Pressemappe zu "berliner kindertheaterpreis" [PDF

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 Pressematerialien
Autorenwettbewerb von GRIPS und GASAG
Die nominierten Autorinnen
und Autoren der Auslobung 2015
Das 10-jährige Jubiläum
Preisverleihung am 23. April 2015 im GRIPS Hansaplatz im
Rahmen des Festivals AUGENBLICK MAL
Inhalt
Einführung ................................................................................................................................... S. 3
10 Jahre „berliner kindertheaterpreis
-­‐ Interview Birgit Jammes und Stefan Fischer-­‐Fels ...................................................... S. 7 -­‐ Chronik ...................................................................................................................................... S. 12 -­‐ Barbara Behrendt: Braucht es noch mehr Autoren im Kindertheater? ........ S. 16 -­‐ Lutz Hübners Essay über die Verfasstheit des Autors ........................................... S. 19 Der Jahrgang 2015:
- Bestandsaufnahme ................................................................................................................ S. 22
-­‐ Die Autorinnen und Autoren und ihre Stücke Kerstin Fuchs ................................................................................................................ S. 23 Mathilda Fatima Onur ................................................................................................ S. 25 Sarah Trilsch .................................................................................................................. S. 26 Stefan Wipplinger ........................................................................................................ S. 27 -­‐ Ablauf der Preisverleihung ................................................................................................ S. 29 Ihre Ansprechpartnerin Anja Kraus PR / Pressearbeit 030 – 397 47 416 0151 -­‐ 59101545 pr@grips-­‐theater.de PRESSEDOWNLOAD (Informationen und Fotos) www.grips-­‐theater.de/unser-­‐haus/presse 2 Einführung
Am 23. April 2015 verleiht das GRIPS Theater gemeinsam mit seinem Partner GASAG zum fünften Mal den „berliner kindertheaterpreis“, einen Wettbewerb, der neue Autorinnen und Autoren für das Kindertheater sucht und fördert, und feiert zeitgleich auch dessen 10-­‐jähriges Jubiläum. Dank seiner besonderen Konzeption hat sich in dieser Zeit der „berliner kindertheaterpreis“ zu einem im gesamten deutschsprachigen Raum renommierten Wettbewerb entwickelt, und er gilt als die Talentschmiede unter den Autorenwettbewerben. Das Besondere dieses Dramatiker-­‐Wettbewerbs Die Idee des "berliner kindertheaterpreis" war nie, einfach nur gute Stücke zu finden. Nicht das Auszeichnen einzelner Texte war das Ziel, sondern das Finden neuer, leidenschaftlicher und humorvoller Autorinnen und Autoren für das Kindertheater. Neben jungen, talentierten Schreibenden gilt es, ebenso auch bereits erfahrene Schriftsteller für dieses so eigene und wundervolle Genre zu begeistern. Denn ein Theater wie das GRIPS, das den Autor so in den Mittelpunkt seiner Arbeit stellt, kann nicht überleben, ohne neue, originäre Stimmen für das Theater zu gewinnen. Es gibt viele, sehr viele Dramatiker-­‐Wettbewerbe im deutschsprachigen Raum und der „berliner kindertheaterpreis“ unterscheidet sich in einem Punkt ganz entscheidend von allen, nämlich darin, dass die Teilnehmer sich an der Theaterpraxis reiben müssen. Welche Wege die Konzeption der „berliner kindertheaterpreis“ in den letzten zehn Jahren nahm, das beschreiben in einem Gespräch (ab Seite 7) Birgit Jammes, die ebenso leidenschaftliche wie feinfühlige und kunstsinnige Sponsoringreferentin der GASAG, und Stefan Fischer-­‐Fels, der mit seiner Ernennung zum Künstlerischen Leiter des GRIPS Theaters vor fünf Jahren den „berliner kindertheaterpreis“ zur Chefsache erklärte. Beide denken auch darüber nach, wie es in den nächsten Jahren weitergehen könnte -­‐ denn auch das ist das Besondere am "berliner kindertheaterpreis": Dank des langfristig angelegten Sponsoringkonzepts der GASAG sind Entwicklungen, die nötig sind, tatsächlich auch möglich. Für und Wider die Zumutungen der Theaterrealität Uns waren und sind auch die Einschätzungen von Journalisten und Kulturschaffenden wichtig. Aus diesem Grund haben wir vor zwei Jahren die Kulturjournalistin Barbara Behrendt um eine ehrliche Einordnung unseres Wettbewerbs in der deutschsprachigen Dramatikerpreise-­‐Landschaft gebeten. Nicht jeder Autor, so ihr Resümee, tauge für diese Art der Teamarbeit – aber falls doch, könne ihm nichts besseres als der "berliner kindertheaterpreis" passieren. Lutz Hübner ergänzt in einem Essay diese Einschätzung, er geht sogar noch einen Schritt weiter als Barbara Behrendt: Die Theaterpraxis ist zwar eine Zumutung für den fein beseelten Autor -­‐ muss aber sein. Die Pointe der Geschichte: Lutz Hübner hat sich nie einen Wettbewerb angetan und ist dennoch einer der wenigen Dramatiker geworden, die von ihren Texten leben können. Ob das nun für oder gegen Autorenwettbewerbe spricht? Das können Sie nachlesen ab Seite 16. Neue Autorinnen und Autoren – nicht nur fürs GRIPS! Zehn Jahre "berliner kindertheaterpreis" liegen hinter uns. Ein kleines Jubiläum. Das macht fünf Ausgaben und Wettbewerbsrunden mit knapp 300 Einreichungen, 50 3 Autorinnen und Autoren, die in die engere Wahl gezogen wurden, 20 Theaterstücke, die in die Endrunden kamen, und 5 uraufgeführte Stücke, die mehr als 65.000 Besucher in insgesamt 260 Vorstellungen im GRIPS Theater gesehen haben! Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt deutlich, dass von dem in Berlin angesiedelten Preis nicht nur das GRIPS profitiert, sondern insgesamt die deutschsprachige Kinder-­‐ und Jugendtheaterlandschaft: Die Kinderbuchautorin Milena Baisch gewann mit „Die Prinzessin und der Pjär“ (Siegerstück von 2013) den letztjährigen „Mülheimer KinderStücke“-­‐Preis, der zweite Platz ging an Thilo Reffert, unserem Sieger 2011, der seitdem auch für andere Kindertheater Stücke schreibt. Sein Siegerstück „Leon & Leonie“ wurde in Mannheim und Dresden nachinszeniert. Kristo Sagors „Patricks Trick“ (Endrunde “berliner kindertheaterpreis” 2013) wurde nominiert für den Deutschen Kindertheaterpreis 2014 und für die diesjährigen „Mülheimer KinderStücke“, Jan Friedrichs „Mein Name ist Peter“ (Endrunde „berliner kindertheaterpreis 2013“) wurde in die Longlist des Deutschen Kindertheaterpreises 2014 aufgenommen. Eine Chronik der letzten 10 Jahre finden Sie ab Seite 12. Wie aber funktioniert der "berliner kindertheaterpreis"? Die Jury – zu der seit Beginn an der Schauspieler Axel Prahl zählt -­‐ sucht aus den eingesandten Arbeitsproben (dieses Jahr waren das 120) vier Autoren aus. Diese werden nach Berlin eingeladen zu zwei mehrtägigen Workshops im GRIPS Podewil. Schulbesuche und Gespräche mit verschiedenen Experten vermitteln sowohl Einblicke in heutige Lebensrealitäten von Kindern als auch in das spezielle Genre Kindertheater. Gesprächsrunden mit Autorinnen und -­‐Autoren vermitteln ihnen Werkstatt-­‐Einblicke. Gemeinsam mit den Dramaturginnen und Dramaturgen entwerfen und entwickeln sie ihre Figuren, Fabeln, Szenen, Stücke. Mit Schauspielerinnen und Schauspielern werden die Texte auf ihre Theatertauglichkeit geprüft. Der aktuelle Jahrgang Die vier für den diesjährigen „berliner kindertheaterpreis“ nominierten Autoren sind Kirsten Fuchs, Mathilda Fatima Onur, Sarah Trilsch und Stefan Wipplinger. Alle vier sind zwischen 25 und 35 Jahre alt, haben sich bereits als Autoren in den unterschiedlichsten Genres bewährt, sind aber Neulinge im Kindertheater. Ihre in den letzten eineinhalb Jahren entstanden Theatertexte spiegeln die Realität heutiger Kinder. Es fällt auf, dass – im Gegensatz zur letzten Ausgabe – darin Erwachsene vorkommen. Mehr noch: Die Kinder untersuchen in diesen Stücken ihr Verhältnis zur Erwachsenen-­‐Welt neu. Sei es kritisch subversiv, sei es mit überschäumender Kraft oder einem eigentümlichen Eigenwillen. Dabei stehen große Fragen auf dem Spiel: Wie wollen wir leben und was brauchen wir für ein erfülltes Leben? Was ist Familie und welche Rolle spielen Freundschaften? Wie gehen wir mit Trauer und Krankheit um? Vier Stücke über das Recht von Kindern auf ihre eigenen Erfahrungen und das Recht auf Selbstbestimmung. Kurze Stückbeschreibungen finden Sie ab Seite 21, Auszüge aus den Stücken können wir Ihnen gerne zur Verfügung stellen. Am 23. April werden wir nun feiern – die 10 Jahre, aber auch den neuen Jahrgang. Und natürlich den Sieger oder die Siegerin! Durch den Abend führt die Schauspielerin Petra Zieser führen, nach den Grußworten u.a. von Kulturstaatssekretär Tim Renner, Volker Ludwig (GRIPS), Vera Gäde-­‐Butzlaff (GASAG) und Stefan Fischer-­‐Fels (GRIPS) stellt das GRIPS-­‐Ensemble in Szenischen Lesungen die vier Stückentwürfe in Ausschnitten vor. 4 Bereits zum zweiten Mal ist die Preisverleihung des „berliner kindertheaterpreis“ als eigener Programmpunkt in das Deutsche Kinder-­‐ und Jugendtheaterfestival „Augenblick mal!“ eingebunden, das wiederum in diesem Jahr durch das „ASSITEJ Artistic International Gathering“ erstmals Fachpublikum aus der ganzen Welt zu Gast hat. Auch das ist ein Grund zur Freude und ehrt uns in unserer 10-­‐jährigen Arbeit am „berliner kindertheaterpreis“ sehr! Deswegen freuen wir uns jetzt schon, wenn es bei am 23. April am Hansaplatz heißen wird: Willkommen, Bienvenue, welcome!
und The winner is ... 5 10 Jahre „berliner kindertheaterpreis“
6 Stefan Fischer-­‐Fels (Künstlerische Leitung GRIPS Theater) und Birgit Jammes (Sponsoringreferentin GASAG) im Gespräch über die Entwicklung des “berliner ekindertheaterpreis” zur Talentschmiede, über den Sinn langfristig angelegter Sponsoringkonzepte, und darüber, dass man Autoren nie genug Betreuung angedeihen lassen kann Mal sehen, wohin die Reise gehen wird 2005 kam der Energiekonzern GASAG auf das als linkes Kindertheater bekannte GRIPS zu, auf der Suche nach einem Kulturpartner, der sich um die Förderung des Nachwuchses kümmert. Was zunächst ungewöhnlich anmutete, stellte sich als ungewöhnlicher Glücksfall heraus. Denn inhaltlich war die Basis bei weitem größer als man annehmen konnte: Die GASAG wollte gerne die Nachwuchsarbeit im Theater fördern, die GRIPS-­‐Dramaturgen Ute Volknant und Fabian Scheidler und der GRIPS-­‐Theaterpädagoge Philipp Harpain waren gerade dabei, ein neuartiges Wettbewerbs-­‐Konzept zur Förderung neuer Autorinnen und Autoren für das Kindertheater zu entwickeln – nur konnte der ohne einen Partner weder finanziell noch personell gestemmt werden. Von Anfang an war klar, dass im Mittelpunkt des Wettbewerbs die Anbindung der Autoren an die praktische Theaterarbeit stehen musste. Die Autoren sollten die Möglichkeit erhalten, mit Teams von Dramaturgen, Theaterpädagogen und Regisseuren ihre Stückentwürfe aus den verschiedenen Blickwinkeln zu überprüfen. Ebenso war klar, dass das Siegerstück nicht für die Schublade geschrieben werden sollte, sondern so bühnentauglich sein musste, dass es sich im GRIPS-­‐Repertoire beweisen können sollte. Das führte dazu, dass 2007 und 2009 jeweils ein für Kinder sehr aktuelles Thema vorgegeben wurde. „Nachwuchs“ wurde mit der Altersbegrenzung U40 definiert. Insgesamt drei Stücke fanden so erfolgreich ihren Weg auf die GRIPS-­‐Bühne. Als Stefan Fischer-­‐Fels 2010 die Künstlerische Leitung des Hauses übernahm, modifizierte er den Wettbewerb dahingehend, dass die von Beginn an intendierte Idee, bereits erfahrene Autoren für das besondere Genre des Kindertheaters zu gewinnen, intensiviert wurde – mit „Nachwuchs“ waren von nun „Neulinge“ für das Kindertheater gemeint. Die Themenvorgabe wurde aufgegeben, und die Workshops zeitlich, inhaltlich und personell ausgebaut. Gleichzeitig wurden gezielter Theaterverlage, Theater und Autoren zur Teilnahme am “berliner kindertheaterpreis” eingeladen. Seit der Auslobung 2011 erhalten alle deutschsprachigen Theaterverlage und Kindertheater nach der Preisverleihung eine Broschüre, in der die vier Endrunden-­‐Teilnehmer mit ihren Stücken vorgestellt werden. Seit 2013 ist die Preisverleihung ein eigner Programmpunkt des Festivals AUGENBLICK MAL. Wir haben Birgit Jammes, die Sponsoringreferentin der GASAG, die seit Beginn an die Partnerschaft mit dem GRIPS Theater betreut und den “berliner kindertheaterpreis” mit entwickelt hat, zu diesen 10 Jahren befragt, auch danach, wieso ein Konzern diese aufwändige Art der Partnerschaft überhaupt eingeht. Und von Stefan Fischer-­‐Fels wollten wir u.a. wissen, wieso ihm als Künstlerischer Leiter der „berliner kindertheaterpreis“ so am Herzen liegt. GRIPS: Es ist schon 10 Jahre her, dass die GASAG auf der Suche nach einem neuen Kultur-­‐Partner war – welche Erinnerungen hast du noch daran, was war eure Intention, wieso habt ihr euch fürs GRIPS entschieden? Birgit Jammes: Talentschmiede und Nachwuchsförderung sind uns wichtig in der Förderung, wir wollen gemeinsam mit unseren Partnern etwas entwickeln und ausbauen. Im Bereich der Bildenden Kunst vergeben wir seit 1997 den GASAG-­‐Kunstpreis, ebenfalls seit 18 Jahren loben wir im Bereich Darstellende Kunst mit der Neuköllner Oper den „Berliner Opernpreis“ aus. Ein Wettbewerb, der junge Komponisten und Kollektive fördert. Vor mehr als 10 Jahren wollten wir konzeptionell noch mal stärker den Aspekt der Nachwuchsförderung in den Vordergrund stellen. Daraus entstand die Idee einer Nachwuchsförderung hoch 7 zwei, warum nicht eine Förderung junger Talente für junge Zuschauer? Wir hatten dann drei, vier Ideen und mögliche Partner, doch sehr schnell wurde klar: GRIPS und GASAG müssen es sein. Beides sind zwei Berliner Institutionen, beide haben einen sehr direkten, engen und langen Bezug zur Stadt, das passte einfach wunderbar zusammen. Aus den Vorgesprächen war außerdem deutlich, dass im Kindertheater ein Mangel an jungen Autoren herrschte, und dass es dringend nötig wäre, sich neue Wege der Talentförderung zu suchen. Mit unseren Erfahrungen mit dem Berliner Opernpreis der Neuköllner Oper und generell mit Wettbewerben und Kooperationen, sind wir schnell konkret geworden. Es war ganz schnell klar, dass wir als GASAG nicht nur als Geldgeber, sondern wirklich als Partner gefragt waren. Zu erleben, wie sich der Preis und die Partnerschaft über die Jahre entwickelten, fand ich enorm. GRIPS: Die Förderung war ja von Anfang an auf Langfristigkeit angelegt – warum macht ihr das? Es ist ja nicht so, dass ein Sponsor eines Autorenwettbewerbs lobend in den Medien erwähnt wird. Ihr habt nicht den Fokus auf ein großes, PR-­‐relevantes Event, sondern ihr baut auf die Langfristigkeit. B. J.: Das hat was mit der GASAG und der Verbundenheit mit Berlin zu tun. Wir sind in Berlin zuhause und immer jemand, der sich gesellschaftlich einbringt und Verantwortung hier für die Stadt übernimmt. Ich kann ja gerne auf einen Blockbuster gehen, einen Film oder ein Theaterprojekt oder eine Ausstellung fördern, was singulär toll wäre und eine Anziehungskraft für den Moment hat. Aber ich kann inhaltlich nicht viel gestalten. Statt einer kurzfristigen Logopräsenz ist es viel spannender, sich über einen längeren Zeitraum zu verbinden, so dass Dinge wachsen, entwickeln und sich verändern können. So kann auch eine Partnerschaft wachsen, man lernt sich besser kennen, entdeckt Gemeinsamkeiten, die man im beiderseitigem Interesse nutzen kann, auch für eine gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit. Die Akzeptanz bei uns im Haus, bei unseren Geschäftspartnern und Mitarbeitern, ist durch die Langfristigkeit viel besser gegeben. Diese Stringenz zieht sich bei der GASAG tatsächlich durch das gesamte Sponsoringkonzept. GRIPS: Im GRIPS gab es anfangs durchaus Bedenken, wie das zusammen gehen könnte mit dem Wirtschaftsunternehmen GASAG und dem linken Kindertheater. Auch dank deiner Arbeit ist eine wirklich fruchtbare, kreative vertrauensvolle Partnerschaft auf Augenhöhe entstanden. Neu war die Erfahrung, dass man sich nicht nur mit euch, sondern mit ganz vielen Menschen – vom Mitarbeiter und Kunden bis hin zu euren anderen Sponsoringpartnern -­‐ vernetzt. So bekam euer Satz „Das Wirken in Berlin und in die Gesellschaft hinein“ Substanz. Es ist zusammen gewachsen, was eigentlich gar nicht zusammen passt: Ein Energiedienstleister und ein linkes Kindertheater! S.F-­‐F.: Und ein Eishockey-­‐Klub! (Lachen) B.J.: Dadurch ist es auch möglich, weitere gemeinsame Themen zu entdecken. Wir haben zum Beispiel durch euch gelernt, wie wichtig Theater für Kinder ist, und auch, dass wirklich alle Kinder die Möglichkeit erhalten müssen, ins Theater zu gehen. Daraus ist das Projekt „Grips-­‐Fieber“ entstanden, für das wir sofort Feuer gefangen haben, und deswegen Mitinitiator und Sponsor wurden. So etwas kommt erst dann zustande, wenn man ein Vertrauensverhältnis hat. Diesen Effekt habe ich natürlich nicht, wenn ich nur auf singuläre Highlights setze. 8 S.F-­‐F.: Auch, als du uns mit der Kreuzberger Bühnenkunstschule zusammen gebracht hast und wir dank euch auch noch einen neuen Regisseur für unser Haus gewinnen konnten, waren das um drei Ecken herum gedachte Nutzen unserer Partnerschaft ... GRIPS: Birgit, du bist mit uns die 10 Jahre gegangen: Welche Wegmarken in der Entwicklung des „berliner kindertheaterpreis“ würdest du beschreiben? B. J.: Das war von Beginn an ein tolles Instrument der Autorenförderung, und die Zusammenarbeit mit eurem Haus war schon immer sehr konstruktiv und angenehm. Es herrschte immer eine große Offenheit und auch die Bereitschaft, Sponsoring zu lernen. Wichtig war, dass Stefan Fischer-­‐Fels als Künstlerischer Leiter diesen Wettbewerb auf der Leitungsebene verankert und ihn auch inhaltlich zur Chefsache erklärt hat. Das hat in den letzten Jahren die Reputation des Preises weit über Berlin hinaus sehr gehoben. Allein, dass in den letzten Jahren die Teilnehmer und ihre Stücke auch bei anderen Wettbewerben ausgezeichnet wurden, das ist schon ein unglaublicher Gewinn. Was auch teilweise mit der Überarbeitung der Konzeption zu tun hat, aber auch mit der direkten Ansprache von Theatern und Verlagen bundesweit. Wichtig war auch, alle vier Autoren mit Hilfe der Broschüre bei den Theaterverlagen und Kindertheatern bekannt zu machen. Wenn ein renommiertes Theater Verlagen Autoren empfiehlt, ist das natürlich eine ganz andere Form der Präsentation, als wenn der Autor von sich aus sein Stück einreichen würde. Auch dass die Preisverleihung bereits zum zweiten Mal an das Festival „AUGENBLICK MAL!“ als eigener Programmpunkt angedockt wurde, ist eine großartige Präsentationsmöglichkeit vor Fachleuten, an die Autoren alleine nie herankämen. GRIPS: So ganz aus dem Bauch heraus: In welche Richtung wird es weiter gehen? Was wäre für die GASAG spannend? Was könntest du dir vorstellen? B. J.: Ich finde tatsächlich, 10 Jahre sind eine gute Möglichkeit, nochmal neu zu denken. Euer Pool an neuen Autoren ist nach 10 Jahren gut gefüllt, vielleicht muss der „berliner kindertheaterpreis“ gar kein reiner Autorenpreis mehr sein. Die Neuköllner Oper hat beispielsweise ihren Opernpreis jetzt so ausgerichtet, dass sie nicht mehr nur nach Komponisten, sondern nach Kollektiven Ausschau hält. Ich hätte große Lust, den Preis auf Augenhöhe mit euch weiter zu entwickeln und neue Facetten zu entdecken, und freue mich schon jetzt auf die konstruktive Zusammenarbeit mit euch. GRIPS: Stefan, was ist dir am „berliner kindertheaterpreis“ so wichtig? S. F.-­‐F.: Ich hatte ja schon zehn Jahre das GRIPS Theater als Dramaturg miterlebt, daher wusste ich, dass ein Autorentheater nicht überleben kann, wenn es nicht neue, frische Autoren ins Theater holt. Wie schwierig das im Theateralltag ist, das habe ich als Dramaturg erfahren, und als ich dann wusste, dass ich als Künstlerischer Leiter zurückkomme, war die „Next Generation“ mein Fokus, da wollte ich alle meine Energie reinstecken. Wobei ich da nicht mal meine Generation, sondern die Generation nach mir meine, die ich unbedingt an diesen schönen GRIPS-­‐Gedanken heranführen wollte. Und da bietet das von den Kollegen entwickelte Konzept des „berliner kindertheaterpreis“ ganz unglaubliche Möglichkeiten! Mir ist es wichtig, dass die Autoren sich mit der Realität von Kindern beschäftigen, das kann gerne mit Humor und Hoffnung sein. Es geht mir nicht darum, den Autoren beizubringen, wie ein Grips-­‐Stück geht. Ich wünsche mir, dass jeder Autor 9 seinen eigenen Weg geht, die Wirklichkeit zu verdichten. Deswegen habe ich die Themenvorgabe abgeschafft, denn ich möchte, dass die Autoren mit Herzblut Themen oder Motive bearbeiten, die sie selbst beschäftigen, sie selbst betreffen und berühren. Der Autor muss einen Zugang zum Thema finden. Ein gutes Beispiel ist Jan Friedrich, der im Workshop sagte, er wisse nicht, worüber er schreiben sollte. Wir haben dann Schicht für Schicht frei gelegt, bis Jan anfing, über seine Kindheit zu sprechen. Daraus ist dann der schöne Text „Mein Name ist Peter“ entstanden, eine Peter-­‐Pan-­‐Paraphrase. Wir arbeiten meist mit Autorinnen oder Autoren, die sich noch nicht mit Kindertheater beschäftigt haben. Ich möchte vermitteln, dass ich eine Haltung dazu habe, aber sehr, sehr offen bin für die Impulse der Autoren. Oft kommt dabei noch kein fertiges Stück heraus, eher eine Talentprobe, ein Entwurf. Die Entwicklungsschritte, die ein Autor während der Workshops gegangen ist, habe ich zwar als betreuender Dramaturg mitbekommen, doch die bilden sich nicht immer direkt im Text ab, den eine Jury beurteilen soll, das ist manchmal verflixt. (lacht) GRIPS: Worin liegt das Besondere des Kindertheaters für einen Autor, womit würdest du ihn begeistern? Was hat ein Autor davon, wenn er sich mit dem Kindertheater beschäftigt? S. F.-­‐F.: Du musst dich als Künstler sowieso mit dem Kindlichen in dir beschäftigen. Und es kann wirklich sehr viel Spaß machen, sich mit Kindheit und Jugend allgemein zu beschäftigen, mit seiner eigenen und der heutigen. Denn Kinder und Jugendliche teilen uns etwas ganz Entscheidendes über den gegenwärtigen Zustand unserer Gesellschaft mit. Damit kann man Zeitgeist und Gesellschaft einfangen, Kinder reagieren ja seismographisch auf gesellschaftliche Zustände. Erwachsene können verdrängen, ignorieren, etwas von sich fern halten. Diese Schutzmechanismen hat ein Kind noch nicht. Wenn man sagt, ein Autor ist in erster Linie Zeitgenosse, der über die Zeit schreibt, in der er lebt, dann ist Kindheit und Jugend ein fantastisches Feld, sich der Wirklichkeit zu nähern. Kinder sind genauso komplex wie Erwachsene, nur muss der Autor zur Kindheit einen weiteren Weg gehen. Ich muss in Dialog mit Kindern treten und nachfragen. GRIPS: Es gibt die These*, dass die Inflation der Dramatikerpreise in den letzten 20 Jahren genau das verhindert hat, was ihr Zweck ist, nämlich Autoren zu finden, deren Stücke im Theater bestehen können. Was u.a. daran liegen könnte , dass ein Dramatiker sich nicht mehr an der Theaterwirklichkeit reiben muss, sondern nur noch für Preise schreibt. Aber auch daran, dass Theater Autorenpreise nur als Mittel des Marketings ausschreiben und gar kein wirkliches Interesse an Texten fürs Repertoire haben ... S. F.-­‐F.: Das treibt mich wirklich um, denn noch habe ich den Eindruck, dass wir noch mehr und dichter mit den Autoren arbeiten müssten, bevor wir deren Texte in die Theaterszene hinein geben. Wir haben in diesem Jahrgang vier tolle, hochtalentierte Autoren, die es zu pflegen und zu betreuen gilt. Nur: Wir kommen nicht hinterher. Obwohl die kontinuierliche Betreuung auch nach der Preisverleihung so unendlich wichtig wäre. Naja, in der Kinder-­‐ und Jugendtheaterszene wird der „berliner kindertheaterpreis“ dennoch als außerordentlich gut betreuter Wettbewerb wahrgenommen (lacht erschöpft). Und weil du gerade das Marketing ansprichst: Natürlich steckt da auch ein Marketinggedanke dahinter. Es doch gut so, dass ein Theater sich damit profiliert. 10 Aber wir nutzen das ja auch als Marketinginstrument für die Autoren, um sie bekannt zu machen. Für mich ist das Marketing im besten Sinne. B. J.: Absolut. S. F.-­‐F.: Eigentlich müsste man zum Autorenpreis auch so etwas wie einen Nachspielpreis machen. Das Hauptproblem ist, dass die Theater – und da nehme ich mich nicht aus – sehr auf Uraufführungen schielen, und dass ein Stück danach gar nicht mehr beachtet wird. Wir müssen die Dramaturgien in den Theatern ermuntern, uraufgeführte Stücke neu anzuschauen, ob sie es wert sind, ins Repertoire aufgenommen zu werden. Es wird so unglaublich viel an Theaterstücken geschrieben und veröffentlicht, die meisten für die „Mülltonne“. Vielleicht wäre es jetzt an der Zeit, aus den Mülltonnen die Perlen heraus zu suchen. Wir werden sehen, wohin die Reise geht. Auch beim „berliner kindertheaterpreis“. •
Peter Laudenbach: „Zu Tode gepflegt. Junge Dramatiker werden gepäppelt wie nie. Das sorgt für eine enorme Überproduktion und jede Menge Illusionen.“Aus: Brand eins – Wirtschaftsmagazin, Ausgabe 7/2013 „Schwerpunkt: Fortschritt wagen“ Dieses (honorarfreie) Interview ist, auch in Auszügen und Zitaten, zur Veröffentlichung frei, die Fragen stelle Anja Kraus (PR im GRIPS). 11 Chronik der letzten 10 Jahre berliner kindertheaterpreis 2015 Einsendungen: 120 Der Jury 2015 gehören an: • der Künstlerische Leiter des GRIPS Theaters Stefan Fischer-­‐Fels • der Autor Lutz Hübner • die Regisseurin und Autorin Franziska Steiof (bis Januar 2014) • der Regisseur Frank Panhans (ab Februar 2014) • der Schauspieler Axel Prahlder Journalist, Theaterkritiker und Autor Rüdiger Schaper In der Endrunde: • Mathilda Onur • Kirsten Fuchs • Sarah Trilsch • Stefan Wipperman berliner kindertheaterpreis 2013 Einsendungen: 75 Der Jury 2013 gehörten an: • die Regisseurin und Autorin Franziska Steiof • der Dramatiker Lutz Hübner • der Schauspieler Axel Prahl • der Tagesspiegel-­‐Redakteur Rüdiger Schaper • der Künstlerische Leiter des GRIPS Theaters Stefan Fischer-­‐Fels In der Endrunde: • Milena Baisch • Reihaneh Youzbashi Dizaj • Jan Friedrich • Kristo Šagor à 1. Preis: Milena Baisch (Die Prinzessin und der Pjär) Förderpreis: Reihaneh Youzbashi Dizaji Förderpreis: Jan Friedrich Förderpreis: Kristo Šagor Uraufführung des Siegerstücks DIE PRINZESSIN UND DER PJÄR am 06.10.2013 im GRIPS Podewil Regie: Grete Pagan Bis 30.4.: 50 Vorstellungen! berliner kindertheaterpreis 2011 Einsendungen: 50 Der Jury 2011 gehörten an: •
Der Schauspieler Axel Prahl • Der Künstlerische Leiter des GRIPS Theaters Stefan Fischer-­‐Fels • Die Regisseurin und Autorin Franziska Steiof • Der Journalist, Autor und Theaterkritiker Rüdiger Schaper • Der GRIPS-­‐Leiter und Autor Volker Ludwig In der Endrunde: • Gerstenberg, Agnes 12 •
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Plakoudakis, Theo Reffert, Thilo Stelling, Anke à 1. Preis: Thilo Reffert (Leon & Leonie) 2. Preis: Anke Stelling (Selber schuld – Katapult) Uraufführung des Siegerstücks LEON & LEONIE am 23.09.2012 im Hansaplatz Regie: Jörg Schwahlen 52 Vorstellungen berliner kindertheaterpreis 2009 Einsendungen : 60 Thema: „Wer kann sich das leisten? Die wachsende Kluft zwischen arm und reich“ Der Jury 2009 gehörten an: • der Schauspieler Axel Prahl • die Regisseurin und Autorin Franziska Steiof • der Kritiker und Leiter des Tagesspiegel-­‐Feuilletons Rüdiger Schaper • die Regisseurin, Autorin und Dozentin Helma Fehrmann • der GRIPS-­‐Leiter und Autor Volker Ludwig In der Endrunde: • Lisa Sommerfeldt „Flaschengeld“ • Karla Ernst „Abstellgleis“ • Carsten Brandau „Angriff der Killer-­‐Ameisen“ • Jörg Isermeyer „Ohne Moos nix los“ • Katharina Schlender „Ohne Titel“ à 1. Preis: Jörg Isermeyer (Ohne Moos nix los) 2. Preis: Lisa Sommerfeldt (Flaschengeld) Uraufführung des Siegerstücks OHNE MOOS NIX LOS am 27.10.2010 im GRIPS Hansaplatz Regie: Yüksel Yolcu 53 Vorstellungen berliner kindertheaterpreis 2007 Einsendungen: 80 Thema: „Fremd und nah. Zusammenleben und Konflikte von Kindern verschiedener Kulturen“. Der Jury 2007 gehörten an: • der Schauspieler Axel Prahl • die Regisseurin und Autorin Franziska Steiof • die Kritikerin Regine Bruckmann • die Regisseurin, Autorin und Dozentin Helma Fehrmann • der GRIPS-­‐Leiter und Autor Volker Ludwig In der Endrunde: • Torsten Böhm (Berlin) • Magdalena Grazewicz (Berlin)Andreas Jungwirth (Berlin) • Annette von der Mülbe (Berlin) • Jörg Isermeyer (Dresden)Volker Schmidt (Wien) 13 à 1. Preis: Magdalena Grazewicz (Ola meine Schwester) 1. Preis: Volker Schmidt (schwarzweißLila) Uraufführung des Siegerstück „SchwarzweißLila“ am 25.09.2007 in Schiller-­‐Theater-­‐Werkstatt Regie: Yüksel Yolcu 83 Vorstellungen Uraufführung des Siegerstücks „OLA MEINE SCHWESTER“ am 18.06.2008 im GRIPS Hansaplatz Regie: Jens Neumann 22 Vorstellungen Der Werdegang einiger Teilnehmerinnen und Teilnehmer (Auswahl): Milena Baisch Gewann mit „Die Prinzessin und der Pjär“ die Mülheimer „KinderStücke 2014“, Einladung der Produktion zu diversen Festivals, zuletzt in Caracas im April 2015. Das Theater Linz hat das Stück nachgespielt. Thilo Reffert Sein Siegerstück „Leon & Leonie“ wurde in Mannheim und Dresden nachinszeniert. 2013 gewann er die Mülheimer „KinderStücke“ mit „Nina und Paul“, 2014 wurde er auf den zweiten Platz mit „Mein Jahr in Trallalabad“ gewählt.Thilo Reffert schreibt u.a. für das LTT Tübingen Kinderstücke; zuletzt war er mit seinem Kinderstück „Ronnie von Welt“ beim „Boxenstopp Leipzig“ und beim Autorenforum Frankfurt/M. vertreten. Für das GRIPS Theater hat er zuletzt die Dramatisierung von Klaus Kordons Romans „1848 – Die Geschichte von Jette und Frieder“ geschrieben. Kristo Šagor Sein Stück „Patricks Trick“, das er im Rahmen des „berliner kindertheaterpreis“ schrieb, wurde 2014 mit dem Jugendtheaterpreis Baden-­‐Württemberg ausgezeichnet. Im selben Jahr wurde das Stück für den Deutschen Kindertheaterpreis 2014 nominiert. Das Stück wurde vom Theater der Jungen Welt Leipzig uraufgeführt, eingeladen zu „KinderStücke 2015“ nach Mülheim. Neuestes Projekt im Jugendtheater: „Du Hitler“ im Schnawwl Mannheim Jan Friedrich „Mein Name ist Peter" (“berliner kindertheaterpreis” 2013) gelangte auf die Longlist für den Deutschen Kindertheaterpreis 2014. Einladung zu den „Autorentage 2015“ mit „Szenen der Freiheit“ im Deutschen Theater Berlin (UA am 13.6.15) Jörg Isermeyer Mit seinem Siegerstück Ohne Moos nix los von 2009 wurde er nach Mülheim zu „KinderStücke 2011“ eingeladen. Im Frühjahr 2014 erscheint bei Beltz & Gelberg der Jugendroman "Alles andere als normal", der auf dem Theaterstück basiert. Das Buch ist für den Deutsch-­‐Französischen Jugendliteraturpreis 2014 nominiert. Lisa Sommerfeldt 2. Platz „berliner Kindertheaterpreis“ für „Flaschengeist“. Uraufführung im September 2015, Badische Landesbühne. Favoritenrunde des “Kathrin-­‐Türks-­‐Preises” 2012 Carsten Brandau: Drei Masken Verlag vertritt vier Kinderstücke von ihm. Sein Stück beim “berliner kindertheaterpreis” hieß „Angriff der Killer-­‐Ameisen“. Nominiert für den Deutschen Kindertheaterpreis 2015 mit „Dreier steht Kopf“. 14 Braucht es noch mehr Autoren im
Kindertheater? Aber ja!
Barbara Behrendt über die Bedeutung eines Dramatiker-­‐Wettbewerbs speziell für das Kindertheater Das Theater, so sagt man, ist eine schwerfällige alte Tante. Bis sich im komplizierten Gefüge von Kulturpolitik, Publikum, Intendanz, Dramaturgie und Regie Strukturen sichtlich bewegen, kann es schon mal ein paar Jahrzehnte dauern. Auch das Kinder-­‐ und Jugendtheater verändert sich nicht von heute auf morgen. Aber rückblickend hat es in den vergangenen Dekaden geradezu eine Metamorphose durchlebt: Stand noch in den 1970ern und 80ern kaum anderes für Kinder auf dem Programm als ein verkitschtes Weihnachtsmärchen pro Jahr*, sind Kinder-­‐ und Jugendtheatersparten an großen Häusern, mit eigenem Ensemble und dichtem Spielplan heute gang und gäbe. Ebenso wie jede größere Stadt mindestens ein Kindertheater vorzuweisen hat. Die einzigen, die das Kinder-­‐ und Jugendtheater in seine Entwicklung nicht recht miteinbezogen zu haben scheint, sind die Autoren. Beim Mülheimer Dramatiker-­‐ und Kinderdramatikerpreis wird das ganz deutlich: Hatte das Auswahlgremium für Erwachsene in diesem Jahr hundert neue Stücke und deren Uraufführung zu bewerten, waren es im Kindertheater nur 32. Im vergangenen Jahr war das Missverhältnis noch größer: 123 zu 26. Selbstverständlich steht Masse nie für Klasse. Doch die Juroren waren vor allem von der mangelnden Qualität der Kinderstücke konsterniert, nicht von ihrer geringen Quantität. In diesem Jahr steht es besser, aber Oliver Bukowski, Autor und Jurymitglied, beklagt vor allem sprachlich so einiges: „Stileinbrüche ins Amtsdeutsch, in die Floskel, in unnütze Metaebenen und Begrifflichkeiten, die eigentlich nur der Erwachsenenwelt zugänglich sind.“ Woran liegt es, dass es nicht nur zu wenige, sondern vor allem zu wenig gute neue Kinderstücke gibt? Martin Baltscheit, dessen Stück „Die besseren Wälder“ vergangenes Jahr am Grips-­‐
Theater uraufgeführt wurde, begründet es so: „Weil das Schreiben für Kinder und Jugendliche für die leichtere, schlechter bezahlte, weniger Anerkennung bringende, vor vermeintlich unwissendem Publikum stattfindende Kunst gehalten wird.“ Oder, noch schlimmer, „für gar keine Kunst, sondern für eine Anfängerübung“. Tatsächlich ist Schreiben fürs Kindertheater nach wie vor wenig prestigeträchtig für einen Autor und läuft fast unterhalb des öffentlichen Radars: Kein überregionales Feuilleton bespricht, wenn nicht ganz besondere Umstände vorliegen, die Uraufführung eines Kinderstücks. Das Kindertheater hat da ein großes Problem: Wer nicht mehr nur eine Premiere, sondern acht Inszenierungen pro Jahr vorbereitet, der braucht viele gute, unterschiedliche Stoffe – und nicht acht Grimmsche Märchen. Aber nicht nur die Autoren fremdeln mit dem Kindertheater; Berührungsängste und Vorurteile gibt es genauso umgekehrt. Vor allem in der freien Szene inszenieren und spielen Theatermacher ihre Stücke fürs junge Publikum nicht nur selbst, sie schreiben sie auch selbst. „Wir wissen viel genauer, was wir sagen und spielen wollen“, erklärte Sabine Zieser vom Nürnberger Theater Mummpitz bei einem „Krisengipfel“ zu diesem Thema im vergangenen Jahr in Mülheim. Die Stücke, die vorliegen, das sehen die Theatermacher ähnlich wie die Juroren, sind in ihren Figuren oft eindimensional, in der Dramaturgie zu didaktisch, in ihrem Kinderbild befremdlich. Das 15 autodidaktische Schreiben ist sozusagen der kürzere, günstigere Weg zu einem Stück – und vermeintlich auch der sicherere. Das geht in manchen Fällen gut, wie Ziesers „Lottes Feiertag“ bewies, das zu den Mülheimer KinderStücken 2012 eingeladen wurde. Oft aber bleibt es auch ein Trugschluss, wenn Regisseure und Schauspieler meinen, aufgrund ihrer theatralen Praxis ein gutes Drama schreiben zu können. Rhythmus, Sprache, Gesamtgestaltung bleiben häufig hinter der großen Spielerfahrung zurück. Und nicht nur das: Indem auch die Theater selbst das Schreiben eines Kinderstückes bagatellisieren, tragen sie dazu bei, dass Dramatik für Kinder nicht als eigenständige Kunstform begriffen wird – was wiederum die Zurückhaltung ernstzunehmender Autoren erklärt. Darüber hinaus erhalten selbst die guten Dramatiker aufgrund dieser Praxis selten Stückaufträge. Thilo Reffert, ebenfalls Autor fürs Grips, meint dazu lakonisch: „Wenn ein Kindertheater sich ein neues Stück wünscht, wird es keinen Autor geben, der sagt: Spielt doch lieber Grimms Märchen.“ Das freie Kindertheater beruft sich beim kollektiv-­‐simultanen Entstehungsprozess von Stück und Inszenierung gern auf seine Durchlässigkeit, seine Performativität, seine Abkehr vom Literaturtheater, ähnlich wie es im Erwachsenentheater mit Gruppen wie „Rimini Protokoll“ und „She She Pop“ seinen Anfang nahm. Braucht es überhaupt noch Autoren im Theater, steht als prinzipielle Frage dahinter. Wenn das Theater ein Raum bleiben soll, in dem Geschichten erzählt werden, auch aus der eigenen Lebensrealität, muss die Antwort lauten: Aber ja! Um sie zu fördern, sollte an den Szenischen Schreibschulen das Fach „Schreiben fürs Kindertheater“ integriert werden, so schlug es der Autor Bernhard Studlar vor. Und: Die Theater sollten nicht auf einmalige Preisvergaben setzen, sondern auf langfristige Arbeitsbeziehungen zu Autoren. Denn es gibt sie tatsächlich, die Dramaturgen, die einfach keinen in Frage kommenden Dramatiker kennen, den sie mit einem Stück beauftragen könnten. An dieser Stelle nun setzt der Kindertheaterpreis des Grips-­‐Theaters an. Schon die Auswahl in mehreren Stufen gleicht eher einem gemeinsamen Arbeitsprozess als einem Bewerbungsverfahren: Auf ihr Talent, ihre Ambition hin werden die Autoren im ersten Schritt geprüft – die vier Dramatiker, die hier bestehen, bekommen im nachfolgenden Workshop ein erfahrenes Team aus Theatermachern zur Seite gestellt, die den Text während seiner Entstehung auf Herz und Nieren prüfen, also: Fragen stellen, Unklarheiten aufzeigen, dramaturgische Schwächen benennen, die Spielbarkeit testen. Für einen der vier Autoren steht dabei am Ende die Ausarbeitung des im Workshop skizzierten Stückentwurfs – für alle vier bedeutet es (neben einer kleinen Finanzspritze) eine theaterpraktische Schulung, die sich, in welcher Form auch immer, auf ihr Schreiben auswirken wird. Nicht für jeden Autor ist das die passende Arbeitsweise; viele Dramatiker sind weder teamfähig noch bereit, Texte bei ihrer fragilen Entstehung von anderen beurteilen oder korrigieren zu lassen. Und ob Kunst stets besser wird, wenn sie sich nach Wünschen und Vorgaben von außen richtet, darf ganz grundsätzlich bezweifelt werden. Lutz Hübner, vielgespielter Dramatiker, der für das Grips-­‐Theater „Held Baltus“ schrieb (und durchaus als teamfähig gilt!), benennt „fehlende Freiheit“ generell als Problem im Kindertheater, wo viele Experten einen enormen Druck aufbauten, was und wie man für Kinder zu schreiben habe. Doch solche Schriftsteller, die sich dem Team und seinen Fähigkeiten anvertrauen können, profitieren vom Input der Theaterpraktiker – so wie es bei den Workshop-­‐Teilnehmern in diesem Jahr der Fall zu sein scheint: „Es war das erste Mal, dass ich ein Stück für ein so junges Publikum geschrieben habe, und es war eine ganz schöne Herausforderung“, resümiert Jan Friedrich. „Das Grips-­‐
16 Theater hat mir dabei unheimlich unter die Arme gegriffen, und ich konnte wiederentdecken, was Kindsein eigentlich bedeutet!“ Auch für den erfolgreichen Dramatiker Kristo Šagor war es eine gute Erfahrung: „Jemanden in die so verletzlichen Arbeitsphasen zwischen erster Idee und letzter Szene hineinzulassen, bedeutet: zu vertrauen. Es ist wunderbar, dass dieses Vertrauen am GRIPS mit Respekt, Wärme und hilfreichen Anregungen erwidert wurde.“ Die dramaturgischen Gespräche und die Möglichkeit, seinen Text in einem frühen Stadium mit Schauspielern auszuprobieren, seien eine „große Bereicherung“. Am Ende der Prozedur zum Kindertheaterpreis stehen deshalb fünf Gewinner: vier Autoren, an Theaterpraxis und Textdramaturgie reicher, und ein Theater, das sowohl einen neuen Dramatiker gewonnen hat als auch mindestens ein neues Stück. Das ist schon eine ziemlich große Ausbeute. Zitate aus dem Text sind honorarfrei, der ganzen Text ist frei zur Veröffentlichung, aber kostenpflichtig in Absprache mit Barbara Behrendt Tel: 030-­‐51641124 Mobil: 0160-­‐6391883 [email protected] * kleine Anmerkung in eigener Sache: Dank der Arbeit des GRIPS Theaters gab es ab den 70er Jahren durchaus mehr als nur Weihnachtsmärchen auf den westdeutschen Bühnen für Kinder zu sehen, allein das zweite GRIPS-­‐Kinderstück „Mugnog-­‐Kinder“ wurde in über 30 Häusern nachinszeniert
17 „Text, Kritik und gute Vorschläge“
Über das Verfassen von Theaterstücken und die Verfasstheit des Autoren bei Workshops anlässlich des 5. Berliner Kindertheaterpreis-­‐
Wettbewerbs von GRIPS und GASAG Ein Essay von Lutz Hübner Loriot sagte einmal (sinngemäß), dass jede Kritik, die nicht vor Begeisterung schäumt, beim Künstler Übelkeit, Magenschmerzen und Haarausfall auslöst. Das ist präzise beobachtet, aber dennoch geht es nicht ohne Kritik. Kritik im Sinne von guten Vorschlägen, Ideen, Einfällen, kleinen Korrekturen und grundsätzlichen Fragen an das Werk. Der gewiefte Autor stellt sich mit den Jahren ein Team zusammen (Verleger, Dramaturgen, Co-­‐Autoren, Regisseure…), bei dem er sicher sein kann, dass die Kritik mit der Behutsamkeit verabreicht wird, die dem empfindlichen Nervenkostüm des Autoren angemessen ist. Denn nicht nur das Was der Kritik ist wichtig, sondern auch das Wie. Der Stresspegel steigt, sobald es sich beim urteilenden Team um Menschen handelt, mit denen der Autor nicht vertraut ist. Denn jeder Autor hat zu irgendeinem Zeitpunkt des Arbeitsprozesses Zweifel an seinem Werk. Nur Dilettanten sind stolz auf ihre Werke, Profis (und solche die es werden wollen) haben meist ein unbehagliches Gefühl (mit Tendenz zur Paranoia, dem Gefühl ein Scharlatan zu sein, nicht genug gearbeitet zu haben etc…). Ich will meinen Berufsstand nun keineswegs pathologisieren, aber der Moment, in dem man als Autor seine Texte das erste Mal von Schauspielern hört, das erste Mal, da fremde Menschen (Dramaturgen!) sich zu einem Text äußern, der gerade frisch von der vertrauten Schreibtischkante in die kalte, grausame Welt der professionellen Leser geschubst wurde, dieser Moment ist einer, in dem man angreifbar ist. Der Text gehört einem nicht mehr, er ist nun Material geworden und muss sich selbst erklären. Das kann im schlimmsten Fall bedeuten, dass er völlig falsch verstanden wird. Alles, was man an Subtext, zarten Anspielungen und Obertönen hineingewoben hat, kommt nicht durch, hat sich verflüchtigt oder war vielleicht nie da, und was zurückbleibt, ist ein von Banalitäten strotzender Text. Wenn man dann versucht, den Text zu erklären und auf Subtilitäten hinzuweisen, die keiner erkannt hat, macht man es nur noch schlimmer (es gibt in Prousts "Recherche" zwei alte Tanten, deren Anspielungen und Witze so subtil, durchgeistigt und feinsinnig sind, dass sie von niemandem verstanden werden, weshalb die beiden Damen als schwachsinnig gelten). Natürlich gibt es auch den umgekehrten Fall. Eine Gruppe Schauspieler liest einen Text und er beginnt sofort zu leuchten, entwickelt ein Eigenleben, und aus der geplanten kritischen Diskussionsrunde mit der Dramaturgie wird sofort ein Besetzungsgespräch, ein Wettstreit der Elogen über ein Werk, das wie Pallas Athene in strahlender Rüstung die Welt betritt… Ich muss zugeben, dass dieser Fall eher selten ist. Der Normalfall liegt zwischen den beiden beschriebenen Szenarien. Der Text ist nicht schlecht, aber auch noch nicht so richtig gut. Der Autor sitzt in oben beschriebener Geistesverfassung da und lauscht den Kommentaren. Erfahrene Dramaturgen (die um die wunde Seele des Autors wissen) äußern sich auf eine konstruktive, beschreibende Weise. Schauspieler (die wissen, dass sie später für diese Texte auf der Bühne ihre Rübe hinhalten müssen) fragen konkreter nach, sie wollen z.B. wissen, wo das Gestische der Figur ist, will heißen, was sie da spielen sollen, wo aus dem Text Aktion wird und wie die Situation beschrieben werden kann, welche die Figuren dazu bringt (dazu zwingt) zu sprechen. Schauspieler haben ein untrügliches Gefühl für Texte, die zu episch sind oder zu erklärend – Texte also, bei denen man als Schauspieler nur rumsteht und Literatur serviert. Schauspieler denken von der Bühne her, aus ihrer Figur, aus ihnen spricht die praktische Vernunft, während die Dramaturgie für die größeren Bögen steht, zusammengefasst in der notorischen Frage: Was wollen wir da erzählen? Vulgo: Was willst du eigentlich mit deinem Stück? (Wie überhaupt der Weg zur Bühne gepflastert ist mit W-­‐Fragen: Wer, wann, warum, wohin…) Denn oft verliert 18 man als Autor sein Thema, die Geschichte entwickelt eine Eigendynamik und man vergisst den ersten Impuls, diese Geschichte zu schreiben, ist in einer Beliebigkeit gelandet oder hat einen Baufehler so lange mitgeschleppt, bis er einem die Geschichte abwürgt. Der Autor sitzt mit angespannten Nerven in diesem Kreis von Schauspielern, Dramaturgen und Theaterpädagogen, er sammelt die Meinungen der anderen und nun gibt es zwei mögliche Reaktionen. Die erste kommt spontan: ich fange nochmal von vorne an, das ist alles Quatsch, ich habe mich vergaloppiert, ich beende diese Diskussion. Ich will jetzt nach Hause. Die zweite Reaktion: der Text öffnet sich wieder, man sieht neue Möglichkeiten und bemerkt, dass es andere Lösungen gibt, auf die man selbst nie gekommen wäre. Meist kommen diese beiden Reaktionen kurz hintereinander. An dieser Stelle muss man vielleicht kurz ein Phänomen beleuchten, das genuin zum Schreibprozess gehört. Texte öffnen und schließen sich. Man entwirft eine Geschichte und ihre Protagonisten, man lebt mit ihnen, bewegt sich mit großer Freiheit in den Räumen, die man für sie geschaffen hat und plötzlich ist man ausgesperrt. Dies kann zu Beginn einer Arbeit passieren, nach Abschluss der ersten Fassung, wann auch immer, aber dieser Moment kommt so sicher wie das Amen in der Kirche. Der Text wird hermetisch, man weiß, dass die Arbeit noch nicht beendet ist, aber man kommt nicht mehr weiter, hat den Schlüssel verloren, man schaut durchs Fenster und sieht erstarrte Figuren, die einen nicht mehr hören können. Nichts geht mehr, es ist, als hätte die Schneekönigin einen bösen Zauber ausgesprochen. Man kann das magische Wort nicht finden, das den Fluch aufhebt. Dafür muss jemand anderes kommen, und manchmal ist es eine einfach Frage, welche die Tür öffnet und die Figuren wieder mit Leben erfüllt. Oder jemand, der eine Tür öffnet, die man bislang übersehen hatte. Danach kann man weiterarbeiten, bis man den Text beendet hat – oder bis sich das nächste Mal die Tür schließt. Da sitzt nun der Autor im Kreis der Theaterleute, die sich zu seinem Text äußern. Sie entwickeln Ideen, stellen Fragen, er verteidigt manches, von dem er weiß, dass er es auf jeden Fall ändern wird, er spielt in Gedanken durch, was da an Vorschlägen auf ihn einprasselt und vor seinem geistigen Auge ändern sich die Figuren, die er entworfen hat, als würde man in Windeseile ein Phantombild erstellen: wie wäre es, wenn die Figur ein dunkles Geheimnis hätte, drei Jahre älter wäre, eifersüchtig, cholerisch, heimlich verliebt, größer, kleiner, versponnener…? Man jagt die neuen Figuren auf einen Testlauf durch die Geschichte, aber manchmal sind von dieser nur noch Fetzen übrig, es werden Behelfsbrücken gebaut über logische Abgründe hinweg, eine neue Figur (ein dramaturgischer Golem) erschaffen und sofort wieder verworfen, und auch wenn man noch nicht weiß, wie das alles am Ende zusammenpassen soll (denn 90 Prozent aller Vorschläge sind Schrott), man bewegt sich wieder freier in seiner Geschichte. Dieser Prozess klingt anstrengend. Das ist er auch. Aber er ist auch einer der schönen Aspekte des Berufs. Man muss es genießen, denn es ist eine der Zeiten, in denen man nicht alleine am Schreibtisch die volle Verantwortung trägt. Man kann sich die Bälle zuspielen, anstatt alleine am Computer vor sich hin zu dribbeln. Man kehrt nach Hause zurück mit einem Notizbuch voller Ideen und einem völlig zerfledderten Stück. Der erste Gedanke ist dann: ich werde Monate brauchen, um das alles umzusetzen. Meist geht es schneller. Das Gefühl, irgendwie auch beleidigt worden zu sein (welches bei jeder noch so konstruktiven Kritik durch die narzisstische Autorenseele spukt) ist schnell verflogen, die Arbeit beginnt und die Erfahrung, dass sich in einem Workshop ein ganzes Team mehrere Tage mit den eigenen Texten beschäftigt hat, gibt einem das tröstende Gefühl, dass der Beruf des Dramatikers vielleicht doch nicht so absurd ist wie man manchmal denkt. Dieser Text ist noch zur Veröffentlichung frei! Bitte wenden Sie sich bei Interesse an uns! 19 Der Jahrgang 2015
20 Bestandsaufnahme
Mit 120 Einreichungen verzeichnet der „berliner kindertheaterpreis“ bei der diesjährigen Auslobung einen Teilnahmerekord, knapp 40 % mehr Arbeitsproben wurden eingereicht als in den Jahren zuvor. Auch die durchschnittliche Qualität der Einreichungen ist außerordentlich hoch. „Dies ist ein ungewöhnlich starker Jahrgang!“, stellt Stefan Fischer-­‐Fels, der Künstlerischer Leiter des GRIPS Theaters, erfreut fest. Umso erstaunlicher ist es, dass die Jury sich aus der Fülle der Einsendungen sehr schnell und einstimmig für vier Autoren entscheiden konnte: Sarah Trilsch, Stefan Wipplinger, Mathilda Fatima Onur und Kirsten Fuchs wurden zur zweiten Wettbewerbsstufe eingeladen. Neben Axel Prahl und Stefan Fischer-­‐Fels gehören der Jury 2015 auch der Dramatiker Lutz Hübner, sowie der Journalist, Kritiker und Leiter des Kulturressorts des Tagesspiegels Rüdiger Schaper an. Die 2014 verstorbene Regisseurin und Autorin Franziska Steiof war seit Beginn des Wettbewerbs an Jury-­‐Mitglied, die Nachwuchspflege im Kindertheater war ihr eine Herzensangelegenheit, die diesjährige Entscheidung prägte sie noch maßgeblich und mit viel Engagement mit. Die vier ausgewählten Autoren sind zwischen 25 und 35 Jahre alt und haben sich bereits als Autoren in den unterschiedlichsten Genres bewährt. So veröffentlicht die 1977 in Chemnitz geborene Kirsten Fuchs seit 10 Jahren Romane, Kurzgeschichten und Kolumnen, ist in der Lesebühnen-­‐Szene aktiv und Gewinnerin des Open-­‐Mike. Mathilda Fatima Onur, 1986 in Münster geboren, und die 1987 in Dresden geborene Sarah Trilsch haben beide u.a. „Szenisches Schreiben“ studiert. Mathilda Fatima Onur hat bereits am Deutschen Theater Berlin Szenen veröffentlicht, Sarah Trilsch arbeitet als Theater-­‐ und Hörspielautorin und wird von „henschel schauspiel“ vertreten. Beide wurden für ihre dramatischen Arbeiten mit diversen Preisen ausgezeichnet, Sarah Trilsch erhielt zuletzt den Leonhard-­‐Frank-­‐Preis, Mathilda Fatima Onur den Förderpreis des Schiller-­‐Gedächtnis-­‐Preises von Baden-­‐Württemberg. Der 1986 in Oberösterreich geborene Stefan Wipplinger studiert in Berlin Theaterwissenschaften und Szenisches Schreiben. Er nimmt in diesem Jahr am Stückemarkt des Theatertreffens und beim Heidelberger Stückemarkt teil. Gemeinsam ist allen Autorinnen und Autoren, dass sie sich erstmals mit dem Kindertheater beschäftigen. Sie waren im Februar 2015 in Berlin stattfindenden Intensiv-­‐Workshop eingeladen. Schulbesuche, Publikumsgespräche und Vorträge mit Experten für Kindheit vermittelten erste Einblicke in das Schreiben für das Kindertheater. In einem zweiten Workshop im September konnten die Teilnehmer mit Hilfe der Theaterpraktiker ihre Stückentwürfe konkret ausprobieren. Erst dann wurden diese der Jury zur Beurteilung vorgelegt. 21 Die Autorinnen und Autoren
und ihre Stückentwürfe
Kirsten Fuchs, geboren 1977 in Karl-­‐Marx-­‐
Stadt, aufgewachsen in Berlin, ist seit den 90er Jahren in der Literaturszene aktiv. Sie absolvierte eine Lehre zur Tischlerin und war Preisträgerin mehrerer Jugendliteraturwettbewerbe, 2003 gewann sie den "Open Mike". Sie schreibt als Kolumnistin für Zeitungen und Magazine und war Mitglied mehrerer Lesebühnen, unter anderem der "Chaussee der Enthusiasten". Sie veröffentlichte mehrere Romane und Kurzgeschichten-­‐Bände, aktuell ihr Roman "Mädchenmeute". 2008 unternahm sie gemeinsam mit einem Schriftstellerkollegen eine von einem Fernsehteam begleitete Reise in die Weiten des arktischen Nordens, die sie in einem Roman verarbeitete. 2013 erhielt sie das Arbeitsstipendium der Stiftung Preußische Seehandlung. In Moabit betreibt sie seit 2014 die Lesebühne "Fuchs und Söhne". Sie Mitglied mehrerer Jurys und gibt Workshops in Schreibwerkstätten. "Mama und Papa sind wieder zusammen" ist ihr erstes Theaterstück. "Der Stoff rumorte aktuell in meinem Kopf, und als die Ausschreibung kam, passte das ganz gut. Ich brauchte Geld. Eine Geschichte über zwei geschiedene Eltern, die es nach Jahren wieder miteinander probieren wollen, wäre mir als Lesebühnentext viel zu persönlich vorgekommen. Die dramatische Form war sofort da. Sie schaffte eine Distanz dazu. Der "berliner kindertheaterpreis" stellt einem Werkzeuge zur Verfügung, mit denen man arbeiten kann. Man muss es allerdings auch erstmal lernen. Insofern war das eine verrückte Erfahrung, als Schauspieler meine Texte spielten. Eine Erfahrung zwischen total aufregend, erfreulich und peinlich, krass. Es gab einzelne Dinge, die sofort funktionierten, und andere, die es überhaupt nicht taten. Auf jeden Fall hörte es sich anders an, als vorher in meinem Kopf. Aber das soll es ja auch. So ein Stück ist wie ein Kleid, das jemand anders tragen muss. Mal passte es, mal nicht. Was mir aber vor allem aufgefallen ist, war, wie gerne ich alleine schreibe. In der Gruppe und ohne Rückzugsort kann ich nicht arbeiten, da laufe ich nicht zu Höchstform auf." Ihr Stück „Tag Hicks oder fliegen für vier“ Kein guter Tag für Lewin Hickelmann, genannt Hicks. Heute morgen ist ihm Papa begegnet, als der aus Mamas Schlafzimmer schlich. Die beiden sind schon seit Jahren geschieden – planen sie etwa, ihre Ehe wieder aufzuwärmen? Sein Freund Janis, der so gerne Fahrrad fährt und das am liebsten bergauf, findet das nicht weiter schlimm. "Ist doch normal", sagt er, und strampelt weiter, Hicks keuchend hinterher. In der Schule angekommen, will Rike, die interessante Klassenkameradin, irgendwas auf Hicks Dachboden, was sie keinem verrät. Und dann gibt es noch die Neue, die so komisch riecht und mit ihm heute zur Nachhilfe verabredet ist. Doch als seine Mutter ihn hochoffiziell zum Gespräch am Küchentisch bittet für den Abend um sechs, da wird es vollends kompliziert – und Hicks' Welt gerät aus den Fugen. Wie wird sich sein Leben ändern, wenn Papa wieder da ist? Reicht das Sofa denn für drei? Was mach ich jetzt mit Rike? 22 Die vier Kinder finden sich auf Hicks Dachboden zusammen – und denken nach. Gemeinsam Soll man den Vater vertreiben? Oder kann es doch wieder ein Leben zu dritt geben? Doch als es zum Showdown kommt, endet die Geschichte doch anders als gedacht. Aber gefunden haben sich vier. Die alle verschieden sind und doch irgendwie Freunde sein können. Kirsten Fuchs erzählt in kurzen Szenen mit schnellen Dialogen und rasantem Witz die Geschichte eines Tages. Eines Tages, nach dem nichts wieder so ist, wie es war. Ihr Stück erzählt vom Erwachsenwerden. Von Solidarität zwischen Kindern, von Freundschaft zwischen sehr unterschiedlichen Menschen – und auch vom ersten Tasten der Liebe. Entschieden nimmt sie die Perspektive der Kinder ein. Aus ihr erscheint die Welt der Erwachsenen reichlich seltsam und absonderlich. Denn was ist schon "normal"? Mit eigenwilligen Songs und Spoken-­‐Word-­‐Texten bringt sie einen neuen Sounds ins Kinderstück. 23 Mathilda Fatima Onur, geboren 1987 in Münster, studierte von 2008 bis 2012 Szenisches Schreiben an der Berliner Universität der Künste. Schon während des Studiums veröffentlichte sie eine Reihe von Theaterstücken. „Eine Mücke“, entstanden Ende 2010 für das Ensemble-­‐Projekt „Massensterben der Möglichkeiten“ wurde am Deutschen Theater Berlin uraufgeführt. Ihr Stück „Blinde Punkte, Sterne“ wurde ausgewählt für die Autorentheatertage 2011 am Deutschen Theater und dort auch uraufgeführt. Dafür wurde sie mit dem Schiller-­‐Gedächtnis-­‐Förderpreis des Landes Baden Württemberg ausgezeichnet. Der Monolog „Innenstadt“, für das Karlsruher Dramatiker Festival entstanden, kam 2011 am Staatstheater Baden Baden zur Uraufführung. Eine Residency führte sie im Sommer 2012 ans Londoner Royal Court Theatre. „Das Schwierigste und gleichzeitig Einfachste am Autorin-­‐Sein ist die Erkenntnis, dass man, wenn man ehrlich ist, selbst recht wenig zu sagen hat darüber, welcher Text in einem entsteht, welche Farbe und welchen Tonfall er hat, ob es ein zerbrechlicher Text ist oder ein gewappneter, laut oder leise, gefällig oder speziell. Leicht betretbar oder seine Türen zusperrend. ›Der rote Elefant‹, das war für mich so ein Stoff, der seinen eigenen Dickkopf hatte und von dem ich wusste, dass ich auf ihn hören muss. Aus der anregenden Zusammenarbeit im letzten Jahr hat sich also nicht etwa eine inhaltliche oder formelle Veränderung der Erzählung ergeben. Inspirierend und hilfreich waren vielmehr die zahlreichen Begegnungen, die in diesem Rahmen entstanden sind und die (was das Wichtigste ist) Lust gemacht haben, weiterzuerzählen. In dem Sinne danke ich den Kindern der Berglöwenklasse in der Evengelischen Schule Berlin Mitte. Sie haben die besten Elefanten gemalt, die sich eine angehende Kindertheaterautorin wünschen konnte.“ Ihr Stück "Der rote Elefant oder: Die wahre, aber nicht bewiesene Geschichte von Lilli Mondstein, die den roten Elefanten fand" Mama ist seit einer Weile verschwunden und Papa macht immerzu ein trauriges Gesicht. Lilli Mondstein und ihr bester Freund Mimo Sonnenblum nehmen das Ruder in die Hand, obwohl Mimo immer noch nicht so ganz verstanden hat, was eigentlich los ist: Klassenlehrerin Frau Jung sagt, Lillis Mutter sei im Krankenhaus und man wisse nicht genau, wann sie wiederkomme. Lilli aber behauptet steif und fest, sie sei im Urlaub auf Sardinien. Als die beiden Kinder sich deshalb ganz schön in die Haare bekommen und der Vater immer noch kaum ansprechbar ist, liegt plötzlich ein roter Elefant vor Lillis Haustür. Ganz klein und halb verhungert. Lilli, Mimo und sogar Papa machen eines Tages eine tolle Entdeckung: der Elefant ernährt sich von Tränen, kann sprechen und vor allem großartige Spiele erfinden. Und irgendwann ist Lilli stark genug loszugehen und Mama im Krankhaus zu besuchen – und auch Mimo und Papa lernen etwas Neues für sich. Der rote Elefant ist eine Geschichte über Freundschaft, Hoffnung und Erdnussbutter. Ein bisschen über die Frage nach dem Tod – und ganz viel über Fragen nach dem Leben. Denn das, findet zumindest Lilli, ist ja das eigentlich Interessante an dem ganzen "Klawautsch". Mathilda Fatima Onurs sachte und tiefgängig entwickelten Figuren berühren. Die Handlung ist nie vordergründig, Onur verhandelt starke Motive in einer präzisen und eindringlichen und dabei humorvollen Sprache. 24 Sarah Trilsch, 1986 in Dresden geboren, studierte Germanistik an der Universität Leipzig, Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und Szenisches Schreiben bei uniT in Graz. Sie lebt als freie Autorin in Berlin. Sie schreibt Hörspiele und Theaterstücke und wurde dafür mit etlichen Auszeichnungen und Stipendien bedacht. Unter anderem gewann sie 2009 den Dramatikerwettbewerb JAHRGANG 89 des Neuen Theaters Halle, 2012 den Münchener Förderpreis für neue deutschsprachige Dramatik für ihr Stück "young rebel", 2013 erhielt sie von der Akademie der Künste das Alfred-­‐Döblin-­‐Stipendium und ein Hörspielstipendium der Filmstiftung NRW. Mehrere ihrer Stücke wurden zugleich am Theater aufgeführt und als Hörspiele produziert. So ihr Stück „Ich und die Weltmeere. Weil die Tür vom U-­‐Boot klemmte“. Der Text "Über uns die Lichter", mit dem sie sich für den "berliner kindertheaterpreis" bewarb, wurde 2014 als Hörspiel für den RBB produziert. "Ohne den „berliner kindertheaterpreis“ hätte ich jetzt nie ein Kindertheaterstück geschrieben. Ich dachte immer, ich muss dafür warten, bis ich selbst Kinder habe. Das GRIPS Theater hat mir Mut gemacht, sofort dem Drang nachzugehen, nicht mehr nur für Erwachsene zu schreiben. Angeregt durch den ersten, sehr inspirierenden Workshop, habe ich mich im letzten Jahr intensiv mit Kinder-­‐ und Jugendliteratur auseinandergesetzt. Mir war vorher nicht bewusst, wie groß die Verantwortung ist, die man gegenüber seinen Lesern und Zuschauern hat. Ich bin lange vor der Arbeit am Text weggerannt, weil ich mir nicht sicher war, ob ich den richtigen Ton treffe und ob meine Geschichte überhaupt Relevanz hat. Konstruktiv waren die Gespräche mit den Dramaturgen, eher entmutigend die Kritik einer Lehrerin und einer Schulpsychologin, beflügelnd aber die Reaktion von Schulkindern, als wir erste Szenen in einer Schule lasen. Es ist schon ein etwas seltsames Gefühl, für Kinder zu schreiben, aber von Erwachsenen beurteilt zu werden." Ihr Stück "Wenn Pinguine fliegen" Antonia, acht Jahre alt, will nicht so sein wie ihre große Schwester Annemarie. Die guckt gern nach Jungs, kauft gern viel ein und dreht kleine Haul-­‐Videos mit ihren neuen Errungenschaften. Antonia hingegen fühlt sich nicht wohl in der Mädchenrolle. Sie ist anders. Sie stylt sich anders, findet rosa doof, und sie nennt sich Toni. Als sie und im Hof den Nachbarsjungen Karl trifft, der gerade neu eingezogen ist, hält der sie prompt für einen Jungen. Ein schönes Verwechslungsspiel beginnt, bei dem Antonia / Toni und Karl neue, aufregende Erfahrungen machen, in peinliche Situationen geraten und, erst zaghaft, dann immer mutiger, mit Geschlechterklischees spielen. Dabei bewegen sie sich immer im Spannungsfeld zwischen kritischer Schwester und Stiefvater Thomas, dem einzigen erwachsenen Rollenvorbild, der beim Versuch, den Kindern zu erklären, was "typisch Junge" ist, beim Schwertkampf und beim Fußball, überraschend aus sich raus geht und feststellt: Es muss kein Problem sein, wenn Pinguine fliegen – und schon gar nicht, wenn Jungs sich wie Mädchen oder Mädchen auch mal wie Jungs benehmen wollen. Auch für Karl ist die Begegnung eine neue Erfahrung, denn auch er will sich nicht festlegen lassen, wie er zu sein hat. Was macht ein Mädchen zum Mädchen, was einen Jungen zum Jungen? Sarah Trilsch hat ein spannendes Thema für Kinder leichtfüßig, klug und humorvoll umgesetzt und nebenbei eine wundervolle zarte Liebesgeschichte zweier ungewöhnlicher Kinder erfunden. 25 Stefan Wipplinger, geboren 1986 in Oberösterreich, studierte zunächst an der Kunstuniversität Linz Experimentelle Gestaltung und arbeitete als Regieassistent an einem kleinen Theater und in der freien Szene. Dann zog er nach Berlin und begann, nach einem kurzen Ausflug zur Theaterwissenschaft, 2012 mit dem Studium des Szenischen Schreibens an der Universität der Künste. Sein Kurzfilm "Es wird sicher passieren" lief 2013 auf mehreren internationalen Filmfestivals, sein erstes abendfüllendes Theaterstück "Hose Fahrrad Frau" wurde 2015 zum Heidelberger Stückemarkt und zum Stückemarkt des Berliner Theatertreffens eingeladen.
"Für mich war der "berliner kindertheaterpreis" die erste Gelegenheit überhaupt, als Autor wahrgenommen zu werden. So hat die Zusammenarbeit mit dem GRIPS Theater nicht nur mein erstes Kinderstück hervorgebracht, sondern überhaupt meine kreative Produktivität angekurbelt. Das klingt unwahrscheinlich, aber ich hatte zuvor kaum etwas geschrieben, und im Lauf dieses Jahres konnte ich plötzlich ein weiteres Theaterstück und mehrere kürzere Texte fertig schreiben. Ich habe mich viel mit alternativen Spielformen beschäftigt; ich habe mich gefragt, wie ich eigentlich Theater machen will, was Kinder sehen wollen und was sie brauchen. Die Bereitschaft des GRIPS, darüber nachzudenken, hat mich sehr gefreut. Da am Schluss trotzdem ein fertiges Stück gefragt war und viele Fragen, die ich ans Theater habe, sich im Schreiben allein nicht lösen lassen, musste ich Vieles irgendwann wieder über Bord werfen. Oder besser gesagt: auf ein nächstes Mal verschieben. Beeindruckt und verblüfft war ich von der Vielfältigkeit und Unterschiedlichkeit des GRIPS-­‐Publikums. Ich wollte immer noch einen Schulbesuch und noch eine Vorstellung sehen, denn ich konnte es einfach nicht glauben, dass es jedes mal wieder so anders sein konnte. Auch hier gab es also erstmal mehr Fragen als Antworten. Oder waren die Fragen falsch?" Sein Stück "Was wir brauchen" (Arbeitstitel) Nele und Gigi, ein Zimmer, die Saubären und eine Menge Chaos. Das ist das Setting von “Was wir brauchen". Neles Papa und Bruder sind zuhause ausgezogen und wohnen nun so weit weg, dass man ein Flugzeug braucht, um dorthin zu kommen. Gigi und seine Mutter hingegen suchen für einige Zeit eine Bleibe, denn die Bauarbeiten für das Hausprojekt, in das sie ziehen wollen, verzögern sich. Und so entscheiden sich die beiden Mütter, zusammen zu ziehen. Und so werden auch Nele und Gigi Mitbewohner in Neles Zimmer – ob sie nun wollen oder nicht. Gigi ist erstaunt über das sonderbare Mädchen, das in einem Zimmer, das für “fünf Gigis” Platz hätte, keine Ecke abgeben kann und das damit beschäftigt ist, endlich Herrin über das Chaos zu werden. Und überhaupt fragt er sich: Wie kann ein einzelner Mensch soviel besitzen und so an diesen Dingen hängen? Nele hingegen, in diesem Zimmer aufgewachsen, kann kaum glauben, wie ein Kind mit so wenig Dingen leben kann. Und wie jemand immer wieder den Wohnort wechseln und sein Zimmer so oft mit anderen teilen kann. So prallen zwei Welten prallen aufeinander. Doch im täglichen Miteinander entwickelt sich aus der anfänglichen Zwangsgemeinschaft eine Freundschaft. Und wie diese entstehen konnte, das erzählen Nele und Gigi rückblickend auf ihre ganz eigene Weise. Eine kuriose Truppe erfundener und doch wieder sehr realer Wesen spielen eine ganz besondere Rolle. 26 “Was wir brauchen” ist eine Geschichte übers Teilen. Aber nicht nur um das Teilen von Sachen geht es, sondern auch von Geschichten, Geheimnissen, Erfahrungen. Und von Neles erfundenen Saubären und Piraten. Das Stück stellt die Frage nach dem Wert von Dingen für unser Leben. Und so handelt es auch vom Sich-­‐Trennen-­‐Können und Abschied-­‐Nehmen und davon, wie wie jeder seinen Weg findet, damit umzugehen. Stefan Wipplinger hat ein berührendes Kammerspiel über Freundschaft geschrieben, in dem auf kleinstem Raum – und scheinbar ganz beiläufig beim Spielen – große Themen behandelt werden. 27 Programm der Preisverleihung
Im Rahmen des Festivals „AUGENBLICK MAL!“ und des „ASSITEJ -­‐ International Artistic Gathering“ Termin: Donnerstag, 23. April 2015, ab 19.30 Uhr Ort: GRIPS Hansaplatz Geschlossene Vorstellung, nur für geladene Gäste. Teilweise mit englischer Übertitelung. Durch den Abend führt die Schauspielerin Petra Zieser 19.30 Uhr Empfang im Foyer 20.00 Uhr: Begrüßung und Einführung • Volker Ludwig (Geschäftsführer des GRIPS Theaters) • Vera Gäde-­‐Butzlaff (Vorstandsvorsitzende der GASAG) • Tim Renner (Kulturstaatssekretär) • Stefan Fischer-­‐Fels (Künstlerischer Leiter des GRIPS Theaters) • Kirstin Hess (Dramaturgin) Szenische Präsentation der nominierten Beiträge (in Auszügen) • „Der rote Elefant“ von Mathilda Fatima Onur • „Wenn Pinguine fliegen“ von Sarah Trilsch • „Was wir brauchen“ (Arbeitstitel) von Stefan Wipplinger • „Tag Hicks oder fliegen für vier“ von Kirsten Fuchs Regie: Grete Pagan Musik: Robert Neumann Mit Christian Giese, Katja Hiller, Alessa Kordeck, Jens Mondalski, Regine Seidler, Roland Wolf Preisverleihung Laudationes von Lutz Hübner und Frank Panhans Get-­‐Together (Catering: Kunst und Kochen) 28