Textmaterial Andreas Gryphius (eigentl. Andreas Greif, 1616

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Textmaterial Andreas Gryphius (eigentl. Andreas Greif, 1616
Textmaterial
Andreas Gryphius (eigentl. Andreas Greif, 1616-1664): Tränen des Vaterlandes (1636)
Rainer Maria Rilke (eigentl. René Maria Rilke, 1875-1926): Bei St. Veit (1895)
Aufgaben
1. Analysiere und interpretiere das Gedicht von Gryphius und ordne es
literaturgeschichtlich ein. Wie arbeitet Gryphius mit dir bekannten Formen und
Motiven aus der Zeit.
2. Analysiere und interpretiere Rilkes Gedicht und ordne es literaturgeschichtlich
ein. Vergleiche das Gedicht mit anderen dir bekannten Texten aus der Zeit.
Du entscheidest selber, mit welchem der beiden Aufgaben du anfangen möchtest.
Für beide Aufgaben solltest du etwa 10 Minuten einplanen. Davon sollten jeweils die ersten etwa 5
Minuten von deinem Vortrag in Anspruch genommen werden und die letzten 5 Minuten für ein
Gespräch im Rahmen der Aufgabenstellung vorgesehen sein.
ANDREAS GRYPHIUS (eigentl. Andreas Greif, 1616-1664)
Tränen des Vaterlandes (1636)
Wir sind doch nunmehr ganz, ja mehr denn ganz verheeret!
Der frechen Völker Schar, die rasende Posaun,
Das vom Blut fette Schwert, die donnernde Karthaun
Hat aller Schweiß und Fleiß und Vorrat aufgezehret.
Die Türme stehn in Glut, die Kirch ist umgekehret,
Das Rathaus liegt im Graus, die Starken sind zerhaun,
Die Jungfraun sind geschänd’t, und wo wir hin nur schaun,
Ist Feuer, Pest und Tod, der Herz und Geist durchfähret.
Hier durch die Schanz und Stadt rinnt allzeit frisches Blut;
Dreimal sind’s schon sechs Jahr, als unsrer Ströme Flut,
Von Leichen fast verstopft, sich langsam fortgedrungen;
Doch schweig ich noch von dem, was ärger als der Tod,
Was grimmer denn die Pest und Glut und Hungersnot:
Daß auch der Seelen Schatz so vielen abgezwungen.
Erläuterungen
Posaun: […]
Karthaun: schweres Geschütz
Graus: Staub
Schanz: […]
RAINER MARIA RILKE (eigentl. René Maria Rilke, 1875-1926)
BEI ST. VEIT (1895)
GERN steh ich vor dem alten Dom;
wie Moder weht es dort, wie Fäule,
und jedes Fenster, jede Säule
spricht noch ihr eignes Idiom.
Da hockt ein reichgeschnörkeltes Haus
und lächelt Rokoko-Erotik,
und hart daneben streckt die Gotik
die dürren Hände betend aus.
Jetzt wird mir klar der casus rei;
ein Gleichnis ists aus alten Zeiten:
der Herr Abbé hier – ihm zuseiten
die Dame des roi soleil.
Erläuterungen
Prag, Sankt-Veits-Dom: […]
Rokoko: […]
Gotik: […]
casus: […] lat. Schreibung für Kasus, Fall, Zufall, Ereignis, Unglück, Unfall
rei Genitiv oder Dativ von lat. res: Ding, Sache, Beziehung, Umstand, Vorhaben, Realität
Abbé: […]
Roi Soleil: […]