Feier der Technik - wissensnavigator

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Feier der Technik
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Feier der Technik
Florian Rötzer 17.12.2003
Streit um die Ausstellung des restaurierten Hiroshima-Bombers "Enola Gay" in einem
neuen Smithsonian's Museum der Flug- und Weltraumfahrt, bei der es nur um die
Erinnerung an das technische Wunderwerk gehen soll
Am 15. Dezember wurde vom The Smithsonian's National Air and Space Museum [1] das neue
Steven F. Udvar-Hazy Center [2] am Washington Dulles International Airport eröffnet.
Gezeigt werden hier 200 Flugzeuge und 135 Raumfahrzeuge. Darunter befindet sich auch die
B-29 Superfortress Enola Gay [3], von der die erste Atombombe abgeworfen wurde, die
Hiroshima zerstörte. Das Museum lehnte [4] es ab, über eine dürre Beschreibung hinaus
weitere Details zu dem Einsatz der Atombomben anzugeben. Damit wiederholt sich der
Streit [5], der schon einmal in den 90er Jahren geführt wurde. Damals war allerdings eine
Darstellung der Folgen des Atombombenabwurfs vorgesehen, was vielen nicht gefiel, die vor
allem weiter den Einsatz rechtfertigen und jede Kritik abweisen wollten, da man dadurch
fallweise und höchst spekulativ-übertrieben 500.000 oder einer Million amerikanischer
Soldaten das Leben gerettet habe.
Die restaurierte Enola Gay. Der Bomberpilot Tibbets benannte das Flugzeug nach seiner Mutter. Tibbets verteidigte Zeit
seines Lebens den Abwurf: "We had a mission. Quite simply, bring about the end of World War II." Foto: NASM
Das Committee for a National Discussion of Nuclear History and Current Policy [6] hatte gefordert,
die Ausstellung des restaurierten Bombers dazu zu verwenden, eine "nationale Diskussion über die
amerikanische Atomgeschichte und die aktuelle Politik" anzuschieben. Die US-Regierung beginnt
wieder mit dem Bau von Atomwaffen und will auch kleine taktische Atomwaffen entwickeln, die
auch in einem konventionellen Krieg etwa gegen gut geschützte Bunker eingesetzt werden können
( US-Kongress bewilligt Gelder für die Entwicklung taktischer Atomwaffen). Zumindest sollte
erwähnt werden, so die Organisation, dass durch den Abwurf der ersten Atombombe am 6. August
1945 mit dem eher zynischen Namen "Little Boy" um die 140.000 Menschen in Hiroshima getötet
wurden. Zudem sollten Bilder der angerichteten Verwüstung gezeigt werden. Eine entsprechende
Position wurde von zahlreichen Professoren und Intellektuellen unterzeichnet, darunter Noam
Chomsky, E.L. Doctorow, Clifford Geertz, Robert Jay Lifton, Kurt Vonnegut, Oliver Stone oder
Michael Waltzer. Auch der Bürgermeister von Hiroshima, Tadatoshi Aba, beteiligte sich.
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Das Museum beruft [7] sich jedoch auf den Auftrag des amerikanischen Kongresses, die "nationale
Entwicklung der Flug- und Raumfahrt " darzustellen und Fahrzeuge auszustellen, die "nationales
Interesse und nationale Bedeutung" besitzen. Dazu gehören offenbar nur die technischen Leistungen
selbst. Der Direktor J.R. "Jack" Dailey erklärte: "Wir stellen sie in all ihrem Ruhm als eine
großartige technologische Errungenschaft aus." Die Beschreibung des "modernsten
propellergetriebenen Bombers des Zweiten Weltkriegs" und des "bekanntesten Flugzeugs des
Zweiten Weltkriegs" werde nicht anders gemacht als bei den anderen Ausstellungsobjekten:
Boeing's B-29 Superfortress was the most sophisticated propeller-driven bomber of
World War II, and the first bomber to house its crew in pressurized compartments.
Although designed to fight in the European theater, the B-29 found its niche on the other
side of the globe. In the Pacific, B-29s delivered a variety of aerial weapons:
conventional bombs, incendiary bombs, mines, and two nuclear weapons.
On August 6, 1945, this Martin-built B-29-45-MO dropped the first atomic weapon used
in combat on Hiroshima, Japan. Three days later, Bockscar (on display at the U.S. Air
Force Museum near Dayton, Ohio) dropped a second atomic bomb on Nagasaki, Japan.
Enola Gay flew as the advance weather reconnaissance aircraft that day. A third B-29,
The Great Artiste, flew as an observation aircraft on both missions.
Atompilz über Hiroshima. Foto: Peacewire [8]
Der Abwurf der Atombombe wird erwähnt, die Folgen werden systematisch ausgelassen. In einem
anderen Text [9] wird noch suggeriert, dass der Abwurf der Atombomben über Hiroshima und
Nagasaki zur "unbedingten Kapitulation" der japanischen Regierung unter die von den USA
gestellten Bedingungen zur Beendigung des Kriegs geführt habe, aber natürlich mit keinem Wort
erwähnt, dass die Bombardierung auch militärisch höchst umstritten bleibt. Die Ausstellung des
Bombers und die Beschreibung, so wird versichert, "verherrlicht" nicht die Rolle, die das Flugzeug
in der Geschichte gespielt hat. Und schließlich zeige man ja auch hier und anderswo viele Flugzeuge
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aus den beiden Weltkriegen und weiteren Kriegen.
Am Freitag hatten Vorsitzende von Organisationen der Atombombenopfer dem Museum eine
Petition mit 25.000 Unterschriften überreicht, die dazu auffordert, auch die Folgen der
Bombardierung aufzuführen. Sie sollte dem Direktor, einem ehemaligen General, übergeben werden,
der aber war angeblich verhindert [10] war.
Auf der Website [11] des Hiroshima-Piloten Paul Tibbets wird zynischerweise auch eine Nachbildung von "Little Boy"
für 250 US-Dollar zum Verkauf angeboten
Zur Eröffnung der Ausstellung waren am Montag auch 6 Überlebende von Hiroshima mit einigen
Dutzend Kritikern erschienen. Sie trugen Bilder mit verkohlten Opfern des Atombombenabwurfs mit
sich. Zwei der Protestierenden wurden festgenommen, nachdem sie eine Flasche mit roter
Flüssigkeit auf das technische Wunderwerk geworfen hatten. Doch die Anwesenheit der
Überlebenden und die Erinnerung schienen die feierliche Eröffnung auch so zu stören. So gab es
offenbar erzürnte Rufe unter den Museumsbesuchern wie "Denk an Pearl Harbor", "Was ist mit dem
Massaker von Nanking?" oder "Mein Vater kämpfte im Krieg. Geht nach Hause".
Das Museum gibt in einer Pressemitteilung bekannt, dass man zuvor mit den Protestierenden
gesprochen habe, die versichert hätten, die Eröffnung zu stören. Nach der Festnahme der beiden
Unruhestifter, der Flaschenwerfer war ein über 70 Jahre alter Amerikaner, seien die übrigen
Protestierer vom Sicherheitspersonal aufgefordert worden, das Museum zu verlassen: "Nach
Museumsdirektor J.R. 'Jack' Daily sind die wichtigsten Prioritäten der Schutz der Besucher und der
Ausstellungsgegenstände", heißt es in der Bekanntgabe. Eine politische Diskussion über die
Atomwaffen und vor allem die Wiederaufrüstung durch die Bush- Regierung scheint höchst
unerwünscht und wahrscheinlich auch unpatriotisch zu sein.
Links
[1] http://www.nasm.si.edu/
[2] http://www.nasm.si.edu/museum/udvarhazy/
[3] http://www.nasm.si.edu/research/aero/aircraft/boeing_b29.htm
[4] http://www.nasm.si.edu/events/pressroom/releases/110703.htm
[5] http://www.afa.org/media/enolagay/
[6] http://www.enola-gay.org/
[7] http://www.nasm.si.edu/events/pressroom/releases/110703.htm
[8] http://www.peacewire.org/
[9] http://www.nasm.si.edu/research/aero/aircraft/boeing_b29.htm
[10] http://www.japantimes.com/cgi- bin/getarticle.pl5?nn20031214a6.htm
[11] http://www.theenolagay.com/man.html
http://www.heise.de/bin/tp/issue/dl-print.cgi?artikelnr=16341&rub_ordner=inhalt&m...
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