Weintourismus - Corte Gondina

Transcription

Weintourismus - Corte Gondina
PIEMONT
Das ehemals
königliche Weingut
Fontanafredda in
Serralunga d’Alba
beherbergt auch das
wunderschöne und
ausgezeichnete
„Ristorante Guido“.
Mekka des
Weintourismus
Feinschmecker und Weinfreaks werden in jedem
Herbst vom Piemont beinahe magisch angezogen.
Wir haben die besten Adressen.
TEXT VON WILLI KLINGER
V
70
Die Sternerestaurants
Fünfzehn Restaurants in den Provinzen Asti und
Cuneo wurden im Michelin Italien 2015 mit mindestens
einem Stern ausgezeichnet. Mit der Höchstwertung
von drei Sternen führt nach wie vor Enrico Crippas
Piazza Duomo im Zentrum von Alba die Liste der
Topadressen an. Gualtiero Marchesis Musterschüler
beherrscht zwar auch das Lokalrepertoire perfekt, die
drei Sterne bekam er aber für seine moderne, da und
dort auch asiatisch inspirierte kreative Küche. Das
Lokal ist kühl und puristisch gestylt, hat nur wenige
Tische und befindet sich im ersten Stock eines Stadtpalais im Besitz der Winzerfamilie Ceretto. Lockerer
geht es im Bistro La Piola unten an der Piazza zu.
Erster Herausforderer von Crippa ist Giampiero
Vivalda von der Antica Corona Reale in Cervere bei
Bra mit zwei Sternen, allerdings mit einer viel ländlicheren Art zu Kochen: bodenständig und doch kreativ, wo-
A LA C ARTE
FOTO: STOCKFOOD / CEPHAS PICTURE LIBRARY
or einigen Jahren sagte ein ziemlich rustikaler Sektionschef im
Landwirtschaftsministerium in kleiner Runde: „Weintourismus,
wos is des? I glaub’ net, dass ’s an Weintourismus gibt.“ Nun,
dieser Herr könnte sich im heurigen Herbst am besten im Piemont von
der Existenz dieser ertragreichen Sparte persönlich überzeugen. Zeit
hätte er ja, denn er ist mittlerweile in Pension.
Vorbei sind die Zeiten, als die immer zahlreicheren Insider, die in den
achtziger Jahren die Hügel der Langhe 70 km südlich von Turin besuchten, sich in der Trüffelzeit im Herbst um die wenigen verfügbaren Quartiere stritten. Das Angebot an gut ausgestatteten Hotels und Agriturismi
ist in den letzten Jahren regelrecht explodiert, und weil es immer mehr
Herbergen mit Swimmingpools gibt, kommt auch der Frühlings- und
Sommertourismus auf Touren. Dass 29 Gemeinden der Provinzen Alessandria, Asti und Cuneo seit 2014 UNESCO-Welterbe-Status bekommen
haben, wirkt als zusätzlicher Katalysator.
Trotz des großen Angebots an Unterkünften und Schlemmeradressen
sollte man die Gegend um Alba in den ersten drei Wochen der Trüffelmesse (heuer 10. Oktober bis 15. November) wenn möglich eher meiden
oder in die Alta Langa, ins Roero oder ins Monferrat ausweichen. Die
echten Trüffelnasen bevorzugen die weißen Knollen der Spezies „Tuber
Magnatum Pico“ – nur das ist das Original – ohnehin erst ab November.
In milden Wintern kommen sie sogar noch nach Weihnachten in Spitzenqualität auf den Markt, dafür aber zum halben Preis – toll für das
Silvestermenü! Besonders schön sind die Langhe auch im Frühling.
bei der omnipräsente Vater Renzo mit seinen 85 Lenzen am
Buckel immer noch vier Klassiker der Karte selbst zubereitet:
Schnecken („lumache“), Frösche („rane“), Kutteln („trippa“)
und das klassische Innereien-Ragout „Finanziera“. Die Corona, seit über 200 Jahren im Familienbesitz, ist eine legendäre
Herberge, in die schon König Viktor Emmanuel III. nach der
Drosseljagd mit Renzos Großvater einzukehren pflegte.
Bei Davide Palluda in der All’Enoteca in Canale geriet
kürzlich auch ein Großer ins Schwärmen, nämlich René
Redzepi vom Noma in Kopenhagen. Ich finde vor allem
seine in der Serviette servierten Agnolotti-Variationen ohne
Sugo allein eine Reise wert.
Die beste Weinkarte mit Vertikalen aller großen Weine
der Langhe und auch einem internationalen Repertoire à la
Palais Coburg bietet mein alter Freund Mauriglio Garola in
seinem La Ciau del Tornavento in Treiso. Für seine Küche
hält er seit Jahren einen Michelin-Stern, außerdem ist die
Aussicht von der Terrasse atemberaubend.
A LA C ARTE
E
twas ruhiger wurde es um Walter Ferretto im Cascinale
Nuovo in Isola d’Asti, das für mich aber immer noch zur absoluten Spitze zählt, weil Walters Küche gleichzeitig elegant
und doch herzhaft ist – eigentlich ein schönes Relikt der Nouvelle
Cuisine im besten Sinn.
Die Familie Alciati, deren Stammhaus Guido in Costigliole
längst nicht mehr existiert, hat auch in Pollenzo das Hotelrestaurant im La Corte Albertina geschlossen. Dafür betreiben die drei
Brüder neben dem Guido da Costigliole im Hotel Relais San Maurizio hoch über Santo Stefano Belbo seit 2014 das Ristorante Guido
im ehemals königlichen Weingut Fontanafredda. Das riesige Anwesen wurde 2008 von „Eataly“-Gründer Oscar Farinetti von der
ältesten Bank Italiens, „Monte die Paschi di Siena“, übernommen,
die es davor über 80 Jahre lang besessen hatte. Nach zwei Jahren
Umbauzeit entstand im alten königlichen Gemäuer ein wunderschönes Lokal mit gepflegtem Service unter der Leitung von Piero
Alciati und einer interessanten Karte inklusive Agnolotti del Plin
nach dem Originalrezept seiner 2010 verstorbenen Mutter Lidia.
71
I
ns Weingut Damigliano unterhalb von La Mor- Die Chefs im UhrzeigerDavide Palluda
ra an der Straße von Barolo nach Alba hat Alt- sinn:
(All’Enoteca), Mauriglio
meister Massimo Camia sein ehemaliges Borgo Garola (La Ciau del
), Enrico
Antico übersiedelt. Massimo ist einer der Großen Tornavento
Crippa (Piazza Duomo),
im Barolo-Gebiet, aber beim letzten Besuch heuer Walter Ferretto
im Sommer kam keine rechte Stimmung auf. Viel- (Ilcascinalenuovo)
leicht lag es auch an den furchtbaren BatmanBildern einer malenden Lokalgröße, die die Wände des ansonsten
eher nüchternen Baus bevölkerten.
Architektur kann im Piemont eben auch als gefährliche Drohung verstanden werden. Zum Beispiel im Boscareto Resort bei Serralunga. Was
von außen wie eine Kreuzung aus Autobahnraststätte und Krankenkassen-Kurheim aussieht, entpuppt sich im Inneren als komfortable Bleibe
mit geräumigen Zimmern und allen Einrichtungen eines 5-Sterne-Luxusresorts inklusive Gourmetrestaurant, und das mitten in einem Amphitheater spektakulärer Weinberge. Wer es etwas weniger bombastisch
möchte, kann in der neuen Villa d’Amelia in Benevello einchecken, einem
romantischen Small-Luxury-Hotel mit Restaurant, wo Enrico Crippas
Ex-Souschef Damiano Nigro bereits seinen ersten Stern erkämpft hat.
Die lässigen Trattorien
Man fährt aber nicht ins Piemont, um ständig Sterneküche zu essen
und sich in Luxusresorts massieren zu lassen. Urtümlicher, authentischer
und gemütlicher tafelt man in den lässigen Trattorien der Langhe. Die
traditionellen Klassiker sind wie eh und je das Antica Torre in Barbaresco, seit Jahrzehnten bekannt für die besten Tajarin-Nudeln, der Preis-
72
Leistungs-Sieger Grappolo d’Oro in Monforte – ideal
auch für größere Gruppen, Da Renza mit dem herrlichen Balkon in Castglione Falletto und die Slow Food
Osteria dell Arco in Alba. Für Alba gilt auch: Köche
kommen, Köche gehen, die Osteria La Libera bleibt
bestehen. Das heißt, man bekommt dort immer noch
das beste knusprige Spanferkel („maialino croccante“),
obwohl der langjährige Chef längst seine eigene winzige Trattoria La Repubblica di Perno bei Monforte
aufgesperrt hat, während der Rest des alten Teams seit
kurzem die herrliche Osteria Veglio in der Frazione
Annunziata bei La Morra zu neuem Leben erweckt.
La Morra hat übrigens sehr gewonnen, obwohl die
wunderbare Familie Bovio das legendäre Belvedere
oben auf dem schönsten Aussichtspunkt der Weinwelt
abgeben musste. Dafür haben sie im ehemaligen Bel
Sit etwas unterhalb des Ortes eine neue Bleibe gefunden und sie Ristorante Bovio genannt. Der Ort hat
jetzt auch ein tolles Angebot an Zimmern: „Villa
Katerina“, „Corte Gondina“ oder luxuriös im Resort
„Arborina Relais“.
Kürzlich schickte ich wieder einmal ein paar Freunde
zu Cesare, wo wir letztes Jahr so herrlich gegessen
hatten – ein Reinfall, wie mir berichtet wurde. Dabei
hatte ich das Menü ausgesucht: Seinen legendären
Entensalat mit Fruchtsauce, die Pfirsiche mit Stein-
A LA C ARTE
FOTOS I. U.: WWW.DAVIDEPALLUDA.IT, UWE SPOERL, RISTORANTE PIAZZA DUOMO, IL CASCINALENUOVO
PIEMONT
PIEMONT
Die Wirte
Alba
Ristorante Piazza Duomo
Piazza Risorgimento, 4
12051 Alba CN
Tel.: +39/0173/36 61 67
www.piazzaduomoalba.it
Osteria Lalibera
Via Elvio Pertinace, 24
12051 Alba CN
Tel.: +39/0173/29 31 55
www.lalibera.com
Albaretto Torre
Trattoria del Bivio
Loc Cavallotti, 9
12050 Cerreto Langhe CN
Tel.: +39/0173/52 03 83
www.trattoriadelbivio.it
Barbaresco
Antica Torre
Via Torino, 71, Barbaresco CN
Tel.: +39/0173/63 51 70
anticatorrebarbaresco.com
Benevello
Relais Villa Amelia
Fraz. Manera
12050 Benevello, CN
Tel.: +39/0173/52 92 25
www.villadamelia.com
Canale
All’Enoteca
Via Roma, 57
12043 Canale CN
Tel.: +39/0173/958 57
www.davidepalluda.it
74
Cervere
Antica Corona
Reale da Renzo
Via Fossano, 13
12040 Cervere CN
Tel.: +39/0172/47 41 32
anticacoronareale.com
Isola d’Asti
Ilcascinalenuovo
Strada Statale 231, 15
14057 Isola d’Asti AT
Tel.: +39/0141/95 81 66
www.walterferretto.com
La Morra
Ristorante Bovio
Via Alba, 17
12064 La Morra CN
Tel.: +39/0173/59 03 03
www.ristorantebovio.it
Massimo Camia
Strada Provinciale Alba
Barolo 122
12064 La Morra CN
Tel.: +39/0173/563 55
www.massimocamia.it
Osteria Veglio
Frazione Annunziata, 9
12064 La Morra CN
Tel.: +39/0173/50 93 41
www.osteriaveglio.it
Arborina Relais
Frazione Annunziata, 27
12064, La Morra CN
Tel.: +39/0173/50 03 51
www.arborinarelais.it
Corte Gondina
Via Roma 100, 12064
La Morra CN
Tel.: +39/0173/50 97 81
www.cortegondina.it
Monforte
Giardino da Felicin
Via D. Vallada, 18
12065 Monforte d’Alba CN
Tel.: +39/0173/782 25
www.felicin.it
Grappolo d’Oro
Piazza Umberto I 4
12065 Monforte d’Alba CN
Tel.: +39/0173/782 93
www.grappolodoro.net
Trattoria della Posta
Loc. Sant’Anna, 87
12065 Monforte d’Alba CN
Tel.: +39/0173/781 20
www.trattoriadellaposta.it
Montelupo
Ca’ del Lupo
Via Ballerina, 15, 12050
Montelupo Albese CN
Tel.: +39/0173/61 70 45
www.cadellupo.it
Perno
Ristorante Repubblica
di Perno
Vicolo Cavour, 5 – Fraz.
Perno 12065 Monforte d’Alba
Tel.: +39/0173/784 92
www.repubblicadiperno.it
Drei Geheimtipps zum Schluss
Erstens. 45 Jahrgänge hat Guido Rivella bei Gaja
vinifiziert, ehe er kürzlich in Pension ging und mit
seiner Tochter Silvia das kleine Familiengut in der Barbaresco-Spitzenlage „Montestefano“ zu einem netten
Agriturismo umgebaut hat. Darunter lagern in mehreren Kellerräumen seine herrlichen Barbareschi, die
er zu Preisen verkauft, von denen man angesichts der
letzten Entwicklungen nur träumen kann.
Zweitens. Ich muss Sie vor der Vinoteca Centro
Storico in Serralunga warnen. Der Wirt Alessio hat
jene Weine aus der Gegend und der Welt (inklusive
Österreich), für die man beim Lunch bis zum Dinner
hängenbleibt. Dazu gibt es wunderbare Kleinigkeiten
und eine Atmosphäre, die zum Versumpfen nachgerade
verführt.
Drittens. Die Via MaesSanto Stefano Belbo
tra in Alba, die eigentlich
Guido da Costigliole
Via Vittorio Emanuele
Loc S. Maurizio, 39
heißt, verläuft von der Bar
Santo Stefano Belbo CN
Tel.: +39/0141/84 44 55
Brasilera meines Freundes
www.guidosanmaurizio.com
Giorgio Graziano an der
Serravalle
Piazza Savona bis zum
La Coccinella
Domplatz. Unter den zahlVia Provinciale A3, 5
reichen Geschäften empfeh12050 Serravalle Langhe CN
Tel.: +39/0173/74 82 20
le ich die Enoteca Confettewww.trattoriacoccinella.com
ria Carosso. Dort kaufe ich
Serralunga
immer die hauchdünnen TaGuido Ristorante
jarin d’Autore des Meisters
Via Alba, 15
Marco Giacosa und die TorSerralunga d’Alba CN
Tel.: +39/0173/62 61 62
ta di Nocciole der Marke
www.guidoristorante.it
Relanghe nach dem Rezept
Il Boscareto Resort
von Enrico Crippa. Und
Via Roddino, 21
12050 Serralunga d’Alba CN
weil ich in Alba in der Regel
Tel.: +39/0173/61 30 36
den besten Torrone, nämwww.ilboscaretoresort.it
lich den von Davide Barbero
Locanda del Centro Storico
V. Roma 6
aus Asti, nicht finde, nehme
12050 Serralunga d’Alba
ich auch gleich den von
Tel.: +39/0173/61 32 03
Relanghe. Aus dem mache
Treiso
ich zu Hause Semifreddo al
La Ciau del Tornavento
Piazza Leopoldo Baracco, 7
Torrone nach dem Rezept
12050 Treiso CN
des Ristorante La Contea in
Tel.: +39/0173/63 83 33
www.laciaudeltornavento.it
Neive. —
A LA C ARTE
FOTOS V. L. N. R.: WWW.LEFOTODIMARZO.IT, LUCIANO MOVIO
pilzen à la Willsberger und das Capretto vom offe- Li.: Il Boscareto, eine
Bleibe &
nen Kamin in der Stube. Ich fahre sicher wieder hin, komfortable
ein Gourmetrestaurant
aber Freunde nehme ich nur mehr mit, wenn ich mit herrlichem Blick in
dabei bin. Ansonsten ist es besser, sie gehen gleich die Landschaft
in die Trattoria La Coccinella in Serravalle zu den Re.: Die Betreiber der
winzigen Trattoria La
drei Brüdern Demaio, wo in letzter Zeit alle begeis- Repubblica di Perno
tert waren, die ich hingeschickt habe. Gute Unterkünfte in der Gegend sind die Trattoria del Bivio (dort gibt es auch
Tajarin, so gut wie in der Antica Torre), die luxuriösen Relais Le Due
Matote, Corte di Lequio oder Ca’del Lupo.
In Monforte schläft man entweder in der Villa Beccaris (oder ihrer
Dependance Anfiteatro Appartments etwas außerhalb) oder bei Altmeister Nino Rocca im Felicin, der zusammen mit der immer noch sehr guten
La Posta die die Flagge der traditionellen Feinschmeckeradressen in Monforte seit Jahrzehnten hochhält.

Similar documents