probleme auf die Sprachentwicklung auswirken (vgl. Schmalohr 1985, S. 18). 3.6.5.1 Erste Wörter Das Kind muss den Bezug zwischen dem Begriff und einem Objekt herstellen können (vgl. Schmalohr 1985, S. 62). Um dies bei blinden Kindern zu erleichtern, sollten gezielt Objekte dargeboten werden. Das Kind kann so den Gegenstand ertasten und direkt die Bezeichnung dafür erlernen (vgl. Zuckrigl 1975, S. 216). Die Vorstellung von dem Gegenstand erfolgt über Tast- und Hörerfahrungen. Diese können nur sukzessiv11 gemacht werden, d.h. einzelne Erfahrungen müssen miteinander verknüpft werden (vgl. Schmalohr 1985, S. 63). Dadurch ist evtl. die Begriffsbildung erschwert. Letztendlich lernen aber blinde Kinder „dieselben lexikalischen Ausdrücke und thematischen Beziehungen in annähernd der gleichen Reihenfolge wie sehende Kinder“ (Schmalohr 1985, S. 63). 3.6.6 Der weitere Spracherwerb Landau beschreibt den weiteren Spracherwerb wie bei sehenden Kindern. Die zuerst erlernten Wörter entsprechen dem Wortschatz normalsichtiger Kinder (vgl. Landau 1985, S. 30). Die Sprache entwickelt sich zwar teilweise zeitlich verzögert, bis zum 3. Lebensjahr ist aber ein altersgemäßer Wortschatz erreicht (vgl. Mills 1983, S. 12). 11 sukzessiv: „allmählich, nach und nach, schrittweise erfolgend“ (Duden 1999) www.foepaed.net 25 Kapitel 4: Konzepte zur Anbahnung von kommunikativen Fähigkeiten 4 Konzepte zur Anbahnung von kommunikativen Fähigkeiten Im Folgenden möchte ich einige Konzepte zur Anbahnung und Erweiterung der kommunikativen Fähigkeiten vorstellen. Dieses Kapitel beschreibt zwei Förderansätze, die sich jeweils auf eine bestimmte Stufe der kommunikativen Entwicklung beschränken. Das nächste Kapitel geht dann ausführlich auf den Ansatz der Unterstützten Kommunikation ein. Dieser berücksichtigt alle Phasen der kommunikativen Entwicklung. Die Basale Stimulation nach Mall ist ursprünglich für autistische und schwerstbehinderte Menschen konzipiert. Für eine Förderung sind keinerlei Voraussetzungen bei dem Behinderten nötig. Eine Kommunikationsbasis wird allein über die körperliche Begegnung geschaffen (vgl. Braun 1997a, S. 8ff). Die Methode nach Jan van Dijk wurde speziell für taubblinde Kinder entwickelt. Das Ziel ist zunächst die Anbahnung eines Signal- und Symbolverständnisses, als Grundlage für ein später eingesetztes Kommunikationssystem (vgl. Köhler 1988, S. 136). 4.1 Basale Kommunikation nach Mall Diese Form der Kommunikationsanbahnung entstand aus der praktischen Arbeit in einem Heim für Menschen mit einer geistigen Behinderung. Es soll kein Förderkonzept im eigentlichen Sinne sein. Mall möchte Anregungen geben, um Situationen der Begegnung mit schwerstbehinderten Menschen zu schaffen. Seine Vorschläge sind als Anstöße zu sehen, die individuell auf die zu fördernde Person abgestimmt werden müssen (vgl. Mall 1984, S. 3). Man beschränkt sich auf basale Grundbedürfnisse der Kommunikation. Der Begriff „basal“ bedeutet, in Anlehnung an Fröhlich, die Voraussetzungslosigkeit (vgl. Mall 1984, S. 3). Basale Kommunikation ist eine Art, mit Menschen in Kontakt zu treten (vgl. Mall 1998, S. 62). Die Sprache rückt dabei in den Hintergrund, sie darf sich nur auf die aktuelle Situation beziehen. Die Basale Kommunikation wendet sich an Menschen, die sich selbst nur schlecht oder gar nicht mitteilen können (vgl. Mall 1984, S. 1). Es werden vor allem autistische12 Menschen mit oder ohne zusätzliche Beeinträchtigung und Menschen mit einer schweren geistigen Behinderung angesprochen. Die Art des Kontaktaufbaus richtet sich immer nach den individuellen Bedingungen, unter denen eine Begegnung stattfindet (vgl. Mall 1998, S. 62). Mall beschreibt den sprechenden Menschen als aktiven Partner, während die Person mit einer schweren Behinderung einen passiven Part übernimmt. 12 Autismus: Schwer zu definierende Verhaltensstörung. Ablehnung von Zuwendung schon im Kleinkindalter und verminderte emotionale Bindungsfähigkeit. Oft wird das Sprechen nicht erlernt (vgl. Franzkowiak 1996b, S. 58). www.foepaed.net 26 Kapitel 4: Konzepte zur Anbahnung von kommunikativen Fähigkeiten Wir nutzen verschiedene Kommunikationskanäle, um Kontakt zu anderen aufzunehmen. Personen, die über Lautsprache kommunizieren, setzen vorwiegend Blickkontakt, Sprache, Mimik und Gestik ein. Dagegen verdeutlichen uns Menschen mit schwersten Behinderungen auf anderen Wegen ihre Bedürfnisse. Um mit ihnen in Kontakt zu treten, müssen wir Atemrhythmus, Lautäußerungen, Berührungen und Bewegungen beobachten. Einen Menschen, der nicht kommuniziert gibt es nicht. Es ist allerdings möglich, dass die Kanäle der Kommunikationspartner nicht zueinander passen und somit zu einer Person scheinbar kein Zugang möglich ist (siehe Abbildung 2). Ziel ist daher, die Kanäle aufeinander abzustimmen und sensibel für Mitteilungen zu werden (vgl. Mall 1984, S. 4). Abbildung 2: Die eingesetzten Kommunikationskanäle „passen“ nicht (entnommen aus: Mall 1984, S. 4) Die Basale Kommunikation nutzt vor allem den Atemrhythmus als Kommunikationskanal. „Sie nimmt den Ausdrucks- und Mitteilungscharakter des Atemverhaltens ernst und versucht, auf der Ebene des Atemrhythmus mit dem Partner in einen Austausch zu treten, zu spüren, wie ihm ist, ihm mitzuteilen, wie man zu ihm steht, zu erreichen, dass er sich besser fühlt“ (Mall 1984, S. 5). Der Atemrhythmus sagt viel über eine Person aus. Die derzeitige Stimmungslage des Menschen, seine Befindlichkeit, z.B. Anspannung oder Freude, lassen sich daran ablesen. Nach Mall gibt die Atmung weiterhin Auskunft über die Persönlichkeit des Menschen (vgl. Mall 1984, S. 5). Der Atemrhythmus funktioniert autonom, ist aber teilweise steuerbar. Bei der Basalen Kommunikation versucht der aktive Partner, sich in den Rhythmus des anderen einzufühlen und sich auf ihn einzulassen. Die Befindlichkeit des Gegen- www.foepaed.net 27 Kapitel 4: Konzepte zur Anbahnung von kommunikativen Fähigkeiten übers soll genauestens erspürt werden. Indem der aktive Partner sich dem anderen anpasst, zeigt er ihm, dass er sich für ihn interessiert und ihn verstehen möchte. Eine für beide Beteiligten Personen angenehme Körperhaltung und Distanz sind individuell zu erproben (vgl. Mall 1998, S. 65). Zunächst kann ein so intensiver Kontakt nur einige Minuten dauern. Die Zeitspanne der Förderung ist nach und nach zu verlängern (vgl. Mall 1998, S. 67). Neben dem Atemrhythmus nutzt die Basale Kommunikation weitere Kommunikationskanäle, die bereits in frühen Mutter-Kind-Beziehungen eine Rolle spielen. 4.1.1 Primäre Kommunikation als Grundlage für einen Austausch Als Basis für jeden Kommunikationsprozess beschreibt Mall eine Form der Beziehung, die schon zwischen Mutter und Neugeborenem funktioniert. Bereits in den ersten Kontakten mit der Mutter finden „feinste aufeinander abgestimmte wechselseitige Beeinflussungen“ statt (Mall 1998, S. 35). Dies ist eine erste Form der Kommunikation. Die Mutter reagiert auf das Schreien des Säuglings und bemüht sich, seine Bedürfnisse zu befriedigen. Das Kind kann sich entspannen. Je besser die Situation in der Familie auf den Säugling abgestimmt ist, desto eher entwickelt er ein Ur-Vertrauen. Verläuft die Eltern-Kind-Beziehung negativ, so kann dies die emotionale, körperliche, soziale und kognitive Entwicklung beeinträchtigen (vgl. Mall 1998, S. 35f). Diese Grundeinstellung soll auf Menschen mit einer schweren geistigen Behinderung übertragen werden. Über die Kanäle Bewegung, Berührung und Lautäußerungen regt die Bezugsperson so genannte primäre Kreisprozesse an (siehe Abbildung 3), um eine Kommunikation zu ermöglichen (vgl. Mall 1998, S. 38). Mit „primärer Kommunikation“ ist keine Sonderform der Kommunikation gemeint, sondern vielmehr eine Erfahrung, „die am Anfang von Entwicklung steht“ (Mall 1998, S. 86). Die Kreisprozesse stellen die Grundlage für jede weitere Entfaltung der Kommunikation dar (vgl. Mall 1998, S. 86). Ein solcher Kreisprozess umfasst vier Schritte (vgl. Mall 1998, S. 34). Der „nichtsprechende“ Mensch führt eine Handlung aus, die von der Bezugsperson vorsichtig interpretiert wird. Sie nimmt das Verhalten als Äußerung wahr und sieht es als kommunikatives Angebot. Es folgt eine passende Erwiderung des sprechenden Partners. Der behinderte Mensch reagiert nun seinerseits auf die Antwort und zeigt damit, dass er diese erhalten hat. Jetzt wird auch deutlich, ob die Reaktion der Bezugsperson angemessen war. Damit kann der Kreisprozess von Neuem beginnen (vgl. Mall 1998, S. 33). Solche Kreisprozesse sollten die Grundlage in jeder Kommunikationsförderung sein. Die dort Einfluss nehmenden non-verbalen Kommunikationsformen sind in jedem Kommunikationsprozess präsent. Die non-verbalen Anteile rücken allerdings üblicherweise in den Hintergrund, da wir uns auf die Sprache konzentrieren. Es kann im Einzelfall passieren, dass sich die non-verbalen und verbalen Signale widersprechen. Mall spricht dann von einer „Doppelbindungs-Situation“ (Mall 1998, S. 41). In solchen Fällen verlässt sich der Partner eher auf www.foepaed.net 28 Kapitel 4: Konzepte zur Anbahnung von kommunikativen Fähigkeiten die Körpersprache. Es können Missverständnisse entstehen, da wir die nicht-sprachlichen Zeichen in der Regel nicht bewusst steuern (vgl. Mall 1998, S. 41). Um die Ausdrucksmöglichkeiten des eigenen Körpers zu nutzen, muss man sie bewusst einsetzen (vgl. Mall 1998, S. 44). Der aktive Partner soll daher lernen, die Körpersprache des behinderten Menschen genau zu beobachten und seine eigenen non-verbalen Signale bewusst zu steuern (vgl. Mall 1998, S. 40). Für Menschen mit Behinderungen gibt es Übungen, mit denen diese ihren Körper bewusst erleben können (vgl. Mall 1998, S. 50). Ein Partner massiert auf eine bestimmte Art und Weise den Körper des behinderten Menschen, sodass dieser alle Einzelteile seines Körpers spürt (vgl. Mall 1998, S. 50ff). DU Der andere tut irgend etwas. Der andere nimmt mein Tun als auf ihn bezogene Antwort wahr. ICH Ich beziehe den andern und Ich antworte mit einem „pas- sein Tun auf mich, nehme senden“ Tun. sein Verhalten als Äußerung wahr. Abbildung 3: Der Kreislauf der primäre Kommunikation (entnommen aus: Mall 1998, S. 34) 4.1.2 Prinzipien der Förderung Die Förderung soll Rituale, d.h. möglichst häufig wiederkehrende Situationen, schaffen. Solche Situationen erleichtern es dem Menschen, sich auf die Kommunikation einzulassen. Erfolgt in diesen alltäglichen Situationen immer die gleiche Ansprache, so lernt die Person mit einer kognitiven Einschränkung, darauf jeweils in der gleichen Weise zu reagieren. Das Verhalten des Behinderten wird dann von dem aktiven Partner möglichst genau wiedergegeben. Der behinderte Mensch erkennt, dass ein Interesse an seinen Äußerungen besteht (vgl. Mall 1998, S. 41). Er erfährt das eigene Verhalten unter einem neuen Aspekt, da es einen Kommunikationsprozess auslöst. Die Person erlebt ein Gefühl des Angenommenseins. Gerade stereotypes Verhalten kann in einen anderen Kontext gesetzt und neu erfahren werden. Auf diese Weise entstehen Kommunikationsprozesse, ohne dass sich der Mensch mit Behinderung ändern muss (vgl. Mall 1998, S. 42). Die angesprochenen Prinzipien dürfen sich nicht nur auf eine Fördersituation beschränken. Kommunikationssituationen müssen vor allem auch in den Alltag integriert werden. Hierfür www.foepaed.net 29 Kapitel 4: Konzepte zur Anbahnung von kommunikativen Fähigkeiten bieten sich unter anderem die Pflegesituationen an. Sie sind ein Hauptbestandteil im Alltag von behinderten Menschen. Während der Pflege entstehen ständig wiederkehrende Situationen, die man als Spiel- und Kommunikationsanlass nutzen kann (vgl. Mall 1998, S. 53). Hier finden immer Kommunikationsprozesse statt, ohne dass sie geplant sind. Der Mensch mit Behinderung spürt die Einstellung seines Gegenübers, die sich in der Körperhaltung manifestiert (vgl. Mall 1998, S. 54). Erfolgreiche und angenehme Kommunikationssituationen erfordern einige Grundvoraussetzungen: - Ruhe und Zeit nehmen, sich auf sein Gegenüber einzulassen - einen eigenen Raum aufsuchen - sensibel auf die Äußerungsversuche des anderen eingehen - Entscheidungsmöglichkeiten bieten, um Äußerungen anzuregen - der aktive Partner soll bemüht sein, die Bedürfnisse des Gegenübers vorherzusehen (vgl. Mall 1998, S. 55) - Sprachlichen Elemente in der Förderung auf das „Hier und Jetzt“ beschränken. Dies geschieht, indem eine Handlung verbalisiert wird (vgl. Mall 1998, S. 42). Kommunikation beginnt, wenn ein Mensch erkennt, dass seine Verhaltensweisen angenommen und passend beantwortet werden. Durch diese Prinzipien kann man erreichen, dass sich nicht nur die Kommunikation entwickelt, sondern auch die Persönlichkeit ausdifferenziert wird (vgl. Mall 1998, S. 78f). 4.1.3 Kritische Würdigung des Konzeptes Winfried Mall bezieht sich bei den Ausführungen der Basalen Kommunikation vorwiegend auf Menschen mit einer schweren geistigen Behinderung. Meiner Ansicht nach sind die Grundprinzipien aber eine wichtige Voraussetzung für die Kommunikation mit jedem Menschen. Gerade bei „nichtsprechenden“ Personen ist es besonders nötig, im Sinne der primären Kreisreaktionen, jede Handlung als Äußerung zu erkennen. Nur über diese non-verbalen Signale ist zunächst eine Interaktion möglich. Die Kreisprozesse können aber lediglich als Grundlage gesehen werden. Sofern das Bedürfnis nach weiterer Kommunikation von Seiten des „Nichtsprechenden“ vorhanden ist, sollte eine Möglichkeit zum Austausch geschaffen werden, die über den Körperkontakt hinausgeht. Die Unterteilung in aktive und passive Partner erweckt den Eindruck, nur der sprechende Partner könne Auslöser einer Interaktion sein (vgl. Mall 1998, S. 62). In der Kommunikation mit „nichtsprechenden“ Menschen nimmt die sprechende Person eine aktive Rolle ein. Dennoch soll aber das Verhalten des „passiven“ Partners einen Kreisprozess initiieren. Die Sprache spielt bei Mall eine sehr untergeordnete Rolle. Sie bezieht sich lediglich auf die aktuelle Situation. Dahinter steht die Annahme, dass Menschen mit schweren geistigen Behinderungen hauptsächlich ihre Grundbedürfnisse äußern können. Andere Mitteilungen wie www.foepaed.net 30 Kapitel 4: Konzepte zur Anbahnung von kommunikativen Fähigkeiten z.B. das Erzählen von vergangenen Ereignissen werden nicht ermöglicht. Es findet eine Reduzierung des behinderten Menschen auf seine Grundbedürfnisse statt. Die Förderung macht einen sehr engen Körperkontakt nötig. Auch wenn Mall die Distanz als individuell regulierbar beschreibt, ist gerade bei der Kontaktaufnahme über die Atmung eine Nähe erforderlich, die im normalen Umgang mit Jugendlichen und auch Erwachsenen nicht üblich ist. In der Regel suchen wir solche körperliche Nähe nur zu Personen, zu denen wir ein besonders Verhältnis haben. Dies ist aber in einem schulischen Umfeld oder auch in einer Fördersituation nicht gegeben. Oft haben beide Personen nicht unbedingt das Bedürfnis, so eng miteinander in Kontakt zu treten. Menschen „ohne Lautsprache“ können sich aber meist nicht wehren, wenn sie die Nähe als unangenehm empfinden. 4.2 Hinführung zur Kommunikation nach der Methode Jan van Dijks Van Dijk entwickelte seine Methode in den 60er-Jahren aus der Arbeit mit mehrfachgeschädigten gehörlosen Kindern. Am „Institut voor Doven“ in den Niederlanden arbeitete er über 20 Jahre mit taubblinden Kindern an einem Konzept für die Hinführung zur Kommunikation (vgl. Köhler 1988, S. 136). Die Zielgruppe wird zunächst als „in sich gekehrt“ beschrieben (Adam 1993, S. 88). Die Kinder weisen scheinbar autistische Züge auf, die sie aber im eigentlichen Sinn nicht haben. Ihre Handlungen sind immer auf den eigenen Körper gerichtet (vgl. Adam 1993, S. 89). Andere Autoren haben das Konzept im Laufe der Jahre verändert, sodass es für Menschen mit einer geistigen Behinderung genutzt werden kann. Hierauf möchte ich aber nicht weiter eingehen. Das Symbolverständnis ist die Voraussetzung für die erfolgreiche Nutzung eines Kommunikationssystems. Nur wenn dieses vorhanden ist, kann die differenzierte Kommunikation gelingen. Nach van Dijk sollen die Grundlagen für ein Symbolverständnis durch die Förderung der vorangehenden Stufe, d.h. der präsymbolischen Stufe, geschaffen werden. Zunächst wird ein Signalverständnis13 angebahnt, um es in einem weiteren Schritt zu einem Symbolverständnis auszubauen (vgl. Köhler 1988, S. 136). Die präsymbolische Stufe ist in 5 Stufen unterteilt. Diese überlappen sich teilweise. Bevor man ein Kommunikationssystem14 einführt, muss das Kind alle Stufen durchlaufen haben (vgl. Köhler 1988, S. 137). Van Dijk nennt drei vorsprachliche Fähigkeiten, die das Kind während der präsymbolischen Stufe erwerben soll. Das Kind muss lernen, - dass es kommunizieren kann - dass es Dinge gibt, über die kommuniziert werden kann 13 Signalverständnis: Erkennen, dass auf eine Handlung eine Reaktion erfolgt. 14 Kommunikationssystem: Alle Hilfsmittel, die den Kommunikationsprozess unterstützen. www.foepaed.net 31 Kapitel 4: Konzepte zur Anbahnung von kommunikativen Fähigkeiten - dass es Menschen gibt, mit denen man kommunizieren kann (vgl. Adam 1993, S. 89). 4.2.1 Stufe der Resonanz Resonanz meint „die Offenheit des Kindes für die Welt“ (Köhler 1988, S. 137). Das Ziel dieser Stufe ist das Erlernen von Antizipation15 und Signalverhalten (vgl. Köhler 1988, S. 137). Zunächst werden einfachste Bewegungen, die das Kind gerne ausführt, in dialogische Spielsituationen umgeformt. Betreuer und Kind haben hierzu einen engen Körperkontakt. Sie führen gemeinsam die Bewegungen des Kindes aus (vgl. van Dijk 1982, S. 491). Regelmäßige Pausen lösen die Bewegungsphasen ab. Zunächst bestimmt noch der Erwachsene, wann die Bewegung fortgesetzt wird. Er achtet dabei sehr genau auf das Verhalten des Schülers (vgl. Köhler 1988, S. 138). Die Pausen können zwei Arten von Reaktionen hervorrufen. Anfangs ist das Kind erstaunt und verwirrt. In einem fortgeschrittenen Stadium beginnt es, ein Signal für den Neubeginn der Bewegung zu setzen (vgl. van Dijk 1982, S. 491). Dieses Zeichen wird vom Betreuer sofort aufgegriffen (vgl. Köhler 1988, S. 138). So lernt der Schüler, die Fortsetzung der Bewegung nach der Pause zu antizipieren. Van Dijk spricht hier von operanter Konditionierung, d.h. das Kind lernt ein Verhalten, indem es sich an den Konsequenzen orientiert (vgl. Köhler 1988, S. 138). 4.2.2 Stufe der co-aktiven Bewegung Die vorher erprobten Bewegungen werden jetzt zu Bewegungssequenzen verknüpft. Auch neue Bewegungsfolgen können erarbeitet werden. Es ist möglich, sich dabei an den lebenspraktischen Fertigkeiten zu orientieren. Beispielsweise kann die Bewegungsfolge des Anziehens oder des Zähneputzens erlernt werden. Der Wechsel von Aktivitäts- und Pausenphasen ist weiterhin ein Bestandteil der Phase. Auf diese Weise kann der Schüler seine Antizipationsfähigkeit und das Signalverhalten weiter üben (vgl. Köhler 1988, S. 139). Zunächst führen die beiden Personen die Handlung noch gemeinsam durch. Später soll die Distanz zwischen den Partnern langsam vergrößert werden. Der Bewegungsraum wird ebenfalls ausgeweitet (vgl. Köhler 1988, S. 139). Wenn das Kind gelernt hat, eine Bewegung zu antizipieren, muss eine neue Bewegungsfolge eingeführt werden. Sonst kann es zur mechanischen Ausführung der Bewegungen kommen. Die Komplexität der Bewegungsfolgen kann durch eine Verlängerung der Handlungsfolge, durch das Einbauen von Hindernissen oder durch das Einbeziehen von Objekten gesteigert werden (vgl. Köhler 1988, S. 138f). 15 antizipieren: etwas gedanklich vorwegnehmen (vgl. Duden 1997) www.foepaed.net 32 Kapitel 4: Konzepte zur Anbahnung von kommunikativen Fähigkeiten 4.2.3 Stufe des nicht-repräsentationalen Bezugs Nicht-repräsentationaler Bezug meint hier „Akte, bei denen sich der Erwachsene und das Kind auf etwas beziehen, indem sie darauf hinweisen, hindeuten oder zeigen“ (Köhler 1988, S. 139). Das Kind zeigt auf Gegenstände, mit denen man sich dann beschäftigt. Ansätze dieses Verhaltens sind schon in der vorangehenden Stufe zu finden. Durch gemeinsames Reiben, Streicheln und Benennen der Körperteile lernt der Schüler seinen Körper und den des Gegenübers kennen. Die Unterscheidung zwischen dem eigenen und dem Körper des anderen ist hierbei wichtig (vgl. Köhler 1988, S. 139). Wenn das Kind die eigenen Körperteile kennt, wird ein Modell eingesetzt. Es bietet sich eine Puppe an, bei der die einzelnen Gliedmaßen gezeigt werden. Der Schüler antwortet, indem er das entsprechende Körperteil am eigenen Körper bewegt oder darauf deutet (vgl. Köhler 1988, S. 140). Auf einer späteren Stufe wird die Puppe durch immer abstraktere Symbole bis hin zu Zeichnungen ersetzt. Für blinde Kinder bieten sich taktile Collagen an. Auf diese Weise kann das Kind nicht nur ein Körperschema entwickeln, sondern auch reflektierende Verhaltensweisen erlernen (vgl. Köhler 1988, S. 140). 4.2.4 Stufe der verzögerten Imitation Zu der körperlichen Distanz bei den Bewegungen kommt nun die zeitliche Verzögerung. Die bereits bekannten Handlungen werden vom Erwachsenen ausgeführt. Das blinde Kind soll die Aktivität nachvollziehen, indem es die Körperhaltung des Betreuers abtastet. Dann ahmt es die Bewegung nach (vgl. Köhler 1988, S. 140). Eine Mitarbeiterin van Dijks schlägt Übungen auf verschiedenen Schwierigkeitsstufen vor: - einfache symmetrische Übungen z.B. klatschen - asymmetrische Übungen z.B. ein Bein heben - Gegenstände in die Bewegung einbeziehen z.B. auf einen Stuhl setzen - Körpermodell durch abstrakte Modelle wie Puppe oder später Zeichnung, bzw. tastbare Darstellungen ersetzen (vgl. Köhler 1988, S. 140). Das Kind soll den Zusammenhang zwischen den ertasteten oder gesehenen Aktivitäten und den eigenen Bewegungen herstellen (vgl. Köhler 1988, S. 140). 4.2.5 Stufe der natürlichen Gebärden Natürliche Gebärden sind Handzeichen, die Eigenschaften oder mögliche Handlungen in Bezug auf ein Objekt darstellen. Sie beruhen auf individuellen Vorstellungen von einem Gegenstand und sind damit in der Regel nicht konventionell (vgl. Köhler 1988, S. 141). Um natürliche Gebärden entwickeln zu können, sind zwei Faktoren wichtig: www.foepaed.net 33 Kapitel 4: Konzepte zur Anbahnung von kommunikativen Fähigkeiten Die Dekontextualisierung, d.h. das Kind muss antizipieren können. Es benutzt z.B. die Gebärde für „Essen“ beim Betreten der Küche. Es weiß, dass es dort etwas zu Essen bekommt. Bei der Denaturalisierung geht die Gebärde von einer großen Armbewegung zu einer kleinen, ökonomischeren Handbewegung über. Somit wird das Zeichen abstrakter (vgl. Köhler 1988, S. 141). Mit den natürlichen Gebärden ist bereits der Schritt zur symbolischen Stufe der Sprachentwicklung vollzogen. (vgl. Köhler 1988, S. 141). Im Anschluss an die präsymbolische Stufe erfolgt die Einführung eines Kommunikationssystems. Es soll möglichst gut an die Fähigkeiten der Person angepasst sein. Van Dijk schlägt bei Kindern mit einem Sehrest die Gebärdensprache vor (vgl. van Dijk 1982, S. 492). Für Taubblinde empfiehlt er ein System, dass sich auf die Schriftsprache stützt. Die BrailleSchrift bietet eine entsprechende Grundlage. Außerdem kann ein Handalphabet, z.B. das Lormalphabet (siehe Abbildung 6), eingeführt werden (vgl. van Dijk 1982, S. 492). Der Weg zur Gebärde, bzw. zum alternativen Kommunikationssystem, ist lang. Nicht alle mehrfachbehinderten Kinder erreichen dieses Ziel. Wichtig ist aber, dass vor allem kleinste Schritte auf dem Weg dorthin honoriert werden (vgl. Köhler 1988, S. 142). 4.2.6 Kritische Würdigung des Konzeptes Die Anbahnung des Symbolverständnisses ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Spracherwerb. Wie bereits in Kapitel 3.2 dargestellt, ist Sprache nichts anderes als ein konventionelles Symbolsystem. Das Signalverhalten wird durch Bewegungen angebahnt. Wie weit die Sprache bei dieser Methode in den kommunikativen Prozess mit einfließt ist nicht klar. Das Konzept wurde ursprünglich für Taubblinde entwickelt, die den akustischen Aspekt der Sprache nicht wahrnehmen können. Dennoch sind diese Personen teilweise in der Lage, Mundbewegungen beim Sprechen zu ertasten. Van Dijk bezieht häufig auch hochgradig Sehbehinderte in seine Förderung mit ein. Diese Personen könnten evtl. sogar noch Lippenbewegungen wahrnehmen und imitieren. Köhler beschreibt das Konzept in der Anwendung bei blinden Kindern mit einer geistigen Behinderung. Vermutlich werden nicht alle die Stufe der verzögerten Imitation erreichen. Die Erfassung von Bewegungen über das Tasten erfordert hohe kognitive Fähigkeiten, da die einzeln, sukzessiv erfahrenen taktilen Eindrücke zu einem Bewegungsmuster zusammengesetzt werden müssen. Wenn neben der Blindheit eine motorische Einschränkung vorliegt, wirkt sich diese ebenfalls erschwerend auf die Entwicklung aus. In diesem Fall ist evtl. das Abtasten einer Geste gar nicht mehr möglich. Einige Kinder, die zusätzlich eine geistige oder körperliche Einschränkung aufweisen, werden vermutlich auf einer frühen Stufe verweilen. Sie bekommen nie die www.foepaed.net 34 Kapitel 4: Konzepte zur Anbahnung von kommunikativen Fähigkeiten Gelegenheit, ein Kommunikationssystem zu erproben, da die Anbahnung des Symbolverständnisses bei ihnen fehl geschlagen ist. www.foepaed.net 35 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) 5 Unterstützte Kommunikation (UK) Unterstützte Kommunikation ist als Oberbegriff für alle Maßnahmen zu sehen, die eine Erweiterung der kommunikativen Möglichkeiten bei Menschen „ohne Lautsprache“ zum Ziel haben. Sie beschränkt sich nicht, wie die bisher vorgestellten Konzepte, auf eine Stufe der kommunikativen Entwicklung. Eine Kommunikationsförderung nach dem Konzept der Unterstützten Kommunikation kann daher auch die Basale Kommunikation oder die Van DijkMethode beinhalten. Ich möchte die Prinzipien der Unterstützten Kommunikation ausführlich erläutern, da dieses Konzept die Grundlage für die Förderung ist, die ich im nächsten Kapitel vorstelle. Exemplarisch werden einige Kommunikationshilfen dargestellt, die teilweise auch im anschließenden Fallbeispiel von Bedeutung sind. Diese Auflistung der möglichen Hilfen ist keinesfalls vollständig und dient nur als Anregung. Eine Kommunikationshilfe muss immer individuell für den Nutzer angepasst werden. Neben grafischen Symbolen kommen reale Objekte und elektronische Sprachgeräte zum Einsatz. Diese Formen bieten sich auch für eine Kommunikationsförderung bei blinden Menschen an. 5.1 Definition und Ziele Das Konzept wurde in den 70er-Jahren im amerikanischen Raum entwickelt. Dort ist es unter dem Namen AAC (augmentative und alternative communication), d.h. unterstützende, ergänzende und alternative Kommunikation, bekannt (vgl. Braun 1996b, S. 3). Seit 1992 gilt die Übersetzung Unterstützte Kommunikation in Deutschland als Oberbegriff für alle pädagogischen und therapeutischen Maßnahmen zur Erweiterung der kommunikativen Möglichkeiten bei „nichtsprechenden“ Menschen (vgl. Kristen 1997, S. 15). Für die meisten Menschen ist die Lautsprache das wichtigste Kommunikationsmedium. Es gibt aber einige Personen, die nicht oder nicht ausreichend über dieses Kommunikationsmittel verfügen (vgl. Braun 1996b, S. 3). Sie erleben immer wieder, dass ihre Signale falsch oder gar nicht verstanden werden. Der Prozess der Kommunikation verläuft für diese Menschen oft negativ (vgl. Kristen 1993, S. 10). Dies kann zu Frustration und Passivität bei der „nichtsprechenden“ Person führen (vgl. Braun 1996b, S. 3). Unterstützte Kommunikation zielt daher auf die „Verbesserung der Kommunikation und die Erweiterung der kommunikativen Fähigkeiten eines Menschen“ (Kristen 1996, S. 16). Zu diesem Zweck stellt die Unterstützte Kommunikation Hilfsmittel, Techniken und Strategien bereit, die ergänzend (augmentative) oder als Ersatz (alternative) zur expressiven Sprache genutzt werden können (vgl. Braun 1996b, S. 3). Neben sämtlichen körpereigenen Möglichkeiten, wie Mimik, Gestik, Körpersprache etc., ist auch der Einsatz von externen Kommunikationshilfen möglich. www.foepaed.net 36 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) Eine Person ist vielfältigen kommunikativen Situationen ausgesetzt. In der Regel kann eine einzelne Kommunikationshilfe nicht allen gestellten Anforderungen genügen. Ziel ist daher die Erarbeitung eines „multimodalen16 Kommunikationssystems“, um die Verständigung in möglichst vielen Alltagssituationen zu erleichtern (vgl. Arnusch/ Pivit 1996, S. 16). Ein solches System sollte körpereigene, elektronische und nicht-elektronische Hilfsmittel umfassen (vgl. Braun 1997b, S. 7). Gerade beim Einsatz elektronischer Geräte ist es notwendig, ein zusätzliches Hilfsmittel bereit zu stellen. Der Nutzer darf nicht „sprachlos“ sein, wenn das Sprachgerät defekt ist. Außerdem gibt es Situationen, in denen ein körpereigenes Mittel schneller und effektiver ist, als die Bedienung eines Sprachgerätes (vgl. Arnusch/ Pivit 1996, S. 27). Die verwendeten körpereigenen Formen sind auch in der Kommunikation mit sprechenden Menschen immer präsent. In dem Konzept der Unterstützten Kommunikation werden sie systematisch und bewusst eingesetzt (vgl. Braun 1996b, S. 3). Ergänzende oder alternative Kommunikationsformen ermöglichen oft die Erfahrung erfolgreicher Kommunikation. Hierdurch kann auch die Bedeutung der Lautsprache erkannt werden. Förderung der Kommunikation führt dann auch zu einer Erweiterung der lautsprachlichen Fähigkeiten. Unterstützte Kommunikation steht damit nicht im Widerspruch zur Sprachförderung, sondern ergänzt diese (vgl. Braun 1996b, S. 4). Diese Sichtweise wird erst seit einiger Zeit vertreten. Bis vor wenigen Jahren fürchteten einige Therapeuten, unterstützende und alternative Kommunikationsformen könnten die lautsprachliche Entwicklung unterdrücken. Man förderte nur solche Personen, die nach langer Zeit der herkömmlichen Sprachtherapie keine Fortschritte zeigten. Auch heute findet man solche Befürchtungen noch bei den Bezugspersonen (vgl. Braun 1996b, S. 4). 5.2 Geschichtliche Entwicklung Die Ursprünge der augmentative and alternative communication (AAC) kommen aus dem englischsprachigen Raum. Bereits Anfang der 80er-Jahre entwickelte sich der Bereich der augmentative communication in den USA. Grundlage waren die erfolgreiche Verwendung der Gebärdensprache bei Gehörlosen und der Einsatz von ersten Kommunikationstafeln. Das Angebot an elektronischen Kommunikationshilfen wurde stetig vergrößert. Damit rückte der Bereich der AAC immer mehr in die Öffentlichkeit. Es entstanden AAC-Zentren, und auch die Ausbildungsangebote für AAC-Kräfte wurden erweitert (vgl. Kristen 1997, S. 19). 1983 erfolgte die Gründung der International Society for Augmentative and Alternative Communication (ISAAC) in Toronto, Kanada. Sie ist bis heute die zentrale Organisation für das Fachgebiet der Unterstützten Kommunikation (vgl. Kristen 1997, S. 19). 16 multimodales Kommunikationssystem: nutzt verschiedene Kommunikationsformen www.foepaed.net 37 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) In Deutschland ist die Geschichte der Unterstützten Kommunikation noch relativ jung. Es gab zwar bereits in den 70er-Jahren vereinzelte Bemühungen, die kommunikativen Fähigkeiten bei „nichtsprechenden“ Menschen zu erweitern, sie wurden aber kaum umgesetzt (vgl. Kristen 1997, S. 19). Erst mit der Einführung von Bliss-Kursen im Jahr 1981 rückte das Problem auch in der BRD weiter in den Vordergrund. In den letzten Jahren vergrößerte sich das Angebot an elektronischen Hilfsmitteln immer mehr. Es entstand zunehmend der Wunsch nach Erfahrungsaustausch im Umgang mit „nichtsprechenden“ Menschen (vgl. Kristen 1997, S. 19). Die deutsche Gruppe der ISAAC besteht seit 1990. Sie organisiert den regionalen und überregionalen Erfahrungsaustausch. Seit 1992 finden regelmäßige Fachtagungen zum Thema statt. An der hohen Teilnehmerzahl dieser Tagungen lässt sich die Relevanz des Fachgebietes erkennen (vgl. Kristen 1997, S. 9). Auch in der Blinden- und Sehbehindertenpädagogik wird zunehmend die Bedeutung alternativer und unterstützender Kommunikationsformen erkannt (vgl. Strothmann 1982, S. 103). Aitken weist darauf hin, dass bei blinden Kindern, die weitere Behinderungen aufweisen, nicht mehr alleine die Sehschädigung im Vordergrund stehen darf. Sie sieht die Notwendigkeit, mit anderen Fachbereichen, wie AAC, zusammenzuarbeiten (vgl. Aitken 1997, S. 96). Die Veröffentlichungen im deutschsprachigen Raum beschränken sich allerdings bislang vorwiegend auf Erfahrungsberichte. Aus allen Artikeln, die ich im Rahmen der Literaturrecherche für meine Arbeit finden konnte, geht hervor, dass gerade in diesem Sonderpädagogischen Fachgebiet noch sehr wenig Erfahrungen mit Unterstützter Kommunikation gemacht wurden. Die Autoren sprechen sich für einen vermehrten Einsatz des Konzeptes aus. Der Wunsch nach Austausch mit anderen Betroffenen ist groß (vgl. Hück 1998, S. 542). 5.3 Zielgruppe Das Konzept der Unterstützten Kommunikation richtet sich an Menschen, die nicht oder nicht ausreichend über sprachliche Fähigkeiten verfügen. Bei diesem Personenkreis können die kommunikativen Bedürfnisse mit den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nicht zufrieden stellend erfüllt werden (vgl. Kristen 1997, S. 16). Ursprünglich ging man davon aus, dass eine Person vor Beginn der Kommunikationsförderung eine bestimmte kognitive Stufe erreicht haben muss. Der „nichtsprechende“ Mensch sollte bereits über ein Symbolverständnis verfügen, um dann ein Kommunikationssystem nutzen zu können. Diese Ansicht hat sich in den letzten Jahren verändert. Pat Mirenda sagt: „That is because breathing ist the only prerequesite to communication. Breathing equals life, and life equals communication“ (Mirenda 1993, S. 3). Die einzige Voraussetzung für die Förderung ist somit, dass ein Mensch atmet. Atmung bedeutet Leben und Leben ist Kommunikation. Vor diesem Hintergrund ist das Symbolverständnis als notwendige Voraussetzung für www.foepaed.net 38 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) eine Kommunikationsförderung nicht mehr angemessen. Vielmehr müssen solche Fähigkeiten im Laufe der Therapie angebahnt werden. Die Ursachen für die unterschiedlichen Sprachprobleme liegen in angeborenen oder erworbenen Schädigungen. Viele Autoren unterscheiden vier Personengruppen: Menschen mit angeborenen Behinderungen (Zerebralparesen17, geistige Behinderung „- u.a.); Menschen mit einer fortschreitenden Erkrankung (Muskeldystrophie18, Amyothrophe - Lateralsklerose19, Multiple Sklerose20, u.a.); Menschen mit erworbenen Schädigungen durch Unfälle (Schädel-Hirn-Trauma u.a.) - oder Schlaganfälle; Menschen mit vorübergehend eingeschränkten sprachlichen Möglichkeiten (Tracheoto- - mie21, Gesichtsverletzungen u.a.)“ (Kristen 1997, S. 15). Die in dieser Arbeit vorgestellten Jugendlichen sind der ersten Beschreibung zuzuordnen. Ich gehe von angeborenen Schädigungen aus, die sich bereits im Spracherwerb auswirkten. Ein nicht unerheblicher Anteil der Gruppe weist eine zusätzliche geistige oder körperliche Behinderung auf. Diese Kombination von Beeinträchtigungen wirkt sich insgesamt negativ auf die Kommunikation aus. Unterstützte Kommunikation spricht grundsätzlich alle Altersgruppen an. Die Heterogenität des Personenkreises macht eine sehr individuelle Förderung nötig. Die Voraussetzungen und Möglichkeiten des Einzelnen müssen genau analysiert und berücksichtigt werden (vgl. Kristen 1997, S. 16). Die ergänzenden Kommunikationsformen können als ständige bzw. vorübergehende Hilfe sowie bereits als Unterstützung zum Spracherwerb bei Kleinkindern eingesetzt werden (vgl. Kristen 1997, S. 15). 5.4 Abgrenzung zur „Gestützten Kommunikation“ (FC= Facilitated Communication) Rosemary Crossley erprobte die Facilitated Communication in Australien. (vgl. Kristen 1997, S. 30). 17 Zerebralparese: zerebrale Lähmung in Folge eines kindlichen Hirnschadens (vgl. Pschyrembel 2000) 18 Muskeldystrophie: Muskelerkrankung mit unterschiedlichen Verlaufsformen (vgl. Pschyrembel 2000) 19 Lateralsklerose: fortschreitende Rückbildung des 1. und 2. motorischen Neurons (vgl. Pschyrembel 2000) 20 Multiple Sklerose: entzündliche Erkrankung des Zentralen Nervensystems (vgl. Pschyrembel 2000) 21 Tracheotomie: Luftröhrenschnitt (vgl. Pschyrembel 2000) www.foepaed.net 39 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) FC darf keinesfalls mit UK gleichgesetzt werden. In der Gestützten Kommunikation berührt oder stützt ein Helfer Hand, Arm, Ellenbogen oder Schulter des nichtsprechenden“ Menschen. Dadurch wird dieser in die Lage versetzt, auf Bilder oder Buchstaben zu zeigen und somit zu kommunizieren (vgl. Arnusch/ Pivit 1996, S. 17). Gestützte Kommunikation ist „vom Grundsatz her eine Methode, Menschen dabei zu helfen und sie zu befähigen, genau auf das zu zeigen, was sie zeigen wollen“ (Arnusch/ Pivit 1996, S. 18). FC stellt daher eine mögliche Form im Rahmen der Unterstützten Kommunikation dar (vgl. Arnusch/ Pivit 1996, S. 18). Das Konzept kommt vorwiegend bei Menschen mit Autismus zum Einsatz. Es führt zwar zu erstaunlichen Erfolgen, wird aber auch immer wieder in Frage gestellt. Kritiker fürchten, dass die stützende Person das Schreiben oder Zeigen beeinflusst. Dennoch können mit dieser Methode „nichtsprechende“ Menschen aus ihrer Isolation befreit werden. Daher sollten die Erfahrungsberichte nicht unterschätzt werden (vgl. Kristen 1997, S. 31). 5.5 Besonderheiten der Gesprächssituation Die Gesprächssituation mit „nichtsprechenden“ Menschen unterscheidet sich stark von einer üblichen Kommunikation. Beiden Gesprächspartnern werden Fähigkeiten abverlangt, die sie nicht in anderen kommunikativen Begegnungen erlernen können. Wenn diese Vorraussetzungen nicht gegeben sind, verläuft die Kommunikation oft negativ oder scheitert (vgl. Braun 1996a, S. 134). Es besteht ein „atypisches Rollenverhältnis“ zwischen den Partnern (Braun 1996a, S. 134). Das Ziel, eine Mitteilung zu machen und diese zu verstehen, ist oft nicht einfach zu verwirklichen. Der sonst passive Zuhörer muss aktiv werden, um die Nachricht des „Nichtsprechenden“ zu entschlüsseln. Das Gespräch erfordert seine ungeteilte Aufmerksamkeit. Sobald der sprechende Partner den Kopf abwendet, kann er weder die körpereigenen Signale noch die mit Hilfe einer nicht-elektronischen Kommunikationshilfe „gesprochenen“ Inhalte wahrnehmen. Die Kommunikation ist somit unterbrochen (vgl. Braun 1996a, S. 134). Eine häufig genutzte Form der nicht-elektronischen Kommunikationshilfen sind z.B. Kommunikationstafeln mit grafischen oder tastbaren Symbolen (siehe 5.6.2.1). Die Anzahl der Zeichen auf einer Kommunikationstafel ist begrenzt durch die Größe des Hilfsmittels. Daher hat ein Symbol oft nur eine ungefähre Bedeutung. Das Bild von einem Haus kann z.B. für drinnen, nach Hause oder auch für ein bestimmtes Gebäude stehen. Ähnlich wie zu Beginn des Spracherwerbsprozesses werden die Symbole sozusagen „überdehnt“. Der Zuhörer muss mit Hilfe von Ja-Nein-Fragen die eigentliche Bedeutung der Aussage ermitteln (vgl. Braun 1996a, S. 134). Braun nennt diese Form des Gesprächs „Kokonstruktion", d.h. die Äußerungen des sprechenden Partners zielen darauf ab, die sprachlichen Handlungen des Gegenübers zu entwickeln (Braun 1997b, S. 6). Bei diesen Rückfragen kann es zu falschen Schlussfolgerungen kommen und das Gespräch verläuft in eine www.foepaed.net 40 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) ungewollte Richtung. Wenn die „nichtsprechende“ Person merkt, dass sie ihre eigentliche Äußerung nicht vermitteln kann, gibt sie diese im schlimmsten Fall auf (vgl. Braun 1996a, S. 137). Dennoch bietet ein begrenztes Vokabular immer noch mehr Möglichkeiten als eine reine Ja-Nein-Kommunikation. Die Situation ist auch für den Nutzer der Kommunikationshilfe nicht ganz einfach. Er muss zunächst einmal ein geeignetes Symbol für seine Aussage suchen, das auch vom Gegenüber verstanden wird. Das Verneinen oder Bestätigen der Rückfragen des sprechenden Partners erfordert eine große Aufmerksamkeit. Wenn der „nichtsprechende“ Mensch motorisch eingeschränkt ist, bedeutet ein Gespräch mit vielen Fragen auch eine körperliche Anstrengung (vgl. Braun 1996a, S. 135). In der Regel ist die Kommunikation mit einer nicht-eingespielten Person kaum möglich. Der Gesprächspartner benötigt eine Einführung in die speziellen Kommunikationsstrategien. Daher ist eine Aufgabe der Förderung auch die Anleitung potenzieller Kommunikationspartner (vgl. Braun 1996a, S. 135). Im Rahmen einer üblichen Unterhaltung werden im Schnitt 120-180 Wörter pro Minute ausgesprochen. Diese Geschwindigkeit ist bei „nichtsprechenden“ Menschen stark herabgesetzt. In der Regel können 2-6 Wörter in einer Minute vermittelt werden (vgl. Braun 1996a, S. 135). Eine motorische Einschränkung erschwert die Ansteuerung der Symbole einer Kommunikationshilfe und verlangsamt somit den Kommunikationsprozess. Die notwendigen Rückfragen setzen ebenfalls die Geschwindigkeit herab (vgl. Braun 1996a, S. 135). Dies hat wiederum Auswirkungen auf die Kommunikationspartner. Wir erleben in der Regel bereits Gesprächspausen von mehr als drei Sekunden als unangenehm. Mit einer Kommunikationshilfe können minutenlange Unterbrechungen entstehen. Da solche Situationen ungewohnt sind, fühlen sich die sprechenden Partner während dieser Zeit oft unwohl. Es kann zu Irritationen kommen, da nicht klar ist, ob der andere noch etwas sagen möchte (vgl. Braun 1996a, S. 136). Häufig versucht die sprechende Person in diesem Fall wieder einen Rollentausch vorzunehmen und selbst ans Sprechen zu kommen. In einem üblichen Dialog wechseln sich die beiden Gesprächspartner regelmäßig ab. Sie können aber trotzdem jeweils mehrere Mitteilungen machen. Der „nichtsprechende“ Mensch hat meist nur die Möglichkeit, eine knappe Aussage zu vermitteln. Um Zeit zu sparen, antwortet er teilweise im Telegrammstil, statt in vollständigen Sätzen. Einige Inhalte werden gar nicht vermittelt, da ihre Ausführung zu lange dauern würde (vgl. Braun 1996a, S. 136). Spontane Kommentare, Witze und situationsbezogene Äußerungen sind kaum möglich (vgl. Braun 1996a, S. 136). Bei dem Personenkreis der „nichtsprechenden“ Menschen finden wir häufig veränderte Signale für einen Dialogaufbau. Körperliche Einschränkungen oder eine starke Sehbehinderung können dazu führen, dass kein direkter Blickkontakt zum Gegenüber aufgenommen wird. In einem üblichen Kommunikationsprozess verdeutlichen die Gesprächspartner den Wechsel der Rollen durch Blickzuwendung und Stimmsenkung etc. Wenn diese Signale fehlen, weiß www.foepaed.net 41 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) der Sprechende nicht, ob sein Gegenüber noch etwas sagen möchte (vgl. Braun 1996a, S. 137). Andererseits verleihen undeutliche Signale dem Kommunikationspartner auch eine gewisse Macht. Er kann bestimmen, ob er auf eine Äußerung eingeht oder sie einfach absichtlich „nicht wahrnimmt“. Braun bezeichnet dies als „Unterbewertung“ (Braun 1996a, S. 140). Vor allem bei Kommunikationshilfen ohne Sprachausgabe kann dies schnell passieren. Auf die Missachtung eines Zeichens erfolgt selten ein hörbarer Protest. Bei Geräten mit Sprachausgabe kann eine Mitteilung nicht so einfach übergangen werden. (vgl. Braun 1996a, S. 139). Eine andere extreme Reaktion ist die „Überbewertung“. Sie bezieht sich vorwiegend auf Beschimpfungen oder andere unangenehme Aussagen, die den sprechenden Partner direkt betreffen. Braun nimmt an, dass solche Mitteilungen als besonders schlimm gesehen werden, weil der Angesprochene bei nicht-elektronischen Hilfsmitteln sozusagen seine eigene Beschimpfung aussprechen muss. Außerdem stehen diese Aussagen im Widerspruch zu dem üblichen Bild eines „nichtsprechenden“ Menschen. Er wird normalerweise als hilflos und dankbar gesehen. Wenn diese Person plötzlich negative Äußerungen macht, dann zerstört sie damit dieses Menschenbild. Sie gilt als undankbar, weil sie sich für die viele Mühe nicht erkenntlich zeigt (vgl. Braun 1996a, S. 140). Weitere Probleme im Kommunikationsprozess ergeben sich aus der mangelnden Kenntnis kommunikativer Regeln beim „nichtsprechenden“ Menschen. Bestimmte Prinzipien werden diesen Personen oft nicht vermittelt, da sie nicht sprechen können. Sie lernen häufig nicht, dass auf eine Frage immer eine Antwort erwartet wird. Auch grundlegende Prinzipien des Dialogverhaltens, wie Turn-Taking22, haben sie oft nicht gelernt. Solche Regeln können in der Kommunikationsförderung nicht vorausgesetzt werden. Sie sind im Rahmen einer Förderung zu entwickeln (vgl. Braun 1996a, S. 138). Diese Aspekte machen deutlich, dass die Kommunikation mit „nichtsprechenden“ Menschen von beiden Partnern Geduld, gegenseitiges Verständnis und Einfühlungsvermögen verlangt (vgl. Braun 1996a, S. 135). Die grundlegenden Voraussetzungen für ein Gelingen des Kommunikationsprozesses liegen daher im Verhalten des sprechenden Partners. Entscheidend ist seine Einstellung zum Gegenüber (vgl. Kristen 1992, S. 30). Es genügt nicht, die Förderung auf die „nichtsprechende“ Person zu beschränken. Vielmehr ist es nötig, das Umfeld mit seinen Grenzen und Möglichkeiten einzubeziehen. Bei den sprechenden Bezugspersonen sollen Voraussetzungen geschaffen werden, die eine effektive Kommunikation ermöglichen. Bei den potenziellen Gesprächspartnern muss die Wahrnehmung für die nonvokalen Äußerungen geschärft werden (vgl. Arnusch/ Pivit 1996, S. 16). 22 Turn-Taking: Sprecherwechsel während des Kommunikationsprozesses (vgl. Franzkowiak 1996, S. 60) www.foepaed.net 42 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) Die Basis für eine erfolgreiche Beziehung in der Unterstützten Kommunikation ist ein humanistisches Menschenbild. Man geht davon aus, dass jeder Mensch nach Selbstverwirklichung strebt und in einem gewissem Sinn Eigenverantwortlichkeit hat (vgl. Kristen 1992, S. 30). Als Grundlage für die Kommunikationsförderung dient daher der humanistische Ansatz der personenzentrierten Gesprächsführung nach Carl Rogers. Dabei werden besonders die drei Rogers-Variablen als Basis für die Unterstützte Kommunikation betont (vgl. Kristen 1997, S. 54): Empathie: - Der sprechende Kommunikationspartner soll versuchen, sein Gegenüber zu verstehen. Er fühlt sich in den „nichtsprechenden“ Menschen ein und versucht, möglichst alle Signale zu erfassen. (vgl. Kristen 1992, S. 32). Achtung/ Wertschätzung/ Akzeptanz: - Der sprechende Partner nimmt den anderen ernst, seine Meinung wird akzeptiert (vgl. Kristen 1992, S. 32). Akzeptanz meint das „unbewertete Erfassen dessen, was ein Mensch ausdrücken möchte“ (vgl. Kristen 1993, S. 19). Authentizität/ Echtheit: - Alles, was gesagt wird, soll ernst gemeint sein. Die Gefühle der Kommunikationspartner sollen möglichst mit den Aussagen übereinstimmen. Probleme, die in der zwischenmenschlichen Beziehung der beiden auftreten, werden angesprochen (vgl. Kristen 1993, S. 19). Darüber hinaus gibt es noch andere Voraussetzungen, die sich auf den Kommunikationsprozess auswirken. Der sprechende Partner muss sich Zeit für ein Gespräch nehmen und ein echtes Interesse zeigen. Alternative Kommunikationsformen können nicht zwischen „Tür und Angel“ genutzt werden, da z.B. die Auswahl eines Symbols oft langwierig ist. Auch wenn der „nichtsprechende“ Partner lange braucht, um einen Gedanken zu formulieren, ist es wichtig ihn ausreden zu lassen. Insgesamt ist eine möglichst normale Behandlung das oberste Ziel. Dazu gehört auch ein angemessener Sprachstil. Der so genannte Baby-Talk23 ist bei „nichtsprechenden“ Jugendlichen oder Erwachsenen nicht angebracht (vgl. Magenreuter 1994, S. 17). 5.6 Kommunikationsformen im Rahmen Unterstützter Kommunikation Kristen unterscheidet zwischen Kommunikationsformen und Kommunikationsfunktionen. Die Formen oder Modi sind alle direkt erfahrbaren Elemente im Kommunikationsprozess. Funk23 Baby-Talk: Ansprache, die gegenüber Kleinkindern genutzt wird. Sie zeichnet sich durch eine hohe Stimmlage und stark vereinfachte Sätze aus (vgl. Szagun 1996, S. 187). www.foepaed.net 43 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) tionen sind die Absichten, die eine Person mit ihrer Äußerung verbindet. Mit einem Modus können verschiedene Funktionen vermittelt werden. Umgekehrt kann eine Absicht immer auf verschiedene Arten ausgedrückt werden (vgl. Arnusch/ Pivit 1996, S. 12). In der Regel kombinieren wir mehrere Formen miteinander. Dies macht sich die Unterstützte Kommunikation zu Nutze. Sie versteht sich als Ansatz der totalen Kommunikation (siehe Abbildung 4) und bezieht alle möglichen Kommunikationsmodi mit ein (vgl. Braun 1997b, S. 22). Wenn konventionelle Ausdrucksformen nicht möglich sind, können individuelle Zeichen erarbeitet werden. Man unterscheidet zwischen körpereigenen und extern unterstützten Kommunikationsformen (vgl. Braun 1997b, S. 22). Beim Einsatz neuer Kommunikationsformen dürfen bereits bestehende Formen nicht verdrängt werden. Wenn eine Person bislang immer „heiß“ für „Ja“ geäußert hat, muss dieses Zeichen nach wie vor anerkannt werden. Sobald eine alternative Form vereinbart wurde, gilt es diese zu verstärken, wenn sie genutzt wird (vgl. Braun 1993, S. 26). verbal non-verbal Stimmlich Lautsprache, elektronische Hilfsmittel Laut- oder Gefühlsäußerun- (vokal) mit Sprachausgabe gen, Schreie, Weinen, Summen, Kichern, Murren, Wimmern nicht-stimmlich (non-vokal) Schrift, Symbolsprachen (Gebärden, 24 Bilder, Piktogramme ) Mimik, Gestik, Anfassen, Körperbewegungen, Gucken, Körperhaltung Abbildung 4: Kommunikationsmodi (entnommen aus: Lingen 1994, S. 8, hervorgehobene Begriffe wurden ergänzt) 5.6.1 Körpereigene Kommunikationsmodi Körpereigene Formen sind dynamisch, d.h. sie existieren nur für kurze Zeit. Der Benutzer muss sie immer wieder neu hervorbringen. Die Produktion dynamischer Symbole erfordert bestimmte motorische Fähigkeiten (vgl. Arnusch/ Pivit 1996, S. 19). Auch in einer alltäglichen Gesprächssituation nutzen wir solche Formen als Ergänzung zur Lautsprache. Die körpereigenen Modi lassen sich in allgemein gebräuchliche und kompensierende Formen unterteilen (vgl. Arnusch/ Pivit 1996, S. 19). Allgemein gebräuchliche Formen der körpereigenen Kommunikation sind, neben der gesprochenen Sprache, Mimik und Gestik. Diese verstärken oder mildern die verbalen Äuße24 Piktogramm: vereinfachte Darstellung von einem Gegenstand, die eine bestimmte Information vermittelt (vgl. Duden 1997) www.foepaed.net 44 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) rungen. Auch bei „nichtsprechenden“ Menschen können solche Mittel eingesetzt werden. Nicken und Kopfschütteln als Zustimmung oder Ablehnung und Mimik zum Ausdruck der Gefühle sind prinzipiell möglich. Sie sind aber kein ausreichender Ersatz für die Lautsprache, da komplexe Mitteilungen nicht allein über Mimik und Gestik vermittelt werden können. Bei vielen Menschen „ohne Lautsprache“ ist außerdem die Verwendung der konventionellen Mittel durch eine körperliche Einschränkung erschwert. Die Mimik kann oft nicht genügend kontrolliert werden und vermittelt einen falschen Eindruck (vgl. Arnusch/ Pivit 1996, S. 19). In diesem Fall ist der Einsatz von kompensierenden körpereigenen Kommunikationsformen hilfreich. Man kann für jede Person individuelle Zeichen vereinbaren, die der Verständigung dienen. Die Verabredung von Ja-Nein-Zeichen ist sehr nützlich. Durch Gesten wie Augenzwinkern o.ä. kann auch eine Person mit körperlichen Einschränkungen Zustimmung und Ablehnung zeigen (vgl. Braun 1996b, S. 4). „Zeigegesten“ mit den Augen oder mit dem Kopf statt mit Hilfe des Armes erleichtern ebenfalls den Kommunikationsprozess. Auch Gebärden zählen zu den körpereigenen Kommunikationsmodi (vgl. Arnusch/ Pivit 1996, S. 20). Weiterhin gibt es im Bereich der Schriftsprache die Möglichkeit, Buchstaben mit verschiedenen Körperteilen, z.B. dem Kopf, in die Luft zu schreiben (vgl. Weid-Goldschmidt 1994, S. 7). 5.6.1.1 Ja-Nein-Zeichen Nichtbehinderte haben vielfältige Möglichkeiten, Ja und Nein durch non-vokale oder vokale Zeichen auszudrücken. Menschen mit Behinderungen verfügen meist nur über wenige dieser Strategien. Dies kann den Kommunikationsprozess erheblich erschweren (vgl. Volbers 1992, S. 4). Arnusch/ Pivit stellt drei Gruppen von „nichtsprechenden“ Menschen vor, bei denen die Anbahnung von Ja-Nein-Zeichen sinnvoll erscheint: „- die nichtsprechende Person verfügt über keine Ausdrucksmöglichkeiten für JA und/ oder NEIN - JA und/ oder NEIN ist bereits vorhanden, allerdings nur von einem begrenzten Personenkreis kontextabhängig/ -unabhängig zu verstehen (hoher Individualisierungsgrad) - JA und/ oder NEIN hat eine Form, die von der personalen Umwelt dauerhaft nicht akzeptiert werden kann (z.B. lautes, andauerndes Schreien als Artikulation für NEIN)“ (Arnusch/ Pivit 1996, S. 41) Volbers unterscheidet zwischen Antworten auf intentionale bzw. assertive Fragen. Bei intentionalen Fragen, z.B. „Willst du x?“, kann x ein Objekt oder eine Handlung sein. Die Frage zielt auf etwas Subjektives. Die Antwort darauf entspricht sozusagen einer Handlung. Ja steht für Zugreifen und Nein für Abwehren. Diese Gesten können auch leicht als Ersatz für ein lautsprachliches Ja bzw. Nein eingesetzt werden (vgl. Volbers 1992, S. 4). Eine assertive Frage, z.B. „Stimmt es, dass x?“, möchte den Wahrheitswert der Aussage x ermitteln. Ges- www.foepaed.net 45 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) ten sind hier nur verständlich, wenn vorher eine Bedeutung vereinbart wurde (vgl. Volbers 1992, S. 4). Bei beiden Frageformen ist eine direkte oder indirekte Antwort möglich. Bei der direkten Reaktion ist in der Antwort das jeweilige Symbol für Ja oder Nein enthalten. Es muss nicht das lautsprachliche Wort sein, sondern kann auch durch ein Bildsymbol oder eine Geste repräsentiert werden. Indirekte Antworten können aus dem Inhalt erschlossen werden. Die Synonyme, die Aufschluss über die Antwort geben, unterscheiden sich bei assertiven und intentionalen Fragen. Eine intentionale Reaktion kann „Ja, bitte“ oder „Nein, danke“ sein. Assertiv sind die Antworten „Ja, stimmt“ oder „falsch“ möglich (vgl. Volbers 1992, S. 4). Assertive Antworten können nur symbolisch ausgedrückt werden. Es müssen konventionelle, d.h. einheitliche Vereinbarungen mit dem Gesprächspartner getroffen werden, damit auch individuelle Signale verständlich sind. Durch solche Abmachungen wird ein Zeichen wiederum zum Symbol (vgl. Adam 1993, S. 7). Wenn keine Verabredung von Signalen stattfindet, ist die Antwort meist nicht eindeutig zu verstehen. Auf die Frage „Hast du Schmerzen?“, kann z.B. eine traurige Miene als Ja verstanden werden: „Ja, mir geht es schlecht, das sieht man doch.“ Andererseits könnte es auch bedeuten: „Nein, ich habe keine Schmerzen“ (Volbers 1992, S. 5). Abbildung 5 zeigt mögliche Ausdrucksformen für Zustimmung und Ablehnung bei assertiven und intentionalen Fragen. Ja- bzw. Nein-Signale ermöglichen mit geübten Partnern eine einfache und auch effektive Kommunikation. Wenn sich die Partner nicht gut kennen, besteht aber die Gefahr, dass ungünstige Fragen gestellt werden. Dann ist ein Gespräch oft frustrierend, da die gewünschten Mitteilungen nicht gemacht werden können. (vgl. Braun 1996b, S. 4). Für die Verwendung einer Kommunikationstafel o.ä. mit Partnerscanning25, ist ein eindeutiges Ja-Signal nötig. Darüber kann die richtige Zeile bzw. das richtige Feld bestimmt werden. Außerdem bietet ein Nein-Signal die Möglichkeit zu zeigen, wenn ein falsches Symbol gewählt wurde (vgl. Braun 1996b, S. 7). Dennoch gibt es auch einige Menschen, die keine Ja-Nein-Antwortstrategien entwickeln. Wie bereits in 3.1.1.2 erwähnt gibt es vielfältige kommunikative Absichten, die bereits von dem Erwerb klarer Ja-Nein-Symbole vermittelt werden. Für solche Menschen gilt es, spezielle Fragestrategien zu entwickeln. Eine „nichtsprechende“ Person, die nicht mit Ja oder Nein antworten kann, ist vielleicht in der Lage, auf die Frage, „Wer möchte etwas trinken?“ mit „Ich“ zu antworten. Sodass indirekt auch eine Reaktion erzielt wird. 25 Partnerscanning: Auswahlverfahren, das mit Hilfe eines Kommunikationspartners durchgeführt wird. (siehe 5.6.4.1) www.foepaed.net 46 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) Kognition Nicht-symbolischer Ausdruck Symbolischer Ausdruck referenzielle natürliche Ausdrucksbewegung Geste direkt indirekt Zustimmung. Nicken „Ja (bitte)“. Zustimmung: x! Ablehnung: Kopfschütteln, „Nein (danke)“. Ablehnung: y! Zustimmung: Nicken „Ja (stimmt)“. Zustimmung: x! Ablehnung: Kopfschütteln, „Nein (falsch)“. Ablehnung: y! Zustimmung: Zustimmung: Zeigen oder freudiger Gesichtsausdruck, gucken auf x (x= Gegenstand entsprechende oder Handlung) Körperbewegungen und Laute. INTENTION „Willst du x? Ablehnung: Abwehrgestik und -mimik, Schreien. ASSERTION „Stimmt es, dass x?“ (x= Aussage) Ablehnung: Zeigen oder gucken auf y oder weggucken von x. geht nicht Abbildung 5: Ausdrucksformen für Ja und Nein (modifiziert nach: Volbers 1992, S. 5) 5.6.1.2 Gebärden Eine Form der körpereigenen Kommunikation sind Gebärden. Dies sind Bewegungen, die eine konventionelle Bedeutung haben. Dadurch unterscheiden sie sich von individuellen Gesten (vgl. Adam 1993, S. 7). Gebärden können unterschiedliche Funktionen haben. Gangkofer benutzt den Oberbegriff visumotorische Zeichen für alle Symbole, die mit den Händen oder Armen produziert werden und eine konventionelle Bedeutung haben. Der Wert solcher Zeichen ist sehr unterschiedlich. Ein Zeichen kann einen Laut, einen Buchstaben oder ein ganzes Wort repräsentieren (vgl. Gangkofer 1992, S. 401). Den Bereich der in Deutschland gebräuchlichen visumotorischen Zeichen gliedert Gangkofer in die Deutsche Gebärdensprache (DGS), lautsprachbegleitende Gebärden (LBG) und Handzeichen für Geistigbehinderte (vgl. Gangkofer 1992, S. 402). Die DGS ist eine eigenständige Sprache und somit gleichwertig mit der Lautsprache. Sie hat eine eigene Grammatik und Syntax26, die sich von der gesprochenen Sprache unterscheidet. 26 Syntax: Die Lehre vom Satzbau, d.h. der Verbindung von Wörtern und Wortgruppen zu Sätzen (vgl. Duden 1997). www.foepaed.net 47 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) Bei der Deutschen Gebärdensprache ergeben die Bewegungen der Hand und des Mundes zusammen mit der Mimik einen Gesamteindruck. Ein Zeichen enthält im Durchschnitt zwei Informationen. Die Kommunikationsgeschwindigkeit ist somit genauso hoch, wie beim Gebrauch der Lautsprache (vgl. Gangkofer 1992, S. 402). Die lautsprachbegleitenden Gebärden dienen als zusätzlicher visueller Input zur Sprache. Sie sind abgeleitet von der DGS. Lautsprachgebärden benutzen die gleiche Syntax wie die gesprochene Sprache. Daher können sie parallel zu dieser dargeboten werden. Das Ausführen einer Gebärde nimmt mehr Zeit in Anspruch als das Sprechen eines Wortes. Somit verlangsamt die Benutzung dieser Symbole den Gesprächsfluss. Für Menschen mit geistiger Behinderung kann das von Vorteil sein (vgl. Gangkofer 1992, S. 403). Als Handzeichen für geistig Behinderte entstanden in den letzten Jahren vielfältige Gebärdensammlungen. Sie sind teilweise von den DGS übernommen, vereinfacht oder neu erfunden. Die Handzeichen sind ebenfalls parallel zur Sprache einsetzbar und folgen der gleichen Syntax. Nachteilig ist die vorweggenommene Vereinfachung. Dadurch ist die sprachliche Kompetenz des Nutzers von Anfang an eingeschränkt (vgl. Gangkofer 1992, S. 403). Gangkofer spricht sich für den einheitlichen Einsatz der LBG bei allen betroffenen Personen aus. Diese Gebärden sind allgemein verständlich. Eine Vereinheitlichung würde auch den problemlosen Wechsel von einer Einrichtung in eine andere ermöglichen, ohne dass erneut Kommunikationsprobleme aufträten. Die lautsprachbegleitenden Gebärden bieten außerdem die Möglichkeit, später die DGS zu nutzen (vgl. Gangkofer 1992, S. 404). Das Fingeralphabet ermöglicht die Darstellung der einzelnen Grapheme27 mit Hilfe der Hände, es gilt aber nicht als eigenes System (vgl. Gangkofer 1992, S. 404) (siehe Abbildung 6). Mit der DGS ist ein komplexes Gespräch möglich, unter der Voraussetzung, dass der Gesprächspartner die Zeichen kennt (vgl. Pickl 1994, S. 34). Gebärden können Personen mit einer geistigen Behinderung das Sprachverständnis und den Weg zu Sprache erleichtern (vgl. Braun 1996b, S. 5). Bei blinden Menschen ist das visuelle Erfassen einer Gebärde nicht möglich. Durch Abtasten können sie die Form einer Gebärde erfassen und nachahmen, dies erfordert aber einen sehr ausgeprägten Tastsinn. Ein Großteil des hier dargestellten Personenkreises wird, auf Grund einer zusätzlichen körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung, nicht in der Lage sein, die Gebärdensprache zu benutzen. Daher empfiehlt auch van Dijk in diesem Fall ein anderes Kommunikationssystem (vgl. van Dijk 1982, S. 492). In der Arbeit mit Taubblinden wurde das Lormalphabet entwickelt. Hierbei werden Buchstaben durch Punkte, Striche und verschiedene taktile Zeichen in die Hand gelormt. Der Kom- 27 Graphem: Kleinstes bedeutungsunterscheidendes grafisches Symbol, das einen oder mehrere Laute wiedergibt (vgl. Duden 1997). www.foepaed.net 48 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) munikationspartner stellt die Buchstaben durch bestimmte, definierte Berührungen der Hand dar (siehe Abbildung 7). Auch dieses System erfordert erhebliche taktile und feinmotorische Fertigkeiten, die ein Großteil des hier vorgestellten Personenkreises nicht hat. Da dieses System auf der Grundlage einzelner Grapheme arbeitet, ist eine Kommunikation, die ausschließlich mit Hilfe des Lormalphabetes geschieht, äußerst langwierig. Darüber hinaus setzt die Verwendung dieses Zeichensystems die Schriftsprachkompetenz voraus. Abbildung 6: Das Fingeralphabet Abbildung 7: Das Lormalphabet (entnommen aus: Jussen 1994, S. 256) (entnommen aus: Grauel 1985, S. 442) 5.6.1.3 Vor- und Nachteile körpereigener Kommunikationsformen Körpereigene Formen können jeder Zeit eingesetzt werden. Mit eingespielten Kommunikationspartnern ist eine effektive und schnelle Interaktion möglich. Nicht-eingespielte Personen haben oft Schwierigkeiten, solche Signale zu verstehen. Die Zeichen sind dynamisch, d.h. sie stehen nur in dem Moment zur Verfügung, in dem sie produziert werden. Vom Benutzer wird eine hohe Gedächtnisleistung verlangt, da die Anwendung eines Zeichens immer die Erinnerung an seine Form voraussetzt (vgl. Arnusch/ Pivit 1996, S. 20). Über körpereigene Modi können grobe Gefühlsäußerungen vermittelt werden (vgl. Franzkowiak 1990, S. 12ff). Die Inhalte einer solchen Kommunikation bleiben auf gegenwärtige Ereignisse beschränkt. Vergangenes und Zukünftiges ist nicht vermittelbar. Der „nichtsprechende“ Mensch befindet sich mit diesen Zeichen in einer großen Abhängigkeit, da er selbst kaum ein Gespräch initiieren kann. Er ist auf die Geduld, das Einfühlungsvermögen und vor www.foepaed.net 49 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) allem den Blickkontakt seines Gegenübers angewiesen. Fragen sind lediglich in begrenztem Umfang möglich (vgl. Arnusch/ Pivit 1996, S. 21). Nur, wenn der Partner die Signale aufmerksam beobachtet und richtig deutet, kann die Kommunikation gelingen (vgl. Arnusch/ Pivit 1996, S. 21). Bei blinden Menschen „ohne Lautsprache“ kann das Erlernen einzelner einfacher Gesten oder Gebärden möglich sein. Bei der Einführung solcher Zeichen, sollte das Symbol zunächst immer mit der Handlung direkt in einen Zusammenhang gebracht werden. Dies erleichtert das Erlernen. Der Bewegungsablauf muss genau erlernt werden, da der Person bei der Ausführung die eigene visuelle Kontrolle fehlt. Die Gebärden sollten nach Möglichkeit am Körper enden, um die Produktion zu erleichtern. Bei blinden Menschen muss man sich auf Signale beschränken, die sich in ihrer Ausführung möglichst gut unterscheiden. Bei diesem Personenkreis können z.B. Ja-Nein-Signale und dringende Botschaften, wie „Ich muss auf die Toilette“, „Ich verstehe dich nicht“ etc. mit Hilfe körpereigener Formen vermittelt werden. Die Schwierigkeit besteht darin, dass die blinde Person sich nicht vergewissern kann, ob ihr Gesprächspartner aufmerksam ist. Die Kommunikation über körpereigene non-vokale Signale ist nur möglich, so lange der Gesprächspartner den Blickkontakt hält. In diesem Sinne sind solche Kommunikationsformen bei blinden Menschen nur als Ergänzung zu weiteren Hilfsmitteln zu sehen. 5.6.2 Extern unterstützte Kommunikationsformen Hierbei unterscheidet man zwischen nicht-elektronischen und elektronischen Kommunikationshilfen. Externe Kommunikationsformen benutzen so genannte statische Symbole. Diese sind stets vorhanden und müssen vom Nutzer nur wiedererkannt und ausgewählt, aber nicht selbst produziert werden. Für körperbehinderte Menschen sind solche Formen in der Regel einfacher zu nutzen als dynamische (vgl. Franzkowiak 1990, S. 12). Auch die Berichte über Kommunikationsförderungen bei blinden mehrfachbehinderten Kindern zeigen, dass vor allem der Einsatz elektronischer Kommunikationshilfen diesen Personen ein Stück Selbstständigkeit ermöglicht (vgl. Aitken/ McDevitt 1995, S. 8). 5.6.2.1 Nicht-elektronische Kommunikationshilfen Nicht-elektronische Hilfsmittel sind relativ einfach herzustellen. Es bieten sich vielfältige Möglichkeiten an, ein System individuell auf den Benutzer abzustimmen. Reale Objekte sowie Miniaturen von Gegenständen, Fotos oder grafische Symbole können in Form von Kommunikationsbüchern, -tafeln, -kästen etc. organisiert werden (vgl. Braun 1996b, S. 6). Reale Objekte und Miniaturen Gegenstände, mit denen die Person ständig umgeht, werden als Symbol für bestimmte Aktivitäten o.ä. verwendet. Im Rahmen der Unterstützten Kommunikation setzt man sie vielfach www.foepaed.net 50 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) bei stark entwicklungsbeeinträchtigten und autistischen Personen ein. Mit Hilfe solcher Objekte oder grafischer Symbole können individuelle Tagespläne erstellt werden. Diese helfen, den Tag zu strukturieren und Veränderungen vorherzusehen. Häufig reduziert sich auffälliges Verhalten, das in Veränderungssituationen als Zeichen der Unsicherheit auftritt, durch den Einsatz solcher Pläne. Der „nichtsprechende“ Mensch kann außerdem ein Stück Autonomie erhalten, wenn er die Gelegenheit bekommt, einzelne Bereiche des Tages nach seinen Wünschen zu gestalten und dies auf einem Tagesplan festzuhalten. Eine weitere Möglichkeit ist der Einsatz von Objekten als Merkhilfe, z.B. als Einkaufszettel (vgl. Mirenda 1994, S. 19ff). Adam Ockelford arbeitet mit mehrfachbehinderten blinden Kindern mit so genannten Objects of References. Dies sind einfache Gegenstände, für die eine bestimmte Bedeutung vereinbart wurde. Wie normale Wörter repräsentieren die Objekte Aktivitäten, Orte und Menschen (vgl. Ockelford 1994, S. 4f). Sie werden damit zum Symbol für etwas. Das Objekt kann ein Teil des Gemeinten, z.B. ein Plastikball für „Bällchenbad“, oder ein wichtiges Hilfsmittel für eine Aktivität sein, z.B. Geld für das Wort „einkaufen“. Der repräsentierte Begriff und das Object of Reference müssen nicht zwangsläufig Gemeinsamkeiten in Farbe, Form oder Oberflächenbeschaffenheit aufweisen. Eine Bedeutungszuweisung entsteht durch Assoziationen. Daher benutzen verschiedene Personen unterschiedliche Objekte für denselben Begriff, bzw. ein Objekt kann bei unterschiedlichen Kindern eine andere Bedeutung erhalten. Dies macht deutlich, dass Objects of References immer individuell sind (vgl. Ockelford 1994, S. 6f). Ockelford setzt Objects of Reference bei Kindern mit Sehschädigung als Gedächtnisstütze oder als Verstehenshilfe ein. Später werden sie auch als Kommunikationsmittel genutzt (vgl. Ockelford 1994, S. 8). Für den erfolgreichen Einsatz sind einige Voraussetzungen nötig, die im Laufe der Arbeit angebahnt werden können: - Die Objekte sollen auf Grund taktiler Reize unterschieden werden können, d.h. das Kind muss eine gewisse taktile Erfahrung mitbringen. - Die Person muss erkennen, dass ein Objekt für etwas steht. - Die Person muss sich an die Bedeutung erinnern können (vgl. Ockelford 1994, S. 9f). Im Umgang mit mehrfachbehinderten Kindern schlägt Ockelford multisensorische Objekte vor. Dies sind Gegenstände, die verschiedene Sinne ansprechen. Sie bieten taktile, olfaktorische28 oder auch akustische Reize. Bei Kindern mit Sehrest ist darüber hinaus eine farbliche Markierung sinnvoll (vgl. Ockelford 1994, S. 10). Auswahl und Einführung erster Objekte 28 olfaktorisch: den Geruchssinn betreffend (vgl. Duden 1997) www.foepaed.net 51 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) Grundsätzlich folgt die Auswahl der Objekte den gleichen Prinzipien wie die Bestimmung eines ersten Vokabulars für eine andere Kommunikationshilfe (siehe 5.6.6). Die Wahl des ersten Objektes richtet sich nach den Interessen des Kindes. Die Bedeutung sollte sich auf eine Lieblingstätigkeit der Person beziehen. Das Symbol ist einem alltäglichen Bereich zu entnehmen, damit es in der täglichen Kommunikation eingesetzt werden kann. So macht das Kind erste Erfahrungen mit Kommunikation und prägt sich die Bedeutung des Symbols ein (vgl. Ockelford 1994, S. 10). Der erste Gegenstand ist so zu wählen, dass eine direkte Verbindung zwischen ihm und seiner Bedeutung besteht, z.B. eine Tasse für „trinken“. Das Objekt soll charakteristisch und attraktiv für die Person sein und somit das Verstehen erleichtern. Zur Einführung ist es nötig, im Anschluss an das Symbol sofort die jeweilige Aktivität folgen zu lassen. Auf diese Weise lernt der Schüler, einen Gegenstand mit der Bedeutung zu verknüpfen (vgl. Ockelford 1994, S. 12). Die Einführung weiterer Objekte kann unterschiedlich verlaufen. Ockelford stellt einige Grundsätze vor, die dabei zu beachten sind: - Die Objekte sollten sich möglichst gut im Aussehen, in ihrer Oberflächenbeschaffenheit und ihrer Bedeutung unterscheiden. - Es sollten motivierende Gegenstände gewählt werden. - Die Abstraktheit der verwendeten Symbole ist nicht alleine abhängig von den die kognitiven Fähigkeiten der Person. Durch die direkte Verknüpfung eines abstrakten Symbols mit einer Handlung, können auch bei kognitiv eingeschränkten Menschen weniger anschauliche Symbole eingesetzt werden (vgl. Ockelford 1994, S. 12). Sobald das Kind das Prinzip verstanden hat, können die Objekte verkleinert oder vereinfacht werden, um Platz zu sparen. Zunächst bietet man ein immer kleineres Stück des ursprünglichen Gegenstandes dar. Der Schüler soll lernen, dass es immer noch die gleiche Bedeutung hat. Diese verkleinerten Objekte können dann auf Karten geklebt und in Buchform angeordnet werden (siehe Abbildung 8) (vgl. Ockelford 1994, S. 14). Später ist es möglich, die Darstellungen mit Hilfe einer Tiefziehpresse aus Plastik herzustellen. Bei dieser Darstellung erfordert das Wiedererkennen ein großes Abstraktionsvermögen, das nicht alle Personen leisten können (vgl. Ockelford 1994, S. 16). Im Laufe der Zeit soll das Symbol von der direkten Handlung gelöst werden. Es ist möglich, das verkleinerte Objekt als Ankündigung, z.B. auf einem Stundenplan, zu nutzen. Damit kann das Kind den Tagesablauf erkennen und ist auf Veränderungen vorbereitet (vgl. Ockelford 1994, S. 19). Zur Anordnung der Symbole schlägt Ockelford Schubfächer vor, die nach Ende einer Phase geschlossen werden können (vgl. Ockelford 1994, S. 19). Dies ist natürlich nur eine mögliche Form. Die Objekte können ebenso platzsparender und kostengünstiger auf einer Fußmatte mit Klettband befestigt und nach Beendigung einer Aktivität abgenommen werden. www.foepaed.net 52 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) Abbildung 8: Schrittweise Reduktion des Objektes (entnommen aus: Ockelford 1994, S. 15) Objects of Reference als Kommunikationsmittel Man beginnt zunächst mit zwei Objekten. Der „nichtsprechende“ Mensch darf eines auswählen und sich damit für etwas entscheiden. Die Aussage wird gemacht, indem das Kind auf einen Gegenstand zeigt oder diesen in die Hand nimmt. Im Laufe der Zeit kann die Anzahl der Wahlmöglichkeiten gesteigert werden (vgl. Ockelford 1994, S. 21). Die Nutzung von Objects of References schließt andere Kommunikationsformen, z.B. körpereigene oder elektronische Hilfen, nicht aus. Es ist z.B. denkbar, die Tasten eines elektronischen Sprachgerätes mit solchen Objekten zu markieren. So erfolgt auf die Auswahl eines Symbols gleichzeitig eine akustische Rückmeldung und der blinde Nutzer weiß sofort, ob er das gewünschte Objekt gewählt hat (vgl. Ockelford 1994, S. 31). Jedes Symbol sollte beschriftet werden. Zum einen mit Moon- oder Braille-Schrift (je nach Kenntnissen des Kindes) und zum anderen mit Schwarzschrift, sodass auch fremde Personen die Bedeutung verstehen. Jedes neue Symbol sollte vom Schüler selbst aus einer Reihe von Möglichkeiten ausgewählt werden. Dies erleichtert das Verständnis und erhöht die Motivation (vgl. Ockelford 1994, S. 24). Die Auswahl erster Objekte ist sehr sorgfältig zu planen. Dazu ist ein Austausch mit möglichst vielen Bezugspersonen nötig. Ein eingeführtes Symbol kann in seiner Bedeutung nicht mehr verändert werden. Alle Objekte sollen nicht nur in der Schule, sondern auch zu Hause genutzt werden. Nur so erkennt das Kind die Bedeutung der Symbole (vgl. Ockelford 1994, S. 25). Fotos, Bilder und grafische Symbole Ein Bild oder Foto wird zum Symbol, sobald eine Bedeutung des Bildes vereinbart wurde (vgl. Adam 1993, S. 7). Fotos, Bildkarten oder grafische Symbole können zu Kommunikationshilfen zusammengestellt werden. Ihre Anordnung richtet sich nach den individuellen motorischen und kognitiven Fähigkeiten des Nutzers. Die Gliederung muss einsichtig für den „nichtsprechenden“ Menschen sein, damit ein Wiederfinden der Symbole gewährleistet ist. Die Art der Bilder ist an die kognitiven Möglichkeiten der Person anzupassen. Für die Auswahl eines ersten Vokabu- www.foepaed.net 53 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) lars sind Beobachtungen und Befragungen der Bezugspersonen nötig (vgl. Arnusch/ Pivit 1996, S. 21). Fotos sind wirklichkeitsnah und gut erkennbar. Gleichzeitig zeigen sie viele redundante Einzelheiten. Dadurch sind solche Darstellungen oft nur in bestimmten, vereinbarten Situationen nutzbar. Fotos sind immer individuell und müssen für jede Person neu hergestellt werden (vgl. Adam 1993, S. 236). Es gibt inzwischen über 40 veröffentlichte Sammlungen und Systeme mit grafischen Symbolen. Sie unterscheiden sich in ihrer Abstraktheit und in der Art und Weise, welche sprachlichen Strukturen damit abgebildet werden können. Das in Deutschland lange Zeit bekannteste System ist Bliss (vgl. Franzkowiak 1997, S. 38). Bei Bildsymbolen differenziert man zwischen drei Stufen der Ikonizität. Die Ikonizität beschreibt den „Zusammenhang zwischen dem Aussehen des Symbols und der intendierten Bedeutung“ (Franzkowiak 1997, S. 41). Es wird danach unterschieden, wie weit die Bedeutung eines Symbols aus der Abbildung erschlossen werden kann (vgl. Franzkowiak 1997, S. 41). Die einfachste Stufe ist die Transparenz, d.h. Erkennbarkeit. Solche Abbildungen sind oft Piktogramme. Die Symbole müssen in der Regel nicht erläutert werden. Bei transluzenten29 Symbolen kann leicht ein Zusammenhang zu der Bedeutung hergestellt werden. In der Regel ist eine kurze Erläuterung der Zeichen nötig. Opake Symbole30 bieten keine Möglichkeit, die Bedeutung zu erraten. Hier muss eine ausführliche Einführung erfolgen (vgl. Franzkowiak 1997, S. 41) (siehe Abbildung 9). Die Auswahl eines Symbolsystems sollte sich nicht allein an dem Grad der Ikonizität orientieren. Ob ein transparentes Bild leichter zu erlernen ist als ein opakes, ist abhängig von den Vorerfahrungen der Person. Bei der Festlegung auf ein Symbolsystem sind daher auch andere Faktoren, wie Erweiterungsmöglichkeiten, Herstellung, Kosten etc., zu berücksichtigen (vgl. Franzkowiak 1997, S. 42f). 29 transluzent: durchsichtig (vgl. Duden 1997) 30 opak: undurchsichtig (vgl. Duden 1997) www.foepaed.net 54 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) IKONIZITÄT bezieht sich auf den Grad des Zusammenhangs zwischen dem Aussehen des Symbols und der intendierten Bedeutung. TRANSPARENZ (lt. Durchsichtigkeit, Erkennbarkeit) TRANSPARENZ (lt. Durchsichtigkeit) = Grad der Erkennbarkeit eines Symbols auf Anhieb ohne Vorkenntnisse = Grad der Abteilbarkeit der Bedeutung eines Symbols bei vorangegangener Instruktion Kiste, Schachtel Auto Transparente Symbole (typisch: konkrete, piktografische Symbole) müssen häufig nicht erläutert werden; eine Einführung ist oft nicht nötig. Bei sehr transluzenten Symbolen läßt sich leicht ein Zusammenhang zur Bedeutung herstellen; sie werden als „repräsentativ“ eingestuft. In der Regel müssen Symbole und Bedeutung zunächst erläutert werden. Transparente Symbole werden auch als hochgradig transluzent angesehen. OPAZITÄT (lt. Durchsichtigkeit) = Grad der willkürlichen Festlegung des Aussehens eines Symbols Kuchen Ist ein Symbol opak, so läßt sich seine Bedeutung nicht erraten. Zwischen Symbol und Bedeutung ist kein Zusammenhang erkennbar. Zum Symbolverständnis ist Instruktion unbedingt erforderlich. Abbildung 9: Ikonizität bei grafischen Symbolen (entnommen aus: Franzkowiak 1997, S. 41) 5.6.2.2 Verschiedene Symbolsysteme Ich möchte im Folgenden einige Bildsymbolsysteme vorstellen. Dies ist nur eine kleine Auswahl der vorhandenen Sammlungen und Systeme. In der Abbildung von Gegenständen unterscheiden sich die einzelnen Systeme oft kaum. Eigenschaften, Tätigkeiten und vor allem abstrakte Begriffe sind dagegen sehr unterschiedlich dargestellt (vgl. Adam 1993, S. 279). Daher hat jedes System auch Vor- und Nachteile. Oft ist eine Kombination aus mehreren Systemen sinnvoll (vgl. Adam 1993, S. 282). Wie weit die Symbole für Menschen mit Sehschädigung nutzbar sind, muss jeweils überprüft werden. Franzkowiak unterscheidet zwischen Symbolsammlungen und Symbolsystemen. www.foepaed.net 55 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) Symbolsammlungen haben nur eine beschränkte Anzahl von Zeichen. Sie sind kaum erweiterbar. Für ihre Anwendung gibt es keine konkreten Regeln. Touch’n Talk Symbole und LöbBilder gehören zur Kategorie der Sammlungen (vgl. Franzkowiak 1997, S.38). Symbolsysteme haben dagegen ein umfangreiches Vokabular. Sie folgen einem logischen Aufbau und bieten vielfältige Erweitungsmöglichkeiten. Für die Anwendung gibt es ein spezielles Regelwerk. Bliss- und PCS-Symbole zählen zu den Symbolsystemen (vgl. Franzkowiak 1997, S.39). LÖB-Bildersammlung (siehe Abbildung 10) Reinhold Löb entwickelte diese Sammlung in den 80er-Jahren in Deutschland. Sie umfasst 60 Bildkarten im DIN-A-6-Format (ca. 10X14 cm). Es werden die Bereiche allgemeine Verständigungszeichen, Eigenschaftswörter, Gesundheitsfürsorge, Nahrungsmittel, häusliche Gegenstände, Körperhygiene, Spielen und Beschäftigung, Religion, Gefühle und Arbeit/ Vergnügen abgedeckt. Als Grundlage dienen Symbole aus dem internationalen Reiseverkehr. Für Ja und Nein ist jeweils ein Zeichen vorhanden (vgl. Adam 1993, S. 239). Die Bedeutung einer Abbildung ist unterhalb des Bildes in Schwarzschrift angegeben. Es gibt einen Erweiterungssatz mit 180 Symbolen ohne Beschriftung (vgl. Kristen 1997, S. 91). Abbildung 10: Beispiele aus dem LÖB-System (entnommen aus: Kristen 1997, S. 92) www.foepaed.net 56 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) Um mehrere Kommunikationskanäle gleichzeitig anzusprechen, sollen im ursprünglichen Sinn zu den Karten jeweils reale Objekte und Gebärden dargeboten werden (vgl. Kristen 1997, S. 91). Die Symbole sind klar und einfach dargestellt und somit auch von Menschen mit einer geistigen Behinderung gut wiederzuerkennen. Der Wortschatz ist sehr begrenzt (vgl. Kristen 1997, S. 91). Touch’n-Talk-Bildersammlung (siehe Abbildung 11) C. Drolet und K. Hume entwickelten diese Sammlung 1983 in den USA. Sie enthält ca. 600 Bilder, die nach Oberbegriffen geordnet sind. Ursprünglich waren es nur schwarz-weiß Sticker. Adam bezeichnet die Bilder als klar und eindeutig. Abbildung 11 (links) macht aber deutlich, dass zur Klärung der Bedeutung bei einigen Symbolen eine Beschriftung dringend erforderlich ist. Da die Bilder ursprünglich nicht mit Schrift versehen sind, können die Symbole auch in anderen Ländern genutzt werden (vgl. Adam 1993, S. 242). Außerdem enthält die Sammlung einige leere Sticker, was die Anfertigung eigener Symbole im gleichen Format ermöglicht (vgl. Kristen 1997, S. 95). Abbildung 11: Bilder aus der Touch’n-Talk-Sammlung (entnommen aus: Kristen 1997, S. 93; Adam 1993, S. 242) Seit 1986 gibt es die gleichen Symbole als Pick’n-Stick-Sammlung auch in Farbe. Die farbige Darstellung ist für Kinder besonders ansprechend, daher empfiehlt sich die Anwendung im Vorschul- und Schulalter (vgl. Kristen 1997, S. 95). www.foepaed.net 57 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) Eine erneute Weiterentwicklung fand 1988 mit den See’n Sign Cards statt. Die eigentlichen Symbole sind hierbei stark verkleinert. Zusätzlich ist jeweils die Gebärde für einen Begriff abgebildet (vgl. Adam 1993, S. 243). Durch die Gebärden kann allerdings die internationale Nutzbarkeit der Bilder eingeschränkt sein, da sie sich in verschiedenen Sprachen unterscheiden. Abbildung 12: See’n Sign Card (entnommen aus: Adam 1993, S. 243) PIC (Pictogramm Ideogramm Communication) (siehe Abbildung 13) Diese Sammlung beinhaltet ungefähr 400 Bilder. Sie sind piktografisch oder ideografisch31 (vgl. Adam 1993, S. 248). Auch hierbei sollen Gebärden und taktile Objekte parallel eingesetzt werden. Die PIC-Symbole sind weiß auf schwarzem Untergrund dargestellt. Damit sollen sich sie besonders gut für Menschen mit visuellen Wahrnehmungsstörungen eignen (vgl. Franzkowiak 1996c, S. 27). Die Bilder sind schlecht selbst zu produzieren. Sollte ein benötigtes Zeichen fehlen, kann es nicht selbst gezeichnet werden. Auch wenn einige Menschen nicht mehr als 20 Bilder benutzen können, ist oft ein benötigtes Symbol nicht vorhanden. Adam schlägt daher vor, lediglich einzelne Bilder der Sammlung als Ergänzung zu einem anderen System zu nutzen (vgl. Adam 1993, S. 248f). Abbildung 13: PIC-Symbols (entnommen aus: Adam 1993, S. 248) 31 ideografisch: ein Konzept oder eine Handlung repräsentierend (vgl. Adam 1993, S. 248) www.foepaed.net 58 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) PCS-System (Picture Communication Symbols) (siehe Abbildung 14) Die Autorin R. Mayer-Johnson entwickelte dieses System 1981 in den USA. Es enthält 1800 schwarz-weiße Umrisszeichnungen mit vereinfachten Darstellungen zu verschiedenen Sachgebieten. Die sechs Rubriken umfassen die Bereiche Soziales, Tätigkeiten, Menschen, Dinge, Eigenschaften, Verschiedenes. Innerhalb einer Kategorie ist wieder eine Einteilung nach Oberbegriffen vorgenommen worden. Ursprünglich sind die Bilder jeweils in zwei Größen vorhanden. Man geht davon aus, dass zunächst die großen Symbole eingesetzt werden, um dann den Übergang zu den kleineren zu schaffen (vgl. Adam 1993, S. 251ff). Abbildung 14: PCS-Symbols (entnommen aus: www.fst.ch/ind/allemand/katalog/pc/pcg.htm) Ungewöhnlich ist die Darstellung von Personen. Während viele andere Systeme Fotos für die Abbildung von bekannten Personen nutzen, bietet diese Sammlung verschiedene einfache Gesichtsformen mit unterschiedlichen Haarschnitten an (siehe Abbildung 15). Diese sollen annähernd passend ausgesucht werden (vgl. Adam 1993, S. 253). Das erleichtert die Herstellung einer Kommunikationstafel, da nicht erst Fotos gemacht werden müssen. Ob eine solche Art der Darstellung sinnvoll ist, sollte im Einzelfall für den jeweiligen Benutzer entschieden werden. Abbildung 15: PCS-Symbols: Personen (entnommen aus: Adam 1993, S. 254) www.foepaed.net 59 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) Abbildung 14 macht deutlich, dass bei den Bildern immer ein Schriftaufdruck nötig ist, damit auch Außenstehende den Sinn erfassen können. Mit Hilfe des Computerprogramms Boardmaker können die Symbole in einer individuellen Größe und mit individueller Beschriftung zu einer Kommunikationstafel zusammengestellt werden. Seit einigen Jahren ist das PCSSystem auch in Farbe erhältlich. Nach einer Befragung der Nutzer des Systems wurde ein zweiter Band erstellt. Er enthält mehr gesprächssteuernde Aussagen, Witze und ansatzweise auch Themen wie Partnerschaft, Liebe und Sexualität (vgl. Adam 1993, S. 254f). Abbildung 16: PCS-Symbols: Ja und Nein (entnommen aus: Adam 1993, S. 254) Abbildung 17: PCS-Symbols: kommunikationssteuernde Aussagen (entnommen aus: Adam 1993, S. 254) Bliss-System (siehe Abbildung 18ff) Charles Bliss wollte ursprünglich eine Bildersprache entwickeln, die für alle Völker der Erde verständlich war. Er orientierte sich in den 40er-Jahren an der chinesischen Schrift. Sie kann über Provinzen und Landesgrenzen hinaus (Korea/ Japan) gelesen werden (vgl. Adam 1993, S. 215ff). Durch Bliss sollten die Staatsoberhäupter verschiedener Länder ohne Dolmetscher miteinander sprechen können. Einen solchen „ungehinderten Dialog“ sah C. Bliss als Grundlage für den Weltfrieden an (Adam 1993, S. 216). Auch wenn das Ziel einer Universalsprache nicht erreichen werden konnte, ist das so genannte Bliss-System heute ein wichtiges alternatives Kommunikationsmittel (vgl. Adam 1993, S. 271). Franzkowiak bezeichnet die Symbole als „visuelle Sprache", die nicht lautgebunden ist (Franzkowiak 1996a, S. 241). Das Symbolsystem weist verschieden Merkmale einer Sprache auf: In Anlehnung an die Schriftsprache haben die Zeichen unterschiedliche Bedeutungen. Es gibt Piktogramme im Sinne einer Bilderschrift, willkürlich vereinbarte Zeichen im Sinne einer www.foepaed.net 60 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) Begriffsschrift und diakritische32 Zeichen oder Indikatoren, z.B. für Wortarten, die durch ihre Anwendung die Bedeutung eines Symbols nach bestimmten Regeln verändern (vgl. Franzkowiak 1996a, S. 242). Wie unsere Schriftsprache ist Bliss aus 25 immer wiederkehrenden Grundelementen aufgebaut, die mit einer Schablone erzeugt werden können. Diese Elemente sind einfache grafische Symbole ohne Details. Durch unterschiedliche Kombination und Anordnung ist die Bildung von über 2000 Begriffen möglich. (vgl. Franzkowiak 1996a, S. 240). Abbildung 18: Grundelemente von Bliss von der Zeichenschablone (entnommen aus: Franzkowiak 1996a, S. 243) Darüber hinaus weist das System orthografische33 Regeln auf. Die Anordnung der Symbole erfolgt zwischen zwei gedachten Linien, die Erde und Himmel repräsentieren. Die Symbolbedeutung verändert sich durch ihre Lage, Größe und Zwischenräume (vgl. Franzkowiak 1996a, S. 242). Bliss zeichnet sich durch eine Grammatik aus. Es gibt Zeichen für Wortarten und Flexionsformen und einzelne Morpheme34. Das Symbolsystem hat auch eine vorgegebene Syntax (vgl. Franzkowiak 1996a, S. 242). Die Zeichen folgen einer semantischen35 Orientierung. Durch Zusammensetzung von Symbolen erhält man zusammengesetzte Begriffe (vgl. Franzkowiak 1996a, S. 240). „Damit ist Bliss zwar nicht lautgebunden, aber es erfüllt alle Kriterien, die an Sprache als Kommunikationssystem gestellt werden“ (Franzkowiak 1996a, S. 242, zit. nach Brügel- 32 diakritisches Zeichen: zeigt die besondere Aussprache eines Zeichens an (Duden 1997, S. 187) 33 Orthografie: Rechtschreibung (vgl. Duden 1997) 34 Morphem: „kleinstes sprachliches Zeichen“ (Duden 1997) 35 Semantik: Bedeutung und Inhalt eines Wortes (vgl. Duden 1997) www.foepaed.net 61 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) mann). Das System umfasst piktografische und ideografische Symbole zu den Oberbegriffen Menschen, Dinge, Tätigkeiten, Eigenschaften und Gefühle, Beziehungen, ideelle Vorstellungen (vgl. Adam 1993, S. 274) (siehe Abbildung 19ff). Abbildung 19: Piktografische Bliss-Symbole (entnommen aus: Adam 1993, S. 273) Abbildung 20: Ideografische Bliss-Symbole (entnommen aus: Adam 1993, S. 274) Die Symbole können auf verschiedenen Niveaus (Ein-Symbol-Aussagen, Telegrammstil oder komplexe Sätze) verwendet werden, sodass eine Anpassung an unterschiedliche Benutzergruppen möglich ist (vgl. Franzkowiak 1996a, S. 242). Abbildung 21: Bliss-Symbole (entnommen aus: Adam 1993, S. 274) www.foepaed.net 62 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) Bliss ist wohl das abstrakteste Bildsymbolsystem, das derzeit auf dem Markt ist. Dennoch sollte es nicht generell Menschen mit scheinbar geringen kognitiven Fähigkeiten vorenthalten bleiben (vgl. Adam 1993, S. 271). Sofern die Grundsymbole bekannt sind, können die zusammengesetzten Formen einzelner Zeichen relativ leicht erschlossen werden. Die Erstellung neuer Symbole ist möglich, da es klare Anwendungsregeln gibt. Die Produktion der Abbildungen ist einfach und kann teilweise von Nutzer selbst vorgenommen werden. (vgl. Franzkowiak 1996a, S. 246). Vor allem in der Arbeit mit körperlich eingeschränkten Menschen wird dieses System eingesetzt. Auch im Umgang mit Personen mit einer geistigen Behinderung können die Symbole genutzt werden. In diesem Zusammenhang verbinden einige Pädagogen die abstrakten Symbole mit kleinen Piktogrammen, um sie konkreter erscheinen zu lassen (siehe Abbildung 22). Bei Menschen mit einer kognitiven Einschränkung kann oft nur eine begrenzte Auswahl an Symbolen eingesetzt werden (vgl. Adam 1993, S. 275). Abbildung 22: Picture your Bliss (entnommen aus: Adam 1993, S. 275) Das Cheyne Symbolsystem für blinde Kinder (siehe Abbildung 23f) Das System wurde in Anlehnung an die Bliss-Symbole entwickelt. Es entstand aus der Arbeit mit spastisch gelähmten blinden Kindern in London. Sie verfügten alle über ein geringes Sprachverständnis. Man wollte Symbole schaffen, die besser taktil zu erfassen und zu analysieren sind als die Bliss-Zeichen (vgl. Adam 1993, S. 276). Für die Darstellung der Symbole gibt es drei Möglichkeiten: die Zeichen können als Form in ein Brett geritzt, mit Draht oder anderen Hilfsmitteln auf eine glatte Oberfläche geklebt oder mit Hilfe verschiedenartiger Materialien flächig auf eine glatte Oberfläche aufgebracht werden. Bei der Entscheidung für eine Darstellungsform muss auf eventuelle Tastscheu oder Tastempfindlichkeit des Nutzers Rücksicht genommen werden (vgl. Adam 1993, S. 276). www.foepaed.net 63 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) Die Zeichen haben für Sehende Symbolcharakter. Für blinde Menschen erscheinen sie eher arbiträr36. Die Sammlung umfasst 112 Symbole, die teilweise zusammengesetzt sind. Sie decken die Bereiche Haus und Wohnung, Essen und Trinken, Natur, Tiere, Spielzeug, Eigenschaftswörter, Tätigkeiten, Umstandsbestimmungen, Fahrzeuge, Menschen und Sonstiges ab. Ein Teil der Zeichen ist identisch mit Bliss, andere sind leicht verändert oder vereinfacht und einzelne Bliss-Symbole erhielten eine neue Bedeutung (vgl. Adam 1993, S. 276f). Abbildung 23: Aufbau der Cheyne-Symbole: Tiere (entnommen aus: Adam 1993, S. 278) Abbildung 24: Aufbau der Cheyne-Symbole: Verben (entnommen aus: Adam 1993, S. 278) 36 arbiträr: willkürlich festgelegt (vgl. Duden 1997) www.foepaed.net 64 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) Die Zeichen können miteinander kombiniert werden und ergeben so einen neuen Sinn. Die Cheyne-Symbole gehören zu den Symbolsammlungen und sind damit nicht beliebig erweiterbar. Im Einzelfall ist zu überprüfen, ob bei Ausschöpfung der Symbole der Einsatz des BlissSystems möglich ist (vgl. Adam 1993, S. 277). Schriftsprache Einige Nutzer bevorzugen Tafeln mit einer individuellen Anordnung von Buchstaben. So können Gedanken gut verdeutlicht werden. Ein solches System erfordert hohen Zeitaufwand und große Konzentration bei beiden Gesprächspartnern. Daher bietet sich eher eine Kombination aus Symbolen, Wörtern und Buchstaben an. Grundgedanken können dann mit Hilfe der Bilder schnell geäußert werden. Die Schrift macht die Vermittlung von Inhalten möglich, die mit den vorhandenen Symbolen nicht zu erklären sind (vgl. Arnusch/ Pivit 1996, S. 23). Sofern es die kognitiven Möglichkeiten des „Nichtsprechenden“ erlauben, ist in jedem Fall der Erwerb der Schriftsprache anzustreben. Nicht nur für die Beseitigung von Missverständnissen hat sie in der Kommunikation ihre Bedeutung. Sie erschließt außerdem wesentliche gesellschaftliche Bereiche (vgl. Arnusch/ Pivit 1996, S. 23). Für blinde Menschen ist nur eine tastbare Schrift wie Braille oder Moon zugänglich. Diese beherrschen aber nur wenige Sehende. Für eine Tafel empfiehlt sich daher eine Kombination aus Schwarz- und Braille-Schrift. 5.6.2.3 Vor- und Nachteile nicht-elektronischer Kommunikationshilfen Nicht-elektronische Hilfsmitteln lassen sich relativ einfach selbst herstellen. Sie sind daher preiswert und können durch Laminieren auch wasserbeständig und abwischbar gemacht werden. Einfache Tafeln oder Bücher sind in jeder Situation einsetzbar, sodass sie ebenso genutzt werden können wie die Lautsprache (vgl. Braun 1996b, S. 6). Diese Kommunikationssysteme erfordern, wie körpereigene Modi, die Nähe des Gesprächspartners. Er muss die Symbole und die „nichtsprechende“ Person im Blick haben, um sie zu verstehen. Oft ist ein „Dolmetscher“ nötig, um Aussagen für fremde Personen zu übersetzen. Die Kommunikationsinhalte können nicht gespeichert werden. Das bedeutet, wenn der Gesprächspartner etwas nicht versteht, muss der „nichtsprechende“ Mensch die Symbole neu anwählen (vgl. Braun 1996b, S. 6). Mit Hilfe der Bilder kann der Nutzer oft nur grobe Gesprächsinhalte festlegen. Einzelheiten sind durch Nachfragen abzuklären. Der sprechende Partner nimmt somit eine aktive Rolle ein. Je besser sich die Kommunikationspartner kennen, desto eher gelingt in der Regel die Kommunikation. Bekannte Personen verstehen oft nach wenigen Schlüsselbegriffen die Aussage des „nichtsprechenden“ Menschen (vgl. Arnusch/ Pivit 1996, S. 23). Grundsätzlich lassen sich nicht-elektronische Kommunikationshilfen sehr individuell an die Bedürfnisse und Fähigkeiten des Nutzers anpassen. Die Auswahl eines ersten Vokabulars www.foepaed.net 65 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) muss genau überlegt werden. Hierfür sind ausführliche Gespräche mit Bezugspersonen und Beobachtungen nötig (vgl. Braun 1996b, S. 7). 5.6.3 Elektronische Kommunikationshilfen Man unterscheidet zwischen Geräten mit und ohne Sprachausgabe. Geräte ohne Sprachausgabe zeigen die gewünschten Inhalte über ein Display, einen Bildschirm oder auch über Papierstreifen an. In diese Gruppe lassen sich die elektrische Schreibmaschine und Computer einordnen. Die meisten Geräte sind inzwischen auch mit Sprachausgabe erhältlich (vgl. Arnusch/ Pivit 1996, S. 24). Die Kommunikationshilfen mit Sprachausgabe sind in den letzten Jahren sehr vielfältig geworden. Sie reichen von einem einfachen Hilfsmittel, das sprachliche Inhalte von maximal 20 Sekunden speichert, die über Tastendruck abgerufen werden (BIGmack), bis hin zu hochkomplexen Sprachcomputern. Im Folgenden stelle ich eine begrenzte Auswahl der auf dem Markt erhältlichen Geräte vor. Beispielhaft werden zwei Systeme erläutert, die sich für den Einsatz bei blinden oder sehgeschädigten Menschen eignen. Es gibt Kompaktgeräte, die eigens für die Kommunikation entwickelt wurden, sowie tragbare Kleincomputer mit speziellen Zusatzausrüstungen und Kommunikationsprogrammen (vgl. Arnusch/ Pivit 1996, S. 25). Einige kleinere Hilfsmittel erläutere ich im anschließenden Fallbeispiel. Man unterscheidet die natürliche und die synthetische Sprachausgabe. Bei der natürlichen oder digitalen Sprachausgabe „leiht“ ein Helfer sozusagen seine Stimme aus, indem er die Inhalte auf das Gerät spricht. Diese Sprache ist sehr gut zu verstehen. Evtl. kann sich der Nutzer besser mit einer solchen Stimme identifizieren. Bei einer digitalen Sprachausgabe kann die „nichtsprechende“ Person nur Inhalte aussprechen, die zuvor aufgenommen wurden (vgl. Arnusch/ Pivit 1996, S. 25). Die synthetische Sprachausgabe setzt Buchstaben selbstständig in Laute um, somit ist der „nichtsprechende“ Mensch in der Lage, alles zu sagen, was er möchte. Die synthetische Stimme klingt künstlich. Eine sinnvolle Betonung der Silben ist nur in begrenztem Umfang möglich. Dies erschwert oft das Verständnis. Manchmal müssen sich Nutzer und Zuhörer erst einhören und an die Stimme gewöhnen (vgl. Arnusch/ Pivit 1996, S. 25). Wie bei den nicht-elektronischen Kommunikationshilfen gibt es auch hier die Möglichkeit, über verschiedene Zeichen zu kommunizieren. Einige Geräte lassen nur die Auswahl von Bildern oder von Buchstaben zu, manche bieten sogar eine Kombination von beidem an. Zur Ansteuerung gibt es ebenfalls verschiedene Möglichkeiten wie Schalter, Stirnstab etc., die sehr genau an die motorischen Fähigkeiten des Nutzers angepasst werden können (vgl. Arnusch/ Pivit 1996, S. 25). www.foepaed.net 66 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) 5.6.3.1 Verschiedene Sprachgeräte AlphaTalker (siehe Abbildung 25) Er ist eine tragbare elektronische Kommunikationshilfe mit natürlicher Sprachausgabe. Der AlphaTalker hat bis zu 6 ½ Minuten Speicherkapazität. Das reicht für mehr als 200 Sätze, Phrasen oder Wörter. Die Kapazität ist bis auf 25 Minuten erweiterbar. Der Speicherinhalt lässt sich auch auf einem Computer abspeichern. Üblicherweise liegt über der Tastatur ein Deckblatt, sodass jede Taste mit einem individuellen grafischen Symbol gekennzeichnet ist. Dies ermöglicht ein schnelles Wiederfinden der Aussagen. Die geringste Anzahl an Auswahlmöglichkeiten sind 4 Felder (2x2). Maximal sind 32 Tasten (8x4) zu belegen. Das Vokabular kann nach Themenbereichen geordnet und abgespeichert werden. Die 32 Felder können mehrfach belegt werden. Zu jedem Thema erstellt man dann ein Deckblatt. Es ist denkbar, die Tasten für blinde Nutzer mit tastbaren Objekten zu gestalten. Beim Gebrauch von Thementafeln ist die Markierung mit taktilen Medien aber nicht sinnvoll, da das Auswechseln des Deckblattes dadurch umständlich wird. In diesem Fall ist die Bedienung über akustisches Scanning zweckmäßiger. Eine Kombination von jeweils zwei Tasten ermöglicht eine Erweiterung des Vokabulars. Hier bietet sich eine tastbare Oberfläche eher an als bei den Thementafeln. Die Ansteuerung des Gerätes funktioniert direkt durch Tastendruck, mit einem optischen Stift, über externe Tasten oder mit diversen Scanning-Verfahren (siehe 5.6.4.1). Weiterhin ist ein spezielles Kommunikationsprogramm, die Quasselkiste, erhältlich. Sie enthält ein bereits organisiertes Vokabular. Abbildung 25: AlphaTalker Audiocom: (siehe Abbildung 26) Audiocom ist seit 1997 erhältlich. Es wurde speziell für die Anwendung bei schwerstbehinderten blinden oder hochgradig sehbehinderten Menschen entwickelt. Audiocom ist eine spezielle Software, die für alle windows-fähigen Rechner geeignet ist. Sie bietet die Möglichkeit, ein Vokabular auf 1-3 Ebenen zu strukturieren. Beispielsweise können in einer ersten Ebene die Oberbegriffe „essen", „trinken“ etc. geordnet werden. Die zweite Ebene bietet eine www.foepaed.net 67 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) weitere Spezifizierung z.B. mit „Frühstück“, „Mittagessen“ etc. In der dritten Ebene werden dann schließlich die einzelnen Nahrungsmittel ausgewählt. Umfang und Gliederung sind individuell bestimmbar. Für den Anfang reicht oft eine einzelne Ebene, auf der die Aussage direkt angesteuert wird. Zu der Software gehören ein Ohrhörer und eine Taste, mit denen das akustische Scanning möglich ist (vgl. Hück 1998, S. 540f). Die Software wird auf ein Notebook gespielt, um größtmögliche Mobilität zu erreichen. Der Laptop muss während des Betriebes nicht geöffnet sein, sodass er einfach in einer Tasche untergebracht werden kann (vgl. Hück 1998, S. 540f). Abbildung 26: Ansicht der Audiocom-Struktur 5.6.3.2 Vor- und Nachteile der elektronischen Kommunikationshilfen Die Sprachausgabe bietet vielfältige Kommunikationsmöglichkeiten. Der Nutzer kann reden, schimpfen etc. ohne auf Hilfe angewiesen zu sein. Bei digitalen Sprachausgaben ist die „nichtsprechende“ Person allerdings nach wie vor darauf angewiesen, dass jemand entsprechende Inhalte aufnimmt. Der Nutzer hat die Möglichkeit, selbstständig ein Gespräch zu steuern. Er ist nicht mehr auf den Blickkontakt des Kommunikationspartners angewiesen. Man kann z.B. auch jemanden herbeirufen. Gespräche mit fremden Personen werden so erleichtert (vgl. Arnusch/ Pivit 1996, S. 25). Trotz der vielfältigen Möglichkeiten sind auch diese Geräte keine Wundermittel. Zunächst erfordert die Anpassung einer elektronischen Kommunikationshilfe viel Zeit. Der Talker muss eingestellt und, bei einer digitalen Sprachausgabe, besprochen werden. Nicht nur der Nutzer, sondern auch die Helfer benötigen eine ausführliche Einführung in die Technik, damit die Kommunikation gelingen kann und eine schnelle Erweiterung des Vokabulars möglich ist. Da ein Sprachgerät auf lange Sicht angeschafft wird, sind die Möglichkeiten nicht von www.foepaed.net 68 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) Anfang an ausgeschöpft. Gerade die Bezugspersonen sind aber dadurch oft enttäuscht, da sie sich eigentlich mehr von dem Gerät versprochen hatten. Es ist wichtig, bereits kleine Fortschritte zu erkennen und entsprechend zu honorieren (vgl. Hoffmann-Schöneich 1995, S. 4-7). Komplizierte Sprachgeräte sind oft anfällig. Daher ist es immer sinnvoll, eine alternative Kommunikationshilfe zu haben. Die Stimme, vor allem bei der synthetischen Sprachausgabe, ist teilweise gewöhnungsbedürftig. Weiterhin sind der Kommunikation Grenzen durch den Speicher des Gerätes gesetzt. Natürlich ist auch hier das Vokabular begrenzt und die Auswahl dauert lange. Aber dennoch ist es eine angemessene Alternative zur „Sprachlosigkeit“ (Hück 1998, S. 542). Der Nutzer kann selbst aktiv werden und zielgerichtet und bestimmt handeln (vgl. Hück 1998, S. 542). 5.6.4 Ansteuerung und Auswahlverfahren bei externen Kommunikationshilfen Eine stabile Ausgangsposition des „nichtsprechenden“ Menschen erleichtert die Ansteuerung des Vokabulars und kann somit die Kommunikationsgeschwindigkeit steigern. In Zusammenarbeit mit einem Krankengymnasten sind die motorischen Fähigkeiten der Person genau abzuklären. Die Aktivierung, bzw. Ansteuerung des Feldes kann auf verschiedene Weise geschehen. Mit einzelnen Körperteilen oder Hilfsmitteln, z.B. Stirnstab, Maus etc., wird ein Feld gedrückt oder nur berührt. Bei nicht-elektronischen Hilfen genügt auch eine Blickbewegung oder eine Zeigegeste. Das geeignete Körperteil zur Ansteuerung muss gefunden werden. Dann gilt es, eine optimale Position für das Individuum und die benötigten Schalter bzw. anderen Kommunikationshilfen zu finden (vgl. Kristen 1997, S. 87). Mit solchen Schaltern ist nicht nur die Bedienung eines elektronischen Sprachgerätes möglich. Vor allem bei Menschen mit einer starken körperlichen Einschränkung ermöglichen externe, individuell angepasste Schalter eine aktive Beeinflussung der Umgebung. Viele Fallberichte von mehrfachbehinderten Kindern mit einer Sehschädigung beschreiben den Einsatz solcher Tasten. Es gibt Schalter, die mit Hilfe eines Batterieunterbrechers die Steuerung batteriebetriebener Spielzeuge ermöglichen. Kinder können sich dadurch mit Gegenständen beschäftigen, die ihnen sonst nicht zugänglich wären. Jugendliche und Erwachsenen möchten oft alltägliche Geräte bedienen können. Dies ist über zusätzliche Hilfsmittel wie einen Power-Link oder Netzschaltadapter möglich. Solche Adapter dienen als Verbindung zwischen einem elektronischen Gerät und der Steckdose. Sie können mit einem externer Schalter, z.B. Jelly Bean (siehe Abbildung 27f), verbunden werden. So bekommen motorisch stark eingeschränkte Menschen die Möglichkeit, z.B. ein Radio, einen Kassettenrekorder oder auch eine Lampe selbstständig anzuschalten. Sie erhalten ein Stück Autonomie (vgl. Aitken/ McDevitt 1995, S. 8). Die notwendigen externen Schalter können individuell an den Benutzer angepasst werden. www.foepaed.net 69 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) Abbildung 27: Jelly-Bean-Taste (siehe 8.1) Abbildung 28: PowerLink (siehe auch 8.1) Die Auswahl des Vokabulars bei einer Kommunikationshilfe geschieht durch direkte oder indirekte Selektion. Bei der direkten Selektion wird durch eine Bewegung sofort das gewünschte Feld angewählt. Dies geschieht mit den oben beschriebenen Hilfsmitteln. Es ist die schnellste Form der Selektion. Viele Menschen mit körperlichen Einschränkungen haben mit dieser Art der Ansteuerung Schwierigkeiten. Sie nutzen die indirekte Selektion (vgl. Arnusch/ Pivit 1996, S. 29). Die indirekte Selektion kann auf zwei Arten durchgeführt werden: 5.6.4.1 Scanning Voraussetzung für dieses Verfahren ist ein Ja-, bzw. Nein-Signal. Bei nicht-elektronischen Kommunikationshilfen führt der Partner die Abfrage der einzelnen Felder durch. In diesem Fall spricht man auch von Partnerscanning. Elektronische Kommunikationshilfen können ein solches Verfahren automatisch ablaufen lassen. Dabei zeigt ein Lichtpunkt an, welches Feld gerade aktiviert werden kann. Ein externer Schalter dient als Ja-Signal. Mit ihm wird ein aktiviertes Feld ausgewählt. Beim einfachsten Scanning-Verfahren werden die einzelnen Felder der Kommunikationshilfe der Reihe nach angezeigt, bis der Benutzer ein Ja-Zeichen gibt. Der Prozess beginnt von vorne. Dieses Verfahren ist äußerst langwierig und somit nicht sehr effektiv (vgl. Arnusch/ Pivit 1996, S. 30). Um die Auswahl zu verkürzen, nutzt man in der Regel das Zeilen-Spalten-Scanning (siehe Abbildung 29) oder das Block-Scanning (siehe Abbildung 30). Abbildung 29: Zeilen-Spalten-Scanning (entnommen aus: Arnusch/ Pivit 1996, S. 31) www.foepaed.net 70 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) Beim Zeilen-Spalten-Scanning wird zunächst jeweils eine ganze Zeile abgefragt. Der Nutzer wählt die richtige Zeile mit einem Ja-Signal aus. Innerhalb dieser Reihe werden dann die einzelnen Symbole durchgegangen. Ein erneutes Ja-Zeichen, bestätigt das richtige Symbol (vgl. Arnusch/ Pivit 1996, S. 30). Beim Block-Scanning ist das gesamte Feld in gleich große Bereiche eingeteilt. Zunächst werden die Blöcke (oft Viertel) abgefragt und der Benutzer stoppt bei dem Bereich, in dem sich das gewünschte Symbol befindet. Innerhalb dieses Blockes werden dann die einzelnen Felder abgefragt, bis das richtige Symbol ausgewählt ist (vgl. Arnusch/ Pivit 1996, S. 31). Abbildung 30: Block-Scanning (entnommen aus: Arnusch/ Pivit 1996, S. 31) Die Geschwindigkeit, in der der Lichtpunkt von Feld zu Feld vorrückt, ist bei elektronischen Geräten individuell einstellbar (vgl. Hück 1998, S. 536). Eine andere Möglichkeit bei elektronischen Geräten ist das akustische Scanning. Jeder Aussage ist hierbei ein Stichwort zugeordnet. Dieses Wort repräsentiert sozusagen den Inhalt einer Aussage, z.B. „essen“ als Stichwort für „Ich möchte etwas essen.“ Zur Auswahl werden die Stichwörter der Reihe nach über einen Kopfhörer angesagt. Der Nutzer wählt mit einem externen Schalter eine Aussage. Der Inhalt der Taste wird dann ausgesprochen (vgl. Hück 1998, S. 536). Im Umgang mit blinden Menschen bietet dieses Verfahren eine gute Möglichkeit zur Bedienung einer elektronischen Kommunikationshilfe. Es kann allerdings vorkommen, dass ein Nutzer mit Sehschädigung keinen Kopfhörer toleriert. Dies liegt oft wohl daran, dass durch den Hörer das Ohr als Sinnesorgan beeinträchtigt ist. Hier bietet sich ein externer Kopfhörer an, der z.B. an der Kopfstütze eines Rollstuhles befestigt wird. Auch sehende Menschen nutzen das akustische Scanning teilweise zusätzlich zu dem visuellen Verfahren. Der „nichtsprechende“ Mensch kann so während der Auswahl den Blickkontakt zu seinem Gesprächspartner aufrechterhalten (vgl. Kovach 1998, S. 2). Bei einer solchen Ansteuerung ist eine logische Strukturierung besonders wichtig, da sich der blinde Nutzer keinen Überblick über die Symbole verschaffen kann. Bei der Anordnung und Festlegung von Stichworten ist zu bedenken, dass Personen, die ihre Umwelt vorwie- www.foepaed.net 71 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) gend taktil und akustisch wahrnehmen, andere Assoziationen haben können als sehende. Daher müssen die Stichworte sorgfältig gewählt werden (vgl. Kovach 1998, S. 3). 5.6.4.2 Kodierung Die Auswahl eines Feldes findet hier mit Hilfe eines Kodes statt. Dieser kann, entsprechend den kognitiven Fähigkeiten der Person, Zahlen, Buchstaben, Farben etc. beinhalten. Diese Form der Auswahl bietet sich bei Kommunikationstafeln oder –büchern an. Wenn der Nutzer nicht über ausreichende motorische Fähigkeiten verfügt, um eine direkte Selektion durchzuführen, kann hiermit eine relative Unabhängigkeit von dem Kommunikationspartner erreicht werden. Der „nichtsprechende“ Mensch muss nicht abwarten, bis der Helfer beim Scanning die passende Zeile abfragt (vgl. Arnusch/ Pivit 1996, S. 30). Für Sehgeschädigte mit einem verbliebenen Sehvermögen bietet sich die Kodierung über Zahlen an. Zeilen und Spalten werden durchnummeriert. Durch entsprechendes Klopfen kann dann zunächst die Zahl der passenden Zeile und dann der Spalte, bzw. umgekehrt angegeben werden. Eine weitere denkbare Lösung ist die Einteilung der Tafel in Viertel. Je nach Kopfbewegung nach links, rechts, oben oder unten kann der entsprechende Block ausgewählt werden. Die Ansteuerung der vier Felder in einem Bereich erfolgt ebenso (vgl. Arnusch/ Pivit 1996, S. 31). 5.6.5 Beginn einer Förderung: diagnostischer Prozess Die Unterstützte Kommunikation möchte die Teilnahme einer unterstützt kommunizierenden Person in unterschiedlichen Lebensbereichen verbessern (vgl. Lage 2000, S. 144). Hierzu wird die Aufmerksamkeit nicht alleine auf den Menschen mit Behinderung gerichtet. Es muss überprüft werden, in welchen Situationen keine zufrieden stellende Partizipation am gemeinschaftlichen Leben möglich ist und worin die Ursachen hierfür liegen. Ungünstige Bedingungen sollen dann möglichst verbessert werden (vgl. Lage 2000, S. 147). Beukelmann und Mirenda haben das Partizipationsmodell zur Evaluation von Partizipationsmöglichkeiten und zur Beseitigung von Barrieren entwickelt (siehe Abbildung 31). Zu Beginn der Evaluation steht der Vergleich der Alltagssituation des „nichtsprechenden Menschen mit Personen seiner Altersgruppe. Das Ziel sind möglichst altersangemessene Partizipationssituationen. Bisherige Möglichkeiten sollen auf diesen Gesichtspunkt hin untersucht werden. Beukelmann und Mirenda möchten Interventionsmaßnahmen finden, die sich am Alltagsleben des „nichtsprechenden“ Menschen orientieren (vgl. Lage 2000, S. 145). Diese Evaluation findet nicht nur zu Beginn einer Intervention statt. Sie wird regelmäßig wiederholt, da in Bezug auf die Lebenslauforientierung immer wieder neue Ziele in den Vordergrund rücken (vgl. Lage 2000, S. 145). www.foepaed.net 72 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) Erfassen der Patizipationsmuster und Kommunikationsbedürfnisse Erfassen der Patizipationsbarrieren Auf der Ebene der Wertesysteme Auf der Ebene der Person-Umfeld-Systeme Planen und Implementieren der entwicklungsorientierten Interventionen Auf der Ebene der Auf der Ebene der Person-Umfeld-Systeme Wertesysteme - Politische Aktivitäten - Öffentlichkeitsarbeit - Reflexion über gesellschaftliche und eigene Werte - Weiterbildung zum Thema Unterstützte Kommunikation - Inservice Training Im individuellen Bereich: Im Bereich der sozialen Bezugssysteme: - Erfassen der kommunikativen Bedürfnisse - Erarbeiten eines individuellen und multikomponenten Kommunikationssystems mit körpereigenen und externen AAC-Modi - Inteventionen im familiären und - Außerfamiliären Bezugssystemen sowie Institutionen Evaluation der Interventionen Follow-Up Abbildung 31: Das vereinfachte Partizipationsmodell (entnommen aus: Lage 1997, S. 7; modifiziert und übersetzt nach: Beukelmann/ Mirenda 1992) Der zweite Schritt ist die Erfassung von Barrieren, d.h. Situationen und Grundlagen, die eine weitere Partizipation am alltäglichen Leben erschweren oder sogar verhindern (vgl. Lage 2000, S. 145). Die Autoren unterscheiden zwischen Zugangs- und Gelegenheitsbarrieren. Zugangsbarrieren beziehen sich auf die Möglichkeiten der betroffenen Person, diese können durch die Behinderung oder das Umfeld eingeschränkt sein. Es werden Profile, d.h. Zustandsberichte, in einzelnen Bereichen angefertigt: - Anforderungsprofil: es erfasst die Voraussetzungen für die Nutzung des Hilfsmittels www.foepaed.net 73 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) - Einschränkungsprofil: es klärt die Haltungen, Einstellungen und Fähigkeiten des „nichtsprechenden“ Menschen und seiner Kommunikationspartner ab und überprüft Finanzierungsmöglichkeiten - Fähigkeitsprofil: es berücksichtigt die motorischen, kognitiven, sprachlichen und perzeptiven Fähigkeiten des Nutzers (vgl. Lage 2000, S. 145). Zum Zweck dieser Abklärung hat Ursi Kristen einen Fragebogen entwickelt, in dem die Fertigkeiten und Bedürfnisse der „nichtsprechenden“ Person erfasst werden. Ziel ist es herauszufinden, auf welche Weise der Mensch „ohne Lautsprache“ Kontakt zu anderen Personen aufnimmt, welche Inhalte er vermittelt und welche Funktion die Kommunikation hat (vgl. Kristen 1997, S. 110). Der Fragenkatalog erfasst die folgenden Bereiche (siehe 8.3): - - Kommunikative Verhaltensweisen wie z.B. a) Vokalisation b) Blickverhalten c) Mimik und Gesichtsausdruck d) Gestik e) Interaktives Verhalten Linguistische Fähigkeiten a) Sprachverständnis b) Sprachliche Ausdrucksfähigkeit (z.B. Mundmotorik, Lautsprache, Kommunikationshilfe, Lesen und Schreiben) - Kognitive Fähigkeiten wie z.B. a) Aufmerksamkeit b) Wahrnehmung c) Darstellende Fähigkeiten d) Klassifikation e) Gedächtnis - Psychosoziale Fähigkeiten - Motorische Fähigkeiten (vgl. Kristen 1997, S.111-116) Die Punkte sind im Rahmen von Befragungen der Bezugspersonen bzw. durch eigene Beobachtungen abzuklären (vgl. Kristen 1997, S. 104). Für die Feststellung der individuellen Kommunikationsstrategien können Videoaufnahmen hilfreich sein. In der direkten Beobachtungssituation werden durch den schnellen Situationswechsel leicht kommunikative Fähigkeiten einer Person übersehen. Videoaufnahmen er- www.foepaed.net 74 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) möglichen ein wiederholtes Betrachten und Analysieren der Situationen. Auf dieser Grundlage kann eine regelmäßige Evaluation der Förderung und Festlegung von neuen Zielen erfolgen. Die Filmausschnitte sollten gemeinsam mit den Bezugspersonen betrachtet werden, da so Problemsituationen aufgedeckt und behoben werden können (vgl. Kristen 1994, S. 42). Die Planung und Implementierung37 von Interventionsmaßnahmen geschieht auf Grundlage der drei Profile. Die Gelegenheitsbarrieren umfassen alle Faktoren, die sich entwicklungshemmend auswirken. Sie beziehen allgemeine soziale Probleme, soziologische und sozialisatorische Bereiche mit ein (vgl. Lage 2000, S. 145). Die Schwierigkeiten in der Partizipation liegen nicht in der Person selbst, sondern vielmehr in mangelndem Wissen und fehlender Bereitschaft des Umfeldes. Diese Barrieren sollen aufgedeckt und nach Möglichkeit beseitigt werden, um die Teilnahme zu verbessern (vgl. Lage 2000, S. 147). 5.6.6 Auswahl des Vokabulars für eine Kommunikationshilfe Die Auswahl des ersten Vokabulars einer Kommunikationshilfe ist entscheidend für das Gelingen der Kommunikation. Erste Begriffe sind an den Erfahrungen und Bedürfnissen des „nichtsprechenden“ Menschen auszurichten. Der Fragebogen von Kristen und die oben angeführten Profile sind hilfreich für die Zusammenstellung einer Wörterliste. Das Vokabular ist an die kognitiven Fähigkeiten des Nutzers anzupassen. Es muss in möglichst vielen Situationen eingesetzt werden können. Da jeder Mensch andere Interessen hat, ist das Vokabular immer individuell aufgebaut (vgl. Franzkowiak 1993, S. 3ff). Durch so genannte „kommunikationssteuernde Aussagen“ kann das asymmetrische Verhältnis zwischen dem „nichtsprechenden“ und dem sprechenden Partner verringert werden (Petersen 1998, S. 19). Die Sätze: „Wie meinst du das?“, „Du hast mich falsch verstanden!“ etc. bieten dem Unterstützt Kommunizierenden die Möglichkeit, den Gesprächsverlauf zu unterbrechen. Er kann damit die Kommunikation in eine andere Richtung lenken. Aus diesem Grunde sind solche Aussagen auch möglichst von Anfang an in eine Kommunikationshilfe zu integrieren. Für viele Schwerstbehinderte sind die Möglichkeiten, die diese Floskeln bieten, sehr ungewohnt. Es ist oft ein langer Prozess, bis sie selbstverständlich verwendet werden. Petersen schlägt aber dennoch den sofortigen Einsatz der Aussagen vor. Da sie eine direkte Konsequenz hervorrufen, lernt der Nutzer ihre Bedeutung kennen und gewöhnt sich an den Umgang mit ihnen. Darüber hinaus sollte ein Zeichen für die Aussage: „Ich brauche eine neues Symbol“ zur Verfügung stehen (vgl. Petersen 1998, S. 12). Viele Autoren halten es ebenfalls für angebracht, soziale Floskeln, z.B. „Gesundheit“ und andererseits 37 Implementierung: Umsetzung von Veränderungen in einem bestehenden System (vgl. Duden 1997) www.foepaed.net 75 Kapitel 5: Unterstützte Kommunikation (UK) auch Schimpfwörter in das Vokabular aufzunehmen. Der „nichtsprechende“ Mensch sollte im Prinzip die gleichen Äußerungen machen können wie ein sprechender Altersgenosse (vgl. Braun 1997b, S. 10). Strukturierung des Vokabulars Zur Organisation des Vokabulars machen die einzelnen Autoren unterschiedliche Vorschläge. Es wird nach Übersichtlichkeit, nach Themen, Oberbegriffen, nach Häufigkeit sowie nach syntaktischen Regeln geordnet (vgl. Arnusch/ Pivit 1996, S. 34). In der Regel empfiehlt sich eine syntaktische Anordnung nach dem Fitzgerald-Code. Die Symbole werden hierbei so zusammengestellt, dass in Leserichtung die Bildung eines Satzes möglich ist. Von links nach rechts werden Subjekte, Verben, Adjektive und Objekte platziert. Jede Wortart ist außerdem farblich gekennzeichnet (vgl. Braun 1997b, S. 11). Welche Form der Anordnung sinnvoll ist, hängt von den jeweiligen motorischen, kognitiven und visuellen Fähigkeiten der „nichtsprechenden“ Person ab (vgl. Braun 1997b, S. 12). www.foepaed.net 76 Kapitel 6: Fallbeispiel des Jungen R. 6 Fallbeispiel des Jungen R. Im Folgenden möchte ich das Beispiel einer Förderung im Sinne der Unterstützten Kommunikation vorstellen. Aus Gründen des Datenschutzes benenne ich die Personen nur mit ihrem Anfangsbuchstaben. Anhand dieses Beispiels soll deutlich werden, welche Möglichkeiten der Förderung es im Einzelfall gibt. Die oben beschriebenen Hilfsmittel müssen zum großen Teil erst modifiziert werden, damit sie in diesem speziellen Fall einsetzbar sind. Auch die im letzten Kapitel angesprochenen Partizipationsbarrieren werden hier deutlich. Diese können die Fähigkeiten der „nichtsprechenden“ Person, aber auch Einstellungen und Möglichkeiten im Umfeld betreffen. Durch die spezielle Situation einer Familie mit zwei schwerstbehinderten Kindern ist eine Umsetzung der Fördermaßnahmen im Alltag oft nicht einfach. R. nimmt seit fast 5 Jahren an einer Freizeitgruppe für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen teil, die ich mit betreue. Darüber hinaus sind wir mehrere Jahre lang regelmäßig zusammen auf eine Sommerfreizeit gefahren. Seit 1 ½ Jahren führe ich jetzt bei R. die Therapie im Sinne der Unterstützten Kommunikation durch. Begleitet und unterstützt wird die Förderung durch eine Mitarbeiterin des Sprachtherapeutischen Ambulatoriums der Universität Dortmund. Neben dieser Mitarbeiterin und den Eltern gehört noch eine weitere Studentin zum Team. Sie fördert die kommunikativen Fähigkeiten von R.s Schwester K. ebenfalls nach dem Konzept der Unterstützten Kommunikation. Die Inhalte der Förderung sind bei beiden Kindern relativ ähnlich, daher sprechen wir uns in der Regel ab und tauschen unsere Erfahrungen aus. Zunächst stelle ich kurz R.s Entwicklung und seine Fähigkeiten bis zum Beginn der Therapie vor. Eine solche Fallbeschreibung ist, nach Bundschuh, immer nur die Beschreibung einzelner Handlungsmöglichkeiten einer Person. Sie kann niemals eine umfassende Darstellung der Persönlichkeit eines Menschen sein (vgl. Bundschuh 1996, S. 285). Um einzelne Schwerpunkte herauszuarbeiten, orientiere ich mich daher an dem Fragebogen von Ursi Kristen (vgl. Kristen 1997, S. 111-115) (siehe 8.2). Er bietet eine gute Grundlage für die Unterstützte Kommunikation, da er viele Aspekte erfasst, die für die Kommunikation wichtig sind. Die Eltern hatten zu Beginn der Förderung eine Kurzfassung des Fragebogens ausgefüllt. Die medizinischen Daten konnte ich den Arztberichten entnehmen, die mir die Eltern freundlicher Weise zur Verfügung stellten. Nach der Darstellung der Entwicklung werden dann einzelne Punkte der Förderung beschrieben. Fortschritte und Veränderungen, die sich im Laufe der Zeit ergeben haben, schildere ich in diesem Teil. Die Ziele der Therapie formulieren wir in regelmäßigen Teamsitzungen. Die Vorgehensweise und eine Festlegung von Handlungsschritten erfolgt im Rahmen dieser Treffen. Um genaue www.foepaed.net 77 Kapitel 6: Fallbeispiel des Jungen R. Fortschritte erkennen zu können, ist eine systematische Beobachtung nötig. Zu diesem Zweck wird die Planung und Reflexion jeder Therapiestunde in einem Protokoll festgehalten. Dies macht nicht nur eine differenzierte Betrachtung der Fortschritte möglich, sondern auch die Festlegung neuer Handlungsschritte (vgl. Kern 2000, S. 966). Regelmäßige Videoaufnahmen dienen ebenfalls der Evaluation. Sie machen die genaue Analyse einzelner Situationen möglich. So können auch außenstehende Personen in die Auswertung mit einbezogen werden (vgl. Kristen 1994, S. 42). Die Mitarbeiterin des Sprachtherapeutischen Ambulatoriums ist in der Regel selbst nicht während der Stunden anwesend. Die Videoaufnahmen geben ihr einen besseren Einblick in die Arbeit und machen eine Supervision möglich. 6.1 6.1.1 Fallbeschreibung: Diagnose: Sprachentwicklungsstörung stärkster Ausprägung bei Kleinhirnatrophie38, verbunden mit Blindheit wegen einer Atrophie des Nervus Opticus39, schwerster Bewegungsbehinderung und schwerer Skoliose40. 6.1.2 Entwicklungsbeschreibung: R. ist 1984 geboren. Inzwischen ist er ein 17-jähriger, sehr lebhafter Junge. Wegen eines ausgeprägten Ikterus41 blieb R. nach der Geburt für einige Zeit in stationärer Behandlung. Darüber hinaus zeigten sich anfangs keine Auffälligkeiten. Die Mutter bemerkte ab dem 4. Monat eine nachlassende Halsbeherrschung und im 6.-7. Monat eine verringerte Reaktion auf optische Reize. Die daraufhin durchgeführte augenärztliche Untersuchung ergab den Befund einer Opticusatrophie. Des Weiteren diagnostizierten die Ärzte eine „Zerebralparese bei neurodegenerativer Erkrankung unklarer Genese“. Ab dem 7. Lebensmonat bekam R. eine krankengymnastische Förderung nach dem Konzept von Voijta und Bobath. R.s weitere Entwicklung veranlasste die Eltern, eine genetische Beratung aufzusuchen. Da man zunächst kein bekanntes Syndrom benennen konnte, gingen die Ärzte nicht von einer 38 Kleinhirnatrophie: Schwund des Kleinhirns, führt zu erheblichen Gangstörungen und Sprachveränderungen (vgl. Pschyrembel 2000). 39 Nervus Opticus Atrophie: Sehnervenschwund (vgl. Pschyrembel 2000) 40 Skoliose: Seitliche Verbiegung der Wirbelsäule mit Drehung der einzelnen Wirbelkörper (Torsion) (vgl. Pschyrembel 2000) 41 Ikterus: Gelbsucht (vgl. Pschyrembel 2000) (siehe 8.1) www.foepaed.net 78 Kapitel 6: Fallbeispiel des Jungen R. genetischen Störung als Ursache aus. Man sah keine Gefahr, dass ein zweites Kind die gleichen Behinderungen haben könnte. Zwei Jahre später wurde R.s Schwester K. geboren. Auch bei ihr sind ähnliche Symptome festzustellen. Nach eingehender Untersuchung nehmen die Ärzte nun doch eine genetische Störung als Ursache für die Behinderung der beiden Kinder an. Ein bestimmtes Syndrom konnte bislang nicht benannt werden. R. besucht seit dem Schuljahr 1990/91 eine Schule für Geistigbehinderte mit Waldorfausrichtung. 6.1.3 Hilfsmittel/ Medikamente: R. sitzt seit seinem 6. Lebensjahr im Rollstuhl. Er trägt Windeln, da er sich bislang nicht deutlich äußern kann, wenn er auf die Toilette muss. Zu Hause hat er aber feste Toilettenzeiten, die er in der Regel auch einhält. Da R. seit dem 4. Lebensjahr Krampfanfälle zeigte, nimmt er einmal täglich Ergenyl Chrono und homöopathische Tropfen. Nach einigen anfallsfreien Jahren, hatte R. vor wenigen Monaten wieder einen einmaligen Krampfanfall. Zur Reduktion des Muskeltonus bekommt R. regelmäßig Botolinum Toxin-A verabreicht. 6.1.4 Förderungen Ab Februar 1985 erhielt R. eine Frühförderung. Dabei standen die Verbesserung des Gehörs, der taktilen Wahrnehmung und Exploration sowie motorische Übungen im Vordergrund. Eine Frühförderung aus dem Gebiet der Blinden- oder Sehbehindertenpädagogik bekam R. nicht. Seit der frühen Kindheit führt R.s Vater eine Sprachförderung nach der Methode der Chirophonetik42 durch. Außerdem hat R. in der Schule einmal pro Woche Krankengymnastik und außerhalb der Schulzeit eine wöchentliche Hippotherapie. Seit August 1999 bekommt er eine Sprachtherapie im Sinne Unterstützter Kommunikation. Im November 2000 wurde R. an der Hüfte operiert. Daher erhält er zusätzlich eine spezielle Schwimmtherapie als Fortsetzung der Rehabilitationsmaßnahmen. 6.1.5 6.1.5.1 Kommunikative Verhaltensweisen und linguistische Fähigkeiten Vokalisation Als Kleinkind sprach R. Einzelwörter wie „Papa“ oder „Mama“. Im 2. Lebensjahr gingen diese sprachlichen Äußerungen zurück. Seitdem produziert er lediglich Laute und einzelne andere 42 Chirophonetik: anthroposophische Sprachtherapie (siehe 8.1) www.foepaed.net 79 Kapitel 6: Fallbeispiel des Jungen R. Wörter. Er entwickelte ein stereotypes Brummen. Dies setzt er vorwiegend in Unterforderungs- und Lageweilesituationen ein. R. spricht heute die Wörter „hei“, „heiß“, „ei", „eis“ und „Mama“ und einzelne Laute wie [e:], [u:], [i:], [ç], [ ], [pf], [m] oder [a:]. Je nach Situation, stehen „heiß“, „hei", „eis“ oder „ei“ für „Ja". Genauso benutzt er sie aber auch zur Begrüßung, um auf sich aufmerksam zu machen u.v.m. Die Personen aus seinem täglichen Umfeld kennen die Bedeutung dieser Äußerungen und reagieren entsprechend. Ablehnung zeigt R. situativ durch Wegstoßen eines Gegenstandes oder einer Person sowie durch Murren. Insgesamt kann R. mit seinen wenigen Ausdrucksmitteln viele kommunikative Absichten deutlich machen. Neben den oben beschriebenen Mitteilungen drückt er Protest und Freude über Lautäußerungen aus. Alltagsbedürfnisse, wie „Ich muss auf Toilette“, kann er nicht vermitteln. R.s Vater führt bereits seit vielen Jahren mit beiden Kindern Chirophonetik durch. Einige Zeit nach Beginn dieser Förderung fing R. an, Melodien nachzusummen. Dies tut er bis heute. Er hat inzwischen ein enormes Repertoire an Liedern. Es erstreckt sich von diversen Kinderliedern über anthroposophische Melodien, klassische Musik und alte Schlager bis hin zu moderner Popmusik. R. und seine Schwester werden zu Hause immer zusätzlich von einem Zivildienstleistenden oder einem Behindertenbetreuer versorgt. Über diese Personen lernt R. ständig aktuelle Lieder kennen. Da er Melodien bereits nach dem ersten Hören nachsummt, wächst sein Liedrepertoire ständig. Dies macht deutlich, dass R. über eine differenzierte auditive Wahrnehmung und eine gute Merkfähigkeit verfügt. Beim Summen werden Ansätze von vorhandener Dialogfähigkeit deutlich. R. kann angefangene Melodien fortsetzen oder im Wechsel mit einer anderen Person singen. Auf Aufforderung summt er ein genanntes Lied, d.h. er kann jeweils den Titel mit einer Melodie verbinden. Dies ist ein starkes Indiz dafür, dass R. sprachliche Äußerungen angemessen verarbeitet und umsetzt. R. summt auch von sich aus viele Lieder. Es besteht sogar teilweise Anlass zu der Vermutung, dass er Melodien gezielt einsetzt, um etwas auszudrücken, z.B. das Lied „Was sollen wir trinken...“ für „Ich habe Durst“. Diese Hypothese konnte bislang nicht eindeutig bestätigt werden. Wir haben aber im Rahmen der Therapie daran angeknüpft und versucht, diese Fähigkeit anzubahnen. 6.1.5.2 Mimik und Gestik Mit Hilfe seines Gesichtsausdrucks kann R. Gefühle, wie Freude, Schmerz, Unwohlsein, Trauer etc., deutlich machen. Allerdings ist dies manchmal nur für die nächsten Bezugspersonen verständlich. Auf Grund der Skoliose und der mangelnden Halsbeherrschung hat er meist den Kopf nach unten gerichtet. Daher ist seine Mimik nicht immer einfach zu erkennen. R. ist ein sehr fröhlicher Junge. Er lacht viel und zeigt seine Freude durch ein schelmisches Grinsen, das immer sofort zu sehen ist. Wenn er seine Mitmenschen gezielt ärgern www.foepaed.net 80 Kapitel 6: Fallbeispiel des Jungen R. möchte, dann macht er murrende Äußerungen für Unzufriedenheit. An seinem Lächeln lässt sich aber dennoch erkennen, dass er sich einen Spaß erlaubt. R. führt gezielte Greifbewegungen aus, um einen Gegenstand oder eine Person zu erreichen. Er orientiert sich dabei vorwiegend an akustischen Reizen. Brillenträgern zieht er mit Vorliebe die Brille von der Nase. In diesen Aktionen hat er inzwischen eine große Zielgerichtetheit entwickelt. Er holt sich auch selbst Gegenstände, von denen er weiß, wo sie sich befinden. Dabei benutzt er bevorzugt den rechten Arm. Schwerere Objekte kann er daher manchmal nicht zu sich heranziehen. Wenn R. auf dem Boden sitzt und ein gewünschter Gegenstand nicht in Reichweite liegt, rollt er sich gezielt dorthin. Als direktes Kommunikationsmittel, um Aufmerksamkeit auf sich zu lenken oder Gefühle bzw. Grundbedürfnisse zu äußern, setzt R. keine Gesten ein. Für solche Äußerungen bedient er sich eher seiner Stimme. 6.1.5.3 Sprachverständnis R.s passiver Wortschatz ist größer als der aktive. Dies lässt sich immer wieder aus seinen Erwiderungen schließen. Auf normale Alltagsfragen reagiert er adäquat. Auch Scherzfragen scheint er zu verstehen, er antwortet im Rahmen seiner Möglichkeiten darauf. In einer Therapiestunde sollte R. einmal gezielt den Nein-Button (siehe 6.2.2.3) benutzen. Hierzu stellte ich ihm einige scherzhafte Fragen, die mit Nein zu beantworten waren. R. drückte, wie erwartet, auf den entsprechenden Button, aber sagte gleichzeitig lachend „heiß". Hierdurch machte er mir deutlich, dass er meine nicht ernst gemeinte Frage auch nicht ernsthaft beantworten wollte. R. erkennt seinen eigenen Namen und auch die Namen bekannter Personen wieder. Wenn in einer Erzählung z.B. der Name eines Klassenkameraden erwähnt wird, antwortet er darauf mit einem „heiß“. Er scheint mit dem Namen etwas verbinden zu können. Alltägliche Sätze und Aufforderungen versteht er. Wenn sich zwei Personen in seinem Beisein über ein Thema unterhalten, das ihn betrifft, schaltet er sich ein, auch ohne dass er direkt angesprochen ist. Er wirft dann lautsprachliche Äußerungen, wie „heiß“, ein. Schwierigkeiten scheinen ihm zeitliche Dimensionen zu bereiten. Auf die Frage, ob er von „gestern" oder vom „Wochenende" erzählen möchte, reagiert R. meist nicht. Die allgemeine Frage, ob er irgendetwas zu erzählen hat beantwortet er in der Regel. Zustimmung und Ablehnung kann R. lautsprachlich deutlich machen. Konventionelle Zeichen wir Kopfschütteln oder Nicken sind für ihn auf Grund der Skoliose und der mangelnden Halsbeherrschung nicht möglich. Manchmal erlaubt er sich auch einen Spaß und sagt „Ja“ statt „Nein“ oder umgekehrt. Die Antwort auf intentionale und assertive Fragen ist möglich. www.foepaed.net 81 Kapitel 6: Fallbeispiel des Jungen R. 6.1.6 6.1.6.1 Kognitive Fähigkeiten Aufmerksamkeit R. ist sehr interessiert an neuen Dingen. Vor allem bei unbekannten akustischen Reizen hört er sehr genau zu. Er lässt sich durch Umgebungsgeräusche gerne ablenken. Wenn R. sich unterfordert fühlt oder langweilt, verfällt er schnell in ein Brummen. Dann ist er kaum ansprechbar, da er in sich versunken ist. R. mag es, wenn sich jemand speziell mit ihm befasst und er viel Aufmerksamkeit bekommt. Alleine beschäftigt er sich in der Regel immer nur für kurze Zeit. Generell zeigt er wenig Ausdauer beim Arbeiten. Aufgaben, die er schon mehrmals ausgeführt hat oder solche, die länger dauern, langweilen ihn. 6.1.6.2 Wahrnehmung 1985 wurde eine starke Wahrnehmungsstörung in allen Bereichen diagnostiziert. Visuell Bereits im ersten Lebensjahr ließen R.s Reaktionen auf optische Reize nach. Mit ca. 12 Monaten wurden keine Fixationsaufnahmen und Blickfolgebewegungen erkannt. R. reagierte lediglich auf Licht. Mit 18 Monaten bestätigten die Ärzte den Verdacht einer Opticusatrophie in einem ophthalmologischen43 Bericht. Der Befund gibt an, dass keine Fixationsaufnahme und Blickfolgebewegungen stattfinden. Die Sehnervenscheibe ist schmutzig grau abgeblasst. Die brechenden Medien sind klar, aber eine direkte und indirekte Reaktion auf Licht ist nur schwach feststellbar. Die Überprüfung des Sehvermögens und des Gesichtsfeldes wurde zum damaligen Zeitpunkt als nicht durchführbar angesehen, da R. noch zu jung war. Die Ärzte gingen aber davon aus, dass sein Sehvermögen unter 1/50 lag. Damit gilt er im medizinischen Sinne als blind. Spätere Berichte geben ähnliche Visuswerte an. Es ist jedoch nicht zu entnehmen, auf welche Weise die Sehfähigkeit geprüft wurde. Die letzte Information zu diesem Aspekt nennt eine Hell-Dunkel-Unterscheidung und verzögerte Lichtwahrnehmung. Fixation von Gegenständen und Blickfolgebewegungen wurden im Rahmen dieser Untersuchungen nicht festgestellt. Bei der Überprüfung optisch evozierter Potenziale ergaben sich 1989 altersadäquate Latenzzeiten. Dies lies auf eine Durchlässigkeit der Sehbahn schließen. Auditiv Im ersten Lebensjahr wurde bei R. zunächst eine Hörschädigung vermutet, da er keine deutlichen Reaktionen auf Geräusche zeigte. Dieser Verdacht bestätigte sich jedoch nicht. Im Laufe der Frühförderung bekam R. ein Hörtraining. Anfangs fiel es ihm schwer, Geräusche 43 ophthalmologischer Bericht: augenärztlicher Bericht www.foepaed.net 82 Kapitel 6: Fallbeispiel des Jungen R. zu orten und sich in ihre Richtung zu bewegen. Inzwischen orientiert er sich sehr gut an akustischen Reizen. Er kann gezielt nach Gegenständen greifen, die einen Laut verursachen. R. hat mit der Zeit ein ausgeprägtes Gedächtnis für Geräusche entwickelt. Meist ist er in der Lage, Objekte wieder zu finden, die vor einiger Zeit an einer Stelle abgelegt wurden. Er greift nach diesen Gegenständen, sobald er sie wieder haben möchte. Bekannte Personen erkennt R. an der Stimme wieder. Seine Reaktionen zeigen, dass er eindeutig zwischen bekannten und unbekannten Personen unterscheidet. Auch andere Umweltgeräusche kann er zuordnen. Er kennt z.B. das Geräusch des Schulbusses oder auch Schritte. Sehr interessiert ist er bei neuen Klängen. Hier hört er aufmerksam zu. Taktil Als Kleinkind reagierte R. überempfindlich auf taktile Reize. Inzwischen verträgt er normale Berührungen. Allerdings ist er im Bereich der Ohren immer noch sehr empfindlich. Er mag es nicht, wenn diese durch eine Mütze oder einen Kopfhörer abgedeckt sind. Möglicherweise ist dies dadurch zu begründen, dass z.B. durch einen Hörer noch ein weiteres Sinnesorgan beeinträchtigt wäre. Gezielte Strategien zur Erkundung von Gegenständen wendet R. nicht an. Wenn er Dinge berührt, dann tut er dies immer mit der ganzen Hand. 6.1.6.3 Sensomotorische Fähigkeiten R. verfügt über Objekt-Permanenz: einen Gegenstand, der ihm entzogen wird, beginnt er aktiv zu suchen. Da er blind ist, nutzt er hierfür taktile und akustische Reize. Ansatzweise verfügt er über ein Symbolverständnis. Indem er den Titel eines Liedes zu einer Melodie zuordnet, dient der Titel als Symbol. Auch die lautsprachlichen Äußerungen für „Ja“ lassen eindeutig auf ein vorhandenes Symbolverständnis schließen. Objekte kann er nicht nach bestimmten Merkmalen sortieren. Dabei müsste er sich an taktilen Eindrücken orientieren und gezielte Taststrategien anwenden, die bei ihm nicht genügend ausgeprägt sind. R. ist als geistig behindert eingestuft und besucht eine Schule für Geistigbehinderte mit Waldorfausrichtung. 6.1.6.4 Psychosoziale Fertigkeiten R. beschäftig sich gerne mit Dingen, die Geräusche machen. Zu Hause hat er verschiedene Trommeln, Rasseln, einen Regenstab, einen Reifen und einen Ball mit einem Glöckchen. Wenn gerade keine Trommel in der Nähe ist, klopft er häufig auch einfach einen Rhythmus auf seine Knie oder auf einen Tisch u.ä. Er summt sehr gerne. Außerdem macht er oft Späße mit anderen Personen. In solchen Situationen kann er hoch motiviert sein Ziel verfolgen und ist sehr ausdauernd. R. erzählt gerne von seinen Erlebnissen, wenn er gefragt wird. www.foepaed.net 83 Kapitel 6: Fallbeispiel des Jungen R. 6.1.6.5 Motorik Grobmotorik R. entwickelte sich zunächst unauffällig. Im Alter von 5 Monaten ließ seine Halsbeherrschung zunehmend nach. Die rechte Körperhälfte reagierte deutlich besser als die linke. Es wurde eine beginnende Skoliose diagnostiziert und R. bekam eine regelmäßige Krankengymnastik nach Voijta und Bobath. So lernte R. mit der Zeit, sich selbst von der Bauch- in die Rückenlage zu bewegen und ihm gelang eine Sitzkontrolle. Er war zwischenzeitlich in der Lage, einige Schritte zu gehen und auch mit Hilfe zu stehen. Diese Fähigkeiten gingen aber später wieder zurück. Heute setzt R. sich selbstständig aus der waagerechten Körperlage auf. Er dreht sich um die eigene Körperachse (wie beim Baumstammrollen). Sitzen kann er ohne Hilfsmittel, sein Kopf ist jedoch auf Grund der schweren Skoliose meistens nach unten gerichtet. Wenn R. über etwas nachdenkt oder gespannt zuhört, gelingt es ihm für kurze Zeit den Kopf aufzurichten. Er kann mit Hilfe stehen und einige Schritte laufen. Dies fällt ihm auf Grund der Hüftfehlstellung zunehmend schwerer. Der rechte Arm bietet R. die größte Bewegungsmöglichkeit. Da er mit dem linken Arm wesentlich eingeschränkter ist, hebt er den rechten Arm häufig auch über die Körpermitte hinweg, um einen Gegenstand oder eine Person zu erreichen. So ermöglicht sich R. die Erkundung seiner Umwelt, bzw. das Erreichen von Gegenständen in einem relativ großen Radius. Im Rahmen der Therapie zur Unterstützten Kommunikation hat sich herausgestellt, dass R. in der Lage ist, einen einfachen Schalter zu bedienen. Feinmotorik Im Alter von drei Monaten war R. in der Lage, nach Gegenständen zu greifen. Diese Fähigkeit ließ jedoch mit der Zeit nach. Durch die Krankengymnastik wurde R. so weit gefördert, dass er inzwischen wieder gezielt nach Gegenständen greift. Hierfür benutzt R. immer die ganze Hand. Im Rahmen der Krankengymnastik sollte zeitweilig die Diskrimination der einzelnen Finger und später der Daumen-Zeigefinger-Griff gelernt werden. Dies beherrscht R. nicht. R. benötigt beim Essen und Trinken Hilfe, da er nicht selbstständig eine Tasse oder einen Löffel halten und zum Mund führen kann. Kaubewegungen führt er ohne Probleme aus. 6.1.6.6 Lebenspraktische Fertigkeiten R. ist in der Lage, beim An- und Ausziehen seiner Jacke mitzuhelfen. Beim Anziehen bemüht er sich, seine Arme durch die Ärmel auszustrecken, bis sie am Ende des Ärmels herauskommen. Ansonsten benötigt er in allen Lebensbereichen Hilfe. www.foepaed.net 84 Kapitel 6: Fallbeispiel des Jungen R. 6.1.6.7 Sozialverhalten R. ist gerne unter vielen Leuten. Wenn viel um ihn herum los ist, fühlt er sich meistens sehr wohl. 6.2 Erweiterung der kommunikativen Möglichkeiten durch Unterstützte Kommunikation Im folgenden Teil beschreibe ich nun die bisherigen Ziele und Fortschritte der Therapie. Die ersten Ziele ergaben sich aus der vorangehenden Beschreibung. Die Gliederung der Darstellung erfolgt nach Themenbereichen. Es soll dennoch deutlich werden, wie einzelne Schritte aufeinander folgten. Zusätzlich befindet sich ein schematisierter Ablaufplan der Förderung im Anhang (siehe 8.2) 6.2.1 Ausgangspunkt der Therapie In ihrem täglichen Umgang mit R. hatten die Eltern den Eindruck, dass der Junge mehr mitteilen würde, wenn er die Möglichkeit dazu hätte. Sie setzten sich daher mit dem Sprachtherapeutischen Ambulatorium der Universität Dortmund in Verbindung. Zunächst fand ein Besuch von zwei Mitarbeiterinnen des Sprachtherapeutischen Ambulatoriums und einer Studentin bei der Familie statt. Bei diesem Treffen wurde ein ausführliches Elterngespräch geführt. Außerdem beschäftigte sich eine Mitarbeiterin mit den Kindern. So konnten direkt einzelne Fähigkeiten, z.B. Objektpermanenz, ermittelt werden. Der Besuch wurde auf einem Video festgehalten. Im nächsten Schritt werteten die drei Besucher das Videoband und den Bericht der Eltern aus. Dabei standen die Aspekte Kognition, Sprache, Bewegung, Motorik, Ausdauer und Sozialverhalten im Vordergrund. Nach dem Erstbesuch wurde ich als eine von zwei weiteren Studentinnen hinzugezogen, um die Förderung bei einem der Kinder durchzuführen. Da ich R. bereits seit mehreren Jahren kannte, übernahm ich die Förderung bei ihm. Im Rahmen des ersten Teamtreffens mit den Mitarbeitern des Ambulatoriums und den Studentinnen wurden die Fähigkeiten der beiden Kinder R. und K. besprochen und gemeinsam erste Schritte für die Förderung geplant. Bei der Festlegung neuer Ziele sollen auch die Wünsche der Eltern berücksichtigt werden. Daher finden regelmäßige Teamsitzungen statt. Bei diesen Treffen sind die Eltern, eine Mitarbeiterin des Sprachtherapeutischen Ambulatoriums und die Studentinnen anwesend. Gemeinsam legen wir jeweils weitere Schritte der Therapie fest. Mit den Eltern sollen Möglichkeiten erörtert werden, wie die einzelnen Ziele in den Alltag zu integrieren sind. www.foepaed.net 85 Kapitel 6: Fallbeispiel des Jungen R. 6.2.2 Bisherige Ziele und Ergebnisse der Förderung Zu Beginn einer jeden Förderung steht der Beziehungsaufbau und das Kennen lernen (vgl. Arnusch/ Pivit 1996, S. 39). Da ich R. bereits seit mehreren Jahren kannte, fiel diese Phase kurz aus. Dennoch ist die Einzeltherapie immer eine völlig andere Situation als die Begegnung in einer Gruppe. Im Rahmen der Förderung hatte ich Gelegenheit, viel Neues von R. zu erfahren. Er zeigt mir immer wieder, dass er mehr kann, als ich ihm zunächst zutraue. Für die Beziehungsbildung nennt Arnusch/ Pivit einige Grundregeln: - man soll sich dem Behinderten als Interaktionspartner anbieten - die Fähigkeiten der Person annehmen und daran anknüpfen - während der Beschäftigung soll immer auch eine Beobachtung stattfinden, sodass Ziele revidiert und neu festgelegt werden können (vgl. Arnusch/ Pivit 1996, S. 39) 6.2.2.1 Vorbereitung der Förderung Zunächst wurden die Eltern gebeten, ein Tagebuch für R. zu führen. Die Ereignisse des Tages werden aus R.s Sicht darin festgehalten. Morgens in der Schule können die Lehrer der Klasse vorlesen, was R. am Vortag gemacht hat. Da der Text in Ich-Form geschrieben ist, kann R. praktisch selbst erzählen. Am Nachmittag schreiben die Lehrer ebenfalls R.s Erlebnisse auf. Die Inhalte des Tagebuches werden jeweils mit der „nichtsprechenden“ Person abgesprochen. Im Rahmen der Unterstützten Kommunikation sind solche Tagebücher eine sehr gebräuchliche Form. Sie repräsentieren Vergangenes und dienen der Gedächtnisschulung (vgl. Schneider 2000, S. 172). 6.2.2.2 Aufbau eines Symbolverständnisses und Kommunikation mit Gegenständen Als ein erstes Ziel hatten wir die Verbesserung des Symbolverständnisses festgelegt. Zum damaligen Zeitpunkt schien noch der Einsatz einer Kommunikationstafel mit tastbaren Symbolen, wie sie Ockelford beschreibt, als Fernziel sinnvoll. Der Aufbau des Symbolverständnisses orientierte sich an der Arbeit mit Objects of References (siehe 5.6.2.1). Dafür wählte ich zu R.s Lieblingsaktivitäten jeweils ein passendes Objekt, das diese repräsentierte. Der Gegenstand sollte jeweils einen direkten Zusammenhang zu seiner Bedeutung aufweisen, um eine Zuordnung zu erleichtern. R. bekam die Gegenstände nacheinander dargeboten. Ich erklärte jeweils, welche Bedeutung sich mit einem Objekt verbindet. So stand z.B. seine Ocean Drum44 für „Musik machen“, eine Kassettenhülle für „Musik hören“ und ein Ball für „Ball spielen“. R. hatte nun die Möglichkeit durch Wegstoßen oder Klopfen auf den Gegenstand etwas abzulehnen oder auszuwählen. Dieses Prinzip hatte er sehr schnell verstanden. 44 Ocean Drum: Musikinstrument, in dem sich Metallkugeln befinden, die bei Bewegung eine Art Meeresrauschen verursachen. Man kann auch darauf trommeln. www.foepaed.net 86 Kapitel 6: Fallbeispiel des Jungen R. Die Gegenstände wurden auch später noch als Repräsentanten für bestimmte Tätigkeiten eingesetzt. Die Art des Auswahlverfahrens habe ich im Laufe der Zeit verändert. Ebenfalls in Anlehnung an Ockelford, bekam R. nun zwei Objekte gleichzeitig dargeboten. Je eines links und rechts von ihm. Ich führte seine Hand zu den Objekten und erklärte die Bedeutung. Durch Klopfen auf einen Gegenstand konnte er sich für eine Handlung entscheiden. So hatte R. immer gleich zwei Möglichkeiten zur Auswahl. Damit war einerseits direkt eine Alternative geboten, andererseits verkürzte sich das Auswahlverfahren. Später bekam er außerdem die Möglichkeit, zu sagen, dass er nichts von beidem machen wollte (siehe 6.2.2.3). 6.2.2.3 Ja-Nein-Anbahnung R. hatte zu Beginn der Therapie keine Möglichkeit, Ja und Nein konventionell eindeutig zu äußern. Er war immer darauf angewiesen, dass die Kommunikationspartner seine individuellen Formen richtig deuteten. Nicken und Kopfschütteln sind wegen R.s mangelnder Halsbeherrschung nicht möglich. Im Rahmen der Therapie sollte R. befähigt werden, Ja und Nein lautsprachlich oder mit anderen Symbolen deutlich zu machen. Wir suchten vor allem nach Möglichkeiten, die auch außenstehende Personen erkennen würden. Nach einiger Überlegung kamen wir im Team zu dem Ergebnis, zwei tastbare Buttons anzufertigen. R. hat in der Schule keine blindenspezifische Förderung, daher ist ihm die Braille-Schrift nicht bekannt. Es lag also nahe, tastbare Buchstaben zu produzieren, die R. mit der ganzen Hand erfassen konnte. Auf einen runden Untergrund aus Moosgummi wurden hierzu die Wörter Ja und Nein, ebenfalls aus Moosgummi, aufgeklebt. „Nein“ war in Rot geschrieben und „Ja“ in Gelb (siehe Abbildung 32). Hierdurch konnten auch Kinder nach einer kurzen Erklärung die unterschiedliche Bedeutung der Buttons erfassen, ohne lesen zu müssen. Wir gingen davon aus, dass R. die Schrift zwar nicht lesen konnte, dass er aber die unterschiedliche Länge der Wörter erfassen würde. Als zusätzliche Unterscheidungshilfe hatten beide Symbole einen festen Platz. Nein lag auf dem linken und Ja auf dem rechten Knie. Zur Befestigung legten wir Klettbänder um R.s Beine, auf denen dann die Buttons hielten. So konnten sie nicht mehr herunterrutschen, auch wenn R. einmal aus Versehen daran stieß. R. lernte sehr schnell, die Buttons gezielt einzusetzen. Wir begannen nun jede Stunde mit einer kurzen Erzählphase, in der R. von seinem Tag oder seiner Woche berichten konnte. Hierzu stellte ich ihm Ja-Nein-Fragen, die er dann lautsprachlich oder mit Hilfe der Buttons beantwortete. Den Ja-Button benutzte R. ziemlich häufig in Kombination mit dem lautsprachlichen „heiß“. Nach wenigen Stunden begann R. immer häufiger statt „heiß“ A-Laute zu produzieren. Auch das Nein machte er jetzt lautsprachlich deutlich über ein „mmm“, das wie ein Murren klang. Diese lautsprachlichen Äußerungen sollten natürlich weiter unterstützt werden. Da Laute wie „ha, ha“ oder „a“ dem konventionellen Ja mehr gleichen, als „heiß“, verstärkte ich diese Äußerungen. Ich sagte: „Du meinst Ja“ www.foepaed.net 87 Kapitel 6: Fallbeispiel des Jungen R. und führte R.s Hand gleichzeitig zu dem entsprechenden Button. Wenn R. „heiß“ sagte, reagierte ich darauf ebenso. Abbildung 32: Ja-Nein-Buttons: Originalgröße ca. 14cm Durchmesser Der Nein-Button wurde auch in das oben beschriebene Auswahlverfahren eingebunden. Wenn R. zu keiner der beiden vorgeschlagenen Aktivitäten Lust hatte, konnte er auf den Nein-Button drücken. Diese Geste hieß: „Ich möchte nichts von beidem tun!“ R. wusste, dass ich mir dann etwas anderes überlegen würde. Auch hier begann R. bald zusätzlich zum Zeigen seine Lautsprache einzusetzen. Statt den Nein-Button zu berühren sagte er teilweise „mmm“ oder „oh man“. Ein paar Wochen, nachdem R. zum ersten Mal „mmm“ als lautsprachliches Nein in der Therapie geäußert hatte, begann er, die Buttons immer wieder abzureißen. Es wurde deutlich, dass er sie nicht mochte. Ich einigte mich mit ihm darauf, dass er von nun an lautsprachlich antworten würde. So kämen wir auch ohne die Buttons gut zurecht. R. versprach mir dies zunächst einmal. Daraufhin ließ ich die Buttons weg. Im Laufe der Förderung stellte sich heraus, dass R. auch das konventionelle Wort Ja produzieren kann. Er verwendet es allerdings nie als Antwort auf eine Frage. Die Eltern berichten, dass R. dieses Wort lediglich als Reaktion auf etwas einsetzt. Warum er es nicht im eigentlichen Sinn nutzt, ist nicht klar. Ich gehe davon aus, dass ihm die Bedeutung des Wortes bekannt ist. 6.2.2.4 Elektronische Hilfsmittel Einige Zeit nach Beginn der Förderung wurde der Einsatz verschiedener elektronischer Hilfsmittel angedacht. Es war nicht bekannt, ob R. in der Lage sein würde, einen einfachen Schalter zu bedienen. Dies war noch nie erprobt worden. Um das geeignete Gerät herauszufinden, konnte ich anfangs verschiedene Hilfsmittel an der Universität ausleihen und ausprobieren. www.foepaed.net 88 Kapitel 6: Fallbeispiel des Jungen R. Als Erstes führte ich den BIGmack45 ein (siehe Abbildung 33). Die große Taste ist auch bei starken motorischen Einschränkungen noch gut zu bedienen. Auf einen Sprachspeicher mit 20 Sekunden Kapazität konnte ich mehrere Sätze oder auch einen Liedrefrain aufnehmen. R. drückte bereits nach wenigen Versuchen selbstständig den BIGmack. Er war anfangs hoch motiviert, mit dem Gerät zu arbeiten. Der Schalter bot R. die Möglichkeit zu sprechen. Bevor ich etwas aufnahm, klärte ich durch Ja-Nein-Fragen ab, was er sagen wollte. Wenn sich R. beim Auswahlverfahren für etwas entschieden hatte, sprach ich die gewünschte Aktion auf das Gerät, z.B. „Ich möchte Ball spielen.“ Dabei wurde R. natürlich durch eine weibliche Stimme vertreten. Ihm schien aber klar zu sein, dass ich ihm sozusagen meine Stimme lieh, damit er sprechen konnte. Manchmal sang R. selbst ein Lied auf den BIGmack. Da die Speicherkapazität begrenzt ist, wurde immer nur eine Strophe aufgenommen. R. spielte dann durch Bedienen des Schalters die Melodie ab und setzte sie selbstständig fort. Leider benutzte R. den BIGmack häufig als Trommel, d.h. er drückte ihn nicht nur einmal, sondern mehrmals hintereinander im Rhythmus eines Liedes. Dies ist auch ein Grund, warum der das Gerät in der Schule lange Zeit nicht eingesetzt wurde. Die Lehrerin entnahm diesem „Trommeln“, dass R. nicht in der Lage war, den Schalter gezielt zu bedienen. Sie meinte, er würde nur reflexartig darauf drücken. R. kann allerdings den Schalter durchaus sehr sicher auslösen. Es ist aber zu bedenken, dass der BIGmack für ihn eines von wenigen Mitteln ist, um sich lautsprachlich zu äußern. Andere Schüler stören den Unterricht z.B. durch lautes Reden. R. hat diese Möglichkeit nicht. Daher nutzt er vermutlich den BIGmack, um auf sich aufmerksam zu machen oder auch seinen Unmut zu äußern. Abbildung 33: Der BIGmack Neben dem Sprachgerät sollte R. die Möglichkeit bekommen, im Hauswirtschaftsunterricht in der Schule aktiv mitzuarbeiten. Dafür bot sich der PowerLink (siehe 8.1) in Verbindung mit einem einfachen Schalter an. Ich wählte zunächst die Big Red-Taste46, da sie die gleiche 45 BIGmack: einfaches Sprachgerät (siehe 8.1) 46 BIG Red-Taste/ Jelly Bean-Taste: einfache Schalter (siehe 8.1) www.foepaed.net 89 Kapitel 6: Fallbeispiel des Jungen R. Größe hat wie der BIGmack. Nach einiger Zeit stellte sich heraus, dass R. auch den kleineren Jelly Bean bedienen kann. R. konnte nun im Hauswirtschaftsunterricht den Mixer betätigen. Zu Hause schaltet er sich selbstständig seinen Kassettenrekorder an und aus. Da er gerne Musik hört, macht ihm das viel Spaß. Der PowerLink ermöglicht R. so ein hohes Maß an Mitbestimmung. Auch im schulischen Bereich sollte das Gerät ihm mehr Möglichkeiten eröffnen, am üblichen Unterricht teilzunehmen. 6.2.2.5 Abendbrot Um R. weitere Mitbestimmungsmöglichkeiten im Alltag zu bieten, sollte er sein Abendessen bestimmen können. Ein erstes Ziel war die Auswahl des Brotbelages. In einem späteren Schritt konnte R. ein gewünschtes Getränk und ein Stück Obst aussuchen. Dieses Auswahlverfahren wird immer noch auf die gleiche Weise durchgeführt. R. sagt zunächst, ob er sein Essen bestellen möchte. Wenn er sich dafür entscheidet, werden die einzelnen Wahlmöglichkeiten vorgestellt. In der Regel gibt es maximal vier verschiedene Brotaufstriche. Ich frage die einzelnen Beläge nacheinander ab. Als letzte Möglichkeit nenne ich immer ein Überraschungsbrot, das der Betreuer dann schmiert. Durch Zustimmung oder Ablehnung macht R. deutlich, was er essen möchte. Hierbei ist es wichtig, R. Zeit zu lassen. Wie bereits bei den Besonderheiten der Gesprächssituation in Kapitel 5.5 geschildert, erfolgen Reaktionen bei „nichtsprechenden“ Menschen oft verzögert. In der Regel warte ich bis zu 10 Sekunden, bevor ich die nächste Wahlmöglichkeit anbiete. Wenn R. bei einem Vorschlag nicht reagiert, geht man nach dieser Zeit weiter. Im Anschluss wird dann diese Möglichkeit noch einmal geboten. Um die Wahl zu erleichtern, bekam er anfangs die einzelnen Beläge auch zum Riechen angeboten. Damit sollte gewährleistet werden, dass R. die Bedeutung der einzelnen Namen kannte. Diese Auswahl war für ihn eine ganz neue Erfahrung, daher dauerte es eine Weile, bis er die Möglichkeit nutzte. Dann machte es ihm aber sichtlich Spaß. Da es um Mitbestimmungsmöglichkeiten im Alltag ging, wurde schon bald der Betreuer mit dem Verfahren vertraut gemacht. Hierbei ist es wichtig, dass wir nicht nur das gleiche Verfahren nutzen, sondern dass auch alle Bezugspersonen die gleichen Bezeichnungen für die einzelnen Brotbeläge wählen, um R. nicht zu verunsichern. Die Auswahl von Getränken und zusätzlichen Lebensmitteln, wie Obst oder Gemüse, wird genauso gehandhabt. Manchmal möchte R. auch nur ein Getränk oder nur ein Stück Obst auswählen. Dies klären die Bezugspersonen immer mit der ersten Frage ab. Zurzeit ist die Bestellung immer von R.s Tagesform abhängig. Entweder hat er gar keine Lust, etwas auszuwählen, oder er möchte nur etwas zu trinken bzw. ein Stück Obst bestellen. Mitunter bestellt er nur bei einer bestimmten Person. www.foepaed.net 90 Kapitel 6: Fallbeispiel des Jungen R. Wenn R. dann seine Wünsche geäußert hat, werden diese auf den BIGmack oder Step-byStep47 gesprochen, sodass er seine Bestellung noch einmal selbst aussprechen kann. 6.2.2.6 Akustisches Tagebuch Als Erweiterung zu dem geschriebenen Tagebuch werden R.s Erlebnisse seit einiger Zeit auf einer Kassette festgehalten. Diese Aufnahme bietet R. auch die Möglichkeit, die Erzählung mitzugestalten. Er kann selbst ein Lied aufnehmen oder Kommentare zu dem Gesprochenen abgeben. Diese Art des Tagebuches wird nur im Rahmen der Therapie benutzt. Wir nehmen die Inhalte der Stunde darauf auf. R. kann dann einer Person im Haus „erzählen“, was wir gemacht haben. Beim Abspielen reagiert er oft auf das Gesagte, indem er lautsprachliche Kommentare abgibt oder auch bei einem aufgenommenen Lied mitsingt. Mit dem PowerLink kann R. jedem aus der Familie die Kassette vorspielen. Damit er auch in der Klasse von seinem Nachmittag erzählen kann, schreibe ich alle Inhalte, die ich auf die Kassette spreche, zusätzlich in das Tagebuch. 6.2.2.7 Tastbarer Stundenplan Durch das Auswählen des Abendbrotes und das akustische Tagebuch ergaben sich einige feste Bestandteile der Therapiestunde. In der Literatur wird immer wieder betont, dass solche Rituale im Rahmen einer Förderung sinnvoll sind. R. ist auch im Alltag an einen sehr festen Zeitplan gewöhnt. Die immer wiederkehrenden Elemente der Stunde sollten daher in einer festen Reihenfolge ablaufen. Um diese Gliederung auch für R. einsichtig zu machen, wollte ich einen tastbaren Stundenplan, wie ihn Ockelford beschreibt, einführen. Für jeden Teil der Stunde sollte ein Objekt mit Klettband auf einer Fußmatte befestigt werden. Dieser Stundenplan diente nicht nur als Orientierung, sondern bot R. auch die Möglichkeit, den Gebrauch tastbarer Symbole kennen zu lernen. Der Plan war als weiterer Schritt in Richtung einer tastbaren Kommunikationstafel gedacht. Wir teilten zunächst die Stunde in einzelne Phasen auf und suchten jeweils ein passendes Symbol. Die Einführung der Symbole sollte schrittweise stattfinden. Im Folgenden werden die gewählten Symbole genauer erläutert: Begrüßung → Symbol: Handschuh Eine konventionelle Begrüßungsgeste ist das Händeschütteln. Wir wählten daher als Repräsentation für die Hand einen Handschuh aus. Um die direkte Verbindung zwischen dem Symbol und der Geste herzustellen, zog ich in den ersten Stunden den Handschuh an und schüttelte R. dann die Hand. Gleichzeitig erklärte ich R. die Bedeutung des Handschuhs und das Prinzip der Tafel. R. fand es ziemlich amüsant, dass ich ihn an einem heißen Frühlingstag mit einem Handschuh begrüßte. Er schien aber meine Erklärung zu verstehen. Nachdem 47 Step-by-Step: elektronisches Sprachgerät (siehe 8.1) www.foepaed.net 91 Kapitel 6: Fallbeispiel des Jungen R. ich R. einige Male mit dem Handschuh begrüßt hatte, zog ich diesen aus und füllte ihn mit Watte. R. half mir dabei. Auf der Rückseite hatte ich bereits Klettband befestigt, sodass R. das Symbol auf der Fußmatte anbringen konnte. Anschließend sangen wir gemeinsam ein Begrüßungslied, bevor R. am Ende der Phase den Handschuh wieder von der Matte entfernen sollte. Erzählen und Tagebuch → Symbol: Mund Als Symbol für das Erzählen wählten wird einen Mund aus Salzteig. Dieses Symbol stellten wir in einer gemeinsamen Aktion mit R.s Schwester und deren Therapeutin her. Die Geschwister konnten dabei mit Hilfe des PowerLink und der Jelly Bean-Taste den Mixer betätigen. Auch beim Formen des Mundes half R. mit. Wir formten gleich zwei Symbole, da für die letzte Phase der Stunde, das Besprechen des Tagebuches, ebenfalls ein Mund stehen sollte. Genau wie der Handschuh, wurde auch der Mund zu Beginn der Phase auf die Fußmatte gelegt. Dann fragte ich R., ob er mir etwas erzählen wollte. Anfangs geschah dies nur über Ja-Nein-Fragen, inzwischen nutzen wir ein Sprachgerät wie den Step-by-Step (siehe 6.2.2.9). Wenn R. wissen möchte, was ich in der Woche gemacht habe, kann er sich mein akustisches Tagebuch anhören. Mit Hilfe seines PowerLink schaltet er die Kassette selbstständig an. Am Ende der Stunde wird der Mund von der Tafel entfernt. Verschiedenes → Symbol: Dose, die jeweils mit Inhalt gefüllt werden kann Da in diesem Teil der Stunde immer andere Inhalte im Vordergrund stehen, sollte die Dose mit etwas gefüllt werden, das den Inhalt der Stunde repräsentierte. R. sollte dann jeweils erst einmal erkunden, was wir machen würden. Essen auswählen → Symbol: Löffel Der Löffel ist ein Utensil, dass fast bei jedem Essen eine Rolle spielt, daher wählten wir ihn als Repräsentanten. Er ist R. bekannt, da er damit oft das Essen gereicht bekommt. Außerdem hat er eine klare Form, die beim Tasten leicht zu erkennen ist. Tagebuch → Erzählen: Mund Beschreibung des Symbols siehe Erzählen. Wie oben erklärt, wird hier das akustische Tagebuch besprochen. Wenn R. möchte, kann er außerdem die Kassette anderen Personen vorspielen. Umsetzung des tastbaren Stundenplanes und einer tastbaren Kommunikationstafel Der Stundenplan war als Vorstufe für eine tastbare Kommunikationstafel gedacht. Ich führte zunächst die ersten zwei Symbole ein. Dabei wurde deutlich, dass R. die Symbole vermutlich nicht allein auf Grund von taktilen Merkmalen unterscheiden kann. Aus diesem Grunde www.foepaed.net 92 Kapitel 6: Fallbeispiel des Jungen R. beschlossen wir in der Teamsitzung, die Einführung einer tastbaren Kommunikationstafel zunächst aufzuschieben. Auch der tastbare Stundenplan wurde nicht weiter eingeführt. Ein weiterer Grund hierfür war, dass R. die Fußmatte nicht auf seinen Knien tolerierte. Wir suchten nach einem Hilfsmittel, das R. auch eine akustische Rückmeldung bietet. Gemeinsam wurde der Einsatz einer elektronischen Kommunikationshilfe beschlossen. Das Symbol des Mundes nutze ich auch weiterhin. Er wird allerdings nicht mehr auf die Tafel gelegt. Wenn R. mir noch mehr erzählen möchte, gibt er mir das Symbol, sonst legt er es weg. Dabei zeigt er immer wieder, dass er die Bedeutung des Symbols genau kennt. 6.2.2.8 Beantragung eines Hilfsmittels Nachdem wir eine Weile erfolgreich mit dem BIGmack gearbeitet hatten, sollte R. ein eigenes Sprachgerät bekommen. Wir waren uns im Team jedoch einig, dass der BIGmack auf lange Sicht zu wenig Möglichkeiten bot. Daher beantragten wir den Step-by-Step mit Ebenen. Er bietet die dreifache Speicherkapazität des BIGmack. Außerdem lässt sich mit diesem Gerät ein Dialogverhalten anbahnen. Die Inhalte können in Sequenzen unterteilt werden. Mit einem Tastendruck spricht man z.B. nur einen Satz aus. Dies macht Rückfragen möglich. Außerdem können Ebenen angelegt werden. Man speichert z.B. auf jeder Ebene einen Themenbereich ab. Das Gerät ist so in verschiedenen Situationen einsetzbar, ohne dass es jedes Mal neu besprochen werden muss. Zu dem Step-by-Step wurden ein PowerLink und ein Jelly Bean bestellt. Einige Wochen später bekam R. diese Hilfsmittel. 6.2.2.9 Step-by-Step In der ersten Stunde mit dem Step-by-Step schien R. etwas irritiert. Ich hatte den Eindruck, dass er nicht genau wusste, woher die vielen Sätze auf dem Geräte kamen. Daher begann ich, gemeinsam mit ihm mehrere Strophen eines Liedes aufzunehmen. Er summte die Melodie und ich sang den Text dazu, damit wir später die Strophen auseinander halten konnten. R. musste, gemeinsam mit mir, den Aufnahmeschalter zwei Mal drücken. Wir hielten dann zusammen die große Taste fest, um jeweils eine Strophe aufzunehmen. So sangen wir mehrere Lieder auf das Gerät und hörten sie uns anschließend an. Dadurch erkannte R., dass auch bei diesem Gerät alle Inhalte erst von einem Helfer aufgesprochen werden müssen. In den folgenden Stunden veränderte ich unsere Erzählrunde. Ich fragte R., ob er mir diesmal mit seinem Step-by-Step etwas erzählen wollte. Hierzu musste ich natürlich erst ins Tagebuch schauen, um herauszufinden, was R. gemacht hatte und die Sätze anschließend aufnehmen. R. war dabei jedes Mal hoch motiviert. Ich merkte, dass es ihm Spaß machte, über den Step-by-Step zu kommunizieren. Auch wenn ich einmal nicht das Richtige aufgenommen hatte, störte ihn das nicht. Später bat ich den Betreuer, vor der Stunde etwas für R. aufzusprechen. www.foepaed.net 93 Kapitel 6: Fallbeispiel des Jungen R. Abbildung 34: Step-by-Step R. drückt auch den Step-by-Step in manchen Situationen nicht gezielt, sondern trommelt einen Rhythmus darauf. Dann kann man die Sätze kaum noch verstehen. Da mit jedem Drücken ein neuer Satz abgespielt wird, ist das Führen eines Dialoges oder das Antworten auf eine Frage in diesem Fall nicht mehr möglich. Wir suchten daher im Team nach einer Möglichkeit, den Step-by-Step so zu besprechen, dass R. motiviert ist, nicht sofort weiter zu drücken. Die Inhalte werden jetzt nicht mehr als reine Erzählung aufgesprochen. Die Mitteilung soll sozusagen Rückfragen und damit einen Dialog herausfordern. Zu diesem Zweck werden immer wieder Fragen eingebaut wie: „Ratet mal, was ich heute gemacht habe.“ Oder: „Weißt du, was es heute zum Mittagessen gab?“ Um das Rätsel aufzulösen, muss R. erst erneut den Schalter betätigen. Wenn er ruhig nacheinander drückt, dann hat der Kommunikationspartner Zeit zu überlegen. Gerade bei diesen Fragespielchen gelingt es R. zunehmend, gezielt den Schalter zu drücken. Es macht ihm Spaß, erst zuzuhören, was die anderen vermuten. Wenn der jeweilige Gesprächspartner etwas Falsches rät, lacht R. Manchmal ist er dann allerdings so begeistert, dass er wieder in das Trommeln verfällt und aus Versehen zu früh die Frage auflöst. Das gezielte Drücken gelingt ihm aber zunehmend besser. Mit Hilfe des Step-by-Step veränderten wir auch das Aufnehmen des akustischen Tagebuches. Ich fand heraus, dass R. die Kassette selbst mit dem Step-by-Step besprechen wollte. Seit diesem Zeitpunkt legt er besonderen Wert darauf, das akustische Tagebuch im Anschluss an die Stunde vorzuspielen. Ich habe den Eindruck, dass R. das Aufgenommene so mehr als sein Eigenes betrachtet, als wenn ich nur für ihn aufspreche. Ich muss zwar immer noch für ihn die Inhalte auf den Step-by-Step aufnehmen, aber er kann jetzt selbst bestimmen, wann er den Schalter drückt und damit das Aufgesprochene abspielt. In letzter Zeit wird die Kassette nicht mehr besprochen. Stattdessen erzählt R. direkt mit dem Step-bySteR. Im Alltag dient das Gerät als akustisches Tagebuch. R. erzählt damit in der Schule von seinem Nachmittag und zu Hause von seinem Schultag. Allerdings war es nicht ganz einfach, in der Schule eine feste Zeit zu finden, zu der R. von seinen Erlebnissen berichten kann. Darauf gehe ich später näher ein (siehe 6.2.2.10). www.foepaed.net 94 Kapitel 6: Fallbeispiel des Jungen R. Da der Step-by-Step als Sprachgerät für R. dient, müssen die Inhalte vorher mit ihm abgesprochen werden. In der Regel nehmen R.s Bezugspersonen die Sätze in seinem Beisein auf. Anschließend darf er sich noch einmal alles in Ruhe anhören. So weiß er genau, wann die letzte Aussage kommt. Wenn R. nachmittags zu Hause den Step-by-Step abspielt, dann hört er in der Regel nach der letzten Aufnahme auf zu drücken. R. scheint immer ziemlich sicher zu sein, welches die letzte Aussage ist. Dies ist ein weiteres Indiz dafür, dass er über ein gutes Gedächtnis verfügt. Leider ist der Step-by-Step mit Ebenen ziemlich anfällig und hat häufig einen Wackelkontakt. So kann es passieren, dass Inhalte einfach gelöscht oder gar nicht aufgenommen werden. In der Therapie erlebe ich immer wieder Situationen, in denen R. mir unbedingt etwas erzählen möchte. Wenn dann das Gerät mal wieder versagt, ist er ziemlich enttäuscht. Insgesamt zeigt der Umgang mit dem Step-by-Step, dass R. hoch motiviert ist, zu kommunizieren. Die Vermutung der Eltern, dass R. gerne mehr sagen würde, hat sich damit eindeutig bestätigt. 6.2.2.10 Schulbesuch Ende letzten Jahres war ein Treffen mit den betreuenden Studentinnen und den Lehrern der beiden Geschwister angesetzt. Wir wollten zunächst einmal die Klassenlehrer darüber aufklären, was wir im Rahmen der Therapie machen und wofür wir die Hilfsmittel nutzen. Anschließend sollten gemeinsam Zeitpunkte im schulischen Tagesablauf gesucht werden, zu denen man die Hilfsmittel einsetzen konnte. An diesem Treffen nahmen auch andere Lehrer der Schule teil, die sich grundsätzlich für das Konzept der Unterstützten Kommunikation interessierten. Es stellte sich heraus, dass die Lehrer anderer Klassen aufgeschlossener gegenüber dem Konzept waren als die direkt betroffenen. Von den Klassenlehrern kam immer wieder das Argument: „Wir verstehen R. doch, warum sollen wir plötzlich ein elektronisches Sprachgerät einsetzen?“ Dementsprechend abwartend zeigten sich diese Lehrer auch bei der Suche nach Kommunikationssituationen im Schulalltag. Einer der Pädagogen schlug vor, R. könne dem Zivildienstleistenden auf der Toilette seine Erlebnisse vom Vortag erzählen. Dies zeigte deutlich, dass dem Lehrer die Bedeutung erweiterter Kommunikationsmöglichkeiten nicht klar war. Weitere Situationen, in denen man das Sprachgerät einsetzen könnte, wurden nicht genannt. Das Besprechen des Step-by-Step am Ende eines Schultages übernimmt inzwischen der Zivildienstleistende. Insgesamt hatten wir den Eindruck, dass die betroffenen Kollegen jegliches elektronische Gerät ablehnen. Ähnliches berichten verschiedene Autoren auch von Kindern einer anderen Waldorfeinrichtung. Die Pädagogen dort wenden sich oft entschieden gegen ein Gerät mit Sprachausgabe, weil diese künstlich ist (vgl. Herrmann 1995, S. 13). Hier zeigt sich ein typisches Beispiel von Zugangsbarrieren im Umfeld. Diese sind leider nur schwer zu beseitigen. www.foepaed.net 95 Kapitel 6: Fallbeispiel des Jungen R. Wir möchten in er nächsten Zeit noch einmal versuchen, mit der Schule Kontakt aufzunehmen. Diesmal soll ein Videoband vorbereitet sein, auf dem die Fähigkeiten der Kinder und die Möglichkeiten, die das Sprachgerät bietet, deutlich werden. Außerdem möchten wir selbst einige Stunden im Unterricht hospitieren, um gezielt nach Partizipationsmöglichkeiten zu suchen. Es wäre schade, wenn die Kommunikationsmöglichkeiten von R. nur auf die häusliche Situation beschränkt blieben. Sprechende Menschen bedienen sich schließlich auch nicht nur zu Hause ihrer Lautsprache. Warum soll es „nichtsprechenden“ Personen anders gehen? 6.2.2.11 Einführung eines Talkers Das entfernteste Ziel in der Therapie war die Einführung eines komplexen elektronisches Sprachgerätes wie AlphaTalker oder Audiocom. Zu Anfang stand noch die Überlegung im Raum, den AlphaTalker mit tastbaren Symbolen zu versehen und somit eine direkte Selektion zu versuchen. Im Laufe der Zeit wurde aber immer deutlicher, dass R. dafür motorisch zu sehr eingeschränkt ist. Auf diese Weise hätte man höchstens 4 Tasten belegen können. Daher begannen wir uns mit der Methode des akustischen Scanning zu befassen. In der letzten Teamsitzung stand dann die Frage zur Diskussion, ob nun die Zeit für ein solches Gerät gekommen wäre. Dies hätte natürlich R.s kommunikative Fähigkeiten erheblich erweitert. Alltägliche Bedürfnisse wie „Ich muss auf die Toilette“, aber auch viele andere Mitteilungen könnte R. darüber machen. Kognitiv wäre er dazu in der Lage, das Gerät zu bedienen und die Struktur der Inhalte zu durchschauen. Wir haben uns dann aber, gemeinsam mit den Eltern, gegen eine solche Möglichkeit entschieden. Ein Sprachgerät ist, wie viele Autoren beschreiben, kein Zaubermittel (vgl. Hoffmann-Schöneich 1995, S. 5). Es braucht viel Zeit, bis der Nutzer damit vertraut ist. Nur, wenn das Gerät regelmäßig eingesetzt wird, ist gewährleistet, dass der „nichtsprechende“ Mensch den Umgang damit erlernt. Es genügt jedoch nicht, R. alleine mit dem Gerät vertraut zu machen. Auch die Bezugspersonen müssen die Struktur des Systems verstehen und gegebenenfalls in der Lage sein, das Vokabular zu erweitern. Insgesamt erfordert ein so komplexes Sprachgerät viel Zeit und Geduld. Es war von vorne herein klar, dass die Schule das Gerät nicht akzeptieren würde. Die Phase der Gewöhnung und des Einarbeitens hätte sich daher auf das häusliche Umfeld beschränken müssen. In dieser Umgebung verbringt R. aber den geringsten Teil des Tages. Die wenige Zeit zwischen der Ankunft aus der Schule und dem Abendbrot würde keinesfalls ausreichen, um mit beiden Kindern täglich eine intensive Kommunikationsförderung mit einem Talker durchzuführen. Die Kapazitäten der Bezugspersonen, d.h. Eltern und Betreuer, sind hierfür zu begrenzt. Die Anschaffung eines solchen Gerätes hätte daher zum jetzigen Zeitpunkt vermutlich eher Unzufriedenheit und zusätzlichen Stress als positive Kommunikationssituationen verursacht. www.foepaed.net 96 Kapitel 6: Fallbeispiel des Jungen R. Aus diesem Grunde suchten wir gemeinsam nach kleinen Zielen für die Kommunikationsförderung, die auch einfach in den Alltag zu integrieren sind. Gleichzeitig wurde ein Zeitlimit bis zu den Sommerferien gesetzt. Bis dahin sollen die Fertigkeiten in der Therapie so weit gefestigt sein, dass sie auch im häuslichen Umfeld genutzt werden können. Damit ist zunächst einmal eine Pause in der Förderung angedacht. Zu einem späteren Zeitpunkt kann dann noch einmal der Einsatz eines Talkers überlegt werden. Dies geschieht vor allem im Hinblick darauf, dass R. in einigen Jahren in eine betreute Wohngruppe umziehen wird. Dort wäre ein Sprachgerät natürlich sinnvoll. 6.2.2.12 Zukünftige Ziele im Rahmen der Therapie Die weiteren Ziele dienen der Ausweitung und Festigung der bisher erreichten Fähigkeiten. Sie sollen R.s Verständigungsmöglichkeiten im Alltag erhöhen. Liedsequenzen für bestimmte Aussagen In der Entwicklungsbeschreibung ist bereits die Hypothese erwähnt, dass R. einzelne Lieder für gezielte Aussagen einsetzt. Wirklich bestätigen konnten wir dies bislang nicht. Wir wollen aber versuchen, diese Fähigkeit anzubahnen. Die Eltern hatten schon vor einiger Zeit den Wunsch geäußert, dass R. sagen sollte, wenn er auf die Toilette muss. Ein zugehöriges Lied sollte auch inhaltlich etwas mit dem Thema zu tun haben. Uns fiel als einziges die Melodie von „Katzenklo“ ein. Da R. feste Toilettenzeiten hat, die er auch einhält, waren die Eltern bei der Einführung des Liedes zunächst auf sich alleine gestellt. Bis zu dem letzten Teamgespräch machte es den Anschein, dass R. das Lied nicht gezielt einsetzen würde. Daher besprachen wir noch einmal gemeinsam die Vorgehensweise bei der Einführung und suchten gleichzeitig nach anderen Aussagen, die über Lieder kodiert werden könnten. Wir gingen davon aus, dass R. das Prinzip vielleicht eher verinnerlichen würde, wenn er mehrere Aussagen über Melodien machen könnte. Zu Anfang wählten wir nur wenige Melodien, um R. nicht zu verwirren: - Was sollen wir trinken sieben Tage lang...? für „Ich habe Durst, bzw. Ich möchte etwas trinken.“ - Der Refrain des Begrüßungsliedes: Hallo..., bist du da? Hallo ..., dann ruf‘ laut ja. für „Guten Tag, bzw. Hallo“ - Nehmt Abschied Brüder ungewiss... für „Auf Wiedersehen, bzw. Tschüss“. - Katzenklo für „Ich muss auf die Toilette.“ Bei der Auswahl der Lieder spielten verschiedene Kriterien eine Rolle: - Sie sollten inhaltlich einen Zusammenhang zu der Aussage aufweisen. - Es sollen leicht erkennbare Melodien sein. - Die Lieder müssen dem Umfeld von R. bekannt sein. www.foepaed.net 97 Kapitel 6: Fallbeispiel des Jungen R. - R. soll die Lieder nicht ständig singen, da sonst nicht klar ist, wann er nur singt und wann er etwas sagen möchte. Zunächst muss R. die Bedeutung eines Liedanfangs kennen lernen, z.B. „Was sollen wir trinken?“ für „Ich möchte etwas trinken.“ Vor der jeweiligen Aktivität wird dann die Liedsequenz gemeinsam mit R. gesummt. Auch am Ende der Aktivität wiederholen wir diese noch einmal mit der Betonung, dass die Handlung nun beendet ist. Im nächsten Schritt wird vor der Aktivität gefragt: „Was summst du, wenn du x möchtest?“ Darauf soll R. dann antworten. Wenn die Melodie noch nicht verinnerlicht hat, summen wir noch einmal gemeinsam. In einem weiteren Schritt summt R. bei der Anmerkung, dass er jetzt auf die Toilette geht von sich aus das Lied. Die Lösung des Liedes von der Situation ist das letzte Ziel. Erst dann kann R. die Melodie jeder Zeit einsetzen, um anzuzeigen, was er möchte. Dieses Verfahren muss regelmäßig und konsequent durchgeführt werden. Die gewählten Aussagen sind an R.s Grundbedürfnissen orientiert. Sie bieten aber gleichzeitig die Möglichkeit, ihre Einführung in die Therapiestunde zu integrieren. Das Begrüßen und Verabschieden sowie das Trinken sind relativ feste Bestandteile der Stunde. Zur Begrüßung singe ich nicht mehr mit R. das ganze Begrüßungslied. R. summt nur noch den Refrain: „Hallo..., bist du da? Hallo..., dann ruf‘ laut ja!“ Inzwischen beginnt R. diesen Refrain zu summen, wenn ich frage, wie er „Guten Tag“ sagen kann. Seine übliche Begrüßung ist das „hei“. Dies nutzt er natürlich auch weiterhin. Ich habe ihm versucht zu erklären, dass er dieses Wort schon für „Ja“ verwendet und dass daher eine andere Form sinnvoller ist. Mir gegenüber benutzt er das Lied inzwischen auch schon teilweise. Seine Klassenkameraden, die wissen, dass R. „hei“ sagen kann, begrüßen ihn mit „Hei, R.“. Darauf antwortet R. natürlich wiederum mit „hei“. Dies wird sich vermutlich auch nicht ändern. Das Lied „Was sollen wir trinken?“ benutzt R. inzwischen immer häufiger von sich aus, wenn er Durst hat. 4 One-Step-Communicatoren R. kann inzwischen den Step-by-Step gezielt drücken. Um weitere Kommunikationsmöglichkeiten zu eröffnen, bot sich daher ein Gerät an, dass ähnlich zu bedienen ist. Im Team beschlossen wir, 4 One-Step-Communicatoren zu beantragen. Diese haben die gleiche Form wie der Step-by-SteR. Sie speichern aber nur jeweils eine Aussage. Zwei der Geräte sollen mit „Ja“ bzw. „Nein“ besprochen werden. Auf die beiden anderen können zwei alternative Handlungsmöglichkeiten aufgenommen werden. R. entscheidet sich dann durch Drücken einer Taste für eine Aktivität. Mit Bedienen des Nein-Schalters macht er deutlich, dass er mit keiner der Möglichkeiten einverstanden ist. Um eine immer gleiche Platzierung der Geräte zu gewährleisten, werden mit Hilfe von Klettband auf einem Brett angeordnet, das mit einer Fußmatte überzogen ist. Links liegt, wie schon bei den Buttons ein One-Step-Communicator für „Nein“. Ganz rechts wird „Ja“ fest www.foepaed.net 98 Kapitel 6: Fallbeispiel des Jungen R. gemacht. In der Mitte bleibt der Step-by-Step, mit dem R. weiterhin erzählen kann. Links und rechts davon befinden sich zwei weitere One-Step-Communicatoren. Darauf können jeweils zwei Auswahlmöglichkeiten gesprochen werden. Z.B. „Ich möchte meine Ruhe haben“ und „Ich möchte gerne singen“. Diese sind individuell zu besprechen. Alternativ sollen diese Tasten auch für gesprächssteuernde Aussagen genutzt werden. Durch Sätze, wie "Lass mich bitte in Ruhe" oder "Frag mich bitte, was ich machen möchte", kann R. dann eine Interaktion gezielt initiieren oder abbrechen. Mit Ja-Nein-Fragen können dann die Wünsche näher spezifiziert werden. Die Handhabung dieser Geräte wird bis zum Ende der Therapie geübt. Gleichzeitig werden die Geräte auch schon in den Alltag eingebunden. Während der Therapie muss eine regelmäßige Evaluation und Festlegung neuer Ziele erfolgen. Diese sind an den alltäglichen Möglichkeiten des Umfeldes zu orientieren. Mitunter sind die ursprünglich gesteckten Ziele nicht zu erreichen. Man gewinnt dann den Eindruck, dass alles umsonst war. Bei einer genaueren Betrachtung findet man jedoch immer wieder kleine Fortschritte, die durchaus eine Erweiterung der kommunikativen Möglichkeiten bedeuten. Auch diese kleinen Veränderungen müssen als Entwicklung gewertet werden. www.foepaed.net 99 Kapitel 7: Fazit 7 Fazit In dieser Arbeit ist deutlich geworden, dass der Personenkreis der „nichtsprechenden“ Menschen sehr heterogen ist. Somit sind individuelle Fördermaßnahmen nötig. Im Laufe der Arbeit wurden einige bekannte Konzepte vorgestellt, die der Anbahnung von kommunikativen Fähigkeiten auf einer bestimmten Stufe dienen. Die Unterstützte Kommunikation ist ein umfassenderes Konzept. Das Ziel ist hierbei die aktive Einbeziehung des Behinderten in sein soziales Umfeld. Daher steht am Anfang eine genaue Abklärung der individuellen Fähigkeiten und der bisherigen kommunikativen Möglichkeiten. Die Suche nach weiteren Partizipationsgelegenheiten bezieht zwei Aspekte mit ein: die individuellen Fähigkeiten des „nichtsprechenden“ Menschen sowie die Einstellungen und Kapazitäten innerhalb der sozialen Bezugssysteme, wie Familie, Schule etc. Für die Abklärung der Fähigkeiten einer Person gibt es verschiedene Fragebögen. Im Rahmen dieser Arbeit wurde der Fragenkatalog von Ursi Kristen vorgestellt (siehe 8.2). Eine Fallbeschreibung, die sich daran orientiert, legt automatisch den Schwerpunkt auf die Stärken der Person. Man findet bereits vorhandene Fähigkeiten, an die in der Förderung angeknüpft werden kann. Bei der Festlegung von Zielen für die Kommunikationsförderung orientiert sich das Partizipationsmodell an den Bedürfnissen gleichaltriger Menschen ohne Behinderung. Natürlich ist es im Hinblick auf eine möglichst altersadäquate Behandlung der Personen sinnvoll, die Gruppe der Gleichaltrigen hinzuzuziehen. Es muss jedoch bedacht werden, dass die Lebensbedingungen von Menschen mit und ohne Behinderung sehr verschieden sind. Gleiche Bedürfnisse können nicht unbedingt vorausgesetzt werden. Zur Erweiterung der kommunikativen Fähigkeiten nutzt die Unterstützte Kommunikation körpereigene und externe Kommunikationsmodi. Die Darstellung der eingesetzten Kommunikationsformen macht deutlich, dass sie sich zum großen Teil an der visuellen Wahrnehmung orientieren. Für die Arbeit mit blinden Menschen müssen oft alternative Hilfen entwickelt werden. Zur Anbahnung eines Symbolverständnisses nutzt man in diesem Fall bislang häufig das van Dijk Konzept aus der Taubblindenpädagogik. Ein Teil des hier dargestellten Personenkreises wird mit diesem Konzept die letzte Stufe, d.h. ein Symbolsystem als Kommunikationshilfe, nicht erreichen können, da diese Personen zu sehr motorisch eingeschränkt sind. Die Unterstützte Kommunikation bietet vielfältige andere Möglichkeiten, um auch bei diesen Menschen dem Bedürfnis nach Kommunikation gerecht zu werden. Einige Menschen des vorgestellten Personenkreises verfügen bereits über ein Symbolverständnis. Den Veröffentlichungen zu Folge, kommen in diesem Fall hauptsächlich elektronische Hilfsmittel zum Einsatz. Da bei Geräten mit Sprachausgabe eine direkte akustische Rückmeldung erfolgt, erleichtern sie die Kommunikation in vielen Fällen. Solche Hilfen sind www.foepaed.net 100 Kapitel 7: Fazit jedoch kostenintensiv und störanfällig. Auch die Integration der Geräte in den Alltag ist nicht immer einfach. Grenzen in der Förderung sind nicht allein durch die persönlichen Fähigkeiten gegeben. Aus diesem Grunde bezieht das Partizipationsmodell im Rahmen der Unterstützten Kommunikation auch die sozialen Bezugssysteme ein. Innerhalb dieser Systeme können die Einstellungen der Bezugspersonen und zeitliche Begrenzungen die Erweiterung der kommunikativen Möglichkeiten einschränken. Ein soziales System ist die Familie. In diesem Umfeld sollen die Handlungsschritte der Kommunikationsförderung später umgesetzt werden. Daher müssen sich die festgelegten Ziele immer am Alltag orientieren. Das Fallbeispiel zeigt, dass hier der zeitliche Aspekt eine große Rolle spielt. Die Eltern sind sich darüber im Klaren, welche Möglichkeiten ein komplexes Sprachgerät bringen würde. Für eine zeitaufwändige Einführung sind im Moment aber keine Kapazitäten vorhanden. Dies ist sicherlich kein Einzelfall. Pflege und Therapien eines Kindes mit mehreren Behinderungen benötigen viel Zeit. In diesem speziellen Fall ist die Situation durch zwei mehrfachbehinderte Kinder besonders schwierig. Neben Schule und anderen Therapien bleibt kaum ein Freiraum für die Einübung einer differenzierten Kommunikation, wie sie z.B. elektronische Sprachgeräte erfordern. Das Partizipationsmodell hat die Beseitigung von diesen Barrieren als Ziel. Gerade die zeitlichen Aspekte setzen aber besonders stabile Grenzen, die nur schwer zu durchbrechen sind. In solchen Fällen müssen neue Handlungsschritte bestimmt werden, die einfacher in den Alltag zu integrieren sind. Den größten Teil der Zeit verbringen Schüler mit mehreren Behinderungen in der Schule. Zur Erweiterung der kommunikativen Möglichkeiten ist dieses soziale System ebenfalls zu berücksichtigen. Das Fallbeispiel zeigt hier Grenzen, die auf Grund von ungünstigen Einstellungen entstehen. Mit den bisherigen Fragestrategien konnten die Grundbedürfnisse meist erfolgreich geklärt werden. Viele Lehrer sind sich nicht bewusst, dass der Wunsch nach einer weiter gehenden Kommunikation vorhanden ist, wie es das Zitat zu Beginn der Einleitung beschreibt. Ein Empfinden für dieses Bedürfnis könnte vielleicht durch die Verbreitung der Prinzipien der Unterstützten Kommunikation geweckt werden. Es ist notwendig, das Konzept an den Schulen mehr bekannt zu machen. Nur so kann gewährleistet werden, dass sich die Lehrer mit den Methoden vertraut machen und diese wenigstens teilweise akzeptieren. Es wäre wünschenswert, wenn in den Institutionen nicht nur bereits vorhandene Kommunikationshilfen genutzt würden. Darüber hinaus sollten die Pädagogen erkennen, dass viele ihrer Schüler den Wunsch nach mehr kommunikativen Möglichkeiten haben. Auch diesen Menschen sollten die Prinzipen der Unterstützen Kommunikation zur Verfügung gestellt werden. www.foepaed.net 101 Kapitel 7: Fazit Hierzu müssen allerdings Formen gefunden werden, die eine Integration der Förderung in den täglichen Unterricht ermöglichen. Auch wenn die Einzelförderung die effektivste Möglichkeit zur Erweiterung der kommunikativen Fähigkeiten ist, kann sie, angesichts der vielen „nichtsprechenden“ Schüler, im Rahmen des regulären Unterrichts nicht verwirklicht werden. In diesem Fall macht sich ebenfalls wieder der zeitliche Aspekt bemerkbar. Es ist aber möglich, immer wieder kleine kommunikative Situationen und Mitbestimmungsmöglichkeiten in den schulischen Alltag zu integrieren. Zunächst werden dies nur kurze Einheiten sein, wie das Erzählen vom Vortag mit einem Sprachgerät oder die Auswahl des Brotbelages beim Frühstück. Nach und nach können so Mitbestimmungsmöglichkeiten geschaffen werden, die zu einem Stück Selbstständigkeit verhelfen. Man darf nie vergessen, dass auch kleine Erfolge ein erster Schritt in Richtung des Zieles sind. Um in Zukunft auch ein vermehrtes Verständnis für „nichtsprechende“ Menschen zu erreichen, sollte bereits in der sonderpädagogischen Ausbildung der Bereich der Kommunikationsentwicklung eine größere Rolle spielen. In diesem Rahmen wäre es auch wünschenswert, das Prinzip der Unterstützten Kommunikation an der Universität mehr zu verbreiten. Bislang gibt es in der Blinden- und Sehbehindertenpädagogik leider noch keine Veranstaltungen zum Thema. Durch eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen, z.B. der Sprachbehindertenpädagogik, könnten auch die zukünftigen Pädagogen für das Thema sensibilisiert werden. Ich hoffe, dass mit dieser Arbeit das Interesse am Thema Unterstützte Kommunikation geweckt wurde. Es wäre ein schönes Ziel, wenn in Zukunft auch an den Blindenschulen noch mehr „nichtsprechende“ Menschen die Möglichkeit bekämen, sich mit alternativen Kommunikationsmitteln zu verständigen. Sie sollen nicht nur die Chance bekommen zu reden, sondern auch demonstrativ zu schweigen (vgl. Hück 1997, S. 6). www.foepaed.net 102 Kapitel 8: Anhang 8 Anhang 8.1 Glossar BIGmack: Einfache elektronische Kommunikationshilfe mit natürlicher Sprachausgabe. Die Bedienung des Gerätes geschieht über eine bunte Taste. Diese hat einen Durchmesser von 12,5 cm. Der BIGmack bietet eine Speicherkapazität von 20 Sekunden. Mit einem Tastendruck werden alle Inhalte des Sprachspeichers abgespielt. Der BIGmack kann auch als externer Schalter an ein batteriebetriebenes Gerät angeschlossen werden. Chirophonetik: Die Chirophonetik ist eine Therapie, die auf den Grundlagen der Menschenkunde Rudolf Steiners entwickelt wurde. Der Name leitet sich von dem griechischen Wort „cheires“, das übersetzt Hand bedeutet, ab. Die Hand folgt den Lautbildungen der Phonetik48 (vgl. Baur 1984, S. 9ff). Die Therapie geht davon aus, dass jeder Laut eine charakteristische Luftströmung im Körper verursacht. Die einzelnen Artikulationszonen sind auch auf dem Gesamtkörper wiederzufinden. Man bildet die Luftströmung auf dem Rücken durch Streichen mit der Hand nach. Unterstützend findet ein langsames und betontes Aussprechen des Lautes statt. So kann der Mensch Laute durch auditive und kinästhetische Reize empfangen. Das Streichen auf den Körper wird rhythmisch wiederholt (vgl. Baur 1985, S. 6ff). Ideogramm: Ein Schriftzeichen, das einen ganzen Begriff darstellt (vgl. Duden 1997). Adam bezeichnet Symbole als Ideogramme, die ein Konzept oder eine Handlung abbilden (vgl. Adam 1993, S. 248). Ikterus: Gelbsucht: „Hell- bis dunkelgelbe Hautfarbe infolge Übertritts von Gallenbestandteilen ins Blut, dann durch das Gefäßendothel in die Haut, die Conjunctiva bulbi und das übrige Körpergewebe. Symptom, das bei verschiedenen Grundkrankheiten auftreten kann“ (Pschyrembel 2000). 48 Phonetik: Lautlehre (vgl. Duden 1997) www.foepaed.net 103 Kapitel 8: Anhang Jelly Bean-Taste/ BIG Red-Taste: Schalter zum Bedienen elektronischer Geräte, z.B. in Zusammenhang mit dem PowerLink. Der Jelly Bean hat einen Durchmesser von 6,25 cm, der BIG Red hat einen Durchmesser von 12,5 cm. Kleinhirnatrophie: Schwund des Kleinhirns. Führt zu erheblichen Gangstörungen und Sprachveränderungen (vgl. Pschyrembel 2000). Kokonstruktion: Äußerungen des sprechenden Partners die darauf abzielen, die sprachlichen Handlungen des Gegenübers zu entwickeln (vgl. Braun 1997b, S. 6). Nervus Opticus Atrophie: Sehnervenschwund (vgl. Pschyrembel 2000) Ophthalmologischer Bericht: Bericht des Augenarztes Piktogramm: Ein stilisiertes, d.h. vereinfachtes Bild von etwas, das eine bestimmte Information enthält (vgl. Duden 1997). Nach Adam ist es ein Symbol, das einen Gegenstand repräsentiert (vgl. Adam 1993, S. 248). PowerLink: Bindeglied zwischen einem elektronischen Gerät und der Steckdose. Hierdurch besteht die Möglichkeit, einen externen Schalter (z.B. Jelly Bean) mit einem Gerät zu verbinden, mit dem dieses dann bedient wird. So können motorisch eingeschränkte Menschen, die kleine Tasten z.B. an einem Kassettenrekorder nicht drücken können, das Gerät trotzdem betätigen. Über den PowerLink kann auch die erforderliche Dauer des Tastendruckes zum Auslösen der Taste eingestellt werden. Scanning: Selektionstechnik, bei der die „nichtsprechende“ Person auf nacheinander dargebotene Wahlmöglichkeiten mit einem vereinbarten Signal reagiert (vgl. Franzkowiak 1996b, S. 60). Skoliose: Seitliche Verbiegung der Wirbelsäule mit Drehung der einzelnen Wirbelkörper (Torsion) (vgl. Pschyrembel 2000). www.foepaed.net 104 Kapitel 8: Anhang Step-by-Step-Communicator mit Ebenen: Einfache elektronische Kommunikationshilfe mit natürlicher Sprachausgabe. Mit Hilfe einer bunten Taste im Durchmesser von 6,25 cm wird das Gerät ausgelöst. Der Stepby-Step speichert beliebig viele Aussagen im Rahmen von 75 Sekunden. Diese können so aufgenommen werden, dass mit jedem Tastendruck z.B. ein Satz abgespielt wird. Das Anlegen von Ebenen ist ebenfalls möglich. Vom Benutzer können jeweils nur die Aussagen einer Ebene abgerufen werden. Wie alle Schalter und Kommunikationshilfen dieser Art ist der Step-by-Step-Communicator in verschiedenen Farben erhältlich. Turn-Taking: Sprecherwechsel während des Kommunikationsprozesses (vgl. Franzkowiak 1996, S. 60) www.foepaed.net 105 Kapitel 8: Anhang 8.2 Schema der Förderung Eindruck der Eltern, dass R. mehr sagen möchte. Erstbesuch: • • Elterngespräch Abklärung von Fähigkeiten (Beobachtung + Videoaufzeichnung) Auswertung des Videos Erstes Teamgespräch (ohne Eltern): • • Festlegung der Therapeuten (Studentinnen) Festlegung von Zielen und Suche nach Partizipationsmöglichkeiten Beginn der Förderung Erste Ziele: Förderung des Symbolverständnisses Objects of References: Einsatz von Gegenständen als Symbol für bestimmte Aktivitäten Anbahnung allgemein verständlicher expresiver Formen für Ja und Nein Erweiterung der Partizipationsmöglichkeiten Kennen lernen von Auswahlverfahren • Auswahl des Abendbrotes • Auswahl aus zwei Möglichkeiten Ja-Nein-Buttons Erzählen von vergangenen Ereignissen Elektronische Hilfsmittel Sprachgerät Schalter zur Bedienung von Geräten R. akzeptiert Buttons nicht mehr, antwortet lautsprachlich: A-Laute Fernziel Einsatz einer tastbaren Kommunikationstafel Nein Neue Fördermöglichkeiten hätten entwickelt werden müssen 1 www.foepaed.net Kann R. einen einfachen Schalter bedienen? Ja 2 3 106 Kapitel 8: Anhang 1 2 tastbarer Stundenplan: Vorstufe für eine tastbare Kommunikationstafel Ja Bigmack Aussprechen eines Wunsches und Erzählen Kann R. die Symbole durch Tasten erkennen? R. möchte mehr äußern können. Er ist motiviert, mit dem Gerät zu sprechen. Nein Kommunikationstafel, z.B. für Abendbrot tastbare Kommunikationstafel wird bis auf Weiteres verschoben 3 PowerLink + BigRed oder Jelly Bean Entscheidung für Jelly-BeanTaste • Bedienen des Kassettenrekorders • Einschalten des Mixers im Hauswirtschaftsunterricht • akustisches Tagebuch in der Therapiestunde Step-by-Step mit Ebenen • Kommunikation • Anbahnung von Dialogverhalten • akustisches Tagebuch Erwägung des Einsatzes von AlphaTalker oder Audiocom mit akustischem Scanning Bedingungen • R. ist in der Lage, das Gerät zu bedienen (auch Motivation) (+) • Eltern sehen die Möglichkeiten, die das Gerät bietet (+) • Schule akzeptiert das Gerät (-) • Zeit zur Übung vorhanden (-) Ja Bedingungen im Wesentlichen erfüllt? Einsatz des Gerätes Nein Alternativen, die einfacher in den Alltag zu integrieren sind • Summen von Melodien für bestimmte Aussagen • 4 One-Step-Communicatoren für Ja, Nein und zwei weitere Aussagen • Versuch, diese Hilfsmittel auch in der Schule zum Einsatz kommen zu lassen. www.foepaed.net 3 107 Kapitel 8: Anhang 8.3 Fragebogen zur Abklärung verschiedener Fähigkeiten (entnommen aus: Kristen 1997, S. 111-116) www.foepaed.net 108 Kapitel 8: Anhang www.foepaed.net 109 Kapitel 8: Anhang www.foepaed.net 110 Kapitel 8: Anhang 8.4 Abbildungsverzeichnis ABBILDUNG 1: GANZHEITLICHES ENTWICKLUNGSMODELL. ........................................ 16 Aus: Fröhlich, A.D. (1998): Basale Stimulation. Das Konzept. Düsseldorf. S. 64 ABBILDUNG 2: DIE EINGESETZTEN KOMMUNIKATIONSKANÄLE „PASSEN“ NICHT.... 27 Aus: Mall, W. (1984): Basale Kommunikation – ein Weg zum andern. In: Geistige Behinderung. Heft 1. (Einhefter). S. 4 ABBILDUNG 3: DER KREISLAUF DER PRIMÄRE KOMMUNIKATION............................... 29 Aus: Mall, W. (1998): Kommunikation mit schwer geistig behinderten Menschen. Ein Werkheft. 4. Überarbeitete Auflage. Heidelberg. S. 34 ABBILDUNG 4: KOMMUNIKATIONSMODI........................................................................... 44 Aus: Lingen, A. (1994): Elektronische Kommunikationshilfen für nichtsprechende Schülerinnen und Schüler mit Infantiler Zerebralparese. Grundlagen – Ziele – Möglichkeiten. Wetter. S. 8, hervorgehobene Begriffe wurden ergänzt ABBILDUNG 5: AUSDRUCKSFORMEN FÜR JA UND NEIN............................................... 47 Modifiziert nach: Volbers, A. (1992): Zum Gebrauch von Ja und Nein bei nichtsprechenden intellektuell Behinderten. In: ISAAC’s Zeitung. Heft 2. S. 5 ABBILDUNG 6: DAS FINGERALPHABET.............................................................................49 Aus: Jussen, H. (1994): Lautbildung bei Hörgeschädigten. 3. überarbeitete Auflage. Berlin. S. 256) ABBILDUNG 7: DAS LORMALPHABET................................................................................ 49 Grauel, A. (1985): Pädagogische Förderung von Taubblinden. Aus: Handbuch der Sonderpädagogik. Band 2. Pädagogik der Blinden und Sehbehinderten. Berlin. S. 442 ABBILDUNG 8: SCHRITTWEISE REDUKTION DES OBJEKTES ....................................... 53 Aus: Ockelford, A. (1994): Objects of Reference. 2. überarbeitete Auflage. London. S. 15 ABBILDUNG 9: IKONIZITÄT BEI GRAFISCHEN SYMBOLEN............................................. 55 Aus: Franzkowiak, T. (1997): „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“. Verständigung mit Hilfe graphischer Symbole. Aus: Landesinstitut für Schule und Weiterbildung (Hrsg.): Kommunikationsförderung nichtsprechender oder schwer verständlicher Kinder. Dokumentation einer Fachtagung. Soest. S. 41 www.foepaed.net 111 Kapitel 8: Anhang ABBILDUNG 10: BEISPIELE AUS DEM LÖB-SYSTEM ....................................................... 56 Aus: Kristen, U. (1997): Praxis Unterstützte Kommunikation. Eine Einführung. 2. Auflage. Düsseldorf. S. 92 ABBILDUNG 11: BILDER AUS DER TOUCH’N-TALK-SAMMLUNG.................................... 57 Aus: Kristen, U. (1997): Praxis Unterstützte Kommunikation. Eine Einführung. 2. Auflage. Düsseldorf. S. 93; Adam, H. (1993): Mit Gebärden und Bildsymbolen kommunizieren. Voraussetzungen Möglichkeiten der Kommunikation von Menschen mit geistiger Behinderung. Würzburg. S. 242 ABBILDUNG 12: SEE’N SIGN CARD.................................................................................... 58 Aus: Adam, H. (1993): Mit Gebärden und Bildsymbolen kommunizieren. Voraussetzungen Möglichkeiten der Kommunikation von Menschen mit geistiger Behinderung. Würzburg. S. 243 ABBILDUNG 13: PIC-SYMBOLS........................................................................................... 58 Aus: Adam, H. (1993): Mit Gebärden und Bildsymbolen kommunizieren. Voraussetzungen Möglichkeiten der Kommunikation von Menschen mit geistiger Behinderung. Würzburg. S. 248 ABBILDUNG 14: PCS-SYMBOLS ......................................................................................... 59 Aus: www.fst.ch/ind/allemand/katalog/pc/pcg.htm ABBILDUNG 15: PCS-SYMBOLS: PERSONEN ................................................................... 59 Aus: Adam, H. (1993): Mit Gebärden und Bildsymbolen kommunizieren. Voraussetzungen Möglichkeiten der Kommunikation von Menschen mit geistiger Behinderung. Würzburg. S. 254 ABBILDUNG 16: PCS-SYMBOLS: JA UND NEIN................ ................................................ 60 Aus: Adam, H. (1993): Mit Gebärden und Bildsymbolen kommunizieren. Voraussetzungen Möglichkeiten der Kommunikation von Menschen mit geistiger Behinderung. Würzburg. S. 254 ABBILDUNG 17: PCS-SYMBOLS: KOMMUNIKATIONSSTEUERNDE AUSSAGEN .......... 60 Aus: Adam, H. (1993): Mit Gebärden und Bildsymbolen kommunizieren. Voraussetzungen Möglichkeiten der Kommunikation von Menschen mit geistiger Behinderung. Würzburg. S. 254 ABBILDUNG 18: GRUNDELEMENTE VON BLISS VON DER SCHABLONE...................... 61 Aus: Franzkowiak, T. (1996a): Bliss - eine lebendige Sprache!. Aus: ISAACDeutschland Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation (Hrsg.): „Edi, mein Assistent“. Und andere Beiträge zur Unterstützten Kommunikation. Reader der Kölner Fachtagungen. Düsseldorf. S. 243 www.foepaed.net 112 Kapitel 8: Anhang ABBILDUNG 19: PIKTOGRAFISCHE BLISS-SYMBOLE ..................................................... 62 Aus: Adam, H. (1993): Mit Gebärden und Bildsymbolen kommunizieren. Voraussetzungen Möglichkeiten der Kommunikation von Menschen mit geistiger Behinderung. Würzburg. S. 273 ABBILDUNG 20: IDEOGRAFISCHE BLISS-SYMBOLE ....................................................... 62 Aus: Adam, H. (1993): Mit Gebärden und Bildsymbolen kommunizieren. Voraussetzungen Möglichkeiten der Kommunikation von Menschen mit geistiger Behinderung. Würzburg. S. 274 ABBILDUNG 21: BLISS-SYMBOLE ...................................................................................... 62 Aus: Adam, H. (1993): Mit Gebärden und Bildsymbolen kommunizieren. Voraussetzungen Möglichkeiten der Kommunikation von Menschen mit geistiger Behinderung. Würzburg. S. 274 ABBILDUNG 22: PICTURE YOUR BLISS............................................................................. 63 Aus: Adam, H. (1993): Mit Gebärden und Bildsymbolen kommunizieren. Voraussetzungen Möglichkeiten der Kommunikation von Menschen mit geistiger Behinderung. Würzburg. S. 275 ABBILDUNG 23: AUFBAU DER CHEYNE-SYMBOLE: TIERE............................................. 64 Aus: Adam, H. (1993): Mit Gebärden und Bildsymbolen kommunizieren. Voraussetzungen Möglichkeiten der Kommunikation von Menschen mit geistiger Behinderung. Würzburg. S. 278 ABBILDUNG 24: AUFBAU DER CHEYNE-SYMBOLE: VERBEN ........................................ 64 Aus: Adam, H. (1993): Mit Gebärden und Bildsymbolen kommunizieren. Voraussetzungen Möglichkeiten der Kommunikation von Menschen mit geistiger Behinderung. Würzburg. S. 278 ABBILDUNG 25: ALPHATALKER ......................................................................................... 67 ABBILDUNG 26: ANSICHT DER AUDIOCOM-STRUKTUR ................................................. 68 ABBILDUNG 27: JELLY-BEAN (SIEHE 8.1) ......................................................................... 70 ABBILDUNG 28: POWERLINK (SIEHE AUCH 8.1) .............................................................. 70 ABBILDUNG 29: ZEILEN-SPALTEN-SCANNING................................................................. 70 Aus: Arnusch/ Pivit, G. (1996): Was ist Unterstützte Kommunikation. Aus: ISAAC-Deutschland Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation (Hrsg.): „Edi, mein Assistent“. Und andere Beiträge zur Unterstützten Kommunikation. Reader der Kölner Fachtagungen. Düsseldorf. S. 31 ABBILDUNG 30: BLOCK-SCANNING................................................................................... 71 Aus: Arnusch/ Pivit, G. (1996): Was ist Unterstützte Kommunikation. Aus: ISAAC-Deutschland Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation (Hrsg.): www.foepaed.net 113 Kapitel 8: Anhang „Edi, mein Assistent“. Und andere Beiträge zur Unterstützten Kommunikation. Reader der Kölner Fachtagungen. Düsseldorf. S. 31 ABBILDUNG 31: DAS VEREINFACHTE PARTIZIPATIONSMODELL ................................. 73 Aus: Lage, D (1997): Ein soziologischer Zugang zur Unterstützten Kommunikation. Möglichkeiten eines umfassenderen Implementierungsmodells für AAC-Maßnahmen. Aus: ISAAC-Deutschland (Hrsg.): Beiträge zur 4. Fachtagung „Unterstützte Kommunikation“. Karlsruhe. S. 7; modifiziert und übersetzt nach: Beukelmann/ Mirenda 1992 ABBILDUNG 32: JA-NEIN-BUTTONS: ORIGINALGRÖßE CA. 14CM DURCHMESSER ... 88 ABBILDUNG 33: DER BIGMACK .......................................................................................... 89 ABBILDUNG 34: STEP-BY-STEP ......................................................................................... 94 8.5 Literaturverzeichnis ADAM, H. (1993): Mit Gebärden und Bildsymbolen kommunizieren. Voraussetzungen Möglichkeiten der Kommunikation von Menschen mit geistiger Behinderung. Würzburg AITKEN, S.; McDEVITT, A. (1995): Visual Impairment and Multiple Disability. Book Three. Birmingham AITKEN, S. (1997): Visual and Additional Impairments: Social Perspectives and Attitudes. In: British Journal of visual impairment. Heft 3. S. 93-97 APPELHANS, R.; BRABAND, H.; DÜE, W.; RATH, W. (1992): Übergang von der Schule ins Arbeitsleben. 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S. 302-118 KERN, H. J. (2000): Einzelfallanalysen. Aus: Borchert, J. (Hrsg.): Handbuch der sonderpädagogischen Psychologie. Göttingen. S. 965-974 KOERSELMANN, E. (1997): In welchem Alter fängt man mit Unterstützter Kommunikation an? Aus: ISAACDeutschland (Hrsg.): Beiträge zur 4. Fachtagung „Unterstützte Kommunikation“. Karlsruhe KÖHLER, R. (1988): Die Hinführung des nichtsprechenden mehrfachbehinderten sehgeschädigten Kindes zur Kommunikation. In: blind-sehbehindert. Heft 3. S. 135-142 KOVACH, T. (1998): Auditory Scanning: Development and Implementation of AAC systems for individuals with physical and visual impairments. In: Bulletin. August. S. 1-3 KRISTEN, U. (1993): Die Motivation zur Kommunikation? In: Behinderte in Familie, Schule und Gesellschaft. Heft 6. S. 9-24 KRISTEN, U. (1994): „Die Bedeutung von Video-Aufnahmen im Rahmen Unterstützter Kommunikation“. Aus: Babst, J. (Hrsg.): 1. Deutsche Minspeak-Konferenz. Tagungsband. Kassel. S. 41-43 KRISTEN, U. 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Aus: www.vds-bundesverband.de/Material/kongress98/thuemmel.htm www.foepaed.net 120 Kapitel 8: Anhang VOLBERS, A. (1992): Zum Gebrauch von Ja und Nein bei nichtsprechenden intellektuell Behinderten. In: ISAAC’s Zeitung. Heft 2 WATZLAWICK, R. (Hrsg.) (1990): Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen, Paradoxien. 8. unveränderte Auflage. Bern WEID-GOLDSCHMIDT; FRANZKOWIAK, T. (1995): Willst du mir etwas erzählen? In: Das Band. Heft 1. S. 26-27 ZIMBARDO, R. (1995): Psychologie. Berlin ZOLLINGER, B. (1991): Förderung des Sprachverständnisses als Integration symbolischer und kommunikativer Prozesse. Aus: Grohnfeldt, M. (Hrsg.): Handbuch der Sprachtherapie. Band 3. Berlin ZUCKRIEGL, A. (1975): Sprachstörungen bei sehgeschädigten Kindern. Aus: Hartmann, N.: Beiträge zur Pädagogik der Mehrfachbehinderten. Band 1. 2. Auflage. Neuburgweier/ Karlsruhe. S. 215-220 www.foepaed.net 121