Zur Erinnerung an Paul Celan 1920 -1970

Transcription

Zur Erinnerung an Paul Celan 1920 -1970
1
Zur Erinnerung an Paul Celan 1920 -1970
Gedichte von Paul Celan und ihre Interpretationen
Adorno: >Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch<.
Paul Antschels >Todesfuge<
Mit Hilfe der Biographie von John Felstiner über Paul Celan1
(Es ist nicht mehr)
Celans Lyrik, in deutscher Sprache geschrieben, stellt eine besondere Herausforderung
dar. Denn das >Tausendjährige Reich< hat den Völkermord an den europäischen Juden mit
Hilfe der Sprache organisiert. Parolen und Diffamierungen, pseudowissenschaftliches Dogma,
Propaganda, Euphemismus und Jargon2 waren es, die jede Vernichtungs–Aktion in Gang
setzten, von den ersten Rasse - >Gesetzen< über die >Sonderbehandlung< in den Lagern bis
zur letzten >Umsiedlung< von jüdischen Waisenkindern.
Felstiner schreibt: Celan ist ein exemplarischer Nachkriegsdichter geworden, weil er
beharrlich auf Deutsch die Katastrophe registrierte, die von Deutschland ausging. Da seine
Welt vernichtet war, hielt er die Muttersprache fest, seine Sprache und die der Mörder –
buchstäblich alles, was ihm geblieben war. Insoweit es die Sprache war, die schaden
genommen hatte, konnte sein Vers vielleicht diesen Schaden heilen.
Celan schrieb einmal: Es gibt keine Zeile meiner Gedichte, die nichts mit meiner
Existenz zu tun hätten; ich bin ... auf meine Art Realist.
(Die nachzustotternde Welt)
In polyglotter3 Umgebung erwuchs in den zwanziger und dreißiger Jahre die Gestalt
von Paul Antschels Kindheit. (Den Namen Paul Celan gab er sich erst nach dem zweiten
Weltkrieg). Die Menschen der Bukowina sprachen ukrainisch, rumänisch, hochdeutsch,
schwäbisch und jiddisch, daneben andere Sprachen und Dialekte. In Czernowitz, wo Paul am
23. November 1920 zur Welt kam, war fast die Hälfte der 1oo ooo Einwohner Juden, >Klein
– Wien< nannten sie ihre Stadt. Zu Hause wuchs Paul mit Deutsch auf, in der Schule lernte er
fließend Rumänisch. Er verstand auch Jiddisch und Ukrainisch und teilte wohl vor dem Krieg
die Verachtung des hochdeutsch Sprechenden für die jiddische Sprache.
Er war Staatsbürger des Königreiches Rumänien; ein Jahr zuvor hatten seine Eltern
ihre österreichische Staatsbürgerschaft gegen die rumänische eingetauscht, da die Bukowina
1919 an das Königreich Rumänien gefallen war. Es war ein weiser Entschluss. Denn – um
hier vorzugreifen – als die Sowjets 1940 die Bukowina besetzten, stempelten sie Juden , die
ihren österreichischen Pass behalten hatten, gemeinsam mit Österreichern und Deutschen als
Feinde ab und verschleppten sie, als die Front immer näher rückte, nach Sibirien. In der Zeit
der ersten Sowjetbesetzung wurde Celan von einem Tag auf den anderen Sowjetbürger. Ein
Jahr später, als rumänische Truppen die Bukowina wieder eroberten, wurde er Bürger des
faschistischen Rumänien, aber die rumänischen Faschisten sprachen den Bukowiner Juden die
rumänische Staatsbürgerschaft ab. 1944 besetzten die Sowjets die Bukowina noch einmal;
und schon wieder wechselte Celan seine Staatsbürgerschaft.
Die Sprache, in der er aufging, war ohne Frage das Deutsche, die Muttersprache.
Während Pauls Vater Wert auf die jüdische Erziehung seines Sohnes legte, war der Mutter
>die deutsche Sprache wichtiger, und sie achtete ihr Leben lang darauf, daß im Haus ein
korrektes Schriftdeutsch gesprochen wurde – die Bukowiner Umgangssprache duldete sie
nicht.< die Erinnerungen an die Mutter, welche Celans Dichtung durchweben, verknüpfen sie
mit der Muttersprache: >das Mutterwort führte (mich)<, wird Celan später sagen. Dagegen
1
2
scheint die fast völlige Abwesenheit des Vaters in Celans Dichtung das distanzierte,
schwierige Vater – Sohn – Verhältnis zu spiegeln.
Leo Antschel war orthodox aufgewachsen und vertrat entschieden zionistische
Überzeugungen, und Paul, das einzige Kind, empfand deren drückende Last. Mit sechs Jahren
wurde er aus einer liberalen, deutschsprachigen Volksschule genommen und auf eine
hebräische geschickt. Diese Schule hatte früher die Assimilation der Juden an die
österreichisch–deutsche Kultur unterstützt; danach machte sich der jiddischistische Einfluß
des jüdisch–sozialistischen Bundes bemerkbar. In den drei Jahren, in denen Paul auf diese
Schule ging, wurden Zionismus und hebräischer Unterricht großgeschrieben. Auch nachdem
er 193o auf ein staatliches Gymnasium kam, mußte er weiter Hebräisch lernen, Celan scheint
hier das Schicksal einiger anderer jüdischer Autoren zu teilen. Man denke an Proust; an
Sigmund Freud, an Martin Buber4, der seit dem dritten Lebensjahr das Fehlen der Mutter
schmerzlich empfand; an Ossip Mandelstam5, der sich an das >jüdische Chaos< seines Vaters,
eines Kaufmanns, gegenüber dem sonoren Russisch seiner Mutter erinnerte; vor allem aber an
Franz Kafka. In der Tat äußerte Celan einem Freund gegenüber, in jüdischen Familien müsse
Kafkas bitterer Brief an den Vater immerfort aufs Neue geschrieben werden.
Nach der Bar Mitzwa6 1933 trat, Celan mit anderen linksorientierten Schülern aus dem
zionistischen Jugendbund >Davidia< aus. Zu einer Zeit, da die Cernowitzer vor ihren
Rundfunkgeräten den Tiraden Adolf Hitlers lauschten und kommunistische Betätigung mit
Folter und Haft geahndet wurde, trat Paul einer antifaschistischen Jugendgruppe bei, die
überwiegend aus Juden bestand. Er übersetzte marxistische Schriften von Deutsch ins
Rumänische. Der Schlachtruf >No pasaran< tauchte später zweimal in seinen Gedichten auf.
Celan bezeichnete sich als einen >auch mit den Schriften Peter Kropotkins und Gustav
Landauer Aufgewachsenen<.
(Schibboleth)
Er las Goethe, Schiller, Heine, Trakl, Hölderlin7, Nietzsche, Verlaine, Rimbaud und
später Hofmannsthal und Kafka.
Etwa um diese Zeit, mit fünfzehn oder sechzehn Jahren, begann er, Lyrik zu
schreiben.
Pauls Eltern hätten ihren Sohn gern als Arzt gesehen, aber die rumänischen
medizinischen Fakultäten schlossen Juden aus.
1938 war er in Frankreich, um in Tours Vorbereitungskurse für das Medizinstudium
zu absolvieren. In Frankreich begegnete er Bürgerkriegsflüchtlinge aus Spanien und studierte
die Avantgarde wahrscheinlich aufmerksamer als die Medizin.
Nach dem Nichtangriffspakt zwischen Hitler und Stalin und dem Ausbruch des
Krieges im September 1939 wurde Rumänien gezwungen, die nördliche Bukowina an die
UdSSR abzutreten. Im Juni 1940 besetzten russische Truppen Czernowitz. Die Präsenz des
Stalinismus und die willkürlichen Deportartionen nach Sibirien raubten ihm alle noch
verbliebenen Illusionen. >Jetzt bin ich Trotzkist<, sagte er.
Als Hitler den russisch – deutschen Nichtangriffspakt brach und am 22. Juni in das
sowjetische Territorium einmarschierte, flohen einige von Pauls Freunden mit den Russen in
die Sowjetunion, andere wurden in die sowjetische Armee gepreßt. Überall in der Bukowina
Bessarabien und Moldau übernahmen rumänische Soldaten das Kommando und erstaunten
sogar die deutsche Armee durch ihr brutales Vorgehen gegen Juden. In Czernowitz wurde der
Große Tempel niedergebrannt; das Tragen des gelben Judensterns wurde Pflicht; führende
Vertreter der jüdischen Gemeinde und dreitausend weitere Personen wurden innerhalb der
ersten vierundzwanzig Stunden niedergemetzelt, viele andere geplündert und gefoltert; die
Juden wurden in ein Ghetto getrieben und später zu Zehntausenden deportiert. In der
2
3
Ghettozeit übersetzt Paul einige Shakespeare – Sonette. Es entstehen einige Gedichte, eine
Aneinanderreihung surrealer Bilder.
Pauls Familie verließ im Herbst 1941 das Ghetto und wurde am 27. Juni1942 wieder
geholt. Es ist ihm niemals leichtgefallen, über dieses Ereignis zu berichten. Seiner Freundin
Ruth Lackner zufolge besorgte sie ihm einen Unterschlupf in einer Kosmetikfabrik. Paul
beschwor seine Eltern, sich ebenfalls dort zu verstecken, aber seine Mutter hatte resigniert:>
Man kann seinem Schicksal nicht entgehen, in Transnistria leben doch schon viele Juden. <
(Sie konnte unmöglich wissen, daß mittlerweile zwei Drittel der nach Transnistrien
deportierten Juden den Tod gefunden hatten). Paul soll in Streit mit seinem Vater geraten und
voller Zorn davongerannt sein. Soviel scheint festzustehen, gleichgültig, wo er gewesen sein
mag und was zwischen ihm und den Eltern vorgefallen war – als er zurück kam war das Haus
leer, die Haustür versiegelt und Mutter und Vater verschwunden.8
Was sein eigenes Elend betraf, so erwähnte Celan zwanzig Jahre später nur trocken
>die Kriegsjahre, die ich hin und wieder in sogenannten Arbeitslagern in Rumänien
>verbrachte<. Das Verfassen von Gedichten und die in ihnen gestaltete Fassung gaben ihm
einen Grund weiterzuleben. >Schaufeln< pflegte er zu antworten, wenn man ihn bei seinen
kurzen Heimaturlauben in Czernowitz fragte, was er im Lager tun müsse.
Pauls Vater starb im Herbst 1942 im ukrainischen Todeslager Michailowka an
Typhus. Einige Monate später erfuhr Paul (scheibchenweise), wie er später erzählte – vom
Schicksal seiner Mutter. Irgendwann Ende 1942 oder Anfang 1943, hörte er von einem
Verwandten, der aus Transnistrien hatte fliehen können, daß seine Mutter als arbeitsunfähig
erschossen worden war.
Unter diesem Eindruck schrieb er einige Vierzeiler mit dem Titel >Winter<, die eine
gespenstische, unfaßbare ukrainische Landschaft einzufangen trachten.
Wann und wo genau die Periode der Zwangsarbeit – von Juli 1942 bis etwa Feber
1944 – zu Ende ging und wie Celan nach Czernowitz zurückkam, bleibt im Dunkeln.9
1944 bestand kein Zweifel mehr, daß trotz des frühen Medizinstudiums Paul Antschel
ein Dichter war. Schwarze Flocken aus >Winter< enthält in einem einzigen Augenblick die
Katastrophe des europäischen Judentums, und den privaten Verlust.
Zu erwähnen ist auch, daß. 1919 in Czernowitz eine Literaturzeitschrift mit dem
Namen „Nerv“ erschienen ist. Hoisie schreibt dazu: Von der Front oder aus dem Refugium
nach Czernowitz zurückgekehrt, gehörten die mehrheitlich jüdischen „Nerv“ Autoren Albert
Maurüber, Arthur Kraft, Lothar Wurzet, Ernst Maria Flinker, Karl Sebastian Markus, Artur
Oberländer oder Alfred Margul – Sperber zu denen, die als außerhalb des örtlichen
„Establishments“ stehende junge Leute vor 1914 ein eigenständiges, intellektuelles und
gegenüber der Macht kompromissloses Denken bekunden konnten. ... 10
Dieses neue literarische – kulturelle „Feld“ setzte keinerlei örtliche kulturelle
Unternehmungen fort, es knüpfte hier an nichts an. auf diese Weise entstand ein ganz
unspezifischer Typus von „Regionalliteratur“, dessen Selbstbewusstsein sich im Gegensatz zu
dem „heimatlichen Modell“ eher auf Grund eines kosmopolitisch – „ universalistischen“
Bekenntnisses zu den humanistischen Werten der kulturproduzierenden „Weltsprache „
Deutsch definierte. diese „Regionalliteratur“ fußte auf dem städtischen Wesen und dem
Kosmopolitismus des Czernowitzer jüdischen Bürgertums, im Gegensatz zu der
folkloristischen „Heimatliteratur“ der „Volksdeutschen“, die sich mit den kulturellen Feldern
der Siebenbürger Sachsen und der Banater Schwaben verbündet hatte.
Um auch zu verstehen was für eine Sprache Schaden genommen hatte.
Bald nachdem Paul Anfang 1944 von der Zwangsarbeit heimkehrte, stellte er ein
Typoskript mit 93 Gedichten zusammen. (Nach Milo Dor sollte er der Zwangsarbeit
3
4
entkommen und zu den Russen geraten sein, wo man den ehemaligen Medizinstudenten als
Sanitäter einsetzte.)
Als Frucht jener Monate, da der Krieg endete und die Katastrophe des Judentums
offenbar wurde, schrieb Paul Antschel ein Gedicht das zum Inbegriff für Dichtung >nach
Auschwitz< wurde: Todesfuge.11
Für eine 1962 erschienen Anthologie datierte Celan die Todesfuge auf 1945. Vielleicht
entstand eine erste Fassung in Czernowitz und eine endgültige erst nach Antschels Emigration
im April 1945. Das war jedenfalls der Eindruck von Petre Solomon, einem guten Freund Paul
Antschels in Bukarest, dessen 1947 erschienene rumänische Übersetzung der Todesfuge die
erste Publikation des Gedichts überhaupt war. Solomon sagte, Celan habe das Gedicht >aus
Czernowitz mitgebracht, aber – nach zahlreichen Überarbeitungen – zweifellos erst in
Bukarest beendet<.12
Celan wies einmal darauf hin, daß Todesfuge aus einem Artikel über Juden entstanden
sei, die in einem Nazi – Lager Tanzmusik spielen mußten.
Er könnte auch eine Druckschrift vom 29. August 1944 über das Vernichtungslager
Lublin (Maidanek) gesehen haben. Im Juli 1944 hatte die Rote Arme Maidanek befreit und
ihre dortigen Entdekungen zu Propagandazwecken weltweit publik gemacht. Die Broschüre,
herausgegeben vom Moskauer Fremdsprachen – Verlag, erschien in verschiedenen Städten
und Sprachen. Von Konstantin Simonow verfaßt, berichtet sie unter anderem, daß zu KZ –
Funktionen Tangos und Foxtrotts gespielt wurden, und enthält andere Details, die an
Todesfuge gemahnen.13
Die rumänische Übersetzung von Todesfuge hieß Tangoul Morti (Todestango).14
Unweit von Czernowitz, im Lager Janowska in Lemberg (heute Lvov), befahl ein SS –
Leutnant jüdischen Geigern, einen Tango mit neuem Text namens Todestango zu spielen, der
bei Märschen, Folterungen, beim Gräberschaufeln und Hinrichtungen zu erklingen hatte. Vor
der Liquidierung des Lagers durch die SS wurde dann das ganze Orchester erschossen.15
Dieser Todestango, von dem es eine Schallplattenaufnahme gibt, basierte auf dem großen
Vorkriegsschlager des Argentiniers Eduardo Bianco. In der Tat trat Biancos Band in Paris
auf, als Paul Antschel dort Anfang 1939 lebte, und spielte wenig später vor Hitler und
Goebbels, die beide den Tango dem >dekadenten < Negerjazz vorzog.16
Celans kleine Revision, vom zweisilbigen >tango< zur zweisilbigen >fuge<,
erweiterte den Strahlkreis des Gedichts; denn die Kunst der Fuge war die musikalische
Summe des Schaffens von Johann Sebastian Bach, unserem einzigartigen Meister aus
Deutschland, die vor dem Wohnhaus des Auschwitzer Lagerkommandanten erklangen.17
Oder unseren Tod. Denn Todesfuge greift in altetablierte Traditionen deutscher und
österreichischer Kultur ein: die Verbindung von Tod und Musik, wie in Schuberts Der Tod
und das Mädchen, Wagners Liebestod der Isolde, Brahms’ Ein deutsches Requiem und
Mahlers Kindertotenliedern. Celans Gedicht macht diese Tradition zunichte.18
Es steckt Versmusik in Celans variierenden Rhythmen, seinen Refrains und
wiederkehrenden Motiven, seinen Alliterationen19 und dem seltenen Reim.
(Todesfuge)
Bei einer Fuge ist nicht der individuelle musikalische originelle Einfall und
Ausdrucksstil entscheidend, sondern das Gefüge des Ganzen. Der Musiker des Barock tritt
hinter sein Werk zurück, er versteht sich nicht als Genie, sondern als Diener. Seine Musik ist
Abbild des Kosmos, der göttlichen Ordnung. Dennoch erscheint eine Fuge auch modern, denn
sie ist „multiperspektivisch“.20 Hört man eine Fuge, so schreitet man wie um eine Skulptur
herum, man nimmt verschiedene Perspektiven ein, das Licht wechselt.
4
5
Mit den 20er Jahren setzte ein neuer Aufschwung der Bach – Rezeption ein, und die
Nazis feierten ihn als größten Künstler aller Zeiten (Peter Schleuning), die angestrebte
Weltherrschaft der Nazis sollte neben Terror und Vernichtung auch die deutsche Kultur und
ihre wichtigsten Exponenten „über alles“ stellen helfen. Der „Meister“ Bach wurde oft und
gern in KZs gespielt, auf Anordnung des „Meisters“ KZ – Kommandant. Bachs Werk –
Ergebnis des jahrelangen Ringens eines frommen Mannes letztlich um die Findung Gottes
durch, mit und in der Musik – war makabrerweise eines der zentralen Musikwerke der SS, sie
verordneten allen diesen „Kunstgenuss“, gespielt von Orchestern, deren ausgemergelte
Musiker ihre letzten Kräfte mobilisierten, um überleben zu können.
Im Gedicht sprechen die Opfer, entpersonalisiert, fast schon tot. Ihr Elend und Leid,
ihre Hoffnungslosigkeit scheinen zu schreien nach starker emotionaler Expression, aber durch
die Wiederholungen in Varianten wirkt das, was sie sagen, eher gleichmütig, fast schon
schicksalsergeben. Aber eine Fuge ist eben ein entsubjektivierendes Formprinzip, das Grauen
der KZs spiegelt sich darin weit wirkungsmächtiger als in individueller Aussprache.
Konsequent deshalb auch die Wahl des kollektiven Wir.
>Schwarze Milch< – eine kühle Metapher (so wie >Schwarze Flocken<). Es bedarf einer
Metapher – jener Redefigur, mit der wir etwas Kontrafaktisches21 behaupten –, um ein
Faktum zu vermitteln. Diese Metapher ist extrem, und bittersüß. Sie macht Nahrung zunichte,
die der Menschheit lebensnotwendig ist.
Aber vielleicht haben wir gar keine Metapher vor uns. Vielleicht erhielten die
Lagerinsassen wirklich eine Brühe vorgesetzt, die sie schlicht deskriptiv als >schwarze
Milch< bezeichneten.
Wie und wo Celan auf >schwarze Milch< kam, ist nicht festzustellen. Das Bild taucht
in einen 1939 erschienenen Gedichtband der Czernowitzer Lyrikerin Rose Ausländer auf und
könnte noch ferneren Ursprungs sein. Es könnte aus den Klageliedern22 geronnen sein. >Ihre
Fürsten waren... klarer denn Milch. Nun aber ist ihre Gestalt so dunkel vor Schwärze. <
Das Substantiv >Milch< kann für >Leben< stehen, das Adjektiv >schwarz< kann für
Tod stehen. Das Oxymoron23 >Schwarze Milch< evoziert24 also die Gleichzeitigkeit von
Leben und Tod. das ist genau der Status der Juden in den Vernichtungslagern: Sie sind zum
Tode verurteilt, sie wissen es. Und sie leben ihren Tod Minute für Minute, oder, um wie
Sartre zu sprechen, sie existieren ihren Tod. Schwarze Milch trinken heißt, den Tod in sich
aufnehmen, ihn essen, ihn trinken, ihn einatmen zu jeder Tages- und Nachtzeit, den
gewaltsamen Tod, der zu früh kommt, ehe die Lebensuhr abgelaufen ist.
Todesfuge, Celans einziges Gedicht, das nicht durch Interpunktion gebremst wird,
findet in der ersten Zeile einen Rhythmus
>wir trinken sie abends<
und hält dieses Steigen und Fallen durch bis zuletzt. Hier haben wir die elementare Geste des
Gedichts vor uns, das Zeitmaß der Erniedrigung, einen sinnlosen, unentrinnbaren Kreislauf,
wie Nietzsche ihn als den >furchtbarsten< Aspekt der Wiederkehr des ewig Gleichen
benannte. >Wir trinken und trinken< - ein schunkelnder Rhythmus, der an beliebte deutsche
Sauf- und Trinklieder denken läßt – sagen wir im Münchner Bürgerbräukeller, wo der
Nazismus entstand. >Wir trinken und trinken <:man sieht die Leiber sich wiegen, man hört
die Bierkrüge krachen – bis man sich erinnert, wer es ist, der in Todesfuge >wir< sagt.
Das kollektive >Wir< ist verurteilt zum „Trinken“. Es steht Zwang und Gepresstheit hinter
diesem „Trinken“.
Für Celan wie für die meisten Überlebenden erwächst aus der Schwierigkeit, Zeugnis
zu geben, die Notwendigkeit, es zu tun. Und in der Stimme die er annimmt – >wir schaufeln
ein Grab in den Lüften< –, liegt verborgen sein eigenes Leid. Wie sagte er doch, wenn
Freunde ihn fragten, was er im Arbeitslager tue: >Schaufeln<
5
6
>Da liegt man nicht eng<
Das Wort >eng< stand für vieles im semantischen25 Universum Paul Celans. In >schwarze
Flocken< bat die Mutter des Dichters um ein Tüchlein, >daß ich wahre...die Enge der Welt<,
und Jahre später beschwor der Dichter >deine allereigenste Enge<.
Durch die lakonische Fügung erhält die Vorstellung, daß diese Häftlinge nicht mehr in
schlechten Baracken zusammengepfercht sein werden, sobald sie in Rauch aufgegangen sind,
den Beigeschmack des Sprichwörtlichen. Oder nicht eng wie in der Erde – der Tod als
Erlösung.
>Ein Mann wohnt im Haus<
so hören wir in der fünften Zeile des Gedichts;
Der Mörder hat keine eigene Stimme in der Partitur, er kommt nur indirekt zu Wort in der
Klage des Chores, allerdings geben die Opfer seine brutalen Befehle in direkter Rede wieder.
Der Mörder ist ganz Aktivität, die Opfer sind ganz Passivität. Ihre Widerstandskraft ist durch
das Auftreten des Peinigers gelähmt. Dass er im Haus wohnt, macht den Mann allein schon
den Opfern überlegen, denn sie sind unbehaust in des Wortes stärkster Bedeutung. Im Haus
wohnen heißt: Geborgenheit genießen, bürgerliche Rechte haben und ausüben, zur
Herrenrasse gehören. Unbehaust sein heißt: heimatlos, rechtlos vogelfrei sein, heißt, zur
Gattung der Untermenschen gehören.
Dann
>der spielt mit den Schlagen der schreibt<
wo die Alliteration den Akt des Schreibens mit Giftigkeit verknüpft. Und die Schlange ist im
alten Testament das Prinzip des Bösen. Der Mann im Haus steht mit dem Bösen im Bunde,
bzw. er betreibt das Böse als Spiel und als Lust. Obschon das Spiel mit den Schlangen den
dämonischen Aspekt des Mörders hervorzukehren scheint, relativiert der Autor diesen
Eindruck im Folgenden, indem er die Banalität seiner Person herausstreicht. Nimmt Celan
damit die Erkenntnis der Banalität des Bösen vorweg, mit der Hannah Arendt die
Naziverbrecher und ihre Taten charakterisiert?
>der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland<,
das die Dunkelheit mit Deutschland verknüpft. Das Wort >Deutschland< begegnet in Celans
Lyrik nur dieses eine Mal.
Seiner psychischen Konstitution nach ist der Mann im Haus zugleich sentimentaler
Schwärmer und Sadist. der gestirnte Himmel macht ihn nostalgisch, er schreibt Liebesbriefe
an seine Geliebte nach Deutschland, und im nächsten Augenblick tritt er vors Haus, um seine
Opfer zu peinigen.
Wenn Celan den Lagerkommandanten an die Geliebte schreiben läßt:
>dein goldenes Haar Margarete<
versetzt er dem romantischen Ideal der Deutschen gleich einen doppelten Hieb. Zum einen ist
>Margarete< die Namensschwester der tragischen Heldin bei Goethe – jenem Goethe, dessen
berühmte Eiche bei Weimar die SS in Buchenwald sorgsam schonte.
Ebenfalls in Todesfuge gegenwärtig ist Heinrich Heine – wie Celan ein
deutschsprachiger Dichter im Pariser Exil, dessen Gefühle gegenüber dem Vaterland
ambivalent waren. Wenn der Lagerkommandant seiner Geliebten >goldenes Haar< preist, tut
er es dem romantischen deutschen Gedicht nach, Heinrich Heines >Lorelei<: Diese Sirene
>kämmt ihr goldenes Haar< wenn der Abend >dunkelt<, und singt eine verführerische
>Melodei<. Von den Kulturkommissaren der Nazis war Heines Gedicht zum >Volkslied<
eines >unbekannten Verfassers< gemacht worden, und Celan, der um diese Säuberungen
wußte, hat sich zuletzt mit Heinrich Heine identifiziert.
6
7
Die schlesischen Weber (Heine, 1844)26 stellte mit einem bekannten Refrain das
repressive Vaterland an den Pranger: >Wir weben, wir weben< – hundert Jahre später, in
Todesfuge, wird es heißen >wir trinken und trinken<. Das Problem ist daß die Sprecher bei
Celan ihr eigenes Schicksal trinken, nicht das Schicksal ihrer Unterdrücker in ein Tuch
weben. Und selbst jene schlesischen Weber wurden zum Schweigen gebracht – nicht weit von
Oswiecim, das auf Deutsch Auschwitz heißt.
Im längsten Vers –
>er schreibt es>
Der deutsche Kulturmensch schreibt vorher alles auf, dann verlässt er das Haus.
>und tritt vor das Haus und es blitzen die Sterne er pfeift seine Rüden herbei<
Da klingt Hitlers >Blitzkrieg< ebenso an wie Puccinis >Tosca<27 und das im Dritte Reich
beliebte Lied >Heimat, deine Sterne<.28 Diese wehmütige Weise, die SS – Offiziere das
Auschwitzer Lagerorchester spielen ließen, verleiht Celans Gedicht einen bitteren
Geschmack, besonders, wenn auch ein Davidsstern über dieser Zeile auszumachen ist.
Den blitzenden Sternen folgt ein krasser Kontrapunkt – Die Sterne, in der
traditionellen Dichtung oft Ausdruck für Sehnsucht, beginnen in dem Augenblick, wo der
Mörder das Haus verläßt, zu >blitzen< das heißt: die Sehnsucht, die den Mann eben noch
Liebesbriefe schreiben ließ, schlägt unvermittelt um in Aggression, in sadistische Lust, die
den Opfern zum Schicksal wird.
>er pfeift seine Rüden herbei / er pfeift seine Juden hervor< –
die Nazischergen pflegten ihre Juden >Hunde< zu nennen und ihre Schäferhunde >Männer<.
Das schrille Pfeifsignal, mit dem Juden und Rüden hervorgeholt werden, ist ein weiterer
verstärkter Ausdruck dieser Aggression.
Da die Worte der Opfer dieses Gedicht tragen, sind wir verblüfft, wenn sie von einer anderen
Stimme berichten:
>er befiehlt uns spielt auf nun zum Tanz<
Dieser >Tanz< treibt seinen bitteren Spott mit Dingen wie >Tanz mal Jude! <, was nach der
Erinnerung Überlebender die SS zu rufen liebten. Gleichzeitig gibt der unerbittliche
Rhythmus, den das Gedicht durchhält, dem >Tanz< die Gewalt eines Totentanzes.
(Breughelscher Totentanz). Durch das Motiv des Tanzes assoziiert der Autor das makabre
Bild des mittelalterlichen Totentanzes. Der >Mann im Haus< schlüpft in die Rolle des Todes,
der die zu Skeletten herabgemagerten Juden zum Todesreigen führt.
Die jüdische Geigerin Alma Rose, die das Mädchenorchester von Auschwitz leitete,
berichtete über den dortigen Lagerkommandanten: Der Lagerkommandant Kramer hat
geweint, wenn wir die Träumerei von Schumann spielten. Kramer hat 24.000 Menschen
vergast. Wenn er von seiner Arbeit müde war, kam er zu uns und hörte sich Musik an.
Wieder beginnt eine Strophe mit >Schwarzer Milch< aber anstatt zu sagen >wir
trinken sie<, spricht die Stimme nun die Milch direkt an: >wir trinken dich<. wenn diese
Sprecher den Blick auf die schwarze Milch nun selbst heften – ist es Krematoriumsrauch? -,
scheint ein erster Schritt des Widerstands getan.
Die zweite Strophe wiederholt zwar fast wörtlich die erste; aber eine neue Rede
unterbricht den >Meister< und seine Romantik. Nach <dein goldenes Haar Margarete< kann
es nicht der Lagerkommandant sein, der sagt >dein aschenes Haar Sulamith<. Ein Zeilenende
trennt sie.
Sulamith ist die >schwarze und liebliche Freundin aus dem Hohelied Salomons, eine
Fürstentochter, deren Haar >wie der Purpur des Königs< ist und deren Gang >schön ist in den
Schuhen<.29 Ihr Name, verwandt mit Shalom (Friede) oder Yerushalayim (Jerusalem), wahrt
seine Identität. Celan hatte schon früher eine solche Gestalt aus dem Hohelied beschworen, in
7
8
dem Gedicht >Legende< (1939): >Es ist meine Schwester, es ist meine Liebste<. Sulamith ist
die Geliebte par exellence und steht für das jüdische Volk selbst: >Kehre wieder, kehre
wieder, o Sulamith! kehre wieder, kehre wieder, daß wir dich schauen! < (Hohelied 7,I). Da
das Hohelied am Passahfest gelesen wird, verkörpert Sulamith die Verheißung der Rückkehr
nach Zion. Wenn >Todesfuge< Sulamith neben die fromme, von Faust zerstörte Margarete
stellt, kann nichts die beiden versöhnen.
>er ruft stecht tiefer in Erdreich ihr einen ihr andern singet
und spielt
30
er greift nach dem Eisen im Gurt er schwingts seine Augen
sind blau
stecht tiefer die Spaten ihr einen ihr andern spielt weiter zum
Tanz auf
Psalm137, 3.4 heißt es:> Denn dort hießen uns singen, die uns gefangen hielten,...Wie
sollten wir des Herrn Lied singen in fremden Landen? < Das moderne Gedicht erzwingt jetzt
das Musizieren zum Töten:
Er ruft spielt süßer den Tod der Tod ist ein Meister aus
Deutschland
Der >Mann im Haus< der Todesfuge hat die gleichen Eigenschaften, die Alma Rose dem
Lagerkommandanten Kramer zuschreibt: eine Verbindung von ästhetischer Sensibilität und
Sadismus. Sentimentale Erregung und musikalische Emotionalität finden bei diesem Typus
Mensch ihren Höhepunkt in der sadistischen Handlung. In dem für ihn grausam – lustvollen
Ritual des Totentanzes läßt der >Mann im Haus< >seine Juden< tanzen und spielen, und er
zelebriert mit diesem makabren Schauspiel die obszöne Symbiose von Musik, Tod und
sadistischer Lust.31
er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch
in die Luft
dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng
Celans Wendung >spielt süßer den Tod< läßt an die Bach – Arie >komm. süßer Tod<
denken. Aber >streicht dunkler die Geigen< insistiert auf der verzweifelten Ironie dieser
Erinnerung – gingen doch zahllose gute und weniger gute Geiger zusammen mit ihren
Kollegen zugrunde.
>spielt süßer den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland<
Der Tod, in sich selbst verkeilt, wird Resultat und Ursprung in eins.
Mit dem Auftauchen des Meister – Motivs faßt Celans Vers gleichsam Tritt und
verfällt in den einzigen Reim des Gedichts:
>der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau
er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau<32
Die gefeierte Reinheit des eisblauen nordischen Auges präsentiert sich volksliedhaft,
als kindlich–redseliger Singsang, der in einem abgedroschenen Reim endet. Auch Goethe
reimt auf >genau< im Erlkönig, den Schubert so leidenschaftlich vertont hat.
Ein Meister ist im deutschen Sprachgebrauch derjenige, der in einer Fertigkeit eine
gewisse Perfektion erreicht hat. Das gilt für alle praktischen Bereiche, auch für den der Kunst
und insbesondere für den der Musik, wo der >maestro< den talentierten Dirigenten oder das
musikalische Genie bezeichnet. Der Deutsche als Meister der Musik, der Deutsche als Meister
im millionenfachen Töten Unschuldiger. Jean – Paul Sartre sagt, daß der Sadist sich in einem
8
9
Zustand der Gefühlskälte über seine Opfer hermacht.33 Deshalb bleibt sein Auge selbst im
vollen Rausch der sadistischen Lust ungetrübt. Seine Hand zittert nicht. Der Mörder der
Todesfuge zielt genau, und seine Kugel trifft mit der Präzision einer Maschine.
Sobald dieser >Meister aus Deutschland< dreimal und dann zum vierten Male genannt
wird, hat Todesfuge ihre eigene, reale Zeit durchmessen. Rhythmus und Repetition sind zum
System geworden. Die Logik der Todesfuge, ihr Vorzug oder ihr Fehler, ist ihre Musikalität.
Morgens und mittags und abends und nachts:
Die letzten beiden Zeilen des Gedichts sind Litanei – artige Anrufungen Sulamiths
und Margaretes die Zwillingsmotive, die im Laufe des Gedichts aufeinander ihre Schatten
warfen, treten am Ende zusammen. Sie hätten Schwestern sein können oder Freundinnen.
Eine verbrecherische Ideologie hat es unmöglich gemacht.
>dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith<
Deutsch – Jüdisch: allein der Bindestrich signalisiert eine untergegangene Welt, so wie
es die abschließenden Zeilen von Todesfuge tun.
Auch erscheinen John Felstiner die beiden Frauengestalten, beide geliebte
Repräsentantinnen ihrer Kultur, eher beide als Opfer. Von den Opfern sagt Neumann, „sie
werden exekutiert, indem sie Schönheit exekutieren“, ihr Gesang, der Kunst der Fuge folgend,
zeigt, wie im KZ auch „Kultur“ zum Opfer wird, durch äußerste Pervertierung. Sulamith und
Margarete finden den Tod.
Zu erwähnen sind noch Gedichte die Ähnlichkeiten mit „Todesfuge“ aufweisen. Da
wäre Trakls Gedicht „Psalm“ Paul Celan notierte dazu >Seltsam! vgl. Todesfuge<. Die 1970
Erstveröffentlichung von Immanuel Weissglas` Gedicht „Er“ von 1944 (in dem sich Motive
und sogar wörtliche Wendungen der „Todesfuge“ finden). Die Witwe Yvan Golls behauptete
1960, Celan habe Yvan Goll plagiiert, indem er eine Vielzahl von poetischen Metaphern von
ihm übernommen habe, so auch die „Schwarze Milch der Frühe“ aus der „Todesfuge“.34
Wanderung
Als Antschel Ende April 1945 in einem überfüllten russischen Militär – Kraftwagen
von Cernowitz nach Bukarest fuhr, überschritt er neben der politischen auch eine persönliche
Grenze. Nicht nur die physische Heimat ließ er zurück, die nunmehr verloren war, sondern
auch die Mutter und den Vater, die Kindheit und die Jugend.
Nach der Ankunft in Bukarest zeigte Antschel, die in Czernowitz entstandenen
Gedichte Alfred Margul – Sperber, der von ihnen begeistert war. Antschel fand Arbeit bei
dem neuen Verlag Cartea Rusa (>das russische Buch<), wo er Manuskripte lektorierte und
russische Literatur ins Rumänische übersetzte.
Neue Gedichte entstehen, darunter: >Ein Lied in der Wüste<, wobei >in der Wüste<
die Übersetzung des hebräischen Bamidbar ist, des Titel des 4. Buches Mose >Und der Herr
redet mit Mose in der Wüste Sinai<.
Die Jahre in Bukarest, von April 1945 bis Dezember 1947, waren nicht ganz und gar
Wüstenjahre. Paul betrachtete sie als Übergangszeit in der er Geld verdiente, um nach Wien
übersiedeln zu könne. Sein eigener, rumänischer Name Ancel wurde durch ein Anagramm zu
Celan. 1947 hatte Ungarn begonnen, Flüchtlinge aus Rumänien zurückzuschicken, und in
Rumänien wurden sie verhaftet und erschossen. Celan mußte flüchten.
>Er kam buchstäblich aus dem Nichts< erinnert sich ein Wiener Freund des Dichters
1970.
Angesichts schwieriger Lebensbedingungen und der geringen Aussicht auf
Fortsetzung des Studiums und angemessener Arbeit in der geteilten Stadt entschloß sich
9
10
Celan, Wien zu verlassen und nach Paris zu gehen, obwohl sein erster Gedichtband – Der
Sand aus den Urnen, mit Todesfuge als seiner Mitte – in Kürze in der österreichischen
Hauptstadt herauskommen sollte.
Exil
(In Ägypten)
Zwischen 1948 und 1952 schrieb Celan nicht mehr als sieben oder acht publizierbare
Gedichte pro Jahr. Celan lebte in Paris, wo er Übersetzungen anfertigte – einige gegen Geld,
andere mehr aus einem Gefühl der Affinität. Eine längst fällige Wende in Celans Leben
bescherte ihm im Dezember 1952 die ersehnte Ausgangsposition als Dichter, freilich noch
nicht die Befreiung von Übersetzungsarbeiten und Sprachunterricht. Ein Stuttgarter Verlag
brach >Mohn und Gedächtnis< heraus: Gedichte aus den Jahren 1944 bis 1955, darunter Teile
des verunglückten Wiener Lyrikbandes, Todesfuge – als eigener Abschnitt. Als Celan die
Gedichte der Jahre 1954 zusammenstellte nannte er den Sammelband: >Von Schwelle zu
Schwelle<. Jeder lyrische Vers ist geprägt von Wiederholungen aller Art. Für Celan gewinnt
seit Todsfuge die Wiederholung eine eigene Bedeutung. Das Spektrum der Repetition, so
Könnte man sagen, reicht vom Stammeln Moses bis zu Jahwes >Ich bin, der ich bin<.35
(Sprich auch du)
Ein großer Teil der fünfziger Jahre war für Celan mit Übersetzungen ausgefüllt, die zu
seinen Studien und Lehrverpflichtungen, zu Ehe und Vaterschaft, den Lesungen in
Deutschland und den Schreiben von Gedichten hinzukamen.
1958 bekam Celan den Bremer Literaturpreis. Seine Dankesrede, gehalten am 26.
Januar 1958, kleidete unbequeme Wahrheiten in das taktvolle Gewand exquisiter Ironie. So
heißt es dort:36
>Denken und Danken sind in unserer Sprache und Worte desselben Ursprungs. Wer
ihrem Sinn folgt, begibt sich in den Bedeutungsbereich von >gedenken<, >eingedenk sein<
>Andenken<, >Andacht<. Erlauben sie mir, ihnen von hier aus zu danken.
Die Landschaft, aus der ich – auf welchen Umwegen! aber gibt es das denn: Umwege?
–, die Landschaft, aus der ich zu Ihnen komme, dürfte den meisten von ihnen unbekannt sein.
Es ist die Landschaft, in der ein nicht unbeträchtlicher Teil jener chassidischen Geschichten
zu Hause war, die Martin Buber uns allen auf Deutsch wiedererzählt hat. Es war, wenn ich
diese topographische Skizze noch um einiges ergänzen darf, das mir, von sehr weit her, jetzt
vor Augen tritt, - es war eine Gegend, in der Mensch und Bücher lebten.
Erreichbar, nah und unverloren, blieb inmitten der Verluste dies eine: die Sprache.
Sie die Sprache, blieb unverloren, ja trotz allem. Aber sie mußte nun hindurchgehen
durch ihre eigenen Antwortlosigkeiten, hindurchgehen durch furchtbares Verstummen,
hindurchgehen durch die tausend Finsternisse todbringender Rede. Sie ging hindurch und gab
keine Worte her für das, was geschah; aber es ging durch dieses Geschehen. Ging hindurch
und durfte wieder zutage treten >angereichert< von all dem.
In dieser Sprache habe ich, in jenen Jahren und in den Jahren nachher, Gedichte zu
schreiben versucht: um zu sprechen, um mich zu orientieren, um zu erkunden, wo ich mich
befand und wohin es mit mir wollte, um mir Wirklichkeit zu entwerfen.
Denn das Gedicht ist nicht zeitlos. Gewiß, es erhebt einen Unendlichkeitsanspruch, es
sucht, durch die Zeit hindurchzugreifen – durch sie hindurch, nicht über sie hinweg.
Das Gedicht kann, da es ja eine Erscheinungsform der Sprache und damit seinem
Wesen nach dialogisch ist, eine Flaschenpost sein, in dem – gewiß nicht immer
hoffnungsstarken Glauben, sie könnte irgendwo und irgendwann an Land gespült werden, an
Herzland vielleicht. Gedichte sind auch in dieser Weise unterwegs: sie halten auf etwas zu.
10
11
Worauf? auf etwas Offenstehendes, Besetzbares, auf ein ansprechbares Du vielleicht,
auf eine ansprechbare Wirklichkeit.
Und ich glaube auch, daß Gedankengänge wie diese nicht nur meine eigenen
Bemühungen begleiten, sondern auch diejenigen anderer Lyriker der jüngeren Generation. Es
sind die Bemühungen dessen, der, überflogen von Sternen, die Menschenwerk sind, der,
zeltlos auch in diesem bisher ungeahnten Sinne und damit auf das unheimlichste im Freien,
mit seinem Dasein zur Sprache geht, wirklichkeitswund und Wirklichkeit suchend.<
Eine machtvolle Philosophie wird hier in die Pflicht genommen. Der Dichter, der >mit
seinem Dasein zur Sprache geht<, tut, was Heidegger postulierte (über zweitausendmal
kommt der Begriff >Dasein< in Sein und Zeit vor). Doch ging die deutsche Sprache durch
etwas hindurch, was Heidegger von sich aus niemals zur Sprache zu bringen vermochte. 37
Auf eine Weise, die Heidegger in die Schranken weist, beendet Celan seine Rede,
indem er hinter die Sprache zurückgeht, sich als >wirklichkeitswund und Wirklichkeit
suchend< offenbart. Der paradoxe Kontrast in dieser Formulierung entspricht der Wahrheit,
die Celans Leben und Werk beglaubigten: > Wachstum oder Wunde? < hatte er 1943 gefragt.
Jetzt weiß er es, der Wirklichkeit, die ihn verwundete, muß er auf der Spur bleibe:
>wirklichkeitswund und Wirklichkeit suchend<.
Lehrer in Deutschland hatten inzwischen die Todesfuge für sich vereinnahmt. Sie
haben das Gedicht >wie eine Bach’sche Fuge< behandelt >Thema, Gegenthema, Motiv,
Wiederholung, Variation, Modulation, Coda<. Abschließend fragte eine Lehrerin ihre
Schüler: Empfinden sie das Gedicht als Anklage? >Einmütiger Protest< war die Antwort: >
Es liegt im Gegenteil Verzeihen und Versöhnung darüber. <38
Wenn Todesfuge auf dem Weg war, vereinnahmt zu werden, mußte Celan jetzt etwas
Widerständiges schreiben und dabei über die frühere Form hinausgehen.
>Engführung<, das bei weitem anspruchsvollsten Gedicht Celans, entstand
unmittelbar nach der Bremer Rede, die den Dichter >wirklichkeitswund und Wirklichkeit
suchend< zurückließ. Seine 171 Zeilen, viele von ihnen nur ein oder zwei Silben lang39,
folgen einer „untrüglichen Spur“ – Untrüglich“, weil sie für die „Verbrachten“ direkt in den
Tod führen40, und „Spur“, weil für uns dieses Gedicht das einzige Zeugnis ist, das wir haben.
(Engführung)
Einem Bremer Journalisten vertraute er an: >In meinem ersten Gedichtband habe ich
manchmal noch verklärt das tu ich nie wieder! < In Engführung erfahren Form und Gehalt
von Todesfuge eine Neukonzeption; sie geht über das Phatos der schwarzen Milch hinaus und
erkundet Erinnerung selbst als Dimension des ursprünglichen Traumas. Der Schluß des
Gedichts verschmilzt mit seinem Beginn, so wie Erinnerung sich fast mit der Wirklichkeit
deckt.
Jürgen Lehmann schreibt:41 So ist Engführung eng auf eine andere, der gleichen
Thematik gewidmete künstlerische Auseinandersetzung bezogen, nämlich Alain Resnais`
Film >Nuit et Brouillard< (Nacht und Nebel), ein Film über die nationalsozialistischen
Konzentrationslager, der in einem als Gelände des Todes und des Leidens vorgestellten Raum
nach Spuren von Verbrechen, Leid und Tod sucht. 42 Den französischsprachigen Filmtext von
Jean Cayrol, der selbst Häftling in Mauthausen war, hat Celan 1956 ins Deutsche übersetzt.
Passagen daraus – filmische und sprachliche Sequenzen – sind in die Gestaltung von
Engführung eingegangen… 43
Danach entstehen >Übertragungen<, >Sprachgitter<, >Gespräch im Gebirg<, u. a. Für
uns interessant ist die >Meridian< – Rede.
11
12
Zwischen Mai und Oktober 1960 bereitete Celan sich darauf vor, den Georg –
Büchner – Preis entgegenzunehmen44, von der Nation kommend, die ihm so viel Grund zur
Verzweiflung bot, gab er Anlaß für ein poetisches Manifest in Gestalt einer Dankesrede.
Hören wir einen Satz aus den Notizen: >Wer das Gedicht aufnimmt, tritt an die Stelle jenes
Fremdesten, dem es – stimmlos und damit sprachnahe – zugesprochen bleibt; in der
Begegnung klingt, wie im Entstehen des Gedichts, Sprache an, wird Sprache frei.<
Der Satz selbst kommt in der Meridian – Rede nirgends vor, wohl aber seine
Schlüsselbegriffe und sein zentraler Gedanke: ein Gedicht, dem Fremdsein begegnend, setzt
Sprache frei.
Es ist erstaunlich, wieviele Autoren Celan im Meridian zu seiner Orientierung
heranzieht: Mallarmé45, Kafka, Büchner, Pascal, Landauer, Kropotkin, Malebranche,
Benjamin. Und noch etwas macht er mit Namen. Viermal im Verlauf der Rede trifft er
scheinbar beiläufig eine wesentliche Aussage mithilfe eines Mittelsmannes. Eine Bemerkung
über Büchners Drama zitierend, unterbricht sich Celan: wenn ich ein auf >Dantons Tod
gemünztes Wort Moritz Heimanns diesen Weg gehen lassen darf< – Die Ehrung und die
Erwähnung Moritz Heimanns, eines deutsch – jüdischen Autors und früheren Lektors des S.
Fischer Verlages, sind Teil eines Plans, den Celan verfolgt.
Ein weiteres Mal rahmt Celan ein Schlüsselzitat ein wenn er von der >Dunkelheit< der
Dichtung spricht: >Erlauben sie mir, an dieser Stelle unvermittelt – aber hat sich hier nicht jäh
etwas aufgetan? –, erlauben Sie mir, hier ein Wort von Pascal zu zitieren, ein Wort das ich vor
einiger Zeit bei Leo Schestow gelesen habe: Den Mangel an Klarheit muß man uns nicht
vorwerfen, wir bekennen uns ja dazu!<46 Celan hatte sich kurz zuvor ein Werk des
Philosophen Leo Schestow gekauft und dieses Zitat aus Pascal markiert. >Erlauben sie mir<
sagt Celan in Wirklichkeit, westliches Denken sich brechen zu lassen in diesem russischen
Juden, der im Pariser Exil gestorben ist.
Wenn Celan zum dritten Mal einen Umweg macht – >aber gibt es das denn: Umwege?
< hatte er 1958 in seiner Bremer Rede gefragt, sind es sogar zwei jüdische Autoren, durch
deren Stimme hindurch wir das Zitat hören. Celan spricht vom Gedicht, das >einsam und
unterwegs< ist, im >Geheimnis der Begegnung< steht. Dann definiert er:
>Aufmerksamkeit<… >erlauben sie mir hier, nach dem Kafka – Essay Walter Benjamins, ein
Wort von Malebranche zu zitieren –, Aufmerksamkeit ist das natürliche Gebet der Seele<47.
Bei seiner Benjamin – Lektüre im Dezember 1959 hatte Celan diese Zeilen unterstrichen.
Benjamin, über Kafka schreibend, differiert allein von Kafka. Celan, der Kafka durch die
Brille Walter Benjamins sieht, eines deutschen Juden im Pariser Exil, der 1940 Selbstmord
beging, verlangt so viel Aufmerksamkeit, wie sie kein Publikum der Welt >erlauben<
würde.48
Und noch einen Dolmetscher führt Celan ein, den er nicht gebraucht hätte. Seine
früheren Arbeiten: Zuerst an ein paar Zeilen von 1956, >Komm auf den Händen zu uns< Und
>vor einem Jahr<, fügt er hinzu, >brachte ich eine kleine Geschichte zu Papier< (Gespräch im
Gebirg). Von beiden Malen sagt er: >Ich bin ... mir selbst begegnet< – und die Ellipse ist von
ihm. Gedichte nennt er >Wege, auf denen die Sprache stimmhaft wird, es sind Begegnungen,
Wege einer Stimme zu einem wahrnehmenden Du. < Es sind Wege >auf der Suche nach sich
selbst...Eine Art Heimkehr<. Nachdem Celan diese am >Meridian< orientierte Vorstellung
von der Dichtung entwickelt hat, wendet er sich dem ersten Herausgeber Georg Büchners zu,
dem jüdischen Schriftsteller Karl Emil Franzos, der seine Kindheit in Czernowitz verlebte.
Seine von Anteilnahme geprägten Erzählungen machten das Leben des Ostjudentums im
Westen sichtbar.49
Heimann, Schestow, Benjamin, Franzos: sie ergeben eine Art Stammbaum und
demonstrieren den Hörern im Nachkriegs – Deutschland die besondere und allgemeine
Situation ihres preisgekrönten Dichters.
12
13
Nicht daß der Meridian irgendeine explizit jüdische Aussage gemacht hätte.
Stattdessen zitiert Celan aus Dantons Tod >ach, die Kunst! < – und behauptet von sich, er
habe >keine andere Wahl< als den >Akut< zu setzen, >den Akut des Heutigen<. Einige
Minuten läßt Celan im Unklaren, was er damit meint, bis er die Unterscheidung zwischen
>Kunst< und >Dichtung< trifft und eine >im eigentlichesten – Sinne radikale In – Frage –
Stellung der Kunst< fordert, eine >In – Frage – Stellung, zu der alle heutige Dichtung zurück
muß<. der Grund für diese In – Frage – Stellung >liegt wohl in der Luft – in der Luft, die wir
atmen müssen<.
Diese Luft, das politische Klima der Bundesrepublik, ähnelt der Luft, die Celans
Zuhörer aus der Todesfuge bekannt sein mochte: >dann steigt ihr als Rauch in die Luft<, Wie
schon gesagt,1960 konnte Celan miterleben, wie Todesfuge als >Kunstwerk< in den
Schulunterricht einging, um zu demonstrieren, wie >aktuelles Geschehen< vom Dichter
>künstlerisch bewältigt< werden kann. Gegen solche Bewältigung setzt der Meridian die
>radikale In – Frage – Stellung der Kunst< mit dem unverbrüchlichen Wort >eng<. >Die
Kunst erweitern? < fragt Celan. >Nein. Sondern geh mit der Kunst in deine allereigenste
Enge. Und setze dich frei. < Eines neuen Wortes bedarf es, um zu sagen, des Wortes
>allereigenste<. Nur an dieser Stelle gebraucht Celan in der Meridian – Rede die Anrede
>du< und >dein<- an sich selbst und an jeden gerichtet, der Ohren hat zu hören.
...>Geh mit der Kunst in deine allereigenste Enge. Und setze dich frei< Dieses letzte
Wort, >frei< ertönt wie ein Signal durch Celans Rede, zumal in dem Verbum >freisetzen<.
Ein Gedicht, das >ein Anderes freisetzt<, gelangt >in die Nähe eines Offenen und Freien<,
zuletzt in die Utopie<. Unabhängig von Heidegger hatte Celan seine eigene Verwendung von
>frei< entwickelt. Als seine Mutter einen Namen fand, >schwangen die Hämmer frei im
Glockenstuhl deines Schweigens<. Er sagte ihr: >sprech ich dich frei / vom Amen, das uns
übertäubt<. Die Toten nannte er >die Fremden und Freien<.
Um seinen Zuhörern zu erklären, welche Kräfte ein Gedicht freisetzen, erinnert Celan
sich an Lenz, den visionären Dichter des 18.Jahrhunderts. Büchners Erzählung Lenz beginnt
so: >Den 20. Jänner ging Lenz durchs Gebirg… nur war es ihm manchmal unangenehm, daß
er nicht auf dem Kopf geht, meine Damen und Herren, wer auf dem Kopf geht, der hat den
Himmel als Abgrund unter sich. Dann zitiert er >Himmel als Abgrund< als Grund für die
>Dunkelheit< der Dichtung.50
Was er nicht sagte: Es war der 20 Jänner 1942, daß Heydrich, Eichmann und andere
beim Frühstück die >Endlösung der Judenfrage< beschlossen. Nach einer Passage, in der er
neunmal das Wort >vielleicht< gebraucht hat, fährt Celan fort: Vielleicht darf man sagen, daß
Jedem Gedicht sein >20. Jänner< eingeschrieben bleibt?
Dichtung: das kann eine Atemwende bedeuten, >Wie der Himmel als Abgrund< ist
Atemwende >ein altes mystisches Motiv<, wie Celan einmal Bemerkte: Durch seine
Fremdheit bricht ein Gedicht neue Wirklichkeit auf. Gebildet nach dem Muster von
>Sonnenwende<, plädiert Celans >Atemwende< für eine Wende, eine Revolution des Geistes
in sich und in uns.
Kurz nach der Meridian – Rede demonstriert Celan diese Atemwende in dem Gedicht
Psalm.
(Psalm)
Celan der im Umkreis des >Atemwende – Bandes zu Adornos Diktum, daß es nach
Auschwitz keine Dichtung mehr geben könne, dieses ablehnend notiert hatte: „Kein Gedicht
nach Auschwitz (Adorno): was wird hier als Vorstellung von „Gedicht“ unterstellt? Der
Dünkel dessen, der sich untersteht, hypothetisch – spekulativerweise Auschwitz aus der
Nachtigallen – oder Singdrossel Perspektive zu berichten“ –, sah sich zu Beginn des Jahres
13
14
1965 erneut mit Theodor W. Adorno konfrontiert, in Andornos Essay – Sammlung >Notizen
zur Literatur III<. Und im Jänner desselben Jahres druckte die Zeitschrift >Merkur< einen
Beitrag von Reinhart Baumgart, in dem er über Celans Todesfuge polemisiert: >alles das
durchkomponiert in raffinierter Partitur – bewies es nicht schon zuviel Genuß an der Kunst,
an der durch sie wieder „schön“ gewordenen Verzweiflung?< Auch ein Leserbrief in „Die
Zeit“ vom März 1965 geht in diese Richtung. In einem Brief von Celan an Robert Neumann
heißt es verkürzt: >...streng nach Adorno...weiß man endlich, wo die Barbaren zu suchen sind.
< 51
Die rechten Kritiker und Germanisten in Deutschland dagegen, wie Curt Hohoff und Hans
Egon Holthusen sprachen Celan den Wirklichkeitsgehalt seiner Gedichte ab.
Nach >Atemwende< erschien noch >Fadensonnen<, >Lichtzwang<, und >Schneepart<.
Celan nennt die schizoide Erkrankung, die ihn seit dem Jahr 196o in Schüben
heimsuchte in seinen Gedichten >Wahn oder Melancholie<. Während in den frühen
Gedichtzyklen Celans die Welt vornehmlich durch das Auge wahrgenommen wird und durch
den Mund die Erfahrungen des Dichters mit der Wirklichkeit weitergegeben werden, wird die
Welt spätestens ab dem Zyklus >Atemwende< vorherrschend mit der Hand registriert. das
Gedicht selbst wird zum Atemkristall. Das >Hand – Anlegen< des Dichters ist aber nicht nur
auf die Welt gerichtet, es richtet sich auch gegen die eigene Person.52
Michael Jakob sah das so: Das Ich, so könnte man behaupten, legt in >Atemwende<
Hand an sich, zerstümmelt sich größtenteils selbst und wird dadurch im Gedicht >wahr< was
jedoch dazu führen muß, daß man diesen Texten immer seltener auf es treffen wird und
immer häufiger auf die zersetzenden Handgriffe der Schwermut. Wir treffen gleichsam auf
einen über den ganzen Gedichtband verstreuten >Körper<, sowohl in Einzelorganen als auch
als Organfunktion. Es handelt sich demnach nicht so sehr um einen toten Organismus, dessen
verschiedene Organe auf die Texte verteilt würden, sondern um einen Organismus, der nicht
mehr ganz, nicht mehr einheitlich zu sein scheint, von dem es kein >Bild< mehr gibt, keinen
Gestalt.53
(Die nachzustotternde Welt)
Um den 20.April 1970 stieg Celan von der Brücke hinab in die Seine und ertrank
unbemerkt, obwohl er ein guter Schwimmer war.
Den Sprung von der Brücke in die Seine hat Celan in dem Gedicht >und mit dem Brief aus
Tarussa< in dem Zyklus >Die Niemandsrose< angekündigt.54 Dort heißt es:
Von der Brückenquader, von der
er ins Leben hinüberprallte, flügge
von Wunden, – vom Pont Mirabeau.
Anmerkung von Werner Lang: Die oben zusammengestellte Interpretation über Paul Celan wurde aus der
Literaturwissenschaft entnommen. Sie soll zur besseren Verständnis der Gedichte von Paul Celan dienen.
Zitate und Quellenangabe:1 Paul Celan. Eine Biographie von John Felstiner; C.H. Beck OHGs, München 1997.
John Felstiner wurde als Grundlage genau zitiert, um die sozialen Hintergründe von Paul Celan nicht zu zerstören. Auch
14
15
kommt in Felstiners Biographie am besten das Denkmodel von Celan zur Geltung. Durch diese Biographie wird auch
Deutsche Grammatik auf eine angenehme Weise gebrochen, die ich in meinem Beitrag beibehalten habe. Zur Verstärkung
sind Zitate von Jean Firges: Paul Celan; die beiden Türen der Welt; Gedichteinterpretationen; 2001 Sonnenberg Verlag,
Barbarossastraße 17; 76855 Anweiler am Trifels, aus, Interpretationen: Gedichte von Paul Celan; Reclam; 2002; Philipp
Reclam Jun. GmbH & Co, Stuttgart, eingeflossen. Weiteres: Petre Solomon; „Briefwechsel mit Paul Celan, 1957 – 1962
Literatur 32/11 (1981)
2
Euphemismus: Beschönigende Umschreibung. Z. B. entschlafen für sterben. Jargon: Umgangssprachliche Ausdrucksweise
innerhalb einer Berufs – od. sozialen Gruppe; saloppe Redeweise.
3
„polyglotte“: mehrsprachige
4
Martin Buber, „Mein Weg zum Chassidismus“, Werke, München 1963, Bd. 12. Celan erwarb Bubers Mein Weg im August
1954
5
Osip Mandelshtam, Sobranie Sochinenii, herausgegeben von Gleb Struve und Boris Filippov- Filistinsky, New York 1955,
Mandelstam, Selected Essays, übersetzt von Sidney Monas, August (Tex.) 1977)
6
Bar Mitzwa: Religiöse Mündigkeit; 13 Jahre, (Tora vorlesen), Bat Mitzwa, Weiblich, Bas Mitzwa, Mehrzahl.
7
Böschenstein, Bernhard Hölderlin und Celan, in Hölderlin-Jahrbuch 23 (1982/83), Tübingen 1983, S 147 – 155).
8
Israel Chalfen, Paul Celan: eine Biographie seiner Jugend, Frankfurt am Main 1979. Bericht von Ruth Lackner, in Chalfen,
S.144;
9
Gerhart Baumann, „Erinnerungen an Paul Celan“, Frankfurt am Main 1986: Celan hatte sich um sowjetische Soldaten mit
Kopfverletzungen oder einer Kriegsneurose zu kümmern; (S. 24)
10
Corbea-Hoisie, Andrei (Hrsg.): Paul Celan. Biographie und Interpretationen, Konstanz, Paris 2000.
11
Alfred Kittner, „Erinnerungen an den jungen Paul Celan“, ZfK, S. 218, siehe auch Barkhausen, „Interview“, S, 101. Celans
Freund Immanuel Weissglas datierte Todesfuge auf 1944: Theo Buck, „Lyrik nach Auschwitz: Zu Celans „Todesfuge“.
Datum, S.35.
12
Celan, Gedichte. Eine Auswahl, herausgegeben von Klaus Wagenbach, Frankfurt am Main 1962.
Celan datierte die Gedichte für die Zwecke dieser Sammlung. Als er Erich Kahler 1962 ein Exemplar von Mohn und
Gedächtnis schenkte, vermerkte er auf der Titelseite: 1944 – 1952. In seinem eigenen Exemplar von Der Sand in den Urnen
vermerkte Celan unter Todesfuge:> Buck 45. < Todesfuge gehört nicht zu den Gedichten, die er 1944 für Ruth Lackner
abschrieb. Sie verließ Czernowitz in jenem Jahr, während er die Stadt erst im April 1945 verließ; das Gedicht mag also von
Anfang 1945 stammen: Silbermann, Brief an den Autor, Dezember 1993.
Karpaten Rundschau, 22 Januar 1992, S.1; Solomon: als Celan nach Bukarest kam, … brachte er das Gedicht mit. Und in
einem Gespräch sagte er: (In Bukarest) beendete er die Gedichte, die er in Czernowitz begonnen hatte: Er gehörte nirgendwo
hin,…
Ausstellungskatalog, „Paul-Celan-Kolloquium in Bukarest“, Oktober 1981, in ZfK, S 287. Eine Reproduktion von Tangoul
Mortii findet sich in Dimensiunea.
13
Konstantin Simonow, “The Lublin Extermination Camp”, Moskau 1944.
Eckhard John, „Musik und Konzentrationslager“, Archiv für Musikwissenschaften 48/1 (1991)
14
Edward Timus, „Karl Kraus, Apocalyptic Satirist: Culture and Catastrophe in Habsburg Vienna“, New Haven 1986, S. 226
– 229. Vielleicht hatte er das Gedicht Tod und Tango (1913) von Karl Kraus im Ohr.
15
Jewish Black Book committee, „The Black Book: The Nazi Crime Against the Jewish People“, New York 1946, S. 308f.:
Manchmal spielten die Musikanten in Janowska mit Flöte, Klarinette und Akkordeon unter dem Balkon der Deutschen auch
leichte klassische Musik (Yehuda Eisman, persönliche Mitteilung an John Felstiner). Eine Aufnahme des Todestangos mit
Aleksander Kulisiewicz findet sich auf der Platte „Songs from the Depth of Hell“ (Folkways FSS 37700). Esther Bejarno, die
dem Häftlingsorchester in Auschwitz angehörte, erinnerte sich: Wir mußten spielen, während die Züge ankamen und die
Leute direkt ins Gas getrieben wurden. Die Deportierten winkten uns fröhlich zu, weil sie dachten, wo die Musik spielt, kann
es ja nicht so schlimm sein. Eckhart John: Musik und Konzentrationslager, Archiv für Musikwissenschaft 48/ (1991), S. 11.
In Auschwitz mußten auf Befehl der SS die Häftlinge aus Thorarollen Trommeln, Tamburine und Banjos machen:
Commitment (Simon Wiesenthal Center) 4/2 (Juli 1990)
16
Eduardo Bianco: Argentinier, (Plegaria ist der Tango des Todes). Für diese Information über Bianco bin ich Simon Collier
zu Dank verpflichtet (John Felstiner). Siehe, Horacio Ferrer, El libro del tango, überarbeitete Ausgabe, Buenos Aires 1977, S.
293 f., und Enrique Cadicamo, la historia del tango, Buenos Aires 1975, S. 110, 154.
17
Szymon Laks, “Music of another World”, übersetzt von Chester A. Kisiel, Evanston, III. 1989, S. 37f. Jacob Glatstein
(Hrsg.). Anthology of Holocaust Literature, New Yoerk! 973, S. 228. Leon Weliczker Wells, The Janowska Road, New York
1963, S. 135.
18
In dem Wort Fuge klingen ironisch verschiedene Bedeutungen mit. Hinter der geläufigen Bedeutung steckt das italienische
Wort fuga, Flucht – eine bezwingende Vorstellung in diesem Monolog der Einkerkerung. Im Zimmermannshandwerk meint
fugen nahtlos anpassen, angleichen – das Handwerk des Meisters, der Tod und Musik verfugt oder aneinanderfügt. Und in
der Medizin bedeutet das französische Fugue das triebartige Fortlaufen im epileptischen Dämmerzustand (Zetkin/Schaldach,
div.- Wörterbuch der Medizin, München 1974) – die Befindlichkeit des deutschen Bewußtseins, zu dem dieses Gedicht nach
1945 sprach. (John Felstiner)
18
Peter Mayer, „Paul Celan als jüdischer Dichter“, Landau 1969, S. 12. 1972 äußerte Rosa Ausländer, es gereiche ihr zur
Ehre, das Celan ihre Metapher „zur höchsten dichterischen Aussage erhoben“ haben (Chalfen), S, 133). Heinrich Stiehker,
„die Zeit der Todesfuge“, Akzente 19/1 (Feber 1972), S. 25 – 30, verweist auf die vielen Ähnlichkeiten zwischen der Diktion
der Todesfuge und der eines etwa gleichzeitig entstandenen Gedichts von Celans Freund Immanuel Weissglas. 1975
schilderte Weissglas ihre Gemeinschaft „im lyrischen Bewusstsein“ und meint, es habe zwischen ihnen ein
„kameradschaftlicher Kontrapunkt“ geherrscht, wenn sie einander ihre Arbeiten vorlasen: Stiehler: „ Muss ich das wissen,
um zu verstehen?“ ZfK, S.233. Eine Erörterung über Quellen und Analogien der Todesfuge bietet Buck, „Lyrik“, eine
Zusammenfassung findet sich bei Amy Colin, Paul Celan: Holograms of Darkness, Bloomington, Ind. m 1991, S. 42 – 46
15
16
19
Alliterationen: (Stabreim) Gleicher Anlauf mehrere bedeutungstragender Wörter; Mann und Maus.
Multiperspektivisch: Mehr Ausblick, Durchblick, Blickwinkel.
21
Kontrafaktisch: energisch widersprechen, tatsächlich, wirklich, Tatsachen gegründet.
22
Klagelieder Jeremias: Ein Buch des Tanach, hebräische Bibel, fünf Gedichte – Festrollen, 586v. Chr.
23
Oxymoron: Kombination von sich ausschließenden Begriffen, (schwarze Milch).
24
Evozieren: Vorstellungen erwecken.
25
Semantischen Wortbedeutung: Inhalt eines Wortes, einer Wendung betreffend.
26
Heinrich Heine, Sämtliche Werke, Essen o.J., Bd. 1, S. 194.
27
Tosca, die nur der Kunst und der Liebe lebt – vissi d arte, vissi d amore -, hat einen Geliebten, den Maler Cavaradossi, der
(hin- und hergerissen zwischen der Liebe zu einer Dunkelhaarigen und der zu einer blonden Frau) für sie im Gefängnis die
Arie E lucevan le stelle, „Und es blitzten die Sterne“, singt, als Erinnerung an ihre erste Begegnung. Beide Liebenden finden
ein tragisches Ende. (John Felstiner)
27
Der Name Sulamith vibriert von Untertönen, die den meisten Deutschen kaum vernehmbar sein dürften. Die erste
deutschsprachige Zeitschrift für Juden hieß Sulamith; sie war 1806 zur Förderung der deutsch-jüdischen Symbiose gegründet
worden. Auch viele jiddische Autoren schrieben Werke um Sulamith; die Kafka sich zweimal ansah und die in Cernowitz oft
gegeben wurde: Ruth Rubin, Voices of a People, Philadelphia 1979, S. 270 f., und The jews of Rumania in Modern Times,
Tel Aviv 1982. Auch Goethe hat das Hohelied ins Deutsche übersetzt.
28
„Heimat deine Sterne“, lautete ein sentimentaler Schlager der deutschen Soldatensender im zweiten Weltkrieg. (John
Felstiner)
29
Der Name Sulamith vibriert von Untertönen, die den meisten Deutschen kaum vernehmbar sein dürften. Die erste
deutschsprachige Zeitschrift für Juden hieß Sulamith; sie war 1806 zur Förderung der deutsch-jüdischen Symbiose gegründet
worden. Auch viele jiddische Autoren schrieben Werke um Sulamith; die Kafka sich zweimal ansah und die in Cernowitz oft
gegeben wurde: Ruth Rubin, Voices of a People, Philadelphia 1979, S. 270 f., und The jews of Rumania in Modern Times,
Tel Aviv 1982. Auch Goethe hat das Hohelied ins Deutsche übersetzt.
30
Simonows Bericht von 1944 über das Konzentrationslager Majdanek schildert eine Prozedur, die beim Hineintreiben der
Juden in das Krematorium angewandt wurde: „Links und rechts von der Tür standen zwei SS-Männer, die mit einer kurzen,
schweren Eisenrute bewaffnet waren. Sobald einer der Männer, die den Raum betraten, den Kopf senkte, erhielt er von einem
der SS-Männer mit der Eisenrute einen Schlag in den Nacken.“ Das Wort „Eisen“ ist verschiedentlich auch im Sinne von
„Schußwaffe“ verstanden worden. Doch könnte Paul Celan im sowjetisch besetzten Czernowitz auch auf die „schwere
Eisenrute“ in Simonows Bericht gestoßen sein, schreibt Festiner.
31
Dokumentarfilm des schwedischen Regisseurs Peter Cohen „Architektur des Untergangs“, in dem gezeigt wird, daß Kunst
und Vernichtungswille in der Ideologie des dritten Reiches eine Symbiose eingehen. (Rezension des Films in der Stuttgarter
Zeitung Nr. 61 vom 13. März 1992, S.23)
32
Die einzige Veränderung, die Celan gegenüber einer früheren Version (3:64) vornahm, war die Verwandlung von „Aug“
zu „Auge“, wodurch der gleichmäßig dreigliedrige Rhythmus der Zeile gewahrt bleibt.(John Felstiner)
33
Jean-Paul Sartre, L'Être et le Néant, Paris 1957, S469.
34
Peter Mayer, „Paul Celan als jüdischer Dichter“, Landau 1969, S. 12. 1972 äußerte Rosa Ausländer, es gereiche ihr zur
Ehre, das Celan ihre Metapher „zur höchsten dichterischen Aussage erhoben“ haben (Chalfen), S, 133). Heinrich Stiehker,
„die Zeit der Todesfuge“, Akzente 19/1 (Feber 1972), S. 25 – 30, verweist auf die vielen Ähnlichkeiten zwischen der Diktion
der Todesfuge und der eines etwa gleichzeitig entstandenen Gedichts von Celans Freund Immanuel Weissglas. 1975
schilderte Weissglas ihre Gemeinschaft „im lyrischen Bewusstsein“ und meint, es habe zwischen ihnen ein
„kameradschaftlicher Kontrapunkt“ geherrscht, wenn sie einander ihre Arbeiten vorlasen: Stiehler: „ Muss ich das wissen,
um zu verstehen?“ ZfK, S.233. Eine Erörterung über Quellen und Analogien der Todesfuge bietet Buck, „Lyrik“, eine
Zusammenfassung findet sich bei Amy Colin, Paul Celan: Holograms of Darkness, Bloomington, Ind. m 1991, S. 42 – 46.
35
In Celans Bremer Rede wenige Wochen zuvor war es „ein nicht unbeträchtlicher Teil der chassidischen Geschichten“, der
in Celans einstiger Heimat „zu Hause war“, In Hölderlin, Hymne „Der Rhein (Strophe 13) lesen wir: „Die Liebenden aber/
Sind, was sie waren, sie sind / Zu Hause“. Als Celan dieses Gedicht ein Jahr später wieder las, schreibt John Felstiner, (in der
Ausgabe „Hölderlin, Sämtliche Werke, 1953, Bd. 2, S. 155), markierte er diese Zeilen über die Liebenden „zu Hause“ und
notierte am Rande: 17.4. 59 vgl. Engführung!“ Er unterstrich auch das Ende der Rheinhymne: „Bei Nacht, wenn alles
gemischt / Ist ordnungslos und wiederkehrt / Uralte Verwirrung“.
36
Celan, Brief vom 17. Dezember 1957: Wolfgang Emmerich (Hrsg.), Der Bremer Literaturpreis 1954 – 1987; Reden der
Preisträger und andere Texte, Bremerhaven 1988, S. 72
37
Reiner A. Bast und Heinrich P. Delfosse, Handbuch zum Textstudium von Martin Heideggers „Sein und Zeit“, Stuttgart
1979, Bd. 1.
38
Charlotte Rumpf, „die Todesfuge“ von Paul Celan: ein Unterrichtsbeispiel“, Gesellschaft-Staat-Erziehung „/5 (1957),
S.232 – 241, mit redaktioneller Vorbemerkung von „F. M.“
39
Die Funktion des Sternchens in „Engführung“ erörtert Aris Fioretos, „Nothing“, S. 328.
40
Als Anagramm auseinandergeschrieben, wird „Gras“ zum „Sarg“: Ossar, „Malevolent God“, S. 174. Und Lorenz,
„Schweigen“, S.207.
41
Jürgen Lehman, „Engführung“ in Interpretationen, Gedichte von Paul Celan, S.69 – 81
42
Zu anderen Beziehungen zwischen Todesfuge und Engführung siehe Leonard Moore Olschner, „Fugal Provocation in Paul
Celan`s „Todesfuge“ and „Engführung“, German Life and Letters 43/I (Oktober 1889).
Otto Lorenz „Schweigen in der Dichtung: Hölderlin – Rilke – Celan, Göttingen 1989, sieht Verbindungen von Engführung
zu Jean Paul, Dante, Shakespeare, Empedokles, der Bibel, Nietzsche „Also sprach Zarathustra“, Cayrols „Nacht und Nebel“
und Rosenzweigs „Stern der Erlösung“, etwa in dessen letztem Kapitel: „In der innersten Enge des jüdischen Herzens
leuchtet der Stern der Erlösung.“
20
16
17
43
Celans Übersetzung, von Jean Cayrols Kommentar zu dem Film Nacht und Nebel (1956) von Alain Resnais enthält den
Satz: „Man baut das KZ, man respektiert die Eiche“ von 1959. Siehe auch „Engführung“.
44
„Der Georg-Büchner-Preis 1951 – 1978“
45
Mallarmé Stephane: Lyriker, Symbolismus.
46
Leon Chestov, Le Pouvoir des Clefs, übersetzt von B. de Schloezer, Paris 1928, SXXXVII. Bei Celan erscheint das Zitat
leicht verändert.
47
Malebranche Nicolas: „Die Erforschung der Wahrheit“
48
Walter Benjamin, „Franz Kafka“, in Schriften, Bd. 2, S.222.
49
Martha Bickel, „Zum Werk von Karl Emil Franzos“, in „Juden in der deutschen Literatur“, herausgegeben von Stephane
Moses und Albrecht Schöne, Frankfurt 1986.
50
Ivanovic, Christine: Das Geheimnis der Begegnung. Dichtung und Poetik Celans im Kontext seiner russischen Lektüren.
Tübingen 1996.Büchners „Lenz basiert auf der Lebensgeschichte des Dichters Jakob Michael Reinhold Lenz (1751 – 1794),
eines Zeitgenossen des jungen Goethe; die Erzählung entstand im Sommer 1836 und wurde 1878 erstmals veröffentlicht.
Karin Lorenz-Lindmann, „Paul Celan: Gespräch im Gebirg – Ein Palimpsest zu Büchners Lenz, Datum. S.170-182.
51
Jean Firges, „Paul Celan: Die beiden Türen der Welt Gedichtinterpretationen, 2001, Annweiler am Trifels, : S.26 – 30,
S.33, S.71.
52
In seinen letzten Brief an den Suhrkamp-Verlag beharrte Celan darauf, daß seine Gedichte nicht dunkel seien: „Für ihn
seien diese Gedichte frei, offen und endlos“, wie der Verlag auf dem Schutzumschlag von Schneepart mitteilt.
53
Michael Jakob, Das „Andere „ Paul Celans oder von den Paradoxen relationalen Dichtens, München 1993 S.295 f.
54
1962 hatte er Apollinaires „Pont Mirabeau zitiert – und zwar in dem Gedicht mit dem Motto vse poety zhidy (John
Felstiner)
Wurm Franz, „Erinnerungen“, S.40.
Baumann: S. 90, „Ich habe – einmal und ohne Bestätigung – gehört, das Celan 1953 versucht haben soll, sich am Pont
Mirabeau das Leben zu nehmen. Unter seinen Gedichten erscheint die Adresse bereits am 7. November 1969: Shmueli,
„Denk die“, S.27. Edmond Lutrand blieb es vorbehalten, die Leiche Celans zu identifizieren.
Weiteres: Teile entnommen aus der Ansprache anläßlich der Entgegennahme des Literaturpreises der Freien Hansestadt
Bremen.
Der Meridian. Rede anläßlich der Verleihung des Georg-Büchner-Preises.
17